2001 Andreas Frehner - Jugendarbeit.ch
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jugendarbeit.<strong>ch</strong> - © <strong>2001</strong> <strong>Andreas</strong> <strong>Frehner</strong> Seite 1/2<br />
<strong>Andreas</strong> <strong>Frehner</strong><br />
Jugendkultur(en)<br />
Als Begründer des Begriffes “Jugendkultur” gilt der Reformpädagoge GUSTAV WYNEKEN (1875-<br />
1964). Die Kultur der Jugendli<strong>ch</strong>en war damals geprägt von Autonomiebestrebungen, die si<strong>ch</strong><br />
unter anderem in der grossen Wandervogel-Bewegung nieders<strong>ch</strong>lugen. Hier konnten die<br />
Heranwa<strong>ch</strong>senden “si<strong>ch</strong> ausleben”. Geprägt war dies dur<strong>ch</strong> sogenannte Wanderfahrten, in<br />
denen kleine Gruppen von Jugendli<strong>ch</strong>en unterwegs waren (vgl. REBLE, 1995, S. 284). Für<br />
WYNEKEN umfasste der Begriff “Jugendkultur” aber au<strong>ch</strong> eine kulturelle Komponente, die bei<br />
der Jugendbewegung der Wandervögel ni<strong>ch</strong>t vorhanden war. Seine Vorstellung von<br />
Jugendkultur verwirkli<strong>ch</strong>te er in der “Freien S<strong>ch</strong>ulgemeinde”. Hier sollte nun den Jugendli<strong>ch</strong>en<br />
Autonomie gewährt werden, im Sinne der Wandervögel, aber glei<strong>ch</strong>zeitig au<strong>ch</strong> Kultur<br />
vermittelt werden, dur<strong>ch</strong> Unterri<strong>ch</strong>t. Jugendkultur war somit in den Augen WYNEKENs eng mit<br />
der S<strong>ch</strong>ule verknüpft.<br />
Der psy<strong>ch</strong>oanalytis<strong>ch</strong> orientierte Pädagoge SIEGFRIED BERNFELD (1892-1953) verstand den<br />
Begriff “Jugendkultur” anders als WYNEKEN. Zwar war ihm der Autonomiegedanke immer no<strong>ch</strong><br />
sehr wi<strong>ch</strong>tig; so forderte er dann au<strong>ch</strong> sogenannte “Spre<strong>ch</strong>säle” an den Universitäten, in<br />
denen si<strong>ch</strong> die Studierenden versammeln konnten, um unter si<strong>ch</strong> zu debattieren. Hier setzt nun<br />
der Unters<strong>ch</strong>ied an, denn in diesen Spre<strong>ch</strong>sälen, kam es zu politis<strong>ch</strong>en Diskussionen. Die<br />
Jugendkultur gemäss BERNFELD sollte ni<strong>ch</strong>t nur Autonomie besitzen, sondern si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> mit der<br />
Politik befassen. Dazu kommt, dass dem Sozialist BERNFELD wi<strong>ch</strong>tig war, dass si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die<br />
Arbeiter-Jugendli<strong>ch</strong>en an der Jugendkultur beteiligen konnten.<br />
Wie sieht es nun aber mit der heutigen Jugendkultur aus? Es zeigt si<strong>ch</strong> sehr s<strong>ch</strong>nell, dass<br />
ni<strong>ch</strong>t mehr von einer Jugendkultur gespro<strong>ch</strong>en werden kann, vielmehr von vers<strong>ch</strong>iedenen<br />
Jugendkulturen. So finden si<strong>ch</strong> in eins<strong>ch</strong>lägigen Werken (BAACKE, 1999; FERCHHOFF, 1999)<br />
vers<strong>ch</strong>iedene Einteilungen in jugendli<strong>ch</strong>e Lebensstile.<br />
FERCHHOFF unters<strong>ch</strong>eidet letztli<strong>ch</strong> se<strong>ch</strong>s jugendkulturelle Lebensmilieus (vgl. FERCHHOFF,<br />
1999, S. 252-282):<br />
1. Religiös-Spirituelle:<br />
In diesem Milieu steht das Bedürfnis na<strong>ch</strong> “Aufgehoben sein” im Vordergrund, dass in der<br />
Jenseitsverbundeneheit ausgedrückt wird (z. B. Jugendsekten).<br />
2. Kritis<strong>ch</strong>-Engagierte:<br />
Prägende Elemente hier sind Kreativität, diskursive Kommunikation, kritis<strong>ch</strong>-analytis<strong>ch</strong>es<br />
Denken, sowie die freiwillige Verpfli<strong>ch</strong>tung gegenüber dem Gemeinwesen.
jugendarbeit.<strong>ch</strong> - © <strong>2001</strong> <strong>Andreas</strong> <strong>Frehner</strong> Seite 2/2<br />
3. Körper- und Action-Orientierte:<br />
Hier geht es vor allem um Gruppen, in denen der männli<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>oismus ausgelebt wird. Der<br />
Körper und die Action sind zentrale Elemente dieser Cliquen.<br />
4. Manieristis<strong>ch</strong>-Postalternative:<br />
Besondere Vertreter dieses Milieus stellen die “S<strong>ch</strong>icki-Mickis” und die “Konsum-Kids” dar.<br />
Fun ist wi<strong>ch</strong>tig.<br />
5. Institutionell-Integrierte:<br />
Die meisten Jugendli<strong>ch</strong>en lassen si<strong>ch</strong> dieser Gruppe zuordnen. Es handelt si<strong>ch</strong> um die auffällig<br />
unauffälligen Jugendli<strong>ch</strong>en. Sie leben lange zuhause und sind denno<strong>ch</strong> selbständig.<br />
6. Milieu- und Szenenvermis<strong>ch</strong>ungen:<br />
In diese Kategorie fallen die Jugendli<strong>ch</strong>en, die si<strong>ch</strong> in vers<strong>ch</strong>iedenen Milieus, wie sie oben<br />
bes<strong>ch</strong>rieben wurden, aufhalten (Wie weit es angebra<strong>ch</strong>t ist, dafür eine eigene Kategorie zu<br />
bilden ist fragli<strong>ch</strong>, denn es zeigt si<strong>ch</strong>, dass immer mehr Jugendli<strong>ch</strong>e in vers<strong>ch</strong>iedenen Milieus<br />
verkehren).<br />
Im Zusammenhang mit den heutigen Jugendkulturen findet oft eine “Ästhetisierung” statt.<br />
Das heisst, dass vers<strong>ch</strong>iedene Stile den vers<strong>ch</strong>iedenen Arten von Jugendkulturen zugeordnet<br />
wird, wie z. B. Bekleidung, Musikri<strong>ch</strong>tung, Gesten. Eine grosse Gefahr besteht dabei, dass die<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en ledigli<strong>ch</strong> auf ihre “Stile” reduziert werden und andere Aspekte, wie z. B.<br />
politis<strong>ch</strong>e Vorstellungen verdeckt, beziehungsweise verdrängt werden. Es ist wi<strong>ch</strong>tig, dass die<br />
Jugendli<strong>ch</strong>en in ihrer subjektiv erlebten Welt gesehen werden und dabei versu<strong>ch</strong>t wird den<br />
subjektiven Sinn der Heranwa<strong>ch</strong>senden zu erkennen.<br />
Was heisst dies nun für den Alltag mit Jugendli<strong>ch</strong>en? Den Heranwa<strong>ch</strong>senden sollten Freiräume<br />
zugebilligt werden, in denen sie si<strong>ch</strong> “entfalten” können. Der Autonomieanspru<strong>ch</strong>, wie er<br />
s<strong>ch</strong>on bei WYNEKEN bestand, besitzt au<strong>ch</strong> heute no<strong>ch</strong> seine Gültigkeit. Mit Hilfe der<br />
vorgestellten Einteilung in die jugendkulturellen Lebensmilieus, kann gezielter überlegt werden,<br />
was die Bedürfnisse der vers<strong>ch</strong>iedenen Jugendli<strong>ch</strong>en sein könnten. Trotz dieser<br />
Orientierungsmögli<strong>ch</strong>keit, ist es angebra<strong>ch</strong>t, si<strong>ch</strong> immer wieder mit der subjektiven Si<strong>ch</strong>t<br />
der Heranwa<strong>ch</strong>senden auseinanderzusetzen. Was ist die Meinung der Jugendli<strong>ch</strong>en? Wie sehen<br />
sie etwas? Warum reagieren sie so und ni<strong>ch</strong>t anders?<br />
Literaturverzei<strong>ch</strong>nis<br />
BAACKE, D.: Jugend und Jugendkulturen. Darstellung und Deutung. Weinheim 1987.<br />
FERCHHOFF, W.: Jugend an der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert. Lebensformen und<br />
Lebensstile. 2. überarbeitete und aktualisierte Auflage. Opladen 1999.<br />
REBLE, A.: Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Pädagogik. 18. dur<strong>ch</strong>gesehene Auflage. Stuttgart 1995.