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GRÖNLAND<br />
Arctic Circle Trail<br />
Text: Daniela Nägeli<br />
Zwischen den Städten Sisimiut<br />
und Kangerlussuaq,<br />
entlang des Polarkreises,<br />
befindet sich der grösste<br />
eisfreie Abschnitt des Landes.<br />
Hier führt der bekannteste<br />
Wanderweg Grönlands<br />
durch, der 160 Kilometer lange Arctic<br />
Circle Trail. Während Beni noch einige Tage<br />
den Rücktransport unserer Ausrüstung in die<br />
Schweiz organisiert, nutze ich die Zeit, auch<br />
noch etwas vom Landesinnern kennenzulernen<br />
und mache mich zu Fuss in Richtung Inlandeis<br />
auf. Obwohl ich versuche, möglichst<br />
leicht zu packen, landen doch über 30 Kilogramm<br />
Ausrüstung auf meinen Schultern.<br />
Voller Zuversicht marschiere ich los, anfangs<br />
über farbige Moose und glasklaren Bächen<br />
entlang, bevor der Trampelpfad knapp<br />
1000 Höhenmeter auf die erste steppenähnliche<br />
Hochebene führt. Bis hierher war der Weg immer<br />
wieder mit Steinmännchen gekennzeichnet<br />
und relativ einfach zu finden. Doch jetzt<br />
gestaltet sich das Fortbewegen wegen zahlreicher<br />
Bach-, Fluss- und Sumpfgebietsüberquerungen<br />
schwieriger. Schon mitten im ersten<br />
Bach rutscht ein Stein unter meinen Füssen<br />
weg, und ich lande im Wasser. Ich brauche<br />
mehr als einen verzweifelten Versuch, um<br />
pitschnass mit dem schweren Rucksack wieder<br />
auf die Beine zu kommen. Immer wieder verlieren<br />
sich die Wegspuren in den sumpfigen<br />
Ebenen, und verschiedene Tiertrampelpfade<br />
verleiten mich mehrmals zu einer falschen<br />
Richtungswahl. So muss ich einmal sogar auf<br />
einen Berg klettern, um die Orientierung wieder<br />
zu finden. Nun kommen doch langsam<br />
Zweifel auf, ob es sinnvoll war, dieses Abenteuer<br />
alleine in Angriff zu nehmen. Soll ich<br />
umkehren, solange es noch geht? Nein, der<br />
Reiz, weiterzumachen ist zu gross.<br />
Nach jeder Tagesetappe von ungefähr<br />
15 Kilometern stehen kleine Schutzhütten, die<br />
es mir erlauben, das Zelt im Rucksack zu lassen<br />
und windgeschützt kochen und schlafen<br />
zu können. Dank diesem Luxus, dem trockenen<br />
Wetter und den sehr kurzen Nächten komme<br />
ich gut voran. Die Wandertage sind lang:<br />
um halb vier Uhr in der Früh ein kleines Frühstück,<br />
am Mittag eine Stunde schlafen, bevor<br />
es nach einem grosszügigen Abendessen gegen<br />
zehn Uhr in die Federn des Schlafsacks geht.<br />
Nur einmal erreiche ich wegen starker<br />
Föhnwinde keine Schutzhütte und muss auf<br />
einer exponierten Ebene zwei Stunden mit dem<br />
Wind kämpfen, bis das Zelt endlich steht. Doch<br />
an viel Schlaf ist nicht zu denken. Die ganze<br />
Nacht wird das Zelt vom Wind gebeutelt. Mein<br />
Wecker ermahnt mich stündlich, das Material<br />
und die allgemeine Lage zu prüfen. Nun wäre<br />
ich doch ganz froh, nicht alleine unterwegs zu<br />
sein.<br />
Auch wenn kilometerlange Abschnitte<br />
durch Sumpf, Geröll und Moos führen, komme<br />
ich gut voran. Immer wieder werde ich mit imposanten<br />
Kulissen belohnt. Der Weg führt an<br />
£ Daniela zu Fuss unterwegs. Prächtige<br />
Ausblicke, viel Gepäck am Rücken, Schutzhütten<br />
für die Nacht und Tierbegegnungen –<br />
das ist der Arctic Circle Trail.<br />
felsigen Gebirgen und glasklaren Seen vorbei<br />
über grüne Hügel, und immer wieder schweift<br />
mein Blick auf die gewaltigen Fjorde.<br />
Auch die Tierwelt sorgt für einige unvergessliche<br />
Momente. Ein Polarfuchs schleicht<br />
während eines Mittagschlafs neugierig um<br />
mich herum, schnüffelt am Rucksack und<br />
scheint keine Scheu zu kennen. Ich sehe riesige<br />
Seeadler am Himmel kreisen, und wenn man<br />
ganz genau hinschaut, entpuppen sich einzelne<br />
Felsbrocken in der Ferne als Moschusochsen.<br />
Bereits am vierten Tag kommt der<br />
Amitsorsuaq-See in Sicht, wo sich dank<br />
einem verlassenen Kanucenter einige<br />
Boote am Ufer befinden sollen. Das wäre<br />
genau das Richtige: meine müden und<br />
schmerzenden Füsse etwas entspannen<br />
und ohne Umwege über das Wasser gleiten<br />
zu können. Und tatsächlich, einige<br />
stark verbeulte Kanus befinden sich am<br />
richtigen See-Ende. Schnell ist ein Aluminiumkanu<br />
beladen, die Schwimmweste<br />
umgeschnallt und zügig geht es 17 Kilometer<br />
über den spiegelglatten See.<br />
Sechs Tage nach dem Start komme ich<br />
zur Strasse, welche die letzten 25 Kilometer bis<br />
zum Ziel führt. Meine Beine sind viel zu müde,<br />
um diese Kies- und Asphaltstrecke jetzt noch<br />
meistern zu können. Todmüde mache ich mich<br />
daran, das Zelt auszupacken, als ein Mountainbike<br />
angesaust kommt und Bremsen quietschen.<br />
Beni – welche Freude und Erleichterung! Er ist<br />
nach getaner Arbeit von Sisimiut nach Kangerlussuaq<br />
geflogen, hat kurzerhand ein Velo aufgetrieben<br />
und ist mir entgegengeradelt. Schnell<br />
binden wir den Rucksack auf den Rahmen und<br />
setzen uns zu zweit auf den ächzenden Drahtesel.<br />
Rasant und mit stinkenden Bremsen fahren<br />
wir den steilen und kurvigen Schotterweg<br />
hinunter. Bald ist die optimale Balance gefunden.<br />
Die hügelige Landschaft saust an uns vorbei.<br />
Dann kommt der Flughafen von Kangerlussuaq<br />
in Sicht, und auf einen Schlag wird uns<br />
klar: Unser Grönlandabenteuer ist zu Ende.<br />
nagida@gmx.ch<br />
© <strong>Globetrotter</strong> Club, Bern<br />
18 GLOBETROTTER-MAGAZIN Frühling 2013