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Prognostische Validität des ELFRA-1 bei der Früherkennung von ...

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Originalar<strong>bei</strong>t<br />

18<br />

Hintergrund und Fragestellung<br />

Die gegenwärtige Betreuungssituation <strong>von</strong> Kin<strong>der</strong>n mit Sprachentwicklungsstörungen<br />

ist unbefriedigend. Im Rahmen <strong>der</strong><br />

<strong>Früherkennung</strong>suntersuchung im Alter <strong>von</strong> 12 Monaten (U6)<br />

wird die Sprachentwicklung durch ein einziges Item beurteilt<br />

(Silbenverdoppelungen wie „da-da“). Bei <strong>der</strong> U7 mit 24 Monaten<br />

wird etwas genauer nach dem Sprachentwicklungsstand gefragt.<br />

Trotzdem wird zu diesem Zeitpunkt nur je<strong>des</strong> vierte Kind mit einer<br />

Sprachentwicklungsverzögerung erkannt [16].<br />

Wenn eine Sprachretardierung auffällt, dann wird häufig anstelle<br />

<strong>der</strong> Verordnung einer Sprachtherapie zum Abwarten geraten.<br />

Im Durchschnitt vergehen bis zum Einsetzen einer logopädischen<br />

Behandlung ein bis zwei Jahre. Bei den meisten Kin<strong>der</strong>n<br />

beginnt eine Sprachtherapie erst im Alter <strong>von</strong> vier bis fünf Jahren,<br />

selbst wenn erhebliche Sprachdefizite bestehen [6]. Die sensible<br />

Phase <strong>der</strong> Sprachentwicklung bleibt somit ungenutzt, obwohl<br />

einige Untersuchungen darauf hinweisen, dass durch eine<br />

gezielte För<strong>der</strong>ung im Säuglings- bzw. Kleinkindalter die Manifestation<br />

einer Sprachentwicklungsstörung vermieden werden<br />

kann [18]. Zur Verbesserung <strong>der</strong> Entwicklungsprognose sprachentwicklungsgestörter<br />

Kin<strong>der</strong> sollte eine frühzeitige Intervention<br />

– z.B. in Form einer Anleitung <strong>der</strong> Eltern zu sprachför<strong>der</strong>ndem<br />

Verhalten – erfolgen [11]. Eine Frühför<strong>der</strong>ung setzt allerdings<br />

eine ausreichend zuverlässige <strong>Früherkennung</strong> voraus.<br />

Zunehmend wurden in den letzten Jahren Anstrengungen unternommen,<br />

Risikokin<strong>der</strong> für Sprachentwicklungsstörungen bereits<br />

in den ersten <strong>bei</strong>den Lebensjahren zu erkennen. Mehrere Ar<strong>bei</strong>tsgruppen<br />

versuchen <strong>der</strong>zeit zu klären, ob aus Lautäußerungen<br />

<strong>von</strong> Säuglingen Rückschlüsse auf den Spracherwerb und<br />

<strong>des</strong>sen Störung möglich sind. Erste Ergebnisse sprechen dafür,<br />

dass prosodische Merkmale eine Vorhersage erlauben [13].<br />

Ward [17] erfasste Wahrnehmung und Reaktion auf Sprache<br />

und Geräusche <strong>bei</strong> durchschnittlich zehn Monate alten Säuglingen.<br />

Nach Angaben <strong>der</strong> Autorin konnten so Probleme <strong>bei</strong>m<br />

Spracherwerb relativ sicher vorhergesagt werden. Bislang fehlen<br />

aber Replikationsstudien, so dass <strong>der</strong> prädiktive Wert <strong>des</strong> Screenings<br />

<strong>der</strong>zeitig nicht als gesichert gelten kann.<br />

Da Sprache ein wesentlicher Bereich <strong>der</strong> kognitiven Entwicklung<br />

ist, enthalten allgemeine Entwicklungstests in <strong>der</strong> Regel auch<br />

Skalen zur Sprachentwicklung. So verfügt z.B. die Münchener<br />

Funktionelle Entwicklungsdiagnostik – MFED [9] und <strong>der</strong> Entwicklungstest<br />

für Kin<strong>der</strong> <strong>von</strong> sechs Monaten bis sechs Jahre –<br />

ET 6/6 [14] über Skalen für Sprachproduktion und Sprachverständnis.<br />

Auch <strong>der</strong> Elternfragebogen zur kindlichen Entwicklung<br />

– EFkE [2] enthält 50 Fragen zur Sprachentwicklung. Entwicklungstests<br />

sind aber vorrangig zur Beurteilung <strong>der</strong> allgemeinen<br />

kognitiven Entwicklung konzipiert. Sie <strong>bei</strong>nhalten für jede Altersstufe<br />

nur wenige sprachliche Items, so dass sie keine differenzierte<br />

Aussage über den Sprachentwicklungsstand o<strong>der</strong> eine<br />

ausreichend zuverlässige <strong>Früherkennung</strong> <strong>von</strong> Störungen <strong>des</strong><br />

Spracherwerbs ermöglichen.<br />

Das erste, speziell für die <strong>Früherkennung</strong> <strong>von</strong> Sprachentwicklungsstörungen<br />

erar<strong>bei</strong>tete Verfahren im deutschsprachigen<br />

Raum ist <strong>der</strong> „Elternfragebogen zur Erfassung <strong>von</strong> Risikokin<strong>der</strong>n<br />

– <strong>ELFRA</strong>-1“ <strong>von</strong> Grimm u. Doil [7]. Dieses Sprach-Screening beruht<br />

auf zwei Elternfragebögen, die im angloamerikanischen Sprachraum<br />

weite Verbreitung gefunden haben, den MacArthur Communicative<br />

Development Inventories – CDI [4] und dem Language<br />

Development Survey – LDS [15]. Der <strong>ELFRA</strong>-1 ist für zwölf Monate<br />

alte Kin<strong>der</strong> normiert und für die Erfassung <strong>von</strong> sprachlichen Risikokin<strong>der</strong>n<br />

im Rahmen <strong>der</strong> U6 gedacht. Das Screening ist schnell<br />

durchführbar und einfach auszuwerten. Über die Zuverlässigkeit<br />

<strong>der</strong> Vorhersage einer Sprachentwicklungsstörung liegen bislang<br />

aber kaum Erfahrungen vor. Nach Angaben <strong>der</strong> Testautorinnen bestehen<br />

signifikante Korrelationen zwischen den Ergebnissen im<br />

<strong>ELFRA</strong>-1 und dem produktiven Wortschatz ein Jahr später. Über<br />

Spezifität und Sensitivität für die <strong>Früherkennung</strong> <strong>von</strong> Sprachentwicklungsstörungen<br />

fehlen Daten.<br />

In <strong>der</strong> vorliegenden Studie wird <strong>der</strong> Frage nachgegangen, ob <strong>der</strong><br />

<strong>ELFRA</strong>-1 Sprachauffälligkeiten <strong>bei</strong> zweijährigen Kin<strong>der</strong>n ausreichend<br />

sicher vorhersagt und ob ein routinemäßiger Einsatz <strong>bei</strong><br />

<strong>der</strong> U6 empfohlen werden kann. Des Weiteren wird versucht,<br />

Prädiktoren für die Sprachentwicklung <strong>von</strong> Risikokin<strong>der</strong>n zu<br />

identifizieren.<br />

An<strong>der</strong>e Ar<strong>bei</strong>tsgruppen überprüften die prognostische <strong>Validität</strong><br />

neurophysiologischer und neuropsychologischer Untersuchungen.<br />

Nach einer finnischen Risikokin<strong>der</strong>-Studie erlaubt die Ableitung<br />

<strong>der</strong> Mismatch Negativity (MMN) <strong>bei</strong> Neugeborenen eine<br />

Vorhersage <strong>der</strong> sprachlichen Fähigkeiten im Alter <strong>von</strong> zweieinhalb<br />

Jahren [8]. Die Mismatch Negativity ist eine Komponente<br />

<strong>der</strong> späten akustisch evozierten Potenziale und spiegelt die automatische<br />

Diskriminierung <strong>von</strong> Tönen und Lauten wi<strong>der</strong>. Mit einem<br />

an<strong>der</strong>en Ansatz wird untersucht, ob sich <strong>bei</strong> Säuglingen die<br />

zeitliche Auflösung akustischer Signale zur Vorhersage <strong>der</strong> späteren<br />

Sprachfähigkeit eignet. Benasich u. Mitarb. [1] berichteten<br />

über eine Korrelation zwischen <strong>der</strong> Diskriminationsfähigkeit<br />

schnell aufeinan<strong>der</strong> folgen<strong>der</strong> verbaler bzw. non-verbaler Reize<br />

im Säuglingsalter und <strong>der</strong> Sprachfähigkeit im Alter <strong>von</strong> drei Jahren.<br />

Die genannten Methoden zur <strong>Früherkennung</strong> im Säuglingsalter<br />

befinden sich gegenwärtig aber noch im experimentellen<br />

Stadium. Es gibt bislang we<strong>der</strong> ein standardisiertes Untersuchungs<strong>des</strong>ign<br />

noch Normwerte.<br />

Studien<strong>des</strong>ign und Untersuchungsmethoden<br />

Der <strong>ELFRA</strong>-1 wurde zusammen mit einem soziodemographischen<br />

Fragebogen an Eltern (n = 239) eine Woche vor dem ersten<br />

Geburtstag ihres Kin<strong>des</strong> geschickt. Die Adressen wurden dem<br />

Geburtsanzeiger einer Zeitung entnommen. Zur Beurteilung <strong>der</strong><br />

weiteren Sprachentwicklung wurden diejenigen Eltern, die den<br />

<strong>ELFRA</strong>-1 beantwortet hatten, ein Jahr später gebeten, den EL-<br />

FRA-2 [7] auszufüllen. In die Auswertung gingen Daten <strong>von</strong><br />

121 einsprachig deutsch aufwachsenden Kin<strong>der</strong>n, <strong>von</strong> denen<br />

<strong>der</strong> <strong>ELFRA</strong>-1 und <strong>der</strong> <strong>ELFRA</strong>-2 vorlagen, ein (Tab.1).<br />

Der <strong>ELFRA</strong>-1 besteht aus einer Wortliste mit 164 Wörtern. Die Eltern<br />

haben zu entscheiden, ob ihr Kind das jeweilige Wort „versteht“<br />

o<strong>der</strong> „versteht und spricht“. Weitere 67 Fragen zur Entwicklung<br />

sind mit „ja“ o<strong>der</strong> „nein“ zu beantworten. Die Wortliste<br />

und die Fragen werden vier Entwicklungsskalen (Sprachproduktion,<br />

Sprachverständnis, Gesten, Feinmotorik) zugeordnet. Der<br />

Wert für Sprachproduktion ergibt sich aus den als „versteht und<br />

Sachse S et al. <strong>Prognostische</strong> <strong>Validität</strong> <strong>des</strong> … Klin Pädiatr 2007; 219: 17–22

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