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Dialogisches Erstlesen und Erstschreiben nach dem ...

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BABYLONISCHES METHODENGEWIRR oder<br />

INDIVIDUELLE ZUGÄNGE <strong>und</strong> ÖFFNUNG des<br />

UNTERRICHTES auf der BASIS des<br />

SPRACHERFAHRUNGSANSATZES<br />

sd


Skriptum zum Schriftspracherwerb – KSL Tagung 2011<br />

1. BABYLONISCHES METHODENGEWIRR oder<br />

INDIVIDUELLE ZUGÄNGE <strong>und</strong> ÖFFNUNG des<br />

UNTERRICHTES<br />

1.1 Beweggründe für die Öffnung des Unterrichts:<br />

Lesen <strong>und</strong> Schreiben beginnt nicht erst am ersten Schultag, sondern schon lange<br />

vorher.<br />

Die Kinder bringen bereits ihre eigenen Strategien zur Erfassung von Zeichen,<br />

Schrift, Symbolen… in die Schule mit.<br />

Die Erfahrungen der Schulanfänger bzgl. Schriftspracherwerb sind sehr<br />

unterschiedlich <strong>und</strong> heterogen. Die Palette reicht von rudimentären Vorkenntnissen<br />

über präliterale/aliterale Vorstufe bis hin zu prof<strong>und</strong>en Kenntnisse der<br />

Schriftsprache.<br />

Einige Kinder erzielen überraschend schnell Lernfortschritte, andere brauchen etwas<br />

mehr Zeit, was aber nicht über die Qualität der Verarbeitung oder den Grad der<br />

Festigung des Erlernten aussagt. Eine dritte Gruppe legt vielleicht <strong>nach</strong> einer Zeit<br />

des zügigen Lernens eine Art Lernplateau ein – eine vierte Gruppe interessiert sich<br />

vielleicht gerade für andere Fächer während die fünfte Gruppe schulische<br />

Startschwierigkeiten besitzt <strong>und</strong> erst langsam in die Schulwelt integrieren kann d.h.<br />

dass anfangs für diese andre Lern- <strong>und</strong> Sozialerfahrungen stehen müssen.<br />

Diese extrem unterschiedlichen Voraussetzungen <strong>und</strong> Vorkenntnisse der<br />

Schulanfänger ziehen die Forderung <strong>nach</strong> einem binenndifferenzierten Unterricht<br />

<strong>nach</strong> sich. Es muss gewährleistet sein, dass jedes Kind seinem individuellen<br />

Leistungsstand entsprechend neue Erfahrungen gewinnen kann, welche ihm<br />

Lernzuwachs bzw. – fortschritte ermöglichen.<br />

Erika Brinkmann hält folgende Punkte über Erfahrungen im Umgang mit Schrift <strong>und</strong><br />

Zahlen, die die Kinder bereits in die Schule mitbringen, fest:<br />

• Der Schulanfang ist keine St<strong>und</strong>e Null<br />

• im Schnitt kennen sie 12-15 große Buchstaben,<br />

• die meisten Kinder kennen ihre Hausnummer,<br />

• ihre Telefonnummer <strong>und</strong> oft auch ihr<br />

• Geburtsdatum.<br />

• SchulanfängerInnen sind keine LernanfängerInnen!<br />

• Sie unterscheiden sich allerdings erheblich in ihren Erfahrungen, Kenntnissen<br />

<strong>und</strong> Fertigkeiten.<br />

Beim Schriftspracherwerb betragen diese Unterschiede drei bis vier<br />

Entwicklungsjahre.<br />

• Diese Unterschiede müssen wir akzeptieren – nivellieren können wir sie nicht.<br />

• Die Aufgabe der Schule ist es vielmehr, alle Kinder auf ihren unterschiedlichen<br />

Entwicklungsniveaus herauszufordern <strong>und</strong> sie zum Lernen anzuregen.<br />

• Lernen ist immer eine eigenaktive , konstruktive Tätigkeit, die wir den Kindern<br />

nicht abnehmen können – denken <strong>und</strong> lernen müssen sie selbst –<br />

• …<strong>und</strong> das wird ihnen um so besser gelingen, je mehr die Schule es versteht,<br />

an ihrem Können <strong>und</strong> ihren Interessen anzuknüpfen.<br />

2<br />

VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

PH Stmk.; Hasnerplatz


Skriptum zum Schriftspracherwerb – KSL Tagung 2011<br />

1.2 Bildungsansprüche von Kindern in der<br />

Schuleingangsphase: 1<br />

Was muss die Schule tun, um alle Kinder zum Lesen <strong>und</strong> Schreiben<br />

herauszufordern?<br />

Aus <strong>dem</strong> Leitkonzept des Gr<strong>und</strong>schulverbandes zu Standards zeitgemäßer<br />

Gr<strong>und</strong>schularbeit:<br />

„Die Schule soll die bereits erworbenen<br />

Selbstlernfähigkeiten der Kinder<br />

aufgreifen <strong>und</strong> weiterentwickeln <strong>und</strong> das<br />

Kind als Subjekt des Lernens immer<br />

wieder ermutigen, sich alle notwendigen<br />

Kompetenzen <strong>und</strong> Erkenntnisse<br />

möglichst selbstständig anzueignen –<br />

selbstverständlich immer mit der<br />

gezielten Unterstützung seiner<br />

Lehrerinnen <strong>und</strong> Lehrer <strong>und</strong> immer im<br />

sozialen Raum der<br />

Klassengemeinschaft.“<br />

„Nur Lernergebnisse, die als wichtig <strong>und</strong> als auch in<br />

der außerschulischen Welt sinnvoll <strong>und</strong> wirksam<br />

erfahren werden, hinterlassen <strong>nach</strong>haltige Spuren<br />

im Denken <strong>und</strong> Erleben der Kinder <strong>und</strong> regen zu<br />

weiterem Lernen an“.<br />

„Für eine Schule mit in der Regel sehr<br />

heterogener Zusammensetzung ist es normal<br />

<strong>und</strong> unabänderlich, dass verschiedene Kinder<br />

die für alle gemeinsamen Ziele immer in<br />

jeweils unterschiedlicher Annäherung oder<br />

Ausprägung erreichen. Wichtig ist, dass kein<br />

Kind hinter sich selbst zurück bleibt <strong>und</strong> am<br />

Ende ein jedes so viel geschafft hat, wie man<br />

bei optimaler Förderung durch die Schule von<br />

ihm erwarten durfte. Diese Feststellung setzt<br />

jedoch eine kontinuierliche differenzierte<br />

Lern- <strong>und</strong> Leistungsdiagnostik <strong>und</strong> ehrliche<br />

Lernerfolgsrückmeldungen voraus“.<br />

1 http://www.erika-brinkmann.de/daten/ppt/bildungsansprueche.pdf<br />

3<br />

VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

PH Stmk.; Hasnerplatz


Skriptum zum Schriftspracherwerb – KSL Tagung 2011<br />

Vor der Schule nutzen viele Kinder schon Schrift in ganz unterschiedlichen<br />

Zusammenhängen – immer aber sind die Anlässe für sie funktional: Die Kinder<br />

wollen etwas damit erreichen.<br />

Sie schreiben<br />

- Briefe<br />

- Einkaufszettel<br />

- Einladungen<br />

- Adressen<br />

- Schilder für die Zimmertür<br />

- Wunschzettel<br />

- Merkzettel<br />

- „schöne“ Buchstaben<br />

- Gebrauchsanweisungen<br />

- schöne Fibelseiten<br />

- Bücher<br />

- sie schreiben ihren Namen<br />

- sie schreiben zu Bildern<br />

- …<br />

Hinter je<strong>dem</strong> Schreiben der Kinder steckt ein Ziel, eine Schreibidee - dies ist der<br />

Motor dafür, dass die Kinder sich dieser ungeheuren Anstrengung unterziehen, die<br />

mit <strong>dem</strong> Erlernen unseres komplexen Schriftsystems verb<strong>und</strong>en ist.<br />

1.3 Bausteine der Praxis<br />

Überlegungen für die Umsetzung in den Schulalltag<br />

Folgende Gedanken Hans Brügelmanns sollten unsere Einstellung, unsere Haltung<br />

unseren Weg in unserer Begegnung <strong>und</strong> Arbeit mit den Kindern kennzeichnen:<br />

„Wir müssten Schulen zu Lernräumen ausweiten, in denen die Chance besteht,<br />

das was man gut kann weiterzuentwickeln, <strong>und</strong> das, was man nicht gut kann,<br />

was aber zur Allgemeinbildung gehört, angstfrei dazu zu erwerben.“<br />

Gr<strong>und</strong>überlegungen <strong>und</strong> Fragen bei der Übernahme einer ersten Klasse: 2<br />

• Wie kann der Verschiedenartigkeit Rechnung getragen werden?<br />

• Wie können die bereits vorhandenen, aus der vorschulischen Zeit<br />

mitgebrachten individuellen Lese- <strong>und</strong> Schreibstrategien für das Lesen <strong>und</strong><br />

Schreiben genutzt werden?<br />

• Wie kann in eine auffallende Leseschwäche rechtzeitig eingegriffen werden?<br />

• Wie kann die bestehende Lese- <strong>und</strong> Schreibmotivation möglichst lange<br />

aufrecht erhalten bleiben?<br />

2 Aus: Reitbauer Michaela: Forschungsprojekt: Individuelles lesen <strong>und</strong> Schreiben lernen<br />

4<br />

VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

PH Stmk.; Hasnerplatz


Skriptum zum Schriftspracherwerb – KSL Tagung 2011<br />

1.3.1 Antworten auf Verschiedenartigkeit<br />

• individuelle Ansätze<br />

• Verschiedenartigkeit als Chance nutzen<br />

• Methodenvielfalt im Sinne von Individualisierung<br />

• Wege der Kinder wahrnehmen mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen,<br />

Befähigungen <strong>und</strong> Interessen<br />

• Individuelle Entwicklungsstufen wahrnehmen <strong>und</strong> Ist-Zustand während des<br />

Prozesses erheben<br />

• Perspektivenerweiterung durch Beobachtung <strong>und</strong> Evaluation<br />

• Gezielte Maßnahmen bei Kindern, die Schwierigkeiten in den einzelnen<br />

Entwicklungsstufen aufzeigen, setzen<br />

1.3.2. Die ersten Wochen in der Schule<br />

Gedanken, Ideen, Vorschläge für den ersten Schultag:<br />

• Brief während der Ferien an die Kinder<br />

mit der Bitte um ein Foto….dieses finden<br />

sie dann am ersten Tag in der Klasse<br />

wieder<br />

• Buch vorlesen: Wenn ein Löwe in die Schule geht…Bilder aus<br />

<strong>dem</strong> Buch verteilen, wer das jeweilige besitzt beim Vorlesen, legt<br />

es auf…<br />

5<br />

• Vorbereitete Namenskärtchen (entweder von älteren Schülern an der Schule,<br />

die als Paten fungieren, gestaltet oder ausgedruckte Kärtchen),die<br />

hochgehalten werden <strong>und</strong> von den Kindern genommen werden. Erste<br />

Einsichten in die Vorerfahrungen der Kinder mit der Schrift können gewonnen<br />

werden<br />

• Lieder<br />

• Namensspiele<br />

• usw.<br />

Gedanken, Ideen, Vorschläge für den zweiten Schultag:<br />

• Arbeit mit den Namenskärtchen<br />

• Buchstaben-Gespenst: Bitte an die Kinder, das mitgebrachte Gespenst mit<br />

Buchstaben zu füttern, die auf ein Blatt Papier geschrieben werden (Einsicht<br />

für den Lehrer, die Lehrerin, welche Vorerfahrungen an Buchstabenkenntnis<br />

die jeweiligen Schüler bereits mitbringen)<br />

• Erk<strong>und</strong>ungstour durch das Schulhaus – dabei werden schon wichtige<br />

„Stationen“ vor den Kindern beschriftet <strong>und</strong> auch Zeichen dafür gesetzt.<br />

VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

PH Stmk.; Hasnerplatz


Skriptum zum Schriftspracherwerb – KSL Tagung 2011<br />

• …<br />

Gedanken, Ideen, Vorschläge für den dritten Schultag bzw. erste Woche:<br />

• Das Buchstabengespenst möchte nun auch Wörter verschlucken – Kinder<br />

schreiben Wörter auf, die sie glauben zu kennen (Einblick in den jeweiligen<br />

Entwicklungsstand der Kinder in der Erfahrung mit Schifft)<br />

• Einführung Teile der Anlauttabelle<br />

• Als Aufgabe in den ersten Wochen werden die Kinder zu „Wörterjägern“ –<br />

die Kinder sollen sich unterwegs <strong>und</strong> Zuhause <strong>nach</strong> Schrift umsehen <strong>und</strong><br />

Wörter, die sie entdeckt haben aufschreiben oder aufschreiben lassen. Am<br />

nächsten Morgen erzählen die Kinder wo sie die Wörter gef<strong>und</strong>en haben ,<br />

vergleichen diese, finden vielleicht gleiches oder ähnliches, kurze, lange…<br />

• Vergleiche mit den Namen, die auf Kartonständern notiert sind – gleiche<br />

Zeichen (Buchstaben)<br />

3 Möglichst schnell lesen <strong>und</strong><br />

schreiben lernen ist wie schon zuvor<br />

erwähnt, das erklärte Ziel aller<br />

Schulanfänger.<br />

Dazu muss man die Schriftsprache<br />

erforschen.<br />

Ausgangspunkt ist der eigene Name.<br />

Er wird auf Längen,<br />

Buchstaben <strong>und</strong><br />

Besonderheiten hin untersucht <strong>und</strong> mit<br />

den Namen der anderen Kinder<br />

verglichen.<br />

Die Begriffe „Silbe“ <strong>und</strong> „Buchstabe“ werden eingeführt, in<strong>dem</strong> z.B. die<br />

Namen geklatscht werden, bestimmte Buchstaben in den Namen gesucht<br />

werden, per Strichliste gezählt <strong>und</strong> verglichen werden.<br />

• Die dabei gemachten Entdeckungen (Häufigkeit, unterschiedliche<br />

Ausdehnungen, Ähnlichkeiten,...) werden durch Experimente ergänzt: Mit<br />

Lupen ausgerüstet, untersuchen die Kinder ein „richtiges“<br />

Buch. Die Begriffe Wort, Satz <strong>und</strong> Punkt werden eingeführt; die Lücke<br />

zwischen den Wörtern erhält ihre Bedeutung. Schriftkonventionen werden für<br />

die Kinder darüber hinaus z.B. über ein „verrücktes Buch“ (aus:Ideenkiste zum<br />

Unterricht im Lesen <strong>und</strong> Schreiben; Brinkmann <strong>und</strong> Brügelmann; Verlag für<br />

pädagogische Medien; Hamburg) <strong>nach</strong>vollziehbar.<br />

Bei diesen Forscheraufgaben handelt es sich nicht um die Vermittlung<br />

abfragbaren Wissens, sondern um eine Sensibilisierung für die Strukturen <strong>und</strong><br />

Begrifflichkeiten unserer Sprache. Nach <strong>und</strong> <strong>nach</strong> werden sie mit Inhalt gefüllt.<br />

• Auf einem Plakat mit der Überschrift WORT werden alle mitgebrachten Wörter<br />

geklebt, geschrieben, gesammelt; ebenso auf einem 2.Plakat mit <strong>dem</strong> Wort<br />

WIR – Fotos <strong>und</strong> Namen kommen hinauf. Dazu der erste Satz: Das bin ich.<br />

• Schreiben des ersten Satzes ins Heft.<br />

• Kleines Namensheft: Hier gehen wir auf Autogrammjagd <strong>und</strong> bitten die<br />

Mitschüler, Eltern, Großeltern, Lehrer…um den Namen.<br />

• Arbeit mit der Anlauttabelle (Jeder Schüler besitzt eine im Bankfach):<br />

- Die Anfangsbuchstaben der Namen werden gesucht <strong>und</strong> lautiert;<br />

3 Siehe dazu: http://www.filis.net/fachtexte/daten_fachtexte/Fachtext_GS_Kl_%20Kielstr.pdf<br />

6<br />

VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

PH Stmk.; Hasnerplatz


Skriptum zum Schriftspracherwerb – KSL Tagung 2011<br />

- Spiel mit der Anlauttabelle: Jeder hat einen Spielstein – ein Kind stellt die<br />

Frage. Womit fängt Tasche an? - alle legen Plättchen auf den Anlaut.<br />

• Buchstabentag:<br />

- Alle einigen sich auf einen Buchstaben,<br />

der<br />

zunächst<br />

vielleicht in vielen<br />

Namen der<br />

Kinder vorkommt. Die<br />

Kinder<br />

bringen<br />

Gegenstände dazu mit.<br />

Außer<strong>dem</strong><br />

bemalen sie den<br />

Buchstaben<br />

in den Vornamen der Kinder, die<br />

sie in großen Hohlbuchstaben besitzen.<br />

- Namensfest, wenn alle Buchstaben eines Namens schon genannt wurden<br />

- Buchstabenplakate aus Illustrierten zum jeweiligen Buchstaben<br />

- Buchstaben mit allen Sinnen erfassen – kneten, riechen, schmecken,<br />

kochen, abgehen, tasten, drucken…<br />

• Namenskreuze<br />

• „Ich-Plakate“ mit Selbstbild <strong>und</strong> Namen<br />

• Ich mag…<br />

- Wortkarten für Schatzkästchen; wichtiges Spielzeug, Essen, Hobby…<br />

- Collage zu den Überschriften „Das mag ich“/ „das mag ich nicht“<br />

- Eigenschaften sammeln…<br />

• Wo wir wohnen<br />

- Wörter <strong>und</strong> Zeichen „jagen“ im Ort<br />

- Ortsplan beschriften<br />

- Verben sammeln: gehen, stehen, laufen…<br />

• Das leere Blatt<br />

- Die Kinder sollen einfach „schreiben“ <strong>und</strong> zwar was ihnen wichtig ist <strong>und</strong> was<br />

sie möchten. Dadurch wird ihr lebenswichtiger Bezug von der Schule als<br />

wichtig <strong>und</strong> anerkannt erklärt. Es macht für sie Sinn, das Leere Blatt mir<br />

Schrift zu versetzen.<br />

Gedanken, Ideen, Vorschläge für die ersten Wochen:<br />

• Einführung in die Freiarbeit (Inhalte fächerübergreifend, zunächst noch mit<br />

diversen Zeichen symbolisiert)<br />

Durch diese Freiarbeits- <strong>und</strong> Wochenplaneinheiten, sollen die Kinder immer<br />

mehr zu die Möglichkeit bekommen, auf ihrem Entwicklungsniveau<br />

entsprechend Inhalte zu wählen <strong>und</strong> zu<br />

bearbeiten bzw. sich zu fordern <strong>und</strong><br />

interessengeleitet zu arbeiten. Die Aufgabe des<br />

Lehrers, der Lehrerin während dieser Zeit ist zu<br />

helfen, zu initiieren, zu beobachten, zu<br />

begleiten, zu unterstützen.<br />

• Die Bereiche des „Freien Schreibens<br />

eigener Texte“; „Lesen von<br />

Kinderliteratur“, „Aufbau <strong>und</strong><br />

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VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

PH Stmk.; Hasnerplatz


Skriptum zum Schriftspracherwerb – KSL Tagung 2011<br />

Sicherung des Gr<strong>und</strong>wortschatzes“ finden während der Freiarbeitsst<strong>und</strong>en<br />

statt. Dabei können Kinder beobachten werden in ihrem Umgang mit Schrift,<br />

Lernstandsbeobachtungen (z.B.. Neun Wörter Diktat,<br />

Lernstandsbeobachtungen <strong>nach</strong> Dehn, Hamburger Lese- <strong>und</strong> Schreibprobe<br />

usw.) durchgeführt werden, einzelnen Schülern individuell geholfen werden,<br />

falls sie ein „falsche“ Strategie verfolgen, mit Gruppen gearbeitet werden usw.<br />

• Immer wieder werden „neue“ Wörter im Klassenraum fixiert, angeboten,<br />

erarbeitet, aus <strong>dem</strong> Erlebnisbereich der Kinder aufgegriffen…<br />

Anschließend an die Ideenansätze für die ersten Wochen folgen nun inhaltliche<br />

Schwerpunkte für die gr<strong>und</strong>legende Arbeit in einer ersten Klasse:<br />

1.3.3. Freies Schreiben eigener Texte, Lesen von Kinderliteratur,<br />

Aufbau <strong>und</strong> Sicherung des Gr<strong>und</strong>wortschatzes<br />

Tagebuchnotizen aus (m)einem Forschungsprojekt<br />

In diesem Projekt wurde hauptsächlich in offenen Unterrichtsphasen gelernt,<br />

gearbeitet, er- <strong>und</strong> gelebt….auf der Basis des Individualisierens. Die Ausgangslage<br />

war eine heterogen zusammengesetzte Klasse, darunter auch Kinder mit<br />

Sonderpädagogischem Förderbedarf <strong>und</strong> Schüler/innen mit unterschiedlichsten<br />

Ausgangsbedingungen <strong>und</strong> individuellen Erfahrungen <strong>und</strong> Genesen.<br />

Für diesen Teil des gemeinsamen Lernens in der Klasse suchten wir immer wieder<br />

jeden erdenklichen Anlass, um selbst etwas aufzuschreiben.<br />

Hausaufgaben werden „notiert“; Wochentage, Schlüsselwörter werden dabei<br />

vorgeschrieben wie „Rucksack“…, die abgeschrieben werden können oder auch<br />

natürlich selbst verschriftlicht werden, Tafel für den Klassenrat; Notizen, Mitteilungen<br />

usw.<br />

Aus diesem persönlich überzeugten Ansatz entwickelte sich das Forschungsprojekt<br />

mit <strong>dem</strong> Titel: „Ich WUSdE GANicht Tastu so eine Naschkaze Bist. Heimlich Tas<br />

Bin ich AUch“ <strong>und</strong> <strong>dem</strong> Inhalt: Individuelles Lesen <strong>und</strong> Schreibenlernen<br />

Schwerpunkten im kreativ künstlerischen Bereich in Verbindung mit<br />

Bewegung.<br />

Den Kindern stehen von Anfang an alle Buchstaben/Laute mit Hilfe der Anlauttabelle<br />

zur Verfügung, mit denen sie entsprechend ihres individuellen Entwicklungsstandes<br />

arbeiten können. Anhand eigener Wörter <strong>und</strong> Texte aus <strong>dem</strong> Erfahrungs- <strong>und</strong><br />

Erlebnisbereich der Kinder werden sowohl in gemeinsamen Phasen als auch in<br />

individuellen Phasen die Phonem/Graphemstruktur von Schrift als auch die Arbeit mit<br />

<strong>dem</strong> WORT <strong>und</strong> <strong>dem</strong> SATZ, geübt.<br />

Auf dieser Basis wird mit allen Kindern gemeinsam ein gr<strong>und</strong>legender<br />

Schriftwortschatz aufgebaut, der durch einen individuellen ergänzt wird.<br />

Um Lesestrategien auszubauen <strong>und</strong> differenzierte Zugriffsweisen auf Schriftsprache<br />

zu eröffnen, wird eine herausfordernde Lese- <strong>und</strong> Schreibumgebung geschaffen<br />

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VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

PH Stmk.; Hasnerplatz


Skriptum zum Schriftspracherwerb – KSL Tagung 2011<br />

(eigenen Texte der Kinder als Lesematerial; Leseanregungen in der Leseecke,<br />

diverse Materialien usw).<br />

Gr<strong>und</strong>basis:<br />

• Situationen schaffen <strong>und</strong> aufgreifen, die das Schreiben <strong>und</strong> Lesen<br />

herausfordern also das Bieten von SCHREIBANLÄSSEN.<br />

• Freier Zugang zur Literatur vom ersten Schultag an<br />

• In der Klasse entwickelt sich eine „Kultur“ des Füreinander-Schreibens <strong>und</strong><br />

Vorlesens<br />

• Bilderbücher <strong>und</strong> Kunstbilder sind Ausgangspunkt für (all)tägliche<br />

Schreibanlässe <strong>und</strong> Mitteilungen. (Auf dieser Methode des Lesens <strong>und</strong><br />

Schreibens soll durch ständiges Lautieren <strong>und</strong><br />

Kommentieren das orthografisch richtige<br />

Schreiben <strong>und</strong> das Lesen individuell durch<br />

eigenaktives Lernen gefördert werden.)<br />

• Durch die Methode des dialogischen <strong>Erstlesen</strong>s<br />

<strong>und</strong> Schreibens soll auf die unterschiedlichen<br />

Entwicklungsstufen beim Schreiben <strong>und</strong> Lesen<br />

Rücksicht genommen werden.<br />

• Lesen <strong>und</strong> Bewegung verbinden<br />

• Gezielte Maßnahmen bei Kindern, die Schwierigkeiten in den einzelnen<br />

Entwicklungsstufen aufzeigen, setzen<br />

• Projekte <strong>und</strong> Arbeit mit <strong>dem</strong> Bilderbuch auf multisensorischer Ebene<br />

durchführen<br />

• Kunstbilder als Schreib- <strong>und</strong> Denkanlässe<br />

• Freies Schreiben <strong>und</strong> Lesen als Unterrichtsprinzip<br />

• Wort <strong>und</strong> Schrift entsteht vor den Augen der Kinder im Erzählkreis- diese<br />

Wortgruppen <strong>und</strong> Sätze werden dann in der Freiarbeit individuell mit <strong>dem</strong> Lehrer<br />

analysiert, besprochen, zerlegt <strong>und</strong> zusammengefügt…<br />

• Täglich 15 Minuten freies Lesen aus<br />

mitgebrachten, aus der Schul- <strong>und</strong> Öffentlichen<br />

Bücherei ausgeborgten, Büchern an<br />

Lieblingsplätzen in der Schule/Klasse<br />

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VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

PH Stmk.; Hasnerplatz


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• Weiterführung des wöchentlichen Vorlesens in Zusammenarbeit mit der<br />

Öffentlichen Bücherei: PATENSCHAFT beim Lesen<br />

(Jede Woche am Freitag lesen eine Mitarbeiterin<br />

aus der Öff. Bücherei, oder Eltern, oder…aus<br />

traditionellen Büchern über Märchen, Sagen,... vor.<br />

Ziel ist das bewusste Zuhören zu fördern, den<br />

Wortschatz zu erweitern <strong>und</strong> unsere "alten"<br />

Märchen <strong>und</strong> Sagen wieder aufleben zu lassen.)<br />

• Rollenspiel<br />

Beim gesamten Entwicklungsprozess wurde versucht, die Strategien der Kinder zu<br />

beobachten, festzustellen <strong>und</strong> eventuell bei falsch angewendeter Strategie<br />

einzugreifen.<br />

Ebenso versuchte ich durch persönliche Aufzeichnungen der individuellen<br />

Leseentwicklung, durch Gespräche (Lernperspektive) mit den Kindern <strong>und</strong> den<br />

jeweiligen Lese- <strong>und</strong> Schreibüberprüfungen (Hamburger Lese- <strong>und</strong> Schreibprobe;<br />

Salzburger Lese- <strong>und</strong> Rechtschreibtest; Stolperwörter Lesetest) die Lesestufen der<br />

einzelnen Kinder zu eruieren <strong>und</strong> gegebenenfalls unterstützend mit gezielten<br />

Übungen zu begleiten.<br />

Ein ausreichendes Maß an Bewegung ist für die geistige <strong>und</strong> körperliche<br />

Entwicklung wichtig – auch deshalb, weil kindliches Lernen noch weitgehend ein<br />

Lernen mit <strong>dem</strong> ganzen Körper <strong>und</strong> mit allen Sinnen ist. Hinzu kommen die<br />

veränderten Lebensumstände der Kinder, wie eingeschränkte Bewegungsräume,<br />

verändertes Freizeitverhalten, Wegfall an Primärerfahrungen,... Deshalb wurde<br />

durch verschiedene Möglichkeiten an verschiedenen Orten das Lesen mit<br />

Bewegung verb<strong>und</strong>en, was sich als sehr fruchtbringend <strong>und</strong> motivierend erwiesen<br />

hat.<br />

Aufgefallen ist, dass während des gesamten Prozesses im Forschungsprozess in<br />

der Auseinandersetzung mit Schrift <strong>und</strong> Lesen die Schüler immer wieder in<br />

Situationen gekommen sind, in denen sich ihnen Fragen aufgedrängt haben.<br />

Dazu konnten wir dann gezielt mit ihnen <strong>nach</strong> Möglichkeiten suchen, Regeln <strong>und</strong><br />

Gesetzmäßigkeiten in der Verschriftlichung feststellen, individuelle Strategien<br />

anwenden…<br />

Die persönliche Auseinandersetzung, das individuelle Forschen <strong>und</strong><br />

Hantieren mit Lauten, Buchstaben, …das Gefühl zu haben, selbständig das<br />

Lesen <strong>und</strong> Schreiben zu entdecken, waren <strong>und</strong> sind für mich aus der Beobachtung<br />

heraus, die eigentlichen Träger für diese Methode.<br />

Ich habe auch festgestellt, dass das Erkennen des Lernfortschrittes nur dann<br />

aufkommen kann, wenn das Kind erfährt, dass es etwas gelernt hat! Rückmeldung,<br />

Anerkennung von außen, von anderen Personen, aber auch selbst wahrnehmen<br />

<strong>und</strong> als eigenen Lernfortschritt erkennen, sind unumgänglich, um eigenes Lernen<br />

reflektieren zu können. Kinder brauchen, um zu lernen<br />

A nerkennung, A nregung, A utonomie<br />

10<br />

VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

PH Stmk.; Hasnerplatz


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1.3.4. Unterrichten <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> Spracherfahrungsansatz:<br />

Eine Gr<strong>und</strong>schulklasse auf <strong>dem</strong> Weg zur Schrift 4<br />

(Vertiefung dazu: www.erika-brinkmann.de/daten/ppt/vortrag_hannover_oms.pdf <strong>und</strong> das 4 Säulen -<br />

Modell)<br />

(Die ABC-Lernlandschaft <strong>nach</strong> Erika Brinkmann mit Beobachtungsbögen zur Dokumentation der<br />

Lernentwicklung anhand der bearbeiteten Aufgaben liefert dazu auch nötige Gr<strong>und</strong>lagen sowie die<br />

Ideen Kiste 1 <strong>nach</strong> Brinkmann/Brügelmann)<br />

Der Spracherfahrungsansatz greift die unterschiedlichen Vorerfahrungen der<br />

Kinder mit Sprache <strong>und</strong> Schrift auf <strong>und</strong> nimmt ihre individuellen Lernmöglichkeiten<br />

<strong>und</strong> Interessen ernst.<br />

Jedes Kind soll so herausgefordert werden, dass es sich seinen Fähigkeiten<br />

entsprechend bestmöglich entwickeln kann.<br />

Organisatorisch sind zwei Konstellationen für die Arbeit im Unterricht wesentlich:<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich werden die individuellen <strong>und</strong> gemeinsamen Aktivitäten immer wieder<br />

aufeinander bezogen!<br />

individuell gemeinsam individuell<br />

gemeinsam individuell gemeinsam<br />

Gemeinsames (Vor-) Lesen von Kinderliteratur<br />

Wichtigste Voraussetzung für einen leseförderlichen Unterricht ist die<br />

Entwicklung von Lesemotivation <strong>und</strong> Lesefreude durch…<br />

• regelmäßiges Vorlesen von Kinderliteratur,<br />

• regelmäßige freie Lesezeiten,<br />

• Buchpräsentationen <strong>und</strong> -empfehlungen,<br />

• gezielte Hilfen zur Unterstützung der Lesestrategien bei Bedarf.<br />

Vorlesen<br />

• Freude an Büchern entwickeln<br />

• Entdecken, dass Schriftzeichen Bedeutung<br />

tragen<br />

• Lust auf eigenes Lesen bekommen<br />

• Modelle für eigene Geschichten gewinnen<br />

• Zuhören lernen<br />

Regelmäßige Freie Lesezeit mit einem breiten Bücherangebot:<br />

• Die Kinder wählen sich selbst Bücher aus,<br />

• sie lesen allein,<br />

• sie lesen gemeinsam,<br />

• sie lesen sich gegenseitig vor,<br />

• sie tauschen sich über Gelesenes aus,<br />

• sie dokumentieren das Gelesene.<br />

4 http://www.erika-brinkmann.de/daten/ppt/vortrag_hannover_oms.pdf<br />

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VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

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Skriptum zum Schriftspracherwerb – KSL Tagung 2011<br />

Bücherangebot:<br />

• Bilderbücher, auch in verschiedenen Sprachen,<br />

• Sachbücher,<br />

• Wörterbücher (mit Bildern, <strong>nach</strong> Sachthemen,<br />

<strong>und</strong>/oder <strong>dem</strong> Alphabet geordnet), auch in<br />

verschiedenen Sprachen,<br />

• Lexika,<br />

• Märchenbücher,<br />

• Kinderromane,<br />

• Gedichtbände,<br />

• Comics,<br />

• Zeitungen/Zeitschriften,<br />

• Bücher, die zum Handeln herausfordern.<br />

Freies Schreiben eigener Texte<br />

• Lust <strong>und</strong> Zutrauen zum Verfassen eigener Texte<br />

gewinnen<br />

• Hilfsmittel benutzen (z. B. Anlaut-Tabelle, Wort-<br />

Bild-Lexikon)<br />

• Verschiedene Verwendungsformen der Schrift<br />

erproben (Notizen machen, Briefe schreiben,<br />

Listen ausfüllen…)<br />

• Austesten von orthografischen Hypothesen <strong>und</strong> Schreibstrategien<br />

•<br />

Gemeinsames Kennenlernen <strong>und</strong> Einüben von Strategien, Arbeitsformen <strong>und</strong><br />

Hilfen zum richtigen Lesen <strong>und</strong> Schreiben<br />

Aufbau <strong>und</strong> Sicherung eines Gr<strong>und</strong>wortschatzes<br />

• „Eigene“ <strong>und</strong> „wichtige“ Wörter sammeln<br />

• Die Schreibweise häufig gebrauchter Wörter automatisieren<br />

• Modellwörter für unterschiedliche Rechtschreibmuster kennen <strong>und</strong> schreiben<br />

lernen<br />

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VOL Michaela REITBAUER, Dipl.Päd.<br />

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1.3.5. 8 Thesen zum Schriftspracherwerb <strong>nach</strong> Hans Brügelmann: 5<br />

Hans Brügelmann, der Vertreter des Spracherfahrungsansatzes (siehe Kapitel 2.5.4)<br />

hat 8 Thesen im Sinne von Einsichten, die Schüler erwerben müssen, verfasst.<br />

1. Schrift ist nicht nur graphischer Schmuck, oder gar ein beliebiges „Spuren-<br />

Machen“, sondern sie „trägt Bedeutung“, steht als für etwas anderes <strong>und</strong> ist somit<br />

„Zeichen“.<br />

2. Schrift bildet nicht äußerlich wahrnehmbare Eigenschaften von Gegenständen ab,<br />

sondern gibt Hinweise auf den Klang von Wörtern (Anweisung für ihre Aussprache).<br />

3. Die Kinder müssen herausfinden, welche Einheiten der Schrift mit welchen<br />

Einheiten der Sprache korrespondieren, d.h. auf welche Teile der gesprochenen<br />

Sprache sich die einzelnen Schriftzeichen beziehen (Laut- Buchstaben-<br />

Zuordnung).<br />

Probleme: kontinuierlicher Lautstrom- mehrgliedrige Schriftzeichen - Mehrdeutigkeit<br />

einzelner Schriftzeichen<br />

4. Kinder müssen erkennen, dass die Raumlage, die Reihenfolge <strong>und</strong> die Richtung<br />

der Buchstabenfolge bedeutungsvoll sind von links <strong>nach</strong> rechts (EIS – SIE) Objekte<br />

bleiben gleich, wenn sie gedreht werden, aber d/p, p/q, n/u, W/M nicht<br />

5. Kinder müssen erkennen, welche Lautmerkmale bzw. Unterschiede überhaupt<br />

wesentlich sind für die Schrift <strong>und</strong> welche sogar bewusst zu ver<strong>nach</strong>lässigen sind.<br />

Beispiel:<br />

Unterscheidung zwischen stimmhaftem <strong>und</strong> stimmlosen d/t, g/k, b/p…<br />

6. Die Kinder müssen lernen, dass die Beziehung zwischen Schriftzeichen <strong>und</strong><br />

Laut willkürlich ist (Formähnlichkeit ‡ Klangähnlichkeit).<br />

7. Die Kinder müssen aus konkreten Schriftbeispielen abstrahieren, welche<br />

graphischen Unterschiede die Identität einzelner Zeichen bestimmen <strong>und</strong> welche<br />

unwesentlich sind.<br />

Beispiel: P/R, O/Q<br />

8. Die Kinder müssen schließlich lernen, dass selbst die Beziehung zwischen<br />

abstrahiertem Sprachlaut <strong>und</strong> idealisiertem Schriftzeichen nicht eindeutig ist.<br />

Überlagerung der Lautschrift durch andere Prinzipien<br />

1.3.6. Der Spracherfahrungsansatz <strong>nach</strong> Hans Brügelmann<br />

5 Brügelmann, Hans, Brinmann, Erika: Die Schrift erfinden. Lengwil am Bodensee 1998. S. 37ff.<br />

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Hans Brügelmanns didaktische Einstellung geht davon aus, dass sich diese nicht<br />

methodisieren lässt, also keine eindeutigen „Vorschriften, Rezepte“. Der Lehrer kann<br />

sich an didaktischen Konzepten orientieren, die darin bestehen, dieses der Situation<br />

entsprechend anzupassen, umzuwerfen, zu hinterfragen,<br />

Didaktische Konzepte gelten also immer nur hypothetisch, sie sind in jeder Situation<br />

neu zu interpretieren. Dass <strong>dem</strong> Lehrer dabei Fehler unterlaufen, ist unvermeidbar,<br />

da es laut Brügelmann im Unterricht um soziale Beziehungen, nicht um die<br />

Perfektionierung einer Technik geht.<br />

Dabei ist es unumgänglich, sich der<br />

Selbstreflexion, Unterrichtsevaluation <strong>und</strong><br />

kritischen Auseinandersetzung zu<br />

unterziehen. Brügelmann ist der<br />

Auffassung, dass dies der sinnvollere Weg<br />

zur Verbesserung des Anfangsunterrichts<br />

ist, im Gegensatz zu einer ständigen<br />

Veränderung der Methoden.<br />

Die Förderung beim Lesen <strong>und</strong> Schreiben<br />

muss individuell, durch eine sorgfältige<br />

Beobachtung der Kinder gef<strong>und</strong>en werden. Die Systematik ergibt sich nicht aus einer<br />

psychologischen Analyse des Lernziels der Lese- <strong>und</strong> Schreibfähigkeit, auch nicht<br />

aus einer linguistischen Analyse des Gegenstands Schriftsprache; beide sind wichtig<br />

für die Planung von Lernangeboten <strong>und</strong> für die Interpretation von Lernfortschritten<br />

<strong>und</strong> -schwierigkeiten.<br />

Systematische Förderung heißt also Aktivierung der Erfahrungen <strong>und</strong> Fähigkeiten<br />

des einzelnen Kindes, so dass es seinen individuellen Zugang zur Schrift finden <strong>und</strong><br />

in wachsen<strong>dem</strong> Maße bewusst mitplanen kann.<br />

Folgende Leitideen verfasst er dazu:<br />

- Kinder sollen erfahren, dass man sich durch Lesen <strong>und</strong> Schreiben anderen<br />

mitteilen <strong>und</strong> von ihnen Informationen gewinnen kann. Lesen <strong>und</strong> Schreiben<br />

sollte deshalb als soziale Handlung möglichst viele Aktivitäten im<br />

Klassenzimmer bestimmen <strong>und</strong> Folgen für das eigene Verhalten haben.<br />

- Kinder sollen die wechselseitige Übersetzbarkeit von Schrift <strong>und</strong> Sprache<br />

begreifen. Lesen <strong>und</strong> Schreiben als eine technische Tätigkeit sollen deshalb<br />

inhaltlich <strong>und</strong> formal an der gesprochenen Sprache anknüpfen.<br />

- Kinder werden mit den Aufbauprinzipien <strong>und</strong> mit einzelnen Elementen der<br />

Schrift am ehesten vertraut, wenn sie Schriftzeichen gegenständlich<br />

manipulieren können.<br />

Ziel seines Konzeptes ist es, einen offenen, individualisierten <strong>und</strong> situativ angelegten<br />

Unterricht zu gestalten, in <strong>dem</strong> die Erfahrungen <strong>und</strong> Fähigkeiten des einzelnen<br />

Kindes aktiviert werden.<br />

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Das, aus den 8 Thesen entwickelte Konzept, basiert hauptsächlich auf folgenden<br />

fünf Gr<strong>und</strong>annahmen: 6<br />

1. Der erste Schultag ist keine „St<strong>und</strong>e Null“ des<br />

Schriftspracherwerbs, da Kinder schon vor<br />

ihrem Schuleintritt Erfahrungen mit Sprache <strong>und</strong><br />

Schrift machen.<br />

2. Die vorschulischen Erfahrungen der<br />

Schriftanfänger sind individueller Art. Ein<br />

vereinheitlichter Lehrgang kann diesen<br />

unterschiedlichen Erfahrungsstrukturen nicht<br />

gerecht werden.<br />

3. „Kinder sollen die Entstehung von Texten als<br />

„Verschriftlichung von Sprache“ in<br />

bedeutungsvollen Situationen <strong>und</strong> über die<br />

eigene Tätigkeit erleben <strong>und</strong> damit auch ihre<br />

soziale Funktion, Erfahrungen aufzubewahren <strong>und</strong> anderen zugänglich zu<br />

machen“<br />

4. Die persönliche Bedeutsamkeit („Lesen, weil ich etwas wissen will/ Schreiben,<br />

weil ich etwas mitteilen will) stellt den methodisch- didaktischen<br />

Ausgangspunkt dar.<br />

5. Der Unterricht soll die Hypothesenbildung der Schüler über die Funktion der<br />

Schrift fördern <strong>und</strong> Handlungs- <strong>und</strong> Erfahrungsmöglichkeiten einräumen, die<br />

eine Überprüfung <strong>und</strong> gegebenenfalls eine Korrektur dieser Hypothesen<br />

ermöglichen.<br />

Hans Brügelmann hat zum Schriftspracherwerb keine eindeutige Theorie verfasst.<br />

Das, was er den Lehrkräften der Gr<strong>und</strong>schule im Anfangsunterricht anbietet, ist<br />

vielmehr ein methodischer Ansatz. Er entwickelte folgende Hilfsmittel für den Lehrer<br />

zur Öffnung seines Unterrichts:<br />

- Das Stufenmodell des Schriftspracherwerbs als diagnostisches Mittel<br />

- Das Vier- Säulen- Modell als Strukturierungshilfe für den Deutschunterricht<br />

- Die Didaktische Landkarte als Orientierung bei der Inhaltsauswahl<br />

- Die Ideenkiste als konkrete Umsetzungsmöglichkeiten im Unterricht<br />

1.3.6.1 Das 4 Säulen-Modell 7<br />

Mit <strong>dem</strong> Vier- Säulen- Modell teilen Brügelmann <strong>und</strong> Brinkmann den<br />

Deutschunterricht in 4 Hauptbausteine ein, die ihres Erachtens gleichwertig zu<br />

berücksichtigen sind. Zusätzlich geben sie beispielhaft konkrete Richtziele an.<br />

Dieses Modell ist in der „Idee-Kiste 1 Schrift-Sprache“ materialisiert worden.<br />

6 Vgl. Dazu : http://www.seminarbast.de/skripte2/Deutsch2006/Der%20Spracherfahrungsansatz%20<strong>nach</strong>%20Hans%20Bruegelmann.doc<br />

7 Brügelmann, Hans, Brinmann, Erika: Die Schrift erfinden. Lengwil am Bodensee 1998. S. 99ff<br />

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Brügelmann <strong>und</strong> Brinkmann erklären dieses folgend:<br />

1. Freies Schreiben, um den Kinder „das Wort zu geben“, wie Célestin Freinet<br />

sagt, - <strong>und</strong> damit sie selbständig in den „technischen“ Aufbau der Schrift<br />

eindringen können;<br />

2. Das gemeinsame (Vor-)lesen, um eine aktive, suchende Haltung gegenüber<br />

Texten zu entwickeln, aber auch, um Lust auf das Lesen zu gewinnen <strong>und</strong> um<br />

beiläufig auf die Konventionen des Lesens kennen zu lernen;<br />

3. das Erforschen der Schrift <strong>und</strong> das Nachdenken über ihre Besonderheiten, um<br />

individuelle Strategien zu entwickeln, aber auch um Allgemeines aus den<br />

persönlichen Erfahrungen herauszuarbeiten:<br />

4. das Einüben von Teilleistungen, um das Lesen <strong>und</strong> Schreiben zu<br />

beschleunigen, um den Kopf aber auch zu entlasten von den technischen<br />

Schwierigkeiten <strong>und</strong> die Aufmerksamkeit auf den Inhalt konzentrieren zu<br />

können.<br />

1.3.6.2 Didaktische Landkarte<br />

Die ,,Didaktische Landkarte“ zeigt auf, welche Einsichten, Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Fertigkeiten beim Schriftspracherwerb wichtig sind. Zu<strong>dem</strong> ermöglicht sie <strong>dem</strong><br />

Lehrer, den Überblick in einem offenen, individualisierten <strong>und</strong> differenzierten<br />

Unterricht zu behalten <strong>und</strong> dabei eine systematische Förderung der Schüler zu<br />

ermöglichen.<br />

Die ,,Landkarte" umfasst acht Felder für Aktivitäten. Die Reihenfolge der Aktivitäten<br />

ist nicht maßgebend, d. h. es erfolgt keine chronologische Abfolge der Komponenten.<br />

Immer wieder werden gleiche Lernfelder durchlaufen, deren Niveau steigt, Rückgriffe<br />

sind möglich.<br />

Der Lernweg der Kinder ist nicht zu vergleichen mit einer Treppe, auf der man von<br />

Stufe zu Stufe steigt. Was gelernt wird, ist immer vorläufig, ist Gr<strong>und</strong>lage. Die Idee<br />

eines linearen Lehrgangs ist zu ersetzten durch die Vorstellung einer Spirale mit<br />

wiederholten Durchgängen durch dieselben Lernfelder - aber auf anderem Niveau.<br />

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Diese Lernfelder sind nicht hierarchisch geordnet, sondern als gleichwertig, zu<br />

denken – nicht vom „Einfachen“ zum „Schwierigeren“.<br />

Die Ergebnisse aus der Grob- <strong>und</strong> Feinerhebung zeigen, dass Schüler/innen in einer<br />

Schulklasse unterschiedliche Vorkenntnisse in Bezug auf Sprache <strong>und</strong><br />

Schriftsprache besitzen. Das kann bedeuten, dass manche Kinder schon einen<br />

größeren Wortschatz haben als andere <strong>und</strong> ein besseres Zeichenverständnis.<br />

Daraus ergibt sich, dass Kinder mit unterschiedlichen Kenntnisständen im<br />

Schriftsprachbereich verschieden gefördert werden müssen.<br />

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Aufbau der Schrift:<br />

Selbstständiges Erlesen <strong>und</strong> Verschriften durch Einsicht in die<br />

Parallelität von Schriftzeichen <strong>und</strong> Lautfolge. Dabei ist Lesen sowohl<br />

Recodieren (Erlesen, Synthese) als auch Decodieren (sinnentnehmendes Lesen,<br />

den Kontext nutzen).<br />

Didaktische Gr<strong>und</strong>lagen:<br />

Schon Vorschulkinder können sich Wörter an einzelnen Buchstaben, am<br />

typischen Schriftzug oder am Kontext merken .<br />

Oft können sie auch Buchstabenfolgen (z.B. den eigenen Namen) richtig zu<br />

Papier bringen<br />

Lesen <strong>und</strong> Schreiben setzen aber voraus, dass sie den "Code knacken", d.h.<br />

dass sie die Regeln verstehen, mit denen Sprache verschriftet wird<br />

Buchstabenkenntnis<br />

Buchstaben in Formvarianten erkennen <strong>und</strong> verschiedenen Lauten zuordnen<br />

Didaktische Gr<strong>und</strong>lagen:<br />

• Buchstaben rasch, genau <strong>und</strong> ohne bewusste Aufmerksamkeit zu erkennen,<br />

ist Voraussetzung für flüssiges Lesen<br />

• Buchstaben formgerecht <strong>und</strong> ohne Nachdenken zu Papier zu bringen,<br />

erleichtert das Schreiben.<br />

• Buchstabenkenntnis verlangt mehr als ein rein mechanisches<br />

Vergleichen/Kopieren graphischer Formen: Sie schließt höhere kognitive<br />

Leistungen mit ein (z.B. das Erkennen der definierenden Merkmale) <strong>und</strong> ist<br />

nicht gleichzusetzen mit einer möglichst feinen Unterscheidung graphischer<br />

Details<br />

Lautanalyse<br />

Sprachlaute unterscheiden, ausgliedern, verbinden<br />

Didaktische Gr<strong>und</strong>lagen:<br />

• Lautierendes Schreiben <strong>und</strong> (Er-)Lesen sind frühe Zugriffe auf die Schrift<br />

• Es handelt sich um notwendige Vorformen flüssigen Lesens <strong>und</strong> Schreibens<br />

• Im Lernfeld Lautanalyse geht es einerseits um die Gliederung des Lautstroms<br />

- von Sätzen in<br />

• Wörter, von Wörtern in Silben <strong>und</strong> einzelne Phoneme<br />

• <strong>und</strong> andererseits um die Verbindung von Phonemen<br />

• Ziel ist die Zuordnung von Sprechlauten zu Buchstaben(gruppen) <strong>und</strong><br />

umgekehrt<br />

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WICHTIG:<br />

Lautanalytische Fähigkeiten lassen sich nur an sprachlichem Material<br />

entwickeln - Kinder müssen beim Lesen <strong>und</strong> Schreiben differenzieren, welche<br />

akustischen Unterschiede zwischen Lauten sprachlich bedeutsam sind <strong>und</strong><br />

welche nicht (allgemeine Übungen zur auditiven Differenzierung sind hier aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> nicht hilfreich)<br />

Gliederung in Bausteine<br />

Gliederung von Wörtern in Teile – Zusammenfassen von Buchstaben zu Gruppen<br />

Didaktische Gr<strong>und</strong>lagen:<br />

• Lange Wörter stellen eine doppelte Anforderung:<br />

muss das Wort in handhabbare Teile gegliedert werden, <strong>und</strong><br />

müssen einzeln erlesene Buchstaben/Laute unterhalb der Wortebene<br />

zusammengefasst werden, um das Kurzzeitgedächtnis beim Synthetisieren<br />

nicht zu überlasten<br />

Wörter lassen sich in 3 Typen von "Bausteinen" gliedern, wobei jeder<br />

Bausteintyp eine andere Ebene der Sprache nutzt:<br />

1) Rechtschreibmuster oder „Signalgruppen" (besonders häufig<br />

vorkommende Lautfolgen/Buchstabengruppen: Sie tragen zwar keine<br />

Bedeutung, ihre Verbindung kommt jedoch häufig vor <strong>und</strong> trägt immer den<br />

gleichen Lautwert z.B. -er-, -ein-, -all-, -spr-), während andere Kombinationen<br />

<strong>nach</strong> den Regeln der Orthographie unzulässig sind (z.B. -tg- oder -sra-).<br />

Das Erkennen von Signalgruppen fördert das Gliedern-Können sowohl in<br />

Sprechsilben als auch in Morpheme.<br />

2) Silben sind Einheiten der Artikulation: Das Gliedern-Können in<br />

Sprechsilben fördert das flüssige Lesen (Buchstaben werden nicht mehr<br />

einzeln, sondern gruppenweise erfasst). Gr<strong>und</strong>sätzlich sind Sprechsilben vor<br />

allem für Anfänger <strong>und</strong> eher beim Lesen hilfreich<br />

3) Morpheme - Wortbausteine (häufige Wortstämme, bedeutungsändernde<br />

Vorsilben <strong>und</strong> Endungen): Das Erkennen von Wortbausteinen als<br />

bedeutungstragende Einheiten fördert die Sinnentnahme beim Lesen, die<br />

Einsicht in die graphische Konstanz der Morpheme (z. B. WaldWälder) stützt<br />

die Orthographie<br />

WICHTIG: Silben <strong>und</strong> Morpheme können erst dann als Wortbausteine erkannt<br />

werden, wenn Kinder zuerst handgreiflich damit „gebaut" haben!<br />

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Sichtwortschatz<br />

Häufige Wörter rasch erkennen <strong>und</strong> „blind“ schreiben<br />

Didaktische Gr<strong>und</strong>lagen:<br />

Zu Beginn des Schriftspracheerwerbs bedeutet „Sichtwortschatz" das Benennen<br />

von wenigen vertrauten Wörtern, die an oft zufälligen Merkmalen (z.B.<br />

Anfangsbuchstaben) erkannt werden, <strong>und</strong> das memorierende Aufschreiben<br />

der Zeichenkette ohne Einsicht in ihren Lautbezug<br />

Später bedeutet „Sichtwortschatz" das automatische Erlesen <strong>und</strong> Schreiben der<br />

Buchstabenfolge<br />

Dazwischen liegt die Phase des bewusst lautierenden Lesens <strong>und</strong> Schreibens<br />

Funktionen der Schriftverwendung<br />

Handelnder Umgang mit Etiketten, Notizen, Briefen… vermittelt die<br />

Einsicht, dass Schrift im Alltag unmittelbar nützlich sein kann. Zugleich<br />

werden unterschiedliche Funktionen erfahrbar: die Beziehung von<br />

Gegenständen <strong>und</strong> Handlungen; die Aufbewahrung von Erfahrungen<br />

<strong>und</strong> Gedanken; der Austausch mit anderen; die Vergewisserung des eigenen<br />

Denkens <strong>und</strong> die Planung umfassender Tätigkeiten.<br />

Didaktische Gr<strong>und</strong>lagen:<br />

Verstehen der „technischen Logik“ –vgl. auch „Aufbau der Schrift“<br />

Erkennen der vielfältigen Verwendungsformen<br />

Erfahren des gebrauchswertes der Schriftsprache im Alltag als Motivation sich auf<br />

die Anforderungen einzulassen<br />

Verfassen <strong>und</strong> Verstehen von Texten<br />

Die Schrift soll hier als Informationsquelle <strong>und</strong> Darstellungshilfe<br />

betrachtet werden.<br />

Didaktische Gr<strong>und</strong>lagen:<br />

Die phasenweise notwendige Konzentration auf den technischen Aufbau der<br />

Schrift kann Kindern den Zugang zur Bedeutungsebene von Texten<br />

erschweren.<br />

Um selbständiges Lesen <strong>und</strong> Schreiben schon im Anfangsunterricht zu<br />

ermöglichen, muss der Anspruch an formale Korrektheit zugunsten inhaltlicher<br />

Bedeutung der Texte zurückgestellt werden.<br />

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Zeichenverständnis<br />

hat.<br />

Den Kindern wird das Wissen vermittelt, dass unsere Schrift ein<br />

Zeichensystem ist <strong>und</strong> besondere Eigenschaften, Merkmalen <strong>und</strong> Regeln<br />

Didaktische Gr<strong>und</strong>lagen:<br />

Zeichenregelgerecht anwenden <strong>und</strong> auf die jeweilige Situation anpassen<br />

Jedes Symbolsystem (Piktogramme, Zahlen, Noten, chemische Formeln,<br />

Stadtpläne, Fahrpläne…) hat seine eigenen Regeln – das gilt auch für die<br />

alphabetische Schrift.<br />

Hans Brügelmann geht generell davon aus, dass sich Didaktik nicht methodisieren<br />

lässt, das heißt, es gibt keine eindeutigen Vorschriften in der Didaktik. Der Lehrer<br />

kann sich nur an didaktischen Konzepten orientieren, die Kunst des Lehrens besteht<br />

darin, diese Konzepte der Situation entsprechend einzusetzen. Didaktische Konzepte<br />

gelten also immer nur hypothetisch, sie sind in jeder Situation neu zu interpretieren.<br />

Dass <strong>dem</strong> Lehrer dabei Fehler unterlaufen, ist unvermeidbar, da es laut Brügelmann<br />

im Unterricht um soziale Beziehungen, nicht um die Perfektionierung einer Technik<br />

geht.<br />

Jeder Lehrer sollte seine Arbeit stets selbst überprüfen, evaluieren <strong>und</strong> sich auch der<br />

Kritik anderer unterziehen. Dadurch kann er aus eigenen Erfahrungen lernen.<br />

Brügelmann ist der Auffassung, dass dies der sinnvollere Weg zur Verbesserung des<br />

Anfangsunterrichts ist, im Gegensatz zu einer ständigen Veränderung der Methoden.<br />

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