Download PDF - Globetrotter-Magazin
Download PDF - Globetrotter-Magazin
Download PDF - Globetrotter-Magazin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
starke Winde von sieben Bft auf. Wir müssen<br />
uns entscheiden, ob wir sofort auf einer kleinen<br />
Insel Schutz suchen oder noch in die Stadt<br />
paddeln, wo uns bei Jens und Dorothe, Verwandten<br />
von Amma, ein warmes Zimmer erwartet.<br />
Mit den Strömungen bilden sich immer<br />
wieder steile Wellen, die über unsere Boote brechen<br />
würden. Da uns der Wind genau in den<br />
Rücken bläst, wollen wir es trotzdem wagen. In<br />
zügigem Tempo geht es auf die Stadt zu. Wir<br />
müssen fleissig bremsen, damit wir nicht ins<br />
Surfen geraten. Plötzlich spüre ich, wie mich<br />
eine gewaltige Kraft blitzschnell in die Höhe<br />
hebt und zur Seite schiebt. Mit aller Kraft stütze<br />
ich mich in die Welle und stelle das Boot wieder<br />
auf. «Pass auf!», brülle ich Daniela zu, bevor<br />
sie hinter der Wasserwand verschwindet.<br />
Schnell paddle ich auf den Punkt zu, wo ich sie<br />
zuletzt gesehen habe. Doch ihr Boot ist spurlos<br />
verschwunden. «Das kann doch nicht sein»,<br />
versuche ich mich zu beruhigen. Doch schon<br />
hebt mich wieder eine grosse Welle in die Höhe,<br />
und ich sehe ihr Boot für einen kurzen Augenblick<br />
– ganze 100 Meter vor mir! Als ich ihr<br />
näherkomme, begrüsst sie mich mit einem erleichterten<br />
Grinsen: «Hast du diesen Surf gesehen?!»<br />
Einmal mehr sind wir heilfroh um die Trainingswoche<br />
und die gelernten Rettungsmanöver<br />
in den Strömungen rund um Holyhead in<br />
Wales, die wir für diese Reise absolviert hatten.<br />
So gelangen wir unbeschadet in die geschützte<br />
Bucht im alten Kolonialhafen von Nuuk. Wir<br />
werden von Jens und Dorothe und einigen<br />
Inuit schon sehnlichst erwartet. Viele helfende<br />
Hände bergen unsere Boote. Wenig später erholen<br />
wir uns in Jens’ und Dorothes warmer<br />
é<br />
ê<br />
Slalom. Eisschollen erschweren das Paddeln<br />
durch den Tarssukatak-Kanal.<br />
Ruhetage. Eine warme Stube und gutes<br />
Essen bei Dorothe und Jens in Nuuk.<br />
Stube. Die beiden haben grosse Welttouren mit<br />
einem alten Fischkutter hinter sich und viele<br />
spannende Geschichten zu erzählen.<br />
Stadtleben. Regen, Kälte und viel Wind – so<br />
präsentiert sich der erste Tag in Grönlands<br />
Hauptstadt Nuuk. Wir sind froh, in einem trockenen<br />
und geheizten Haus zu sein. Am Nachmittag<br />
geht es mit dem Bus – für uns total ungewohnt<br />
– in die Stadt, die ein tristes Bild der<br />
dänischen Zentralisierungspolitik widerspiegelt.<br />
Es scheint, als wurden die Blockbauten<br />
planlos aus dem Boden gestampft und, wenn<br />
überhaupt, erst im Nachhinein die notwendige<br />
Infrastruktur erstellt. Bis zu 1500 Personen,<br />
früher Jäger und Fischer, sind in einen Block<br />
gestopft, wo sie keine Möglichkeit haben, ihre<br />
gelegentliche Beute zu verarbeiten und zu lagern.<br />
So darf man sich nicht wundern, dass<br />
erhebliche soziale Probleme und ein hoher Alkoholkonsum<br />
die Folge sind. Zum Glück hat<br />
die Verwaltung in den letzten Jahren reagiert,<br />
und in den neuen Quartieren der Stadt entstehen<br />
moderne Wohnanlagen mit viel Umschwung<br />
und Spielplätzen.<br />
Da es in dieser Jahreszeit nie richtig dunkel<br />
wird, hat das Leben hier einen ganz anderen<br />
Rhythmus. Viele Menschen arbeiten bis Mitternacht,<br />
das gesellschaftliche Leben kommt<br />
erst in der zweiten Nachthälfte zur Ruhe. So<br />
werden wir nach einer sehr kurzen Nacht bereits<br />
um sechs Uhr von der Sonne geweckt, die<br />
heute besonders intensiv scheint. Bald herrscht<br />
grönländischer Hochsommer, der Schweiss<br />
läuft in Strömen.<br />
Bei einem Freund der Familie bekommen<br />
meine Ellbogen und Schultern eine Akupunkturbehandlung.<br />
Die strengen Paddeltage haben<br />
Entzündungen verursacht. Henning, der Arzt,<br />
erklärt Daniela, wie es funktioniert und wo die<br />
Nadeln platziert werden müssen. Und zu unserer<br />
Überraschung gibt er uns ein Set Nadeln<br />
mit auf den Weg. Ob wir wohl eine Selbstbehandlung<br />
hinkriegen?<br />
Vor unserer Weiterreise kochen wir bei Jens<br />
und Dorothe gemeinsam unsere typischen Nationalgerichte.<br />
Zur Vorspeise gibt es gegrilltes<br />
Rentier, Moschusochse und Fondue. Anschliessend<br />
werden frischer Seehund sowie getrocknete<br />
kleine Fische serviert. Leber und<br />
Schwimmblase des Seehundes werden roh und<br />
die Fische komplett mit Innereien, Kopf und<br />
16