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Fall 3 - Lösung - Universität zu Köln

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Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht<br />

WS 2010/2011<br />

Durch qualifizierte Differenzierungsklauseln wird ein unmittelbarer Druck auf die nicht<br />

organisierten Arbeitnehmer ausgeübt, der Gewerkschaft bei<strong>zu</strong>treten, um die Vorteile<br />

<strong>zu</strong> erhalten, die nach dem Tarifvertrag ausschließlich den Gewerkschaftsmitgliedern<br />

vorbehalten sind. Ebenso wie das Recht, Mitglied einer Gewerkschaft <strong>zu</strong> werden, ist<br />

jedoch auch das Recht, einer Gewerkschaft fern<strong>zu</strong>bleiben durch Art. 9 Abs. 3 GG<br />

geschützt (sog. negative Koalitionsfreiheit). Qualifizierte Differenzierungsklauseln<br />

können nach der Rechtsprechung des BAG und der herrschenden Meinung in der<br />

Literatur einen un<strong>zu</strong>lässigen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit der<br />

nichtorganisierten Arbeitnehmer darstellen. In diesem <strong>Fall</strong> sind die Klauseln wegen<br />

Verstoßes gegen die negative Koalitionsfreiheit der nichtorganisierten Arbeitnehmer<br />

nach Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG nichtig (vgl. BAGE 20, 175, 228).<br />

Für einfache Differenzierungsklauseln hat das BAG (NZA 2009, 1028) dies anders<br />

gesehen. Diese Klauseln machen zwar die Zugehörigkeit <strong>zu</strong>r tarifschließenden<br />

Gewerkschaft <strong>zu</strong>r Vorausset<strong>zu</strong>ng für einen bestimmten materiellen Anspruch, lassen<br />

aber die Ausdehnung des betreffenden Anspruchs auf weitere Arbeitnehmer durch<br />

individualvertragliche Vereinbarungen <strong>zu</strong>. Bei diesen Klauseln steht es dem<br />

Arbeitgeber frei, den Außenseitern auf anderer Rechtsgrundlage, insbesondere dem<br />

Arbeitsvertrag, die gleichen Leistungen <strong>zu</strong> gewähren. Der auf die nicht organisierten<br />

Arbeitnehmer ausgeübte Druck sei in diesem <strong>Fall</strong> nicht als unangemessen hoch<br />

an<strong>zu</strong>sehen, weil sie auch auf andere Weise als durch den Gewerkschaftsbeitritt,<br />

nämlich durch das Hinwirken auf eine individualvertragliche Vereinbarung mit dem<br />

Arbeitgeber, die fraglichen Leistungen erhalten könnten.<br />

Die Tarifforderung der G ist auf einen besonderen Kündigungsschutz für ihre<br />

Mitglieder in einer Phase wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Arbeitgebers gerichtet.<br />

Dieser Schutz soll nur den Gewerkschaftsmitgliedern <strong>zu</strong>kommen, so dass eine<br />

qualifizierte Differenzierungsklausel vorliegt. Der mit dieser Klausel verbundene<br />

Druck ist so hoch, dass praktisch alle nicht organisierten Arbeitnehmer der G<br />

beitreten müssten, um die arbeitgeberseitige Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses <strong>zu</strong><br />

vermeiden (vgl. Gamillscheg, NZA 2005, 146, 150). Aufgrund dieses massiven<br />

„Beitrittsdrucks“ liegt ein un<strong>zu</strong>lässiger Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit der<br />

nicht organisierten Arbeitnehmer des R vor, so dass die Tarifforderung der G im<br />

Ergebnis gegen die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG verstößt.<br />

D. Streikteilnahme<br />

I. Arbeitsentgelt<br />

Die Verpflichtung des R <strong>zu</strong>r Lohnzahlung an A ist mit Abschluss des Arbeitsvertrages<br />

entstanden und ergibt sich aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag.<br />

Der Anspruch auf den Arbeitslohn könnte aber nach der allgemeinen, in § 326 Abs. 1<br />

S. 1 Hs. 1 BGB normierten Grundsatz „ohne Leistung keine Gegenleistung“ (im<br />

Arbeitsverhältnis: „ohne Arbeit kein Lohn“) entfallen sein, wenn A die Erbringung<br />

der geschuldeten Leistung für den 19.10.2010 unmöglich geworden ist. A hat an<br />

diesem Tag nicht gearbeitet und aufgrund des Fixschuldcharakters der<br />

Seite 12<br />

© Institut für deutsches und europäisches Arbeits- und Sozialrecht, Universität <strong>zu</strong> Köln

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