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7 DISPUT - Die Linke

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Nach der Krise ist vor<br />

der Krise – Tarifrunde<br />

2012<br />

Von Anny Heike<br />

Der heftige Konjunktureinbruch<br />

2008 hatte einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen<br />

auf bis zu fünf<br />

Millionen erwarten lassen. <strong>Die</strong> registrierte<br />

Arbeitslosigkeit ist jedoch nur<br />

sehr moderat gestiegen.<br />

Mit der gewerkschaftlichen Kampagne<br />

»Keine Entlassungen in der Krise«<br />

ist es insbesondere in der Metall- und<br />

Elektroindustrie gelungen, die Auswirkungen<br />

der Krise zu minimieren. Vor<br />

allem Entnahmen aus Zeitkonten und<br />

Kurzarbeit mit teilweisen Aufzahlungen<br />

– Arbeitszeitverkürzung mit teilweisem<br />

Lohnausgleich also – haben zahlreiche<br />

Arbeitsplätze gerettet.<br />

Dennoch: <strong>Die</strong> Beschäftigten haben<br />

in der Krise nicht nur massiv Einkommen<br />

verloren – mit allen ökonomischen<br />

und sozialen Folgen; Hauptverlierer<br />

waren die Beschäftigten in<br />

Leiharbeit und in<br />

anderen prekären<br />

Beschäftigungsformen.UngeschützteArbeitsverhältnisse<br />

waren in Folge der<br />

neoliberalen Arbeitsmarktderegulierung<br />

unter Rot-Grün regelrecht<br />

explodiert. Sie<br />

waren nun trotz häufi<br />

gem Widerstand von Gewerkschaften<br />

und Betriebsräten schutzlose Manövriermasse.<br />

Rot-Grün schämt sich bis<br />

heute nicht für ihre sogenannten Arbeitsmarktreformen.<br />

Der folgende Beschäftigungsaufbau<br />

erfolgte wiederum weitgehend<br />

über prekäre Arbeitsverhältnisse. Im<br />

Jahr 2010 hat die Anzahl der schlecht<br />

bezahlten Leiharbeitsverhältnisse das<br />

Vorkrisenniveau überschritten. Prekäre<br />

Arbeits- und Lebensverhältnisse drohen<br />

zur prägenden Erfahrung der jungen<br />

Generation zu werden; mehr als<br />

die Hälfte der unter 30-Jährigen hat<br />

noch nie eine Anstellung auf Dauer erleben<br />

dürfen.<br />

<strong>Die</strong> zunehmende Prekarisierung ist<br />

auch Ausdruck einer gespaltenen Wirtschaft.<br />

Während das Wirtschaftswachstum<br />

vor allem auf die gestiegenen Exporte<br />

zurückzuführen ist, gehen vom<br />

Binnenmarkt kaum Impulse aus.<br />

<strong>Die</strong> von den Neoliberalen über Jahrzehnte<br />

betriebene Strategie, mit dem<br />

Vorwurf »fehlender Wettbewerbsfähigkeit«<br />

Lohnzurückhaltung, Lohnsenkung<br />

und Sozialabbau zu erzwingen,<br />

konnten selbst temporäre Erfolge der<br />

Lohnpolitik der Gewerkschaften nicht<br />

wirksam verhindern. Lohndumping insbesondere<br />

in tarifl ich nicht – mitunter<br />

auch in tarifl ich – geschützten Sektoren<br />

wiegt schwer.<br />

<strong>Die</strong> Bilanz der innerdeutschen Lohn-<br />

politik (nicht Tarifpolitik!) ist erschreckend:<br />

Mehr als ein Fünftel der Beschäftigten<br />

müssen für weniger als<br />

8,50 Euro pro Stunde arbeiten. Auch<br />

deshalb sind die Tarifrunden 2012 ein<br />

wichtiger Meilenstein für mehr Geld<br />

und mehr soziale Gerechtigkeit.<br />

<strong>Die</strong> Auseinandersetzungen 2012<br />

werden in trüben Konjunkturaussichten<br />

geführt werden müssen. <strong>Die</strong> Unternehmer<br />

werden sich – wie immer –<br />

von dem Argument kaum beeindrucken<br />

lassen, sie hätten in den letzten Jahren<br />

stark profi tiert, Gewinne seien vor allem<br />

in der Exportwirtschaft ins Unermessliche<br />

gestiegen. Wieder werden<br />

wir hören: <strong>Die</strong> »unerhört hohen« Lohnforderungen<br />

der Gewerkschaften würden<br />

die schwächere Konjunktur noch in<br />

den völligen Absturz treiben. Das Gegenteil<br />

ist aber bewiesen: Arbeitsplatzsicherung<br />

in der Krise war auch Kaufkraftsicherung.<br />

Und: Angesichts der schlechtesten<br />

Reallohnentwicklung aller europäischer<br />

Staaten in den letzten Jahren<br />

wächst die Notwendigkeit einer massiven<br />

Stärkung der Binnenkaufkraft<br />

und auch eines Ausgleichs der europäischen<br />

Handelsbilanzen.<br />

<strong>Die</strong> Gewerkschaften können in den<br />

Tarifrunden Zeichen setzen: mehr Einkommen,<br />

die unbefristete Übernahme<br />

der Ausgebildeten, Tarifregelungen zu<br />

Leiharbeit und Werkverträgen werden<br />

diskutiert. Bislang ist der Versuch der<br />

IG Metall, qualitative Themen im Vorfeld<br />

zu verhandeln, am Widerstand der<br />

Arbeitgeber gescheitert. Bei der Übernahme<br />

der Ausgebildeten ist den Arbeitgebern<br />

keine Argumentation zu<br />

blöd. Vom »fl ächendeckenden tarifl ichen<br />

Zwang, Fünfzehnjährige zu verbeamten«,<br />

vom »Ausbildungskiller« und<br />

vom »fehlenden Ansporn der Auszubildenden,<br />

die Prüfung zu bestehen« wird<br />

gefaselt. Vom vielbejammerten Facharbeitermangel<br />

keine Rede mehr.<br />

Mehr Mitbestimmung der Betriebsräte<br />

beim Einsatz von Leiharbeitern,<br />

die Einsatzdauer und Branchenzuschläge<br />

sind bei den Arbeitgebern bisher<br />

ein »no go«. Billige Arbeit ist nach<br />

wie vor ihre Ideologie. Ohne Tarifregelungen<br />

zu Leiharbeit und Werkverträgen<br />

wird der Druck auf das Lohnniveau<br />

weiter anhalten.<br />

<strong>Die</strong> Tarifrunde wird zeigen, ob die IG<br />

Metall mit ihrer Flaggschiff-Funktion für<br />

die Tarifauseinandersetzungen 2012<br />

mobilisieren kann, um einen grundlegenden<br />

Kurswechsel in der Lohnpolitik<br />

einzuleiten. Es wäre ein erster Schritt,<br />

den auf ihrem jüngsten Gewerkschaftstag<br />

geforderten »grundlegenden Kurswechsel<br />

in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft«<br />

einzuleiten.<br />

47 <strong>DISPUT</strong> Januar 2012 JANUARKOLUMNE<br />

© Aris

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