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Bulletin des médecins suisses 13-14/2013 - Schweizerische ...

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Notes de lecture<br />

HORIZONS<br />

Leitfaden<br />

Susanne Wortmann-Fleischer,<br />

Regina von Einsiedel, George Downing<br />

Stationäre Eltern-Kind-Behandlung<br />

Ein interdisziplinärer Leitfaden<br />

Stuttgart: Kohlhammer; 2012<br />

284 Seiten. 39 Abb., 3 Tab. 78.90 CHF<br />

ISBN 978-3-17-021607-5<br />

Der interdisziplinäre Leitfaden für stationäre<br />

Eltern-Kind-Behandlungen versteht sich als<br />

Leitfaden im modernen Sinn: Es werden keine<br />

Leitlinien, in sich abgeschlossene Theorien<br />

oder übergeordnete Konzepte vorgestellt, sondern<br />

verschiedene interdisziplinäre Projekte<br />

beschrieben, die theoretisch breit und fundiert<br />

abgestützt sind, und so eine wichtige und anregende<br />

Orientierung für den klinisch tätigen<br />

Psychotherapeuten oder andere Fachleute bieten.<br />

Der Leitfaden ist auch eine wertvolle Unterstützung<br />

bei der Entwicklung und Implementierung<br />

von neuen Projekten in schon bestehenden<br />

Angeboten.<br />

Die Inhalte <strong>des</strong> Buches können sinnvoll in die<br />

therapeutische Arbeit übertragen werden.<br />

Intere ssierte Fachleute, die im ambulanten<br />

oder teilstationären Bereich tätig sind, finden<br />

Ideen und Referenzen, um ihre klinisch-therapeutischen<br />

Kompetenzen im Umgang mit<br />

Kleinkindern und ihren Eltern zu entwickeln.<br />

Zahlreiche Beispiele verdeutlichen, welche Auswirkungen<br />

die psychische Gesundheit der Eltern,<br />

insbesondere der Mütter, für die Entwicklung<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> hat Es werden wertvolle Anhaltspunkte<br />

gegeben, die den Fachleuten die<br />

Beurteilung und das interdisziplinäre Management<br />

einer möglichen Kindsgefährdungs-<br />

Situa tion erlauben. In den verschiedenen Fallvignetten<br />

werden die Weichen für eine therapeutische<br />

Haltung im alltäglichen Umgang mit<br />

schwierigen Situationen gestellt.<br />

Die Wurzeln der Eltern-Kind Behandlung sind<br />

eindrücklich beschrieben, und es wird deutlich,<br />

dass die Vorgänger dieser Arbeiten einerseits<br />

aus der Sozialpsychiatrie, anderseits aus<br />

der Sozialpädiatrie und Säuglingsforschung<br />

(unter anderen mit der Arbeit von T. Berry Brazelton)<br />

stammen. Die verschiedenen, im Leitfaden<br />

beschriebenen theoretischen Ansätze<br />

lassen sich gut in die klinische Arbeit integrieren<br />

und ergänzen sich.<br />

Eine Frage stellt sich dem Leser, wird aber in<br />

diesem Leitfaden nicht beantwortet. Warum<br />

sprechen die Autoren von «Eltern-Kind-Behandlung»<br />

wenn es in den im Buch beschriebenen<br />

Beispielen meistens um «Mutter-Kind-<br />

Behandlungen» geht? Das Konzept bzw. der<br />

Titel <strong>des</strong> Leitfadens ist in diesem Sinn etwas<br />

irreführend. Eine Erwähnung zum Beispiel der<br />

Arbeiten von Fivaz und Depreusinges (The Primary<br />

Triangle, 1999) und Bürgin (Triangulierung,<br />

1998) hätte der Bedeutung der Triangulierungsphänomene<br />

– mit dem Vater als Bindungs-Figur<br />

– für die Entstehung von frühen,<br />

tragfähigen Bindungen und Mentalisierungsprozessen<br />

beim Kind Rechnung getragen.<br />

Wenn es sich hier um einen Mangel handeln<br />

soll, bestätigt es aber gleichzeitig die Vorzüge<br />

dieses Leitfadens: eine sehr lebendige Anregung<br />

für den klinischen Alltag, die Entwicklung<br />

innovativer Projekte und die Weiterführung<br />

der praktischen und theoretischen Diskussionen<br />

um die Eltern-Kind-Behandlung.<br />

Psychoanalyse<br />

Michael Schröter (Hrsg.)<br />

Sigmund Freud – Eugen Bleuler<br />

Hélène Beutler<br />

«Ich bin zuversichtlich, wir erobern bald die<br />

Psychiatrie»<br />

Briefwechsel 1904–1937<br />

Basel: EMH <strong>Schweizerische</strong>r Ärzteverlag; 2012<br />

287 Seiten, 2 Abb., 27 Faksimiles. 48 CHF<br />

ISBN 978-3-7965-2857-6<br />

Die Geschichte der Psychoanalyse ist ein Musterbeispiel<br />

für die Entwicklung einer Bewegung,<br />

einer Fachrichtung. Zuerst ist man für jeden Interessierten,<br />

jeden Anhänger offen, froh und<br />

dankbar, später baut man Barrieren in verschiedenen<br />

Formen: offizielle Mitgliedschaft,<br />

Mitgliederbeiträge, Prüfungen, Einhalten gewisser<br />

Regeln, und nicht zuletzt Loyalität. Mit<br />

der Zeit spalten sich aber neue Strömungen ab,<br />

entstehen neue Methoden, neue Fächer. Die<br />

Geschichte der Psychoanalyse ist ausserdem von<br />

breitem Interesse, weil diese nicht nur Psychiatrie<br />

und Psychologie beeinflusste, sondern<br />

auch Pädagogik, Kultur, besonders Literatur.<br />

Und so dürfte sich der Sohn von Eugen Bleuler,<br />

Manfred, ziemlich irren, als er meinte, die Korrespondenz<br />

zwischen Sigmund Freud und seinem<br />

Vater würde nicht viele Menschen interessieren,<br />

und auch aus anderen Gründen ihre<br />

Veröffentlichung verweigerte. Erst seine Tochter,<br />

Frau Jost-Bleuler, willigte ein, wofür ihr ein<br />

grosser Dank allseits gebührt. Diese Korrespondenz<br />

ist ein wichtiger Strahl, der uns die Entwicklung<br />

der Psychiatrie und der Psychoanalyse<br />

erleuchtet und näherbringt. Sie ist quasi<br />

eine lebendige Illustration von Freuds «Zur Geschichte<br />

der psychoanalytischen Bewegung».<br />

Ihre fachliche Bedeutung wird ausgezeichnet<br />

fachkundig gewürdigt im Vorwort und den<br />

zahlreichen detaillierten Fussnoten <strong>des</strong> Herausgebers<br />

Michael Schröter, beschlagener Historiker<br />

der Psychoanalyse, dem Frau Jost-Bleuler<br />

diese Aufgabe anvertraut hat, und im Nachwort<br />

von Bernhard Küchenhoff, Stellvertretender<br />

Direktor der Psychiatrischen Klinik Burghölzli.<br />

Bleuler und der ein Jahr ältere Freud weilten,<br />

zwar nicht gleichzeitig, zur «Weiterbildung» bei<br />

Charcot in Paris. In Folge übten beide Hypnose<br />

aus. Bleuler schätzte Freuds vorpsychoanalytische<br />

Arbeit «Zur Auffassung der Aphasien» aus<br />

dem Jahre 1891 sehr, wie auch später die<br />

«Traumdeutung». Fast wie ein Gesellschaftsspiel<br />

wurden im Burghölzli auch von Laien die<br />

Träume analysiert. In einem Brief schreibt<br />

Bleuler, dass seine Frau Hedwig, eine Germanistin,<br />

in der Traumdeutung besser, beschlagener<br />

sei als er. Bei all seiner Strenge, Genauigkeit<br />

und Vorsicht interessierte sich Bleuler für neue<br />

Methoden und Entwicklungen, die den Patienten<br />

dienen konnten. Eines der Motive, nicht<br />

nur dafür, aber schon für seine Berufswahl,<br />

könnte sein, dass seine Schwester, die mit ihm<br />

in einem Haushalt lebte, unter Schizophrenie<br />

litt. Er war der einzige Ordinarius im deutschsprachigen<br />

Raum, der sich der Psychoanalyse<br />

zuwandte. Freud war sehr erfreut, dass seine<br />

Methode Interesse und Zuflucht in Zürich<br />

fand. Trotz gegenseitiger Hochachtung nervten<br />

sich gelegentlich beide gegenseitig. Freud<br />

erhoffte sich und verlangte auch nach mehr<br />

Unterstützung für seine Methode und die psychoanalytischen<br />

Organisationen, was Bleuler<br />

mit der Zeit verweigerte, auch weil er nach<br />

mehr Beweisen für die Behauptungen Freuds<br />

und seiner Schüler verlangte. Aber erst die gegenwärtige<br />

Neurowissenschaft vermag sie zu<br />

liefern. Beide wollten den brillanten Jung in ihren<br />

Kreisen nicht unter-, sondern einordnen<br />

und behalten, der aber unbedingt ein eigenes<br />

Haus bestellen und in ihm eigener Herr bleiben<br />

wollte. Die Auseinandersetzungen zwischen<br />

Bleuler und Freud wurden freundlich, souverän,<br />

sachlich und würdig ausgetragen, ein Beispiel<br />

für alle, die in solche Konflikte geraten.<br />

Sie schätzten sich, und auch wenn die Häufigkeit<br />

der Korrespondenz nachliess, sie blieben<br />

auch im persönlichen Kontakt. In späteren<br />

Jahren wandten sich beide unabhängig<br />

vonein ander dem Okkultismus zu, Freud vor<br />

Editores Medicorum Helveticorum<br />

<strong>Bulletin</strong> <strong>des</strong> médecins <strong>suisses</strong> | <strong>Schweizerische</strong> Ärztezeitung | Bollettino dei medici svizzeri | 20<strong>13</strong>;94: <strong>13</strong>/<strong>14</strong><br />

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