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Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Geschichte der Staatlichkeit<br />
Ausgangspunkt: Herrschaftsordnung des Mittelalters<br />
Polyarchie (Vielherrschaft), Unterteilung in weltliche und geistliche Mächte, (insb. Kaiser<br />
und Papst) sowie verschiedene Stände. Zusammengehalten durch Einheit im Glauben und<br />
Treueverhältnisse.<br />
Statisches Verständnis von Recht: Recht als göttlich vorgegeben und unabänderbar verstanden.<br />
Inhaltlich mit Gerechtigkeit identifiziert.<br />
Keine zentrale rechtsetzende oder streitschlichtende Instanz.<br />
Damit: Vielheit der Herrschaftsträger bei Einheit im Denken.<br />
Vorgang der Staatswerdung: Säkularisation und Herrschaftskonzentration<br />
Herrschaft verliert ihre göttliche Legitimation.<br />
Individuum wird sich der Gestaltbarkeit seiner Umwelt bewusst.<br />
Religionskriege wecken den Ruf nach Sicherheit und damit staatlichem Gewaltmonopol.<br />
Bodin, Hobbes: Herrschaftskonzentration beim Staat, Gewaltmonopol des Staates. Verleiht<br />
dem Staat die Befugnis zur einseitigen verbindlichen Entscheidung und damit zur Gesetzgebung.<br />
Kein statisches Verständnis von Recht mehr. Recht wird als veränderbar begriffen.<br />
Staatlichkeit steht von nun an nicht mehr in Zweifel.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Geschichte der Staatlichkeit<br />
Zeitalter des Absolutismus:<br />
Erforderlich nun auch Schutz des Einzelnen vor dem Staat.<br />
Locke: Schutz vorstaatlicher Rechte des Individuums. Wurzel der Grundrechte als Freiheit vom<br />
Staat.<br />
Rousseau: Lehre von der Volkssouveränität. Grundlage der Demokratie als Freiheit im Staat.<br />
Französische Revolution:<br />
Verbindung des absolutistischen Staatsbegriffs und der aufklärerischen Freiheitsidee mit ihren<br />
Ausprägungen der Freiheit vom Staat und Freiheit im Staat zum Modell des Verfassungsstaats.<br />
Versuch, den Verfassungsstaat zu verwirklichen, in der französischen Revolution.<br />
Entwicklung in Deutschland:<br />
Ging ab dem 19. Jahrhundert eigenen Weg: Prinzip der Volkssouveränität konnte sich nicht gegen<br />
die Fürstensouveränität durchsetzen. Als juristische Person konnte der Staat zum Träger<br />
der Souveränität werden. Damit Unterscheidung von Staat und Staatsform möglich.<br />
Keine Verwirklichung der Demokratie, aber rechtsstaatliche Elemente.<br />
Grundrechte schufen eine Sphäre der Freiheit, strikte Trennung von Staat und Gesellschaft<br />
(Dualismus).<br />
Auf diese Weise Entstehung des Rechtsstaates, der durch das Recht gegründet und gemäßigt<br />
ist.<br />
Weiterentwicklung zum Sozialstaat.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Geschichte der Staatlichkeit<br />
Weimarer Zeit:<br />
Umschwung zur Demokratie.<br />
Methodische Neubestimmung: Dem formal juristischen Denken des 19. Jahrhunderts wurde<br />
mit einer eher geisteswissenschaftlichen Sichtweise begegnet.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Die zwei Seiten der Staatlichkeit<br />
Staat<br />
Sozial- oder politikwissenschaftliche<br />
Perspektive:<br />
Empirische Betrachtung steht im Mittelpunkt.<br />
Beschreibung faktischer Gegebenheiten.<br />
Rechtliche Perspektive:<br />
Normative Zurechnung steht im Mittelpunkt.<br />
Beide Seiten des Staates sind strikt zu trennen, da das moderne Recht zwischen<br />
Sein und Sollen unterscheidet. Von einem tatsächlichen Befund der Staatlichkeit<br />
darf daher nicht unkritisch auf seine rechtliche Erheblichkeit geschlossen werden;<br />
zugleich aber auch rechtliche Bedeutung der „Staatswirklichkeit“.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Staatsbegriff<br />
Drei – Elemente – Lehre:<br />
Staat<br />
Staatsvolk<br />
Staatsgebiet<br />
Staatsgewalt
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Staatsbegriff<br />
Alternative Ansätze:<br />
Der Staat als Rechtsordnung (Kelsen): Soweit der Staat Gegenstand rechtswissenschaftlicher<br />
Erkenntnis sein soll, ist er ausschließlich als Produkt der positiven Rechtsordnung<br />
anzusehen. Der Staat sei aus juristischer Sicht ein bloßes System von Normen.<br />
Der Staat als Entscheidungs- und Wirkungseinheit (Heller): Primär soziologischer<br />
Versuch, den Staat als Einheit zu verstehen, ohne auf juristische Zurechnungskomponenten<br />
zurückgreifen zu müssen. Maßgebend sei das Zusammenwirken vieler Kräfte.<br />
Integrationslehre (Smend): Der Staat wird als ein realer Willensverband angesehen,<br />
dessen Einheit durch einen Integrationsvorgang fortlaufend erneuert werden müsse.<br />
Der Staat als Subsystem der Gesellschaft (Luhmann): Geht von einem umfassenden<br />
soziologischen Begriff der Gesellschaft aus. Die Gesellschaft wird als die Gesamtheit aller<br />
zwischenmenschlichen Beziehungen verstanden und umfasst damit auch den Staat.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Die Rechtspersönlichkeit des Staates<br />
Staat<br />
Der Staat ist als juristische Person Träger von Rechten<br />
und Pflichten und hat damit Rechtspersönlichkeit.<br />
Die Rechtspersönlichkeit verbindet den Staat zu einer<br />
Einheit kraft normativer Zurechnung.<br />
Auch das Binnenverhältnis<br />
des Staates<br />
ist rechtlicher Natur.<br />
Im Staatsinternum gilt<br />
damit Recht; insbesondere<br />
die Grundrechte<br />
können greifen<br />
(BVerfGE 33, 1).
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Staatszwecke, -ziele, und -aufgaben<br />
Staatszweck:<br />
Ist der Rechtfertigungsgrund für die Existenz des Staates. Art. 1 Abs. 1 des Herrenchiemsee-<br />
Entwurfs zum GG: „Der Staat ist um des Menschen willen da, und nicht der Mensch um des<br />
Staates willen.“<br />
Staatsziele:<br />
Sind Richtungsvorgaben für das staatliche Handeln. Grundsätzliches Schweigen des GG.<br />
Das GG regelt die Mittel, nicht die Ziele staatlichen Handelns.<br />
Gleichwohl neue Tendenz: Aufnahmen von Staatszielen in das GG, vgl. Art. 20a GG.<br />
Wichtig: Staatsziele lösen keine unmittelbaren Rechtsfolgen aus und sind nicht selbst einklagbar.<br />
Bedeutung aber im Rahmen rechtlicher Abwägungen (insbesondere bei Prüfung der<br />
Verhältnismäßigkeit eines Grundrechtseingriffs).
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Staatszwecke, -ziele, und -aufgaben<br />
Staatsaufgaben:<br />
Die dem Staat zur Verwirklichung bestimmter Ziele vom Recht konkret zugewiesenen Betätigungsfelder.<br />
Typische Staatsaufgaben: innere (Polizei) und äußere (Verteidigung) Sicherheit,<br />
Rechtsetzung und Rechtspflege (Gerichte).<br />
Von den Aufgaben des Staates und seiner Behörden strikt zu unterscheiden sind: Kompetenzen<br />
und Befugnisse. Alle staatlichen Stellen bedürfen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben<br />
einer rechtlichen Grundlage. Das bedeutet: Sie müssen rechtlich zuständig sein (Kompetenz)<br />
und das Recht muss ihnen gestatten, ein bestimmtes Handlungsmittel einzusetzen (Befugnis).<br />
Nie darf von der Aufgabe auf die Kompetenz geschlossen werden.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Geltungsgrund des Rechts<br />
Zwei Hauptströmungen:<br />
„Positives Recht“:<br />
Das Recht gilt, weil es von<br />
der zuständigen Stelle geschaffen<br />
worden ist.<br />
Im Mittelpunkt steht die<br />
Frage nach dem richtigen<br />
(zuständigen) Gesetzgeber.<br />
„Naturrecht“:<br />
Das Recht gilt, weil und<br />
soweit es richtig ist.<br />
Im Mittelpunkt steht die<br />
Frage nach dem richtigen<br />
Gesetz.<br />
Seit dem 19. Jahrhundert<br />
bis heute überwiegend vertretener<br />
Ansatz.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Rechtsquellen<br />
Staatsrecht I<br />
Verfassung<br />
Parlamentsgesetz<br />
Rechtsverordnung<br />
Satzung<br />
Gewohnheitsrecht
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Gesetz als Schlüsselbegriff des Rechts<br />
Gesetz<br />
Formelles Gesetz:<br />
Jede vom Parlament in<br />
Gesetzesform erlassene<br />
Regelung, unabhängig<br />
von ihrem Inhalt.<br />
Formelle Gesetze sind<br />
zumeist auch materielle,<br />
müssen es aber nicht:<br />
Beispiel: Die Feststellung<br />
des Haushaltsplanes<br />
(Art. 110 Abs. 2 GG) ist<br />
ein nur-formelles Gesetz.<br />
Materielles Gesetz:<br />
Allgemeinverbindliche<br />
Regelung für eine unbestimmte<br />
Zahl zu regelnder<br />
Fälle und eine ungewisse<br />
Vielzahl von<br />
Normadressaten.<br />
Umfasst auch „untergesetzliche“<br />
Regelungen<br />
der Exekutive (Rechtsverordnungen,<br />
Satzungen).
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Normenhierarchie und -konkurrenz<br />
Verhältnis<br />
der<br />
Normenhierarchie<br />
rechtsetzenden<br />
Körperschaften<br />
Verhältnis<br />
der<br />
derselben<br />
Daneben:<br />
Völkerrecht<br />
(Transformation<br />
gem. Art. 59 II<br />
GG),<br />
Europarecht<br />
Anwendungsvorrang<br />
(kein Geltungsvorrang)<br />
Rechtsquellen<br />
Körperschaft<br />
Bundesrecht<br />
(Geltungsvorrang, Art. 31<br />
GG)<br />
<br />
Landesrecht<br />
(Geltungsvorrang)<br />
<br />
Recht der Selbstverwaltungskörperschaften<br />
Verfassung<br />
(Art. 20 III GG, Art. 1 III<br />
GG)<br />
<br />
Parlamentsgesetz<br />
(Art. 80 I GG)<br />
<br />
Rechtsverordnung/Satzung<br />
Fragen der Normenhierarchie<br />
werden nur<br />
relevant, wenn:<br />
- beide Normen dieselbe<br />
Frage betreffen<br />
- die höherrangige<br />
Norm eine abschließende<br />
Regelung trifft<br />
- nicht schon eine der<br />
Normen kompetenzlos<br />
ist.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Normenkonkurrenz<br />
Die Regeln über die Normenkonkurrenz kommen erst zum Tragen, wenn die Auswahl der<br />
anzuwendenden Norm nicht bereits durch die Grundsätze der Normenhierarchie getroffen<br />
werden konnte, d.h. bei Normen derselben Rangstufe und derselben Körperschaft. Die Normenkonkurrenz<br />
kann unter Zuhilfenahme folgender Grundsätze gelöst werden:<br />
Vorrang der späteren Regelung<br />
Vorrang der spezielleren Regelung<br />
Subsidiarität<br />
Die lex-posterior-Regel kommt<br />
zur Anwendung, wenn eine<br />
neue Regelung eine ältere ersetzt<br />
und diese nicht förmlich<br />
aufgehoben wird (lex posterior<br />
derogat legi priori).<br />
Dies gilt allerdings nur, wenn<br />
derselbe Gegenstand geregelt<br />
wird, d.h. die spätere Norm die<br />
frühere Norm ersetzen soll.<br />
Eine Vorschrift kann anordnen,<br />
daß für besondere Fälle eine<br />
Ausnahme von einer allgemeinen<br />
Regel gelten soll. Diese<br />
speziellere Norm geht dann der<br />
allgemeineren vor (lex specialis<br />
derogat legi generali).<br />
Eine Regelung kann ausdrücklich<br />
oder ihrem Sinn<br />
nach anordnen, dass sie<br />
nur dann gelten soll, wenn<br />
eine andere Norm nicht<br />
greift.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Öffentliches Recht als Teil der Gesamtrechtsordnung<br />
Öffentliches Recht<br />
Privatrecht<br />
Umfasst die Rechtnormen, die sich<br />
auf die Organisation und das Handeln<br />
des Staates, sein Verhältnis zum Bürger<br />
sowie zu anderen Hoheitsträgern<br />
beziehen.<br />
Regelt die Rechtverhältnisse zwischen<br />
(natürlichen und juristischen)<br />
Privatpersonen.<br />
Öffentliches Recht als Sonderrecht<br />
des Staates. Eine Norm gehört dem<br />
öffentlichen Recht an, wenn sie gerade<br />
und ausschließlich einen Träger<br />
hoheitlicher Gewalt als solchen berechtigt<br />
und verpflichtet.<br />
Privatrecht als „Jedermannsrecht“.<br />
Strukturelemente:<br />
Formelles Recht (Zuständigkeit, Verfahren,<br />
Form).<br />
Materielles Recht (setzt Maßstäbe<br />
für Inhalte staatlichen Handelns).
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Objektives und subjektives Recht<br />
Objektives Recht<br />
= Gesamtheit aller vorhandenen Normen.<br />
Subjektives Recht<br />
= die einem Rechtssubjekt<br />
verliehene Rechtsmacht, von<br />
einem anderen ein Tun, Dulden<br />
oder Unterlassen zu verlangen<br />
(Anspruch).<br />
Der Staat ist stets an das gesamte objektive öffentliche Recht gebunden. Der Bürger kann<br />
sich aber nur auf seine eigenen subjektiven Rechte berufen, also nur auf Normen, die<br />
nicht nur den Staat verpflichten, sondern zugleich den Bürger berechtigen.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Das Staats- und Verfassungsrecht als Teil des öffentlichen Rechts<br />
Gliedert sich in zwei Bereiche:<br />
Staatsorganisationsrecht:<br />
Regelt die Organisation und<br />
Ausgestaltung des Staates.<br />
Wesentliche Strukturprinzipien<br />
(Art. 20 Abs. 1 - 3 GG).<br />
Organisation, insbesondere<br />
Besetzung und<br />
Zuständigkeit der<br />
obersten Organe.<br />
Grundrechte (Art. 1- 19<br />
GG):<br />
Sie entziehen Teilbereiche<br />
des menschlichen Lebens<br />
dem staatlichen Zugriff, setzen<br />
dem Staat also Grenzen<br />
und leiten im übrigen<br />
das Verhältnis des Staates<br />
zu den Bürgern an.<br />
wichtigste Funktionen,<br />
Aufgaben und eventuell<br />
Ziele der Staatstätigkeit.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Begriff und Wesen der Verfassung<br />
Verfassung im<br />
formellen Sinn:<br />
Gesamtheit der in der<br />
Verfassungsurkunde<br />
enthaltenen<br />
Bestimmungen<br />
= Grundgesetz<br />
Verfassung im materiellen Sinn:<br />
Wesentliche rechtliche Grundlagen<br />
des Staates (auch etwa das Bundeswahlgesetz).<br />
Deckungsgleich mit<br />
dem Begriff des Staatsrechts.<br />
Verfassung im formellen Sinn und Verfassung im materiellen Sinn decken sich weitgehend,<br />
sind aber nicht identisch.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Normativität des Grundgesetzes<br />
Maßstab gerichtlicher<br />
Kontrolle des Staatshandelns.<br />
Vorrang der Verfassung<br />
vor „einfachem“ Recht,<br />
auch Parlamentsgesetzen.<br />
Grundgesetz als<br />
„erstes Gesetz“ des<br />
Staates<br />
Strenge Anforderungen an<br />
Verfassungsänderungen,<br />
Art. 79 GG.<br />
Objektive Wertordnung
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Überblick über die Verfassungsgeschichte<br />
Philosophie der Aufklärung:<br />
Begründung des Staates durch die Lehre vom Gesellschaftsvertrag (Hobbes).<br />
Beginn des Verfassungsdenkens mit Locke: Menschen entäußern sich im herrschaftsbegründenden<br />
Vertrag nur eines Teils ihrer Freiheit, um sie im Übrigen zu sichern. Freiheit meint Freiheit<br />
vom Staat.<br />
Gewaltenteilung (Locke, Montesquieu).<br />
Rousseau: Das Volk ist Inhaber der höchsten Gewalt und wird mit dem Staat gleichgesetzt, das<br />
Individuum geht vollständig im Staat auf. Freiheit meint Freiheit im Staat.<br />
Kant: Freiheit als Prinzip und Maß der Rechts- und Staatsordnung. Freiheit meint Eigenverantwortlichkeit<br />
des vernunftbegabten Menschen.<br />
Amerikanische und französische Revolution:<br />
Virginia Bill of Rights (erste Grundrechtserklärung),1776.<br />
Amerikanische Verfassung, 1787.<br />
Déclaration des droits de l’homme et du citoyen, 26.8.1789. Verbindet Freiheit im und vom<br />
Staat. Mit dieser Erklärung begann die Geschichte geschriebener kontinentaleuropäischer Verfassungen.<br />
Schrift von Abbé Sieyès (Was ist der Dritte Stand, 1789). Unterscheidung zwischen der verfassunggebenden<br />
Gewalt des dem Staate vorausliegenden Volkes (pouvoir constituant) und der<br />
im Staat verfassten Gewalt als Vertretung des Volkes (pouvoir constitué).<br />
Grundstein zur repräsentativen Demokratie.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Überblick über die Verfassungsgeschichte<br />
Deutscher Früh- und Spätkonstitutionalismus:<br />
Wiener Kongress: alte Ordnung monarchischer Ständestaaten wiederhergestellt.<br />
Gründung des Deutschen Bundes 1815 statt eines Nationalstaates. Restauration.<br />
Einzelne Landesverfassungen in Süddeutschland, Frühkonstitutionalismus. Es folgten Verfassungen<br />
in Sachsen und Preußen.<br />
Inhalt der Verfassungen: Keine Volkssouveränität, aber Grundrechtskataloge und Gesetzesvorbehalte<br />
für Eingriffe in Freiheit und Eigentum. Grundprinzip: konstitutionelle Monarchie.<br />
Märzrevolution 1848: Forderung nach eigenem Nationalstaat und Verfassung mit Bekenntnis zu<br />
Demokratie, Grundrechten, Gewaltenteilung.<br />
Paulskirche 1849: Entwurf einer Deutschen Reichsverfassung. An Machtverhältnissen gescheitert.<br />
Dualismus von Staat (=Monarchie) und Gesellschaft (=Sphäre der Freiheit, der Grundrechte).<br />
Reichsverfassung von 1871: Monarchisches Prinzip mit rechtsstaatlichen Schranken, Föderalismus.<br />
Weimarer Reichsverfassung (1919):<br />
Spannungslage zwischen parlamentarischem Regierungssystem und Präsidialdemokratie.<br />
Rechtsinstitut der Verfassungsdurchbrechung<br />
Mangelnde Identifikation sowohl der staatstragenden Eliten als auch weiter Teile der Bevölkerung<br />
mit der ersten deutschen Demokratie.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Verfassunggebung und Verfassungsänderung<br />
Verfassunggebung<br />
Verfassungsänderung<br />
Das Staatsvolk ist als der Souverän<br />
Inhaber der verfassunggebenden<br />
Gewalt („pouvoir constituant“).<br />
Damit gemeint: Ursprüngliche<br />
Verfassunggebung ebenso wie stete<br />
„Verfassungsweitergebung“.<br />
Durch die verfassungsrechtlich eingesetzten<br />
Staatsorgane in einem dafür<br />
vorgesehenen Verfahren. Die<br />
Verfassungsänderung ist damit Ausdruck<br />
der verfassten Gewalt<br />
(pouvoir constitué).<br />
Anforderungen des Grundgesetzes<br />
an Verfassungsänderungen in Art. 79<br />
GG:<br />
Art. 79 Abs. 1 S. 1 : Erfordernis der<br />
ausdrücklichen Textänderung.<br />
Art. 79 Abs. 2: Zweidrittelmehrheit in<br />
Bundestag und Bundesrat.<br />
Art. 79 Abs. 3: Unantastbare Grundprinzipien<br />
(„Identitätsklausel“).
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Individuum und Verfassungsstaat<br />
Der Staat<br />
Politische (staatsbürgerliche)<br />
Freiheit<br />
(status activus)<br />
Der Mensch<br />
Persönliche (private)<br />
Freiheit (status negativus<br />
und positivus)<br />
… als Teil des<br />
Volkes<br />
…als Individuum<br />
Nie darf von der Aufgabe auf die Kompetenz geschlossen werden.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Verhältnis von Staat und Freiheit nach modernem Verständnis<br />
Freiheit<br />
durch den Staat<br />
(status positivus)<br />
Freiheit<br />
vom Staat<br />
(status negativus)<br />
Freiheit<br />
im Staat<br />
(status activus)<br />
Staat<br />
Staat<br />
Staat
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Grundprinzipien des deutschen Verfassungsstaates<br />
Kernnormen des Grundgesetzes<br />
Art. 1 Abs. 1 GG:<br />
Schutz der Menschenwürde<br />
Zugleich Kernnorm<br />
aller anderen<br />
Grundrechte.<br />
Art. 20 GG:<br />
Grundprinzipien des Verfassungsstaates<br />
Abs. 1: - Republik<br />
- Demokratie<br />
- Sozialstaatlichkeit<br />
- Bundesstaatlichkeit<br />
Abs. 2: Kernnorm zur Demokratie<br />
Abs. 3: Rechtsstaatsprinzip
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Demokratieprinzip<br />
Demokratiebegriff<br />
Ausgangspunkt: Selbstbestimmung<br />
des eigenverantwortlichen<br />
Individuums.<br />
Erfasst den Einzelnen dabei<br />
als Teil der im Staat organisierten<br />
Gemeinschaft.<br />
Bezugsgröße des Demokratieprinzips<br />
ist das Volk.<br />
Zentrale Fragestellung: Wer<br />
entscheidet über die Inhalte?<br />
In welchem Verfahren wird<br />
entschieden?<br />
Demokratie als inhaltsoffenes<br />
Organisationsprinzip
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Demokratische Selbstbestimmung I<br />
Demokratieprinzip<br />
Der Volkswillen mündet in den<br />
Staatswillen. Zentrale Ausdrucksform<br />
des Staatswillens ist<br />
das Gesetz.<br />
Der Staatswillen herrscht, insbesondere<br />
durch das Gesetz, über<br />
die Bürger, das heißt das Volk als<br />
Vielheit.<br />
Ausgangspunkt demokratischer<br />
Selbstbestimmung: Volk bildet als<br />
Einheit einen gemeinsamen Willen,<br />
den Volkswillen.<br />
Der Staat ist so<br />
Mittel und Instrument<br />
des Volkes,<br />
um über sich<br />
selbst bestimmen<br />
zu können. Das<br />
Volk als Einheit<br />
herrscht über sich<br />
selbst als Vielheit.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Demokratische Selbstbestimmung II<br />
Demokratieprinzip<br />
Staat<br />
Ausdruck des Staatswillens: (v.a.) durch Gesetz<br />
Staatswille<br />
Volk<br />
Volkswille<br />
Individueller<br />
Wille<br />
Individueller<br />
Wille<br />
Individueller<br />
Wille<br />
Individueller<br />
Wille
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Legitimation als Kernbegriff der Demokratie<br />
Aussagen des Demokratieprinzips ( Art. 20 Abs. 2 GG):<br />
Demokratie als vergemeinschaftete Selbstbestimmung: Legitimation allen Staathandelns<br />
durch das Volk und rechtliche Möglichkeit gleicher Teilhabe aller Zugehörigen an der<br />
staatlichen Willensbildung. Das Demokratieprinzip des Grundgesetzes ist ein formales<br />
Prinzip, das Organisation und Verfahren des Staates regelt.<br />
Das grundgesetzliche Demokratieprinzip verlangt nicht:<br />
- Identität von Herrschern und Beherrschten.<br />
- Tatsächliche Volksherrschaft.<br />
- Partizipation der Betroffenen (diese werden von den Grundrechten geschützt).
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Legitimation als Kernbegriff der Demokratie<br />
Demokratische Legitimation<br />
Institutionelle und funktionelle Legitimation<br />
durch Verfassunggebung:<br />
Als verfassunggebende Gewalt legitimiert das<br />
Volk die Verfassung und damit die verfasste<br />
Staatsgewalt als solche. Damit verbunden:<br />
Institutionelle Legitimation:<br />
bezogen auf Einrichtung der drei Teilgewalten<br />
Legislative, Exekutive und Judikative.<br />
Funktionelle Legitimation:<br />
bezogen auf die jeweiligen Aufgaben und<br />
Befugnisse von Legislative, Exekutive und<br />
Judikative.<br />
Persönliche und sachliche<br />
Legitimation im verfassten Staat:<br />
Persönliche Legitimation:<br />
Jeder Amtswalter muss sein Amt auf eine<br />
lückenlose, auf das Volk zurückführbare Legitimationskette<br />
stützen können (durch Wahl<br />
oder Ernennung).<br />
Sachliche Legitimation:<br />
Die Inhalte staatlicher Entscheidungen müssen<br />
auf das Volk zurückführbar sein. Zentrales<br />
Element: Parlamentsgesetz. Zudem: Innerbehördliche<br />
Weisungsabhängigkeit.<br />
Die Legitimation staatlichen Handels ergibt sich aus einem Zusammenwirken der verschiedenen<br />
Legitimationsstränge; so wird ein hinreichendes Legitimationsniveau erreicht.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Repräsentation<br />
Volkswille: Meint die Verbindung einer Vielzahl von Einzelwillen freier Individuen zu einer<br />
realen politischen Größe durch einen kommunikativen Prozess. Die Annahme eines Volkswillens<br />
ist stets nur eine Näherungslösung.<br />
Staatswille: Wird von der zuständigen Stelle im vorgesehenen Verfahren gefunden und<br />
bedient sich der eindeutigen Formen des Rechts. Er soll sich nach Maßgabe der Verfassung<br />
am Volkswillen ausrichten.<br />
Bindeglied beider Willen ist das Parlament, der Deutsche Bundestag: Er wird vom<br />
Volk gewählt, womit das Volk unmittelbar seinen Willen betätigt. Von nun an sollen die<br />
Volksvertretung und andere, dem Parlament verantwortliche Organe den Volkswillen<br />
repräsentieren.<br />
Die parlamentarische Repräsentation erfordert, jeden Abgeordneten als Repräsentant<br />
des ganzen Volkes, nicht nur seiner Wähler, anzusehen (Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG). Die<br />
Gesamtheit des Parlaments repräsentiert damit die Einheit des Volkes. Die Gleichheit der<br />
Abgeordneten folgt somit aus der Gleichheit aller Zugehörigen.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Tatsächliche Voraussetzungen lebendiger Demokratie<br />
Die demokratische Willensbildung hängt auch von tatsächlichen Gegebenheiten ab:<br />
Legitimationssubjekt:<br />
Existenz eines Staatsvolkes als politischer<br />
Nation.<br />
Bewusstsein der Zusammengehörigkeit,<br />
Gemeinschaftsgefühl, ist unverzichtbare<br />
Voraussetzung eines Staatsvolkes.<br />
Öffentlichkeit und Kommunikation:<br />
Gemeinsame Öffentlichkeit, in der sich gesellschaftliche<br />
Kommunikationsprozesse<br />
ereignen.<br />
Dabei sind insbesondere die Kommunikationsgrundrechte<br />
(Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 8<br />
Abs. 1 GG, Art. 9 Abs.1 GG) von Bedeutung.<br />
Der Prozess der Volkswillensbildung muss<br />
dabei von unten nach oben verlaufen.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Parlamentarische Demokratie des Grundgesetzes<br />
Art. 20 Abs. 2 GG:<br />
Ausübung der Staatsgewalt in<br />
Wahlen und Abstimmungen<br />
Ausübung der Staatsgewalt<br />
durch besondere Organe.<br />
Entscheidung des Grundgesetzes für die parlamentarische<br />
Demokratie. Zentrales Repräsentationsorgan<br />
ist der Bundestag; parlamentarische<br />
Gesetzgebung als Kern demokratischer<br />
Repräsentation.<br />
Geltung der Wesentlichkeitslehre: Der parlamentarische<br />
Gesetzgeber muss alle wesentlichen<br />
Entscheidungen selbst treffen.<br />
Das GG sieht bis auf wenige<br />
Ausnahmen keine Abstimmungen<br />
vor. Daher:<br />
Entscheidung des GG<br />
gegen die plebiszitäre<br />
Demokratie. Aber: Verfassungsänderung<br />
möglich.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Wahlrechtsgrundsätze<br />
Freiheit der Wahl: Kein<br />
Druck, Zwang oder anderweitige<br />
rechtswidrige Beeinflussung<br />
der Wahl.<br />
Allgemeinheit der Wahl:<br />
Wahlrecht aller Bürger.<br />
Fundstelle: Art. 38 Abs. 1<br />
S. 1GG<br />
Geheimheit der Wahl:<br />
Niemand darf Kenntnis von<br />
der Wahlentscheidung der<br />
Bürger nehmen.<br />
Unmittelbarkeit der Wahl:<br />
Die Auswahl der Abgeordneten<br />
muss unmittelbar durch<br />
das Volk erfolgen.<br />
Gleichheit der Wahl: Zählwertgleichheit<br />
und Erfolgswertgleichheit.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Wahlrechtssystem<br />
Idealtypisch zwei Erscheinungsformen: Verhältniswahlrecht (Proportionale Zuteilung der<br />
Mandate nach dem Verhältnis der erzielten Stimmen) und<br />
Mehrheitswahlrecht (jeweils der Mehrheitskandidat in einem Wahlkreis gewinnt).<br />
Erforderlich: Folgerichtigkeit der Ausgestaltung des Wahlrechts.<br />
Wenn Verhältniswahl: Erfolgswertgleichheit: jede Stimme muss gleichen Einfluss auf<br />
den Ausgang der Wahl haben.<br />
Wenn Mehrheitswahl: Stimmen für den unterlegenen Bewerber haben keinen Einfluss<br />
auf die Zusammensetzung des Bundestages. Keine Erfolgswertgleichheit, sondern nur<br />
Gleichheit der Erfolgschancen.<br />
Wenn Mischsystem: Einzelne Bestandteile des Gesamtsystems müssen, soweit sie dem<br />
Verhältniswahlsystem folgen, der Erfolgswertgleichheit, soweit sie dem Mehrheitswahlsystem<br />
folgen, der Chancengleichheit genügen.<br />
Bundeswahlgesetz: Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht. Grundsätzlich:<br />
Verhältniswahl, ergänzt um einzelne Elemente der Mehrheitswahl.<br />
Konsequenz für Wahlrechtsgleichheit:<br />
Soweit Elemente der Verhältniswahl: Erfolgswertgleichheit.<br />
Soweit Elemente der Mehrheitswahl: Chancengleichheit.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Das freie Mandat<br />
Imperatives Mandat:<br />
Bindung des Abgeordneten<br />
an seine<br />
Partei. Vom GG bewusst<br />
abgelehnt.<br />
Art. 38 Abs. 1 S. 2<br />
GG: Keine rechtlichen<br />
Bindungen des Abgeordneten.<br />
Lediglich<br />
Bindung an das eigene<br />
Gewissen.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Parteien als Mittler der Willensbildung<br />
Staat (Staatswille)<br />
Gesellschaft<br />
Die Parteien sind nichtstaatlicher Natur und wurzeln in der Gesellschaft. Sie wirken<br />
jedoch in den Staat hinein, indem sie sich an der Bildung des Volkswillens beteiligen,<br />
der sich im Staatswillen abbilden soll. Als gesellschaftliche Kräfte wirken sie so<br />
in besonderem Maße auf den Staat ein, insb. bei der Vorbereitung und Durchführung<br />
von Wahlen.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Grundrechtsberechtigung:<br />
Als gesellschaftliche Gruppierung<br />
sind Parteien grundrechtsberechtigt.<br />
Besondere Bedeutung:<br />
Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art.<br />
21 Abs. 1 GG: Chancengleichheit<br />
der Parteien.<br />
Strikt formalisierter besonderer<br />
Gleichheitssatz.<br />
Einschränkung:<br />
abgestufte Gleichbehandlung<br />
je nach den letzten<br />
Wahlergebnissen zulässig.<br />
Anderenfalls würden die bisherigen<br />
Erfolge größerer Parteien<br />
bei der Abbildung des<br />
Volkswillens unberücksichtigt<br />
bleiben.<br />
Rechtsstellung der Partei<br />
Parteienprivileg, Art. 21 Abs. 2<br />
S. 2 GG:<br />
Hohe Hürden für ein Parteiverbot:<br />
Formell: Art. 21 Abs. 2 S. 2 GG:<br />
Zuständigkeit für Parteiverbot<br />
liegt ausschließlich beim BVerfG.<br />
Zudem: Besonderes Mehrheitserfordernis,<br />
§ 15 Abs. 4 S. 1<br />
BVerfGG.<br />
Materiell: Nicht genügend, dass<br />
eine Partei die freiheitlichdemokratische<br />
Grundordnung<br />
ablehnt. Verbot nur, wenn die<br />
Partei sie aktiv bekämpft.<br />
Demokratische Binnenstruktur,<br />
Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG: Die<br />
innere Ordnung der Parteien<br />
muss demokratischen Grundsätzen<br />
genügen.<br />
Staatsrecht I<br />
Stellung im Verfassungsprozess:<br />
Soweit Parteien als normale<br />
Gewaltunterworfene betroffen<br />
sind: Verfassungsbeschwerde.<br />
Subjektives<br />
Recht: Art. 21 GG i.V.m. dem<br />
jeweiligen Grundrecht.<br />
Soweit Partei in ihrer verfassungsrechtlichen<br />
Stellung<br />
und Funktion betroffen ist,<br />
das heißt, soweit Beteiligung<br />
an der politischen Willensbildung<br />
hin zum Staat (insbesondere<br />
soweit Vorbereitung<br />
von Wahlen): Organstreit.<br />
(vorausgesetzt, der Streitgegner<br />
ist ebenfalls beteiligungsfähig<br />
im Organstreit).<br />
Die Partei ist dann „anderer<br />
Beteiligter“ i.S.v. Art. 93 Abs.<br />
1 Nr. 1 GG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Parteienfinanzierung<br />
Finanzierungsquellen<br />
Spenden<br />
Mitgliedsbeiträge<br />
Staatsfinanzierung<br />
Die ergänzende Finanzierung durch den Staat ist zulässig: Voraussetzungen:<br />
- Die staatliche Parteienfinanzierung darf nur einen Teil der Parteieinnahmen ausmachen. Das<br />
Gesamtvolumen staatlicher Zuwendungen an eine Partei darf die Summe ihrer selbst erwirtschafteten<br />
Einnahmen nicht übersteigen.<br />
- Die Parteienfinanzierung muss erfolgsabhängig bleiben. Förderung je nach erhaltenen Stimmen<br />
bei Wahlen erlaubt, da letztlich Entscheidung der Bürger. Ebenso dürfen Parteispenden steuerlich<br />
gefördert werden, da lediglich Verstärkung der Unterstützung durch die Bürger.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Geschichte der Rechtsstaatlichkeit<br />
- Epoche des deutschen Konstitutionalismus (19. Jahrhundert):<br />
Rechtsförmlichkeit als Mittel zum Schutz des Individuums.<br />
- Spätkonstitutionalismus (zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts):<br />
Bindung des Staates an bestimmte Formprinzipien, um ihn zu mäßigen; keine umfassende<br />
Gerechtigkeitskonzeption.<br />
Formeller Rechtsstaat<br />
Grundlegender Wandel: Weimarer Methoden- und Richtungsstreit<br />
- Frage nach der Wirkungsweise und -richtung des Staates,<br />
Smend: Staat zielt auf Verwirklichung von Werten ab.<br />
- Grundrechte als objektive Werteordnung.<br />
- Rechtsstaat: Gerechter Staat, inhaltlich ausgerichtetes Rechtsstaatskonzept.<br />
Materieller Rechtsstaat
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Formeller und materieller Rechtsstaat<br />
Die Grundrechte als Wurzel formeller und<br />
materieller Rechtsstaatlichkeit<br />
Formeller Rechtsstaat:<br />
Rechtsstaatsprinzip als Beschränkung<br />
von Freiheitseingriffen, daher Anforderungen<br />
an Freiheitsbeschränkungen:<br />
Gesetzmäßigkeitsprinzip<br />
Materieller Rechtsstaat:<br />
Zielt auf Gerechtigkeit ab<br />
Objektive Wertordnung des Grundgesetzes.<br />
Rechtsschutzgarantie<br />
Gewaltenteilung
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Ergänzungsverhältnis von Grundrechten und Demokratie im Rechtsstaatsprinzip<br />
Rechtsstaatsprinzip<br />
Grundrechte:<br />
Nur beschränkbar auf Grundlage<br />
eines Parlamentsgesetzes.<br />
Demokratie:<br />
Herrschaft durch Recht, insbesondere<br />
durch Parlamentsgesetze.<br />
Damit treten im Rechtsstaatsprinzip (in seiner Ausprägung als Prinzip der Gesetzmäßigkeit)<br />
Grundrechte und Demokratie in ein Ergänzungsverhältnis.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Rechtsstaatsprinzip<br />
Rechtsschutzgarantie<br />
Funktionengliederung<br />
(Gewaltenteilung)<br />
Gesetzmäßigkeitsprinzip<br />
Grundsatz der<br />
Rechtssicherheit<br />
Grundrechtsschutz<br />
durch Verfahren<br />
Einzelprinzipien der<br />
Rechtsstaatlichkeit<br />
Staatshaftungsrecht<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
Vorrang der Verfassung
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Einzelprinzipien der Rechtsstaatlichkeit<br />
Vorrang der Verfassung:<br />
Bindung der drei Teilgewalten an die Verfassung<br />
(Art. 20 Abs. 3 GG, in Art. 1 Abs. 3<br />
GG für Grundrechte nochmals wiederholt),<br />
insbesondere auch Bindung des Gesetzgebers<br />
an die Verfassung.<br />
Absicherung durch Verfassungsgericht,<br />
dort auch Überprüfung der Gesetzgebung.<br />
Gesetzmäßigkeitsprinzip:<br />
Vorbehalt des Gesetzes<br />
Alle wesentlichen Entscheidungen sind vom<br />
parlamentarischen Gesetzgeber zu treffen,<br />
sog. Wesentlichkeitstheorie.<br />
Wurzeln: Grundrechte, Demokratieprinzip,<br />
Rechtsstaatsprinzip<br />
Trifft Aussage darüber, ob eine Maßnahme<br />
eines Parlamentsgesetzes bedarf und welche<br />
inhaltlichen Anforderungen an das ermächtigende<br />
Gesetz zu stellen sind, vgl. dazu Art.<br />
80 Abs. 1 S. 2 GG<br />
Vorrang des Gesetzes<br />
Entscheidungen des parlamentarischen Gesetzgebers<br />
genießen Vorrang.<br />
Verpflichtung der Exekutive, die<br />
Gesetze anzuwenden.<br />
Akte der Exekutive dürfen nicht<br />
vom Gesetz abweichen.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Einzelprinzipien der Rechtsstaatlichkeit<br />
Funktionengliederung<br />
(Gewaltenteilung):<br />
Klassische Unterteilung in<br />
drei Staatsgewalten: Legislative,<br />
Exekutive und Judikative.<br />
Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips,<br />
da die Gewaltenteilung<br />
Schutz und<br />
Mäßigung durch Ausbalancierung<br />
realer Mächtigkeit<br />
gewährleistet.<br />
Rechtsschutzgarantie<br />
Zentrale Norm: Art. 19 Abs. 4<br />
S. 1 GG, ergänzt durch weitere<br />
Vorschriften, insbesondere<br />
Art. 93 GG.<br />
Gewährleistungen:<br />
Gebot effektiven Rechtsschutzes<br />
Verfahrensgarantien<br />
(Art. 103 Abs. 1 GG)
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Einzelprinzipien der Rechtsstaatlichkeit<br />
Verhältnismäßigkeitsprinzip<br />
Die Grundrechte können durch Gesetze beschränkt werden; der<br />
grundrechtsbeschränkende Gesetzgeber ist aber seinerseits an<br />
die Grundrechte gebunden. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip beschränkt<br />
damit die grundrechtsbeschränkende Staatsgewalt.<br />
Prüfung einer beschränkenden Maßnahme auf Geeignetheit,<br />
Erforderlichkeit und Angemessenheit.<br />
Dabei kommen dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative<br />
und ein Gestaltungsraum zu.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Einzelprinzipien der Rechtsstaatlichkeit<br />
Grundsatz der Rechtssicherheit<br />
Bestimmtheit:<br />
Bestimmtheitsanforderungen des Gesetzesvorbehalts<br />
und allgemeines Bestimmtheitsprinzip:<br />
Mindestmaß an Klarheit und Verständlichkeit jedes<br />
staatlichen Rechtsaktes<br />
Vertrauensschutzprinzip:<br />
Bürger muss sein Verhalten, insb. seine längerfristigen<br />
Dispositionen auf die für ihn erkennbare<br />
Rechtslage einstellen können<br />
Staatshaftungsrecht<br />
Der Rechtsstaat haftet für staatliches Unrecht.<br />
Schadensersatzansprüche<br />
Entschädigungsansprüche<br />
Folgenbeseitigungsansprüche<br />
Voraussetzung: Vertrauenstatbestand und tatsächliches<br />
Vertrauen des Bürgers; dieses muss<br />
zudem schutzwürdig sein.<br />
Bestandskraft und Rechtskraft:<br />
Um des Rechtsfriedens willen müssen getroffene<br />
Entscheidungen ab einem bestimmten Zeitpunkt<br />
Bestand haben.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
RÜCKWIRKUNGSVERBOT<br />
Bei Begünstigung<br />
Bei Belastung<br />
Grundsätzlich zulässig<br />
Nur am Rückwirkungsverbot<br />
zu messen, wenn der Bürger<br />
möglicherweise eine für ihn<br />
günstige Disposition getroffen<br />
hätte, wenn ihm die Begünstigung<br />
zur Verfügung gestanden<br />
hätte<br />
Bsp.:<br />
Rückwirkende Senkung eines<br />
Steuersatzes<br />
Rückwirkende Erhöhung sozialer<br />
Leistungen etc.<br />
Absolutes<br />
Rückwirkungsverbot<br />
(Art. 103 II GG)<br />
Echte Rückwirkung (1. Senat) =<br />
Rückbewirkung von<br />
Rechtsfolgen (2. Senat)<br />
Gesetz knüpft an Sachverhalt an, der<br />
bereits abgeschlossen ist und schon<br />
Rechtsfolgen erzeugt hat<br />
Grds. unzulässig<br />
Relatives<br />
Rückwirkungsverbot<br />
(Richterrecht)<br />
Unechte Rückwirkung (1. Senat) =<br />
Tatbestandliche Rückanknüpfung<br />
(2. Senat)<br />
Gesetz knüpft an Sachverhalt an, der zwar<br />
in der Vergangenheit begonnen hat, aber<br />
noch nicht abgeschlossen ist und noch<br />
keine Rechtsfolgen erzeugt hat<br />
Grds. zulässig
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Republikprinzip<br />
Republik, Art. 20 Abs. 1 GG<br />
Negativer Bedeutungsgehalt<br />
Republik ist ein Staat, dessen<br />
Staatsoberhaupt kein Monarch<br />
ist (Abgrenzung zur Monarchie).<br />
Positiver Bedeutungsgehalt<br />
Verpflichtung auf das Gemeinwohl<br />
(res publica).<br />
Aber: Nicht geeignet, um konkrete<br />
Rechtsfolgen zu begründen.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Historische Bedingtheit deutscher Bundesstaatlichkeit<br />
Die föderale Binnengliederung Deutschlands reicht bis in das Mittelalter zurück. Auch<br />
im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation ist nie eine Zentralgewalt entstanden.<br />
Geburtsstunde moderner deutscher Bundesstaatlichkeit mit Reichseinigung von 1871:<br />
Monarchisches Prinzip verstand den Staat als im Monarchen verkörpert. Daher Gründung<br />
eines gemeinsamen Staates unter Anerkennung der fortexistierenden Staatlichkeit<br />
der Länder.<br />
Seither zwei Ebenen der Staatlichkeit anerkannt.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Die Eigenstaatlichkeit der Länder als Bestandteil des Gesamtstaates<br />
Das Grundgesetz definiert seine Form der Staatlichkeit selbst.<br />
Die Bundesrepublik besteht aus 17 Staaten: dem Bund und den 16 Ländern.<br />
Der Bund und die Länder haben unterschiedliche Staatsqualität: Im eigentlichen Sinn<br />
ist nur der Bund Staat, nur er genießt Souveränität. Nur der Bund ist auch Staat im<br />
Sinne des Völkerrechts.<br />
Alle Konsequenzen der Staatlichkeit der Länder müssen demnach aus dem Grundgesetz<br />
hergeleitet werden.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Kerninhalte grundgesetzlicher Bundesstaatlichkeit<br />
Vereinheitlichende<br />
Rechtsmaßstäbe:<br />
Vorrang des Bundesrechts<br />
vor Landesrecht,<br />
Art. 31 GG<br />
Inhaltliche Anpassung<br />
des Landesrechts an<br />
das Bundesrecht<br />
Prinzip der Bundestreue:<br />
Rechtliche Verpflichtung zur<br />
gegenseitigen Rücksichtnahme;<br />
diese besteht zwischen<br />
Bund und Ländern sowie unter<br />
den Ländern<br />
Verdoppelung von Organisationsstruktur<br />
und Legitimationsebenen<br />
Strukturelemente<br />
grundgesetzlicher<br />
Bundesstaatlichkeit<br />
Bundesorgan<br />
Bundesrat:<br />
Organ des Bundes,<br />
aber beschickt von<br />
den Ländern<br />
Kooperativer Föderalismus:<br />
Freiwillige Kooperation zwischen den<br />
Ländern in Bereichen ihrer Zuständigkeit
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern<br />
Gesetzgebungskompetenz des Bundes<br />
siehe Art. 30, 70 ff. GG<br />
Ausschließliche Gesetzgebungskompetenz,<br />
Art. 71, 73 GG:<br />
Art. 71 GG: Soweit eine<br />
ausschließliche Zuständigkeit<br />
des Bundes<br />
besteht, sind die<br />
Länder unzuständig.<br />
Gegenstände der ausschließlichen<br />
Gesetzgebungskompetenz<br />
in<br />
Art. 73 GG geregelt.<br />
Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz,<br />
Art. 72, 74<br />
GG:<br />
Macht der Bund von seiner<br />
Kompetenz Gebrauch, erlischt<br />
die Länderkompetenz.<br />
Solange und soweit der<br />
Bund keine Regelung trifft,<br />
besteht die Zuständigkeit der<br />
Länder.<br />
Art. 72 Abs. 2 GG: Einschränkende<br />
Voraussetzung<br />
für die Inanspruchnahme der<br />
konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz.<br />
Art. 72 Abs. 3 GG: Abweichungskompetenz<br />
der Länder.<br />
Kompetenz des Bundes kraft<br />
Sachzusammenhangs oder kraft<br />
der Natur der Sache:<br />
Kompetenz kraft Sachzusammenhangs:<br />
Die Zuweisung<br />
einer Materie an den<br />
Bund zieht eine andere, an<br />
sich den Ländern zustehende<br />
Kompetenz nach sich, weil<br />
beide Materien sinnvollerweise<br />
nur im Zusammenhang geregelt<br />
werden können.<br />
Kompetenz kraft Natur der<br />
Sache: Materie, die ihrem Inhalt<br />
nach nicht anders als bundesrechtlich<br />
geregelt werden<br />
kann.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Verwaltungskompetenzen<br />
Verwaltungskompetenzen des Bundes,<br />
siehe Art. 30, 83 ff. GG<br />
Art. 83, 84 GG: Vollzug von<br />
Bundesgesetzen als eigene<br />
Angelegenheit der Länder.<br />
Bund überwacht lediglich die<br />
Rechtmäßigkeit des Landesvollzugs,<br />
Art. 84 Abs. 3 GG.<br />
Grundsätzlich kein Weisungsrecht<br />
des Bundes.<br />
Art. 85 GG: Vollzug von Bundesgesetzen<br />
durch die Länder<br />
im Auftrag des Bundes.<br />
Voraussetzung ist eine grundgesetzliche<br />
Vorschrift, welche die<br />
Bundesauftragsverwaltung ausdrücklich<br />
anordnet oder gestattet.<br />
Wichtiger Fall: Art. 104a<br />
Abs. 3 S. 2 GG.<br />
Bund überwacht Recht- und<br />
Zweckmäßigkeit des Verwaltungsvollzugs,<br />
Art. 85 Abs. 4<br />
GG. Weisungsrecht des Bundes,<br />
Art. 85 Abs. 3 GG.<br />
Bundeseigene Verwaltung:<br />
Kernnorm Art. 86 GG, konkretisiert<br />
in Art. 87 ff. GG.<br />
(Ausnahmefall)
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Verwaltungskompetenzen<br />
Vollzug von Landesgesetzen:<br />
Art. 83 ff. GG regeln nur den Vollzug<br />
von Bundesgesetzen.<br />
Landesgesetze werden stets von den<br />
Ländern vollzogen, Art. 30 GG.<br />
Sog. gesetzesfreie Verwaltung:<br />
Auch die gesetzesfreie Verwaltungstätigkeit<br />
fällt grds. in die Zuständigkeit der Länder, es<br />
sei denn, das GG lässt ein Handeln des<br />
Bundes zu.<br />
Ansatzpunkte:<br />
- Art. 86 ff. GG<br />
- Kompetenz kraft Natur der Sache<br />
Bedeutung vor allem für die sog. Leistungsverwaltung.<br />
Beachte: Verbot der „Mischverwaltung“: Verwaltungskompetenzen werden entweder vom Bund<br />
oder von den Ländern wahrgenommen, nicht aber von beiden gemeinsam.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Kompetenzverteilung im Bundesstaat<br />
Sonstige Kompetenzen<br />
Regierung,<br />
insb. auswärtige Gewalt:<br />
Bund und Länder sind jeweils<br />
in ihrem eigenen Bereich zuständig.<br />
Problemfall Auswärtige Gewalt:<br />
Vertragsschlusskompetenz<br />
des Bundes in Angelegenheiten<br />
der Länder nach Art. 32<br />
GG problematisch.<br />
Gerichtsbarkeit:<br />
Art. 30 GG:<br />
Sache der Länder.<br />
Bund richtet nur bestimmte<br />
Obergerichte ein,<br />
Art. 92 ff. GG.<br />
Finanzverfassung:<br />
Art. 104a ff. GG
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Sozialstaat<br />
Sozialstaatsprinzip als Kernbestandteil materieller Rechtsstaatlichkeit.<br />
Kerngedanke: Schutz der tatsächlichen, insbesondere ökonomischen Voraussetzungen<br />
der Freiheit.<br />
Geringe normative Prägekraft.<br />
Garantie eines menschenwürdigen Existenzminimums als wichtigste Einzelaussage.<br />
Allgemeine Idee eines sozialen Ausgleichs als Ziel staatlichen Handelns.<br />
Aber: Keine eigenständige Kompetenzgrundlage.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Staatsorganisation und Staatsorgane<br />
Oberste Bundesorgane<br />
Bundestag<br />
Art. 38 ff. GG<br />
Bundesregierung<br />
Art. 62 ff. GG<br />
Bundesrat<br />
Art. 50 ff. GG<br />
Gem. Ausschuss<br />
Art. 53a GG<br />
Bundesversamml.<br />
Art. 54 GG<br />
Bundespräsident<br />
Art. 54 ff. GG<br />
Der Bundestag ist das primäre demokratische Repräsentationsorgan des Volkes;<br />
er ist Ausgangspunkt aller weiteren sachlich-inhaltlichen und personellen Legitimation<br />
der Staatsgewalt.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Gesetzgebungsfunktion:<br />
Bundestag als Ausgangspunkt<br />
der sachlichinhaltlichen<br />
Legitimation<br />
der Staatsgewalt.<br />
Repräsentationsfunktion:<br />
Verwirklichung durch Verhandlungen<br />
des Parlaments<br />
und Parlamentsbeschlüsse,<br />
grds. öffentlich.<br />
Oberste Bundesorgane / Bundestag<br />
Aufgaben des Bundestages<br />
(Parlamentsfunktionen)<br />
Wahlfunktion:<br />
Wahl des Bundeskanzlers, der<br />
seinerseits Minister bestellt, die<br />
wiederum ihren Ressorts vorstehen,<br />
Art. 63 GG. Der gewählte<br />
Bundeskanzler ist dem Bundtag<br />
parlamentarisch verantwortlich;<br />
seine Wahl und Verantwortung<br />
stehen im Zentrum des parlamentarischen<br />
Regierungssystems. Der<br />
Bundestag ist damit auch Ausgangspunkt<br />
der personellen Legitimation<br />
der Staatsgewalt.<br />
Kontrollfunktion:<br />
Aktualisiert die demokratische<br />
Verantwortung des<br />
gewählten Kanzlers und<br />
seines Kabinetts. Art. 43<br />
Abs. 1, Art. 44 und Art. 67<br />
f. GG bringen dies zum<br />
Ausdruck.<br />
Mitwirkung in Angelegenheiten<br />
der Europäischen<br />
Union, Art. 23 Abs.<br />
3 GG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Oberste Bundesorgane / Bundestag<br />
Ausschüsse:<br />
Untergliederung des Parlaments<br />
in Ausschüsse, teilweise verfassungsrechtlich<br />
gefordert, Art. 45,<br />
45a, 45c GG. Ausschüsse geben<br />
dem Bundestag Beschlussempfehlungen.<br />
Besetzung nach dem<br />
Prinzip der Spiegelbildlichkeit.<br />
Präsident, Ältestenrat, Art. 40<br />
Abs. 1 S. 1 GG:<br />
Wahl des Präsidenten und seiner<br />
Stellvertreter. Der Präsident ist Leiter<br />
des Bundestages als Behörde;<br />
er besitzt das Hausrecht und die<br />
Polizeigewalt, Art. 40 Abs. 2 S. 1<br />
GG.<br />
Binnenorganisation des<br />
Bundestages<br />
Geschäftsordnungsautonomie:<br />
Die Binnenorganisation ist Gegenstand<br />
der sog. Geschäftsordnungsautonomie;<br />
autonomes (nicht abgeleitetes)<br />
Recht, die internen Geschäftsabläufe<br />
zu regeln, Art. 40<br />
Abs. 1 S. 2 GG. Grundsatz der formalen<br />
Diskontinuität: Jeder Bundestag<br />
gibt sich seine eigene GO<br />
als eigenständiges, neu konstituiertes<br />
Organ.<br />
Fraktionen, Gruppen:<br />
Geregelt in §§ 45 ff. AbgG und<br />
§§ 10 ff. GOBT. Grundlage sind<br />
die gebündelten Abgeordnetenrechte<br />
aus Art. 38 Abs. 1 GG.<br />
Die Fraktionengliederung ist<br />
das entscheidende politische<br />
Gliederungsprinzip des Bundestages,<br />
vgl. §§ 12, 76, 89, 85<br />
GOBT.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Oberste Bundesorgane / Bundestag<br />
Rechtsstellung der Abgeordneten<br />
Spannungsverhältnis zwischen Art.<br />
38 Abs. 1 GG und dem Organisationsprinzip<br />
der Fraktionsgliederung.<br />
Verdeutlicht im Fall des fraktionslosen<br />
Abgeordneten (BVerfGE 80, 188): Dieser<br />
hat das Rede- und Fragerecht sowie<br />
das Recht auf einen Ausschusssitz,<br />
aber kein Stimmrecht im Ausschuss.<br />
Grund: Spiegelbildlichkeit von Parlament<br />
und Ausschüssen.<br />
Art. 46 Abs. 1 GG:<br />
Indemnität<br />
Art. 46 Abs. 2 GG:<br />
Immunität<br />
Art. 48 GG, insbesondere Abs. 3:<br />
Anspruch auf eine angemessene<br />
Entschädigung. Besonders problematisch:<br />
Funktionszulagen, vgl. §<br />
11 Abs. 2 AbgG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Oberste Bundesorgane / Bundesregierung<br />
Wahl und Rechtsstellung des Bundeskanzlers<br />
Kanzlerwahl, Art. 65 Abs. 1, 2 GG:<br />
Wahl durch den Bundestag auf Vorschlag<br />
des Bundespräsidenten.<br />
Richtlinienkompetenz, Art. 65 S. 1 GG<br />
(Kanzlerprinzip):<br />
Richtlinie meint Grundleitlinie der Politik.<br />
Betroffen sind ressortübergreifende und<br />
ressortinterne Fragen. Kann sich auch<br />
auf konkrete Einzelpunkte von hohem<br />
Gewicht beziehen; entscheidend ist das<br />
Richtungweisende der Entscheidung.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Oberste Bundesorgane / Bundesregierung<br />
Minister und Kollegium<br />
Organisations- und Personalhoheit<br />
des Bundeskanzlers:<br />
- Art. 64 GG: Bundespräsident<br />
ernennt und entlässt die Bundesminister<br />
auf Vorschlag des<br />
Bundeskanzlers.<br />
- Über die Personalhoheit hinaus<br />
hat der Bundeskanzler<br />
auch die Organisationshoheit<br />
im Bereich der Regierung inne.<br />
Grenze: Verfassungsrechtliche<br />
Notwendigkeit bestimmter<br />
Ressorts (Auswärtiges, Finanzen,<br />
Justiz, Inneres, Verteidigung).<br />
- Kanzler ernennt einen Minister<br />
zu seinem Stellvertreter.<br />
Kollegialprinzip, Art. 65 S. 3<br />
GG:<br />
Das Handeln als Kollegialorgan<br />
setzt voraus, dass alle Kabinettsmitglieder<br />
Gelegenheit haben<br />
müssen, an der Entscheidung<br />
mitzuwirken.<br />
Auch hier: Richtlinienbindung.<br />
Verhältnis zwischen Ressortund<br />
Kollegialprinzip:<br />
Weisungsbefugnis des Kabinetts<br />
als Beschlussorgan bei der<br />
Ausarbeitung von Gesetzentwürfen.<br />
Ressortprinzip, Art. 65 S. 2<br />
GG:<br />
Selbstständige politische Leitung<br />
und Verwaltung der einzelnen<br />
Geschäftsbereiche durch<br />
die einzelnen Bundesminister;<br />
beschränkt durch die Richtlinienkompetenz.<br />
Sonderrechte: Art. 65a, 96 Abs.<br />
2 S. 4, 112, 114 GG, § 36 Abs.<br />
2 GOBReg.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Oberste Bundesorgane / Bundesregierung<br />
Art. 68 GG, Vertrauensfrage<br />
Klassische Möglichkeit des Kanzlers, sich des<br />
Vertrauens durch das Parlament zu versichern.<br />
Ziel: Feststellung, dass das Parlament das Regierungshandeln<br />
trägt und demokratisch verantwortet.<br />
Problem: Einsatz der Vertrauensfrage,<br />
um eine Parlamentsauflösung zu erreichen.<br />
Voraussetzung einer Parlamentsauflösung ist<br />
das Vorliegen einer materiellen Auflösungslage<br />
im Sinne einer politisch instabilen Lage. Weitgehende<br />
Einschätzungsprärogative der zuständigen<br />
Organe (Bundeskanzler, Bundestag, Bundespräsident).<br />
Sonderproblem: Verbindung der Vertrauensfrage<br />
mit einer anderen Abstimmungsvorlage.<br />
Art. 67 GG, Misstrauensvotum<br />
Die Initiative liegt hier beim Parlament.<br />
Ziel: Vertrauensentzug durch das Parlament.<br />
Vertrauensentzug (Aussprache des Misstrauens)<br />
und Wahl des neuen Kanzlers müssen notwendig<br />
uno actu erfolgen, daher: „konstruktives“ Misstrauensvotum.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Oberste Bundesorgane / Bundesrat<br />
Der Bundesrat<br />
- Interessenvertretung der Länder auf Bundesebene, aber Bundesorgan.<br />
- Keine vollwertige zweite Gesetzgebungskammer, sondern ein Vertretungsorgan, das<br />
in bestimmter Weise Einfluss auf die Willensbildung im Bund nehmen kann.<br />
- Zusammensetzung aus Mitgliedern der Landesregierungen, Art. 51 Abs. 1 GG.<br />
- Jedes Land hat, je nach Größe, eine bestimmte Anzahl an Stimmen, Art. 51 Abs. 2<br />
GG.<br />
- Jedes Land kann so viele Mitglieder entsenden, wie es Stimmen hat.<br />
- Stimmabgabe aber nur einheitlich durch anwesende Mitglieder oder Vertreter.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Oberste Bundesorgane / Bundesrat<br />
Aufgaben und Kompetenzen des Bundesrates<br />
Mitwirkung an der Gesetzgebung<br />
des Bundes:<br />
- Initiativrecht, Art. 76 Abs. 1 GG<br />
- Recht zur Stellungnahme, Art.<br />
76 Abs. 2 GG<br />
- Einspruch oder Zustimmung zu<br />
Bundesgesetzen, Art. 77 GG<br />
Beteiligung an der Verwaltungstätigkeit<br />
des<br />
Bundes, Art. 50 GG:<br />
- Mitwirkung am Rechtsverordnungserlass,<br />
Art. 80<br />
Abs. 2 GG<br />
- Mitwirkung am Erlass von<br />
Verwaltungsvorschriften<br />
der Bundesregierung, Art.<br />
84 Abs. 2, 85 Abs. 2 S. 1<br />
GG<br />
Mitwirkung in Angelegenheiten<br />
der Europäischen<br />
Union:<br />
- gestufte Beteiligungsregelungen<br />
in Art. 23 Abs. 4-6<br />
GG
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Oberste Bundesorgane / Bundespräsident<br />
Der Bundespräsident<br />
Eingeschränktes Aufgaben- und Kompetenzspektrum im parlamentarischen Regierungssystem<br />
des Grundgesetzes.<br />
Wahl für fünf Jahre durch die Bundesversammlung, die nur hierzu zusammentritt, Art.<br />
54 GG; einmalige Wiederwahl zulässig, Art. 54 Abs. 2 S. 2 GG.<br />
Regelung des Wahlverfahrens in Art. 54 Abs. 6 GG und BPräsWahlG.<br />
Vertreter: Bundesratspräsident, Art. 57 GG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Oberste Bundesorgane / Bundespräsident<br />
Aufgaben und Kompetenzen<br />
des Bundespräsidenten<br />
Vertretung des Bundes:<br />
Der Bundespräsident vertritt die<br />
Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich,<br />
Art. 59 Abs. 1 S. 1<br />
GG.<br />
Problem: Verhältnis zur Richtlinienkompetenz<br />
des Bundeskanzlers,<br />
Art. 65 S. 1 GG: Bundespräsident<br />
darf keine eigene Außenpolitik<br />
betreiben.<br />
Ernennung und Entlassung<br />
von Amtsträgern:<br />
- Art. 60 Abs. 1: Bundesrichter,<br />
Bundesbeamte, Offiziere, Unteroffiziere.<br />
- Art. 63 Abs. 2 S. 2, 63 Abs. 4,<br />
67 Abs. 1 S. 2 GG: Bundeskanzler.<br />
- Art. 64 Abs. 1: Bundesminister.<br />
Ausfertigung und Verkündung<br />
von Bundesgesetzen, Art. 82<br />
Abs.1 GG: „…nach Gegenzeichnung“,<br />
damit Verweis auf<br />
Art. 58 GG. Gegenzeichnungspflicht<br />
jedenfalls für die Ausfertigung<br />
und Verkündung von Gesetzen,<br />
im Übrigen streitig. Problem:<br />
Materielles Prüfungsrecht<br />
des Bundespräsidenten.<br />
Die Aufgaben lassen sich einer Repräsentationsfunktion, Reservefunktion (im Krisenfall) und<br />
Integrationsfunktion zuordnen.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Die Verwaltung<br />
Dreistufiger Verwaltungsaufbau in den Bundesländern:<br />
Oberste Behörden = Ministerien<br />
Mittelbehörden = In Rheinland-Pfalz Direktionen<br />
(ADD und SGD).<br />
Daneben bestehen<br />
sog. Sonderbehörden,<br />
aber weitgehende<br />
Eingliederung in<br />
allgemeinen Behördenaufbau<br />
Untere Behörden = Kreisverwaltung,<br />
Stadtverwaltung in kreisfreien Städten
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Die Verwaltung<br />
Staatsrecht I<br />
Die Behörden der Bundesverwaltung vollziehen die Gesetze immer dann, wenn Art. 86 GG einschlägig<br />
ist.<br />
Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG Dreistufiger<br />
Aufbau:<br />
Bei Bundesbehörden die Ausnahme.<br />
Neue Bundesverwaltung mit eigenem<br />
Verwaltungsunterbau nach Art. 87 Abs.<br />
3 S. 2 GG (fakultativ, Gesetzgebungskompetenz,<br />
hohe Anforderungen).<br />
Bundesoberbehörden, Art. 87 Abs. 1 S.<br />
2 GG (zwingend):<br />
- große Bedeutung<br />
- unterhalb der Ministerien angesiedelt<br />
- ohne eigenen Unterbau<br />
- für das gesamte Bundesgebiet zuständig<br />
- ohne eigene Rechtspersönlichkeit<br />
Daneben Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG: fakultative<br />
Möglichkeit, durch Gesetz neue Bundesoberbehörden<br />
zu errichten.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Die Verwaltung<br />
Sowohl im Bund als auch in den Ländern besteht neben der unmittelbaren Staatsverwaltung<br />
die mittelbare Staatsverwaltung.<br />
Die Stellen der mittelbaren Staatsverwaltung haben eigene Rechtspersönlichkeit, treten also<br />
im eigenen Namen auf, haben selbst Ansprüche und Verbindlichkeiten und sind im Prozess<br />
Kläger und Beklagte.<br />
Eigene Rechtspersönlichkeit haben Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen<br />
Rechts.<br />
Zwingend vorgesehen ist die mittelbare Bundesverwaltung in Art. 87 Abs. 2 GG.<br />
Fakultativ: Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG.<br />
In bestimmtem Umfang können Einrichtungen der mittelbaren Verwaltung zur Selbstverwaltung<br />
befugt sein, insbesondere: Selbstverwaltung der Gemeinden, Art. 28 Abs. 2 S. 1<br />
GG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Die Verwaltung<br />
Privatisierung: Im Zuge des Strebens nach effizienter Aufgabenerfüllung bedient sich der Staat<br />
zunehmend privatrechtlicher Organisationsformen und darüber hinaus der Privatwirtschaft selbst:<br />
Erfüllung von Staatsaufgaben in den<br />
Formen des Privatrechts:<br />
Umfassende Grundrechtsbindung, auch<br />
Verwaltungskompetenz muss vorliegen;<br />
es wird nach wie vor Staatsgewalt ausgeübt.<br />
Weiterhin handelt es sich um eine<br />
Staatsaufgabe.<br />
Staat überträgt Aufgaben auf Privatwirtschaft:<br />
Staat zieht sich zurück, es besteht keine<br />
Staatsaufgabe mehr. Vielfach begleitende<br />
gesetzliche Bindungen. Gewährleistungsverantwortung,<br />
vgl. Art. 87f Abs. 1<br />
GG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Die Gerichtsbarkeit<br />
Bei der Gerichtsbarkeit sind Bundes- und Landesebene streng getrennt. Die Gerichte sind Bund<br />
und Ländern prinzipiell nach Instanzen zugeordnet: Die unteren Gerichte sind Landesgerichte,<br />
die oberste Instanz ist ein Bundesgericht.<br />
Sozialgerichtsbarkeit<br />
Bundesgerichtshof<br />
(Karlsruhe/Leipzig)<br />
Ordentliche Gerichtsbarkeit<br />
Verwaltungsgerichtsbarkeit<br />
Bundesverwaltungsgericht<br />
(Leipzig)<br />
Bundessozialgericht<br />
(Kassel)<br />
Oberlandesgerichte<br />
Oberverwaltungsgericht/<br />
Verwaltungsgerichtshof<br />
Landessozialgericht<br />
Landgericht<br />
Amtsgericht<br />
Verwaltungsgericht<br />
Sozialgericht
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Die Gerichtsbarkeit<br />
Finanzgerichtsbarkeit<br />
Arbeitsgerichtsbarkeit<br />
Bundesfinanzhof<br />
(München)<br />
Bundesarbeitsgericht<br />
(Erfurt)<br />
Finanzgericht<br />
Landesarbeitsgericht<br />
Arbeitsgericht
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Trennung und Zuordnung der Gewalten<br />
Zentraler Regelungsort: Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, Gliederung der Funktionen und Vorgabe ihrer<br />
Zuordnung zu besonderen Organen.<br />
Die Staatsfunktionen stehen im Vordergrund (Legislative, Exekutive, Judikative). Erst in einem<br />
zweiten Schritt werden diese gleichfalls unterschiedlichen „besonderen“ Organen zugeordnet.<br />
Deshalb: Funktionengliederung.<br />
Kernaussage des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG: Ein Organ darf in seiner Kerntätigkeit nur für eine<br />
Funktion zuständig sein.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Trennung und Zuordnung der Gewalten<br />
Vielfältige Verschränkungen<br />
Legislativfunktion:<br />
Gesetzesinitiative zumeist<br />
durch Bundesregierung,<br />
Beschluss durch Bundestag,<br />
Ausfertigung und<br />
Verkündung durch den<br />
Bundespräsidenten.<br />
Exekutivfunktion:<br />
Vollzug der Gesetze durch<br />
die Verwaltung; Rechtsverordnungsermächtigungen<br />
= Normsetzung durch die<br />
Exekutive; dabei teilweise<br />
Zustimmungsvorbehalte des<br />
Parlaments.<br />
Gewaltenverschränkung<br />
auch durch personelle<br />
Überschneidungen und<br />
parteipolitische Verklammerungen.<br />
Die Einflussnahme- und Kontrollmöglichkeiten können die Rechtsstaatlichkeit des Staatshandelns<br />
fördern. Eine rechtsstaatlich wirksame Funktionengliederung erfordert ein angemessenes<br />
Maß von Gewaltentrennung und Gewaltenverschränkung. Verfassungsrechtliche Grenze: Die<br />
Kernbereiche der Funktionen müssen beim primär vorgesehenen Organ verbleiben.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Trennung und Zuordnung der Gewalten<br />
Funktionen der Funktionengliederung<br />
Rechtsstaatliche Funktion:<br />
Mäßigung und Kontrolle<br />
der Staatsgewalt<br />
Entscheidungen werden in<br />
möglichst sachgerechter<br />
Weise getroffen: Entscheidungen<br />
von Organen, die<br />
nach ihrer Organisation,<br />
Zusammensetzung, Funktion<br />
und Verfahrens-weise<br />
über die besten Voraussetzungen<br />
verfügen.<br />
Demokratische Funktion:<br />
Die Aufteilung der Willensbildung<br />
auf unterschiedliche<br />
Organe aktualisiert<br />
die jeweilige demokratische<br />
Legiti-mation<br />
dieser Organe.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Trennung und Zuordnung der Gewalten<br />
Die Funktionengliederung auf der Bundesebene (horizontale Gewaltenteilung) wird ergänzt<br />
durch eine Funktionengliederung zwischen den Gebietskörperschaften (vertikale Gewaltenteilung).<br />
Auch letztere besitzt eine demokratische Funktion und sorgt für rechtsstaatliche Mäßigung,<br />
verhindert eine gemeinwohlschädliche Machtkonzentration durch gegenseitige Einflussnahme<br />
und Kontrolle.<br />
Gewaltenverschränkung bei der Kompetenzausübung von Bund und Ländern: Beteiligung<br />
des Bundesrates an der Gesetzgebung, Vollzug der Bundesgesetze durch die Länder, Zusammensetzung<br />
des gerichtlichen Instanzenzuges aus Landes- und Bundesgerichten.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Staatsleitung im parlamentarischen Regierungssystem<br />
Staatsleitung meint die Wahrnehmung politischer Leitungsaufgaben, die der Staatstätigkeit eine<br />
Richtung geben (Regierung im materiellen Sinne).<br />
Kompetenzen der Regierung<br />
Die Staatsleitungsfunktion ist zunächst der<br />
Regierung als Organ zugeordnet. Kompetenzen:<br />
- Art. 65 S. 1 GG: Richtlinienkompetenz<br />
- Art. 59 GG: Außenpolitische Führungsrolle<br />
der Regierung<br />
- Art. 65a GG: Befehls- und Kommandogewalt<br />
des Bundesverteidigungsministers<br />
über die Streitkräfte<br />
- Art. 76 Abs. 1 GG: Gesetzesinitiativen<br />
- Art. 110 Abs. 2 GG: Aufstellung,<br />
Durchführung, Kontrolle des Haushalts<br />
Regierungsfunktion des Parlaments:<br />
Vielfältige Mitwirkungsbefugnisse des Parlaments<br />
bei der Regierung im materiellen Sinne:<br />
- Art. 76 f. GG: Gesetzgebung<br />
- Besonderer Unterfall: Art. 59 Abs. 2 S.1<br />
Alt. 1 GG<br />
- Art. 110 GG: Beschluss des Parlaments<br />
über den Haushalt<br />
Sog. Regierungsfunktionen des Parlaments<br />
Staatsleitung „zur gesamten Hand“
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Rechtsetzung: Legislative<br />
Rechtsetzung meint die Setzung<br />
- abstrakter (unbestimmte Vielfalt von Fällen) und<br />
- genereller (an die Allgemeinheit gerichtet)<br />
Sollenssätze.<br />
Gesetze existieren auf unterschiedlichen Ebenen der Normenhierarchie.<br />
- Verfassung / Verfassungsgesetz<br />
- formelles Parlamentsgesetz<br />
- Rechtsverordnung (materielles Gesetz)<br />
- Satzung (materielles Gesetz); auf der Stufe der Rechtsverordnung,<br />
Geltung aber nur für die Mitglieder der juristischen Person,<br />
die sich die Satzung gibt.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren<br />
Formelle Verfassungsmäßigkeit:<br />
I. Zuständigkeit (Art. 30, 70-74 GG)<br />
Verbandskompetenz des Bundes<br />
II. Verfahren<br />
1) Gesetzesinitiative (Art. 76 I GG)<br />
Bundesregierung (dann Art. 76 II GG beachten)<br />
Mitte des Bundestages (konkretisiert durch § 76 GOBT)<br />
Bundesrat (dann Art. 76 III GG beachten)<br />
2) Beschluss des Bundestages (Art. 77 I 1 GG)<br />
Konkretisiert durch §§ 78 ff. GOBT (drei Lesungen)<br />
Beachte: Drei Lesungen sind verfassungsrechtlich nicht<br />
zwingend.<br />
Grundsatz: Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich,<br />
Art. 42 II GG<br />
3) Mitwirkung des Bundesrates<br />
Art. 77 I 2 GG, Gesetzesbeschluss wird dem Bundesrat<br />
zugeleitet.<br />
Zwei verschiedene Mitwirkungsrechte des Bundesrates:<br />
Einspruch oder Zustimmung<br />
4) Ausfertigung durch Bundespräsident, Art. 82 I GG<br />
III. Form<br />
Verkündung im BGBl. (Art. 82 I 1 GG),<br />
Beachtung der Erfordernisse des Art. 82 II GG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren<br />
Staatsrecht I<br />
Zwei verschiedene Arten der Mitwirkung des Bundesrates:<br />
1. Einspruchsgesetze<br />
Jedes Gesetz, das im GG nicht<br />
ausdrücklich als Zustimmungsgesetz<br />
bezeichnet ist.<br />
2. Zustimmungsgesetze<br />
Stets ausdrücklich im GG genannt.<br />
Insbesondere:<br />
Gesetze, die das GG ändern, Art. 79<br />
II GG<br />
Gesetze, die die Verwaltungshoheit<br />
der Länder betreffen (Art. 84 I 6, 85 I,<br />
87 III, 87c GG)<br />
Gesetze, die die Finanzhoheit der<br />
Länder betreffen (Art. 104a IV, 105<br />
III, 106 III GG)<br />
Darüber hinaus in vielen Vorschriften<br />
verstreut (vgl. Art. 16a II, III, 74 II, 81<br />
III GG)<br />
Problem: Reichweite des Zustimmungserfordernisses. Grundsatz der gesetzgebungstechnischen<br />
Einheit. Zustimmungsbedürftigkeit einer Norm führt zur Zustimmungsbedürftigkeit des<br />
ganzen Gesetzes; Verweigerung der Zustimmung wegen jeder Einzelnorm zulässig.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren<br />
Staatsrecht I<br />
Verfahren bei Einspruchsgesetzen:<br />
Der Einspruch verhindert zunächst das Zustandekommen des Gesetzes.<br />
Der Bundesrat muss Vermittlungsausschuss anrufen, Art. 77 III 1 GG.<br />
Wird der Ausschuss nicht angerufen, kommt das Gesetz zustande;<br />
Art. 78, 2. Alt. GG.<br />
Beratung des Gesetzes im Vermittlungsausschuss.<br />
Wenn Änderungsvorschlag: Erneuter Beschluss des Bundestages.<br />
Nach Beschluss des Bundestages Zwei-Wochen-Frist des Art. 77 III GG,<br />
um Einspruch einzulegen.<br />
Art. 77 IV GG: Einspruch kann vom Bundestag überwunden werden.<br />
Dann kommt das Gesetz zustande, Art. 78, 5. Alt. GG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren<br />
Verfahren bei Zustimmungsgesetzen:<br />
Zustimmung des Bundesrates zum Zustandekommen des Gesetzes erforderlich.<br />
Vermittlungsverfahren hier nicht vorgeschrieben, sondern fakultativ,<br />
Art. 77 IIa GG.<br />
Frist des Art. 77 II 1 GG gilt für die fakultative Anrufung des Vermittlungsausschusses<br />
nicht.<br />
Stimmt der Bundesrat dem Gesetz zu, kommt das Gesetz zustande,<br />
Art. 78, 1. Alt. GG.<br />
Bei Verweigerung der Zustimmung können Bundestag und Bundesregierung die Einberufung<br />
des Vermittlungsausschusses verlangen, Art. 77 II 4 GG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren<br />
Rechtsstellung des Vermittlungsausschusses:<br />
Zusammensetzung: Art. 77 II 1 i.V.m. GOVA:<br />
‣ 16 Abgeordnete des Bundestages<br />
‣ 16 Mitglieder des Bundesrates<br />
Art. 77 II 2 GG: Eigene Geschäftsordnung, die vom Bundestag beschlossen wird<br />
und der Zustimmung des Bundesrates bedarf.<br />
Art. 77 II 3 GG: Mitglieder sind nicht an Weisungen gebunden.<br />
Problem: Überschreitung des Anrufungsgegenstandes durch den Vermittlungsausschuss.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Parlamentarisches Gesetzgebungsverfahren<br />
Besondere Anforderungen der Verfassungsänderung:<br />
Formelle Erfordernisse:<br />
Art. 79 I 1 GG: Wortlautänderung erforderlich.<br />
Art. 79 II GG: Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat.<br />
Materielle Anforderungen:<br />
Art. 79 III GG: Identitätsgarantie<br />
Beachte:<br />
Art. 79 GG hat normtheorethisch einen höheren Rang als das sonstige Verfassungsrecht,<br />
andernfalls könnte Art. 79 GG selbst durch Verfassungsänderung geändert werden.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Rechtsverordnunggebung<br />
Abstrakt-generelle Regelungen, die von der Exekutive erlassen werden.<br />
Sinn und Zweck:<br />
Konkretisierende Ergänzung<br />
formeller<br />
Gesetze<br />
Fruchtbarmachung<br />
des Sachverstands<br />
der Exekutive<br />
Entlastung des Parlaments<br />
Abgrenzung vom formellen<br />
Gesetz:<br />
Anderer Urheber<br />
anderes Verfahren<br />
Rang unter dem formellen<br />
Gesetz<br />
Nur aufgrund formellgesetzlicher<br />
Delegation.<br />
Abgrenzung von der<br />
Verwaltungsvorschrift:<br />
Verwaltungsvorschriften<br />
sind grundsätzlich interne<br />
Weisungen an nachgeordnete<br />
Behörden; die<br />
Rechtsverordnung wirkt im<br />
Außenverhältnis.<br />
Verwaltungsvorschriften<br />
innerhalb einer Gebietskörperschaft<br />
bedürfen keiner<br />
Ermächtigung durch<br />
Parlamentsgesetz.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Rechtsverordnung<br />
Dreistufiger Aufbau bei Überprüfung einer RVO:<br />
I. Ermächtigung zum Erlass der RVO<br />
II. Formelle Rechtmäßigkeit der RVO<br />
III. Materielle Rechtmäßigkeit der RVO
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Rechtsverordnung<br />
I. Ermächtigung zum Erlass der RVO<br />
1) Formelle Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage<br />
(Zuständigkeit, Verfahren, Form).<br />
2) Materielle Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage.<br />
a) Bestimmtheitsgebot, Art. 80 I 2 GG: Das ermächtigende Gesetz<br />
muss Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen.<br />
b) Das Gesetz muss den Adressaten der Ermächtigung benennen,<br />
Art. 80 I 1 GG.<br />
Verstößt das zum Erlass der RVO ermächtigende Gesetz gegen Art.<br />
80 I 2 GG, ist es verfassungswidrig und nichtig.<br />
Die auf Grundlage einer verfassungswidrigen Ermächtigung ergangene<br />
RVO ist ebenfalls nichtig.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Rechtsverordnung<br />
II. Formelle Rechtmäßigkeit der RVO<br />
1) Zuständigkeit<br />
2) Verfahren<br />
3) Form<br />
‣ Hier Mitwirkung des Bundesrates nach Art. 80 II GG beachten<br />
a) Beachtung des Zitiergebotes, Art. 80 I 3 GG.<br />
b) Formerfordernisse des Art. 82 I 2, II GG.<br />
III. Materielle Rechtmäßigkeit der RVO<br />
Inhaltliche Vereinbarkeit mit Verfassung und Parlamentsrecht.<br />
Als erstes: Bleibt die Verordnung inhaltlich im Rahmen des zugrunde<br />
liegenden Parlamentsgesetzes?
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Rechtsanwendung durch die Verwaltung: Exekutive<br />
Staatsrecht I<br />
Exekutive: S<br />
Exekutive: Staatstätigkeit, die nicht Rechtsetzung oder Rechtsprechung ist.<br />
Regierungstätigkeit:<br />
Wahrnehmung der politischen<br />
Leitungsaufgaben<br />
Verwaltungstätigkeit:<br />
Insbesondere: Vollzug der Gesetze, vielfach<br />
durch einzelfallbezogene Gestaltung.<br />
Handlungsformen:<br />
Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG)<br />
öffentlichrechtlicher Vertrag (§ 54 VwVfG)<br />
informelles Verwaltungshandeln
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Gesetzesvollzug und „gesetzesfreie Verwaltung“<br />
Gesetzesvollzug:<br />
Art. 30, Art. 83 ff. GG sind<br />
Kompetenzgrundlagen für<br />
den Vollzug der Gesetze<br />
im Bundesstaat.<br />
Verwalten im „gesetzesfreien“ Bereich:<br />
Von gesetzesfreier Verwaltung wird gesprochen,<br />
wo der Gesetzesvorbehalt keine gesetzliche<br />
Vorzeichnung / Ermächtigungsgrundlage<br />
erfordert und wo kein Gesetz besteht,<br />
dass nach dem Grundsatz des Vorrangs<br />
des Gesetzes Beachtung verlangen<br />
würde.<br />
Problem: Zuständigkeit für das Verwalten.<br />
Grundsatz: Der äußere Rahmen der Kompetenzen<br />
zur „gesetzesfreien“ Verwaltung sind<br />
die Gesetzgebungskompetenzen.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Rechtsanwendung durch die Verwaltung<br />
Anspruch auf Grundrechtsschutz<br />
durch Verfahren: Verfahren<br />
müssen so ausgestaltet<br />
werden, dass die grundrechtlichen<br />
Schutzgüter im Ergebnis<br />
gewahrt werden.<br />
Wesentliche<br />
Verfahrensgarantien<br />
Anspruch auf<br />
rechtliches Gehör<br />
Anspruch auf<br />
Entscheidungsbegründung
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Rechtsanwendung durch die Gerichte: Judikative<br />
Judikative meint die nachvollziehende, die Rechtmäßigkeit des Handelns der anderen Organe<br />
im Staat oder der Bürger beurteilende Rechtsanwendung. Der Inhalt des Rechts wird<br />
festgestellt und es wird beurteilt, ob das staatliche oder private Handeln dem Recht entspricht.<br />
Rechtsprechung ist ein materieller verfassungsrechtlicher Begriff, der traditionelle Kernbereiche<br />
umfasst und nach inhaltlichen Kriterien bestimmt wird<br />
(insb. Bedeutung für die Freiheit des Bürgers).<br />
Art. 92 GG weist die Rechtsprechung den staatlichen Gerichten zu. Staatliche Gerichte sind<br />
solche, die eine hinreichende Rückbindung an den Staat besitzen, insbesondere durch gesetzliche<br />
Vorzeichnung.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Judikative<br />
Rechtsstellung der Richter<br />
Sachliche Unabhängigkeit<br />
Art. 97 I GG<br />
Keine Weisungsgebundenheit der<br />
Rechtsprechung.<br />
Maßstab der richterlichen Tätigkeit<br />
ist nur das Gesetz.<br />
Persönliche Unabhängigkeit<br />
Art. 97 II GG<br />
Ergänzung der sachlichen durch die<br />
persönliche Unabhängigkeit.<br />
Für Bundesrichter auch Art. 98 GG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Judikative<br />
Art. 19 IV GG:<br />
Rechtsschutzgarantie<br />
Verbot von Ausnahmegerichten,<br />
Art. 101 I 1 GG<br />
Wesentliche<br />
Verfahrensgarantien<br />
Anspruch auf<br />
rechtliches Gehör,<br />
Art. 103 I GG<br />
Recht auf den gesetzlichen<br />
Richter,<br />
Art. 101 I 2 GG
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
EINNAHMEN DES STAATES - DIE STEUERN<br />
Steuern stehen – verfassungsrechtlich geboten – im Zentrum der Staatsfinanzierung:<br />
Art. 105 ff. GG setzen die Steuer als wesentliches Instrument staatlicher Einnahmen<br />
voraus; Art. 12 und 14 GG lassen erkennen, dass sich Produktion und Produktionskapital<br />
grundsätzlich in privater Hand befinden sollen und verweisen den Staat damit<br />
auf eine Finanzierung durch angemessene Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaftens<br />
(Gedanke des Steuerstaates).<br />
Merkmale des Steuerbegriffs:<br />
Geldleistung<br />
gegenleistungsfrei<br />
hoheitliche Auferlegung durch ein öffentlichrechtliches Gemeinwesen<br />
Zweck der Einnahmeerzielung, zumindest als Nebenzweck
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
STEUERGESETZGEBUNGSKOMPETENZEN<br />
STEUERGESETZGEBUNGS-<br />
KOMPETENZEN<br />
ART. 105 GG<br />
Art. 105 Abs. 1 GG<br />
Ausschließliche Bundeskompetenz<br />
Art. 105 Abs. 2 GG<br />
Konkurrierende Bundeskompetenz<br />
Evtl. Zustimmung des Bundesrates<br />
gem. Art. 105<br />
Abs. 3 GG erforderlich<br />
Art. 105 Abs. 2a GG<br />
Ausschließliche Länderkompetenz
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
ZEITPUNKTE DES STAATLICHEN STEUERZUGRIFFS<br />
DIE ZEITPUNKTE DES STAATLICHEN STEUERZUGRIFFS<br />
Steuerliche Leistungsfähigkeit wird<br />
in unterschiedlichen Phasen sichtbar<br />
und kann daher unterschiedlich<br />
erfasst werden:<br />
= Vermögenszuwachs<br />
Innehabung von<br />
Vermögen<br />
= Vermögensbestand<br />
Einkommenserzielung<br />
Vermögensverwendung<br />
= Konsum
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
STEUERVERWALTUNGSKOMPETENZEN<br />
DIE STEUERVERWALTUNGSKOMPETENZEN, ART. 108 GG<br />
Art. 108 Abs. 1 GG<br />
Bundesverwaltung<br />
Art. 108 Abs. 2 GG<br />
Landesverwaltung<br />
Art. 108 Abs. 4 GG<br />
Gemeindeverwaltung<br />
- Zölle<br />
- Finanzmonopole<br />
- bundesgesetzlich geregelte<br />
Verbrauchsteuern<br />
einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer<br />
Art. 108 Abs. 2 GG erfasst<br />
den Regelfall<br />
z.T. Bundesauftragsverwaltung<br />
gemäß Art.<br />
108 Abs. 3 i.V.m. Art. 85<br />
GG<br />
- Festsetzung der Realsteuern<br />
- Örtliche Verbrauch- und<br />
Aufwandsteuern
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
WEITERE ÖFFENTLICHE ABGABEN<br />
GEBÜHR BEITRAG SONDERABGABE<br />
entgeltende Abgabe<br />
entgeltende Abgabe<br />
besondere Finanzierungsverantwortung<br />
einer<br />
Gruppe (Entgeltcharakter)<br />
Annex zur Aufgabenkompetenz,<br />
Art. 70 ff. GG<br />
Annex zur Aufgabenkompetenz,<br />
Art. 70 ff. GG<br />
Annex zur Aufgabenkompetenz,<br />
Art. 70 ff. GG<br />
Anknüpfung an die<br />
Inanspruchnahme<br />
einer besonderen<br />
staatlichen Leistung<br />
nach dem Äquivalenzprinzip<br />
Anknüpfung an Möglichkeit<br />
der Inanspruchnahme<br />
einer<br />
konkreten staatlichen<br />
Leistung nach dem<br />
Äqui-valenzprinzip<br />
Merkmale:<br />
- Abgrenzbare, homogene<br />
Gruppe<br />
- Gruppenverantwortlichkeit<br />
für eine bestimmte<br />
Aufgabe<br />
- Gruppennützigkeit der<br />
Aufgabenerfüllung
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Weitere Einnahmen des Staates<br />
Staatsrecht I<br />
Erwerbswirtschaftliches Handeln<br />
des Staates:<br />
Ist in engen Grenzen als<br />
Einnahmequelle anerkannt,<br />
insb. auf der Ebene der<br />
Kommunen.<br />
Muss die Maßstäbe von Art.<br />
12 und Art. 14 GG wahren.<br />
Kreditaufnahme nach Art. 109<br />
i.V.m. Art. 115 GG (vgl. Föderalismusreform<br />
II):<br />
Grundsätzliches Verschuldungsverbot<br />
für Bund (ab<br />
2016) und Länder ab 2020<br />
(Art. 109 III 1 i.V.m.<br />
Art. 143d I GG)<br />
Ausnahme für Bund und<br />
Länder: Konjunktur- und<br />
notlagenbedingte Verschuldung<br />
(Art. 109 III 2 GG)<br />
Zusätzliche Ausnahme für<br />
den Bund: Strukturelle Verschuldung<br />
bis 0,35% des<br />
BIP zulässig (Art. 109 III 4<br />
i.V.m. Art. 115 GG)<br />
Für die Länder bleibt es<br />
beim Verbot struktureller<br />
Verschuldung (Art.109 III 5<br />
GG)
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
BUNDESSTAATLICHER FINANZAUSGLEICH<br />
Primärer vertikaler Finanzausgleich,<br />
Art. 106 GG<br />
= Aufteilung der Mittelgesamtheit auf<br />
Bund und Länder<br />
Primärer horizontaler Finanzausgleich,<br />
Art. 107 Abs. 1 GG<br />
= Aufteilung des Länderanteils unter<br />
den Ländern<br />
Sekundärer horizontaler<br />
Finanzausgleich,<br />
Art. 107 Abs. 2 Satz 1 und 2<br />
GG = solidarische Umverteilung<br />
unter den Ländern<br />
Sekundärer vertikaler Finanzausgleich,<br />
Art. 107<br />
Abs. 2 Satz 3 GG<br />
=Bundesergänzungszuweisungen
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Ausgaben des Staates/Zuordnung der Finanzierungslasten<br />
Art. 104a Abs. 1 GG bestimmt, dass Bund und Länder gesondert die Ausgabenlasten,<br />
die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, tragen, es sei denn,<br />
das GG bestimmt etwas anderes (vgl. Art. 91a, 91b und 104a Abs. 2 ff. GG).<br />
Dabei meint „Wahrnehmung ihrer Aufgaben“ die Verwaltungszuständigkeit, da auch<br />
hier die Kosten anfallen (Verwaltungsakzessorietät).<br />
Abweichungen von Art. 104a Abs. 1 GG insbesondere in:<br />
Art. 104a Abs. 2 GG: Im Fall der Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG)<br />
Art. 104a Abs. 3 GG: Besonderheiten bei Geldleistungsgesetzen des Bundes<br />
Art. 104a Abs. 4 GG: Bei Leistungsgesetzen des Bundes, die Leistungspflichten<br />
gegenüber Dritten auslösen und deren Ausgaben von den Ländern zu tragen<br />
sind<br />
Art. 104a Abs. 5 GG: zu Verwaltungsausgaben und Haftung<br />
Art. 104a Abs. 6 GG: Lastentragung bei Verletzung völkerrechtlicher Pflichten
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Ausgaben des Staates/Haushaltskreislauf<br />
Haushaltsvollzug<br />
Haushaltsgesetz<br />
und Haushaltsplan,<br />
Art. 110<br />
Abs. 1 S. 1 GG<br />
Haushaltskontrolle,<br />
Art. 114<br />
GG<br />
Haushaltsaufstellung,<br />
Art.<br />
110 Abs. 3 GG
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Völkerrecht<br />
Das Völkerrecht betrifft im Ausgangspunkt die Beziehungen zwischen den souveränen Staaten<br />
als Rechtspersonen.<br />
Völkerrechtssubjekte sind deshalb in erster Linie die souveränen Staaten.<br />
Quellen des Völkerrechts<br />
Völkerrechtliche<br />
Verträge<br />
Völkergewohn<br />
-<br />
heitsrecht<br />
Allgemeine<br />
Grundsätze des<br />
Völkerrechts<br />
Völkerrechtslehre
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Völkerrechtliche Verträge / Verbandszuständigkeit<br />
Verbandszuständigkeit, Art. 32 GG:<br />
Art. 32 Abs. 1 GG:<br />
Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge<br />
Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Sache des Bundes<br />
Art. 32 Abs. 3 GG:<br />
Eigene Vertragsschlusskompetenz der Länder, soweit diese für die<br />
Gesetzgebung zuständig sind.<br />
Problem:<br />
Verhältnis der Bundes- (Abs. 1) zur Länderkompetenz (Abs. 3).<br />
Lösungen in der Staatspraxis durch das Lindauer Abkommen.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Völkerrechtliche Verträge / Organzuständigkeit auf Bundesebene<br />
Organzuständigkeit auf Bundesebene, Art. 59 GG:<br />
Art. 59 Abs. 1 GG:<br />
Vertragsschlusskompetenz des Bundespräsidenten<br />
Erfordernis eines Vertragsgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG bei:<br />
Verträgen, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln (gemeint sind „hochpolitische“<br />
Verträge).<br />
Verträgen, die sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen (d.h., wenn sie<br />
innerstaatlich nur durch Gesetz zur Geltung gebracht werden können)<br />
‣ Wesentlichkeitstheorie<br />
Die Form der Beteiligung des Bundesrates richtet sich nach den allgemeinen Regeln.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Völkerrechtliche Verträge / Gerichtliche Kontrolle<br />
Gerichtliche Kontrolle völkerrechtlicher Verträge:<br />
Das Transformationsgesetz (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) kann Gegenstand eines Prüfungsverfahrens<br />
vor dem BVerfG sein. Prüfungsgegenstand ist dann die Vereinbarkeit des<br />
Transformationsgesetzes mit dem GG.<br />
Eine gerichtliche Kontrolle ist hier schon vor der Verkündung des Transformationsgesetzes<br />
möglich, um den Eintritt der völkerrechtlichen Bindungswirkung zu verhindern.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Art. 24 und 25 GG<br />
Art. 25 GG:<br />
Art. 24 GG:<br />
Innerstaatliche Geltung des Völkergewohnheitsrechts<br />
und der allgemeinen<br />
Grundsätze des Völkerrechts.<br />
Das Völkergewohnheitsrecht und die<br />
allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts<br />
sind gem. Art. 25 GG Bundesrecht<br />
und gehen den Gesetzen vor<br />
(besondere Rangzuweisung zwischen<br />
Verfassungsrecht und einfachem Gesetzesrecht).<br />
Übertragung von Hoheitsrechten auf zwischenstaatliche<br />
Einrichtungen:<br />
Besondere Form der völkerrechtlichen Bindung.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Europäische Union / Historische Entwicklung<br />
1946 Zürcher Rede von Winston Churchill<br />
1951 Gründung der EGKS<br />
1957 Römische Verträge: Gründung der EWG und der EAG<br />
1973 Norderweiterung: GB, IRL, DK<br />
Ab 1981 Süderweiterung: GR (1981), SP und P (1986)<br />
1986 Einheitliche Europäische Akte<br />
1992 Vertrag über die Europäische Union (Maastricht-Vertrag)<br />
1995 Beitritt von S, FI, Ö<br />
1997 Vertrag von Amsterdam<br />
2000 Vertrag von Nizza; Verabschiedung der Grundrechte-Charta<br />
2002 Vertragsende EGKS<br />
2004 Osterweiterung, 10 neue Mitgliedstaaten<br />
2004 Unterzeichnung des Verfassungsvertrages; ablehnende Referenden in IRL, NL<br />
2007 Beitritt von BUL, RU<br />
2007 Beschluss: Nur Reformvertrag, Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon (Dez.)<br />
01.12.2009: Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Europäische Union / Struktur<br />
3-Säulen-Struktur<br />
(bis 30.11.2009)<br />
Struktur nach Lissabon-Vertrag<br />
(ab 01.12.2009)<br />
Europäische Union (EU)<br />
Europäische Union<br />
(EU)<br />
- EU erhält Rechtspersönlichkeit<br />
EURATOM<br />
Europäische<br />
Gemeinschaften<br />
- EG<br />
- EURATOM<br />
- (EGKS bis<br />
2002)<br />
Polizeiliche und<br />
justizielle<br />
Zusammenarbeit<br />
in Strafsachen<br />
(PJZS)<br />
Gemeinsame<br />
Außen- und<br />
Sicherheitspolitik<br />
(GASP)<br />
- EU als eine supranationale<br />
Rechtsgemeinschaft<br />
- EU als Rechtsnachfolgerin der<br />
EG EG-Recht wird EU-Recht<br />
- Überführung der PJZS und<br />
GASP in den Bereich der supranationalen<br />
Rechtsgemeinschaft<br />
Supranationale<br />
Rechtsgemeinschaft<br />
Entscheidungen gelten<br />
unmittelbar für<br />
Mitgliedstaaten<br />
Intergouvernementale Zusammenarbeit<br />
Entscheidungen sind nur völkerrechtliche<br />
Abkommen und daher für die Mitgliedstaaten<br />
nicht unmittelbar bindend, sondern müssen in<br />
nationales Recht transformiert werden.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Europäische Union / Organe<br />
Die Organe der Europäischen Union (EU):<br />
Parlament<br />
Art. 14 EUV,<br />
Art. 223 ff. AEUV<br />
Rechnungshof<br />
Art. 285 ff. AEUV<br />
Europäischer<br />
Rat<br />
Art. 15 EUV,<br />
Art. 235 f. AEUV<br />
Europäische<br />
Zentralbank<br />
Art. 282 ff. AEUV<br />
Rat<br />
Art. 16 EUV,<br />
Art. 237 ff. AEUV<br />
Kommission<br />
Art. 17 EUV,<br />
Art. 244 ff. AEUV<br />
Rechnungshof<br />
Art. 246 ff. EG<br />
Gerichtshof<br />
der EU<br />
Art. 19 EUV,<br />
Art. 251 ff. AEUV
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Europäische Union / Rechtsquellen und inhaltliche Schwerpunkte<br />
Rechtsquellen:<br />
Primärrecht:<br />
Sekundärrecht:<br />
Gründungs- und Änderungsverträge<br />
Allgemeine Rechtsgrundsätze<br />
Handlungsformen nach Art. 288 AEUV<br />
(Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen)<br />
Inhaltliche Schwerpunkte:<br />
Grundfreiheiten, Art. 34 ff., 45 ff., 49 ff., 56 ff., 63 ff. AEUV<br />
Gemeinsame Agrarpolitik, Art. 38 ff. AEUV<br />
Wettbewerbsrecht, Art. 101 ff. AEUV<br />
Wirtschafts- und Währungspolitik, Art. 119 ff. AEUV<br />
Gemeinsame Außen-, v.a. Außenhandelspolitik, Art. 205 ff. AEUV
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Grundgesetzliche Maßstäbe<br />
Grundgesetzliche Maßstäbe der Einbindung in die Europäische Union<br />
Ausgangspunkt: Die Europäische Gemeinschaft ist eine supranationale Gemeinschaft. Gesichtspunkte<br />
dieser Supranationalität sind:<br />
‣ Umfangreiche Übertragung von Hoheitsgewalt auf die überstaatliche Ebene.<br />
‣ Eigenständige Regelungsebene mit antezipierter Transformation des umfangreich entstehenden<br />
Sekundärrechts.<br />
‣ Zulassung des Durchgriffs in den staatlichen Raum hinein.<br />
‣ Anwendungsvorrang des europäischen Rechts vor dem nationalen Recht.<br />
Grundgesetzliche Maßstäbe für die europäische Integration in Art. 23 GG.
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Art. 23 GG<br />
Grundgesetzliche Maßstäbe für die Europäische Union, Art. 23 GG:<br />
Art. 23 GG macht deutlich, dass das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung weiterhin<br />
gilt. Die Gemeinschaftsorgane dürfen nur in dem Umfang tätig werden, in dem sie dazu von<br />
den Mitgliedsstaaten ermächtigt sind.<br />
Das Gemeinschaftsrecht gilt in Deutschland unmittelbar über die „Brücke“ des Zustimmungsgesetzes.<br />
Im Umfang der Ermächtigung und Zustimmung kann das Gemeinschaftsrecht<br />
Vorrang vor nationalem Recht haben.<br />
Art. 23 Abs. 1 S. 3 GG benennt Grenzen der Integration, insbesondere das Demokratieprinzip<br />
(Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1 GG).
Prof. Dr. Hanno Kube, LL.M.<br />
Staatsrecht I<br />
Gerichtliche Kontrolle der europäischen Einbindung<br />
Gerichtliche Kontrolle durch das BVerfG<br />
Die Zustimmungsgesetze werden<br />
vom BVerfG im Hinblick auf ihre<br />
Vereinbarkeit mit Art. 23 Abs. 1<br />
S. 3, 79 Abs. 3 GG überprüft.<br />
Nur noch sehr eingeschränkte<br />
Überprüfung von Maßnahmen,<br />
die europäisches Gemeinschaftsrecht<br />
vollziehen, am Maßstab der<br />
Grundrechte.<br />
Überprüfung nur dann, wenn in<br />
der Europäischen Gemeinschaft<br />
der unabdingbar gebotene<br />
Grundrechtsschutz generell nicht<br />
mehr gewährleistet ist.