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Konkordanzdemokratie - Jens Peter Kutz

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<strong>Konkordanzdemokratie</strong> 00.00.01<br />

⇒ Verhandlungsdemokratie, in der Konflikte auf dem Wege der Verhandlung mit charakteristischen<br />

Kompromißtechniken geregelt werden<br />

↔ Art der Konfliktregelung unterscheidet sie von der Konkurrenzdemokratie<br />

• von lat. concordantia = Übereinstimmung → wörtlich: Übereinstimmungsdemokratie<br />

• englischer Begriff »consociational democracy« meint ein politisches Gemeinwesen mit einer tief<br />

zerklüfteten Gesellschaft<br />

• Konfliktregelung mit Hilfe von Entscheidungsmaximen des gütlichen Einvernehmens und Aushandelns,<br />

die an Kompromißtechniken des deutschen Religionsfriedens im 17. Jh. erinnern<br />

• Kennzeichen<br />

• Minderheiten werden angemessen an Entscheidungsprozessen beteiligt → gesicherte Teilhaberechte/Vetorecht/Einstimmigkeitsprinzip<br />

oder hohe Mehrheitsschwellen<br />

• Absicherung der Kompromißverfahren durch formelle Proporzregeln (= angemessene Repräsentation<br />

rivalisierender Gruppen) oder Paritätsregeln (= Gleichstellung) bei der Vergabe öffentlicher<br />

Ämter<br />

• Autonomie für die einzelnen gesellschaftlichen Segmente in allen Belangen, die nicht von allgemeiner<br />

politischer Bedeutung sind (z.B. in Religionsfragen)


• entwickelte sich v.a. in kleinen, gesellschaftlich lange zerklüfteten kontinentaleuropäischen<br />

Ländern (Schweiz, Niederlande, Österreich, Belgien).<br />

Deutschland → Mischform aus Konkordanz- und Konkurrenzdemokratie (konkordanzdemokratische<br />

Anteile z.B. Beziehungsgeflecht zwischen Bund und Ländern [Föderalismus]<br />

und zustimmungspflichtige Gesetzgebung). Keine reine <strong>Konkordanzdemokratie</strong>,<br />

weil die wichtigsten Entscheidungsprozesse nicht von der<br />

Maxime des gütlichen Einvernehmens abhängig sind<br />

• Entstehungsvoraussetzungen (Hypothesen)<br />

• wenn die Eliten rivalisierender Lager die bis dahin intensiven Konflikte mittels Kompromißtechniken<br />

zu überwinden versuchen (vgl. Pacificatie in den Niederlanden von 1917 = Führer<br />

der großen Parteien trafen Absprachen zur Regelung der akuten gesellschaftlichen Konflikte in<br />

den Niederlanden [besonders Schulsystem und Wahlrecht])<br />

• historisch-gewachsene Tradition → wenn Techniken der Kompromißfindung schon seit längerem<br />

praktiziert wurden<br />

• wenn Eliten in gespaltenen Gesellschaften aus strategischen Gründen Kompromißverfahren<br />

ausüben, weil sie von Mehrheitsstrategien keine sicher kalkulierbaren Gewinne erwarten<br />

• außerdem: Fehlen einer bestimmenden gesellschaftlichen Gruppe; gleichgroße und überschaubare<br />

gesellschaftliche Gruppen; kleine Bevölkerung; räumliche Konzentration; mäßige<br />

Ungleichheit; Zusammenrücken im Inneren durch äußere Bedrohung


<strong>Konkordanzdemokratie</strong> 00.00.01<br />

• Vorteile<br />

• Minderheitenschutz<br />

• Integration unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen, weil sie in den Entscheidungsprozeß<br />

eingebunden werden<br />

• Überwindung von tief verwurzelten Konflikten zwischen gesellschaftlichen Gruppen<br />

• hohes Potenzial für Bündelung und Vermittlung von Interessen (→ Konkurrenzdemokratie<br />

berücksichtigt nur Interessen der Mehrheit)<br />

• kein Nullsummenspiel (= Entscheidungen, bei denen es nur Gewinner und Verlierer gibt),<br />

sondern für alle lohnende Kooperation<br />

• geringe Vollzugskosten nach beschlossener Entscheidung, weil sie von allen getragen wird<br />

• Nachteile<br />

• hohe Konsensbildungskosten bei hohen Mehrheitsschwellen oder Einstimmigkeitsprinzip<br />

• Möglichkeit der Nichteinigung → Entscheidungsblockade (bis zur »Tyrannei der Minderheit«<br />

durch kalkulierte Kooperationsverweigerung)<br />

• Verminderung der Problemlösungsfähigkeit der Politik durch Kompromißtechniken: Verlängerung<br />

des Entscheidungsprozesses, Verminderung umstrittener Verteilungs- und Umverteilungsprojekte,<br />

zeitliche Streckung der Maßnahmenumsetzung, Entscheidungsvertagung<br />

• Problem bei Herausforderungen, die rasche Anpassung, Innovation und größere Kurswechsel<br />

in kurzer Frist verlangen<br />

⇒ System mit ambivalentem Leistungsprofil


• Unterschied zur Konkurrenzdemokratie:<br />

→ unterschiedliche Konfliktregelung (bei Konkurrenzdemokratie hauptsächlich durch Wettbewerb<br />

und Mehrheitsentscheid)<br />

• Unterschied zur Konsensusdemokratie:<br />

→ Konsensusdemokratie strebt nach Machtteilung, <strong>Konkordanzdemokratie</strong> setzt sie voraus;<br />

Konsensusdemokratie begünstigt Autonomie von gesellschaftlichen Gruppen, <strong>Konkordanzdemokratie</strong><br />

setzt sie voraus

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