Download PDF - Kölner Philharmonie
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hat. Karg, fast asketisch nimmt sich die kompositorische Faktur<br />
einiger dieser Fragmente aus. Allein im zweiten Stück – Die Heimat<br />
– entsteht ein lyrischer Fluss, der auf romantische Vorbilder<br />
wie Schumann und Fauré verweist. In Gestalt eines verzerrten<br />
Walzers (Britten bewunderte Mahler und Schostakowitsch!)<br />
erscheint Die Jugend, während Hälfte des Lebens und Die Linien<br />
des Lebens in ihrer strengen, auf Akkordik weitgehend verzichtenden<br />
Linearität eine große Ausdruckskraft entwickeln. Unüberhörbar<br />
autobiographisch (das Element der Homoerotik schwebt<br />
unausgesprochen über vielen Vokal- und dramatischen Werken<br />
Brittens) mutet jener Moment in Sokrates und Alcibiades an, wo zu<br />
den Worten »… dein Aug’ auf ihn?« die Einstimmigkeit des Klaviersatzes<br />
zu tiefgründigen Akkorden anwächst.<br />
John Dowland: »Come, heavy sleep«<br />
Benjamin Britten: Nocturnal after John<br />
Dowland op. 70<br />
»Semper Dowland semper dolens« – An falscher Bescheidenheit<br />
litt John Dowland nicht. Seine berühmte Selbstcharakterisierung<br />
als »Schmerzgekrümmter« zeigt dies ebenso wie das selbstbewusst<br />
eingesetzte Eigenlob in den Vorworten seiner im Druck<br />
erschienen Bookes of Songes or Ayres. Fraglos jedoch zeichnet die<br />
Vokal- und Lautenmusik und nicht zuletzt die berühmten Lachrymae<br />
dieses Renaissancemeisters ein unverwechselbarer Ton aus,<br />
mit dem sich Begriffe wie Melancholie, Trauer, Dunkelheit assoziieren<br />
lassen. Am wenigsten gilt dies noch für das 1597 publizierte<br />
First Booke: Die hier versammelten 21 Lieder sind, anders<br />
als viele spätere, ausnahmslos strophisch gebaut, sie bewegen<br />
sich im Rahmen der elisabethanischen Konvention und zeigen<br />
insbesondere in ihrem melodischen Einfallsreichtum Dowlands<br />
frühe Originalität. Erst in den nachfolgenden Werken finden wir<br />
dann jenes kühne Ausbrechen aus dem gewohnten Rahmen,<br />
jene formal frei strukturierten und bisweilen aberwitzig harmonisierten<br />
Songs, die zur posthumen Popularität des Komponisten<br />
nicht zuletzt im 20. Jahrhundert beigetragen haben. Neben<br />
vielen ›merry melodies‹ enthält das First Booke eine einzige, die<br />
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