16_StrafR_AT - Verbotsirrtümer und ETBI
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STRAFRECHT <strong>AT</strong><br />
Fallbesprechung<br />
Christian Trentmann, ass. iur.<br />
Akademischer Mitarbeiter, Lehrstuhl Prof. Eisele<br />
trentmann@jura.uni-tuebingen.de<br />
(1) Begründungsmodelle i.R.d. eingeschränkten Schuldtheorie<br />
Hinter der eingeschränkten Schuldtheorie, die den Erlaubnistatumstandsirrtum als Rechtfertigungsirrtum<br />
sui generis vom Erlaubnisirrtum abgrenzt, stehen unterschiedliche Begründungsmodelle.<br />
Deren wichtigste sind neben der unkonventionellen Lehre von den negativen Tatbstandsmerkmalen<br />
die eingeschränkte Schuldtheorie i.e.S. („Unrechtstheorie“; Roxin, <strong>StrafR</strong><br />
<strong>AT</strong> I, § 14, Rn. 64; Kühl, <strong>StrafR</strong> <strong>AT</strong>, § 13, Rn. 73) sowie die wohl vorherrschende rechtsfolgenverweisende<br />
eingeschränkte Schuldtheorie („Lehre von der Doppelfunktion des Vorsatzes“;<br />
BGH, NStZ 2012, 272 [273]; Wessels/Beulke/Satzger, <strong>StrafR</strong> <strong>AT</strong>, § 11, Rn. 479).<br />
Irrtum auf Rechtswidrigkeits-Ebene<br />
eingeschränkte Schuldtheorie (hM)<br />
Erlaubnistatumstandsirrtum<br />
(Sachverhaltsirrtum)<br />
Erlaubnisirrtum<br />
(indirekter Verbotsirrtum)<br />
§ <strong>16</strong> StGB (analog)<br />
§ 17 StGB<br />
Begründungsmodelle<br />
Verortung im Prüfungsaufbau<br />
Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen<br />
Diese Lehre vertritt einen nur zweistufigen Verbrechensaufbau (1. Tatbestand,<br />
2. Schuld). Das Nichtvorliegen von Rechtfertigungsumständen sei negative Tatbestandsvoraussetzung<br />
eines Gesamtunrechtstatbestand. Folglich lasse ein Erlaubnistatumstandsirrtum<br />
den Vorsatz des Täters gem. § <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB entfallen.<br />
(Anmerkung: Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen ist schon wegen<br />
ihres unkonventionellen Prüfungsaufbaus von nur untergeordnetem Gewicht!)<br />
Eingeschränkte Schuldtheorie i.e.S. (Unrechtstheorie)<br />
Diese Theorie sieht schlicht keinen qualitativen Unterschied zwischen einem Irrtum<br />
über Tatumstände <strong>und</strong> einem Irrtum über Erlaubnistatumstände. Wie bei der Unkenntnis<br />
von „Tatumständen“ i.S.d. § <strong>16</strong> StGB verstelle dem Täter auch die irrige<br />
Annahme von Rechtfertigungsumständen die Sicht auf den sein Handeln beinhaltenden<br />
konkreten Verletzungs- <strong>und</strong> Unrechtsgehalt. „Der Täter entscheidet sich zwar<br />
für die Verletzung des anderen, doch nur, weil er glaubt, etwas ausnahmsweise<br />
Erlaubtes zu tun. Dass er etwas Rechtswidriges tut, weiß er nicht, weil er die Situation<br />
verkennt“ (Kühl, <strong>StrafR</strong> <strong>AT</strong> § 13, Rn. 72). Die Formulierung „Umstand des gesetzlichen<br />
Tatbestands“ (§ <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB) erfasse mithin in entsprechender Anwendung<br />
zugunsten des Täters auch Erlaubnistatumstände. Folglich enfalle auf der<br />
Rechtswidrigkeitsebene das Vorsatzunrecht.<br />
Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie<br />
Diese Lehre betont die „Doppelfunktion des Vorsatzes“, d.h. dessen Funktion für<br />
Tatbestands- <strong>und</strong> Schuldebene. Auf der Schuldebene markiere er als sog. Vorsatzschuld<br />
den Gesinnungsunwert des Täters. Dieser Gesinnungsunwert fehle demjenigen,<br />
der einem Erlaubnistatumstandsirrtum unterliegt, weil er zwar – wie selbst ein<br />
gerechtfertigt handelnder Täter – tatbestandsvorsätzlich handele, aber „an sich<br />
rechtstreu“ sei (BGHSt 3, 105 [107]). Entsprechend § <strong>16</strong> Abs. 1 S. 1 StGB entfalle<br />
mithin die (Vorsatz-)Schuld.<br />
Strafbarkeit gem. § xx StGB<br />
1. Gesamtunrechtstatbestand (-)<br />
à Vorsatz (-)<br />
gem. § <strong>16</strong> I 1 StGB direkt<br />
2. (...)<br />
Strafbarkeit gem. § xx StGB<br />
1. (...)<br />
2. Rechtswidrigkeit (-)<br />
à Vorsatzunrecht (-)<br />
gem. § <strong>16</strong> I 1 StGB analog<br />
3. (...)<br />
Strafbarkeit gem. § xx StGB<br />
1. (...)<br />
2. (...)<br />
3. Schuld (-)<br />
à Vorsatzschuld (-)<br />
gem. § <strong>16</strong> I 1 StGB analog<br />
Trentmann | 12/01/2014 | Seite 5 von 6