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Europe's Responsibility in the World of Today - IWM

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THEODOR HEUSS-PREIS 2004<br />

chen und sozialen Differenzen und Konflikte<br />

ausgeglichen und befriedet werden,<br />

auch solche, die <strong>in</strong> anderen Bereichen entstehen?<br />

Innere Spannungen <strong>in</strong> der gewachsenen<br />

Union, Wettbewerb um<br />

Standorte und – im Blick auf die demographische<br />

Entwicklung – der absehbare<br />

Wettbewerb um die knapper werdenden<br />

jungen Eliten, werden den Zusammenhalt<br />

<strong>in</strong> der Europäischen Union belasten.<br />

Wird die Kohäsion, der <strong>in</strong>nere Zusammenhalt<br />

ausreichen, um solche Spannungen<br />

zu verarbeiten, sie als positive, konkrete,<br />

<strong>in</strong> die Zukunft wirkende Kräfte zu erleben?<br />

Die Zukunft wird dadurch<br />

gekennzeichnet se<strong>in</strong>,<br />

dass wir <strong>in</strong> Europa durch e<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same europäische<br />

Verfassungsvertrag<br />

mite<strong>in</strong>ander verbunden<br />

s<strong>in</strong>d. Dass wir uns mit dem<br />

Vertrag Institutionen gegeben<br />

haben und dass uns<br />

nach wie vor der Raum des<br />

Friedens, die Friedensordnung,<br />

die Sicherung der<br />

Freiheit unter dem Recht,<br />

die Solidarität und die Demokratie<br />

als unsere geme<strong>in</strong>samen<br />

Ziele und Werte verb<strong>in</strong>den.<br />

Aber s<strong>in</strong>d diese<br />

Werte und die B<strong>in</strong>dungen,<br />

die von ihnen ausgehen, stark genug?<br />

Können sie enttäuschte sozialpolitische,<br />

wirtschaftspolitische, arbeitsmarktpolitische<br />

Entwicklungen und H<strong>of</strong>fnungen<br />

ersetzen?<br />

Kurt Biedenkopf hält se<strong>in</strong>e Laudatio<br />

Werte und europäische Identität<br />

Zweifellos haben wir geme<strong>in</strong>same Werte<br />

und Eigenschaften, welche die Identität<br />

Europas ausmachen. Bei Werten, darauf<br />

weist uns Krzyszt<strong>of</strong> Michalski h<strong>in</strong>, ist aber<br />

Vorsicht geboten, wenn sie für politische<br />

Zwecke e<strong>in</strong>gesetzt werden. Am Beispiel<br />

der Sanktionen gegen Österreich durch<br />

die 14 EU-Staaten hat er beschrieben, was<br />

geschehen kann, wenn Werte zum alle<strong>in</strong>igen<br />

Maßstab erhoben werden und sich<br />

dadurch aus den Zusammenhängen der<br />

Normen lösen, welche als Ganzes die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

beherrschen und gestalten sollen.<br />

Er schreibt: „Die Wahrnehmung e<strong>in</strong>es<br />

politischen Konflikts vornehmlich <strong>in</strong><br />

Wertkategorien führt <strong>in</strong> die Irre, weil sie<br />

dessen Ursache und die Interessen der Beteiligten<br />

verschleiern und se<strong>in</strong>e Lösung<br />

vereiteln“. 2 Es ist <strong>in</strong>teressant, dass im Falle<br />

Österreichs genau dies e<strong>in</strong>getreten ist.<br />

Letztendlich wurde der Konflikt nicht<br />

durch die beteiligten politischen Institutionen<br />

überwunden, sondern durch e<strong>in</strong>e<br />

Gruppe von Wissenschaftlern. Sie waren<br />

es, die den 14 Mitgliedstaaten e<strong>in</strong>e Leiter<br />

bauten und ihnen damit halfen, von dem<br />

Baum wieder herunter zu kommen, auf<br />

den sie sich verstiegen hatten.<br />

Das war e<strong>in</strong> lehrreicher Vorgang.<br />

Krzyszt<strong>of</strong> Michalski zog aus ihm die folgende<br />

Lehre: „Deshalb müssen Werte <strong>in</strong><br />

objektive, <strong>in</strong> rechtliche Normen verwandelt<br />

werden. Dann können sie zu Regulatoren<br />

des gesellschaftlichen Lebens und<br />

se<strong>in</strong>er Konflikte werden. Zwischen die<br />

Werte, die ihrem Wesen nach zum Konflikt<br />

tendieren, müssen Politik und Recht<br />

treten. Andernfalls kann dieser Konflikt<br />

zu e<strong>in</strong>em totalen und dadurch grenzenlos<br />

gefährlichen Konflikt werden“. Die<br />

Schlussfolgerung daraus lautet: Europa<br />

beruht als Raum der Freiheit, des Friedens<br />

und des Rechts auf den <strong>in</strong> Normen<br />

gefassten geme<strong>in</strong>samen Wertvorstellungen.<br />

Diese Normen lassen Raum für Vielfalt<br />

<strong>in</strong> der E<strong>in</strong>heit, für Entfaltung unterschiedlicher<br />

Fähigkeiten, für Wettbewerb<br />

der Regionen und der Nationen.<br />

Aber, wie alles Richtige, hat auch dies<br />

Voraussetzungen, damit es richtig bleibt.<br />

E<strong>in</strong>e der wichtigsten Voraussetzungen <strong>in</strong><br />

unserem Zusammenhang ist, dass wir uns<br />

sowohl <strong>in</strong> den Mitgliedstaaten wie vor allem<br />

<strong>in</strong> der Europäischen Union vor der<br />

Gefahr des Normenverbrauchs schützen.<br />

Denn die Normen können die geme<strong>in</strong>samen<br />

Werte und die <strong>in</strong> ihnen angelegten<br />

emotionalen Identitäten nur e<strong>in</strong>fangen<br />

und damit für e<strong>in</strong>e rechtsstaatlich gestaltete<br />

Geme<strong>in</strong>schaft fruchtbar werden lassen,<br />

wenn sie selbst ihre Autorität nicht verlieren.<br />

Gewöhnen wir uns jedoch an – und<br />

lassen es zur allgeme<strong>in</strong>en Praxis werden –,<br />

jedes beliebige Problem durch Normen zu<br />

gestalten und die Halbwertzeit der Gültigkeit<br />

von Gesetzen immer weiter zu reduzieren,<br />

dann werden die den Werten<br />

<strong>in</strong>newohnenden Gefühle und Konflikte<br />

wieder aufbrechen und sich<br />

verselbstständigen.<br />

Die große Herausforderung e<strong>in</strong>er liberalen<br />

Politik für Europa lautet: die<br />

Wertorientierung unser Identitäten<br />

mit den Normen, <strong>in</strong> denen<br />

sie sich entfalten, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Weise zu verb<strong>in</strong>den, die<br />

Grundlage se<strong>in</strong> kann für E<strong>in</strong>heit<br />

<strong>in</strong> der Vielfalt. Nur die<br />

E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> der Vielfalt wird es<br />

der Europäischen Union ermöglichen,<br />

als <strong>in</strong>stitutionell geordneten<br />

Raum zu existieren.<br />

Als wertorientierte Ordnung,<br />

deren <strong>in</strong>nerer Zusammenhalt<br />

durch Institutionen, e<strong>in</strong>schließlich<br />

des Verfassungsvertrages,<br />

durch das Recht,<br />

durch die politische Ordnung,<br />

durch an Recht gebundene<br />

Macht <strong>in</strong> der demokratisch<br />

gefassten Gesam<strong>the</strong>it gewährleistet wird.<br />

Es ist diese große Herausforderung, die<br />

mir ständig neu und sich zugleich wiederholend<br />

als Aufgabenstellung im Institut<br />

<strong>in</strong> Wien begegnete und, so h<strong>of</strong>fe ich, auch<br />

weiter begegnen wird.<br />

Die Rolle der Nation <strong>in</strong> Europa<br />

Das nun führt uns zu e<strong>in</strong>em letzten Gedanken,<br />

der uns, neben den schon angesprochenen<br />

Fragen, auch <strong>in</strong> der<br />

Reflexionsgruppe immer wieder beschäftigt<br />

hat. Es geht um die Rolle der Nation<br />

<strong>in</strong> Europa. Ist dieses Europa e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung<br />

von Staaten oder von Nationalstaaten<br />

oder von Nationen? Die Schaffung e<strong>in</strong>es<br />

postnationalen Europa kann nicht<br />

unser Ziel se<strong>in</strong>. Was wir überw<strong>in</strong>den müssen<br />

<strong>in</strong> Europa, ist der Nationalstaat, nicht<br />

die Nation.<br />

Gerade Polen kann uns zeigen, dass<br />

e<strong>in</strong>e Nation existieren kann, ohne staatlich<br />

verfasst zu se<strong>in</strong>. Jahrhunderte lang waren<br />

die Polen nicht staatlich verfasst, sondern<br />

geteilt. Aber die polnische Nation lebte<br />

9<br />

<strong>IWM</strong> NEWSLETTER 84 Spr<strong>in</strong>g 2004/No. 2

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