10 - Institut für Theoretische Astrophysik
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Aufbau und Entstehung unseres<br />
Sonnensystems<br />
VII. Aufbau und Entwicklung von Akkretionsscheiben<br />
H.-P. Gail und W. M. Tscharnuter<br />
<strong>Institut</strong> für <strong>Theoretische</strong> <strong>Astrophysik</strong>, Heidelberg<br />
WS 2007/08
7. Entwicklung der Akkretionsscheibe<br />
Modelle für Akkretionsscheiben wurden in verschiedenen Approximationen<br />
berechnet:<br />
• Einzonenmodelle<br />
– Stationäre Modelle. Gut für das Studium der inneren Bereiche der Akkretionsscheibe. Sehr detaillierte<br />
Physik kann berücksichtigt werden<br />
– Zeitabhängige Modelle. Gut für die Entwicklung der ganzen Akkretionsscheibe über einen Zeitraum<br />
von mehreren Millionen Jahren. Sehr detaillierte Physik kann berücksichtigt werden<br />
• 1+1-dim Modelle<br />
– Stationäre Modelle. Gut für das Studium der inneren Bereiche der Akkretionsscheibe. Sehr detaillierte<br />
Physik kann berücksichtigt werden. Spektren können berechnet werden und mit der<br />
Beobachtung verglichen werden. Aber der Rechenaufwand ist sehr viel höher als bei Einzonenmodellen<br />
– Zeitabhängige Modelle. Gut für die Entwicklung der ganzen Akkretionsscheibe über einen Zeitraum<br />
von mehreren Millionen Jahren. Sehr detaillierte Physik kann berücksichtigt werden. Die<br />
Details der Materieströmungen können aber nicht ermittelt werden. Der Rechenaufwand ist sehr<br />
hoch<br />
page: 7.1
Entwicklung der Akkretionsscheibe<br />
• 2D-Modelle. Wegen des enormen Rechenzeitaufwands können nur kurze Zeitabschnitte<br />
und nur relativ begrenzte radiale Bereiche modelliert werden. Außer der<br />
Hydrodynamik können bisher nur wenige Details der Physik berücksichtigt werden.<br />
Man erhält detaillierte Informationen über die Strömungsverhältnisse (Durchmischung!)<br />
• 3D-Modelle. Rechenaufwand noch einmal höher. Das ist bisher nur zur Modellierung<br />
sehr enger Spezialfragen verwendet worden<br />
page: 7.2
7.1 Einzonenmodelle<br />
Modell der Akkretionsscheibe mit der Annahme von α-Viskosität um einen Protostern<br />
mit M = 1 M⊙. Die Opazität wird durch ein Gemisch aus interstellarem Staub und<br />
dem Staub, der durch chemische und mineralogische Prozesse in der warmen Zone mit<br />
T > <strong>10</strong>00 K innerhalb von 1 AE gebildet wird und durch radiale Transportprozesse nach<br />
außen gemischt wird, bestimmt.<br />
Es werden drei verschiedene Massenakkretionsraten betrachtet:<br />
• M ˙ = <strong>10</strong> −6 M⊙ a −1 . Das entspricht einer sehr frühen Phase der Entwicklung nach ca.<br />
<strong>10</strong>0 000 Jahren<br />
• M ˙ = <strong>10</strong> −7 M⊙ a −1 . Das entspricht der mutmaßlichen Phase der Bildung der ersten<br />
Protoplaneten um ca. 1 000 000 Jahre herum<br />
• M ˙ = <strong>10</strong> −8 M⊙ a −1 . Das entspricht einer späten Entwicklungsphase nach mehrern Millionen<br />
Jahren. Die großen Gasplaneten sind schon entstanden, die Planetenbildung<br />
ist voll im Gang<br />
page: 7.3
Entwicklung der Akkretionsraten<br />
Figure 7.1: Empirisch bestimmte Akkretionsraten aus der UV-Emission der Grenzschicht<br />
zum Stern für Objekte in einigen nahen Sternentstehungsgebieten mit unterschiedlichem<br />
Alter<br />
page: 7.4
1. Keplersche Winkelgeschwindigkeit<br />
der Scheibenrotation:<br />
√ √√√<br />
GM∗<br />
Ω = . (1)<br />
s 3<br />
M∗ ist die Masse des Protosterns<br />
(zeitlich konstant angenommen).<br />
2. Effektivtemperatur der Scheibenoberfläche:<br />
⎛<br />
T eff 4 = 3GM √ ⎞ √√√<br />
∗Ṁ ⎜ R∗<br />
⎝1 −<br />
⎟ ⎠ . (2)<br />
σSB 8πs 3 s<br />
σSB ist die Stefan-Boltzmann Konstante,<br />
Ṁ ist die (konstante) Akkretionsrate.<br />
Ein Beitrag der Beleuchtung<br />
durch den Protostern<br />
ist hier vernachlässigt.<br />
3. Isotherme Schallgeschwindigkeit:<br />
c0 = kT c<br />
. (3)<br />
µmH<br />
Tc ist die Temperatur in der Mittelebene,<br />
µ das mittlere Molekulargewicht.<br />
Gleichungen<br />
4. Äquivalenthöhe der Scheibe:<br />
h =<br />
√<br />
π<br />
2<br />
c0<br />
Ω . (4)<br />
5. Die Viskosität in der α-<br />
approximation:<br />
ν = αhc0 . (5)<br />
α ist der Viskositätsparameter<br />
6. Die Gleichung für die Erhaltung<br />
des Drehimpulses:<br />
νΣ = Ṁ<br />
3π<br />
⎛<br />
√ √√√<br />
⎜ R∗<br />
⎝1 −<br />
s<br />
⎞<br />
⎟ ⎠ . (6)<br />
Diese Gleichung definiert die<br />
Flächendichte Σ der Scheibe.<br />
7. Massendichte in der Mittelebene:<br />
ρc = 1 Σ<br />
2 h . (7)<br />
8. Vertikale optische Tiefe bis zur<br />
Scheibenmitte:<br />
τc = 1 2 Σ κ R(ρc, Tc) . (8)<br />
κR(ρc, Tc) ist das Rosseland-Mittel<br />
des Massenextinktionskoeffizienten.<br />
9. Temperatur in der Mittelebene:<br />
T 4 c = T 4 mol + 1 2 T 4 eff<br />
[<br />
1 + 3 2 τ c<br />
]<br />
. (9)<br />
Tmol ist die Temperatur der Molekülwolke.<br />
<strong>10</strong>. Massenerhaltung:<br />
Ṁ = 2πrΣvs . (<strong>10</strong>)<br />
vs ist die Geschwindigkeit der Einwärtsbewegung.<br />
11. Der Druck in der Mittelebene<br />
(Zustandsgleichung):<br />
Pc = c 2 0ρc . (11)<br />
12. Die beiden Materialgleichungen:<br />
µ = µ(ρ, T ) (12)<br />
κR = κR(ρ, T ) , (13)<br />
Diese müssen aus der chemischen<br />
Zusammensezung der Gasphase<br />
und den Extinktionseigenschaften<br />
von Staub und Gas bestimmt werden.<br />
page: 7.5
Parameter<br />
Das Modell hängt von fünf Parametern ab:<br />
• Akkretionsrate M ˙<br />
• Viskositätsparameter α.<br />
• Sternmasse M∗.<br />
• Sternradius R∗. Das geht aber nur nahe beim Stern ein.<br />
• Temperatur Tmol der umgebenden Molekülwolke. Das ist nur bei großen Abständen<br />
wichtig.<br />
Materialfunktionen:<br />
• Mittleres Molekulagewicht µ = 7/3 wenn aller Wasserstoff in H2<br />
• Die Berechnung der Opazität erfordert die detaillierte Berechnung der Beiträge aller<br />
vorkommenden Staubsorten und ihrer Anteile an der Staubmischung<br />
page: 7.6
Opazitäten des Staubmaterials<br />
<strong>10</strong> 2<br />
Kohlenstoff<br />
<strong>10</strong> 1<br />
am. Silikate<br />
<strong>10</strong> 0<br />
krist. Silikate Eisen<br />
<strong>10</strong> -1<br />
κΡ [cm2 g -1 ]<br />
<strong>10</strong> -2<br />
Korund<br />
<strong>10</strong> -3 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0 <strong>10</strong>00<br />
T [K]<br />
Figure 7.2: Rosselandmittel der Opazität für die wichtigsten Staubmaterialien<br />
page: 7.7
Stationäres Einzonenmodell<br />
<strong>10</strong> 5<br />
<strong>10</strong> 4<br />
<strong>10</strong> 3<br />
<strong>10</strong> -6<br />
<strong>10</strong> -7<br />
Σ [g cm -2 ]<br />
<strong>10</strong> -8<br />
<strong>10</strong> 2 0.1 1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
r [AE]<br />
Figure 7.3: Variation der Flächendichte Σ mit dem Radius für drei verschiedene Massenakkretionsraten<br />
page: 7.8
Stationäres Einzonenmodell<br />
<strong>10</strong>00<br />
<strong>10</strong>0<br />
Tc [K]<br />
<strong>10</strong> -8 <strong>10</strong> -7 <strong>10</strong> -6<br />
<strong>10</strong><br />
0.1 1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
r [AE]<br />
Figure 7.4: Variation der Temperatur Tc in der Mittelebene der Scheibe mit dem Radius<br />
für drei verschiedene Massenakkretionsraten<br />
page: 7.9
Stationäres Einzonenmodell<br />
<strong>10</strong> 4<br />
<strong>10</strong> 3<br />
<strong>10</strong> 2<br />
τc<br />
<strong>10</strong> -8<br />
<strong>10</strong> -7<br />
<strong>10</strong> -6<br />
<strong>10</strong> 1<br />
<strong>10</strong> 0 0.1 1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
r [AE]<br />
Figure 7.5: Variation der vertikalen optischen Tiefe τc von der Scheibenoberfläche bis<br />
zur Mittelebene mit dem Radius für drei verschiedene Massenakkretionsraten<br />
page: 7.<strong>10</strong>
Stationäres Einzonenmodell<br />
1<br />
<strong>10</strong> -6<br />
0.1<br />
<strong>10</strong> -7<br />
h/r<br />
<strong>10</strong> -8<br />
0.01<br />
0.1 1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
r [AE]<br />
Figure 7.6: Variation der vertikalen Ausdehnung h der Scheibe mit dem Radius für drei<br />
verschiedene Massenakkretionsraten. Die Scheiben sind flach<br />
page: 7.11
Stationäres Einzonenmodell<br />
<strong>10</strong> -6<br />
<strong>10</strong> -7<br />
<strong>10</strong> -8<br />
<strong>10</strong> 3<br />
<strong>10</strong> 2<br />
<strong>10</strong> 1<br />
<strong>10</strong> 0<br />
0.1 1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
r [AE]<br />
vr [cm s-1 ]<br />
Figure 7.7: Variation des Betrags der Akkretionsgeschwindigkeit vr mit dem Radius für<br />
drei verschiedene Massenakkretionsraten.<br />
page: 7.12
Physikalischer Zustand der Scheibe<br />
T < 500 500 < T < 3000 T > 3000<br />
500 < T < 3000 T < 500<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
❵❵ ❵ .<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
✥✥<br />
✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥<br />
✥ .<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥✥<br />
7 ✥ .<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵❵<br />
.<br />
.<br />
kalt warm heiß heiß warm<br />
kalt<br />
.<br />
.<br />
.<br />
.<br />
kein chemisches<br />
Gleichgewicht<br />
Gleichgewichts-<br />
Chemie<br />
keine Moleküle<br />
Ionen<br />
Gleichgewichts-<br />
Chemie<br />
kein chemisches<br />
Gleichgewicht<br />
Figure 7.8: Schematische Darstellung der thermischen Struktur einer protoplanetaren<br />
Akkretionsscheibe<br />
page: 7.13
Physikalischer Zustand der Scheibe<br />
• Kalte äußere Zone<br />
– Moleküle, Staub, Eis<br />
– teilweise Ionisation (Kosmische Strahlung, radio-Nuklide)<br />
– kein thermodynamisches und chemisches Gleichgewicht<br />
– amorpher Staub, nicht-Gleichgewichts Zusammensetzung<br />
• Warme Zone im Bereich der terrestrischen Planeten<br />
– Moleküle und Staub (und Eis in der oberen Atmosphäre)<br />
– (nahezu) keine Ionen<br />
– chemisches Gleichgewicht in der Gasphase<br />
– chemisches Gleichgewicht zwischen Festkörpern und Gas<br />
– Kristalliner Mineralstaub (durch Tempern“)<br />
”<br />
• Heiße innere Zone<br />
– keine Moleküle, kein Staub (Staub nur in der äußeren Atmosphäre)<br />
– Ionisation des Scheibenmaterials (thermisch)<br />
– lokales thermodynamisches Gleichgewicht<br />
page: 7.14
7.2 Chemische Prozesse und Transportprozesse<br />
Figure 7.9: Schematische Darstellung der Vorgänge während der Entwicklung der Akkretionsscheibe<br />
page: 7.15
Transportprozesse in der Akkretionsscheibe<br />
Viskose Prozesse in der Scheibe bewirken eine allmähliche Akkretion des Materials auf<br />
den Stern. Der Vorgang ist langsam und läuft in den inneren <strong>10</strong> . . . 20 AE in der Scheibe<br />
quasistationär ab. Die Vorgänge innerhalb dieses Bereichs können auf der Basis einer<br />
Sequenz von stationären Modellen mit unterschiedlichen Akkretionsraten untersucht<br />
werden.<br />
• Akkretion bewirkt eine langsame, systematische Einwärtsbewegung des Materials<br />
bis zum Stern. Das Material wird in zunehmend wärmere Zonen transportiert, in<br />
denen chemische Reaktionen möglich sind<br />
• Überlagert sind großräumige Zirkulationsströmungen, durch die Material auch entgegen<br />
der allgemeinen Einströmung wieder auswärts transportiert werden kann. Dadurch<br />
werden radiale Inhomogenitäten in der Materialzusammensetzung über die<br />
Skalen der Zirkulationsströmungen ausgeglichen<br />
• Solange die Akkretionsraten hoch sind, findet auch eine turbulente Durchmischung<br />
des Materials statt. Insbsondere werden dadurch vertikale Inhomogenitäten ausgeglichen.<br />
Deswegen ist für viele Fragestellungen eine Mittelung über die vertikale<br />
Richtung sinnvoll<br />
page: 7.16
Zusammensetzung des interstellaren Staubs<br />
Der Staub in der Molekülwolke, aus der ein junger Stern und die mit ihm assoziierte<br />
Akkretionsscheibe entstehen, ist ein Gemisch mehrerer Komponenten. Seine genaue<br />
Zusammensetzung und Struktur ist derzeit nicht genau bekannt, aber die beobachteten<br />
Extinktionseigenschaften deuten auf folgende Zusammensetzung hin:<br />
• Eine Komponente aus Silikatstaub, die praktisch alles vorhandene Mg und Si bindet<br />
und einen nicht genau bekannten Teil des Fe. Wegen der etwa gleichen Häufigkeit<br />
von Mg und Si in der kosmischen Elementmischung kann nicht alles Silikat in Form<br />
einer Olivinstruktur vorliegen. Ein Teil muß in einer Pyroxenstruktur vorliegen. Die<br />
Silikate im ISM sind nicht kristallin, sondern liegen in amorpher Form vor<br />
• Eine Komponente aus Kohlenstoffstaub, die ca. 60% des vorhandenen Kohlenstoffs<br />
bindet. Die Struktur des Kohlenstoffstaubs ist nicht bekannt, doch handelt es sich<br />
nicht um um Graphit, sondern um eine amorphe Form. Ein Teil des Kohlenstoffstaubs<br />
(aber nicht alles) scheint ein kohliges Material mit hohem Gehalt an H,C,N,O<br />
zu sein<br />
• Ein nicht näher bekannter Teil des Fe scheint als metallisches Fe und/oder als Troilit<br />
(FeS) vorzuliegen
Chemische Prozesse in der inneren Zone<br />
Bei der Einwärtsdrift gerät das Scheibenmaterial in Gebiete höherer Temperatur. Dann<br />
werden eine Reihe von chemischen und physikalischen Prozessen möglich, die die Materialzusammensetzung<br />
wesentlich verändern:<br />
• Der amorphe Silikatstaub aus dem interstellaren Medium kristallisiert (bei ca 800<br />
. . . 900 K) durch thermisch induzierte innere Umlagerungsprozesse<br />
• Der Kohlenstoffstaub aus dem interstellaren Medium wird bei Reaktionen mit OH-<br />
Radikalen aus der Gasphase (bei ca. <strong>10</strong>00 K) durch Oxidation zu CO abgebaut. Als<br />
Zwischenprodukte entstehen große Mengen einfacher Kohlenwasserstoffe<br />
• Der Silikatstaub mit interstellarem Ursprung ist relativ instabil und verdampft bei<br />
ca. 1200 . . . 1300 K (je nach Sorte)<br />
• Es kondensiert neuer Staub mit der chemische Zusammensetzung, die dem chemischen<br />
Gleichgewicht in der kosmischen Elementmischung entspricht, der bis zu<br />
höhere Temperaturen stabil ist<br />
Diese Prozesse bestimmen die Mineralzusammensetzung und damit die Opazität des<br />
Materials der Akkretionsscheibe und die Zusammensetzung der später darin entstehenden<br />
Planeten<br />
page: 7.18
Staubmetamorphose bei der Einwärtsdrift<br />
Tempern<br />
800 ... 950 K<br />
ISM<br />
amorpher Staub<br />
Verdampfung-Kondensation<br />
Verdampfung<br />
ca. 1<strong>10</strong>0 K<br />
ISM<br />
kristalliner Staub<br />
ca. 1400 K<br />
Gleichgewicht<br />
Dampf<br />
kristalliner Staub<br />
intra-Staubkorn inter-Staubkorn chemi-<br />
Transport Transport Sputtering<br />
Figure 7.<strong>10</strong>: Entwicklung der Mineralkomponenten von amorphen zu kristallinen Strukturen<br />
und zur chemischen Gleichgewichtsmischung
Optische Eigenschaften der Staubteilchen<br />
Der gemittelte Extinktionskoeffizient κR bestimmt die thermische Struktur einer Akkretionsscheibe.<br />
Dieser wird im eisfreien Bereich durch zwei Komponenten dominiert:<br />
• Silikatstaub (Olivin, Pyroxen)<br />
• Kohlenstoffstaub<br />
Durch die Kristallisation des amorphen Silikatstaubs verringert sich das Extinktionsvermögen<br />
des Scheibenmaterials in den warmen, inneren Bereichen der Akkretionsscheibe<br />
um mehr als einen Faktor zehn. Die zweite Hauptkomponente des interstellaren<br />
Staubs, der Kohlenstoffstaub, wird in der warmen Zone bei etwas höheren Temperaturen,<br />
als die, unter denen Kristallisation stattfindet, durch Oxidation zu CO abgebaut.<br />
Dieser Beitrag zur gesamten Extinktion entfällt in den inneren Bereichen komplett.<br />
Wegen der starken Abhängigkeit der Scheibenstruktur und Entwicklung von der thermischen<br />
Struktur, bewirkt die Veränderung der Extinktionseigenschaften durch Kristallisation<br />
der Silikate und Rußoxidation eine starke Veränderung des Aufbaus einer<br />
Akkretionsscheibe. Diese Prozesse müssen bei einer Modellierung berücksichtigt werden.<br />
page: 7.20
Optische Eigenschaften der Staubteilchen<br />
<strong>10</strong> 1<br />
<strong>10</strong> 0<br />
(a) Amorphes Olivin<br />
str<br />
abs<br />
C λ C λ<br />
0.1 1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0 <strong>10</strong>00<br />
<strong>10</strong> -1<br />
<strong>10</strong> -2<br />
<strong>10</strong> -3<br />
<strong>10</strong> -4<br />
<strong>10</strong> -5<br />
Absorptions-, Streueffizenz<br />
λ [µ]<br />
Figure 7.11: Absorptions- und Streueffizienz für Staubteilchen mit 0.1 µm Radius aus<br />
amorphem Olivin. Streuung spielt nur für λ < 1 µm eine Rolle. Im fernen Infraroten<br />
dominiert Absorption durch zwei starke und sehr breite Absorptionsbanden<br />
page: 7.21
Optische Eigenschaften der Staubteilchen<br />
<strong>10</strong> 1<br />
<strong>10</strong> 0<br />
(b) Kristallines Olivin<br />
str<br />
C λ<br />
abs<br />
C λ<br />
0.1 1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0 <strong>10</strong>00<br />
<strong>10</strong> -1<br />
<strong>10</strong> -2<br />
<strong>10</strong> -3<br />
<strong>10</strong> -4<br />
<strong>10</strong> -5<br />
Absorptions-, Streuefficienz<br />
λ [µ]<br />
Figure 7.12: Absorptions- und Streueffizienz für Staubteilchen mit 0.1 µm Radius aus<br />
kristallinem Olivin (Fo90). Dieses Material ist im optischen und nahen infraroten Spektralbereich<br />
völlig durchsichtig, sodaß Streuung stark dominiert. Im fernen Infraroten<br />
dominiert Absorption durch etliche schmale Absorptionsbanden<br />
page: 7.22
Modellierung der Transport und Reaktionsprozesse<br />
Der Transport der einzelnen Spezies durch großräumige Strömungen, turbulente Durchmischung<br />
und chemische Reaktionen wird durch eine partielle Differentialgleichung beschrieben.<br />
Für jede einzelne Spezies (Gas und Staub) hat man eine Gleichung für die<br />
Konzentration der Spezies von der Form:<br />
n ist die gesamte Teilchendichte.<br />
∂ c<br />
∂ t + ⃗v ∂ c<br />
∂ ⃗x = 1 n<br />
∂<br />
∂ ⃗x nD ∂ c<br />
∂ ⃗x + R n<br />
• ⃗v ist das mittlere Strömungfeld (Akkretion, großräumige Zirkulationsströmungen)<br />
• D ist der Diffusionskoeffizient für turbulente Durchmischung<br />
• R ist der Ratenterm für die chemischen und physikalischen Prozesse, welche die<br />
Erzeugung, Zerstörung und die Umwandlung der einzelnen Spezies beschreiben<br />
Praktisch bedeutet das: viele hundert partielle Differentialgleichungen, gekoppelt mit<br />
den Gleichungen für die Scheibenstruktur und Entwicklung!<br />
(14)
Tempern des amorphen Staubs<br />
Anfangsstadium des Temperns<br />
Endzustand des Temperns<br />
kristallisiert<br />
kristallisiert<br />
Wachstumszentrum<br />
Wachstumszentrum<br />
Figure 7.15: Umwandlung des amorphen in kristallines Material durch tempern<br />
(ausglühen, auf englisch: annealing). Die Kristallisation beginnt an einigen Wachstumszentren.<br />
Davon augehend wächst der kristalliserte Bereich in das amorphe Material<br />
hinein. Es entsteht ein polykristallines Teilchen.
Verdampfung und Kondensation<br />
Iro For Ens<br />
Fe SiO Mg<br />
Ol,am Qtz Px,am<br />
Figure 7.17: Massenaustausch von Material zwischen den Staubspezies und der Gasphase.<br />
Diese Prozesse müssen modelliert werden, um die Entwicklung der Mineralmischung<br />
zu berechnen<br />
page: 7.28
Radiale Verteilung der Minerale<br />
1.2<br />
Meteoriten Mutterkörper<br />
Kometen Mutterkörper<br />
quartz (am)<br />
pyroxene (am)<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
0.0<br />
enstatite (cr)<br />
fsil<br />
pyroxene (cr)<br />
olivine (cr)<br />
olivine (am)<br />
forsterite (cr)<br />
1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
r [AE]<br />
Figure 7.18: Radiale Variation der verschiedenen Spezies von Silikatmineralen. Modell<br />
mit Akkretionsrate M ˙ = <strong>10</strong> −7 M⊙ a −1 page: 7.29
Kohlenstoffverbrennung<br />
CH 4<br />
CH 3<br />
C 2 H 4 C 2 H 3<br />
soot<br />
OH O<br />
HCCO<br />
CH 2<br />
C 2 H 2<br />
CO<br />
H<br />
CH<br />
C 2 H<br />
O<br />
C<br />
Figure 7.19: Reaktionsnetzwerk für die Verbrennung von Kohlenstoff und die Umwandlung<br />
in CO
Kohlenstoffverbrennung<br />
<strong>10</strong> 1<br />
<strong>10</strong> 0<br />
H<br />
CO<br />
<strong>10</strong> -1<br />
<strong>10</strong> -2<br />
CH 4<br />
<strong>10</strong> -3<br />
OH<br />
C 2 H 2<br />
ci<br />
<strong>10</strong> -4<br />
Oxidationsrate<br />
<strong>10</strong> -5<br />
<strong>10</strong> -6<br />
O<br />
<strong>10</strong> -7 0.1 1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
r [AE]<br />
Figure 7.21: Radiale Variation der Konzentrationen ci der Zwischenprodukte der Kohlenstoffverbrennung,<br />
häuptsächlich CH4 und C2H2, in der Akkretionsscheibe. Durch<br />
Transportprozesse werden sie aus der heißen, inneren Zone bis weit in kalte Zonen<br />
der Akkretionsscheibe gemischt und können dort zusammen mit Wassereis ausfrieren<br />
(Kometen)<br />
page: 7.32
Allgemeine Scheibenstruktur<br />
<strong>10</strong>00<br />
Tempern<br />
Korundverdampfung<br />
Eisenverdampfung<br />
T [K]<br />
<strong>10</strong>0<br />
Eisverdampfung<br />
<strong>10</strong> -8 <strong>10</strong> -7 <strong>10</strong> -6 <strong>10</strong> -5 <strong>10</strong> -4 <strong>10</strong> -3 <strong>10</strong> -2 <strong>10</strong> -1<br />
P [bar]<br />
Figure 7.22: Variation von Druck und Temperatur in der Mittelebene der Scheibe bei<br />
einer Massenakkretionsrate von <strong>10</strong> −7 M⊙ a −1 . Modell mit (grün) und ohne (rot) Berücksichtigung<br />
von Tempern<br />
page: 7.33
Opaziät des Materials der Akkretionsscheibe<br />
<strong>10</strong> 1<br />
total (incl. Eis)<br />
<strong>10</strong> 0<br />
am. Silikat<br />
<strong>10</strong> -1<br />
<strong>10</strong> -2<br />
Kohlenstoff<br />
κ [cm 2 g -1 ]<br />
Eisen<br />
Korund<br />
kr. Silikat<br />
<strong>10</strong> -3<br />
<strong>10</strong> -4 0.1 1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
r [AE]<br />
Figure 7.23: Radiale Variation der gesamten Opazität und der Beiträge der einzelnen<br />
Spezies. Modell mit einer Massenakkretionsrate von <strong>10</strong> −7 M⊙ a −1 page: 7.34
7.3 Zeitabhängige Einzonenmodelle<br />
Die Entwicklung der Akkretionsscheibe erfolgt nur in den inneren ca. <strong>10</strong> AE quasistationär.<br />
Um die Entwicklung der ganzen Scheibe zu verfolgen, müssen zeitabhängige<br />
Modelle berechnet werden.<br />
Aus zeitabhängigen Modellen wird der unbekannte Parameter α (oder auch β) für den<br />
angenommenen Viskositätskoeffizienten bestimmt. Durch Vergleich der Zeit von ca.<br />
<strong>10</strong> 6 Jahren, die laut Beobachtung zur Akkretion des größten Teils der Scheibenmasse<br />
benötigt wird, und der entsprechenden Zeitskala im Modell, kann α geeicht werden.<br />
Man findet Werte im Bereich α = <strong>10</strong> −2 . . . 3 × <strong>10</strong> −3 . Durch die Eichung dieses einen<br />
Parameters an Beobachtungen erhält man Modelle, welche die meisten beobachteten<br />
Eigenschaften der Akkretionsscheiben gut reproduzieren.<br />
page: 7.35
1. Die Gleichung für die Entwicklung<br />
der Flächendichte Σ<br />
∂ Σ<br />
∂ t = 3 a<br />
∂<br />
∂ a a 1 2<br />
∂<br />
∂ a a 1 2νΣ (15)<br />
Hier ist ν die Viskosität, die aus<br />
den Gleichungen für die Scheibenstruktur<br />
berechnet werden muß.<br />
Diese Gleichung tritt an die Stelle<br />
der Gl. (6) bei stationären Modellen.<br />
2. Die Massenakkretionsrate Ṁ<br />
ergibt sich aus<br />
Ṁ = −6πa 1 2<br />
∂<br />
∂ a a 1 2νΣ . (16)<br />
Die Massenakkretionsrate ist hier<br />
kein freier Parameter, sondern eine<br />
Funktion der Zeit und des Abstands<br />
a vom Zentralstern.<br />
3. Für die Effektivtemperatur der<br />
Scheibenoberfläche muß hier statt<br />
Gleichung (2) die Gleichung<br />
σT eff 4 = 9 8 νΣGM ∗<br />
(17)<br />
a 3<br />
verwendet werden.<br />
Gleichungen<br />
Zu diesen Gleichungen kommen<br />
noch die Gleichungen, (1) und<br />
(3), . . . , (5), (7), . . . , (13), die<br />
den Scheibenaufbau in der einzonennäherung<br />
ebenso wie im Fall<br />
der stationären Akkretionsscheibe<br />
beschreiben. Die Diffusionsgleichung<br />
(15) muß zusammen<br />
mit diesen Gleichungen gelöst<br />
werden.<br />
Die Lösung der Gleichung (15) erfordert<br />
die Vorgabe von Randbedingungen<br />
und einer Anfangsbedingung.<br />
Als Randbedingung wird<br />
Σ(a, t) = 0 für a = Ri, a = Ra<br />
(18)<br />
am inneren Rand Ri und äußeren<br />
Rand Ra verwendet. Der Außenrand<br />
wird z.B. bei Ra = 200<br />
AE gewählt; das ist größer als die<br />
Ausdehnung der meisten Akkretionsscheiben.<br />
Der Innenrand wird<br />
z.B. bei Ri = 0.1 AE gewählt.<br />
Die Anfangsbedingung<br />
Σ(a, t) = Σ0(a) für t = t0 (19)<br />
müßte aus einem Modell für den<br />
protostellaren Kollaps kommen,<br />
aber das ist zur Zeit mangels geeigneter<br />
Modelle nicht möglich.<br />
Meistens wird ein stationäres Modell<br />
mit einer Gesamtmasse M =<br />
0.1 M⊙ und einem Gesamtdrehimpuls<br />
vom zehnfachen Bahndrehimpuls<br />
der Planeten im Sonnensystem<br />
verwendet. Da Gl.<br />
(15) einen diffusiven Prozeß beschreibt,<br />
wird angenommen, daß<br />
nach einigen charakteristischen<br />
Zeitskalen für die Diffusion die<br />
Lösung Σ nicht mehr von der speziell<br />
gewählten Anfangsbedingungen<br />
abhängt.<br />
page: 7.36
Entwicklung der Massenakkretionsrate<br />
4 <strong>10</strong> -7<br />
0<br />
-2 <strong>10</strong> -7 3<br />
2<br />
1<br />
-4 <strong>10</strong> -7<br />
2 <strong>10</strong> -7 0.1 1 <strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
r [AE]<br />
dM/dt [M, [MO• a-1 ]<br />
Figure 7.24: Radiale Variation der Massenakkretionsrate in einem zeitabhängigen Einzonenmodell<br />
zu drei verschiedenen Zeitpunkten: (1) <strong>10</strong> 4 , (2) <strong>10</strong> 5 und (3) <strong>10</strong> 6 Jahre. Modell<br />
für einen Protostern mit 1 M⊙<br />
page: 7.37
Entwicklung der Massenakkretionsrate<br />
Die Entwicklung der Akkretionsscheibe erfolgt in unterschiedlichen Zonen in unterschiedlicher<br />
Weise<br />
• Im inneren Bereich bis ≈ <strong>10</strong> . . . 20 AE entsteht schnell eine Zone, in der Masse mit<br />
einer praktisch radial konstanten Akkretionsrate zum Stern transportiert wird. Dieser<br />
Bereich entwickelt sich in quasistationärer Weise mit langsam abnehmendem<br />
Betrag der Akkretionsrate. Die Entwicklung der Akkretionsscheibe kann in diesem<br />
Bereich in guter Näherung durch eine Serie stationäre Modelle mit unterschiedlichen<br />
konstanten Akkretionsraten beschrieben werden.<br />
• Im äußeren Bereich wird Masse auswärts transportiert. Diese trägt den Drehimpuls<br />
der im inneren Bereich einwärts transportierten Materie. Dieser äußere Bereich expandiert<br />
und entwickelt sich nicht in quasistationärer Weise. Die Entwicklung der<br />
Akkretionsscheibe kann in diesem Bereich in adäquater Weise nur durch zeitabhängige<br />
Modelle beschrieben werden.<br />
page: 7.38
Entwicklung der Massenakkretionsrate<br />
Figure 7.25: Prozentsatz der Sterne in jungen Sternhaufen, die eine infrarote Überschußemission<br />
in den JHKL-Farbbändern aufweisen, in Abhängigkeit vom Alter der<br />
Sterne in den Sternhaufen. Die Überschußemission wird als die Emission durch warmen<br />
Staub in einer Akkretionsscheibe interpretiert. Das Diagramm zeigt, daß innerhalb von<br />
ca. 5 Millionen Jahren die Akkretionsscheiben um junge Sterne verschwinden<br />
page: 7.39
7.4 Stationäre 1+1-dim Modelle<br />
Für viele Anwendungen muß die vertikale Struktur der Akkretionsscheibe bestimmt<br />
werden. Die Berechnung echter 2D-Modelle ist sehr aufwendig. Deswegen wird vielfach<br />
eine Vereinfachung durchgeführt, die 1+1-dim Näherung:<br />
• Man berechnet ein Einzonenmodell, in dem über die vertikale Struktur gemittelt ist.<br />
Dies liefert die radiale Variation der vertikal gemittelten Eigenschaften der Akkretionsscheibe,<br />
insbesondere die Flächendichte Σ(a).<br />
• Man rekonstruiert die vertikale Struktur der Scheibe aus den gemittelten Werten der<br />
Variablen. Dazu wird in jedem Abstand a vom Protostern ein hydrostatisches Modell<br />
der vertikalen Druck- und Temperaturschichtung berechnet (wie bei einer Sternatmosphäre).<br />
Dieses Modell wird so bestimmt, daß z.B. nach vertikaler Mittelung<br />
der vertikalen Dichteschichtung die Flächendichte des Einzonenmodells reproduziert<br />
wird.<br />
• Für ein solches Modell kann der Strahlungstransport in der Akkretionsscheibe und<br />
daraus das emittierte Spektrum ermittelt werden. Dieses kann mit beobachteten<br />
Spektren von Akkretionsscheiben um junge Sterne verglichen werden, um daraus<br />
wesentliche Parameter realer Akkretionsscheiben zu bestimmen (Massen, Massenakkretionsraten,<br />
Eigenschaften des darin enthaltenen Staubs, Anzeichen für den Beginn<br />
von Planetentstehung).<br />
page: 7.40
1. Die Druckschichtung in vertikaler<br />
Richtung wird durch die hydrostatische<br />
Gleichung<br />
∂ P<br />
∂ z = −GM ∗<br />
z · ρ (20)<br />
a 3<br />
bestimmt.<br />
2. Anfangsbedingung hierfür<br />
lim P = 0 (21)<br />
z→∞<br />
3. Gleichung für die Energieerhaltung<br />
für den Energietransport in<br />
vertikaler Richtung<br />
∂ F<br />
∂ z = ρq visk (22)<br />
4. Randbedingung<br />
lim F = 0 (23)<br />
z→0<br />
5. Lokale Energierzeugungsrate<br />
durch Dissipation<br />
qvisk = 9 4 νΩ2 (24)<br />
Gleichungen<br />
6. Energiestrom F wird durch<br />
Strahlungstransport und Konvektion<br />
bestimmt<br />
F = Fconv + Frad (25)<br />
7. Wenn Energie durch Strahlung<br />
transportiert wird, dann ist der<br />
Energiestrom in Eddington Näherung<br />
Frad = 4πH = − 16σT 3<br />
3κρ<br />
∂ T<br />
∂ z . (26)<br />
8. Wenn Energie durch Konvektion<br />
transportiert wird, dann<br />
muß der Energiestrom Fconv z.B.<br />
in der Mischungswegapproximation<br />
berechnet werden. Der Beitrag<br />
der Konvektion zum Energietransport<br />
ist bei Akkretionsscheiben<br />
im allgemeinen vernachlässigbar,<br />
aber die Konvektion ist eine<br />
der möglichen Ursachen für den<br />
Drehimpulstransport.<br />
Aus der Lösung der Gleichungen<br />
für die vertikale Struktur der Akkretionsscheibe<br />
ergeben sich P (z),<br />
T (z) und ρ(z)<br />
Der Anschluß an die Einzonenmodelle<br />
wird dadurch hergestellt,<br />
daß man die Bedingung<br />
∫ ∞<br />
ρ(z) dz = Σ(a) (27)<br />
0<br />
stellt. Σ(a) ist die Flächendichte<br />
des Einzonenmodells in der Entfernung<br />
a vom Protostern. Dies<br />
legt die vertikale Ausdehnung des<br />
Modells fest.<br />
page: 7.41
Allgemeine Scheibenstruktur<br />
(a)<br />
ρ[g cm -3 ]<br />
<strong>10</strong> -6<br />
<strong>10</strong> -8<br />
<strong>10</strong> -<strong>10</strong><br />
<strong>10</strong> -12<br />
<strong>10</strong> -14<br />
<strong>10</strong> -16<br />
0.0<br />
0.2<br />
z/h<br />
0.4<br />
1.0<br />
0.6<br />
0.8<br />
3.0<br />
1.0 <strong>10</strong>.<br />
0.1<br />
0.3<br />
r [AE]<br />
Figure 7.26: Variation der Massendichte mit radialem Abstand von der Protosonne und<br />
(normiertem) vertikalem Abstand von der Mittelebene<br />
page: 7.42
Allgemeine Scheibenstruktur<br />
(b)<br />
T [K]<br />
2000<br />
1500<br />
<strong>10</strong>00<br />
500<br />
0.0<br />
0.2<br />
z/h<br />
0.4<br />
1.0<br />
0.6<br />
0.8<br />
3.0<br />
1.0 <strong>10</strong>.<br />
0.1<br />
0.3<br />
r [AE]<br />
Figure 7.27: Variation der Temperatur mit radialem Abstand von der Protosonne und<br />
vertikalem Abstand von der Mittelebene<br />
page: 7.43
Allgemeine Scheibenstruktur<br />
(c)<br />
κ R [cm 2 g -1 ]<br />
<strong>10</strong> +1<br />
<strong>10</strong> +0<br />
<strong>10</strong> -1<br />
<strong>10</strong> -2<br />
1.0<br />
0.8<br />
<strong>10</strong> -3<br />
<strong>10</strong> -4<br />
0.1<br />
0.3<br />
r [AE]<br />
0.6<br />
0.4<br />
0.2<br />
1.0<br />
3.0<br />
<strong>10</strong>.<br />
0.0<br />
z/h<br />
Figure 7.28: Variation des Massenextinktionskoeffizienten mit radialem Abstand von<br />
der Protosonne und vertikalem Abstand von der Mittelebene<br />
page: 7.44
Allgemeine Scheibenstruktur<br />
Gezeigt sind Ergebnisse einer Modellrechnung für ein Modell mit M ˙ = <strong>10</strong> −7 M⊙ a −1 und<br />
M∗ = 1 M⊙. Die Höhe h ist diejenige z-Koordinate, bei der die von außen her gemessene<br />
optische Tiefe den Wert τ = 2/3 erreicht (Photosphäre der Akkretionsscheibe)<br />
• Die Dichteschichtung ρ(a, z) ist ziemlich stetig und ähnelt stark der Gaußverteilung,<br />
die man bei isothermen Moellen erwartet.<br />
• Die Temperaturschichtung T (a, z) zeigt drei markante Strukturen, die der Verdampfung<br />
dreier wichtiger Absorber und der damit einhergenden Reduktion des Extinktionskoeffizienten<br />
entsprechen: Verdampfung von Wassereis bei ≈ 150 K, von Silikaten<br />
und Eisen bei ≈ 1450 K, von Korund bei ≈ 1850 K.<br />
• Der Extinktionskoeffizient κR(a, z) zeigt die Auswirkungen der Verdampfung wichtiger<br />
Absorber auf den Extinktionskoeffizienten in noch viel deutlicherer Form. Die<br />
bogenförmigen Strukturen ensprechen den Orten, an denen jeweils die Verdampfungstemperatur<br />
ereicht ist.<br />
page: 7.45
Synthetische Spektren von Akkretionsscheiben<br />
<strong>10</strong> -8<br />
-<strong>10</strong><br />
<strong>10</strong> -6<br />
<strong>10</strong> -<strong>10</strong><br />
<strong>10</strong> -12<br />
<strong>10</strong> -14<br />
<strong>10</strong> -16<br />
<strong>10</strong> -18<br />
<strong>10</strong> -20<br />
<strong>10</strong> <strong>10</strong>0<br />
Hν<br />
λ[µm]<br />
Figure 7.29: Radiale Variation des lokal von der Scheibe emittierten Spektrums. Oben<br />
Emission aus dem warmen inneren Teil der Akkretionsscheibe, unten aus dem kalten<br />
äußeren Bereich. Im inneren Teil sind die Absorptionsbanden der Silikate zu erkennen,<br />
im äußeren Teil die Absorptionsbanden von Wassereis.<br />
page: 7.46
Synthetische Spektren von Akkretionsscheiben<br />
<strong>10</strong><br />
1<br />
λ Hλ<br />
0.1<br />
0.01<br />
<strong>10</strong> <strong>10</strong>0 <strong>10</strong>00<br />
λ[µm]<br />
Figure 7.30: Synthetisches Infrarotspektrum einer Akkretionsscheibe bei vertikaler<br />
Draufsicht. Sternspektrum violett, Scheibenspektrum grün, gesamtes Spektrum rot<br />
page: 7.47
7.5 Zeitabhängige 1+1-dim Modelle<br />
Zeitabhängige Modelle werden benötigt, um spezifisch zeitabhängige Phänomene zu<br />
studieren, die von den quasistationären Modellen nicht erfaßt werden können. Dazu<br />
gehören insbesondere die Frage, inwieweit Durchmischungsprozesse durch turbulente<br />
Diffusion und großräumige Zirkulationsströmungen in der Akkretionsscheibe Material<br />
verschiedener Zonen miteinander vermischen.<br />
Aus der Beobachtung von Staub in Kometenschweifen ist beispielsweise bekannt, daß<br />
dieser nicht nur aus dem amorphen interstellaren Staub besteht, sondern bei einigen<br />
Kometen auch mehr als <strong>10</strong>% kristalllinen Staub enthält. Das Vorkommen von Argon<br />
im Kometen zeigt andererseits, daß das Material im Kometen zum Zeitpunkt seiner<br />
Entstehung und später nie wärmer als ca 30 K war. Bei dieser niedrigen Temparatur<br />
kann ISM Staub nicht kristallisieren. Das beobachtete Vorkommen von kristallinem<br />
Staub wird so interspretiert, daß Staub aus den inneren Zonen der Akkretionsscheibe<br />
in die kalte Zone transportiert wurde, in der Kometen entstanden sind.<br />
Gleichungen: Zeitabhängiges Einzonenmodell + Gleichungen für vertikale Struktur<br />
page: 7.48
Semianalytische Lösung für das Strömungsfeld<br />
Die hydrodynamischen Gleichungen können im stationären Fall nach dem kleinen Parameter<br />
z/h entwickelt werden. Man erhält Störungsgleichungen für die niedrigste nicht<br />
verschwindende Ordnung der Geschwindigkeitskomponenten vr und vz, sowie für die<br />
niedrigste nicht verschwindende Ordnung der Abweichung von vφ von der Keplerrotation,<br />
die allerdings von höherer Ordnung und somit sehr klein ist. Diese Gleichungen<br />
können analytisch gelöst werden. Man erhält ein Strömungsfeld, welches der Keplerrotation<br />
überlagert ist, und das in jeder Akkretionsscheibe auftritt.<br />
Man findet eine langsame, meridionale Zirkulationsströmung. Die Akkretion des Materials<br />
in der Akkretionsscheibe findet nicht in der Weise statt, daß das Material im Mittel<br />
in jeder Höhe z über der Mittelebene langsam einwärts driftet, sondern daß stattdessen<br />
die Strömung nahe der Mittelebene auswärts und erst in höheren Schichten einwärts<br />
gerichtet ist. Der vertikal gemittelte Massenstrom ist aber identisch mit dem Ergebnis<br />
der Einzonenmodelle.<br />
Diese Strömungsstruktur hat erhebliche Folgen für den radialen Transport von Material<br />
in der Akkretionsscheibe: Die auswärts gerichtete Strömung nahe der Mittelebene<br />
kann Material über große Entfernungen in der Akkretionsscheibe von innen nach außen<br />
transportieren.<br />
Dieser systematischen Strömung überlagert ist eventuell noch ein turbulentes<br />
Strömungsfeld.<br />
page: 7.49
Zusammensetzung des Staubs<br />
Figure 7.32: Radiale Variation des Massenanteils der häufigen Staubkomponenten in<br />
einem 1+1-dim Modell zum Zeitpunkt t = 5 × <strong>10</strong> 5 Jahre. Es ist über die vertikale Verteilung<br />
integriert. Die Bildung von Plantesimalen müßte zu diesem Zeitpunkt voll im<br />
Gang sein. Die Verteilung der Massenanteile gibt die Anteile der Hauptkomponenten<br />
des Staubmaterials an, aus dem die späteren Planeten bei verschiedenen Abständen von<br />
der Protosonne gebildet werden.<br />
page: 7.51
Transport von kristallinem Staub<br />
Das zeitabhängige 1+1-dim Modell zeigt, daß innerhalb des zur Verfügung<br />
stehenden Zeitraums von ca. 1 Million Jahre bis zur Bildung der Planetesimale<br />
in der Zone der Bildung von Jupiter und Saturn genügend kristallines<br />
Material aus der warmen inneren Zone der Akkretionsscheibe nach<br />
außen transportiert werden kann, um den gefundenen Anteil an kristallinem<br />
Staub in Kometen erklären zu können.<br />
page: 7.53
7.6 2D Hydrodynamik Modelle<br />
Solche Modelle sind bisher nur vereinzelt berechnet worden. Modelle, die alle wesentlichen<br />
physikalischen Prozesse<br />
• Hydrodynamik<br />
• Strahlungstransport<br />
• Eigengravitation<br />
• Chemie der Gasphase<br />
• Mineralogische Prozesse<br />
berücksichtigen, befinden sich erst in der Entwicklung. Es sind nur einige vorläufige<br />
Resultate erzielt worden<br />
page: 7.54
Allgemeine Scheibenstruktur<br />
Figure 7.34: Modell am Ende der Simulation. Etwas weniger als 500 000 Zeitschritte<br />
waren bei der numerischen Simulation erforderlich, um einen Zeitraum von 250 Jahren<br />
zu überdecken.<br />
page: 7.55
Strömungsfeld in der Akkretionsscheibe<br />
Figure 7.35: Dichtekonturen und Geschwindigkeitsfeld nach 250 Jahren. Oberes Bild:<br />
Globale Dichteverteilung. Unteres Bild: Vergrößerter Ausschnitt des durch ein graues<br />
Rechteck im oberen Bild angedeuteten Bereichs. Die Auswärtsbewegung mit etwa <strong>10</strong>–<br />
20 m s −1 nahe der Mittelebene ist deutlich erkennbar<br />
page: 7.56