04.04.2014 Aufrufe

christliche werte in wirtschaft und gesellschaft - Professorenforum

christliche werte in wirtschaft und gesellschaft - Professorenforum

christliche werte in wirtschaft und gesellschaft - Professorenforum

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

1<br />

CHRISTLICHE WERTE IN<br />

WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT<br />

SKRIPTUM ZUR GLEICHNAMIGEN VORLESUNG VON<br />

PROF. EM. DR. FRIEDRICH HANSSMANN<br />

FAKULTÄT FÜR BERIEBSWIRTSCHAFT<br />

UNIVERSITÄT MÜNCHEN (LMU)<br />

STAND: WS 2008/09


2<br />

INHALT<br />

Ziel <strong>und</strong> Kurzfassung 3<br />

TEIL I: EINLEITUNG 4<br />

Kap 1: Warum Systemanalyse? 5<br />

TEIL II: SYSTEMBEREICH: MATERIELLE UND IMMATERIELLE<br />

ERFOLGSFAKTOREN DER WIRTSCHAFT 9<br />

Kap 2: Bedeutung immaterieller Werte für den <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg 10<br />

Kap 3: Überlegenheit des <strong>christliche</strong>n Wertesystems: Begründungen <strong>und</strong><br />

Kontroverse 18<br />

Kap 4: Christliche Werte im Überblick 25<br />

Kap 5: Von <strong>christliche</strong>n Werten zum <strong>christliche</strong>n Glauben 31<br />

TEIL III: LEBENSBEREICH: DAS BEZIEHUNGSNETZ DES<br />

MENSCHEN 34<br />

Kap 6: Beziehungen zu den Menschen, den Sachen <strong>und</strong> zum S<strong>in</strong>n: e<strong>in</strong><br />

Gleichgewichtsproblem 35<br />

Kap 7: Personale Beziehungen 38<br />

Kap 8: Funktionale Beziehungen 52<br />

Kap 9: Transzendente Beziehungen: Weltsicht <strong>und</strong> S<strong>in</strong>n 62<br />

TEIL IV: SYSTEMBEREICH: HEMMFAKTOREN DER<br />

WIRTSCHAFTLICHEN UND GESELLSCHAFTLICHEN<br />

ENTWICKLUNG 78<br />

Kap 10: Von der <strong>wirtschaft</strong>lichen Wachstumstheorie zur Hemmtheorie:<br />

Vier Hemmfaktoren 79<br />

Kap 11: Hemmfaktor Staat 85<br />

Kap 12: Hemmfaktor Konzentration 99<br />

Kap 13: Hemmfaktor Nivellierung 105<br />

Kap 14: Hemmfaktor Desublimation 118<br />

TEIL V: KONSEQUENZEN 123<br />

Kap 15: Werte der Zukunft 124<br />

Zusammenfassung <strong>und</strong> Schlußwort 127<br />

LITERATURVERZEICHNIS 132


3<br />

ZIEL UND KURZFASSUNG<br />

I. Man kann die Aktivitäten der menschlichen Gesellschaft grob e<strong>in</strong>teilen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Systembereich (Wirtschaft <strong>und</strong> Politik) <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Lebensbereich<br />

(Familie, Kultur, Religion). Ziel dieser Vorlesung ist der Nachweis, daß die<br />

Wechselwirkungen zwischen diesen Bereichen viel stärker s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong> der<br />

herkömmlichen diszipl<strong>in</strong>ären Betrachtungsweise angenommen. Es ist daher<br />

notwendig, die <strong>in</strong> den Wirtschaftswissenschaften vernachlässigten Bereiche<br />

der menschlichen Verhaltensweisen, Motivationsstrukturen <strong>und</strong><br />

Organisationsformen durch e<strong>in</strong>e moderne, <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Systemanalyse<br />

<strong>in</strong> den Erklärungszusammenhang e<strong>in</strong>zubeziehen. Wir folgen dabei sehr<br />

<strong>in</strong>tensiv den empirischen Forschungsresultaten Millendorfers.<br />

II. Insbesondere ist es nicht möglich, den <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg alle<strong>in</strong><br />

<strong>wirtschaft</strong>s<strong>in</strong>tern befriedigend zu erklären. Es wird nachgewiesen, daß die<br />

Wirtschaftsleistung zwar vom materiellen Faktore<strong>in</strong>satz abhängt, aber<br />

darüber h<strong>in</strong>aus von immateriellen Erfolgsfaktoren, <strong>in</strong>sbesondere vom<br />

Wertesystem der beteiligten Menschen, entscheidend bee<strong>in</strong>flußt wird.<br />

Dabei spielt das <strong>christliche</strong> Wertesystem e<strong>in</strong>e herausragende Rolle. Die<br />

E<strong>in</strong>beziehung immaterieller Erfolgsfaktoren führt zu e<strong>in</strong>er neuen<br />

Wachstumstheorie.<br />

III. E<strong>in</strong>e genauere Analyse des Lebensbereichs führt auf e<strong>in</strong> Beziehungsnetz<br />

des Menschen, das die Beziehungen zu den Menschen, den Sachen <strong>und</strong> zum<br />

S<strong>in</strong>n umfaßt (personale, funktionale <strong>und</strong> transzendente Beziehungen). Die<br />

Ausgestaltung dieser Beziehungen, die von großer Bedeutung für alle<br />

<strong>gesellschaft</strong>lichen Bereiche ist, wird besonders vom Standpunkt <strong>christliche</strong>r<br />

Werte erörtert.<br />

IV. Nachdem e<strong>in</strong>e Wachstumstheorie entstanden ist, die immaterielle<br />

Faktoren e<strong>in</strong>bezieht, wird spiegelbildlich e<strong>in</strong>e "Hemmtheorie" entwickelt,<br />

die sich mit Faktoren befaßt, die die <strong>wirtschaft</strong>liche <strong>und</strong> <strong>gesellschaft</strong>liche<br />

Entwicklung beh<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> zu Stagnation <strong>und</strong> Krisen führen. Vier<br />

Hemmfaktoren werden empirisch nachgewiesen: Staat, Konzentration,<br />

Nivellierung, "Desublimation".<br />

V. Hieraus ergeben sich e<strong>in</strong>ige Pr<strong>in</strong>zipien für e<strong>in</strong>e gedeihliche<br />

Zukunftsentwicklung von Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft, auch kurz "Werte<br />

der Zukunft" genannt.


4<br />

TEIL I:<br />

EINLEITUNG


5<br />

KAP 1: WARUM SYSTEMANALYSE ?<br />

1.1. E<strong>in</strong>faches Gesellschaftsmodell<br />

Man kann die Aktivitäten der menschlichen Gesellschaft grob e<strong>in</strong>teilen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Systembereich (Wirtschaft <strong>und</strong> Politik) <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Lebensbereich (Familie, Kultur, Religion).<br />

Beide Bereiche s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>gebettet <strong>in</strong> die natürliche Umwelt. So entsteht das <strong>in</strong> Bild 1 skizzierte<br />

e<strong>in</strong>fache Gesellschaftsmodell.<br />

Nach herkömmlicher Betrachtungsweise (besonders durch die Brille des Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialwissenschaftlers) s<strong>in</strong>d Systembereich <strong>und</strong> Lebensbereich durch e<strong>in</strong>fache Beziehungen<br />

mite<strong>in</strong>ander verb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> besitzen komplexe <strong>in</strong>terne Mechanismen, die von den<br />

entsprechenden Diszipl<strong>in</strong>en untersucht werden (im Systembereich: Wirtschaftswissenschaft,<br />

Politikwissenschaft; im Lebensbereich: Soziologie, Sozialpsychologie, Anthropologie, ...).<br />

Die Beziehungen zwischen den Bereichen beschränken sich im Wesentlichen auf die<br />

Lieferung von Gütern <strong>und</strong> Dienstleistungen vom Systembereich an den Lebensbereich <strong>und</strong> die<br />

Bereitstellung von Arbeitskräften vom Lebensbereich an den Systembereich.<br />

1.2. Schwächen des e<strong>in</strong>fachen Modells<br />

Es ist e<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>these Millendorfers, die er auf jahrzehntelange <strong>in</strong>tensive empirische<br />

Forschung stützt, dass die Vermaschung zwischen Systembereich <strong>und</strong> Lebensbereich<br />

wesentlich komplexer ist. Millendorfer: „Untersuchungen, die auf e<strong>in</strong>er breiten empirischen<br />

Basis von der Studiengruppe für <strong>in</strong>ternationale Analysen <strong>in</strong> Wien seit mehr als 10 Jahren<br />

durchgeführt werden, zeigen, dass <strong>wirtschaft</strong>liche Zusammenhänge nicht losgelöst aus dem<br />

gesamt<strong>gesellschaft</strong>lichen Zusammenhang, sondern nur unter E<strong>in</strong>beziehung auch der anderen<br />

Subsysteme der Gesellschaft verstanden werden können. Insbesondere ist es notwendig, die <strong>in</strong><br />

der Wirtschaftstheorie vernachlässigten Bereiche der menschlichen Verhaltensweisen,<br />

Motivationsstrukturen <strong>und</strong> Organisationsformen <strong>in</strong> den Erklärungszusammenhang<br />

e<strong>in</strong>zubeziehen“ (Millendorfer 1984).<br />

Aufgr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Forschungsergebnisse konnte Millendorfer e<strong>in</strong> wesentlich reichhaltigeres<br />

<strong>und</strong> komplexeres Gesellschaftsmodell vorschlagen, das <strong>in</strong> Bild 2 skizziert ist, aber im<br />

E<strong>in</strong>zelnen erst am Ende unserer Darstellung verständlich werden kann. Millendorfer schreibt<br />

dazu: „Die vier Sektoren von Talcott-Parson Wirtschaft, Politik, Haushalte <strong>und</strong> Kultur s<strong>in</strong>d<br />

durch die aufgezeigten Mechanismen verb<strong>und</strong>en, die auch Zusammenhänge außerhalb der<br />

Bereiche betreffen. Im Sektor Wirtschaft s<strong>in</strong>d dick ausgezogen die Vorstellungen e<strong>in</strong>getragen,<br />

die den Kern der Wachstumstheorie bilden. Vergleichen wir die dick e<strong>in</strong>getragenen<br />

Zusammenhänge <strong>und</strong> vielen dünnen L<strong>in</strong>ien, welche die bisher mit der Systemanalyse<br />

aufgef<strong>und</strong>enen Wechselwirkungen symbolisieren, dann bekommen wir e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck,<br />

warum es uns nicht gelungen ist, die Krise zu meistern“ (Millendorfer 1984).<br />

Angesichts der e<strong>in</strong>fachen Annahmen von Bild 1, die nach Millendorfer im Wesentlichen auch<br />

die Auffassung von Politik <strong>und</strong> Wirtschaft widerspiegeln, <strong>und</strong> der komplexen Prozesse <strong>und</strong><br />

Mechanismen <strong>in</strong> Bild 2, die das <strong>gesellschaft</strong>liche System nach se<strong>in</strong>en Forschungsresultaten <strong>in</strong><br />

Wirklichkeit besitzt, kommt er zu dem Schluß: es fehlt e<strong>in</strong>fach an Kenntnissen über die<br />

komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch <strong>und</strong> System. Dies ist für ihn die Erklärung,<br />

dass die <strong>wirtschaft</strong>liche Krise bisher nicht gemeistert werden konnte.


6<br />

Bild 1<br />

E<strong>in</strong>faches Gesellschaftsmodell<br />

Lebensbereich<br />

(Familie, Kultur, Religion,...)<br />

Arbeitskraft<br />

Güter <strong>und</strong><br />

Dienstleistungen<br />

Systembereich<br />

(Wirtschaft, Politik,...)<br />

Natürliche Umwelt


7<br />

Bild 2<br />

Die Gesellschaft als System empirisch beobachteter<br />

<strong>und</strong> theoretisch <strong>in</strong>terpretierbarer Mechanismen


8<br />

1.3. Moderne Systemanalyse<br />

In dieser Situation ist dr<strong>in</strong>gend notwendig, das <strong>in</strong> die Krise geratene System Gesellschaft <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>en Mechanismen <strong>und</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Wechselwirkungen mit dem ökologischen System besser<br />

zu verstehen, um wirksame Maßnahmen setzen zu können, die zu e<strong>in</strong>er gerechten<br />

<strong>in</strong>dustriellen Entwicklung führen, das heißt zu e<strong>in</strong>er Entwicklung, <strong>in</strong> der die Menschen die<br />

Möglichkeit zur Gestaltung e<strong>in</strong>es s<strong>in</strong>nerfüllten Lebens besitzen. Dies ist nach Millendorfer<br />

nur durch umfassende Untersuchungen der Mechanismen der <strong>gesellschaft</strong>lichen Entwicklung<br />

möglich, bei denen weit <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är ausgeholt wird. Als e<strong>in</strong>e Methode für umfassende<br />

Untersuchungen komplexer Systeme bietet sich aus se<strong>in</strong>er Sicht die moderne Systemanalyse<br />

an.<br />

Moderne Systemanalyse <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n lässt sich durch folgende konstitutive Eigenschaften<br />

charakterisieren:<br />

1. Sie arbeitet ganzheitlich, d.h. bei Untersuchung e<strong>in</strong>es Bereichs oder Subsystems<br />

bezieht sie die damit <strong>in</strong> Wechselwirkung stehenden anderen Bereiche oder<br />

Subsysteme mit e<strong>in</strong> (Systemstandpunkt).<br />

2. Daher arbeitet sie notwendig <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>är.<br />

3. Sie arbeitet empirisch auf Gr<strong>und</strong>lage e<strong>in</strong>er breiten empirischen Datenbasis. Diese<br />

wird mit modernsten <strong>in</strong>formationstechnischen Verfahren verarbeitet <strong>und</strong><br />

analysiert.<br />

4. Nur empirisch bestätigte Zusammenhänge <strong>und</strong> Erkenntnis werden endgültig<br />

akzeptiert.


9<br />

TEIL II:<br />

SYSTEMBEREICH:<br />

MATERIELLE UND IMMATERIELLE<br />

ERFOLGSFAKTOREN DER WIRTSCHAFT


10<br />

KAP 2: BEDEUTUNG IMMATERIELLER WERTE FÜR DEN<br />

WIRTSCHAFTLICHEN ERFOLG<br />

Als Wirtschaftswissenschaftler s<strong>in</strong>d wir zunächst <strong>und</strong> primär am Systembereich <strong>in</strong>teressiert.<br />

E<strong>in</strong>e zentrale Fragestellung ist die nach den E<strong>in</strong>flußgrößen der <strong>wirtschaft</strong>lichen Leistung <strong>und</strong><br />

des <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolgs e<strong>in</strong>er Wirtschaftse<strong>in</strong>heit. E<strong>in</strong>e Wirtschaftse<strong>in</strong>heit kann dabei e<strong>in</strong>e<br />

Volks<strong>wirtschaft</strong>, Regional<strong>wirtschaft</strong>, Branche, e<strong>in</strong>zelne Firma oder e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner Betrieb se<strong>in</strong>.<br />

2.1. Materielle Faktoren reichen nicht aus<br />

Auf volks<strong>wirtschaft</strong>licher Ebene hat die Wissenschaft Zusammenhänge zwischen<br />

<strong>wirtschaft</strong>licher Leistung <strong>und</strong> gewissen E<strong>in</strong>flußgrößen <strong>in</strong> Gestalt volks<strong>wirtschaft</strong>licher<br />

Produktionsfunktionen formuliert. So be<strong>in</strong>haltet die bekannte Cobb-Douglas-Funktion e<strong>in</strong>en<br />

Zusammenhang zwischen Nationale<strong>in</strong>kommen Y (als Erfolgsmaß) <strong>und</strong> dem Arbeitse<strong>in</strong>satz A<br />

<strong>und</strong> Kapitale<strong>in</strong>satz C (als Erfolgsfaktoren):<br />

(1) Y = a A α C β<br />

Hierbei bedeuten:<br />

Ferner gilt:<br />

(2) α+β = 1<br />

Y = Nationale<strong>in</strong>kommen<br />

A = Zahl der Beschäftigten<br />

C = beschäftigtes Kapital<br />

a = Effizienzparameter<br />

α = Produktionselastizität der Arbeit<br />

β = Produktionselastizität des Kapitals<br />

Führen wir noch die pro-Kopf-Größen<br />

y = Nationale<strong>in</strong>kommen pro Kopf (der beschäftigen Bevölkerung)<br />

m= Kapitale<strong>in</strong>satz pro Kopf (der beschäftigten Bevölkerung)<br />

e<strong>in</strong>, so gilt per def<strong>in</strong>itionem:<br />

(3) y = Y/A<br />

(4) m = C/A<br />

Dividieren wir Gl. 1 durch A <strong>und</strong> beachten Gl. 2, so ergibt sich<br />

(5) y = a m ß<br />

als äquivalente Form der Cobb-Douglas-Funktion.


11<br />

Vom Standpunkt e<strong>in</strong>er empirischen Wissenschaft ergibt sich nun die Herausforderung, den<br />

Zusammenhang von Gl. 5 empirisch nachzuweisen <strong>und</strong> die Zahlen<strong>werte</strong> der Parameter a <strong>und</strong><br />

β zu schätzen. Hierzu benötigen wir Daten für y <strong>und</strong> m für möglichst viele Volks<strong>wirtschaft</strong>en.<br />

Daß dabei enorme Datenerfassungsprobleme auftreten, ist e<strong>in</strong>leuchtend. Zunächst muß e<strong>in</strong><br />

geme<strong>in</strong>samer Währungsnenner für die Nationale<strong>in</strong>kommen gef<strong>und</strong>en werden. Noch<br />

schwieriger ist die Erfassung des Kapitale<strong>in</strong>satzes, sodaß Millendorfer schließlich auf e<strong>in</strong>e<br />

physische Maßgröße ausweicht, nämlich e<strong>in</strong>en Energie<strong>in</strong>dikator, da anerkannt ist, dass der<br />

Energieverbrauch mit dem Kapitalstock korreliert.<br />

S<strong>in</strong>d die Daten verfügbar, so können die Parameter a <strong>und</strong> β nach Logarithmierung von Gl. 5<br />

durch l<strong>in</strong>eare Regression geschätzt werden, <strong>und</strong> man kann die Qualität des statistischen fits<br />

prüfen. Dabei zeigten sich erhebliche unerklärte Residuen. Die üblichen materiellen<br />

Erklärungsfaktoren für die <strong>wirtschaft</strong>liche Leistung reichen also nicht aus.<br />

2.2. Bildung als immaterieller Erklärungsfaktor nach Millendorfer<br />

Die Produktionsfunktion von Gl. 5 wurde im Lauf der Forschunsarbeiten Millendorfers weiter<br />

entwickelt, bis e<strong>in</strong>e Beseitigung der unerklärten Residuen gelang. Als wesentlicher<br />

zusätzlicher Erklärungsfaktor stellte sich der Bildungsstand heraus, der durch e<strong>in</strong>en<br />

geeigneten Index gemessen wurde. Ferner spielte das Gleichgewicht oder Ungleichgewicht<br />

zwischen Kapitale<strong>in</strong>satz <strong>und</strong> Bildungs<strong>in</strong>vestitionen e<strong>in</strong>e Rolle. Schließlich wurden auch die <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Volks<strong>wirtschaft</strong> geförderten Bodenschätze als zusätzlicher Beitrag zur <strong>wirtschaft</strong>lichen<br />

Leistung berücksichtigt. Insgesamt entstand folgende "allgeme<strong>in</strong>e Produktionsfunktion":<br />

(6) y = a m ß e b GL + 0.8 q<br />

wobei e die Zahl e bedeutet <strong>und</strong> der Gleichgewichtsfaktor GL wie folgt def<strong>in</strong>iert ist:<br />

(7) GL = [(1/2) (m ß /e b ) -ρ + (1/2) (e b /m ß ) -ρ ] -1/ρ<br />

Dabei gelten folgendeDef<strong>in</strong>itionen der Symbole:<br />

y = Nationale<strong>in</strong>kommen pro Kopf (der beschäftigten Bevölkerung)<br />

m= Kapitale<strong>in</strong>satz pro Kopf (der beschäftigten Bevölkerung),<br />

gemessen mit Energie<strong>in</strong>dikatoren<br />

b = Bildungsstand, gemessen als Bestand an Gebildeten <strong>in</strong> den verschiedenen<br />

Kategorien <strong>in</strong> Prozent der Gesamtbevölkerung; Schätzungen mit Lesek<strong>und</strong>igkeit<br />

ergeben e<strong>in</strong>en time lag von 13 Jahren für die <strong>wirtschaft</strong>liche Auswirkung<br />

q = Index der Bodenschätze (geförderte Bodenschätze pro Kopf)<br />

a = Effizienzparameter<br />

β= Produktionselastizität des Kapitals (ökonometrisch ermitelter Wert β= 0.25)<br />

ρ= Limitationalitätskonstante (ökonometrisch ermittelter Wert ρ= 0.6)<br />

In der allgeme<strong>in</strong>en Produktionsfunktion von Gl. 6 erkennen wir e<strong>in</strong>en exponentiellen E<strong>in</strong>fluß<br />

des Bildungsstandes, der sich damit als der bei weitem wirkungsstärkste Faktor der<br />

Wirtschaftsleistung erweist. Etwaige Ungleichgewichte zwischen Kapital <strong>und</strong> Bildung werden<br />

durch den "Limitationalitätsausdruck" von Gl. 7 berücksichtigt: im Gleichgewichtsfall


12<br />

(m expβ = e exp b) nimmt er den Wert 1 an, <strong>in</strong> allen anderen Fällen e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>eren Wert. Der<br />

schwächere Faktor wird zum "Engpaß". Der ökonometrische Wert β = 0.25 zeigt, dass der<br />

Kapitale<strong>in</strong>satz die <strong>wirtschaft</strong>liche Leistung unterproportional bee<strong>in</strong>flusst.<br />

Milendorfer: "Die allgeme<strong>in</strong>e Produktionsfunktion wurde Ende der 60er Jahre <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Querschnittsuntersuchung für alle Länder der Welt entwickelt. Neue Untersuchungen zeigen,<br />

dass ihr Erklärungswert der <strong>wirtschaft</strong>lichen Leistung <strong>und</strong> ihre Signifikanz unverändert<br />

extrem hoch s<strong>in</strong>d. Dieser hohe Erklärungswert kommt von der E<strong>in</strong>führung der Bildung als<br />

Produktionsfaktor zusätzlich zu den <strong>in</strong> der üblichen Cobb-Douglas-Funktion verwendeten<br />

Faktoren Kapital <strong>und</strong> Arbeit. Dadurch werden die unerklärten Residuen dieser Funktion, d.h.<br />

deren Fehler, beseitigt". Damit ist e<strong>in</strong> erster wichtiger Nachweis erbracht, daß zur Erklärung<br />

der <strong>wirtschaft</strong>lichen Leistung auch immaterielle Faktoren bzw. Faktoren des Lebensbereichs<br />

herangezogen werden müssen.<br />

2.3. Korrelation von volks<strong>wirtschaft</strong>licher Effizienz <strong>und</strong> Religion nach<br />

Millendorfer<br />

Weitere immaterielle E<strong>in</strong>flüsse verbergen sich h<strong>in</strong>ter dem Effizizienzparameter a, für den ke<strong>in</strong><br />

ökonometrisch ermittelter Zahlenwert angegeben wurde. Er nimmt nämlich für verschiedene<br />

Regionen der Welt unterschiedliche Zahlen<strong>werte</strong> an. Doch hören wir Millendorfer: "Der<br />

Effizienzparameter a beschreibt das Verhältnis zwischen dem E<strong>in</strong>satz der Faktoren Arbeit,<br />

Kapital <strong>und</strong> Bildung <strong>und</strong> dem Ergebnis dieses E<strong>in</strong>satzes, nämlich der <strong>wirtschaft</strong>lichen<br />

Leistung. Er ist nicht e<strong>in</strong> Wohlstandsmaß, sondern e<strong>in</strong> Maß für den Wirkungsgrad des<br />

Faktore<strong>in</strong>satzes. Er ergibt sich aus der Berechnung der allgeme<strong>in</strong>en Produktionsfunktion für<br />

die verschiedenen Ländergruppen; dabei zeigt sich, dass er verschiedene Werte für<br />

verschiedene Regionen der Welt besitzt. Trägt man diese Werte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Landkarte e<strong>in</strong>, ergibt<br />

sich e<strong>in</strong> überraschendes Bild, nämlich so etwas wie e<strong>in</strong>e Religionslandkarte: die <strong>christliche</strong>n<br />

Länder s<strong>in</strong>d die effizientesten, d.h. sie brauchen für e<strong>in</strong>e bestimmte <strong>wirtschaft</strong>liche Leistung<br />

den ger<strong>in</strong>gsten Faktore<strong>in</strong>satz". Diese Landkarte ist <strong>in</strong> Bild 1 dargestellt <strong>und</strong> <strong>in</strong> Bild 2 näher<br />

erläutert.<br />

Wir halten also fest: die Effizienz des Faktore<strong>in</strong>satzes ist <strong>in</strong> fünf Großzonen der Welt<br />

verschieden hoch. Diese Großzonen, die nur aus <strong>wirtschaft</strong>lichen Daten berechnet wurden,<br />

haben Ähnlichkeit mit e<strong>in</strong>er Religionslandkarte. Wir konstatieren damit e<strong>in</strong>e empirisch<br />

nachgewiesene Korrelation zwischen volks<strong>wirtschaft</strong>licher Effizienz <strong>und</strong> religiösem<br />

Wertesystem. Diese Korrelation soll später genauer erörtert werden. Zunächst halten wir<br />

Millendorfers These fest: "Das Neue an der allgeme<strong>in</strong>en Produktionsfunktion ist die<br />

E<strong>in</strong>führung von im eigentlichen S<strong>in</strong>n nicht-ökonomischen Variablen zur Erklärung von<br />

ökonomischen Ersche<strong>in</strong>ungen: um Wirtschaft zu verstehen, muß man über die Wirtschaft<br />

h<strong>in</strong>ausblicken. Wir werden im Folgenden sehen, dass dies e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Gr<strong>und</strong>satz zum<br />

Verständnis <strong>wirtschaft</strong>licher Zusammenhänge ist". Der E<strong>in</strong>fluß des Lebensbereichs beg<strong>in</strong>nt<br />

sich abzuzeichnen. Wir werfen ferner noch e<strong>in</strong>en Blick auf ähnliche empirische<br />

Untersuchungen anderer Autoren.


13<br />

Bild 1<br />

Landkarte der Effizienzzonen


14<br />

Bild 2<br />

Länderzugehörigkeit zu den Effizienzzonen<br />

(<strong>in</strong> abnehmender Ordnung)<br />

Zone Nr<br />

Geographische Gebiete<br />

1 Protestantische Gebiete von Zentral<strong>und</strong><br />

Nordeuropa, Nordamerika,<br />

Australien, Neuseeland<br />

2 Katholische Gebiete von Südeuropa,<br />

Orthodoxe Gebiete, frühere <strong>christliche</strong><br />

Gebiete um das Mittelmeer, Südafrikanische<br />

Union<br />

3 Zentral- <strong>und</strong> Südamerika, Japan<br />

4 Indien, Ch<strong>in</strong>a, Indonesien, Teile von<br />

Südamerika, Teile von Afrika<br />

5 Teile von Zentralafrika


15<br />

2.4. Korrelation von nationaler Wirtschaftsleistung <strong>und</strong> Religion nach<br />

Hoffmann/Härle<br />

In ihrer Untersuchung "Religion als strategischer Erfolgsfaktor" präsentieren Hoffmann/Härle<br />

empirische Daten zum BSP pro Kopf für verschiedene Nationen (Bild 3). Sie stellen fest, daß<br />

die 20 Nationen mit dem höchsten BSP pro Kopf fast ausschließlich von <strong>christliche</strong>n<br />

Religionen geprägt s<strong>in</strong>d. Ihr eigener Kommentar:<br />

"Religion wirkt über die von ihr vermittelten Werte auch auf die Wirtschaft <strong>und</strong> wird aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> als wichtige - für den Beg<strong>in</strong>n der Industrialisierung gar als ausschlaggebende -<br />

Determ<strong>in</strong>ante <strong>wirtschaft</strong>lichen Verhaltens gesehen. Auch wenn vor allem <strong>in</strong> Ländern des<br />

westlichen Kulturkreises die Religion ihren unmittelbaren E<strong>in</strong>fluß weitgehend e<strong>in</strong>gebüßt hat,<br />

ist e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen Religionszugehörigkeit <strong>und</strong> <strong>wirtschaft</strong>lichem Erfolg<br />

empirisch nicht von der Hand zu weisen. Wie Bild 3 zeigt, bef<strong>in</strong>den sich unter den 20<br />

Nationen mit dem höchsten Bruttosozialprodukt pro Kopf (Basis 1987) neben den<br />

Vere<strong>in</strong>igten Arabischen Emiraten, Kuwait <strong>und</strong> Katar, - also Ländern mit reichen<br />

Ölvorkommen - <strong>und</strong> Japan nur Länder, die von <strong>christliche</strong>n Religionen geprägt s<strong>in</strong>d"<br />

(Hoffmann/Härle 1992, S. 195).<br />

2.5. Korrelation von Wirtschaftsleistung <strong>und</strong> Religionsgebieten nach<br />

"Wirtschaftswoche"<br />

Während Hoffmann/Härle die Wirtschaftsleistung nationaler Gebiete untersuchen, geht e<strong>in</strong>e<br />

Veröffentlichung der "Wirtschaftswoche" über "Religionen, Kulturen, Wohlstand" von<br />

vornhere<strong>in</strong> von Religionsgebieten aus <strong>und</strong> ordnet ihnen ihre Wirtschaftsleistung zu, gemessen<br />

durch BIP pro Kopf (Bild 4). Dabei stellen sich ganz erhebliche Unterschiede <strong>in</strong> der<br />

Wirtschaftsleistung heraus, sodaß auch hier e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen<br />

Religionszugehörigkeit der Bevölkerungsmehrheit <strong>und</strong> <strong>wirtschaft</strong>lichem Erfolg empirisch<br />

nachgewiesen ist. Wiederum zeichnen sich die christlich bee<strong>in</strong>flussten Gebiete durch<br />

besonders hohe Wirtschaftsleistung aus.<br />

2.6. Korrelation von zunehmendem <strong>christliche</strong>n E<strong>in</strong>fluß <strong>und</strong><br />

<strong>wirtschaft</strong>licher <strong>und</strong> sozialer Ges<strong>und</strong>ung <strong>in</strong> Zentral- <strong>und</strong> Südamerika<br />

Berger, e<strong>in</strong> führender Vertreter von "cultural economics", präsentiert empirische Evidenz,<br />

dass das phänomenale Wachstum des evangelikalen Protestantismus <strong>in</strong> Zentral- <strong>und</strong><br />

Südamerika von e<strong>in</strong>er ebenso erstaunlichen <strong>wirtschaft</strong>lichen <strong>und</strong> sozialen Ges<strong>und</strong>ung<br />

begleitet war (Hanssmann 2001, S. 40; Berger 1994).


16<br />

Bild 3<br />

Nationale Wirtschaftsleistung <strong>und</strong> Religion<br />

Land BSP/Kopf <strong>in</strong> $ Religionszugehörig-<br />

(1987) keit (überwiegend)<br />

_____________________________________________________________<br />

Schweiz 21250 Kath/Protestantisch<br />

USA 18430 Protestantisch<br />

Norwegen 17110 Protestantisch<br />

Island 16670 Protestantisch<br />

Luxemburg 15860 Katholisch<br />

Japan 15770 Sh<strong>in</strong>toistisch<br />

Schweden 15690 Protestantisch<br />

V. Arab. Emirate 15680 Islamisch<br />

Kanada 15080 Katholisch<br />

Dänemark 15010 Protestantisch<br />

Kuwait 14870 Islamisch<br />

B<strong>und</strong>esrepublik 14460 Protestantisch/Kath<br />

F<strong>in</strong>nland 14370 Protestantisch<br />

Frankreich 12860 Katholisch<br />

Katar 12360 Islamisch<br />

Österreich 11970 Katholisch<br />

Niederlande 11860 Kath/Protestantisch<br />

Belgien 11360 Kath/Protestantisch<br />

Australien 10900 Protestantisch<br />

Großbritannien 10430 Protestantisch


17<br />

Bild 4<br />

Religionen, Kulturen, Wohlstand


18<br />

KAP 3: ÜBERLEGENHEIT DES CHRISTLICHEN WERTESYSTEMS:<br />

BEGRÜNDUNGEN UND KONTROVERSE<br />

3.1. Korrelation <strong>und</strong> Kausalität<br />

Nachdem <strong>in</strong> Kapitel 2 Korrelationen zwischen religiösem E<strong>in</strong>fluß <strong>und</strong> Wirtschaftsleistung<br />

nachgewiesen wurden, ergibt sich – wie bei allen statistischen Korrelationen – die Frage nach<br />

der Kausalität. Bei diesem <strong>in</strong> der Wissenschaft wohlbekannten <strong>und</strong> schwierigen methodischen<br />

Problem ist folgendes zu beachten.<br />

1. Die Existenz e<strong>in</strong>er Korrelation ist e<strong>in</strong>e notwendige, aber ke<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung für<br />

Kausalität. Ist sie nicht erfüllt, so ist die Hypothese der Kausalität widerlegt (falsifiziert) <strong>und</strong><br />

zu verwerfen.<br />

2. Ist sie erfüllt, so muß die Hypothese der Kausalität darüber h<strong>in</strong>aus auch theoretisch<br />

begründbar se<strong>in</strong>.<br />

3. Gibt es konkurrierende Hypothesen, die sowohl den Korrelationstest erfüllen als auch<br />

theoretisch begründbar s<strong>in</strong>d, so kann man sich für die Hypothese entscheiden, deren<br />

Begründung man für e<strong>in</strong>leuchtender hält.<br />

4. Kommt man auf diese Weise zu ke<strong>in</strong>er Entscheidung, so bleibt als Ausweg nur noch das<br />

kontrollierte Experiment. E<strong>in</strong> Faktor, der als kausal nachgewiesen werden soll, muß<br />

experimentell verändert werden, während alle anderen Faktoren (möglichst) konstant gehalten<br />

werden. Resultiert die Veränderung <strong>in</strong> der bei Kausalität zu erwartenden Veränderung der<br />

abhängigen Größe, so ist die Hypothese der Kausalität zu akzeptieren.<br />

3.2. Konkurrierende Erklärungen der <strong>wirtschaft</strong>lichen Leistung<br />

Nachdem die Korrelation zwischen vorherrschenden religiösem Wertesystem <strong>und</strong><br />

<strong>wirtschaft</strong>licher Leistung (bzw. Effizienz) empirisch erwiesen ist, kann man versuchen, die<br />

großen geographischen Unterschiede der Wirtschaftsleistung durch andere Faktoren zu<br />

erklären, die ebenfalls mit der Wirtschaftsleistung korrelieren. Wir geben im Folgenden e<strong>in</strong>ige<br />

Beispiele, die diskutiert worden s<strong>in</strong>d.<br />

1. Klima. Das Klima, das <strong>in</strong> der Tat <strong>in</strong> den Zonen niedriger Effizienz besonders belastend <strong>und</strong><br />

ermüdend ist, kann als Erklärungsfaktor für die großen Effizienz- <strong>und</strong><br />

Entwicklungsunterschiede <strong>in</strong> Betracht gezogen werden. Es besteht also e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Korrelation mit der Wirtschaftsleistung. Kolonialherrschaft <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationale<br />

Direkt<strong>in</strong>vestitionen haben aber längst gezeigt, dass man auch <strong>in</strong> den klimatisch ungünstigen<br />

Gebieten effizient arbeiten kann, wenn man das erforderliche Wertesystem mitbr<strong>in</strong>gt<br />

(S<strong>in</strong>gapur, Hongkong u.a.). Diese Beobachtung kann an die Stelle e<strong>in</strong>es kontrollierten<br />

Experiments treten. Indien ist zwar e<strong>in</strong> klimatisch ungünstiges Land, aber die kausalen<br />

Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ien zwischen dem religiösen Wertesystem <strong>und</strong> dem alle Motivierung <strong>und</strong><br />

Entwicklung lähmenden Kastensystem s<strong>in</strong>d zu offenk<strong>und</strong>ig, um das <strong>gesellschaft</strong>liche<br />

Wertesystem als entscheidenden Faktor von der Hand zu weisen. Der <strong>wirtschaft</strong>liche<br />

Aufbruch der jüngsten Zeit wird weitestgehend von den oberen Kasten getragen, die seit<br />

Generationen Englisch sprechen <strong>und</strong> westliche Werte assimiliert haben.<br />

2. Kolonialherrschaft. Auch die Kolonialherrschaft musste schon als Erklärungsgr<strong>und</strong> für<br />

<strong>wirtschaft</strong>liche Ineffizienz <strong>und</strong> <strong>wirtschaft</strong>lichen Rückstand herhalten. Der nach dieser


19<br />

Hypothese zu erwartende <strong>wirtschaft</strong>liche Quantensprung nach Aufhebung der<br />

Kolonialherrschaft ist durchweg ausgeblieben, soweit er nicht sogar e<strong>in</strong> Sprung nach unten<br />

war. Dieses "Experiment" bestätigt also ke<strong>in</strong>e negative Korrelation zwischen<br />

Wirtschaftsleistung <strong>und</strong> Kolonialherrschaft.<br />

3. Ausstattung. Auch die Ausstattung mit natürlichen Ressourcen wurde als Erklärung<br />

vorgeschlagen. Wir erkennen jedoch aus den empirischen Daten, dass das ressourcenarme<br />

Deutschland e<strong>in</strong>e besonders hohe Wirtschaftsleistung erbr<strong>in</strong>gt <strong>und</strong> das ressourcenarme Japan<br />

immerh<strong>in</strong> noch e<strong>in</strong>e höhere Leistung erreicht als das ressourcenreiche Ch<strong>in</strong>a, das se<strong>in</strong>e<br />

reichen Bodenschätze kaum berührt hat. Ressourcenarme Länder können gerade aufgr<strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong>es kreativitätsfördernden Wertesystems <strong>wirtschaft</strong>lich erstaunlich florieren. Im Übrigen<br />

s<strong>in</strong>d die Bodenschätze <strong>in</strong> der allgeme<strong>in</strong>en Produktionsfunktion Millendorfers bereits als<br />

Erklärungsfaktor der Wirtschaftsleistung berücksichtigt, der aber nur e<strong>in</strong>en Teilbeitrag liefert<br />

<strong>und</strong> auf die Effizienz des Faktore<strong>in</strong>satzes ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluß hat.<br />

4. Überlegenheit der weißen Rasse. Dieser Hypothese kann das südamerikanische Beispiel<br />

entgegengehalten werden, wo e<strong>in</strong>e nicht-weiße Bevölkerung unter <strong>christliche</strong>m E<strong>in</strong>fluß sozial<br />

<strong>und</strong> <strong>wirtschaft</strong>lich ges<strong>und</strong>ete. Wiederum fast e<strong>in</strong> Experiment, das den <strong>christliche</strong>n E<strong>in</strong>fluß als<br />

den wahren Kausalfaktor nahe legt.<br />

5. Markt<strong>wirtschaft</strong>liches System. Dieses besteht zweifellos den Korrelationstest. Doch<br />

zeigen viele Experimente nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems, dass die<br />

E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er Markt<strong>wirtschaft</strong> nicht automatisch zu erfreulichen <strong>wirtschaft</strong>lichen<br />

Ergebnissen führt, besonders wenn das zugehörige Wertesystem fehlt, das letztlich aus<br />

<strong>christliche</strong>n Wurzeln hervorg<strong>in</strong>g.<br />

Nach Prüfung der konkurrierenden Erklärungen kommen wir also zu dem Schluß, dass die<br />

religiösen Wertesysteme der entscheidende Kausalfaktor für den <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg s<strong>in</strong>d.<br />

3.3. Überlegenheit des <strong>christliche</strong>n Wertesystems: Inhaltliche<br />

Begründungen<br />

Die empirischen Untersuchungen s<strong>in</strong>d damit so zu <strong>in</strong>terpretieren, dass das <strong>christliche</strong><br />

Wertesystem h<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Auswirkung auf <strong>wirtschaft</strong>liche Leistung <strong>und</strong> Produktivität<br />

überlegen ist. Dies soll nun auch <strong>in</strong>haltlich durch die empirischen Forscher selbst begründet<br />

werden.<br />

Aus se<strong>in</strong>er Landkarte der Effizienzzonen konnte Millendorfer ersehen: "Die <strong>christliche</strong>n<br />

Länder s<strong>in</strong>d die effizientesten, das heißt sie brauchen für e<strong>in</strong>e bestimmte Wirtschaftsleistung<br />

den ger<strong>in</strong>gsten Faktore<strong>in</strong>satz". Er kommentiert dieses Ergebnis wie folgt:<br />

Die Erklärung dieser aus re<strong>in</strong>en Wirtschaftsdaten gewonnenen Beobachtung ist nicht e<strong>in</strong>fach. Schon Max Weber<br />

hat versucht, e<strong>in</strong>e höhere Wirtschaftsleistung auf die protestantische Ethik zurückzuführen. Dieser Versuch kann<br />

jedoch nicht für Beobachtungen verwendet werden, die die ganze Welt umfassen. E<strong>in</strong> Ansatz zur Erklärung<br />

kommt von e<strong>in</strong>er ganz anderen Seite:<br />

Der Nationalökonom Schumpeter beschreibt e<strong>in</strong>en Unternehmertyp, der deswegen Gew<strong>in</strong>n hat, weil er nicht am<br />

Gew<strong>in</strong>n klebt, sondern diesen als Nebenprodukt se<strong>in</strong>er eigentlichen Tätigkeit, der kreativen Komb<strong>in</strong>ation der<br />

Produktionsfaktoren, ansieht. Dies deutet auf e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>ere Ersche<strong>in</strong>ung h<strong>in</strong>: Es ist notwendig, Distanz zu<br />

den D<strong>in</strong>gen zu haben, um sie optimal zu bewältigen. Das, woran man klebt, erreicht man schlecht. Erfolgszwang<br />

führt nicht zum Erfolg. E<strong>in</strong> Beispiel s<strong>in</strong>d die gefürchteten Vorführeffekte. Um Aufgaben optimal zu bewältigen,<br />

brauchen wir also e<strong>in</strong> Wertesystem, das uns bei großem Engagement <strong>in</strong> diesen Aufgaben zugleich Distanz gibt.


20<br />

Als e<strong>in</strong>ziges Wertesystem, das uns auf Aufgaben <strong>in</strong> dieser Welt verweist <strong>und</strong> zugleich Distanz von dieser Welt<br />

gibt, erkennen wir das Evangelium mit se<strong>in</strong>em In-der-Welt-se<strong>in</strong> jedoch nicht Von-der-Welt-se<strong>in</strong>, mit se<strong>in</strong>er<br />

Forderung, <strong>in</strong> dieser Welt die Hungernden zu speisen <strong>und</strong> die Dürstenden zu tränken, <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Aussage, daß<br />

diese Welt nicht unsere Heimat ist. Die dadurch geprägte Verhaltensweise e<strong>in</strong>er Distanz bei großem Engagement<br />

ist die Ursache der beobachteten hohen Effizienz <strong>in</strong> <strong>christliche</strong>n Ländern. Je mehr wir deren Wurzeln<br />

untergraben, umso mehr schw<strong>in</strong>det sie dah<strong>in</strong>, wie wir jetzt beobachten (Millendorfer 1984:72).<br />

Hoffmann/Härle hatten ihre Forschungsergebnisse mit dem Satz begründet: "Religion wirkt<br />

über die von ihr vermittelten Werte auch auf die Wirtschaft <strong>und</strong> wird aus diesem Gr<strong>und</strong> als<br />

wichtige – für den Beg<strong>in</strong>n der Industrialisierung gar als ausschlaggebende – Determ<strong>in</strong>ante des<br />

<strong>wirtschaft</strong>lichen Verhaltens gesehen".<br />

Zum phänomenalen Wachstum des evangelikalen Protestantismus <strong>in</strong> Zentral- <strong>und</strong> Südamerika<br />

<strong>und</strong> dessen <strong>wirtschaft</strong>lichen Auswirkungen führt Berger aus:<br />

Die sorgfältigste Studie des evangelikalen Phänomens verdanken wir der Arbeit des britischen Soziologen David<br />

Mart<strong>in</strong> <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Mitarbeiter .... Diese Arbeit zeigt, daß Bekehrung zum Protestantismus oft nicht weniger als<br />

e<strong>in</strong>e Kulturrevolution hervorbr<strong>in</strong>gt .... Diese sozialen Veränderungen gehen Hand <strong>in</strong> Hand mit ähnlichen<br />

Veränderungen im <strong>wirtschaft</strong>lichen Verhalten. Die empirische Evidenz zeigt, daß Menschen <strong>in</strong> diesen Kirchen<br />

dieselben Tugenden zu praktizieren beg<strong>in</strong>nen, die Weber als "protestantische Ethik" bezeichnete. (In der Tat<br />

faßte e<strong>in</strong> Kommentator der Arbeit Mart<strong>in</strong>s dessen Entdeckungen mit der Bemerkung zusammen: "Max Weber is<br />

alive and well and liv<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Guatemala").<br />

Dies ist e<strong>in</strong>e Ethik der Diszipl<strong>in</strong> <strong>und</strong> Selbstverleugnung, der harten Arbeit, des Sparens statt des Verbrauchs <strong>und</strong><br />

der systematischen Planung für die Zukunft. Zwar ist der heutige late<strong>in</strong>amerikanische Protestantismus - im<br />

Gegensatz zu se<strong>in</strong>en angelsächsischen Vorgängern - oft pentecostalen (pfl<strong>in</strong>gstlerischen) Charakters, das heißt er<br />

zeichnet sich durch e<strong>in</strong>en hochemotionalen, sogar euphorischen Anbetungsstil aus. Aber diese emotionale<br />

Prägung sche<strong>in</strong>t der neuen Nüchternheit des täglichen Lebens nicht im Wege zu stehen <strong>und</strong> fördert sie vielleicht<br />

sogar (Berger 1994:104-105).<br />

Die Beratungsfirma Mc K<strong>in</strong>sey veröffentlichte Bergers Ergebnisse unter der Überschrift<br />

"Reth<strong>in</strong>k<strong>in</strong>g Economics". Berger selbst gab se<strong>in</strong>em Artikel den bezeichnenden Titel "The<br />

Gross National Produkt and the Gods". Die E<strong>in</strong>wände der Ökonomen vorwegnehmend, führt<br />

Berger aus:<br />

....zahlreiche Ökonomen behaupten, da wir <strong>in</strong> <strong>wirtschaft</strong>lichen Angelegenheiten "rationale Akteure" seien,<br />

müßten wir <strong>in</strong> unseren anderen Lebensgebieten ebenso rational se<strong>in</strong>. Natürlich führt mich das zu der Frage,<br />

warum wir den Leuten, die <strong>in</strong> der Aufklärung, geschweige denn <strong>in</strong> der Vorhersage der Funktionsweise des<br />

Marktes so bemerkenswert erfolglos waren, zutrauen sollten, daß sie unsere geme<strong>in</strong>samen Interpretationen von<br />

Politik <strong>und</strong> sozialem Leben formen könnten (Berger 1994:97).<br />

Im Zusammenhang mit protestantischer Ethik werden auch falsche <strong>in</strong>haltliche Begründungen<br />

angeboten. Sehr entschieden muß man der Behauptung widersprechen, protestantische <strong>und</strong><br />

besonders calv<strong>in</strong>istische Christen seien auf <strong>wirtschaft</strong>lichem Gebiet besonders engagiert <strong>und</strong><br />

erfolgreich, um sich <strong>und</strong> anderen zu beweisen, dass sie bei Gott besonders gut dastehen <strong>und</strong><br />

zu den Erwählten gehören. Es mag se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong>zelne so gedacht haben oder Max Weber oder<br />

Calv<strong>in</strong> so argumentiert haben. E<strong>in</strong> heutiger protestantischer Christ wird kaum je so denken<br />

oder motiviert se<strong>in</strong>. Vielmehr widerspricht e<strong>in</strong>e solche Auffassung der Lehre des Neuen<br />

Testaments so radikal, dass wir sie als Begründung der protestantischen Ethik verwerfen<br />

müssen. Die Auswirkungen des <strong>christliche</strong>n Glaubens auf alle Lebensgebiete, darunter auch<br />

die Wirtschaft, vollzieht sich <strong>in</strong> ganz anderen Bahnen. Dies sei am Beispiel e<strong>in</strong>zelner<br />

<strong>christliche</strong>r Werte <strong>und</strong> ihrer <strong>wirtschaft</strong>lichen Auswirkung illustriert.


21<br />

3.4. E<strong>in</strong>zelne <strong>christliche</strong> Werte als <strong>wirtschaft</strong>liche Erfolgsfaktoren<br />

Um noch konkreter zu werden, wollen wir auch auf der betriebs<strong>wirtschaft</strong>lichen Ebene die<br />

Bedeutung e<strong>in</strong>zelner <strong>christliche</strong>r Werte für den <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg beleuchten. Zwei<br />

Betriebe können unter sonst gleichen Bed<strong>in</strong>gungen sehr verschiedene <strong>wirtschaft</strong>liche<br />

Ergebnisse erzielen, wenn sie sich <strong>in</strong> den praktizierten Werten unterscheiden.<br />

Selbstverständlich wird e<strong>in</strong> Betrieb erfolgreicher se<strong>in</strong>, wenn se<strong>in</strong>e Mitarbeiter mehr Fleiß <strong>und</strong><br />

Pflichtbewusstse<strong>in</strong> mitbr<strong>in</strong>gen, wenn sie ehrlich s<strong>in</strong>d, wenn das Betriebsklima gut ist, wenn<br />

sie e<strong>in</strong>satzfreudig <strong>und</strong> gut vorgebildet s<strong>in</strong>d, wenn der Führungsstil menschenwürdig ist ... die<br />

Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Wir wollen e<strong>in</strong>ige dieser Werte betrachten <strong>und</strong> dabei auf<br />

ihre <strong>christliche</strong> Gr<strong>und</strong>lage verweisen.<br />

1. Qualifikation <strong>und</strong> Motivation. Das deutsche Bildungssystem hat e<strong>in</strong>mal überlegene<br />

Qualifikationen vermittelt. Heute ist es überlastet, unterf<strong>in</strong>anziert <strong>und</strong> <strong>in</strong>haltlich <strong>und</strong> qualitativ<br />

schlechter geworden. Schlimmer noch: es fehlt an Leistungsmotivation im Ausbildungsprozeß<br />

<strong>und</strong> am Arbeitsplatz. Bildungsabschlüsse werden nicht erreicht, am Arbeitsplatz fehlen<br />

Begeisterung <strong>und</strong> Motivation. Vielfach herrscht das e<strong>in</strong>seitige Ideal e<strong>in</strong>es lustbetonten<br />

Genusslebens, sodaß e<strong>in</strong> Bestseller-Autor die Parole ausgeben muß: Schluß mit Lustig. Das<br />

alles drückt auf den <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg der Firmen <strong>und</strong> des E<strong>in</strong>zelnen.<br />

Wie ganz anders die sogenannte protestantische Ethik früherer Zeiten, die dafür hielt, dass der<br />

Mensch se<strong>in</strong>e Arbeit als e<strong>in</strong>e Berufung Gottes <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Verantwortung vor Gott auszuführen<br />

habe, was ihn zu Fleiß, E<strong>in</strong>satz, Begeisterung, Sparsamkeit <strong>und</strong> Vorsorge für die Zukunft<br />

motivierte. Ke<strong>in</strong> W<strong>und</strong>er, dass unter e<strong>in</strong>er solchen Ethik der Verantwortung vor Gott im<br />

Arbeitsprozeß die Wirtschaft nicht scheiterte, sondern aufblühte.<br />

2. Mitarbeiterführung <strong>und</strong> Betriebsklima. Jedermann weiß, dass e<strong>in</strong> gutes Betriebsklima,<br />

welches auf guten Beziehungen zwischen Führungskräften <strong>und</strong> Mitarbeitern <strong>und</strong> zwischen<br />

Mitarbeitern untere<strong>in</strong>ander beruht, e<strong>in</strong> enorm wichtiger <strong>wirtschaft</strong>licher Erfolgsfaktor ist. E<strong>in</strong><br />

gutes Betriebsklima gel<strong>in</strong>gt am besten, wo ke<strong>in</strong> herrschender, sondern e<strong>in</strong> dienender <strong>und</strong><br />

fördernder Führungsstil praktiziert wird, der die Menschenwürde des E<strong>in</strong>zelnen respektiert<br />

<strong>und</strong> ihn nicht als re<strong>in</strong>es Mittel zum Zweck <strong>in</strong>strumentalisiert. Das aber s<strong>in</strong>d ausgesprochen<br />

<strong>christliche</strong> Werte, die auf dem <strong>christliche</strong>n Menschenbild beruhen: Jeder e<strong>in</strong>zelne ist e<strong>in</strong><br />

Geschöpf Gottes mit e<strong>in</strong>er ihm von Gott gegebenen, unantastbaren Menschenwürde.<br />

Im gleichen Geist sollten die Beziehungen der Mitarbeiter untere<strong>in</strong>ander gestaltet <strong>und</strong><br />

praktiziert werden. E<strong>in</strong> <strong>christliche</strong>r Unternehmer schrieb <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Unternehmensgr<strong>und</strong>sätze:<br />

„Wir glauben, dass e<strong>in</strong>e <strong>christliche</strong> Ges<strong>in</strong>nung - Liebe Gott <strong>und</strong> de<strong>in</strong>en Nächsten wie dich<br />

selbst – auch die beste Basis für unsere Arbeit ist. Alles, was wir uns von anderen wünschen,<br />

wollen wir auch selbst tun“. Wo diese Werte nicht praktiziert werden, leidet auch der<br />

<strong>wirtschaft</strong>liche Erfolg enorm.<br />

3. Kreativität <strong>und</strong> Innovation. Kreativität <strong>und</strong> Innovation s<strong>in</strong>d heute für den<br />

<strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg lebenswichtig. Durch technischen Fortschritt <strong>und</strong> Globalisierung<br />

gehen laufend Arbeitsplätze verloren. Es ist absolut verkehrt <strong>und</strong> s<strong>in</strong>nlos, sich diesen beiden<br />

Entwicklungen entgegenzustemmen, die aufgr<strong>und</strong> ökonomischer Gesetze früher oder später<br />

durchbrechen müssen. Wollen wir <strong>wirtschaft</strong>lich nicht scheitern, müssen wir im gleichen<br />

Tempo neue Arbeitsplätze schaffen. Das erfordert Kreativität, Innovation, Erf<strong>in</strong>dungsgabe.<br />

Zunächst ist es notwendig, daß alle künstliche Lebensverlängerung alter, nicht mehr<br />

wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze e<strong>in</strong>gestellt <strong>und</strong> nicht länger <strong>in</strong> die Vergangenheit, sondern<br />

<strong>in</strong> die Zukunft <strong>in</strong>vestiert wird. Vor allem aber ist es notwendig, dass die Begabungen <strong>und</strong>


22<br />

Energien der Menschen <strong>in</strong> der Wirtschaft <strong>in</strong> diszipl<strong>in</strong>ierter Weise <strong>in</strong> Richtung Kreativität<br />

gebündelt werden.<br />

Schon Freud hatte beobachtet, dass das zügellose Ausleben der sexuellen Triebe der<br />

Kreativität schadet, während Sublimation der sexuellen Triebe Kreativität fördert. Kreativität<br />

aber fördert <strong>wirtschaft</strong>liche Leistung. Millendorfer wies empirisch nach, dass die<br />

<strong>wirtschaft</strong>liche Wachstumsrate verschiedener europäischer Länder mit dem Niveau der<br />

„Desublimation“ (also der sexuellen Zügellosigkeit <strong>und</strong> Promiskuität) <strong>in</strong> diesen Ländern<br />

negativ korreliert (siehe Kap.14, Bild 1). Facit: Je weiter sich e<strong>in</strong>e Gesellschaft von den<br />

Geboten <strong>und</strong> Ordnungen Gottes speziell auf dem sexuellen Gebiet entfernt, desto ger<strong>in</strong>ger<br />

ihre <strong>wirtschaft</strong>liche Leistung. Dies gilt jedoch nicht nur für das sexuelle Gebiet, sondern auch<br />

für viele andere.<br />

Schließlich hat Kreativität auch e<strong>in</strong>e weltanschauliche Dimension. Um D<strong>in</strong>ge kreativ <strong>und</strong><br />

erfolgreich zu gestalten, braucht man e<strong>in</strong>en gewissen Abstand von ihnen. Der an vorderster<br />

Front im Kampf liegende Soldat ist nicht <strong>in</strong> der Lage, e<strong>in</strong>e kreative Strategie zu konzipieren.<br />

Das kann nur die Führung, die e<strong>in</strong>en gewissen Abstand zum Frontgeschehen hat. Millendorfer<br />

weist darauf h<strong>in</strong>, dass das <strong>christliche</strong> Evangelium uns wohl auf Aufgaben <strong>in</strong> dieser Welt<br />

verweist, aber uns zugleich sagt, dass diese Welt nicht unsere Heimat ist. Das Evangelium<br />

gibt also dem Gläubigen „transzendentale Distanz“, die ihn <strong>in</strong>standsetzt, <strong>in</strong> dieser Welt<br />

besonders Kreatives zu leisten.<br />

4. Materialismus <strong>und</strong> Geldgier. Dies s<strong>in</strong>d negative Werte, die e<strong>in</strong>erseits als starke<br />

Antriebskräfte des <strong>wirtschaft</strong>lichen Geschehens wirken <strong>und</strong> zu großen <strong>wirtschaft</strong>lichen<br />

Erfolgen führen können, andererseits aber auch <strong>wirtschaft</strong>lich zerstörerisch wirken können –<br />

besonders langfristig.<br />

So haben wir uns <strong>in</strong> Deutschland im Lauf der Jahre <strong>und</strong> Jahrzehnte an die Spitze der Welt-<br />

Lohnskala katapultiert <strong>und</strong> deutsche Arbeit <strong>und</strong> deutsche Produktion enorm teuer gemacht.<br />

Andernorts kann das Gleiche billiger produziert werden. Das ist e<strong>in</strong>er der Hauptgründe,<br />

warum wir die Globalisierung zu fürchten haben. Auch der deutsche Bürger <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Doppelrolle als Arbeitnehmer <strong>und</strong> Verbraucher kauft als Verbraucher nicht teurere Produkte,<br />

um deutsche Arbeitsplätze zu erhalten. So müssen viele Betriebe aufgeben oder <strong>in</strong>s Ausland<br />

abwandern – beides bedeutet e<strong>in</strong> <strong>wirtschaft</strong>liches Scheitern.<br />

Den Arbeitgebern abgerungene maßlose Lohn- <strong>und</strong> Gehaltsforderungen s<strong>in</strong>d zugleich Vater<br />

der Inflation, da der Arbeitgeber natürlich versucht, se<strong>in</strong>e erhöhten Kosten durch<br />

Preiserhöhungen an den K<strong>und</strong>en weiterzugeben. Damit wird die berüchtigte Lohn-Preis-<br />

Spirale <strong>in</strong> Gang gesetzt. Diese Inflationsmasch<strong>in</strong>e ent<strong>werte</strong>t die Ersparnisse, also den<br />

<strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg, der <strong>in</strong> früheren Zeiten erarbeitet wurde, sowie die Kaufkraft aller<br />

derer, deren E<strong>in</strong>künfte nicht mit der Preisentwicklung Schritt halten können. Auch auf diesem<br />

Wege zerstört Geldgier <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg.<br />

Die enorme Verteuerung der Arbeit ist auch e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong> für die heute überall zunehmende<br />

Überlastung der noch Arbeitenden: man kann sich nicht mehr Arbeitskräfte leisten, man muß<br />

mit möglichst wenigen die Arbeit schaffen. Wer für weniger arbeiten will, dem ist es von den<br />

Gewerkschaften verboten, die <strong>in</strong> diesem Fall e<strong>in</strong> Lohnkartell mit den Arbeitgebern gebildet<br />

haben.<br />

Geldgier verleitet auch zu Unehrlichkeit, Betrug <strong>und</strong> Korruption, um auf unrechtmäßige<br />

Weise zu Geld zu kommen. Diese D<strong>in</strong>ge können auf Dauer selten verborgen bleiben. Die


23<br />

Folgen können für den E<strong>in</strong>zelnen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Firma verheerend se<strong>in</strong>. Der hierdurch notwendige<br />

Aufwand für Kontrolle, Prüfung <strong>und</strong> rechtliche Absicherung treibt die Kosten <strong>in</strong> die Höhe.<br />

E<strong>in</strong> belastetes Gewissen <strong>und</strong> D<strong>in</strong>ge, die man zu verbergen <strong>und</strong> zu fürchten hat, belasten aber<br />

auch die Ges<strong>und</strong>heit. „Die schlaflosen Nächte s<strong>in</strong>d viel schlimmer als die paar Mark“, sagte<br />

e<strong>in</strong> Vorstandssprecher. E<strong>in</strong>e belastete Ges<strong>und</strong>heit belastet dann natürlich auch die<br />

<strong>wirtschaft</strong>liche Leistungsfähigkeit.<br />

Schließlich fällt derjenige, der den schnellen Euro machen will <strong>und</strong> ungewöhnlich hohe<br />

Renditen sucht, leicht Anlagebetrügern zum Opfer <strong>und</strong> kann so se<strong>in</strong> ganzes <strong>in</strong>vestiertes<br />

Vermögen verlieren, also den <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg früherer Jahre.<br />

Was hat das Ganze mit Gott zu tun? Wer sich vom Reden Gottes <strong>in</strong> der Bibel warnen lässt,<br />

daß Geldliebe e<strong>in</strong>e Wurzel allen Übels ist, dass die, die reich werden wollen, <strong>in</strong> viele<br />

Versuchungen <strong>und</strong> Stricke fallen <strong>und</strong> sich selbst viel Schmerzen machen, dass man nicht Gott<br />

<strong>und</strong> dem Mammon dienen kann, dass wir nicht lügen, betrügen <strong>und</strong> stehlen sollen, dass wir<br />

uns genügen lassen sollen an dem, was da ist, dass man Geld <strong>und</strong> Gut als anvertrautes Gut<br />

treu <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Verantwortung vor Gott verwalten <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e freie Beziehung dazu haben soll,<br />

der hat e<strong>in</strong>en starken Schutz vor den auch <strong>wirtschaft</strong>lich zerstörerischen Wirkungen der<br />

Habgier.<br />

5. Überzogene soziale Ansprüche. Auch bei den Ansprüchen an den überdimensionierten<br />

deutschen Sozialstaat haben wir es mit e<strong>in</strong>em gerüttelten Maß an Habgier <strong>und</strong><br />

Verantwortungslosigkeit zu tun. Das Füllhorn der staatlichen sozialen Leistungen <strong>und</strong> damit<br />

auf der anderen Seite die Soziallasten der arbeitenden Bevölkerung haben e<strong>in</strong> solches Ausmaß<br />

erreicht, dass sie e<strong>in</strong> Hauptfaktor der Verteuerung deutscher Arbeit geworden s<strong>in</strong>d, deren<br />

Folgen wir oben diskutiert haben. So muß e<strong>in</strong> Arbeitgeber, der e<strong>in</strong>em Arbeitnehmer e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten Nettolohn zukommen lassen will, von se<strong>in</strong>en K<strong>und</strong>en für diese Arbeitsst<strong>und</strong>e<br />

etwa das Dreifache verlangen, wenn er nur auf se<strong>in</strong>e Kosten kommen will (siehe Kap.11,<br />

Bild 3) – wahrlich e<strong>in</strong>e Kostenexplosion durch Soziallasten.<br />

Das Pr<strong>in</strong>zip der Eigenverantwortung <strong>und</strong> Eigenversorgung droht unterzugehen – mit<br />

verheerenden <strong>wirtschaft</strong>lichen Folgen. Wer <strong>in</strong> der Verantwortung vor Gott lebt, wird den<br />

Sozialstaat nur im äußersten Fall <strong>in</strong> Anspruch nehmen <strong>und</strong> alles tun, um sich mit<br />

Eigenleistung <strong>und</strong> <strong>in</strong> Eigenverantwortung zu versorgen. Er wird bedenken, dass jeder Griff<br />

nach den Sozialleistungen e<strong>in</strong> Griff nach dem E<strong>in</strong>kommen <strong>und</strong> Vermögen anderer ist, anders<br />

ausgedrückt: dass der Staat nichts ausgeben kann, was er zuvor nicht anderen weggenommen<br />

hat. Der Sozialstaat ist e<strong>in</strong> Umverteilungsstaat, der heute die Leistungsträger so sehr beutelt,<br />

dass sich Leistung weith<strong>in</strong> nicht mehr lohnt. E<strong>in</strong>e Gesellschaft lebt aber von produktiver<br />

Leistung, sodaß die Zukunft unserer Wirtschaft auch von dieser Seite bedroht ist (z.B. durch<br />

Passivität oder Abwanderung der Leistungsträger).<br />

Auch der verantwortungsbewusste Politiker wird Sozialleistungen nur im äußersten Fall<br />

befürworten <strong>und</strong> nicht zu billigem (oder vielmehr teuren) Stimmenfang benutzen.<br />

Insbesondere wird er die verheerende „E<strong>in</strong>wanderung <strong>in</strong> die Sozialsysteme“ bekämpfen.<br />

6. Familienqualität. Aus soziologischen Untersuchungen weiß man schon sehr lange, dass<br />

Familienqualität e<strong>in</strong>e Voraussetzung für Leistungsmotivation ist. Damit wird Familienqualität<br />

auch zu e<strong>in</strong>em wichtigen Faktor des <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolgs des E<strong>in</strong>zelnen <strong>und</strong> der<br />

Gesellschaft im Ganzen. Familienqualität, um nicht zu sagen die Familie überhaupt, die heute<br />

als Auslaufmodell bezeichnet wird, ist heute auf mannigfache Weise bedroht: durch


24<br />

sittenwidrige, den Ehebruch fördernde Angebote außerhalb der Ehe, durch Ehebruch,<br />

Scheidung, K<strong>in</strong>derelend, K<strong>in</strong>dermangel, Generationenprobleme <strong>und</strong> vieles andere. Die<br />

Scheidungsrate unter Führungskräften liegt 50% über dem Durchschnittswert der<br />

Gesamtbevölkerung. Auch die Berufstätigkeit der Ehefrauen fordert zweifellos e<strong>in</strong>en hohen<br />

Zoll an Familienqualität. Es ist klar, dass <strong>in</strong>sbesondere Führungskräfte durch mangelnde<br />

Familienqualität <strong>in</strong> ihrer <strong>wirtschaft</strong>lichen Leistungsfähigkeit bee<strong>in</strong>trächtigt werden.<br />

Die Familienqualität wird auch durch die <strong>wirtschaft</strong>liche Tätigkeit selbst gefährdet. Oft wird<br />

<strong>wirtschaft</strong>licher Erfolg mit e<strong>in</strong>em Verlust an Familienqualität erkauft (siehe Kap.6, Bild 1-3).<br />

Damit zerstört der <strong>wirtschaft</strong>liche Erfolg se<strong>in</strong>e Basis, er sägt den Ast ab, der ihn trägt.<br />

Wo Gottes Gebote zum Schutz von Ehe <strong>und</strong> Familie beachtet werden – <strong>in</strong>sbesondere das<br />

Gebot der ehelichen Treue – stellt sich Familienqualität e<strong>in</strong> <strong>und</strong> zahlt sich <strong>in</strong><br />

Leistungsmotivation <strong>und</strong> <strong>wirtschaft</strong>licher Leistung aus.<br />

7. Die S<strong>in</strong>nfrage. Niemand kann auf Dauer von e<strong>in</strong>er Tätigkeit befriedigt se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> der er<br />

ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n sieht. Selbst wenn man <strong>wirtschaft</strong>lich erfolgreich wäre, könnte man noch an der<br />

S<strong>in</strong>nfrage scheitern. Man wäre nicht <strong>wirtschaft</strong>lich gescheitert, aber trotz <strong>wirtschaft</strong>lichem<br />

Erfolg gescheitert. Darum soll abschließend noch die S<strong>in</strong>nfrage angesprochen werden.<br />

Daß <strong>wirtschaft</strong>liche Tätigkeit <strong>und</strong> <strong>wirtschaft</strong>licher Erfolg an sich ke<strong>in</strong>en Lebenss<strong>in</strong>n<br />

vermitteln können, ist e<strong>in</strong>e oft bestätigte Erfahrungstatsache. Erfolgreiche Wirtschaftsführer<br />

haben auf dem Gipfel enttäuscht reagiert <strong>und</strong> sich manchmal das Leben genommen.<br />

Wirtschaftliche Tätigkeit kann nur S<strong>in</strong>n gew<strong>in</strong>nen durch E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en umfassenderen<br />

Lebenss<strong>in</strong>n.<br />

Auf der Suche nach dem S<strong>in</strong>n liegt es daher zunächst nahe, andere Lebensgebiete (außer der<br />

Wirtschaft) e<strong>in</strong>zubeziehen <strong>und</strong> durch Herstellung e<strong>in</strong>es Wertegleichgewichts zwischen den<br />

Gebieten zu e<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>nf<strong>in</strong>dung zu kommen. Beispielsweise erkennt man sehr bald, dass es<br />

ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n hat, für <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg <strong>und</strong> Vermögen die Ges<strong>und</strong>heit zu opfern. Ebenso<br />

hat es ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, für e<strong>in</strong>e Karriere <strong>und</strong> den <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolg Familie <strong>und</strong> Privatleben<br />

zu opfern. Die Liste könnte lange fortgeführt werden. Aber selbst wenn es gelänge, alle<br />

Lebensgebiete e<strong>in</strong>zubeziehen <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> kluges Wertegleichgewicht zu br<strong>in</strong>gen, bliebe die<br />

S<strong>in</strong>nfrage noch immer offen.<br />

Es bleibt dabei: Ohne Gott ist alles s<strong>in</strong>nlos. Wir s<strong>in</strong>d dazu geschaffen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Beziehung mit<br />

Gott zu leben. Ehe wir <strong>in</strong> diese unsere Bestimmung e<strong>in</strong>treten, kommen wir nicht zur Ruhe.<br />

Der übergeordnete S<strong>in</strong>n unseres Lebens ist, dass wir Gott suchen <strong>und</strong> f<strong>in</strong>den <strong>und</strong> er zum<br />

Mittelpunkt unseres Lebens wird. Alles andere ist zu wenig.


25<br />

KAP 4: CHRISTLICHE WERTE IM ÜBERBLICK<br />

In diesem Kapitel soll die <strong>christliche</strong> Wertebasis systematischer <strong>und</strong> umfassender dargestellt<br />

werden. Wir benutzen dabei Textpassagen aus e<strong>in</strong>er früheren Buchpublikation des Verfassers<br />

(Hanssmann 2001, S. 16-25).<br />

Was s<strong>in</strong>d <strong>christliche</strong> Werte? Summarisch gesprochen soll es sich um verhaltensleitende Werte<br />

handeln, die mit dem <strong>christliche</strong>n Menschenwürdebegriff <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang stehen. Aus <strong>christliche</strong>r<br />

Sicht ist die Menschenwürde <strong>in</strong> der Gottebenbildlichkeit begründet, die der Schöpfer allen<br />

Menschen als Anlage <strong>und</strong> Berufung mitgegeben hat. Diese Würde ist unveräußerlich. Sie<br />

kann ke<strong>in</strong>em Menschen genommen oder abgesprochen werden, wie sehr er ihr auch selbst<br />

entgegenhandeln möge, wie sehr er auch entartet, entstellt, beh<strong>in</strong>dert oder für die menschliche<br />

Gesellschaft wertlos sei.<br />

Was bedeutet Gottebenbildlichkeit? Sie kann verstanden werden als e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Teilhaberschaft an den Eigenschaften Gottes, vor allem an der Personhaftigkeit, der Liebe als<br />

der göttlichen Gr<strong>und</strong>eigenschaft, der Freiheit des Willens <strong>und</strong> des Handelns, der Macht <strong>und</strong><br />

Autorität über die Schöpfung <strong>in</strong> Stellvertretung Gottes. Diese Gottebenbildlichkeit be<strong>in</strong>haltet<br />

e<strong>in</strong>e besonders enge <strong>und</strong> nahe Beziehung zu Gott. Sie be<strong>in</strong>haltet aber auch, daß der Mensch<br />

nicht selbst Gott ist. Er ist e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Abbild des großen Orig<strong>in</strong>als. Damit ist ihm e<strong>in</strong> Platz<br />

unter Gott angewiesen. Die gr<strong>und</strong>sätzliche Unterordnung unter Gott <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Gebot <strong>und</strong> die<br />

Abhängigkeit von Gott s<strong>in</strong>d Teil se<strong>in</strong>er Menschenwürde. Weitere Ausführungen zum<br />

<strong>christliche</strong>n Begriff der Menschenwürde f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Resch (2000).<br />

Ausgestattet mit dieser Menschenwürde tritt der Mensch <strong>in</strong> Beziehung zu Gott, zu se<strong>in</strong>en<br />

Mitmenschen <strong>und</strong> zur übrigen Schöpfung. Bei der "menschenwürdigen" Ausgestaltung dieser<br />

Beziehungen können ihm e<strong>in</strong>zelne <strong>christliche</strong> Werte Orientierung <strong>und</strong> Hilfe se<strong>in</strong>. Wir<br />

beg<strong>in</strong>nen mit dem mitmenschlichen Bereich.<br />

4.1. Christliche Werte <strong>in</strong> den mitmenschlichen Beziehungen<br />

a. Gr<strong>und</strong>e<strong>in</strong>stellungen zum Nächsten. Die zuvor erläuterte Menschenwürde durch<br />

Gottebenbildlichkeit ist der umfassende <strong>christliche</strong> Wert im Bereich der mitmenschlichen<br />

Beziehungen. Jede totale oder totalitäre Vere<strong>in</strong>nahmung von Menschen durch Menschen oder<br />

menschliche Institutionen, kurz jede Instrumentalisierung des Menschen, ist mit dieser Würde<br />

unvere<strong>in</strong>bar. Daher ergibt sich der Schutz vor Instrumentalisierung als e<strong>in</strong> zw<strong>in</strong>gender<br />

Folgewert. Als positives Gegenstück wäre die Achtung der <strong>in</strong> der Gottebenbildlichkeit<br />

angelegten Freiheit zu nennen, aber im Gegensatz zu anderen Freiheitsbegriffen die Freiheit<br />

<strong>in</strong> den Grenzen der göttlichen Ordnungen. Da die Menschenwürde <strong>und</strong> die göttlichen<br />

Ordnungen für alle Menschen gelten, wird auch die Gleichheit vor Gott <strong>und</strong> dem göttlichen<br />

Gesetz begründet. Die <strong>in</strong> der Menschenwürde enthaltene göttliche Eigenschaft der Liebe tritt<br />

als Nächstenliebe <strong>in</strong> Ersche<strong>in</strong>ung. Christliche Nächstenliebe ist der alle mitmenschlichen<br />

Beziehungen dom<strong>in</strong>ierende <strong>christliche</strong> Wert.<br />

In den vorstehend genannten Werten kann man e<strong>in</strong>en gewissen Gleichklang mit den säkularen<br />

Parolen von Freiheit, Gleichheit <strong>und</strong> Brüderlichkeit erkennen. Dennoch dürfen wesentliche<br />

Unterschiede nicht aus dem Auge verloren werden. Aufklärung <strong>und</strong> neuzeitlicher<br />

Humanismus haben den Transzendenzbezug der <strong>christliche</strong>n Werte durch e<strong>in</strong>e immanente<br />

Begründung zu ersetzen versucht. Dabei kam es unweigerlich zu <strong>in</strong>haltlichen Verschiebungen


26<br />

<strong>und</strong> Veränderungen, wenn auch e<strong>in</strong> großer Bereich <strong>in</strong>haltlicher Überlappung geblieben ist.<br />

Der Menschenwürdebegriff der deutschen Verfassung ist sicherlich nicht mit dem <strong>christliche</strong>n<br />

identisch, <strong>und</strong> der Freiheitsbegriff des modernen Verfassungsstaates unterscheidet sich ganz<br />

wesenlich von dem <strong>christliche</strong>n: ihm fehlt die Begrenzung durch die göttlichen Ordnungen.<br />

Der Staatsrechtler L<strong>in</strong>k führt hierzu aus:<br />

Der Freiheitsbegriff des modernen Verfassungsstaates ist von dem <strong>christliche</strong>n durch e<strong>in</strong>en tiefen Graben<br />

geschieden. Ist <strong>christliche</strong> Freiheit Freiheit zum Evangelium, Freiheit von der Welt, aber für die Welt, so schützt<br />

die Verfassung auch die Freiheit zur Areligiosität, ja zur Antireligiosität, sie verpflichtet nicht auf e<strong>in</strong> <strong>christliche</strong>s<br />

Sittengesetz, sondern stellt - <strong>in</strong> weit gezogenen Grenzen der Geme<strong>in</strong>wohlverträglichkeit - auch egoistisches oder<br />

sozial unerwünschtes Handeln unter den Schutz der Gr<strong>und</strong>rechte (L<strong>in</strong>k 2000:99).<br />

Es lohnt sich, den Unterschied dieser Freiheitsbegriffe aus der Sicht des Managements zu<br />

vertiefen. Das egozentrische Freiheitsstreben führt den Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Abhängigkeit von<br />

se<strong>in</strong>en Bedürfnissen. So läuft er Gefahr, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue - <strong>in</strong>nere - Unfreiheit zu verfallen: er<br />

kann zum Sklaven se<strong>in</strong>er Bedürfnisse werden. Dieses "Paradox der Freiheit" (Fikentscher<br />

1997) bedroht den Manager <strong>in</strong> besonderer Weise. E<strong>in</strong>erseits besitzt er durch<br />

Entscheidungsbefugnis <strong>und</strong> Machtausübung e<strong>in</strong> besonderes Maß an Handlungsfreiheit,<br />

andererseits wächst das Bedürfnis nach Erfolg <strong>und</strong> Anerkennung umso stärker. So ist die<br />

Gefahr groß, <strong>in</strong> manche <strong>in</strong>nere Abhängigkeit zu geraten, die sich im Extremfall bis zum<br />

"workaholism" <strong>und</strong> der Aufrechterhaltung der erforderlichen Leistungsbereitschaft durch<br />

Suchtmittel erstrecken kann. Auch die sogenannten Sachzwänge s<strong>in</strong>d Abhängigkeiten.<br />

Der Ausweg aus dieser <strong>in</strong>neren Unfreiheit wird nicht durch mehr Selbstverwirklichung<br />

gef<strong>und</strong>en - diese führte ja gerade <strong>in</strong> die beschriebene Unfreiheit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> - sondern durch e<strong>in</strong>e<br />

Ausrichtung auf das Du. Damit ist wieder die <strong>christliche</strong> Nächstenliebe als Begrenzung der<br />

äußeren Freiheit <strong>und</strong> zugleich als Weg zur <strong>in</strong>neren Freiheit angesprochen. Der auf Liebe<br />

gründende "Du-Bezug" ist frei von Opportunismus <strong>und</strong> Suche nach Anerkennung, da Liebe<br />

e<strong>in</strong> Geben ohne Bed<strong>in</strong>gungen be<strong>in</strong>haltet. Sie gibt dem anderen, was man selbst <strong>in</strong><br />

vergleichbarer Situation erhalten möchte.<br />

Die säkulare Parole der französischen Revolution von Freiheit <strong>und</strong> Gleichheit verb<strong>in</strong>det zwei<br />

gegensätzliche Begriffe, da politische Freiheit immer zu Ungleichheit, erzwungene Gleichheit<br />

aber immer zu Unfreiheit führt. Der <strong>christliche</strong> Begriff der Freiheit, die durch Liebe begrenzt<br />

ist, schließt die durch Freiheit bed<strong>in</strong>gte Ungleichheit ke<strong>in</strong>eswegs aus. Aber der Bessergestellte<br />

sieht sich <strong>in</strong> der Verantwortung für den weniger Begabten. Der Manager hat die Freiheit,<br />

gegenüber se<strong>in</strong>en Vorgesetzten <strong>und</strong> Kapitalgebern auch die Anliegen se<strong>in</strong>er Mitarbeiter zu<br />

se<strong>in</strong>en eigenen zu machen. Hier liegt e<strong>in</strong> Schlüssel für gutes Betriebsklima <strong>und</strong> für<br />

Humanisierung des Managements.<br />

Auch die säkularen "Menschenrechte" s<strong>in</strong>d nicht voll deckungsgleich mit der Achtung der<br />

<strong>christliche</strong>n Menschenwürde, obwohl gr<strong>und</strong>legende Menschenrechte wie der Schutz vor<br />

körperlicher <strong>und</strong> seelischer Mißhandlung durch die <strong>christliche</strong> Nächstenliebe voll abgedeckt<br />

s<strong>in</strong>d. Es bleibt festzuhalten, daß die säkularisierten Begriffe von Menschenwürde <strong>und</strong><br />

menschenwürdigen Werten durch ihre immanente Begründung die volle Deckungsgleichheit<br />

mit den entsprechenden <strong>christliche</strong>n Begriffen verloren haben, aber dennoch e<strong>in</strong>deutig aus<br />

<strong>christliche</strong>n Wurzeln erwachsen s<strong>in</strong>d.<br />

b. Schutz der privaten Sphäre des Nächsten. In den entsprechenden Teilen des Dekalogs<br />

werden die wichtigsten Schutzgüter der privaten Sphäre des Nächsten genannt. Daraus<br />

ergeben sich die folgenden <strong>christliche</strong>n Werte, die mit dem <strong>christliche</strong>n Begriff der


27<br />

Menschenwürde unlösbar verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d: Schutz von Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Schutz des<br />

Eigentums des Nächsten <strong>und</strong> der Allgeme<strong>in</strong>heit, Schutz der Ehe <strong>und</strong> Familie <strong>und</strong> der<br />

hierzu förderlichen Sitten, Achtung der Wahrheit dem Nächsten gegenüber, Rücksicht.<br />

Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit s<strong>in</strong>d besonders wichtige <strong>christliche</strong> Werte, weil beide e<strong>in</strong> W<strong>und</strong>erwerk<br />

des Schöpfers darstellen, das es zu erhalten, zu pflegen <strong>und</strong> haushälterisch zu verwalten gilt.<br />

c. Hilfe für den Nächsten. Während die vorstehenden Werte mehr auf die Erhaltung der<br />

Schutzgüter des Nächsten zielen, wollen die folgenden aufbauende Hilfe für diejenigen<br />

Mitmenschen leisten, die dieser Güter verlustig gegangen s<strong>in</strong>d oder daran Mangel leiden.<br />

Dem <strong>in</strong> Not geratenen Nächsten begegnet <strong>christliche</strong> Nächstenliebe mit Mitleid,<br />

Barmherzigkeit <strong>und</strong> Hilfsbereitschaft. Hilfsbereitschaft schließt <strong>in</strong> der Regel Verzichts<strong>und</strong><br />

Opferbereitschaft e<strong>in</strong>. Förderung will dem Nächsten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Persönlichkeitsentwicklung, der Entwicklung se<strong>in</strong>er Fähigkeiten <strong>und</strong> der Lösung se<strong>in</strong>er<br />

Probleme unterstützend zur Seite stehen. Als zusammenfassenden Wert kann man den Dienst<br />

am Nächsten nennen. Auf der Empfängerseite solchen Dienstes wäre Dankbarkeit für<br />

empfangene Hilfe e<strong>in</strong> wichtiger Wert.<br />

d. Hierarchische Beziehungen. Unbeschadet der gr<strong>und</strong>sätzlichen Gleichheit vor Gott <strong>und</strong><br />

dem Gesetz gibt es <strong>in</strong> der menschlichen Gesellschaft sehr unterschiedliche Rollen <strong>und</strong><br />

Aufgaben, die zwischen den Betroffenen e<strong>in</strong>e hierarchische Beziehung begründen oder doch<br />

nach göttlicher Ordnung begründen sollten. Die wichtigsten Beispiele s<strong>in</strong>d die Beziehungen<br />

von Eltern <strong>und</strong> K<strong>in</strong>dern, Alten <strong>und</strong> Jungen, Leitenden <strong>und</strong> Geleiteten (z.B. Vorgesetzten <strong>und</strong><br />

Mitarbeitern), Regierenden <strong>und</strong> Regierten. In diesen Beziehungen gelten die <strong>christliche</strong>n<br />

Werte der Unterordnung <strong>und</strong> Ehrerbietung gegenüber Vorgeordneten<br />

("Respektspersonen") <strong>und</strong> der Anerkennung e<strong>in</strong>er höchsten Autorität durch die<br />

Vorgeordneten.<br />

Der Wert der Unterordnung unter Menschen <strong>und</strong> menschliche Institutionen gilt natürlich <strong>in</strong><br />

den Grenzen der für alle Menschen maßgebenden höchsten Autorität, d.h. <strong>in</strong> den Grenzen der<br />

Gebote Gottes. Verlangt der Vorgeordnete e<strong>in</strong> den Geboten widersprechendes Handeln, so<br />

wird der Wert der Unterordnung entsprechend relativiert.<br />

4.2. Christliche Werte <strong>in</strong> den Beziehungen zur übrigen Schöpfung<br />

Die Beziehung des Menschen zur übrigen Schöpfung ist durch die von Gott verliehene<br />

Haushalterschaft gekennzeichnet. Haushalterschaft impliziert Achtung der Schöpfung <strong>und</strong><br />

schonenden, haushälterischen Umgang mit ihr. Sie impliziert auch Barmherzigkeit mit<br />

der Natur, <strong>in</strong>sbesondere der Tierwelt. Durch Genügsamkeit, Mäßigkeit <strong>und</strong> Verzicht auf<br />

seiten des Menschen kann die Belastung der Umwelt reduziert werden.<br />

Der schonende Umgang mit den natürlichen Ressourcen erfordert Kreativität <strong>und</strong> Effizienz.<br />

Die mit dem <strong>christliche</strong>n Glauben gegebene transzendentale Distanz (Millendorfer) von<br />

den diesseitigen D<strong>in</strong>gen, verb<strong>und</strong>en mit e<strong>in</strong>em ebenfalls <strong>christliche</strong>n diesseitigen<br />

Engagement, ist dieser Kreativität <strong>und</strong> Effizienz förderlich.


28<br />

4.3. Christliche Werte <strong>in</strong> der Gottesbeziehung<br />

Da der Mensch unter Gott steht, ist die Ehrfurcht vor Gott die ihm gebührende<br />

Gr<strong>und</strong>haltung. Daß der Schöpfer ihn mit der Menschenwürde <strong>und</strong> mit vielen w<strong>und</strong>erbaren<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Gaben ausgestattet hat, sollte den Menschen mit Dankbarkeit gegen Gott,<br />

ja sogar mit Liebe zu Gott erfüllen. Die Liebe zu Gott ist der höchste Wert: er sollte die<br />

Gottesbeziehung dom<strong>in</strong>ieren. Die Liebe zu Gott schließt das Ja zu den Geboten <strong>und</strong><br />

Ordnungen Gottes e<strong>in</strong>. Hieraus ergibt sich die menschliche Verantwortung vor Gott. E<strong>in</strong>e<br />

besondere Form der Verantwortung ist die schon erwähnte Haushalterschaft, die sich jedoch<br />

nicht nur auf die übrige Schöpfung, sondern auch auf die eigene Person erstreckt. Es gilt, die<br />

empfangenen Fähigkeiten <strong>und</strong> Gaben zur Ehre Gottes zu aktivieren <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zusetzen.<br />

Haushalterschaft <strong>und</strong> Berufung zur Ehre Gottes schließen daher auch Arbeit, Fleiß <strong>und</strong><br />

Gewissenhaftigkeit als <strong>christliche</strong> Werte e<strong>in</strong>. Andererseits schließt Haushalterschaft den<br />

Raubbau an den empfangenen Gaben - z.B. der eigenen Ges<strong>und</strong>heit - aus.<br />

Die Gottesbeziehung stiftet auch den eigentlichen S<strong>in</strong>n des menschlichen Dase<strong>in</strong>s.<br />

S<strong>in</strong>nf<strong>in</strong>dung durch Gottesbeziehung ist e<strong>in</strong> gr<strong>und</strong>legender <strong>christliche</strong>r Wert.<br />

Die genannten Werte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Bild 1 zusammengefaßt. Die drei Beziehungsrichtungen zum<br />

Nächsten, zur übrigen Schöpfung <strong>und</strong> zu Gott haben e<strong>in</strong>e gewisse Ähnlichkeit mit den<br />

sozialpsychologischen Konzepten der personalen, funktionalen <strong>und</strong> transzendentalen<br />

Beziehungen des Menschen. Vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt hat die transzendentale Beziehung<br />

den Vorrang . Sie ist maßgeblich für alle anderen Beziehungen. E<strong>in</strong>e ges<strong>und</strong>e Verteilung der<br />

Gewichte zwischen diesen Beziehungen ist von großer Bedeutung. Störungen im<br />

"Wertegleichgewicht" s<strong>in</strong>d ursächlich für viele Probleme <strong>in</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft.


29<br />

Bild 1<br />

Christliche Werte<br />

I. Mitmenschliche Beziehungen<br />

a. Gr<strong>und</strong>e<strong>in</strong>stellungen zum Nächsten<br />

Menschenwürde durch Gottebenbildlichkeit<br />

Schutz vor Instrumentalisierung<br />

Freiheit <strong>in</strong> den Grenzen der göttlichen Ordnungen<br />

Gleichheit vor Gott <strong>und</strong> dem göttlichen Gesetz<br />

Christliche Nächstenliebe<br />

b. Schutz der privaten Sphäre des Nächsten<br />

Schutz von Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

Schutz des Eigentums des Nächsten <strong>und</strong> der Allgeme<strong>in</strong>heit<br />

Schutz der Ehe <strong>und</strong> Familie <strong>und</strong> der hierzu förderlichen Sitten<br />

Achtung der Wahrheit dem Nächsten gegenüber<br />

Rücksicht<br />

c. Hilfe für den Nächsten<br />

Mitleid, Barmherzigkeit, Hilfsbereitschaft<br />

Verzichts- <strong>und</strong> Opferbereitschaft<br />

Förderung<br />

Dienst am Nächsten<br />

Dankbarkeit für empfangene Hilfe<br />

d. Achtung hierarchischer Beziehungen<br />

Unterordnung <strong>und</strong> Ehrerbietung<br />

Vorbildfunktion<br />

Anerkennung e<strong>in</strong>er höchsten Autorität<br />

II. Beziehungen zur übrigen Schöpfung<br />

Haushalterschaft<br />

Achtung der Schöpfung<br />

Schonender, haushälterischer Umgang mit der Schöpfung<br />

Barmherzigkeit mit der Natur, <strong>in</strong>sbesondere der Tierwelt<br />

Genügsamkeit, Mäßigkeit, Verzicht<br />

Transzendentale Distanz<br />

Diesseitiges <strong>christliche</strong>s Engagement


30<br />

III. Gottesbeziehung<br />

Ehrfurcht vor Gott<br />

Dankbarkeit gegen Gott<br />

Liebe zu Gott<br />

Verantwortung vor Gott<br />

Haushalterschaft <strong>und</strong> Berufung zur Ehre Gottes<br />

Arbeit, Fleiß, Gewissenhaftigkeit<br />

S<strong>in</strong>nf<strong>in</strong>dung durch Gottesbeziehung


31<br />

KAP 5: VON CHRISTLICHEN WERTEN ZUM CHRISTLICHEN<br />

GLAUBEN<br />

Christliche Werte entspr<strong>in</strong>gen aus dem <strong>christliche</strong>n Glauben. Ohne den <strong>christliche</strong>n Glauben<br />

können sie weder <strong>in</strong> ihrer Wirkung voll verstanden noch auf Dauer durchgehalten werden. Da<br />

jedoch häufig unklare <strong>und</strong> unzutreffende Vorstellungen über den <strong>christliche</strong>n Glauben<br />

herrschen, sollen e<strong>in</strong>ige Klarstellungen folgen.<br />

5.1. Klarstellungen zum <strong>christliche</strong>n Glauben<br />

1. Der Kosmos, <strong>in</strong>sbesondere der Mensch, ist ke<strong>in</strong> Zufallsprodukt, sondern das Werk des<br />

persönlichen Schöpfergottes. Bis zum heutigen Tage ist er der Schöpfer jedes entstehenden<br />

Menschenlebens, der h<strong>in</strong>ter dem geheimnisvollen Geschehen steht, das die Naturwissenschaft<br />

nur oberflächlich erforschen kann.<br />

2. Jeder Mensch ist e<strong>in</strong> orig<strong>in</strong>aler Gedanke Gottes. Er ist geschaffen <strong>und</strong> berufen, <strong>in</strong> enger<br />

persönlicher Beziehung mit Gott zu leben <strong>und</strong> e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Abbild des großen Gottes zu<br />

werden, der ihn geschaffen hat. Dies gibt ihm e<strong>in</strong>e hohe, unveräußerliche <strong>und</strong> unverlierbare<br />

Würde.<br />

3. Tod, Leid, Elend, Grausamkeit <strong>und</strong> alles Böse, das heute die Menschheit <strong>und</strong> Schöpfung<br />

durchdr<strong>in</strong>gt, entstammen nicht der ursprünglichen Schöpfung Gottes, sondern s<strong>in</strong>d Folge des<br />

Sündenfalls, d.h. e<strong>in</strong>er Revolution <strong>und</strong> Unabhängigkeitserklärung der frühen Menschheit<br />

gegen Gott, die geschichtlich wirklich stattgef<strong>und</strong>en hat.<br />

4. Hierdurch hat der Mensch die direkte Gottesbeziehung verloren. Er hat es seitdem mit<br />

e<strong>in</strong>em unsichtbaren, verborgenen, aber nicht weniger realen Gott zu tun.<br />

5.Gott hat den Kontakt mit der von ihm abgefallenen Menschheit nicht abgebrochen. Er hüllt<br />

sich nicht <strong>in</strong> Schweigen, sondern redet mit ihr. Für den Gott, der den Kosmos geschaffen hat,<br />

ist es e<strong>in</strong>e Kle<strong>in</strong>igkeit, e<strong>in</strong>igen erwählten Menschen e<strong>in</strong>zugeben, was er se<strong>in</strong>er Menschheit zu<br />

sagen hat, <strong>und</strong> sie zur Niederschrift des Empfangenen zu br<strong>in</strong>gen. Mit anderen Worten: es war<br />

für ihn e<strong>in</strong>e Kle<strong>in</strong>igkeit, die Entstehung der Bibel so zu dirigieren, daß wir dar<strong>in</strong> se<strong>in</strong>e<br />

autoritative Botschaft, se<strong>in</strong>e Offenbarung <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Weisungen haben.<br />

6. Insbesondere f<strong>in</strong>den wir <strong>in</strong> der Bibel die Offenbarung des Willens Gottes, wie der Mensch<br />

se<strong>in</strong>e Beziehungen zu Gott, zum Mitmenschen <strong>und</strong> zur übrigen Schöpfung gestalten bzw.<br />

nicht gestalten soll. Dazu gehören die zehn Gebote, aber auch viele andere Bibeltexte zum<br />

Thema der Gebote <strong>und</strong> Ordnungen Gottes (siehe Abschnitt 5.2).<br />

7. Durch diese Gebote <strong>und</strong> Ordnungen werden die <strong>christliche</strong>n Werte begründet (siehe Kap.4,<br />

Bild 1). Sie s<strong>in</strong>d nichts Sachliches, sondern die Willensoffenbarung des lebendigen,<br />

persönlichen Gottes.


32<br />

5.2. Bibeltexte zu den Geboten <strong>und</strong> Ordnungen Gottes<br />

Das größte <strong>und</strong> erste Gebot<br />

Du sollst den Herrn, de<strong>in</strong>en Gott, lieben mit de<strong>in</strong>em ganzen Herzen <strong>und</strong> de<strong>in</strong>er ganzen Seele<br />

<strong>und</strong> mit de<strong>in</strong>em ganzen Verstand. Dies ist das größte <strong>und</strong> erste Gebot. Das zweite aber ist ihm<br />

gleich: Du sollst de<strong>in</strong>en Nächsten lieben wie dich selbst (Mt 22, 37 -39).<br />

Die zehn Gebote (nach 2 Mo 20)<br />

1. Du sollst ke<strong>in</strong>e anderen Götter neben mir haben. Du sollst dir ke<strong>in</strong> Götterbild machen<br />

(V. 3-4).<br />

2. Du sollst den Namen des Herrn, de<strong>in</strong>es Gottes, nicht zu Nichtigem aussprechen<br />

(mißbrauchen) (V.7).<br />

3. Du sollst den Feiertag heiligen (V. 8).<br />

4. Du sollst de<strong>in</strong>en Vater <strong>und</strong> de<strong>in</strong>e Mutter ehren (V. 12).<br />

5. Du sollst nicht morden (V. 13).<br />

6. Du sollst nicht ehebrechen (V. 14)<br />

7. Du sollst nicht stehlen (V. 15)<br />

8. Du sollst gegen de<strong>in</strong>en Nächsten nicht als falscher Zeuge aussagen (nicht lügen) (V. 16).<br />

9. Du sollst nicht das Haus de<strong>in</strong>es Nächsten begehren (V. 17).<br />

10.Du sollst nicht begehren die Frau de<strong>in</strong>es Nächsten, noch se<strong>in</strong>en Knecht, noch se<strong>in</strong>e Magd,<br />

weder se<strong>in</strong> R<strong>in</strong>d noch se<strong>in</strong>en Esel, noch irgend etwas, was de<strong>in</strong>em Nächsten<br />

gehört (V. 17).<br />

Die goldene Regel<br />

Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch! Denn dar<strong>in</strong><br />

besteht das Gesetz <strong>und</strong> die Propheten (Mt 7, 12).


33<br />

5.3. Von <strong>christliche</strong>n Werten zum <strong>christliche</strong>n Glauben<br />

1. Unsere tabellarische Übersicht <strong>christliche</strong>r Werte sollte nicht zu dem Schluß führen, daß<br />

die <strong>christliche</strong> Botschaft nur aus Verhaltensregeln bestehe, die uns e<strong>in</strong>schränken. Darum s<strong>in</strong>d<br />

folgende Ergänzungen dr<strong>in</strong>gend notwendig.<br />

2. Die göttlichen Gebote <strong>und</strong> Ordnungen s<strong>in</strong>d gut für uns. Sie s<strong>in</strong>d die göttlichen<br />

Gebrauchsanweisungen für uns, deren Mißachtung uns nur schadet.<br />

Beispiele: Herzeleid <strong>und</strong> K<strong>in</strong>derelend durch Ehebruch<br />

Schlaflose Nächte <strong>und</strong> Gewissensnöte durch f<strong>in</strong>anzielle Unkorrektheiten<br />

3. Der gefallene Mensch hat trotzdem e<strong>in</strong>e Neigung zur Übertretung der göttlichen<br />

Ordnungen. Er will es besser wissen als Gott. So wird er zum Sünder, der vor Gott schuldig<br />

ist.<br />

4. Gott läßt den Menschen mit se<strong>in</strong>er Sünde <strong>und</strong> Schuld vor Gott nicht alle<strong>in</strong>. Er sendet se<strong>in</strong>en<br />

Sohn <strong>in</strong> die Welt, damit dieser durch se<strong>in</strong>en stellvertretenden Sühnetod am Kreuz die<br />

Möglichkeit der Vergebung <strong>und</strong> Errettung schaffe.<br />

Paulus: "Denn ich habe euch vor allem überliefert, was ich auch empfangen habe: daß Christus für<br />

unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften; <strong>und</strong> daß er begraben wurde <strong>und</strong> daß er auferweckt<br />

worden ist am dritten Tag nach den Schriften" (1. Kor 15, 3-4).<br />

"Gott war <strong>in</strong> Christus <strong>und</strong> versöhnte die Welt mit sich selbst" (2. Kor. 5, 19).<br />

5. Gott bittet (!) nun die Menschen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Denn die<br />

Versöhnung wird nicht automatisch für jeden Menschen wirksam, sondern erst aufgr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er<br />

persönlichen Entscheidung <strong>und</strong> e<strong>in</strong>es persönlichen Bekenntnisses.<br />

Paulus: "So s<strong>in</strong>d wir nun Gesandte an Christi Statt, <strong>in</strong>dem Gott gleichsam<br />

durch uns ermahnt; wir bitten für Christus: Laßt euch versöhnen mit Gott!"<br />

(2. Kor 5, 20).<br />

"Wenn wir sagen, daß wir ke<strong>in</strong>e Sünde haben, betrügen wir uns selbst, <strong>und</strong> die Wahrheit ist nicht <strong>in</strong> uns.<br />

Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu <strong>und</strong> gerecht, daß er uns die Sünden vergibt <strong>und</strong> uns<br />

re<strong>in</strong>igt von jeder Ungerechtigkeit" (1. Joh. 1, 8-9).<br />

6. Darum kann man mit wenigen Gebetssätzen Christ werden, die Folgendes zum Ausdruck<br />

br<strong>in</strong>gen.<br />

E<strong>in</strong> persönliches Bekenntnis der Schuld vor Gott.<br />

E<strong>in</strong> persönliches Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus: se<strong>in</strong>e Gottessohnschaft, se<strong>in</strong>en<br />

stellvertretenden Sühnetod <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Auferstehung.<br />

7. Wer so aufgr<strong>und</strong> des Sühneopfers Jesu Christi Vergebung empfangen hat, will nicht mehr<br />

leichtfertig sündigen, sondern se<strong>in</strong> künftiges Leben an den Ordnungen Gottes orientieren.<br />

Sündigt er dennoch aus Schwachheit, so darf er erneut aufrichtig bereuen, bekennen <strong>und</strong> um<br />

Vergebung bitten.


34<br />

TEIL III:<br />

LEBENSBEREICH:<br />

DAS BEZIEHUNGSNETZ DES MENSCHEN


35<br />

KAP 6: BEZIEHUNGEN ZU DEN MENSCHEN, DEN SACHEN UND<br />

ZUM SINN: EIN GLEICHGEWICHTSPROBLEM<br />

6.1. Das Beziehungsnetz des Menschen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Wechselwirkungen<br />

In Teil I g<strong>in</strong>gen wir vom Systembereich aus, konnten aber bereits starke Wechselwirkungen<br />

mit dem Lebensbereich erkennen. In Teil II gehen wir direkt vom Lebensbereich aus, <strong>in</strong> dem<br />

der Mensch im Mittelpunkt steht. Wir werden dabei wieder auf Wechselwirkungen mit dem<br />

Systembereich stoßen – sozusagen von der anderen Seite aus. Wir werden aber auch <strong>in</strong>terne<br />

Mechanismen des Lebensbereichs betrachten, die sich wiederum <strong>in</strong>direkt auf den<br />

Lebensbereich auswirken können.<br />

Der Mensch als Mittelpunkt des Lebensbereichs sieht sich <strong>in</strong> zahllose Beziehungen mit se<strong>in</strong>er<br />

"Umwelt" im weitesten S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>gebettet. Will man diese etwas übersichtlicher gruppieren, so<br />

legt sich zunächst der Gedanke nahe, dass der e<strong>in</strong>zelne Mensch von e<strong>in</strong>er Vielzahl von<br />

Mitmenschen umgeben ist, mit denen er <strong>in</strong> vielfacher Weise <strong>in</strong> Beziehung treten kann. Der<br />

Term<strong>in</strong>ologie der Sozialpsychologie folgend, kann man diese Beziehungen unter dem<br />

Schlagwort "personale Beziehungen" bündeln, während die übrigen <strong>in</strong>nerweltlichen<br />

Beziehungen als "funktionale Beziehungen" bezeichnet werden. Wir wollen darunter sowohl<br />

die Beziehungen zum vom Menschen geschaffenen Systembereich als auch zur natürlichen<br />

Umwelt verstehen. Schließlich fragt der Mensch, der sich als w<strong>in</strong>zigen Bestandteil e<strong>in</strong>es<br />

gewaltigen, ihm zugänglichen <strong>und</strong> erforschbaren Kosmos erlebt, unweigerlich nach dem S<strong>in</strong>n<br />

des Ganzen <strong>und</strong> entwickelt daher das Bedürfnis nach "transzendenten Beziehungen".<br />

Millendorfer spricht etwas kürzer <strong>und</strong> prägnanter von den Beziehungen zu den Menschen, den<br />

Sachen <strong>und</strong> zum S<strong>in</strong>n.<br />

Die drei Beziehungsebenen s<strong>in</strong>d m<strong>in</strong>destens teilweise vom Menschen gestaltbar, besonders<br />

h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Intensität. Da aber die Ressourcen des Menschen auch <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht<br />

beschränkt s<strong>in</strong>d, kommt es leicht zu Ungleichgewichten etwa durch Überbetonung e<strong>in</strong>er<br />

Ebene <strong>und</strong> Vernachlässigung e<strong>in</strong>er anderen Ebene. Diese Ungleichgewichte s<strong>in</strong>d deshalb<br />

schädlich, weil es auch direkte Wechselwirkungen zwischen den Beziehungen gibt. Zum<br />

Beispiel m<strong>in</strong>dert e<strong>in</strong>e Vernachlässigung der Familienqualität (personale Beziehung), wie wir<br />

noch empirisch sehen werden, die Leistungsmotivation im Systembereich (funktionale<br />

Beziehung). E<strong>in</strong>e unbefriedigende Lösung der S<strong>in</strong>nfrage kann auf die beiden anderen<br />

Beziehungsebenen wirken, zum Beispiel durch Schädigung der Leistungsmotivation <strong>und</strong> der<br />

personalen Beziehungen. Es ist daher e<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>these Millendorfers, dass e<strong>in</strong>e gedeihliche,<br />

effiziente <strong>und</strong> stabile Entwicklung des <strong>gesellschaft</strong>lichen Gesamtsystems e<strong>in</strong> Gleichgewicht<br />

der Beziehungen zu den Menschen, zu den Sachen <strong>und</strong> zum S<strong>in</strong>n erfordert. Diese These wird<br />

durch viele orig<strong>in</strong>elle empirische Forschungsergebnisse Millendorfers gestützt, von denen wir<br />

im Folgenden e<strong>in</strong>ige Proben geben.<br />

6.2. Beispiel Familienqualität <strong>und</strong> Leistungsmotivation<br />

E<strong>in</strong>e ursprünglich nur auf Familienfragen gerichtete Untersuchung Millendorfers brachte als<br />

überraschendes Ergebnis e<strong>in</strong>en neuen Ansatz zur Erklärung e<strong>in</strong>es bekannten <strong>wirtschaft</strong>lichen<br />

Phänomens, nämlich der langfristigen <strong>wirtschaft</strong>lichen Konjunkturwelle (Kondratieff-Zyklus)<br />

. Sie eignet sich daher besonders gut zur Illustration der Tatsache, daß Familienqualität als<br />

ökonomischer Faktor wirksam se<strong>in</strong> kann (Millendorfer 1984). Bei dieser Untersuchung wurde


36<br />

aus der Faktoranalyse demographischer <strong>und</strong> sozialpsychologischer Daten e<strong>in</strong> quantitativer<br />

Indikator für die durchschnittliche Familienqualität e<strong>in</strong>es Landes gewonnen. Auch e<strong>in</strong><br />

Indikator für die durchschnittliche Leistungsmotivation wurde entwickelt. Aufgr<strong>und</strong> dieser<br />

Indikatoren können verschiedene Länder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Rangreihenfolge gebracht <strong>und</strong><br />

Rangkorrelationen studiert werden.<br />

Stellt man nun <strong>in</strong> Bild 1 diesen Familien<strong>in</strong>dikator (für 1970) der Leistungsmotivation vor drei<br />

bis vier Jahrzehnten (1930) gegenüber, so zeigt sich e<strong>in</strong> negativer Zusammenhang: die Länder<br />

mit höherer Leistungsmotivation vor dreißig/vierzig Jahren (1930) haben später (1970) e<strong>in</strong>e<br />

schlechtere Familienqualität. Andererseits bewirkt e<strong>in</strong>e hohe Leistungsmotivation vor<br />

dreißig/vierzig Jahren (1930) später (1970) e<strong>in</strong>e hohe <strong>wirtschaft</strong>liche Leistung, <strong>in</strong> Bild 2<br />

gemessen durch das pro Kopf-E<strong>in</strong>kommen. Fügt man diese beiden Beobachtungen<br />

zusammen, ergibt sich Bild 3, das zeigt, daß e<strong>in</strong>e höhere Wirtschaftsleistung um den Preis<br />

e<strong>in</strong>er verschlechterten Familienqualität erzielt ist. Dabei zahlen die <strong>in</strong>effizienteren Länder<br />

(Südosteuropa) für e<strong>in</strong>e bestimmte Wirtschaftsleistung mehr an verlorener Familienqualität<br />

(Millendorfer 1984).


37<br />

6.3. Erklärung des Kontratieff-Zyklus durch Gleichgewichtsstörungen im<br />

Beziehungsnetz<br />

Aufgr<strong>und</strong> der negativen Korrelation zwischen Familienqualität <strong>und</strong> Wirtschaftsleistung (Bild<br />

3) könnte man nun me<strong>in</strong>en, daß die Wahl zwischen mehr Wirtschaftsleistung oder mehr<br />

Familienqualität e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e Frage der Präferenz sei. Die Untersuchungen von McClelland<br />

(1966) zeigen aber, daß e<strong>in</strong>e bestimmte Familienqualität auch wiederum Voraussetzung für<br />

Leistungsmotivation <strong>und</strong> damit für Wirtschaftsleistung ist. Wir haben es also mit e<strong>in</strong>em<br />

komplexen Vorgang zu tun, der <strong>in</strong> Bild 4 skizziert ist <strong>und</strong> wie folgt abläuft. Familienqualität<br />

erzeugt zunächst nach McClelland (zeitgleich) Leistungsmotivation; diese führt nach Bild 2<br />

(zeitverzögert) zu entsprechender Wirtschaftsleistung; die Wirtschaftsleistung aber wirkt nach<br />

Bild 3 (zeitgleich) negativ auf die Familienqualität zurück. Als Folge davon s<strong>in</strong>ken<br />

Leistungsmotivation <strong>und</strong> (zeitverzögert) Wirtschaftsleistung ab. Nach abgesunkener<br />

Wirtschaftsleistung kann die Familienqualität wieder aufgebaut werden, <strong>und</strong> der Prozeß kann<br />

von vorn beg<strong>in</strong>nen.<br />

Man nennt e<strong>in</strong>en solchen komplexen Zusammenhang, der <strong>in</strong> der Regeltechnik häufig<br />

vorkommt, e<strong>in</strong>e negative Rückkoppelung mit Totzeit. Im vorliegenden Fall ist e<strong>in</strong>e Totzeit<br />

von etwa 30 Jahren durch die Verzögerung zwischen Leistungsmotivation <strong>und</strong> Leistung<br />

bed<strong>in</strong>gt. E<strong>in</strong> System mit negativer Rückkoppelung <strong>und</strong> Totzeit beg<strong>in</strong>nt, zeitliche<br />

Schw<strong>in</strong>gungen auszuführen. Die zeitliche Länge der Schw<strong>in</strong>gung entspricht ungefähr der<br />

doppelten Länge der Totzeit, <strong>in</strong> unserem Fall also etwa 60 Jahren. Das ist so ziemlich genau<br />

die bekannte Länge des Kontratieff - Zyklus.<br />

Wir hätten also hier e<strong>in</strong>e Erklärungsmöglichkeit für den Kontratieff - Zyklus, bei der<br />

<strong>wirtschaft</strong>liche Entwicklungen durch E<strong>in</strong>beziehung außer<strong>wirtschaft</strong>licher Größen - hier der<br />

Familienqualität - verstanden werden können (Millendorfer 1984). Wir werden nun die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Beziehungsebenen näher ansehen <strong>und</strong> - über Millendorfer h<strong>in</strong>ausgehend -<br />

Vorschläge zu ihrer Gestaltung machen.


38<br />

KAP7: PERSONALE BEZIEHUNGEN<br />

7.1. Beziehung zur eigenen Person<br />

7.1.1. Selbstannahme<br />

Viele Menschen haben sowohl im Lebensbereich als auch im Systembereich (etwa<br />

Wirtschaft) Schwierigkeiten, weil sie Schwierigkeiten mit der eigenen Person haben, durch<br />

die sie ihre Umwelt belasten <strong>und</strong> ihre eigene Leistungsfähigkeit m<strong>in</strong>dern. E<strong>in</strong>e ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong><br />

stabile Beziehung zur eigenen Person ist daher von großer Bedeutung für alle externen<br />

Beziehungen.<br />

Bei den Schwierigkeiten mit der eigenen Person denken wir nicht so sehr an e<strong>in</strong>zelne<br />

psychische oder physische Probleme, sondern an e<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>sätzliche Unzufriedenheit mit sich<br />

selbst, etwa im Vergleich mit anderen oder e<strong>in</strong>em eigenen Ideal: nicht begabt genug, nicht<br />

leistungsfähig genug, nicht populär <strong>und</strong> umgänglich genug, nicht attraktiv genug, nicht<br />

diszipl<strong>in</strong>iert genug usw. Natürlich muß man unterscheiden zwischen D<strong>in</strong>gen, die man ändern<br />

oder nicht ändern kann. An den ersteren gilt es zu arbeiten, mit den letzteren gilt es sich<br />

auszusöhnen.<br />

Aus <strong>christliche</strong>r Sicht kann das Problem angegangen werden, <strong>in</strong>dem man sich darauf bes<strong>in</strong>nt,<br />

daß jeder Mensch e<strong>in</strong> orig<strong>in</strong>elles Geschöpf Gottes ist. Ausgesprochen böse <strong>und</strong> negative<br />

Eigenschaften, die e<strong>in</strong> Mensch mit auf die Welt br<strong>in</strong>gt oder entwickelt, gehören natürlich<br />

nicht zur Schöpfung Gottes, sondern haben mit dem Sündenfall zu tun, durch den die<br />

Schöpfung Gottes gestört wurde <strong>und</strong> wird. Aber trotz dieser Dunkelheiten <strong>und</strong> aller<br />

Unvollkommmenheiten ist <strong>in</strong> jedem Menschen das Ebenbild Gottes <strong>in</strong> besonderer<br />

Ausprägung angelegt. Dies gibt ihm seo<strong>in</strong>e unverlierbare Würde <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en unschätzbaren<br />

Wert vor Gott <strong>und</strong> Menschen.<br />

Es ist daher nicht nötig, sich an anderen Menschen zu messen. Jeder e<strong>in</strong>zelne ist vor Gott<br />

e<strong>in</strong>malig, orig<strong>in</strong>ell <strong>und</strong> wertvoll <strong>und</strong> hat e<strong>in</strong>e hohe Bestimmung. Wer sich bei Menschen<br />

"nicht angenommen" fühlt - e<strong>in</strong>e heute häufig zu hörende Klage - <strong>und</strong> sich vielleicht gerade<br />

deshalb nicht selbst annehmen kann, darf wissen, daß er bei Gott angenommen <strong>und</strong> wertvoll<br />

ist. Darum kann er sich auch selbst annehmen. Das schließt aber nicht aus (sondern e<strong>in</strong>), daß<br />

er gegen das Böse <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Person, das so oft die Anlage des Gottesbildes überdeckt, Stellung<br />

nimmt <strong>und</strong> kämpft <strong>und</strong> an der Beseitigung se<strong>in</strong>er Unvollkommenheiten <strong>und</strong> der Entfaltung<br />

des Guten <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Person arbeitet. Dies wäre das Thema der Charakter- <strong>und</strong><br />

Persönlichkeitsbildung.<br />

7.1.2. Charakter- <strong>und</strong> Persönlichkeitsbildung<br />

Dabei ist das Problem nicht, daß wir nicht wüßten, wie wir se<strong>in</strong> sollten. Wir wissen es recht<br />

gut. Wir haben e<strong>in</strong> Gewissen, <strong>und</strong> die göttlichen Gebote <strong>und</strong> Worte sagen es uns sehr<br />

deutlich. Die Frage ist vielmehr, ob wir die D<strong>in</strong>ge treiben lassen oder ob wir bereit s<strong>in</strong>d, an<br />

uns zu arbeiten <strong>und</strong> uns verändern zu lassen.<br />

Man muß nicht Christ se<strong>in</strong>, um diese Arbeit als notwendig <strong>und</strong> erstrebenswert zu erkennen<br />

<strong>und</strong> entschlossen anzupacken. E<strong>in</strong> Offizier sagte se<strong>in</strong>en Soldaten: Wer nicht täglich an sich


39<br />

arbeitet, wird ke<strong>in</strong> Charakter. Viele Führungskräfte s<strong>in</strong>d zu erstaunlichen Persönlichkeiten<br />

<strong>und</strong> Charakteren geworden, viele Philosophen haben erstaunliche Tugenden gelehrt <strong>und</strong><br />

praktiziert. Wir wollen nicht <strong>in</strong> Abrede stellen, daß der Mensch durch Diszipl<strong>in</strong> <strong>und</strong> Arbeit an<br />

sich selbst viel erreichen kann. Er kann es lernen, zu guter Zeit aufzustehen <strong>und</strong> zu Bett zu<br />

gehen. Er kann es lernen, nicht mehr Geld auszugeben als e<strong>in</strong>zunehmen. Er kann es lernen, <strong>in</strong><br />

vielen D<strong>in</strong>gen ehrlich <strong>und</strong> zuverlässig zu se<strong>in</strong>. Er kann es lernen, mit se<strong>in</strong>en Mitmenschen<br />

taktvoll <strong>und</strong> rücksichtsvoll umzugehen - wenigstens öfters. Dennoch kommt der Mensch an<br />

se<strong>in</strong>e Grenzen, weil das Böse <strong>in</strong> ihm so mächtig werden <strong>und</strong> so tief wurzeln kann, daß er mit<br />

se<strong>in</strong>er menschlichen Kraft nicht mehr dagegen ankommen kann. Der Christ hat hier e<strong>in</strong>en<br />

unschätzbaren Vorteil. Er kann den auferstandenen Christus anrufen, ihn mit se<strong>in</strong>er<br />

übernatürlichen Kraft zu befreien <strong>und</strong> zu verändern <strong>und</strong> ihm hierzu freie Hand geben. Ihm<br />

s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong>e Grenzen gesetzt.<br />

7.1.3. Ges<strong>und</strong>heit<br />

E<strong>in</strong> weiterer wichtiger Aspekt der Beziehung zur eigenen Person ist die eigene Ges<strong>und</strong>heit.<br />

Ohne sie s<strong>in</strong>d alle Lebensgebiete bee<strong>in</strong>trächtigt, es kann bis zum Verlust der Lebensfreude<br />

<strong>und</strong> des Lebensmutes kommen. "Ges<strong>und</strong>heit ist nicht alles, aber ohne sie ist alles nichts".<br />

Vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt ist Ges<strong>und</strong>heit e<strong>in</strong> hohes anvertrautes Gut des Schöpfers, das es<br />

sorgfältig zu verwalten gilt. Viele - wenn nicht die meisten - ges<strong>und</strong>heitlichen Probleme des<br />

modernen Menschen s<strong>in</strong>d durch se<strong>in</strong>e unnatürliche moderne Lebensweise verursacht, also <strong>in</strong><br />

diesem S<strong>in</strong>ne "hausgemacht". Ob es sich nun um Vorbeugung oder Heilung handelt -<br />

Vorbeugung ist besser! - so muß an der Ursache der modernen Lebensweise angesetzt<br />

werden. Wir nennen e<strong>in</strong>ige Hauptfaktoren.<br />

1. Ernährung. Die Ernährung des modernen Menschen ist durch <strong>und</strong> durch unges<strong>und</strong>:<br />

fettreich, fleischreich, denaturiert durch <strong>in</strong>dustrielle Verarbeitung <strong>und</strong> Konservierung,<br />

angereichert mit zahllosen künstlichen Zusatzstoffen oder aus e<strong>in</strong>er bereits belasteten Umwelt<br />

stammenden Schadstoffen. Bei den Fetten handelt es sich oft um erhitzte, gehärtete <strong>und</strong><br />

darum krebserregende Fette. Beim Fleisch kommen zahlreiche ges<strong>und</strong>heitsbedrohende Stoffe<br />

<strong>in</strong> den Futtermitteln für Schlachttiere zur Wirkung, soweit es sich nicht um schon von Hause<br />

aus krebsfördernde Fleischarten wie Schwe<strong>in</strong>efleisch handelt. Große Mengen Fleisch wirken<br />

für den Körper wesentlich belastender als andere Eiweißquellen. Industriezucker, Süßigkeiten<br />

<strong>und</strong> vitam<strong>in</strong>arme, "zu Tode gekochte" Konservenkost tun das Ihre. Die Verdauung<br />

funktioniert schlecht, es kommt zu Belastungen <strong>und</strong> Vergiftungen des Körpers e<strong>in</strong>erseits <strong>und</strong><br />

zu Mangelerscheidungen andererseits.<br />

Ges<strong>und</strong>e Kost sollte folgende Eigenschaften aufweisen: fettarm unter Verwendung ges<strong>und</strong>er<br />

Fette, fleischarm (wenn nicht sogar vegetarisch unter Verwendung anderer Eiweißquellen),<br />

reich an Rohkost, Gemüse, Obst, Vitam<strong>in</strong>en möglichst aus biologischem Anbau.<br />

Kohlehydrate sollten hauptsächlich aus ges<strong>und</strong>en Getreideprodukten aufgenommen werden<br />

(z.B. Vollkornbrot, Müsli), Prote<strong>in</strong>e aus Milchprodukten, Sojaprodukten, Nüssen <strong>und</strong> anderen<br />

pflanzlichen Eiweißquellen. Die Ernährung sollte eher säurearm <strong>und</strong> nicht<br />

versäuerungsfördernd se<strong>in</strong>. Beispielsweise kann das Frühstück aus frischem Obst (fördert<br />

zugleich Verdauung <strong>und</strong> Entschlackung), Joghurt <strong>und</strong> Nüssen bestehen, das Mittagessen aus<br />

Salaten, Rohkost, Gemüse, Kartoffeln (möglichst wenig Hitzebehandlung!) <strong>und</strong> als<br />

Eiweißquelle aus Sojaprodukten, Quark, Käse, das Abendessen aus Vollkornbrot mit<br />

verschiedenen Aufstrichen, Müsli, Milch <strong>und</strong> Kompott. Bei aller Freude an gutem Essen <strong>und</strong><br />

Tr<strong>in</strong>ken sollte Mäßigkeit praktiziert werden (Gewichtsprobleme). Fastentage <strong>und</strong>


40<br />

Entschlackungskuren s<strong>in</strong>d ebenfalls sehr nützlich. Richtige Ernährung trägt auch viel zu<br />

geistiger Frische <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit bei (plenus venter ...).<br />

2. Ges<strong>und</strong>heitsschädliche Genußmittel. Die Ges<strong>und</strong>heitsschäden durch Rauchen, Alkohol<br />

<strong>und</strong> andere Genußmittel s<strong>in</strong>d zu offensichtlich, um viele Worte darüber zu verlieren. Die<br />

Konsequenzen legen sich von selbst nahe.<br />

3. Bewegung. Die überwiegend sitzende Lebensweise des modernen Menschen sollte durch<br />

e<strong>in</strong> energisches, aktives Bewegungsprogramm wenigstens teilweise ausgeglichen werden.<br />

Laufen, Wandern an ges<strong>und</strong>er frischer Luft, Schwimmen <strong>und</strong> Sport bieten viele Alternativen.<br />

4. Schlaf. Ausreichender, ges<strong>und</strong>er Schlaf im natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus ist e<strong>in</strong>e<br />

Quelle von Schwung, Lebensfreude <strong>und</strong> Leistungsfähigkeit. "Early to bed and early to rise<br />

...." - diese Praxis ist besser, als die Nacht zum Tage zu machen <strong>und</strong> m<strong>in</strong>destens teilweise den<br />

Tag zur Nacht.<br />

Schlafstörungen s<strong>in</strong>d aus vielen physischen <strong>und</strong> psychischen Gründen möglich: Schmerzen<br />

<strong>und</strong> sonstige ges<strong>und</strong>heitliche Beschwerden, familiäre <strong>und</strong> geschäftliche Probleme <strong>und</strong> Sorgen,<br />

belastetes Gewissen. Beim letzten Punkt hat man als Christ klare Wegweisung: Sünden- <strong>und</strong><br />

Schuldbekenntnis vor Gott <strong>und</strong> Menschen, Empfang der Vergebung durch den Glauben an<br />

Jesus Christus, <strong>in</strong> Ordnung br<strong>in</strong>gen, was <strong>in</strong> Ordnung gebracht werden muß. Auch die Last der<br />

Probleme <strong>und</strong> Sorgen darf er se<strong>in</strong>em Herrn br<strong>in</strong>gen: "Alle eure Sorge werft auf ihn". Er darf<br />

se<strong>in</strong>en Herrn bitten: Führe mich zu der dir wohlgefälligen Lösung. De<strong>in</strong> Wille geschehe.<br />

5. Urlaub. Ebenso wie der Schlaf sollte der Urlaub e<strong>in</strong>e regenerationsfördernde Arbeitspause<br />

se<strong>in</strong> <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsbewußt gestaltet werden, was leider nicht immer der Fall ist. Er sollte<br />

nicht gestückelt, sondern zusammenhängend genommen werden damit die für wirkliche<br />

Erholung nötigen Wochen zur Verfügung stehen. Ernährung, Bewegung, Schlaf, geistige <strong>und</strong><br />

seelische Entspannung sollten bewußt gepflegt werden, anstatt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em übervollen Programm<br />

von e<strong>in</strong>er "Sehenswürdigkeit" zur anderen <strong>und</strong> von e<strong>in</strong>em "Unterhaltungsangebot" zum<br />

anderen zu hetzen. Das setzt natürlich voraus, daß man "mit sich selbst etwas anfangen "<br />

kann. Für den Christen ist der Urlaub e<strong>in</strong>e besondere Gelegenheit zur Beschäftigung mit dem<br />

Wort Gottes als unerschöpflicher Kraftquelle.<br />

6. Streß. Streß stört nicht nur den Schlaf, sondern die gesamte Ges<strong>und</strong>heit, besonders wenn es<br />

sich um Dauerstreß handelt. Unter der Überschrift "Jeder vierte Manager ges<strong>und</strong>heitlich<br />

gefährdet" ist im Mitteilungsblatt e<strong>in</strong>er mit Versicherungs- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsfragen befaßten<br />

Organisation folgendes zu lesen:<br />

Viele Führungskräfte s<strong>in</strong>d sich der ges<strong>und</strong>heitlichen Risiken von beruflichem Dauerstreß noch immer nicht<br />

bewußt - oder unterschätzen sie. "Jeder vierte Manager <strong>in</strong> Deutschland ist ges<strong>und</strong>heitlich gefährdet", warnt Dr.<br />

Ludger Ciré von unserem Partner PREVENT, IAS Institut für Arbeits- <strong>und</strong> Sozialhygiene Stiftung <strong>in</strong> Karlsruhe.<br />

Seit 1986 hat das Institut bei 20.000 Führungskräften Ges<strong>und</strong>heits-checks durchgeführt. Die alarmierende<br />

Bilanz: Bei 40 % der Untersuchten treten Fettstoffwechselstörungen auf, über 20 % haben Bluthochdruck als<br />

weiteren gravierenden Risikofaktor für Herz<strong>in</strong>farkt <strong>und</strong> Schlaganfall. Jeder fünfte Manager leidet unter<br />

psychischen Beschwerden wie Reizbarkeit, depressiver Stimmung, Schlaflosigkeit <strong>und</strong> Erschöpfungszuständen.<br />

Da Ges<strong>und</strong>heit mehr wert ist als Geld, stelt sich auch an dieser Stelle wieder die Frage nach<br />

e<strong>in</strong>em ges<strong>und</strong>en Gleichgewicht zwischen personalen <strong>und</strong> funktionalen Beziehungen, auf die<br />

wir <strong>in</strong> Kapitel 8 zurückkommen müssen. Doch kann ges<strong>und</strong>heitsbelastender Streß auch <strong>in</strong><br />

vielen anderen Gebieten entstehen, nicht zuletzt im Bereich der personalen Beziehungen


41<br />

selbst (z.B. durch Eheprobleme). Hilfe ist nur möglich, wenn die ursächlichen Faktoren mutig<br />

<strong>und</strong> konsequent <strong>in</strong> Angriff genommen werden.<br />

7.1.4. Seelische Hygiene<br />

Die menschliche Seele - häufig def<strong>in</strong>iert als der Sitz des Denkens, Fühlens <strong>und</strong> Wollens - ist<br />

heute e<strong>in</strong>em Bombardement von Informationen, E<strong>in</strong>flüssen <strong>und</strong> Angeboten ausgesetzt,<br />

besonders durch die Massenmedien. Wer ges<strong>und</strong> bleiben <strong>und</strong> das neutige Leben bewältigen<br />

will, steht vor der Herausforderung, diesen Strom e<strong>in</strong>zuschränken, zu kontrollieren <strong>und</strong> zu<br />

filtern. Von staatlicher Seite ist ke<strong>in</strong>e Hilfe zu erwarten.<br />

Die Medien liefern das gesamte Weltgeschehen <strong>in</strong>klusive aller Katastrophen, Tragödien,<br />

Mißstände <strong>und</strong> Leiden frei <strong>in</strong>s Haus, wobei die sensationsorientierte negative Selektivität<br />

noch das Ihre tut. Durch penetrante multimediale Technik wird alles bis <strong>in</strong> die Tiefen der<br />

Seele befördert. Wer sich dieser Informationsflut <strong>und</strong> Reizüberflutung ungeschützt ausliefert,<br />

darf sich nicht w<strong>und</strong>ern, wenn er depressiv oder sonst seelisch krank wird <strong>und</strong> den Lebensmut<br />

verliert. Hier ist strenge zeitliche <strong>und</strong> <strong>in</strong>haltliche Diszipl<strong>in</strong> gefordert, die nicht alles wissen<br />

<strong>und</strong> nicht alles bis <strong>in</strong> die Tiefen mit erleben will. Das gehört zum Selbstschutz.<br />

Die Medien transportieren beileibe nicht nur Informationen, sondern auch E<strong>in</strong>flüsse - oft <strong>in</strong><br />

subtiler <strong>und</strong> raff<strong>in</strong>ierter Weise wie bei manipulativer Werbung. Die Medien s<strong>in</strong>d weitgehend<br />

ideologisch unterwandert <strong>und</strong> werden doch von vielen als Hort der Objektivität<br />

wahrgenommen. Was im Fernsehen kommt, zählt. Die Medien fördern den Werteverfall,<br />

bestimmen Tabus, Denkverbote <strong>und</strong> Tagesordnungen, <strong>in</strong>szenieren "Kampagnen" gegen ihnen<br />

unliebsame Persönlichkeiten <strong>und</strong> stellen sie <strong>in</strong> pe<strong>in</strong>liche Ecken, stützen "politische<br />

Korrektheit" <strong>und</strong> andere Strömungen des Zeitgeistes, <strong>in</strong>filtrieren die Öffentlichkeit mit<br />

politischen, <strong>wirtschaft</strong>lichen <strong>und</strong> sozialen Ideologien.<br />

Wer sich se<strong>in</strong>e geistige Freiheit bewahren <strong>und</strong> eigene Überzeugungen entwickeln will, muß<br />

den medialen Me<strong>in</strong>ungsmachern äußerst zurückhaltend <strong>und</strong> kritisch begegnen <strong>und</strong> sich se<strong>in</strong>e<br />

eigenen me<strong>in</strong>ungsbildenden Quellen erschließen. Hierfür bleiben heute fast nur noch<br />

Buchpublikationen vertrauenswürdiger <strong>und</strong> unabhängiger Autoren <strong>und</strong> Verlage.<br />

Außerdem wimmelt es <strong>in</strong> den Medien von sittenwidrigen <strong>und</strong> die seelische Ges<strong>und</strong>heit<br />

zerstörenden Angeboten aller Art für die dekadente "Spaß<strong>gesellschaft</strong>". Wer an e<strong>in</strong>er<br />

ges<strong>und</strong>en Beziehung zur eigenen Person <strong>in</strong>teressiert ist, wird diese Angebote auf se<strong>in</strong>en<br />

persönlichen Index setzen, ob es sich um die sittenwidrigen erotischen Angebote, um<br />

ges<strong>und</strong>heitsgefährdende <strong>und</strong> gewaltverherrlichende Spiele oder virtuelle elektronische Welten<br />

handelt, die von der Realität entfremden, die es zu meistern gilt, <strong>und</strong> die Flucht aus dieser<br />

Realität begünstigen <strong>und</strong> betreiben.<br />

7.1.5. Vom Egoismus zur Nächstenliebe<br />

Was e<strong>in</strong>er erfüllten <strong>und</strong> glücklichen Beziehung des Menschen zu sich selbst am meisten im<br />

Wege steht, ist paradoxerweise se<strong>in</strong> Egoismus. Der Mensch br<strong>in</strong>gt den Egoismus mit auf die<br />

Welt, die Ich-Bezogenheit liegt ihm <strong>in</strong> Fleisch <strong>und</strong> Blut. Beständig strebt er danach, sich<br />

durch Erfüllung se<strong>in</strong>er zahllosen, nie endenden Wünsche <strong>und</strong> Realisierung se<strong>in</strong>es<br />

verme<strong>in</strong>tlichen Glückes zu befriedigen. Obwohl er viele Male erlebt, daß Egoismus nicht


42<br />

glücklich macht, geht er auf diesem Wege immer weiter <strong>und</strong> denkt: Wenn ich das noch hätte,<br />

dann ....!<br />

Wendet er sich aber von se<strong>in</strong>en eigenen Bedürfnissen zu denjenigen se<strong>in</strong>er Mitmenschen als<br />

Orientierungspunkt, so ist e<strong>in</strong> erster Schritt vom Egoismus zur Nächstenliebe getan. Der<br />

Mensch entdeckt dann, daß Geben seliger ist als Nehmen. Man wird glücklicher als <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

egoistischen Leben. Es hat immer wieder Christen gegeben, die den Weg der Nächstenliebe<br />

bis zum Äußersten gegangen s<strong>in</strong>d. Mutter Theresa, Vater Bodelschw<strong>in</strong>gh <strong>und</strong> viele andere<br />

haben ihr ganzes Leben dem Dienst der Nächstenliebe geweiht. Aber auch jeder e<strong>in</strong>zelne<br />

Schritt weg vom Egoismus <strong>und</strong> h<strong>in</strong> zur Nächstenliebe ist wichtig <strong>und</strong> macht glücklicher.<br />

7.1.6. Innere Ruhe<br />

Jeder Mensch wünscht sich <strong>in</strong>nere Ruhe <strong>und</strong> Frieden. Viele der vorstehenden Anregungen<br />

können dazu beitragen. Zur Ruhe im umfassenden S<strong>in</strong>n ist jedoch erforderlich, daß auf allen<br />

drei Ebenen des menschlichen Beziehungsnetzes die notwendigen Voraussetzungen<br />

geschaffen werden. Im E<strong>in</strong>zelnen:<br />

1. daß die persönlichen Beziehungen nach den Ordnungen <strong>und</strong> Geboten Gottes gestaltet<br />

werden, also auf der Gr<strong>und</strong>lage der Nächstenliebe.<br />

2. daß die funktionalen Beziehungen soweit begrenzt werden, daß die personalen<br />

Beziehungen nicht leiden.<br />

3. daß auf der transzendentalen Ebene die Lösung der S<strong>in</strong>nfrage <strong>und</strong> die Heilung der<br />

Gottesbeziehung stattf<strong>in</strong>den.<br />

Wir wenden uns nun zunächst den weiteren personalen Beziehungen zu.<br />

7.2. Familie<br />

Blicken wir über die Beziehung zur eigenen Person h<strong>in</strong>aus, so ist der nächste enge<br />

Beziehungskreis des Menschen durch die Familie gegeben, <strong>in</strong> der er aufwächst. Unter<br />

normalen Umständen wird e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Familie geboren, <strong>in</strong> der es lange Jahre verbleibt,<br />

Beziehungen entwickelt <strong>und</strong> Prägungen erfährt, die für se<strong>in</strong>e gesamte<br />

Persönlichkeitsentwicklung <strong>und</strong> für das ganze Leben überhaupt von größter Bedeutung s<strong>in</strong>d.<br />

Dieser prägende E<strong>in</strong>fluß der familiären Beziehungen beg<strong>in</strong>nt bereits <strong>in</strong> der allerersten<br />

Lebenszeit.<br />

7.2.1. Bedeutung der Mutterbeziehung <strong>in</strong> den ersten K<strong>in</strong>dheitsjahren<br />

Die Bedeutung der Mutterbeziehung beg<strong>in</strong>nt bereits während der Schwangerschaft durch die<br />

E<strong>in</strong>stellung der Mutter <strong>und</strong> des Vaters zum K<strong>in</strong>d. Nach der Geburt ist die physische <strong>und</strong><br />

psychische Nähe der Mutter zum K<strong>in</strong>d das Lebenselement, <strong>in</strong> dem sich das K<strong>in</strong>d ges<strong>und</strong><br />

entwickeln kann. Hier ist die Mutter durch nichts zu ersetzen. Dies ist nicht nur durch<br />

tausendfache Erfahrung, sondern auch durch die wissenschaftliche Beziehungsforschung<br />

längst erwiesen. Es ist tragisch, daß sich die Politik über beides h<strong>in</strong>wegsetzt.<br />

Doch gibt es auch noch mutige Gegenstimmen. So hat Meves (2005) die Schädigungen durch<br />

kollektive K<strong>in</strong>derbetreuung aufgr<strong>und</strong> jahrzehntelanger Erfahrungen <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>der- <strong>und</strong>


43<br />

Jugendpsychotherapie e<strong>in</strong>drücklich wissenschaftlich untersucht <strong>und</strong> belegt. U.a. präsentiert<br />

sie auch Gehirnaufnahmen aus Waisenhäusern, die Entwicklungsschäden nachweisen. Sie<br />

gibt ihrem Werk über Gehirnentwicklung den Untertitel: Warum Kollektiverziehung <strong>und</strong><br />

andere Unnatürlichkeiten für kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der schädlich s<strong>in</strong>d. Und es gibt auch noch Frauen -<br />

auch hochgebildete Frauen - die aus Überzeugung Mutter <strong>und</strong> Hausfrau von Beruf s<strong>in</strong>d. Sie<br />

geben ihren K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> Familien unschätzbare, nicht mit dem Eurozeichen meßbare Werte<br />

mit.<br />

7.2.2. Erlernung sozialer Kompetenz<br />

Die heute gerade auch im Wirtschaftsleben so sehr gefragte "soziale Kompetenz", als<br />

Kompetenz im menschlichen Umgang mit Menschen, wird nirgends so natürlich <strong>und</strong><br />

gr<strong>und</strong>legend vermittelt wie <strong>in</strong> der Familie. Hierzu schreiben zwei erfahrene Berater von<br />

Führungskräften:<br />

Im Verb<strong>und</strong>system von Ehe <strong>und</strong> Familie gibt es Lernprozesse, die sonst nirgendwo auf dieser Welt <strong>in</strong> dieser<br />

tiefgreifenden Form ablaufen: Lernprozesse h<strong>in</strong>sichtlich Reife <strong>und</strong> Charakterbildung. Hier lernen sowohl die<br />

K<strong>in</strong>der wie auch die Eltern, wie man mite<strong>in</strong>ander lebt. Es s<strong>in</strong>d Lernprozesse, die nicht nur wichtige Kultur<strong>in</strong>halte<br />

vermitteln, sondern auch Lebens<strong>in</strong>halte. Wo lernen K<strong>in</strong>der sonst D<strong>in</strong>ge wie soziales Verhalten,<br />

Verantwortungsübernahme, Verzicht, Rücksichtnahme, Nächstenliebe, Arbeitsteilung, Teamarbeit, Sorgfalt <strong>und</strong><br />

Gewissensbildung?<br />

Wann immer e<strong>in</strong> Unternehmer <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Betrieb junge Leute e<strong>in</strong>stellt, greift er auf Fähigkeiten, <strong>in</strong>nere<br />

E<strong>in</strong>stellungen <strong>und</strong> Charaktereigenschaften zurück, die diese jungen Leute <strong>in</strong> ihrer Familie gelernt haben. Wir<br />

können schon a priori sagen, daß die Qualität unserer Familien <strong>in</strong> gewisser Weise auch die Produktivität unserer<br />

Berufswelt bestimmt (Czwal<strong>in</strong>a/Walker 1998:44).<br />

Voraussetzung ist natürlich, daß <strong>in</strong> den Familien noch Erziehung stattf<strong>in</strong>det <strong>und</strong> Werte<br />

gepflegt werden. Dann aber ist die Familie besonders effektiv <strong>in</strong> der Entwicklung <strong>und</strong><br />

Weitergabe sozialer Kompetenz.<br />

7.2.3. Zufluchtsort <strong>und</strong> Kraftquelle<br />

Es wurde bereits erwähnt, daß nach wissenschaftlicher Erkenntnis e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Familienqualität Voraussetzung für Leistungsmotivation ist. Doch ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>takte <strong>und</strong><br />

ges<strong>und</strong>e Familie <strong>in</strong> noch viel umfassenderen S<strong>in</strong>n Kraftquelle <strong>und</strong> Zufluchtsort <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er oft<br />

kalten <strong>und</strong> bedrückenden Außenwelt. Sie ist der Zufluchtsort, wo die Ehepartner e<strong>in</strong>ander das<br />

Herz ausschütten, trösten, geme<strong>in</strong>sam nach Lösungen suchen, gemee<strong>in</strong>sam Lasten tragen,<br />

Freude <strong>und</strong> Leid teilen, e<strong>in</strong>ander helfen <strong>und</strong> glücklich machen wollen. Dasselbe gilt zwischen<br />

den Eltern <strong>und</strong> K<strong>in</strong>dern <strong>und</strong> den K<strong>in</strong>dern untere<strong>in</strong>ander. Kurz, die <strong>in</strong>takte Familie ist der Ort,<br />

wo Liebe, Geborgenheit <strong>und</strong> Ausrüstung erfahren werden. Sie wird damit zu e<strong>in</strong>em mächtigen<br />

Schutz <strong>und</strong> Bollwerk nach außen <strong>und</strong> zur Kraftquelle für den Kampf des Alltags. Zu schön<br />

um wahr zu se<strong>in</strong>?<br />

Es kann ke<strong>in</strong> Zweifel se<strong>in</strong>, daß dies alles am besten auf <strong>christliche</strong>r Gr<strong>und</strong>lage gel<strong>in</strong>gen kann.<br />

Nicht daß es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>christliche</strong>n Ehe <strong>und</strong> Familie nicht auch Probleme,<br />

Unvollkommenheiten, Versagen <strong>und</strong> Schuld gäbe. Doch es gibt mit Gottes Hilfe auch den<br />

Weg der Umkehr, des Bekenntnisses, der Bitte um Vergebung <strong>und</strong> der Gewährung von<br />

Vergebung, der Veränderung <strong>und</strong> Heilung, des Wachsens <strong>und</strong> Reifens. Der Mann ist<br />

angewiesen, se<strong>in</strong>e Frau so zu lieben wie Christus se<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>de, d.h. mit e<strong>in</strong>er Liebe, die<br />

auf ihr Bestes zielt <strong>und</strong> dafür zu Opfern bereit ist. Die Frau ist angewiesen, nicht über den


44<br />

Mann zu herrschen, sondern zu akzeptieren, daß er nach der Ordnung Gottes e<strong>in</strong>e letzte<br />

Verantwortung zu tragen hat, der sie sich unterordnen soll. Unterordnung muß nicht dem<br />

Zerrbild von Unterjochung, Ausnutzung <strong>und</strong> Sklaverei entsprechen, das oft gezeichnet wird,<br />

sondern kann etwas Gutes, Liebevolles <strong>und</strong> Arbeitsteiliges se<strong>in</strong>. Die K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d angewiesen,<br />

ihre Eltern zu ehren <strong>und</strong> ihnen zu gehorchen. Auch dies hat nichts mit dem Zerrbild<br />

mißbrauchter Elternautorität zu tun, das dann im Gegenzug zu antiautoritären Auswüchsen<br />

geführt hat.<br />

Die Eltern s<strong>in</strong>d ihrerseits angewiesen, ihre K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der "Erziehungsart <strong>und</strong> Ermahnung des<br />

Herrn" aufzuziehen, sie also <strong>in</strong> der Diszipl<strong>in</strong> der göttlichen Gebote anzuleiten <strong>und</strong> zum<br />

Glauben an Jesus Christus zu ermuntern <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zuladen. Hierbei s<strong>in</strong>d ihnen natürlich Grenzen<br />

gesetzt, weil jedes K<strong>in</strong>d letztlich e<strong>in</strong>e eigene Entscheidung für oder gegen den Glauben<br />

treffen muß.<br />

7.2.4. Zukunft des Volkes<br />

Da die Familie auch der Ort der Fortpflanzung ist, kommt ihr für die Zukunft e<strong>in</strong>es Volkes die<br />

allergrößte Bedeutung zu. Der heute oft zu beobachtende Verzicht auf K<strong>in</strong>der zugunsten<br />

anderer, meist materieller Werte <strong>und</strong> der selbstverwirklichung, ist e<strong>in</strong> sehr schlechter <strong>und</strong><br />

kurzsichtiger Wertetausch, der die Lebensgr<strong>und</strong>lagen der folgenden Generationen <strong>in</strong> Frage<br />

stellt. Hierzu liefern diejenigen Paare, die man heute als DINKS (double <strong>in</strong>come, no kids)<br />

bezeichnet, e<strong>in</strong>en besonders verhängnisvollen Beitrag.<br />

Die Zukunft des eigenen Volkes wird quantitativ <strong>und</strong> qualitativ <strong>in</strong> Frage gestellt. Die Folgen<br />

des quantitativen Bevölkerungsschw<strong>und</strong>es bis zur Gefährdung der Altersversorgung <strong>und</strong> der<br />

Überalterung <strong>und</strong> Vergreisung der Bevölkerung s<strong>in</strong>d bekannt. Extrem gravierend ist aber auch<br />

der qualitative Schw<strong>und</strong>: es s<strong>in</strong>d weith<strong>in</strong> die Eliten, die sich nicht mehr reproduzieren. Zwei<br />

Berater von Führungskräften schreiben dazu:<br />

Gesellschaftspolitikern wird ganz flau: Was soll e<strong>in</strong>e Elite, die sich selbst nicht mehr reproduziert? Auch wenn<br />

e<strong>in</strong>e erfolgreiche Karriere nach Verzicht auf Familie schreit: So wäre das e<strong>in</strong>e Problem gelöst <strong>und</strong> e<strong>in</strong> neues<br />

geschaffen (Czwal<strong>in</strong>a/Walker 1998: 44).<br />

Und weiter:<br />

Familie ist e<strong>in</strong>e andere Dase<strong>in</strong>sstufe als die Arbeitswelt, sie ist nicht nur gleichwertig, sie ist höher. Sie ist<br />

Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> Voraussetzung für all das, was den Manager erfolgreich macht, denn der moderne Manager ist<br />

nur deswegen erfolgreich, weil se<strong>in</strong>e Eltern sich nicht gegen die Familie entschieden haben. Wenn er aber genau<br />

das tut <strong>und</strong> me<strong>in</strong>t, die Freiheit dazu zu haben oder durch Arbeitsdruck genötigt zu werden, bestraft er nicht nur<br />

sich selbst, sondern er greift zerstörend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Lebensprozeß e<strong>in</strong>, der die Voraussetzung für Zukunft se<strong>in</strong>er<br />

eigenen K<strong>in</strong>der ist. Es geht <strong>in</strong> der Haltung des Managers zu se<strong>in</strong>er Familie garnicht <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie um ihn <strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>e Ehefrau, sondern um die Zukunft der folgenden Generationen. Es geht mit der Familie um e<strong>in</strong>en Bereich,<br />

der eigentlich bewußt garnicht se<strong>in</strong>er eigenen Entscheidungsfreiheit zugeordnet se<strong>in</strong> darf, sondern den er <strong>in</strong> der<br />

Kette der Generationen zu erhalten <strong>und</strong> zu pflegen verpflichtet ist. Daß er die Entscheidungsfreiheit hat, die<br />

Familie auch zu zerstören, <strong>und</strong> daß er durch die Gesetze e<strong>in</strong>er anonymen seelenlosen Markt<strong>wirtschaft</strong> dazu fast<br />

aufgefordert wird, ist e<strong>in</strong>es der dunklen Kapitel unserer Epoche (Czwal<strong>in</strong>a/Walker 1998: 45-46).<br />

Wer der Me<strong>in</strong>ung ist, daß die Zukunftssicherung des eigenen Volkes nicht so wichtig sei <strong>und</strong><br />

der Bevölkerungsschw<strong>und</strong> durch Massene<strong>in</strong>wanderung kompensiert werden könne, möge<br />

Folgendes bedenken.


45<br />

Die Nettozuwanderung <strong>in</strong> 1997 soll 700.000 betragen haben. Wenn man bedenkt, daß die<br />

deutsche jährliche Geburtenzahl nur noch wenige 100.000 beträgt, so kann e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache<br />

Rechnung zeigen, woh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Fortführung dieser Entwicklung führt. H<strong>in</strong>zu kommt die große<br />

Geburtenfreudigkeit speziell der islamischen E<strong>in</strong>wanderer im Gegensatz zur k<strong>in</strong>derarmen<br />

deutschen Bevölkerung. Daß man sich durchaus bewußt ist, was hier gespielt wird, ersieht<br />

man aus der Äußerung e<strong>in</strong>er Türk<strong>in</strong> gegenüber e<strong>in</strong>er deutschen jungen Frau: "Wir gebären<br />

euch kaputt".<br />

Dass dies nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt die Entwicklung von Deutschlands<br />

Geburtenzahlen (Bild 1). Die Geburtenzahl deutscher Eltern schrumpfte <strong>in</strong> den letzten vier<br />

Jahrzehnten um über 20% je Jahrzehnt. Die Geburtenzahl ausländischer Eltern <strong>in</strong> Deutschland<br />

(mit ausländischer Staatsangehörigkeit) wuchs im letzten Jahrzehnt um 10%. Nimmt man<br />

e<strong>in</strong>mal an, daß diese Wachstumsrate wegen ständig steigender Zuwanderung während der<br />

nächsten vier Jahrzehnte bei 15% oder 20%<br />

Bild 1<br />

Deutschlands Geburtenzahlen im konfessionellen Vergleich<br />

(<strong>in</strong> 100.000; <strong>in</strong> Klammern: Wachstumsrate gegen Vorjahr)<br />

_______________<br />

1960 1970 1980 1990* 1998*<br />

_________ _________ _________ _________ _________<br />

Kath. Eltern<br />

360<br />

-<br />

284<br />

(-22%)<br />

193<br />

(-33%)<br />

212<br />

-<br />

157<br />

(-26%)<br />

Ev. Eltern<br />

360<br />

-<br />

279<br />

(-23%)<br />

147<br />

(-48%)<br />

154<br />

-<br />

121<br />

(-22%)<br />

Ev./Kath. Eltern<br />

_______________<br />

Deutsche Eltern<br />

155<br />

-<br />

_________<br />

875<br />

-<br />

143<br />

(-8%)<br />

_________<br />

706<br />

(-20%)<br />

110<br />

(-24%)<br />

_________<br />

450<br />

(-27%)<br />

125<br />

-<br />

_________<br />

491<br />

-<br />

107<br />

(-15%)<br />

_________<br />

385<br />

(-22%)<br />

Ausländ. Eltern<br />

_______________<br />

Gesamt<br />

-<br />

-<br />

_________<br />

875<br />

-<br />

-<br />

-<br />

_________<br />

706<br />

(-20%)<br />

80<br />

-<br />

_________<br />

530<br />

(-25%)<br />

86<br />

-<br />

_________<br />

577<br />

-<br />

95<br />

(+10%)<br />

_________<br />

480<br />

(-17%)<br />

*Ab 1990 <strong>in</strong>klusive neue B<strong>und</strong>esländer<br />

Quelle: Statistisches B<strong>und</strong>esamt<br />

liegt, während die deutsche Wachstumsrate bei -20% verharrt, so gelangt man zu den<br />

extrapolierten Geburtenzahlen <strong>in</strong> Bild 2. Wie man sieht, würde die ausländische Geburtenzahl<br />

<strong>in</strong> 2040 bereits deutlich oder sogar erheblich über der deutschen liegen.


46<br />

Der Arbeitskreis Christlicher Publizisten (ACP) schreibt hierzu:<br />

Geme<strong>in</strong>schafts<strong>werte</strong> werden <strong>in</strong> unserer Gesellschaft immer weiter verdrängt, bis nur noch der Nutzen für die<br />

eigene Person zählt. Bei dieser Betrachtung s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der eher störend, die immer später geboren werden <strong>und</strong><br />

dann von frühester K<strong>in</strong>dheit an <strong>in</strong> Tagese<strong>in</strong>richtungen abgeschoben werden. Die Bedeutung der Familie wird<br />

abge<strong>werte</strong>t.......<br />

Zu beobachten ist auch, daß Homosexuelle - ungeb<strong>und</strong>en <strong>und</strong> gut verdienend - zu Kultfiguren der<br />

Spaß<strong>gesellschaft</strong> werden. E<strong>in</strong>er der wenigen, der diese Schieflage offen ausspricht, ist der Fuldaer Erzbischof<br />

Johannes Dyba. Dyba: "Wie wir heute mit dem Leben, mit K<strong>in</strong>dern, ja überhaupt mit Familien umgehen,<br />

nehmen wir unseren eigenen Untergang <strong>in</strong> Kauf" (ACP 2000: 19).<br />

Bild 2<br />

Extrapolation der Geburtenzahlen Deutschlands<br />

(<strong>in</strong> 100.000)<br />

Eltern Angenommene Ist-Wert Schätzwert<br />

Wachstumsrate 1998 2040<br />

_________________________________________________________<br />

Deutsch -20% 385 157<br />

Ausländisch +15% 95 166<br />

Ausländisch +20% 95 196<br />

H<strong>in</strong>zu kommt der dramatische Effekt e<strong>in</strong>er nahezu unkontrollierten E<strong>in</strong>wanderung. Nachdem<br />

Erfahrungen mit den Folgen früherer Anwerbungspolitik vorliegen, ist es doppelt<br />

erschütternd, daß die Wirtschaft e<strong>in</strong>e Generation später beim ersten Auftreten e<strong>in</strong>er gewissen<br />

Verknappung von Spezialisten erneut bereit zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, die kurzfristige <strong>und</strong> kurzsichtige<br />

Lösung zu wählen. Jedenfalls werfen Arbeitgeberverbände <strong>in</strong> alter Anwerbemanier erneut mit<br />

E<strong>in</strong>wanderungszahlen umher, die den deutschen Bürger das Fürchten lehren können, wenn<br />

man an die langfristige Verantwortung denkt.<br />

Wie Dietrich (2000) me<strong>in</strong>t, sche<strong>in</strong>t es <strong>in</strong> der Ausländerpolitik nur noch die Wahl zwischen<br />

zwei Katastrophenszenarien zu geben.<br />

Ernst zu nehmende Bevölkerungswissenschaftler sagen voraus, dass Deutschland se<strong>in</strong> blaues W<strong>und</strong>er erleben<br />

werde, wenn es nicht umgehend etwas unternehme, um die Zahl qualifizierter Zuwanderer drastisch zu erhöhen.<br />

Bei anhaltend negativer Reproduktionsrate der e<strong>in</strong>heimischen Bevölkerung, die als feste Größe gilt, sei ohne<br />

massive Anwerbungen der Zusammenbruch unserer Sozialsysteme <strong>und</strong> unserer hoch entwickelten Infrastruktur<br />

<strong>in</strong> drei, spätestens fünf Jahrzehnten nicht mehr abzuwenden.<br />

Gleichfalls ernst zu nehmende Sozialwissenschaftler <strong>und</strong> Politiker sehen uns gerade wegen der Zuwanderung auf<br />

e<strong>in</strong>en anderen, noch schaurigeren Abgr<strong>und</strong> zusteuern. Der ungeregelte Zustrom von Asylbewerbern,<br />

Wirtschaftsflüchtl<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Familiennachzüglern werde auf Dauer nicht nur unseren Wohlstand, sondern den<br />

<strong>in</strong>neren Frieden, wenn nicht gar die freiheitlich demokratische Gr<strong>und</strong>ordnung bedrohen (Dietrich 2000).


47<br />

Nicht nur ist das Katastrophenszenario der E<strong>in</strong>wanderung der "noch schaurigere Abgr<strong>und</strong>",<br />

sondern auch der wahrsche<strong>in</strong>lichere. Es geht nicht nur um die soziale Belastung, die<br />

mittlerweile auch von e<strong>in</strong>igen Politikern zugegeben wird, wenn sie darauf h<strong>in</strong>weisen, daß sich<br />

<strong>in</strong> den letzten 20 Jahren die Zahl der Ausländer <strong>in</strong> Deutschland verdoppelt habe, die der<br />

sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer h<strong>in</strong>gegen gesunken sei (FAZ 14.11.00),<br />

oder wenn sie fordern, die Zuwanderung von Personen zu begrenzen, die nur die<br />

Sozialhaushalte belasten <strong>und</strong> damit die Integrationskraft überfordern (FAZ 20.11.00).<br />

Es geht auch um den Import von Gewalt <strong>und</strong> Konflikten <strong>und</strong> - etwa im Gegensatz zu USA -<br />

die unglaubliche Laschheit <strong>und</strong> Duldsamkeit der Regierung diesen Ersche<strong>in</strong>ungen gegenüber,<br />

was wiederum krim<strong>in</strong>elle Aktionen radikaler Gruppierungen herausfordert.<br />

Ausländer s<strong>in</strong>d nicht immer nur Opfer; auch Ausländer br<strong>in</strong>gen unakzeptable politische Vorstellungen <strong>und</strong> e<strong>in</strong><br />

ebensowenig h<strong>in</strong>nehmbares Verhältnis zur Gewalt nach Deutschland mit; auch Ausländer s<strong>in</strong>d sich bewußt, daß<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er fast tabulosen Gesellschaft nur derjenige noch Aufmerksamkeit für se<strong>in</strong>e politischen Ziele gew<strong>in</strong>nt, der<br />

das letzte noch geltende Tabu bricht.<br />

Mit den vielen ethnischen Gruppen, die Deutschland aufnahm, hat es auch ihre Konflikte here<strong>in</strong>geholt. Sie<br />

werden schon lange auf deutschem Boden ausgetragen, nur kümmerte das die Öffentlichkeit, die me<strong>in</strong>te, mit<br />

dem Fe<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den eigenen Reihen genug zu tun zu haben, nicht sonderlich (Kohler 2000).<br />

Es geht vor allem um den Import e<strong>in</strong>es religiösen Imperialismus, der sich im Westen den<br />

Ansche<strong>in</strong> friedlicher Toleranz gibt, sich aber dort, wo er staatsbestimmend ist oder zu Waffen<br />

gelangt, laufend durch e<strong>in</strong>e unvorstellbare Grausamkeit gegen Andersgläubige <strong>und</strong><br />

Andersdenkende auszeichnet. Dieser ist weder <strong>in</strong>tegrationswillig noch <strong>in</strong>tegrierbar. Was<br />

nützen angesichts dieser Tatsachen die rührenden Forderungen von Parteipolitikern der<br />

folgenden Art.<br />

E<strong>in</strong>e multikulturelle Gesellschaft wird ebenso abgelehnt wie die Duldung von "Parallel<strong>gesellschaft</strong>en". Die<br />

Regeln des Zusammenlebens seien an jener Leitkultur auszurichten, die sich aus <strong>christliche</strong>n Werten, dem<br />

Humanismus <strong>und</strong> der Aufklärung entwickelt habe. Deutsche Leitkultur bedeute die Achtung der Verfassung, den<br />

E<strong>in</strong>satz für den Rechtsstaat <strong>und</strong> die Demokratie, den Verzicht auf "übersteigerte national-religiöse<br />

Verhaltensweisen", die Übernahme von Eigenverantwortung <strong>und</strong> die Beherrschung der deutschen Sprache (FAZ<br />

20.11.00).<br />

Was nutzen solche gutgeme<strong>in</strong>ten Ermahnungen, wenn man Millionen von Menschen im<br />

Lande seßhaft machte <strong>und</strong> weiterh<strong>in</strong> macht, bei denen die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit sehr hoch ist,<br />

daß sie sich im Zweifel gerade für "übersteigerte national-religiöse Verhaltensweisen", für<br />

"schariah" <strong>und</strong> "dschihad" solidarisieren <strong>und</strong> begeistern? Was nutzen Appelle e<strong>in</strong>er<br />

Gesellschaft für Menschenrechte :<br />

Es muß erwartet werden können, daß sich Muslime <strong>in</strong> Deutschland, die hier Religionsfreiheit wahrnehmen, dafür<br />

e<strong>in</strong>setzen, daß auch <strong>in</strong> ihrem Herkunftsland die Religionsfreiheit anerkannt wird <strong>und</strong> Gesetze, die<br />

Andersgläubige benachteiligen, abgeschafft werden (IGFM 2000).<br />

In der Türkei wurde seit 1923 ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Baugenehmigung für e<strong>in</strong>e neue <strong>christliche</strong> Kirche<br />

erteilt, Renovierungen s<strong>in</strong>d nur unter Schwierigkeiten möglich. E<strong>in</strong> maronitischer Pater aus<br />

dem Libanon bemängelte auf e<strong>in</strong>er Tagung, daß der Westen, <strong>in</strong> dem die Moscheen wie die<br />

Pilze aus dem Boden schießen, nicht den Mut habe, "Reziprozität" zu verlangen. Sehr<br />

bedenkenswert s<strong>in</strong>d die warnenden Worte <strong>und</strong> Fragen von Gerdsen :


48<br />

E<strong>in</strong>e Vielfalt von Religionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land bedeutet immer auch e<strong>in</strong>e Vielfalt von Kulturen. Man hat dann e<strong>in</strong>e<br />

multikulturelle Gesellschaft. Kann es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Land e<strong>in</strong> friedliches <strong>und</strong> konstruktives Mite<strong>in</strong>ander unter<br />

den Menschen geben, wobei jeder die Möglichkeit hat, se<strong>in</strong> eigenes Tun s<strong>in</strong>nvoll mit dem Tun anderer zu<br />

verb<strong>in</strong>den? Global gesehen hat es unter den Völkern nie etwas anderes gegeben als Multikultur. Und wo<br />

verschiedene Kulturen ane<strong>in</strong>ander grenzten, kam es immer leicht zu kriegerischen Ause<strong>in</strong>andersetzungen. Die<br />

westliche Welt propagiert e<strong>in</strong> pluralistisches Gesellschaftskonzept, das <strong>in</strong> manchen Staaten auf Gr<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er<br />

unkontrollierten E<strong>in</strong>wanderung zu e<strong>in</strong>er multikulturellen Gesellschaft geführt hat. Warum kann regional friedlich<br />

nebene<strong>in</strong>ander existieren, was global immer zu kriegerischen Ause<strong>in</strong>andersetzungen geführt hat ? (Gerdsen<br />

2000).<br />

7.2.5. Auflösungsersche<strong>in</strong>ungen <strong>und</strong> Bedrohungen der Familie<br />

Trotz ihrer f<strong>und</strong>amentalen Wichtigkeit ist die Familie heute ernstlich bedroht, <strong>und</strong> zwar durch<br />

drei Angriffsfronten, die sich wie folgt skizzieren lassen:<br />

1. Übergewicht des Systembereichs <strong>und</strong> der funktionalen Beziehungen<br />

2. Familienfe<strong>in</strong>dliche Ideologien<br />

3. Innerer Zerfall<br />

Die Gefährdung der Familie durch die funktionalen Beziehungen zum Systembereich wurde<br />

schon verschiedentlich gestreift. Wir werden dieses Thema <strong>in</strong> Kapitel 8 umfassender<br />

aufgreifen <strong>und</strong> stellen es bis dah<strong>in</strong> zurück. Wir behalten jedoch den Systembereich als e<strong>in</strong>e<br />

enorme Familienbedrohung im Auge.<br />

Familienfe<strong>in</strong>dliche Ideologien haben damit zu tun, daß alle Gesellschaftsveränderer von<br />

Sozialreformern bis zu totalitären Machthabern erkannt haben, daß <strong>in</strong> der Familie<br />

wertkonservative Traditionen e<strong>in</strong>facher aufrecht zu erhalten s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> <strong>in</strong>nere Emigration,<br />

Verweigerung <strong>und</strong> Überw<strong>in</strong>terung nicht genehmer Überzeugungen besser möglich s<strong>in</strong>d als <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er weitgehend staatlich kontrollierten Öffentlichkeit. Kurz: Familien können erfolgreiche<br />

Widerstandsnester gegen totalitäre Vere<strong>in</strong>nahmung <strong>und</strong> Machtübernahme se<strong>in</strong>.<br />

Darum haben Gesellschaftsveränderer e<strong>in</strong> Interesse daran, den E<strong>in</strong>fluß <strong>und</strong> die Funktion der<br />

Familie möglichst weit zurückzudrängen oder sogar ganz auszuschalten. Der möglichst frühe<br />

Zugriff des Staates auf die K<strong>in</strong>der - wer die Jugend hat, der hat die Zukunft! - ist hier<br />

symptomatisch, auch wenn dieser Zugriff mit schönen sozialen Bonbons wie Erleichterung<br />

der Vere<strong>in</strong>barkeit von Familie <strong>und</strong> Berufstätigkeit der Mutter schmackhaft gemacht wird.<br />

Letztlich <strong>und</strong> langfristig geht es um die Verstaatlichung <strong>und</strong> Gleichschaltung der<br />

K<strong>in</strong>dererziehung <strong>und</strong> der K<strong>in</strong>der selbst durch den totalen Staat. Das Wort von der "Lufthoheit<br />

über die K<strong>in</strong>derbetten", das e<strong>in</strong>em sozialdemokratischen Politiker entschlüpfte, spricht Bände.<br />

Wer die Familie erhalten will, sollte sich von den sozialen Bonbons nicht täuschen lassen,<br />

sondern sich ihnen im Rahmen des möglichen widersetzen.<br />

Leider werden die ideologischen Tendenzen begünstigt durch e<strong>in</strong> weitgehendes Versagen der<br />

Eltern <strong>in</strong> der familiären K<strong>in</strong>dererziehung. Es mag dann heißen, die Eltern seien heute mit der<br />

Aufgabe überfordert, deshalb müsse sie professionalisiert <strong>und</strong> vom Staat übernommen<br />

werden, der dann die Erziehungsgr<strong>und</strong>sätze gleich mitliefert. Der <strong>in</strong>nere Verfall der Familie<br />

spielt also den Ideologen <strong>in</strong> die Hände. Doch wodurch ist er verursacht? Durch den<br />

allgeme<strong>in</strong>en Werteverfall <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere das Abrücken der Eltern <strong>und</strong> K<strong>in</strong>der von den<br />

<strong>christliche</strong>n Werten <strong>und</strong> Ordnungen, die im Abendland die Familie <strong>in</strong> den früher<br />

beschriebenen L<strong>in</strong>ien geprägt hatten.


49<br />

Die K<strong>in</strong>der - besonders <strong>in</strong> ihren schwierigen Jahren als Jugendliche - widersetzen sich den<br />

Erziehungsgr<strong>und</strong>sätzen <strong>und</strong> Überzeugungen ihrer Eltern, zum Teil unter dem E<strong>in</strong>fluß e<strong>in</strong>er<br />

revolutionären <strong>und</strong> emanzipatorischen Pädagogik, die von verschiedenen Seiten an sie<br />

herangetragen wird. Sie verweigern sich der Diszipl<strong>in</strong> <strong>und</strong> dem Gehorsam gegenüber den<br />

Eltern, ohne die ke<strong>in</strong>e Familiengeme<strong>in</strong>schaft bestehen kann, <strong>und</strong> gehen ihre eigenen Wege<br />

abseits selbstverständlichen äußeren Ordnungen <strong>und</strong> bis zur Sabotage jeder Geme<strong>in</strong>schaft. In<br />

manchen Familien gibt es kaum mehr geme<strong>in</strong>same Mahlzeiten oder geme<strong>in</strong>same Zeiten<br />

überhaupt, von geme<strong>in</strong>samem Leben ganz zu schweigen. Die Jugendlichen machen die<br />

Nächte durch <strong>und</strong> schlafen bis tief <strong>in</strong> den Tag. Die Väter gehen früh zur Arbeit <strong>und</strong> kommen<br />

am Abend erschöpft nach Hause, wenn die Jugendlichen munter werden. Die Mütter - sofern<br />

nicht ebenfalls berufstätig - tun tagsüber <strong>in</strong> aufopfernder Weise das Nötige, um den Apparat<br />

notdürftig <strong>in</strong> Gang zu halten. Die Familie s<strong>in</strong>kt ab zur Tankstelle für Nahrung, Kleidung,<br />

Obdach <strong>und</strong> Geld. Nach dem Tanken wird die eigene Fahrt sofort wieder aufgenommen.<br />

Die Eltern fühlen sich nervlich <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlich überfordert <strong>und</strong> lassen unter Umständen<br />

alles treiben. Manchmal können sie nicht verh<strong>in</strong>dern, daß ihre Jugendlichen <strong>in</strong> Alkohol <strong>und</strong><br />

Rauschgift geraten. Dazu können Eheprobleme <strong>und</strong> eheliche Untreue kommen, bis die ganze<br />

Famile e<strong>in</strong> Trümmerhaufen ist. Soll sich hier noch e<strong>in</strong>mal etwas ändern, so müssen alle<br />

Beteiligten Familienleben neu lernen. Hierzu gibt es mancherlei hilfreiche <strong>und</strong> wertvolle<br />

professionelle Beratung. Doch das Wichtigste wäre die Rückkehr zur Gr<strong>und</strong>lage <strong>christliche</strong>r<br />

Werte für e<strong>in</strong> Familienleben nach den Ordnungen <strong>und</strong> Geboten Gottes.<br />

7.3. Weitere Beziehungen im Lebensbereich<br />

Über den engsten Beziehungskreis der Familie h<strong>in</strong>aus entwickeln die meisten Menschen<br />

Beziehungen zu Fre<strong>und</strong>en, Bekannten, Verwandten <strong>und</strong> zahlreichen Interessengruppen.<br />

Letztere können sich <strong>in</strong>formell bilden oder als Vere<strong>in</strong>igungen, Clubs, Vere<strong>in</strong>e <strong>und</strong> dergleichen<br />

organisiert se<strong>in</strong>. So entsteht e<strong>in</strong>e Fülle von persönlichen Beziehungen <strong>und</strong> Kontakten. Für den<br />

Christen s<strong>in</strong>d auch diese weitergehenden Beziehungen unter die Ordnungen <strong>und</strong> Gebote<br />

Gottes für den Umgang mit Menschen zu stellen. Er wird daher Menschenwürde, Leben,<br />

Ges<strong>und</strong>heit, Eigentum, Ehe des anderen achten <strong>und</strong> schützen, ihm nicht egoistisch, sondern<br />

mit Nächstenliebe zu begegnen suchen <strong>und</strong> generell ihn zu nichts animieren <strong>und</strong> umgekehrt<br />

sich selbst zu nichts animieren lassen, was den Ordnungen <strong>und</strong> Geboten Gottes widerspricht.<br />

7.3.1. Nicht nur nehmen, sondern auch geben<br />

Viele der genannten Beziehungen werden geknüpft, um e<strong>in</strong> Bedürfnis zu befriedigen. Auf<br />

Dauer kann aber ke<strong>in</strong>e Beziehung gedeihen, <strong>in</strong> der e<strong>in</strong> Partner immer nur nimmt, ohne auch<br />

etwas <strong>in</strong> die Beziehung e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen. Dies ist aber <strong>in</strong> unserer sehr stark egoistisch geprägten<br />

Zeit <strong>und</strong> Gesellschaft sehr häufig. Selbst viele Vere<strong>in</strong>e klagen darüber, daß wohl ihre<br />

Angebote genutzt werden, aber fast niemand mehr bereit ist, Verantwortung zu übernehmen<br />

<strong>und</strong> sich für das Ganze e<strong>in</strong>zusetzen. Es fehlt mehr <strong>und</strong> mehr der "Geme<strong>in</strong>s<strong>in</strong>n". E<strong>in</strong>e<br />

Rückkehr zu den <strong>christliche</strong>n Werten der Hilfsbereitschaft <strong>und</strong> Nächstenliebe könnte hier<br />

helfen.


50<br />

7.3.2. Sexualität<br />

E<strong>in</strong> besonders heikles Thema <strong>in</strong> unserer Zeit ist das der außerehelichen sexuellen<br />

Beziehungen, die heute <strong>in</strong>folge des allgeme<strong>in</strong>en Werteverfalls <strong>und</strong> der äußerst lockeren Sitten<br />

sehr leicht zustande kommen. Weith<strong>in</strong> ist jedes Gefühl verloren gegangen, daß der sexuelle<br />

Kontakt ke<strong>in</strong> re<strong>in</strong> körperlicher Vorgang ist, sondern e<strong>in</strong>e tiefe seelische, personenverb<strong>in</strong>dende<br />

Dimension hat. Darum schmerzt es auch e<strong>in</strong>e Frau so sehr, wenn ihr Mann e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>time<br />

Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er anderen Frau e<strong>in</strong>geht oder e<strong>in</strong>e Beziehung wieder beendet wird, die<br />

durch Intimität bereits sehr tief g<strong>in</strong>g.<br />

Aus <strong>christliche</strong>r Sicht ist die Sache e<strong>in</strong>fach: Gott als unser Schöpfer kennt uns, weiß was für<br />

uns gut ist <strong>und</strong> gibt uns deshalb das Gebot <strong>und</strong> die Ordnung, daß sexuelle Intimität nur <strong>in</strong> der<br />

Geborgenheit e<strong>in</strong>er gültigen Ehe stattf<strong>in</strong>den soll, auch nicht zwischen jungen Menschen, die<br />

heiraten wollen, es aber noch nicht getan haben. Wer das Intimste e<strong>in</strong>es anderen Menschen <strong>in</strong><br />

Anspruch nimmt, der soll ihm auch die Übernahme der damit verb<strong>und</strong>enen Verantwortung<br />

<strong>und</strong> die Geborgenheit der Ehe nicht vorenthalten. Er soll sexuelle Leidenschaft nicht aus der<br />

E<strong>in</strong>bettung <strong>in</strong> wahre, verantwortungsvolle <strong>und</strong> verantwortungsbereite Liebe herausreißen <strong>und</strong><br />

isolieren. Dazu gehört auch die Eheschließung als Bekenntnis der vollverantwortlichen Liebe.<br />

Das mag manchem hart ersche<strong>in</strong>en, aber nach den Geboten <strong>und</strong> Ordnungen Gottes kann man<br />

nichts anderes sagen <strong>und</strong> nur nochmals darauf h<strong>in</strong>weisen, daß unser Schöpfer, der uns durch<br />

<strong>und</strong> durch kennt <strong>und</strong> versteht, besser weiß als wir selbst, was gut für uns ist. E<strong>in</strong>e Fülle an<br />

negativen, schmerzlichen, tief verletzenden Erfahrungen, kurz e<strong>in</strong>e Fülle von Elend im<br />

Gefolge sexueller Sünde bestätigt es.<br />

Was ist die Konsequenz? Wer se<strong>in</strong> Leben auf diesem Gebiet <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit den<br />

heilsamen Ordnungen Gottes gestalten will, wird alles vermeiden, was die Versuchung zu<br />

sexueller Sünde fördert <strong>und</strong> im Extremfall an e<strong>in</strong>e Punkt br<strong>in</strong>gt, wo er der Versuchung nicht<br />

mehr widerstehen kann. Er wird nicht Öl <strong>in</strong>s Feuer gießen, das er unter Kontrolle halten will.<br />

Er wird also zum Beispiel jegliche sexuell stimulierenden Materialien, <strong>in</strong> denen sexuelle<br />

Belustigung außerhalb der Ehe angeboten wird, konsequent meiden, seien es Magaz<strong>in</strong>e,<br />

Bilder, Videos, Filme, das Internet, das Fernsehen oder jedes andere Medium. Er wird das<br />

Schamgefühl, das Gott dem Menschen zu se<strong>in</strong>em Schutz gegeben hat, bejahen <strong>und</strong><br />

respektieren, zum Beispiel von <strong>und</strong>iszipl<strong>in</strong>ierter, herausfordernder Kleidung Abstand nehmen<br />

<strong>und</strong> jeglicher Entblößung <strong>in</strong> der Öffentlichkeit - zum Beispiel an modernen Badestränden -<br />

aus dem Wege gehen.<br />

Bei persönlichen Kontakten wird er vorsichtig <strong>und</strong> zurückhaltend se<strong>in</strong> <strong>und</strong> auf gute Sitten<br />

achten, die jegliche sexuelle Herausforderung vermeiden. Was etwa im Wirtschaftsleben<br />

zwischen Chefs <strong>und</strong> Sekretär<strong>in</strong>nen läuft, ist e<strong>in</strong> trauriges Kapitel, das viel Jammer <strong>und</strong> Elend<br />

verursacht. Das Problem ist so aktuell, daß Harvard Bus<strong>in</strong>ess Review es für angezeigt fand,<br />

e<strong>in</strong>en Artikel "Sex <strong>in</strong> the Office" zu br<strong>in</strong>gen. U.a. wurde berichtet, daß sich e<strong>in</strong>e weibliche<br />

Führungskraft durch entsprechendes Verhalten, das nicht verborgen blieb, die<br />

Aufmerksamkeit für ihren Projektbericht verdarb. Wie schon erwähnt, liegt die<br />

Scheidungsrate bei Führungskräften 50% über dem Durchschnittswert der<br />

Gesamtbevölkerung. Auch bei Kuraufenthalten wird durch Bekanntschaften immer wieder<br />

der Keim zur Zerstörung e<strong>in</strong>er Ehe gelegt.<br />

Schließlich gilt es, sich aus den fast überall anzutreffenden lockeren Scherzen <strong>und</strong><br />

Gesprächen herauszuhalten, die sexuelle Sünde verharmlosen, für normal erklären <strong>und</strong> sich<br />

darüber lustig machen. Das alles hat nichts mit Prüderie zu tun, sondern mit Bewahrung der<br />

Sexualität zu ihrer legitimen Rolle <strong>in</strong> der Ehe.


51<br />

Erwähnt werden muß auch das traurige Problem der Abtreibung, das sich <strong>in</strong> der Mehrzahl der<br />

Fälle garnicht stellen würde, wenn Vorstehendes beachtet würde, das aber zur Zeit tief <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

tragischer Weise <strong>in</strong> die persönlichen Beziehungen <strong>in</strong> westlichen Völkern h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wirkt. Auch<br />

hier ist die <strong>christliche</strong> Antwort e<strong>in</strong>deutig: das göttliche Gebot "Du sollst nicht morden"<br />

verbietet es, das Blut e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des im Mutterleib zu vergießen.


52<br />

KAP 8: FUNKTIONALE BEZIEHUNGEN<br />

8.1. Das Arbeitsverhältnis<br />

Die meisten Menschen s<strong>in</strong>d zur Existenzsicherung auf e<strong>in</strong> Arbeitsverhältnis angewiesen.<br />

Hierzu müssen sie e<strong>in</strong>e Qualifikation mitbr<strong>in</strong>gen, die für e<strong>in</strong>en potentiellen Arbeitgeber<br />

<strong>in</strong>teressant ist. Diese wird im Wesentlichen durch Bildung, Fortbildung <strong>und</strong> Erfahrung<br />

erworben.<br />

8.1.1. Qualifikation, Bildung <strong>und</strong> Motivation<br />

Es ist e<strong>in</strong> Vorrecht, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Land zu leben, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> gutes <strong>und</strong> für alle leicht zugängliches<br />

Bildungssystem existiert. Aus <strong>christliche</strong>r Sicht sollte Bildung nicht nur wegen ihres späteren<br />

Nutzens, sondern auch als Möglichkeit zur Entfaltung <strong>und</strong> Ausbildung der vom Schöpfer<br />

empfangenen Fähigkeiten <strong>und</strong> Begabungen des E<strong>in</strong>zelnen geschätzt werden. Das eigene<br />

Pf<strong>und</strong> sollte nicht vergraben werden. Bildung soll <strong>und</strong> muß heute <strong>in</strong> Form der Fortbildung im<br />

ganzen Arbeitsleben weitergeführt werden. Im Lauf der Berufserfahrung gilt es besonders,<br />

Kenntnisse über effizienz- <strong>und</strong> produktivitätssteigernde Maßnahmen zu erwerben, z.B. durch<br />

Kurse <strong>in</strong> Zeitmanagement <strong>und</strong> anderen Managementfähigkeiten.<br />

Auch zur Arbeit selbst sollte e<strong>in</strong>e positive E<strong>in</strong>stellung bestehen, die nicht nur auf dem Nutzen<br />

beruht. Das Neue Testament legt den abhängig Beschäftigten nahe, ihre Arbeit nicht <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie für den menschlichen Arbeitgeber, sondern für den Herrn, ihren Gott, zu tun. Auf dieser<br />

Gr<strong>und</strong>lage entstand auch die protestantische Arbeitsethik, die den Menschen, wie früher<br />

erwähnt, ihre Arbeit als e<strong>in</strong>e persönliche Berufung Gottes nahe zu br<strong>in</strong>gen vermochte <strong>und</strong> zu<br />

auffälliger <strong>wirtschaft</strong>licher Blüte führte. Es ist bis heute möglich, mit dieser Motivation <strong>und</strong><br />

E<strong>in</strong>stellung vor den Augen Gottes zu arbeiten <strong>und</strong> die Arbeit zu lieben. Darum konnte e<strong>in</strong><br />

amerikanischer Unternehmer unserer Tage se<strong>in</strong>em Buch den Titel geben: "Lov<strong>in</strong>g Monday".<br />

Schließlich wird man als Christ bemüht se<strong>in</strong>, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Unternehmen unterzukommen, dessen<br />

Mission man ethisch mittragen kann.<br />

8.1.2. Treuhänderische Verwaltung von Ressourcen des Arbeitgebers<br />

Ist es zu e<strong>in</strong>em Arbeitsverhältnis gekommen, so werden dem Arbeitnehmer zahlreiche<br />

Ressourcen anvertraut, die er zur Ausführung se<strong>in</strong>er Funktion benötigt, etwa Personal,<br />

Räume, Masch<strong>in</strong>en, Materialien, F<strong>in</strong>anzen <strong>und</strong> nicht zuletzt se<strong>in</strong>e eigene Arbeitszeit. Diese<br />

hat er treuhänderisch zu verwalten <strong>und</strong> so effizient wie möglich im Interesse des Arbeitgebers<br />

e<strong>in</strong>zusetzen. Die göttlichen Gebote zum Schutz fremden Eigentums gelten auch hier. Nichts<br />

darf unterschlagen oder zu eigenem Nutzen zweckentfremdet werden. Grün spricht von<br />

"Ehrfurcht vor dem Besitz" <strong>und</strong> weist auf die Pflicht des pfleglichen, sorgfältigen,<br />

ehrfürchtigen Umgangs damit h<strong>in</strong> (Grün 2001: 73).<br />

Die zahlreichen menschlichen Beziehungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Firma stehen <strong>in</strong> besonderer Weise unter<br />

den göttlichen Geboten h<strong>in</strong>sichtlich Achtung der Menschenwürde <strong>und</strong> Vermeidung von<br />

Instrumentalisierung, Schutz von Leben <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit, Förderung <strong>und</strong> Entfaltung der<br />

Fähigkeiten <strong>und</strong> Möglichkeiten, e<strong>in</strong>er dienenden Gr<strong>und</strong>haltung <strong>und</strong> der Nächstenliebe.


53<br />

Mit allen diesen Fragen ist das große <strong>und</strong> weite Feld e<strong>in</strong>er <strong>christliche</strong>n Unternehmensethik<br />

angesprochen, die <strong>in</strong> diesem Zusammenhang nicht voll abgehandelt werden kann. Ich<br />

verweise jedoch auf me<strong>in</strong>e Vorlesung "Unternehmensethik auf <strong>christliche</strong>r Gr<strong>und</strong>lage".<br />

8.2. Umgang mit Geld<br />

Aufgr<strong>und</strong> des Arbeitsverhältnisses erhält der Arbeitnehmer e<strong>in</strong> Arbeitsentgelt, von dem<br />

wieder zahlreiche Abzüge weggehen. Vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt ist es wichtig, dass alles,<br />

was ihm verbleibt, rechtmäßig erworben <strong>und</strong>/oder e<strong>in</strong>behalten ist. Dies gilt von der<br />

Erbr<strong>in</strong>gung der vollen Arbeitsleistung bis zur vollen Ehrlichkeit bei der Steuererklärung <strong>und</strong><br />

allen sonstigen Abrechnungen. Es soll ke<strong>in</strong> unrechtes Gut verbleiben. Was rechtmäßig<br />

verbleibt, ist wiederum e<strong>in</strong> von Gott anvertrautes, treuhänderisch zu verwaltendes Gut.<br />

8.2.1. Haushalterschaft<br />

Das zentrale Pr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>er verantwortungsvollen Geld<strong>wirtschaft</strong> ist sehr e<strong>in</strong>fach. Es lautet:<br />

"Strecke dich nach de<strong>in</strong>er Decke" oder mit den Worten e<strong>in</strong>es preußischen Monarchen an<br />

se<strong>in</strong>en Sohn: "Gib nie mehr Geld aus als du e<strong>in</strong>nimmst" (von vertretbaren Ausnahmen wird<br />

später die Rede se<strong>in</strong>). Die E<strong>in</strong>haltung dieses zentralen "Soliditätspr<strong>in</strong>zips" erfordert e<strong>in</strong>e<br />

entsprechende Anpassung des "Lebensstandards", was fast über das ganze Spektrum der<br />

E<strong>in</strong>kommensverteilung möglich ist. Es gilt abzurücken von der amerikanischen Parole:<br />

"Keep<strong>in</strong>g up with the Joneses". Dies erfordert natürlich Mut zu e<strong>in</strong>er eigenen Haltung <strong>und</strong><br />

Auffassung.<br />

Die Ausgaben für den eigenen Lebensstandard sollten <strong>und</strong> könnten sogar niedriger liegen als<br />

die E<strong>in</strong>nahmen. Unabhängig von der E<strong>in</strong>kommenshöhe sollte immer etwas übrig bleiben<br />

1. zum Sparen <strong>und</strong> 2. zum Spenden für uneigennützige Zwecke (für Hilfe nach außen). Das<br />

Letztere steht uns gut an, weil wir nicht egoistisch leben <strong>und</strong> Geld nur für uns selbst anhäufen<br />

sollten. Die Erfahrung zeigt, daß die Bezieher kle<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>kommen dar<strong>in</strong> oft solider <strong>und</strong><br />

vorbildlicher s<strong>in</strong>d als die reichlicher Bestückten.<br />

8.2.2. Persönliche Investitionen<br />

Das Ersparte will man natürlich <strong>in</strong>vestieren. Hierfür gibt es e<strong>in</strong> breites Spektrum an<br />

Möglichkeiten mit unterschiedlichen Renditen, Risiken <strong>und</strong> Laufzeiten. Auf Liquidierbarkeit<br />

ist zu achten, der Anteil riskanter Investitionen ist zu begrenzen. Je höher die <strong>in</strong> Aussicht<br />

gestellte Rendite, desto mißtrauischer sollte man h<strong>in</strong>sichtlich des Risikos se<strong>in</strong>, besonders<br />

h<strong>in</strong>sichtlich des Risikos e<strong>in</strong>es Gesamtverlustes der Investition. Gerade die Bezieher höherer<br />

E<strong>in</strong>kommen erleiden hier die größten Verluste. Fachk<strong>und</strong>ige Beratung zur Gestaltung e<strong>in</strong>es<br />

für die eigenen Verhältnisse maßgeschneiderten Investitionsportfolios ist dr<strong>in</strong>gend zu<br />

empfehlen.<br />

Neben e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Zukunftsvorsorge <strong>und</strong> Vorsorge für Notfälle ist es häufig das Ziel<br />

dieser F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>vestitionen, e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e größere Real<strong>in</strong>vestition (z.B. Hauskauf) tätigen zu<br />

können. Hierfür reichen die angesparten Mittel selten aus, sodaß zusätzliche Fremdmittel<br />

erforderlich werden. Damit s<strong>in</strong>d wir bei der angekündigten vertretbaren Ausnahme vom<br />

zentralen Soliditätspr<strong>in</strong>zip. Dieses kann wie folgt erweitert werden. Für laufende Ausgaben<br />

(also Konsum) sollten niemals Schulden gemacht werden, denn nach dem Konsum bleibt


54<br />

nichts als die Belastung durch die Schulden. Man hat die Zukunft für e<strong>in</strong>e kurzfristige<br />

Gegenwart geopfert. Dagegen sche<strong>in</strong>t die teilweise Schuldenf<strong>in</strong>anzierung e<strong>in</strong>es langlebigen<br />

Investitionsgutes <strong>in</strong>sofern vertretbar, als der langlebigen Schuld e<strong>in</strong> langlebiger<br />

Investitionswert gegenübersteht, der im Notfall liquidiert <strong>und</strong> zur Tilgung der Schulden<br />

verwendet werden kann. Daher ist auf Wiederverkäuflichkeit <strong>und</strong> Wertveränderlichkeit<br />

sorgfältig zu achten.<br />

8.2.3. Mehr Bescheidenheit <strong>und</strong> Geduld kann e<strong>in</strong> Vermögen sparen<br />

Trotz dieser gr<strong>und</strong>sätzlichen Vertretbarkeit muß auch bei Schuldenaufnahme zum Erwerb von<br />

Investitionsobjekten vorsichtig zu Werke gegangen werden. Das Eigenkapital sollte nicht zu<br />

ger<strong>in</strong>g se<strong>in</strong>, sonst wird die Sache risikoanfällig oder e<strong>in</strong>fach zu teuer. Etwas mehr<br />

Bescheidenheit <strong>und</strong> Geduld kann hier e<strong>in</strong> Vermögen sparen. Dies sei am Beispiel e<strong>in</strong>es<br />

Hauskaufs illustriert, das von Chewn<strong>in</strong>g stammt (Chewn<strong>in</strong>g 1990: 247-248).<br />

Mary and Joe, a young couple, wish to acquire their own home. They have sav<strong>in</strong>gs of<br />

$ 10.000. Their dream home costs $ 100000. So they would need to close a $ 90000<br />

mortgage. To keep monthly payments with<strong>in</strong> limits they would wish an amortization period of<br />

30 years. The bank offers this mortgage at 10% <strong>in</strong>terest ($ 9000 <strong>in</strong> year 1) and<br />

(approximately) 0.5% amortization ($ 477.84 <strong>in</strong> year 1). The total annuity of $ 9477.84<br />

amounts to monthly payments of $ 789.82. Let us call this plan A.<br />

Alternatively, consider plan B. The couple could be more modest and patient and start out mit<br />

a $ 55000 home andlive <strong>in</strong> it for seven years. This would require a $ 45000 mortgage with an<br />

amortization period of seven years. The bank offers this mortgage at 10% <strong>in</strong>terest ($ 4500 <strong>in</strong><br />

year 1) and (approximately) 10% amortization ($4464.72 <strong>in</strong> year 1). The total annuity of<br />

$ 8964.72 amounts to monthly payments of $ 747.06.<br />

At the end of the seven-year period they could sell their $ 55000 home (assum<strong>in</strong>g no<br />

appreciation) and buy their $ 100000 dream home with a new $ 45000 mortgage for seven<br />

years at $ 747.06/month. The f<strong>in</strong>ancial difference between the two approaches is stagger<strong>in</strong>g.<br />

The mathematics looks like this:<br />

Plan A: $ 90000 for 30 years at $ 789.82 per month<br />

pr<strong>in</strong>cipal and <strong>in</strong>terest paid (30x12x$789.82) 284 335<br />

pr<strong>in</strong>cipal -90 000<br />

------------------------------------------------------------------------<br />

<strong>in</strong>terest paid 194 335<br />

Plan B: $ 45000 for two 7-year periods at 747.06 per month<br />

pr<strong>in</strong>cipal and <strong>in</strong>terest paid (2x7x12x$747.06) 125 506<br />

pr<strong>in</strong>cipal -90 000<br />

------------------------------------------------------------------------<br />

<strong>in</strong>terest paid 35 506<br />

If Mary and Joe will folow Plan B, they will save $ 158 829 of <strong>in</strong>terest ($ 194 335 m<strong>in</strong>us


55<br />

$ 35 506); they will own their dream home, free of any debt, <strong>in</strong> fourteen years <strong>in</strong>stead of thirty<br />

years; and <strong>in</strong> the years fifteen through thirty they will have $ 789.82 per month not be<strong>in</strong>g<br />

spent on house payments to use for the education of the children, <strong>in</strong>vestments for retirement,<br />

and so forth. Our homes are an important part of our <strong>in</strong>vestment experience, and we need to<br />

be wise and prudent as we make our decisions regard<strong>in</strong>g them.<br />

8.2.4. Gr<strong>und</strong>sätze für den Umgang mit Geld<br />

Der Ordensmann P.A.Grün, der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Orden auch große <strong>wirtschaft</strong>liche Verantwortung<br />

trägt, wird von vielen Topmanagern als spiritueller Berater geschätzt. Zum Umgang mit Geld<br />

stellt er folgende Gr<strong>und</strong>sätze auf, die nicht nur für Mönche, sondern allgeme<strong>in</strong> gelten (Grün<br />

2001: 75-84):<br />

1. Spiritueller Umgang mit dem Geld. "Auch das Vermögen ist etwas, das den Mönchen<br />

von Gott anvertraut worden ist. Daher müssen sie damit sorgfältig <strong>und</strong> achtsam umgehen.<br />

Dabei dürfen sie nicht geizig werden. Geiz kommt von Gier. Der Geizige ist zugleich der<br />

Geldgierige, der Unersättliche, der nie genug haben kann, der alles festhält <strong>und</strong> sich an se<strong>in</strong>em<br />

Besitz fest anklammert. Richtig mit dem Vermögen umgehen heißt auch, es zu teilen mit den<br />

Armen, es nicht für sich selbst anzuhäufen, sondern es <strong>in</strong> den Dienst der Menschen zu<br />

stellen"(S. 75).<br />

"Es wird mit Geld geprotzt. Es werden teure Bauten h<strong>in</strong>gestellt, da wir mehr Geld ausgeben,<br />

als nötig ist, um vor anderen gut dazustehen. Da dient das Geld dem eigenen Prestige. Weil<br />

man se<strong>in</strong>en Gr<strong>und</strong> nicht <strong>in</strong> Gott hat, muß man sich durch se<strong>in</strong>e F<strong>in</strong>anzen beweisen <strong>und</strong> durch<br />

großspuriges F<strong>in</strong>anzgebaren angeben" (S. 76).<br />

"Vertrauensvoll mit Geld umzugehen, dar<strong>in</strong> besteht für mich der spirituelle Umgang mit dem<br />

Geld. Vertrauensvoll me<strong>in</strong>t, etwas zu riskieren, aber nicht, das Risiko zu überziehen" (S. 77).<br />

"Wer nur zu Geld kommen kann, <strong>in</strong>dem er andere auspreßt, ist für mich phantasielos. Er wird<br />

nur kurzfristig Erfolg haben. Wer phantasievoll mit Geld umgeht, wird ke<strong>in</strong>em schaden.<br />

Vielmehr werden alle davon profitieren. Wer se<strong>in</strong> Geld nur auf Kosten anderer verdient, wer<br />

damit nur se<strong>in</strong>e Rivalen aus dem Feld schlagen möchte, der führt nicht wirklich. Er braucht<br />

Besiegte, um sich als Sieger fühlen zu können. Die Kunst wirklicher Führung besteht für mich<br />

dar<strong>in</strong>, zu gew<strong>in</strong>nen, ohne daß e<strong>in</strong> anderer dabei verliert" (S. 80).<br />

"Rivalität ist Gift für die Seele, sie erzeugt Angst <strong>und</strong> untergräbt die zwischenmenschlichen<br />

Beziehungen. Es gibt ke<strong>in</strong>en ges<strong>und</strong>en Konkurrenzkampf - am Ende gehen Opfer <strong>und</strong> Täter<br />

daran zugr<strong>und</strong>e" (Secretan 1997:214).<br />

2. Mit Geld den Menschen dienen. "Geld soll den Menschen dienen. Ich darf mit Geld ke<strong>in</strong>e<br />

Macht ausüben, sondern ich soll mit dem Geld den Menschen die Möglichkeit schaffen, ihre<br />

Fähigkeiten zu entfalten .... Ich gehe spirituell mit dem Geld um, wenn ich damit Menschen<br />

die Gelegenheit verschaffe, e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>nvolle Arbeit zu haben, wenn ich ihnen ermögliche, daß<br />

sie sich weiterbilden, daß sie ihre eigenen Ressourcen ausschöpfen, <strong>und</strong> wenn ich ihnen auch<br />

ausreichend Raum für Erholung gewähre" (S. 81).<br />

3. Freiheit gegenüber dem Geld. Der spirituelle Umgang mit Geld zeigt sich <strong>in</strong> der Freiheit<br />

dem Geld gegenüber. Ich muß mit Geld umgehen, aber ich muß es immer wieder loslassen.<br />

Ich darf mich davon nicht besitzen lassen. Geld kann den Charakter verderben. Geld kann


56<br />

bl<strong>in</strong>d machen für die eigentlichen Werte des Lebens .... Ich muß überlegen, wie ich das Geld<br />

gut anlege. Aber ich darf nicht alles tun, was möglich ist. Ich muß mich bewußt selbst<br />

beschränken. Und vor allem muß ich das Geld wieder loslassen .... Bewußt e<strong>in</strong> Risiko<br />

e<strong>in</strong>gehen <strong>und</strong> es dann Gott zu überlassen, was daraus wird, das ist für mich Ausdruck der<br />

<strong>in</strong>neren Freiheit dem Geld gegenüber. Und mit Geld kann nur der spirituell umgehen, der<br />

<strong>in</strong>nerlich frei davon geworden ist, der sich nicht davon bestimmen läßt" (S.81-82).<br />

4. Phantasievoller Umgang mit Geld. "Phantasievoll mit Geld umgehen heißt für mich,<br />

E<strong>in</strong>fluß zu nehmen auf die <strong>wirtschaft</strong>liche Situation <strong>in</strong> der Welt. Und das bedeutet für mich, <strong>in</strong><br />

der Aktienanlage auf Firmen zu setzen, die e<strong>in</strong>e Zukunftsvision haben <strong>und</strong> die ethischen<br />

Maßstäben gerecht werden. Nur wenn ich etwas mit me<strong>in</strong>en Geldgeschäften bewege, kann ich<br />

positiv <strong>in</strong> das <strong>wirtschaft</strong>liche Geschehen e<strong>in</strong>greifen. Wenn ich mich dagegen aufs<br />

Moralisieren verlege, dann suche ich überall nach Schuldigen, um mir me<strong>in</strong>e eigene Unschuld<br />

zu beweisen. Aber gerade mit der verme<strong>in</strong>tlichen weißen Weste werde ich schuldig" (S. 84).<br />

8.3. Umwelt<br />

Die natürliche Umwelt wird sowohl im Systembereich als auch im Lebensbereich genutzt <strong>und</strong><br />

belastet. Sie läßt sich ke<strong>in</strong>em der beiden Bereiche e<strong>in</strong>deutig zuordnen. Daß wir sie hier im<br />

Kontext der funktionalen Beziehungen des Menschen ansprechen, hat e<strong>in</strong>en doppelten<br />

Gr<strong>und</strong>. E<strong>in</strong>mal wird die Umwelt <strong>in</strong> beiden Bereichen tatsächlich funktional genutzt, d.h. als<br />

e<strong>in</strong>e Sache, die man für bestimmte Zwecke nutzbar machen kann <strong>und</strong> die für diese Zwecke<br />

e<strong>in</strong>e Funktion erfüllt. Zum anderen haben wir den Lebensbereich vor allem durch personale<br />

Beziehungen charakterisiert, sodaß der sachliche, funktional genutzte Umweltbereich doch<br />

eher zum Systembereich paßt.<br />

Es ist natürlich unmöglich, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kurzen Abschnitt die uns heute bestürmenden<br />

Umweltprobleme <strong>und</strong> die Möglichkeiten ihrer L<strong>in</strong>derung oder Lösung anzusprechen. Dies ist<br />

auch nicht unser Anliegen, wir können hier auf die riesige e<strong>in</strong>schlägige Literatur verweisen.<br />

Uns geht es vielmehr um e<strong>in</strong>ige H<strong>in</strong>weise zu den wertmäßigen <strong>und</strong> weltanschaulichen<br />

Triebkräften der Umweltzerstörung <strong>und</strong> des Umweltschutzes. Letztlich steueren diese<br />

Triebkräfte die Maßnahmenebene.<br />

Zunächst wäre hier e<strong>in</strong>iges zurecht zu rücken. In letzter Zeit nahmen Wissenschaftler von<br />

Rang <strong>und</strong> Namen <strong>in</strong> Anspruch, die weltanschaulichen Wurzeln der Umweltzerstörung<br />

entdeckt zu haben: sie lägen nämlich im Christentum, <strong>und</strong> zwar <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Bibelvers,<br />

<strong>in</strong> dem Gott den Menschen zum Statthalter über se<strong>in</strong>e Schöpfung e<strong>in</strong>setzt: "Und Gott segnete<br />

sie, <strong>und</strong> Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar <strong>und</strong> vermehrt euch <strong>und</strong> füllt die Erde <strong>und</strong> macht<br />

sie euch untertan; <strong>und</strong> herrscht über die Fische des Meeres <strong>und</strong> über die Vögel des Himmels<br />

<strong>und</strong> über alle Tiere, die sich auf Erden regen" (1. Mo 1, 28). Hier liege die Wurzel <strong>und</strong><br />

Legitimation für die rücksichtslose Ausplünderung des Planeten zugunsten menschlicher<br />

Zwecke <strong>und</strong> Ambitionen <strong>und</strong> für die Zerstörung der Umwelt, die sich <strong>in</strong> unseren Tagen<br />

katastrophal vollendet.<br />

E<strong>in</strong>e <strong>in</strong> der Tat mehr als seltsame Argumentation: als ob die Christen e<strong>in</strong>en Schöpfergott<br />

glaubten, der e<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er Geschöpfe, den Menschen, zum Statthalter über se<strong>in</strong>e Schöpfung<br />

e<strong>in</strong>setzt mit dem Auftrag, diese Schöpfung zu zerstören. Noch seltsamer, wenn es sich nur um<br />

e<strong>in</strong>e Fehl<strong>in</strong>terpretation des göttlichen Auftrags durch den Menschen handeln sollte, die sich<br />

hartnäckig durch die ganze Menschheitsgeschichte gehalten habe, ohne daß Gott, der doch <strong>in</strong><br />

der ganzen Zeit des Alten Testaments mit se<strong>in</strong>em Volk geredet hat (z.B. durch die Propheten),


57<br />

je etwas zur Korrektur dieser Fehl<strong>in</strong>terpretation gesagt hätte, <strong>und</strong> ohne daß irgend e<strong>in</strong> Mensch<br />

die groteske Fehl<strong>in</strong>terpretation als solche erkannt <strong>und</strong> bloßgestellt hätte.<br />

Ne<strong>in</strong>, aber etwas anderes, sehr Trauriges wird hier offenbar: daß sich diese Geister unter<br />

"untertan machen <strong>und</strong> herrschen" offenbar nur etwas Negatives, Schädliches, Zerstörerisches<br />

vorstellen können, das unter allen Umständen abzulehnen sei. Kurz gesagt: Herrschaft =<br />

Schreckensherrschaft! Nach vielfachem biblischem Zeugnis herrscht Gott selbst über den<br />

ganzen Kosmos, den er geschaffen hat, <strong>und</strong> dieser ist ihm untertan. Aber dies ist ke<strong>in</strong>e<br />

Schreckensherrschaft <strong>und</strong> zerstörerische Unterjochung, sondern e<strong>in</strong>e Segensherrschaft, die<br />

durch zahllose Segense<strong>in</strong>wirkungen Leben erhält <strong>und</strong> vermehrt, die Geschöpfe erfrischt <strong>und</strong><br />

erquickt, sie mit allem Nötigen reichlich versorgt, pfleglich <strong>und</strong> liebevoll mit ihnen umgeht<br />

wie e<strong>in</strong>e Mutter, ihre Schönheit entfaltet, sie zu ihrer Bestimmung <strong>und</strong> Erfüllung führt. Genau<br />

diese Art von Segensherrschaft sollte auch der Statthalter im S<strong>in</strong>ne Gottes <strong>und</strong> als se<strong>in</strong><br />

Stellvertreter ausüben. Darum heißt es auch zu allererst bei se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>setzung: <strong>und</strong> Gott<br />

segnete sie. Es ist unerhört, hier den Spieß umzudrehen <strong>und</strong> Gottes Segensherrschaft <strong>in</strong> das<br />

Zerrbild e<strong>in</strong>er Schreckensherrschaft umzufunktionieren.<br />

Ke<strong>in</strong> Wort von Seiten dieser Geister darüber, wie pfleglich <strong>und</strong> schonend <strong>in</strong> der ganzen Zeit<br />

des Alten Testaments nach den Ordnungen Gottes tatsächlich mit der Umwelt verfahren<br />

wurde. Noch nicht e<strong>in</strong>mal die land<strong>wirtschaft</strong>lichen Flächen, auf denen gewiß e<strong>in</strong> re<strong>in</strong><br />

biologischer Anbau betrieben wurde, sollten bis zum Letzten ausgenutzt werden: alle sieben<br />

Jahre sollte e<strong>in</strong> Sabbatjahr e<strong>in</strong>geschaltet werden, <strong>in</strong> dem ke<strong>in</strong> Anbau stattfand, damit auch das<br />

Land se<strong>in</strong>e Ruhepause <strong>und</strong> Erholung habe. Ke<strong>in</strong> Getreidefeld sollte so effizient abgeerntet<br />

werden, daß nichts mehr zum Ährenlesen für die Armen <strong>und</strong> Bedürftigen übrig bliebe. Und<br />

Barmherzigkeit mit der Tierwelt ist aus dem Bibelwort erkennbar: der Gerechte erbarmt sich<br />

se<strong>in</strong>es Viehs.<br />

Ke<strong>in</strong> Wort darüber, daß die Umweltproblematik, wie sie uns heute bedrängt, erst e<strong>in</strong> sehr<br />

junges K<strong>in</strong>d der Menschheitsgeschichte ist. Vor der Zeit der Aufklärung <strong>und</strong> noch geraume<br />

Zeit danach existierte sie überhaupt nicht. Auch ursächlich gesehen ist sie eher e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d der<br />

Aufklärung als e<strong>in</strong>e Konsequenz des Christentums. Sie wurde ausgelöst durch die technische<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong>dustrielle Entwicklung, die ihrerseits auf der menschlichen ratio, auf Wissenschaft <strong>und</strong><br />

Aufklärung <strong>und</strong> dem daraus hervorgegangenen rücksichtslosen Effizienzdenken beruht. Auf<br />

jeden Fall ist sie Menschenwerk seit der Zeit der Aufklärung <strong>und</strong> auf der Gr<strong>und</strong>lage der<br />

Aufklärung.<br />

Wenn wir der Probleme noch e<strong>in</strong>igermaßen Herr werden wollen, brauchen wir neue<br />

weltanschauliche Gr<strong>und</strong>lagen. Wir brauchen e<strong>in</strong>e liebevolle <strong>und</strong> schonende Haltung zur<br />

Umwelt. Daß es damit zur Zeit trotz aller Lippenbekenntnisse nicht weit her ist, zeigt der wild<br />

weggeworfene Müll an Straßenrändern, Eisenbahnstrecken <strong>und</strong> auf öffentlichen wie privaten<br />

Gr<strong>und</strong>stücken. Wir brauchen e<strong>in</strong>e Abkehr vom Materialismus mit se<strong>in</strong>er Überbetonung der<br />

materiellen Werte <strong>und</strong> des materiellen Lebensstandards, die so weit gehen müßte, daß wir uns<br />

zur Senkung unseres materiellen Lebensstandards durch Verzicht auf viele materielle<br />

"Errungenschaften" bereit fänden. Und wir brauchen viel Kreativität zur Entwicklung<br />

größerer Effizienz <strong>in</strong> der Nutzung der knappen Ressourcen des Raumschiffs Erde <strong>und</strong> <strong>in</strong> der<br />

Vermeidung von Umweltbelastungen. Liebevoller Umgang mit der Umwelt als Schöpfung<br />

Gottes, Abkehr vom Materialismus <strong>und</strong> materiellen Lebensstandard zugunsten höherer <strong>und</strong><br />

wichtigerer Werte, "transzendentale Distanz" (Millendorfer) <strong>und</strong> Abkehr von sexueller<br />

Diszipl<strong>in</strong>losigkeit als kreativitätsfördernde Faktoren f<strong>in</strong>den sich sämtlich <strong>in</strong> der <strong>christliche</strong>n<br />

Weltanschauung, die sich damit als der modernen Umweltproblematik <strong>in</strong> besonderer Weise<br />

gewachsen erweist.


58<br />

8.4. Konflikte zwischen Systembereich <strong>und</strong> Lebensbereich<br />

Konflikte zwischen beiden Bereichen s<strong>in</strong>d uns schon mehrfach begegnet. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Tat<br />

vorprogrammiert, wofür sich hauptsächlich zwei Gründe erkennen lassen: 1. Die Knappheit<br />

der Ressourcen, die dem e<strong>in</strong>zelnen Menschen zur Verfügung stehen, besonders der Ressource<br />

Zeit 2. Die Störungen des Wertegleichgewichts zwischen den beiden Bereichen. An der<br />

Knappheit der Ressourcen läßt sich wenig ändern, sodaß die Lösung im Wesentlichen vom<br />

richtigen Wertegleichgewicht erwartet werden muß, das dann auch zur richtigen<br />

Ressourcenallokation führt.<br />

Zunächst gilt es der Schärfe des Konflikts klar <strong>in</strong>s Auge zu sehen, die natürlich umso mehr<br />

zunimmt, je höher der im Systembereich Angestellte bereits auf der Karriereleiter steht.<br />

8.4.1. Die seelischen Kosten der Karriere<br />

So titelt die FAZ vom 14.10.2006 <strong>und</strong> fügt als Kurzfassung h<strong>in</strong>zu: "Karriere zu machen<br />

bedeutet viel Verzicht, kostet Zeit, soziale B<strong>in</strong>dungen <strong>und</strong> mitunter den guten Charakter.<br />

Umsonst gibt es aber Neid, Mißgunst, Anfe<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Entfremdung. Nur: Damit rechnen<br />

wenige Aufstiegswillige <strong>und</strong> unterschätzen die Außenorientierung ihrer Position. Die Kosten-<br />

Nutzen-Rechnung eröffnen sie oft spät".<br />

Der ges<strong>und</strong>heitliche Preis, den wir schon früher angesprochen haben, wird <strong>in</strong> diesem Artikel<br />

wie folgt gesehen:<br />

"Unter permanentem Leistungsdruck zu stehen. Anfe<strong>in</strong>dungen ausgesetzt zu se<strong>in</strong>, Neid <strong>und</strong> Mißgunst zu<br />

erfahren. Die E<strong>in</strong>samkeit der Macht zu erleben. Und eventuell psychosomatische Reaktionen. So gelangt das<br />

Karlsruher Institut für Arbeits- <strong>und</strong> Sozialhygiene Ende der neunziger Jahre nach der Auswertung von 6000<br />

Tests zu dem Ergebnis, daß 85 Prozent der untersuchten Manager an streßtypischen Erkrankungen wie<br />

Schlaflosigkeit, Magenbeschwerden <strong>und</strong> Kreislauferkrankungen leiden".<br />

Der zeitliche Aspekt mit se<strong>in</strong>en verheerenden sozialen Folgen wird wie folgt angesprochen:<br />

"Denn e<strong>in</strong> Kostenfaktor des Karrieremachens ist banal, wird aber hartnäckig ignoriert: Die Zeit wird knapp.<br />

Knapp für den Partner, die K<strong>in</strong>der, die Fre<strong>und</strong>e. Verabredungen werden nur unter Vorbehalt getroffen: Ist sie<br />

nicht kompatibel mit der Konferenz, wird die E<strong>in</strong>ladung zur Geburtstagsfeier abgesagt. Fre<strong>und</strong>e machen das e<strong>in</strong>e<br />

Weile mit, besprechen aber nicht zum dritten Mal vergeblich den Anrufbeantworter. Soziale Bezüge f<strong>in</strong>den auf<br />

Geschäftsebene statt, <strong>und</strong> zwar mehr oder weniger <strong>in</strong> Habachtstellung. Und die Familie - falls überhaupt<br />

vorhanden? Gross (e<strong>in</strong> Therapeut) erlebt das Klischee <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Praxis: "Der Mann f<strong>in</strong>det <strong>in</strong> der Familie nicht<br />

mehr statt. Irgendwann hat die Frau e<strong>in</strong>en Fre<strong>und</strong>, <strong>und</strong> der Sohn nimmt Drogen".<br />

Schließlich regiere bei vielen e<strong>in</strong> Stück beratungsresistenter Unbedarftheit: "Sie rutschen <strong>in</strong><br />

die Karriere h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d im Gr<strong>und</strong>e dazu emotional <strong>und</strong> von ihrer Persönlichkeit her nicht<br />

<strong>in</strong> der Lage". So kommt es zu e<strong>in</strong>er Situation, der man seelisch nicht gewachsen ist.<br />

E<strong>in</strong> erfahrener Berater von Führungskräften sieht den modernen Manager besonders im<br />

Konflikt mit der Familie: "Daß er die Entscheidungsfreiheit hat, die Familie zu zerstören, <strong>und</strong><br />

daß er durch die Gesetze e<strong>in</strong>er anonymen seelenlosen Markt<strong>wirtschaft</strong> dazu fast aufgefordert<br />

wird, ist e<strong>in</strong>es der dunklen Kapitel unserer Epoche" (Czwal<strong>in</strong>a/Walker 1998: 46).


59<br />

8.4.2. Sche<strong>in</strong>lösung durch Fluchtwege<br />

Aus allen diesen Bedrängnissen kann sich der betroffene Manager durch "Fluchtwege" zu<br />

befreien suchen, die sich ihm zum Teil mit Glanz <strong>und</strong> Reiz anbieten. E<strong>in</strong> erfahrener Berater<br />

nennt als typische Fluchtwege: Befriedigung durch Geld, Materialismus <strong>und</strong> Konsum; Flucht<br />

<strong>in</strong> die Arbeit (workaholism); außereheliche Verhältnisse; sexuelle Ausschweifungen;<br />

Medikamente- <strong>und</strong> Alkoholmißbrauch; esoterisches Aussteigertum. Aber alle diese<br />

Fluchtwege - so verbreitet sie s<strong>in</strong>d - führen zu ke<strong>in</strong>er wirklichen Lösung der<br />

zugr<strong>und</strong>eliegenden Probleme, sondern verzögern <strong>und</strong> erschweren sie durch Verdrängung <strong>und</strong><br />

Verschlimmerung. Trotzdem sche<strong>in</strong>en die meisten Führungskräfte dieses Leben e<strong>in</strong>er<br />

Haßliebe e<strong>in</strong>er wirklichen Lösung vorzuziehen: sie verbergen ihre eigentliche Not h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er<br />

glänzenden Fassade, die <strong>in</strong>takte Verhältnisse vortäuscht.<br />

8.4.3. Radikaler Verzicht<br />

E<strong>in</strong> anderer Versuch, dem Konflikt zu entkommen, wäre der gänzliche Verzicht auf e<strong>in</strong>en der<br />

Konfliktpartner, z.B. auf Familie <strong>und</strong> Ehe. Dies hat m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>ige Logik <strong>und</strong> Konsequenz<br />

für sich. Der erfolgreiche Topmanager Buchholz berichtet:<br />

Ich war damals, vor mehr als dreißig Jahren, Student <strong>und</strong> fuhr per Anhalter. Plötzlich hielt e<strong>in</strong> großer schwarzer<br />

Mercedes. Der gut gekleidete Mann am Steuer fragte mich: "Was machen Sie zur Zeit <strong>und</strong> was haben Sie später<br />

e<strong>in</strong>mal vor? Was möchten Sie eigentlich erreichen? Möchten Sie e<strong>in</strong>e harmonische Familie haben, oder möchten<br />

Sie Karriere machen? Beides zusammen geht nicht. Ich kenne zu viele Männer, die beides haben wollten, sie<br />

haben sich zwischen zwei Stühle gesetzt". Ich widersprach ihm. Er warnte mich jedoch: "Sie sollten nicht so<br />

naive Vorstellungen vom Leben haben. Entscheiden Sie sich für e<strong>in</strong>es von beiden <strong>und</strong> Sie werden glücklich ...."<br />

Me<strong>in</strong> ansche<strong>in</strong>end beruflich erfolgreicher Mercedesfahrer schloß: "Ich habe e<strong>in</strong>e Entscheidung gefällt, ich habe<br />

mich für die Karriere entschieden. Ab <strong>und</strong> zu werde ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e harmonische Familie e<strong>in</strong>geladen, dann b<strong>in</strong> ich<br />

manchmal traurig. Aber ich sage mir: Du hast dich entschieden <strong>und</strong> nun bleib dabei. Und dann geht's wieder.<br />

Dieser radikale Weg ist allemal besser als die Gründung <strong>und</strong> nachfolgende Zerstörung e<strong>in</strong>er<br />

Familie, die dann besonders wahrsche<strong>in</strong>lich wird, wenn auch die Ehefrau durch<br />

Berufstätigkeit nicht mehr <strong>in</strong> der Lage ist, als tüchtige Hausfrau <strong>und</strong> Mutter die familiären<br />

Defizite des Mannes auszugleichen. Doch glücklicherweise ist der Weg des radikalen<br />

Verzichts nicht der e<strong>in</strong>zig gangbare.<br />

8.4.4. Wertekorrektur<br />

Wie mehrfach erwähnt, betrachten wir die Konflikte zwischen Systembereich <strong>und</strong><br />

Lebensbereich als Folge e<strong>in</strong>er Störung des Wertegleichgewichts, speziell e<strong>in</strong>er<br />

Überbewertung des Systembereichs. Im Systembereich s<strong>in</strong>d es meist materielle <strong>und</strong><br />

f<strong>in</strong>anzielle Werte oder Werte von Selbstverwirklichung <strong>und</strong> Macht, die e<strong>in</strong> Übergewicht<br />

gegenüber weniger auffälligen, meist ideellen Werten des Lebensbereichs erfahren.<br />

Es spricht für den Zustand unserer Gesellschaft, daß der Verlust an ideellen Werten weith<strong>in</strong><br />

als legitimer Preis für die Erlangung materieller <strong>und</strong> machtmäßiger Werte akzeptiert ist.<br />

E<strong>in</strong>em Mitglied der Konzernleitung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Chemiekonzerns wurde die Frage<br />

gestellt: Welches ist der Preis für den beruflichen Erfolg? Er erwähnte den Verzicht auf<br />

Empf<strong>in</strong>dungen, Emotionen, Musisches, tieferes Versenken. Er befürchtet, daß e<strong>in</strong>e stärkere<br />

H<strong>in</strong>gabe an diese Bedürfnisse der Motivation <strong>und</strong> Leistungskraft des Managers abträglich se<strong>in</strong>


60<br />

könnte, <strong>und</strong> verdrängt sie entschlossen. Er f<strong>in</strong>det "ewige Werte prima", aber <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

jetzigen Lebensabschnitt sei die "Ackerarbeit" wichtiger.<br />

Dieser Wertetausch war nun ke<strong>in</strong>eswegs das, was den Gründungsvätern der sozialen<br />

Markt<strong>wirtschaft</strong> am Herzen lag. Das anthropologische Leitbild der Gründungsväter der<br />

sozialen Markt<strong>wirtschaft</strong> war weit entfernt von e<strong>in</strong>em "homo oeconomicus", der nur an der<br />

Maximierung des Eigennutzens <strong>in</strong>teressiert ist, den er aus der Verfügbarkeit materieller Güter<br />

zieht. So schreibt Röpke (1958: 51): "Dieser Kult des Lebensstandards ist ....e<strong>in</strong>e unweise<br />

Verkennung der wahren Rangordnung der Lebens<strong>werte</strong> <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e Erniedrigung des Menschen,<br />

die er auf die Dauer kaum ertragen wird". Müller-Armack (1948: 81) sieht <strong>in</strong> der Bes<strong>in</strong>nung<br />

auf <strong>christliche</strong> Werte die e<strong>in</strong>zige Möglichkeit, "der Illusion aufzusagen, als sei es um das<br />

irdische Leben am besten bestellt, wo man e<strong>in</strong>zig se<strong>in</strong>e Werte ernstnimmt <strong>und</strong> als<br />

Lebenszweck anerkennt". Rüstow (1960: 8) schreibt: "Wir s<strong>in</strong>d der Me<strong>in</strong>ung, daß es<br />

unendlich viele D<strong>in</strong>ge gibt, die wichtiger s<strong>in</strong>d als Wirtschaft: Familie, Geme<strong>in</strong>de, Staat, alle<br />

sozialen Integrationsformen bis h<strong>in</strong> zur Menschheit, ferner das Religiöse, das Ethische, das<br />

Ästhetische, kurz gesagt, das Menschliche, das Kulturelle überhaupt .... Es ist der eigentliche<br />

Zweck der Wirtschaft, diesen über<strong>wirtschaft</strong>lichen Werten zu dienen". Von diesen<br />

Wertauffassungen der Gründungsväter haben wir uns <strong>in</strong>zwischen weit entfernt.<br />

Die Korrektur der Gleichgewichtsstörung im Wertesystem kann e<strong>in</strong>schneidende praktische<br />

Schritte nach sich ziehen. Karrierepausen, vielleicht sogar e<strong>in</strong>e "Kurskorrektur nach unten",<br />

können erforderlich werden.<br />

Qualitative Überlastung. Dies gilt ganz besonders, wenn der Zustand der qualitativen<br />

Überforderung e<strong>in</strong>getreten ist. . E<strong>in</strong>e qualitative Überforderung ist wahrsche<strong>in</strong>lich noch<br />

schädlicher als e<strong>in</strong>e quantitative. Sie dürfte vor allem dafür verantwortlich se<strong>in</strong>, daß nahezu<br />

alle Management- <strong>und</strong> Führungspositionen heute viel schwieriger kompetent zu besetzen s<strong>in</strong>d<br />

als noch vor zwei Jahrzehnten <strong>und</strong> geradezu als gefährlich <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitsschädigend gelten<br />

müssen.<br />

Die qualitativen Anforderungen an Führungskräfte nehmen heute derart zu, daß es fast<br />

verw<strong>und</strong>ern müßte, wenn es noch genügend viele Menschen geben sollte, die ihnen<br />

gewachsen s<strong>in</strong>d. Wir lassen e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Probe e<strong>in</strong>es modernen Anforderungsprofils aus<br />

berufenem M<strong>und</strong>e folgen.<br />

Der zukünftige Manager muß gemäß Expertenme<strong>in</strong>ung die Fähigkeiten besitzen, Veränderungen <strong>in</strong> Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft früh zu erkennen, er muß Entscheidungen treffen <strong>und</strong> schließlich Verantwortung übernehmen.<br />

Er muß Visionen entwickeln, <strong>in</strong> Kreisläufen <strong>und</strong> Netzwerken denken, entwicklungsfähige Lösungen erarbeiten,<br />

unternehmerisch handeln, Teamwork koord<strong>in</strong>ieren, Prozesse optimieren <strong>und</strong> Mitarbeiter umfassend fördern. Er<br />

muss selbst verändern, um nicht durch die Veränderungen anderer selbst überflüssig zu werden.<br />

Helmut Maucher , Präsident <strong>und</strong> Delegierter des Verwaltungsrates der Nestle AG, fordert: Der Manager muß<br />

Mut, Nerven <strong>und</strong> Gelassenheit haben, Vorstellungsvermögen, Visionen, Motivationsfähigkeit <strong>und</strong> Fähigkeit zur<br />

Schaffung e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>novativen Klimas. Er muß <strong>in</strong> Zusammenhängen denken können, er muß die ständige<br />

Bereitschaft zum Wandel haben <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale E<strong>in</strong>stellung, er muß bereit se<strong>in</strong> zum ständigen Wechsel,<br />

er muß vielsprachig se<strong>in</strong>, er muß aufgeschlossen se<strong>in</strong>, er muß <strong>in</strong> politischen Kreisen Flagge zeigen, er muß sich<br />

ständig weiterbilden (Czwal<strong>in</strong>a/Walker 1998:24).<br />

Natürlich kann <strong>und</strong> sollte der Manager se<strong>in</strong>e Qualifikationen durch Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>und</strong> Fortbildung<br />

laufend weiterentwickeln. Auch sollte er sich fragen, ob er alle heute verfügbaren Hilfsmittel<br />

<strong>und</strong> Unterstützungen <strong>in</strong> Anspruch nimmt, die se<strong>in</strong>e komplexe Arbeit erleichtern <strong>und</strong><br />

effektiver gestalten können. Insbesondere wäre an die Nutzung moderner


61<br />

entscheidungsunterstützender Methoden <strong>und</strong> Systeme zu denken. Dennoch bleibt der<br />

vorstehende Anforderungskatalog e<strong>in</strong> extrem hochgestecktes Ziel.<br />

Da derartige Universalgenies mit Sicherheit dünn gesät s<strong>in</strong>d, besteht die Gefahr, daß viele<br />

Führungspositionen mit Managern besetzt werden, die ihnen qualitativ nicht gewachsen s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong>er qualitativen Überforderung wegen e<strong>in</strong>es f<strong>in</strong>anziellen Anreizes aufzusitzen, wäre <strong>in</strong><br />

jedem Fall fatal. Wer trotzdem den Verlockungen des Aufstiegs nicht widerstehen kann, wird<br />

leicht die Erfahrung machen, daß er die Stufe der Inkompetenz erreicht hat <strong>und</strong> damit ganz<br />

besonders burnout-gefährdet ist. Ist es weise, "lieber hochgestellt <strong>und</strong> überfordert als rangtief<br />

<strong>und</strong> glücklich" (Czwal<strong>in</strong>a/Walker ) zu se<strong>in</strong>?<br />

Quantitative Überlastung. Bei quantitativer Überlastung muß der Manager sich bemühen,<br />

daß er mehr Aufgaben abgeben kann oder ihm mehr personelle <strong>und</strong> andere Ressourcen zur<br />

Verfügung gestellt werden.<br />

Schließlich gilt es, die vor der Wertekorrektur entstandenen Schäden im Rahmen des<br />

Möglichen zu heilen, besonders <strong>in</strong> der Ehe <strong>und</strong> Familie. Dies kann therapeutische Hilfe<br />

erfordern. In der Zukunft sollte die neue Gewichtung der Werte konsequent festgehalten<br />

werden, damit nicht neue Schäden entstehen.


62<br />

KAP 9: TRANSZENDENTE BEZIEHUNGEN: WELTSICHT UND SINN<br />

Auch wenn Lebensbereich <strong>und</strong> Systembereich <strong>in</strong> e<strong>in</strong> befriedigendes Gleichgewicht gebracht<br />

s<strong>in</strong>d, stellt sich die Frage nach dem S<strong>in</strong>n des Ganzen. Bleibt sie ungelöst, so kann wiederum<br />

das ganze Beziehungsgebäude zusammenstürzen. Es gibt Beispiele äußerst erfolgreicher<br />

Wirtschaftsführer <strong>und</strong> Politiker, die letztlich an der S<strong>in</strong>nfrage gescheitert s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> manchmal<br />

auf der Höhe ihres Erfolgs freiwillig aus dem Leben g<strong>in</strong>gen. Wenden wir uns also nach den<br />

personalen <strong>und</strong> funktionalen Beziehungen auch den transzendenten Beziehungen zu. Die<br />

Suche nach e<strong>in</strong>er Antwort auf die S<strong>in</strong>nfrage soll dabei das Hauptthema se<strong>in</strong>.<br />

9.1. Ohne Transzendenz ke<strong>in</strong> letzter S<strong>in</strong>n<br />

Für unsere Erörterung der S<strong>in</strong>nfrage ist es zunächst nützlich, e<strong>in</strong>en begrenzten S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en<br />

letzten S<strong>in</strong>n zu unterscheiden. Wenn e<strong>in</strong>e Handlung H e<strong>in</strong> für erstrebenswert gehaltenes Ziel<br />

Z fördert, so hat sie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr begrenzten Verständnis e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n. Es ist e<strong>in</strong> begrenzter<br />

S<strong>in</strong>n, weil er nur existiert, wenn die Zielsetzung Z ihrerseits s<strong>in</strong>nvoll ist. Das wäre sie, wenn<br />

sie ihrerseits e<strong>in</strong> übergeordnetes Ziel fördern würde, das als s<strong>in</strong>nvoll gilt. Man kann diesen<br />

Regreß fortsetzen <strong>und</strong> kürzere oder längere "S<strong>in</strong>nketten" konstruieren <strong>und</strong> dabei e<strong>in</strong> gutes<br />

Stück Weg im "Immanenzbereich" zurücklegen -wir verstehen darunter den dem Menschen<br />

mit natürlichen Mitteln erreichbaren <strong>und</strong> erforschbaren Bereich.<br />

Irgend wann wird man aber - jedenfalls ist das unsere These - an e<strong>in</strong>e Grenze kommen, d.h.<br />

an e<strong>in</strong> übergeordnetes Ziel, dessen S<strong>in</strong>n nicht mehr "immanent" begründet werden kann. Man<br />

steht damit vor der Frage nach e<strong>in</strong>em letzten S<strong>in</strong>n. Gibt man hier auf, so ist die ganze<br />

S<strong>in</strong>nkette gefährdet <strong>und</strong> kann e<strong>in</strong>stürzen. Es verbleibt bestenfalls e<strong>in</strong>e relative, begrenzte<br />

Ebene immanenter S<strong>in</strong>ngebung. E<strong>in</strong>e letzte S<strong>in</strong>ngebung - das ist unsere weitere These - kann<br />

damit nur aus dem transzendenten Bereich erfolgen: begrenzte, relative S<strong>in</strong>ngebung ist im<br />

Immanenzbereich möglich, letzte S<strong>in</strong>ngebung verlangt Transzendenz. Oder kurz: ohne<br />

Trnaszendenz ke<strong>in</strong> letzter S<strong>in</strong>n.<br />

Versuchen wir zu illustrieren. Begrenzte (immanente) S<strong>in</strong>nzusammenhänge f<strong>in</strong>den wir<br />

überall. E<strong>in</strong> kranker Mensch, der heilsame Mediz<strong>in</strong> nimmt, handelt s<strong>in</strong>nvoll, weil se<strong>in</strong>e<br />

Handlung e<strong>in</strong> als s<strong>in</strong>nvoll geltendes Ziel fördert. Brückensprengungen am Ende e<strong>in</strong>es mit<br />

Sicherheit verlorenen Krieges s<strong>in</strong>d s<strong>in</strong>nlos, weil sie ke<strong>in</strong> vom Verlierer erstrebtes Ziel mehr<br />

fördern <strong>und</strong> nur Schaden anrichten. Die Welt ist voll von solchen begrenzten<br />

S<strong>in</strong>nzusammenhängen, die letztlich nichts weiter s<strong>in</strong>d als Mittel-Zweck-Relationen. Doch<br />

gehen wir weiter.<br />

Wir stehen an e<strong>in</strong>em Ameisenhaufen <strong>und</strong> schauen den vielfachen, geordneten Aktivitäten<br />

dieser Tiere zu. S<strong>in</strong>d sie s<strong>in</strong>nvoll? Sie s<strong>in</strong>d es relativ zum Ziel der Erhaltung <strong>und</strong> Vermehrung<br />

ihres Volkes. Letztere kann als s<strong>in</strong>nvoll gelten, weil diese Tiere "nützlich" s<strong>in</strong>d, weil sie viele<br />

Schädl<strong>in</strong>ge des Waldes niederhalten. Die Erhaltung des Waldes ist s<strong>in</strong>nvoll für die Erhaltung<br />

des Klimas <strong>und</strong> der Lebensbed<strong>in</strong>gungen auf dem Planeten. Der Fortbestand e<strong>in</strong>es lebendigen<br />

Planeten ist s<strong>in</strong>nvoll weil .... Nun wird es schwierig. Wen im großen weiten Weltall würde es<br />

stören, wen es e<strong>in</strong>en toten Stern mehr gäbe? In ähnlicher Weise kann man vom<br />

"Ameisenhaufen" der Wirtschaft ausgehen. Die immanente S<strong>in</strong>ngebung hört irgendwo auf,<br />

<strong>und</strong> wenn es sonst nichts mehr gibt, ist damit auch die ganze S<strong>in</strong>nkette h<strong>in</strong>fällig - jedenfalls<br />

für die Begründung e<strong>in</strong>es Gesamts<strong>in</strong>ns oder letzten S<strong>in</strong>ns.


63<br />

E<strong>in</strong>e nur immanente S<strong>in</strong>ngebung bleibt daher e<strong>in</strong>e kümmerliche Sache. Die Physiker sagen<br />

den Wärmetod des Weltalls voraus. Daß die Existenz des Weltalls zeitlich begrenzt sei, so<br />

me<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> Naturwissenschaftler, bedeute aber nicht, daß sie s<strong>in</strong>nlos sei, wie ja auch die<br />

Tatsache, daß das e<strong>in</strong>zelne Menschenleben endlich ist, nicht bedeute, daß es s<strong>in</strong>nlos se<strong>in</strong><br />

müsse. Trotz solcher Behauptungen ist aber nicht zu erkennen, wie aus e<strong>in</strong>zelnen immanenten<br />

S<strong>in</strong>nelementen e<strong>in</strong> Gesamts<strong>in</strong>n oder letzter S<strong>in</strong>n entstehen könnte.<br />

Daher s<strong>in</strong>d auch gegenteilige skeptische Äußerungen nicht selten. Wenn der strikt immanent<br />

<strong>und</strong> evolutionistisch denkende Biologe <strong>und</strong> Nobelpreisträger Monod den Menschen als<br />

"Zigeuner am Rande des Weltalls" bezeichnet, wird er sicher nicht <strong>in</strong> Anspruch nehmen,<br />

damit den S<strong>in</strong>n der menschlichen Existenz erkannt zu haben - eher ihre S<strong>in</strong>nlosigkeit. Me<strong>in</strong><br />

eigener Lehrer <strong>in</strong> theoretischer Physik, der nach me<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung dem <strong>christliche</strong>n<br />

Glauben nicht nahe stand, schien es auch so zu sehen, daß zwar e<strong>in</strong>zelne, begrenzte<br />

S<strong>in</strong>nzusammmenhänge möglich s<strong>in</strong>d, aber damit die Frage nach dem S<strong>in</strong>n des Ganzen<br />

weiterh<strong>in</strong> offen bleibt. Es klang recht resigniert, als er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vorlesung etwa so schloß:<br />

wenn es darum geht, ob das menschliche Leben (im Ganzen) e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n hat - die meisten<br />

seien ja überzeugt, es habe e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n - so bleibt eben die Frage: für wen?<br />

Immerh<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t hier etwas durch: daß e<strong>in</strong> letzter S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Gesamts<strong>in</strong>n von e<strong>in</strong>er Person<br />

ausgehen <strong>und</strong> gestiftet werden muß, <strong>und</strong> zwar von e<strong>in</strong>er Person, die nicht selbst Teil des<br />

s<strong>in</strong>nsuchenden Bereichs ist, sondern ihm übergeordnet <strong>und</strong> jenseits von ihm zu suchen ist.<br />

Ke<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nsuchender Bereich kann se<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n münchhausenartig aus sich selbst heraus<br />

entwickeln <strong>und</strong> sich aus der S<strong>in</strong>nlosigkeit herausziehen.<br />

Die <strong>christliche</strong> Antwort ist klar: der S<strong>in</strong>n des ganzen Immanenzbereichs kann nur durch den<br />

transzendenten persönliche Gott gestiftet <strong>und</strong> geoffenbart werden. Darum noch e<strong>in</strong>mal: ohne<br />

Transzendenz ke<strong>in</strong> letzter S<strong>in</strong>n. Natürlich kann sich der Mensch diesen e<strong>in</strong>zigen Ausweg<br />

verbauen, <strong>in</strong>dem er jegliche Transzendenz leugnet <strong>und</strong> sich damit für e<strong>in</strong>e letzte S<strong>in</strong>nlosigkeit<br />

programmiert. Besonders gefährlich wird es, wenn diese Leugnung jeglicher Transzendenz <strong>in</strong><br />

wissenschaftlicher Verkleidung daherkommt. Dieser Mißstand wird im nächsten Abschnitt<br />

aufgegriffen.<br />

9.2. Leugnung jeglicher Transzendenz ist ke<strong>in</strong>e wissenschaftliche Aussage,<br />

sondern e<strong>in</strong> weltanschauliches Bekenntnis<br />

Um als wissenschaftlich zu gelten, muß e<strong>in</strong>e Aussage zwei Voraussetzungen erfüllen:<br />

1. Sie muß mit wissenschaftlichen Methoden falsifizierbar se<strong>in</strong>.<br />

2. Sie muß wissenschaftliche Falsifizierungsversuche erfolgreich überlebt haben, d.h.<br />

diese müssen mißlungen se<strong>in</strong>.<br />

Nun ist die Aussage: "Es gibt e<strong>in</strong>e transzendente Welt, <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>en transzendenten<br />

Gott" per def<strong>in</strong>itionem mit wissenschaftlichen Methoden nicht falsifizierbar. Denn<br />

Transzendenz ist def<strong>in</strong>iert als das mit wissenschaftlichen Methoden nicht Erreichbare. Wenn<br />

jemand sagt, er habe mit wissenschaftlichen Methoden Gott nicht nachweisen können (z.B.<br />

als Raumfahrer), so ist dies e<strong>in</strong>e Tautologie. Denn es wird nur gesagt: ich habe mit<br />

wissenschaftlichen Methoden nicht nachweisen können, was per def<strong>in</strong>itionem mit<br />

wissenschaftlichen Methoden nicht nachweisbar ist. Es handelt sich also um e<strong>in</strong>e Tautologie,<br />

nicht um e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Entdeckung.


64<br />

Wer dennoch den E<strong>in</strong>druck erweckt, e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Widerlegung des Gottespostulates<br />

sei gelungen, begeht schlichten Etikettenschw<strong>in</strong>del: e<strong>in</strong>em allenfalls weltanschaulichen<br />

Bekenntnis zum Atheismus wird das Etikett e<strong>in</strong>er wissenschaftlich begründeten Aussage<br />

umgehängt, obwohl es sich nur um e<strong>in</strong>e Tautologie handelt. Dies ist e<strong>in</strong><br />

erkenntnistheoretischer Skandal, der leider nicht ganz selten ist. Wir geben drei Beispiele, die<br />

m<strong>in</strong>destens <strong>in</strong> diese Richtung gehen.<br />

1. In der Sowjetunion wurde e<strong>in</strong> "wissenschaftlicher Atheismus" propagiert. Wenn damit<br />

geme<strong>in</strong>t war, daß man <strong>in</strong> der Naturwissenschaft ohne explizite Berücksichtung des<br />

Gottespostulats auskommen kann, so ist dies wieder dieselbe Tautologie, aber ke<strong>in</strong>e<br />

wissenschaftliche Stützung des Atheismus.<br />

2. Das Buch des Oxford-Professors Dawk<strong>in</strong>s "The God Delusion" (Die Wahnvorstellung von<br />

Gott) ist e<strong>in</strong> Bestseller im englischsprachigen Raum. Oxford-Professoren assoziiert man<br />

natürlich mit Wisenschaftlichkeit. Doch kann Wissenschaft per def<strong>in</strong>itionem niemals die<br />

Existenz Gottes widerlegen.<br />

3. Die Zeitschrift "The New Scientist" schrieb 1972:<br />

Die weitaus meisten Naturwissenschaftler glauben heute (wenn sie sich überhaupt die Mühe machen, darüber<br />

nachzudenken), daß es sich bei der Religion um e<strong>in</strong>e archaische Belanglosigkeit handelt. Dieses Gebiet liegt<br />

e<strong>in</strong>fach jenseits ernsthafter Erwägungen. Ohne sich über die Ansichten Teilhard de Chard<strong>in</strong>s oder irgend e<strong>in</strong>es<br />

anderen Denkers beunruhigt zu fühlen, schauen sie mit amüsierter Verachtung auf den gesamten Konflikt<br />

zwischen Naturwissenschaft <strong>und</strong> Theologie.<br />

Auch wenn hier von Naturwissenschaftlern die Rede ist, handelt es sich nur um<br />

weltanschauliche Bekenntnisse.<br />

Wir halten also fest, daß Transzendenz per def<strong>in</strong>itionem wissenschaftlich nicht falsifizierbar<br />

ist, sondern allenfalls weltanschaulich geleugnet werden kann.<br />

9.3. Weltanschauliche Entwicklung im Abendland<br />

Wie es im Abendland zu e<strong>in</strong>er weltanschaulichen Entwicklung gekommen ist, aus der<br />

Transzendenz <strong>und</strong> S<strong>in</strong>n zunehmend verschwanden, soll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kurzen geschichtlichen<br />

Abriß verdeutlicht werden, <strong>in</strong> dem wir die hauptsächlichen Entwicklungsstufen mit ihren<br />

wichtigsten Charakteristiken herausstellen. Wir folgen dabei Sire, e<strong>in</strong>er amerikanischen<br />

Autorität <strong>in</strong> Weltsichtfragen <strong>und</strong> Verfasser e<strong>in</strong>es viel gelesenen Standardwerkes hierzu (Sire<br />

1997). Nach Sire hat jeder Mensch e<strong>in</strong>e Weltsicht:<br />

Wenige Menschen haben etwas, was an e<strong>in</strong>e artikulierte Philosophie heranreichen würde - wenigstens im S<strong>in</strong>ne<br />

der großen Philosophen. Noch weniger Menschen, so vermute ich, haben e<strong>in</strong>e sorgfältig konstruierte Theologie.<br />

Aber jedermann hat e<strong>in</strong>e Weltsicht (Sire 1997:16).<br />

Wir wollen im folgenden die wichtigsten Alternativen e<strong>in</strong>er Weltsicht kritisch beleuchten.<br />

Was ist die Wahl? Nach Sire ist sie nicht sehr groß.<br />

E<strong>in</strong>e Weltsicht be<strong>in</strong>haltet Antworten auf e<strong>in</strong>e relativ kle<strong>in</strong>e Zahl von Gr<strong>und</strong>fragen, von denen<br />

jede wieder nur wenige alternative Antworten zuläßt. So läßt Sires erste Frage - was ist die<br />

primäre, letzte Realität? - im Wesentlichen nur zwei Antworten zu: Gott oder der materielle<br />

Kosmos. Doch hier ist zunächst die vollständige Liste se<strong>in</strong>er sieben Gr<strong>und</strong>fragen:


65<br />

1. Was ist die primäre, letzte Realität?<br />

2. Was ist das Wesen der externen Realität, d.h. der uns umgebenden Welt?<br />

3. Was ist e<strong>in</strong> menschliches Wesen?<br />

4. Was geschieht mit e<strong>in</strong>er Person beim Tode?<br />

5. Wieso ist es möglich, irgend etwas zu wissen?<br />

6. Wie wissen wir, was gut <strong>und</strong> böse ist?<br />

7. Was ist der S<strong>in</strong>n der menschlichen Geschichte?<br />

Aus den relativ wenigen möglichen Antworten arbeitet Sire gegen 10 weltanschauliche<br />

Gr<strong>und</strong>typen heraus <strong>und</strong> präsentiert sie <strong>in</strong> der Reihenfolge ihres geschichtlichen Auftretens <strong>in</strong><br />

der westlichen Welt:<br />

1. Christlicher Theismus<br />

2. Deismus<br />

3. Naturalismus<br />

4. Nihilismus<br />

5. Existenzialismus<br />

6. Östlicher pantheistischer Monismus<br />

7. New Age<br />

8. Postmoderne<br />

Dieser historischen Entwicklung wohnt e<strong>in</strong>e unheimliche Zwangs-läufigkeit <strong>in</strong>ne. Während<br />

im <strong>christliche</strong>n Theismus der persönliche Gott die letzte Realität ist, der e<strong>in</strong>"offenes"<br />

Universum geschaffen hat, <strong>in</strong> das er jederzeit h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wirken kann, <strong>und</strong> der der Geber der<br />

Maßstäbe für Gut <strong>und</strong> Böse <strong>und</strong> Geber des S<strong>in</strong>ns ist, wird bereits im Deismus das Universum<br />

für Gott geschlossen. Man gesteht ihm noch die Rolle des Schöpfers zu, der das Uhrwerk am<br />

Anfang aufgezogen hat, welches aber nun nach geschlossenen Wirkungszusammenhängen<br />

abläuft, <strong>in</strong> die er nicht mehr e<strong>in</strong>greift: e<strong>in</strong> geschlossenes "Uhrwerkuniversum".<br />

Von da ist es nur noch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Schritt zu dem die Naturwissenschaft beherrschenden<br />

Naturalismus, der auch die Entstehung des Universums ebenso wie se<strong>in</strong>e weitere Entwicklung<br />

aus geschlossenen Wirkungszusammenhängen erklärt <strong>und</strong> damit die Vorstellung e<strong>in</strong>es<br />

persönlichen Schöpfergottes m<strong>in</strong>destens entbehrlich macht, e<strong>in</strong>e Option, von der sehr viele<br />

Naturwissenschaftler Gebrauch gemacht haben. Die menschliche Vernunft kann das<br />

geschlossene Universum erforschen <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Wirkungszusammenhänge nutzen. Die<br />

Vernunft ist zukünftig auch alle<strong>in</strong>e für die Begründung e<strong>in</strong>er Ethik zuständig.<br />

Da sich im geschlossenen Universum die S<strong>in</strong>nfrage immer schwerer beantworten läßt, ist der<br />

nächste fällige Schritt der Nihilismus, der allen S<strong>in</strong>n leugnet <strong>und</strong> <strong>in</strong> Verzweiflung endet. Der<br />

Existenzialismus ist wiederum e<strong>in</strong> verzweifelter Versuch, über den Nihilismus h<strong>in</strong>aus zu<br />

gelangen. Er läßt die S<strong>in</strong>nlosigkeit, ja "Absurdität" der äußeren Welt stehen, entwickelt aber<br />

e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere, subjektive Welt, die - anders als bei den Nihilisten <strong>und</strong> Naturalisten - nicht nur<br />

e<strong>in</strong> Produkt chemischer <strong>und</strong> anderer materieller Vorgänge ist. Dieses <strong>in</strong>nere Leben ist e<strong>in</strong>e<br />

Revolte gegen die Absurdität der äußeren Welt <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Versuch, trotzdem "Werte" zu<br />

schaffen. Die ethische Frage ist e<strong>in</strong>fach gelöst: das Gute ist das bewußt Gewählte. "Wir<br />

wählen immer das Gute", sagt Sartre . So wird bereits hier das Ich zum Maß aller D<strong>in</strong>ge.<br />

Solipsismus ist kaum e<strong>in</strong> überzeugender Schritt aus dem Nihilismus heraus.<br />

Nach dieser Bankrotterklärung der westlichen Entwicklung fragte sich besonders seit den<br />

sechziger Jahren mancher: hat der Osten etwas Besseres? Die dort erstrebte E<strong>in</strong>heit mit dem


66<br />

Kosmos - dem unpersönlichen, pantheistischen Gott - bedeutet letztlich Aufgabe der<br />

Persönlichkeit, Aufgabe von Wissen <strong>und</strong> Erkennen der Realität dieser Welt durch das Suchen<br />

nach Erkenntnis im Inneren, Aufgabe der Unterscheidung von Gut <strong>und</strong> Böse: der Kosmos ist<br />

<strong>in</strong> jedem Augenblick vollkommen. Jeder ist letzlich Gott <strong>und</strong> kann darum <strong>in</strong> Gott aufgehen.<br />

Für westliches Empf<strong>in</strong>den dürfte diese Auffassung auf Dauer nicht fasz<strong>in</strong>ierend se<strong>in</strong>, sondern<br />

eher großen Realitätsverlust <strong>und</strong> großen Relativismus (z.B. von Gut <strong>und</strong> Böse) bedeuten. Es<br />

ist schwer vorstellbar, daß dieser Weg im Westen auf breiter Front als Ausweg aus der<br />

nihilistischen B<strong>in</strong>dung des Naturalismus begriffen wird. Und welche <strong>wirtschaft</strong>lichen <strong>und</strong><br />

sozialen Leistungen diese Weltsicht hervorgebracht oder besser nicht hervorgebracht hat, ist<br />

zur Genüge bekannt.<br />

Die New Age-Bewegung, die auch <strong>in</strong> Managementkreisen großen Anklang zu f<strong>in</strong>den sche<strong>in</strong>t,<br />

sucht eher <strong>in</strong> westlichen L<strong>in</strong>ien nach e<strong>in</strong>em neuen Bewußtse<strong>in</strong> <strong>und</strong> <strong>in</strong>tegriert dabei auch<br />

e<strong>in</strong>iges aus östlicher Weltsicht. New Age hält dafür, daß <strong>in</strong> der Entwicklung des Menschen<br />

e<strong>in</strong> Quantensprung bevorsteht, der die Menschen zu Supermenschen, ja zu Göttern machen<br />

wird, die Welten erschaffen. Diese persönliche <strong>und</strong> kulturelle Evolution leitet angeblich e<strong>in</strong><br />

total neues Zeitalter e<strong>in</strong>. Das Ich des Menschen steht im Mittelpunkt des Universums <strong>und</strong> ist<br />

letzte Realität. E<strong>in</strong> transzendenter, persönlicher Gott existiert nicht.<br />

Das Universum aber manifestiert sich <strong>in</strong> zwei Dimensionen: als sichtbares Universum,<br />

zugänglich durch normales Bewußtse<strong>in</strong>, <strong>und</strong> als unsichtbares Universum, zugänglich durch<br />

verändertes Bewußtse<strong>in</strong>. Bei dem Letzteren handelt es sich um die reich bevölkerte Welt des<br />

Okkulten, die zu betreten dem Christen durch Gottes Gebot strengstens untersagt ist, da ihn<br />

e<strong>in</strong> solcher Schritt von der persönlichen Beziehung zu Gott wegführen <strong>und</strong> unter die Kontrolle<br />

<strong>und</strong> Abhängigkeit dunkler Mächte br<strong>in</strong>gen würde, die nicht von Gott s<strong>in</strong>d. Das veränderte<br />

Bewußtse<strong>in</strong>, mittels dessen der Zugang möglich ist, kann durch mystische Techniken, aber<br />

auch durch den Gebrauch psychedelischer Drogen erlangt werden: "Das Kernerlebnis des<br />

New Age ist kosmisches Bewußtse<strong>in</strong>, <strong>in</strong> welchem gewöhnliche Kategorien von Raum, Zeit<br />

<strong>und</strong> Moralität verschw<strong>in</strong>den" (Sire 1997: 153).<br />

Was aber <strong>in</strong> beiden Formen des Bewußtse<strong>in</strong>s <strong>und</strong> <strong>in</strong> dieser ganzen Weltsicht ebenfalls<br />

verschw<strong>in</strong>det, ist der Unterschied zwischen Ersche<strong>in</strong>ung <strong>und</strong> Realität. Es gibt diesen<br />

Unterschied nicht. Ersche<strong>in</strong>ung ist Realität. Illusion gibt es nicht: alles <strong>und</strong> jedes, das man<br />

sich vorstellen kann, existiert. Wir haben hier e<strong>in</strong>e Weltsicht, die geprägt ist von e<strong>in</strong>er<br />

ungeheuren Selbstübersteigerung des Menschen, e<strong>in</strong>er Grenzüberschreitung zum Okkulten<br />

<strong>und</strong> zur Nutzung okkulter Kräfte, <strong>und</strong> e<strong>in</strong>er extremen Relativierung aller D<strong>in</strong>ge: alles ist<br />

relativ zum Ich. Insbesondere gibt es ke<strong>in</strong>e moralischen Unterscheidungen.<br />

Von hier ist es nur noch e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Schritt zur "Postmoderne", die auf dem Wege zu se<strong>in</strong><br />

sche<strong>in</strong>t, die bestimmende Weltsicht der Intellektuellen <strong>in</strong> der Gegenwart <strong>und</strong> nahen Zukunft<br />

zu werden. Hier ist alles relativ geworden. Die Wahrheit über die Realität ist uns für immer<br />

verborgen. Alles, was wir tun können, ist Geschichten ("stories") zu erzählen. Niemandes<br />

Geschichte ist <strong>in</strong> irgend e<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>ne "wahrer" als die irgend e<strong>in</strong>es anderen. Es zählt nur, ob<br />

sie den Erzähler befriedigt <strong>und</strong> für ihn "funktioniert", ihm nützt <strong>und</strong> hilft. Übergeordnete<br />

"Metageschichten" s<strong>in</strong>d als Unterdrückung abzulehnen. Ethik ist nur e<strong>in</strong> sprachliches<br />

Konstrukt. Sozial gut ist was immer die Gesellschaft dafür annimmt (man beachte, wie nahe<br />

dies bereits der nationalsozialistischen Aussage kommt: recht ist, was dem Volke nützt!).<br />

Unterscheidung von gut <strong>und</strong> böse, wahr <strong>und</strong> falsch s<strong>in</strong>d re<strong>in</strong> subjektiv. In Kurzem:<br />

Postmoderne bedeutet radikalen Relativismus r<strong>und</strong>um. Diese Weltsicht tendiert zu<br />

moralischer <strong>und</strong> <strong>in</strong>tellektueller Anarchie.


67<br />

Wenn wir die gesamte abendländische Entwicklung vom <strong>christliche</strong>n Theismus bis zur<br />

Postmoderne überblicken, so können wir e<strong>in</strong>en roten Faden <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e gewisse<br />

Zwangsläufigkeit der Entwicklung erkennen. Schrittweise wird Gott aus dem Universum, aus<br />

dem Erkenntnisprozeß <strong>und</strong> aus der Ethik verdrängt. Gleichzeitig steigert sich der Mensch von<br />

Stufe zu Stufe <strong>in</strong> immer größere Ichbezogenheit, Ichgröße <strong>und</strong> Hybris bis zum alle<strong>in</strong>igen<br />

Bezugspunkt e<strong>in</strong>er totalen Relativierung von Realität, Wahrheit <strong>und</strong> Ethik. Es bedarf ke<strong>in</strong>er<br />

besonderen prophetischen Gabe um vorherzusehen, daß die moralische <strong>und</strong> <strong>in</strong>tellektuelle<br />

Anarchie, zu der diese Entwicklung tendiert, nicht von Dauer se<strong>in</strong> kann, sondern <strong>in</strong> der<br />

Diktatur e<strong>in</strong>es Übermenschen enden muß, der dann wieder auf Allgeme<strong>in</strong>verb<strong>in</strong>dlichkeit von<br />

Werten <strong>und</strong> Lehren bestehen wird, allerd<strong>in</strong>gs von Werten <strong>und</strong> Lehren, die total auf ihn selbst<br />

bezogen s<strong>in</strong>d: relativ <strong>und</strong> verb<strong>in</strong>dlich zugleich.<br />

Weltanschauung im Abendland nahm also e<strong>in</strong>e Entwicklung, die - durch immer lückenlosere<br />

naturwissenschaftliche Erklärung allen Geschehens - Gott <strong>und</strong> jegliche Transzendenz immer<br />

entbehrlicher ersche<strong>in</strong>en ließ. Angesprochen auf die Existenz Gottes erklärte e<strong>in</strong><br />

weltberühmter Physiker: "Ich brauche e<strong>in</strong>e solche Hypothese nicht". Dies führte bei vielen zu<br />

e<strong>in</strong>er Negation jeglicher Transzendenz <strong>und</strong> damit letztlich auch e<strong>in</strong>er S<strong>in</strong>nf<strong>in</strong>dung, wie wir<br />

gesehen haben.<br />

Das wäre nicht nötig, denn auch e<strong>in</strong>e lückenlose naturwissenschaftliche Erklärung kann<br />

Transzendenz nicht falsifizieren, wie wir ebenfalls gesehen haben. Sie kann auch nicht<br />

ausschließen, daß e<strong>in</strong> Geschehen, das lückenlos strengen Naturgesetzen folgt, dennoch von<br />

e<strong>in</strong>em persönlichen, transzendenten Gott bewirkt wird. Wenn wir etwa me<strong>in</strong>en, die<br />

Entstehung <strong>und</strong> Entwicklung e<strong>in</strong>es neuen Menschenlebens biologisch lückenlos zu verstehen,<br />

so läßt sich dennoch ke<strong>in</strong>eswegs ausschließen, daß e<strong>in</strong> persönlicher transzendenter Gott<br />

diesen Prozeß bewirkt <strong>und</strong> steuert <strong>und</strong> so erneut als Schöpfer tätig wird. Die<br />

naturwissenschaftliche Erklärung betrifft nur die äußere Schale des Geschehens, das<br />

Wesentliche liegt viel tiefer <strong>und</strong> stammt aus der Transzendenz. Der berühmte Physiker<br />

Jordan hat schon vor Jahrzehnten geschrieben, daß nur "e<strong>in</strong>e sehr dünne Decke der<br />

Kausalität" über dem Geschehen liege, da ja lückenlose Kausalität <strong>in</strong> der modernen Physik<br />

ohneh<strong>in</strong> passe ist.<br />

Man kann also sagen: folgt e<strong>in</strong> Geschehen lückenlos naturwissenschaftlichen Gesetzen, so<br />

bedeutet dies nur, daß sich der transzendente Gott "im Regelfall" an die von ihm selbst<br />

aufgestellten Naturgesetze hält. Allerd<strong>in</strong>gs hat er auch jederzeit die Möglichkeit, davon<br />

abzuweichen <strong>und</strong> "W<strong>und</strong>er" zu tun, während die Naturwissenschaft es mit dem "Regelfall" zu<br />

tun hat. Wir könnten daher auch angesichts der modernen Naturwissenschaft getrost zum<br />

<strong>christliche</strong>n Theismus mit se<strong>in</strong>em offenen Universum zurückkehren, <strong>in</strong> das Gott jederzeit<br />

e<strong>in</strong>greifen kann.<br />

9.4. Christliche Weltsicht <strong>und</strong> die S<strong>in</strong>nfrage<br />

9.4.1. Der ursprüngliche S<strong>in</strong>n der Schöpfung<br />

Nach <strong>christliche</strong>r Lehre ist der persönliche Gott der Schöpfer <strong>und</strong> Erhalter des Universums.<br />

Die Existenz des Universums <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere des Menschen empfängt ihren S<strong>in</strong>n durch die<br />

Gottesbeziehung. Paulus formuliert: von ihm (Gott) <strong>und</strong> durch ihn <strong>und</strong> zu ihm h<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d alle<br />

D<strong>in</strong>ge (Rö 11, 36). Insbesondere der Mensch ist darauf angelegt, zu se<strong>in</strong>em Schöpfer, der ihn


68<br />

liebt <strong>und</strong> aus Liebe geschaffen hat, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Lebensbeziehung zu treten, die ihm alle<strong>in</strong>e völlige<br />

Erfüllung, völlige S<strong>in</strong>nf<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> völliges Glück geben kann.<br />

9.4.2. Der Sündenfall<br />

Allerd<strong>in</strong>gs stand der Mensch von Anfang an unter dem Gebot Gottes <strong>und</strong> der<br />

Gehorsamsverpflichtung gegenüber diesem Gebot. Durch se<strong>in</strong>e freiwillige (auf freiem Willen<br />

beruhende) Übertretung des göttlichen Gebotes <strong>und</strong> die dar<strong>in</strong> liegende Lossagung von Gott<br />

<strong>und</strong> der Unterordnung unter Gott trat der Sündenfall e<strong>in</strong>. Er stürzte den Menschen <strong>und</strong> die<br />

ihm unterstellte Schöpfung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Katastrophe mit ungeahnten Folgen, unter denen wir bis<br />

heute leiden. Seitdem zerfiel die Welt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e scharfe Trennung von Transzendenz <strong>und</strong><br />

Immanenz. Der Mensch wurde aus dem unmittelbaren Umgang mit Gott <strong>in</strong> die Immanenz<br />

verbannt, aus der es ke<strong>in</strong>en natürlichen Zugang zu Gott mehr gibt. Seitdem ist Gott für ihn<br />

unsichtbar. Seitdem muß Gott gesucht werden. Seitdem kann Gott geleugnet werden.<br />

Seitdem liegt auch e<strong>in</strong> Fluch auf der Schöpfung. Vergänglichkeit <strong>und</strong> Tod ziehen e<strong>in</strong>. Der<br />

Mensch muß h<strong>in</strong>fort se<strong>in</strong> Brot im Schweiß se<strong>in</strong>es Angesichts essen, Mühsal <strong>und</strong> Schmerz s<strong>in</strong>d<br />

se<strong>in</strong> Schicksal. Zuletzt muß er sterben. Die ganze Natur vers<strong>in</strong>kt ebenfalls <strong>in</strong> Leiden <strong>und</strong><br />

Vergänglichkeit. Aller technische <strong>und</strong> kulturelle Fortschritt <strong>und</strong> Glanz können diesen Zustand<br />

nicht letztlich überdecken, sondern nur mühsam <strong>und</strong> vorübergehend verdrängen.<br />

9.4.3. Die Heilung der Gottesbeziehung<br />

Was wird unter diesen Umständen aus der S<strong>in</strong>nfrage? Sie kann nur gelöst werden durch<br />

Heilung <strong>und</strong> Wiederherstellung der zerstörten Gottesbeziehung des Menschen. Die gute<br />

Botschaft ist, daß Gott selbst - <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er unerschütterlichen Liebe zu se<strong>in</strong>em Geschöpf <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>em Schmerz über dessen Abtrünnigkeit - die Heilung dieser Beziehung sehnlichst<br />

wünscht <strong>und</strong> alles dafür vorbereitet hat. So steht die Menschheitsgeschichte seit dem<br />

Sündenfall unter dieser Heilungsabsicht Gottes.<br />

Er gibt den Menschen Lebensraum <strong>und</strong> Lebenszeit mit der ausdrücklichen Bestimmung, ihn<br />

zu suchen <strong>und</strong> zu f<strong>in</strong>den: "Indem er festgesetzte Zeiten <strong>und</strong> die Grenzen ihrer Wohnung<br />

bestimmt hat, daß sie Gott suchen, ob sie ihn wohl tastend fühlen <strong>und</strong> f<strong>in</strong>den möchten,<br />

obgleich er nicht fern ist von jedem unter uns" (Ag 17, 26b-27).<br />

Er kommt diesem Suchen auf mannigfache Weise entgegen. Zwar gibt es ke<strong>in</strong>en direkten,<br />

etwa wissenschaftlichen Weg aus der Immanenz zur Erkenntnis des transzendenten Gottes.<br />

Doch hat Gott dem Menschen e<strong>in</strong>e tiefere Dimension des Erkennens, e<strong>in</strong> Wahrheitsgefühl<br />

gelassen, mit dem er sehr wohl erkennen kann, daß Gott existiert. Mit natürlichen Mitteln<br />

kann er zunächst erkennen, daß <strong>in</strong> der ihn umgebenden Welt, besonders <strong>in</strong> den Lebewesen<br />

<strong>und</strong> ihren Lebensbed<strong>in</strong>gungen, e<strong>in</strong> überaus "<strong>in</strong>telligentes Design" vorliegt. Solange er se<strong>in</strong>e<br />

tiefere Dimension des Erkennens <strong>und</strong> des Wahrheitsgefühls nicht unterdrückt, muß er zu der<br />

Erkenntnis gelangen, daß h<strong>in</strong>ter dem "<strong>in</strong>telligent design" e<strong>in</strong> "<strong>in</strong>telligent designer", e<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong>telligenter Schöpfer steht.<br />

Die Unterlassung dieser Schlußfolgerung <strong>und</strong> der daraus folgenden Verpflichtung zu Dank<br />

<strong>und</strong> Verehrung gegenüber dem persönlichen Schöpfer ist schuldhaft <strong>und</strong> macht das<br />

menschliche Elend <strong>und</strong> die S<strong>in</strong>nlosigkeit nur größer. Die Bibel sagt das mit den Worten:


69<br />

"Denn se<strong>in</strong> (Gottes) unsichtbares Wesen, sowohl se<strong>in</strong>e ewige Kraft als auch se<strong>in</strong>e<br />

Göttlichkeit, wird von Erschaffung der Welt an <strong>in</strong> dem Gemachten wahrgenommen <strong>und</strong><br />

geschaut, damit sie (die Menschen) ohne Entschuldigung seien, weil sie Gott kannten (oder:<br />

wußten, daß e<strong>in</strong> Gott ist), ihn aber weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten,<br />

sondern <strong>in</strong> ihren Überlegungen <strong>in</strong> Torheit verfielen <strong>und</strong> ihr unverständiges Herz verf<strong>in</strong>stert<br />

wurde" (Rö 1, 20-21).<br />

Über diese natürliche Wahrheitserkenntnis h<strong>in</strong>aus kommt Gott dem gefallenen Menschen<br />

weiter entgegen, <strong>in</strong>dem er sich nicht <strong>in</strong> Schweigen hüllt, sondern aus der Transzendenz <strong>in</strong> die<br />

Immanenz h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> mit menschlichen Worten redet. Wie er das tut <strong>und</strong> tat, daß se<strong>in</strong> Wort von<br />

e<strong>in</strong>zelnen Menschen vernommen <strong>und</strong> dann auch schriftlich niedergelegt wurde, bleibt uns e<strong>in</strong><br />

Geheimnis. Doch entstand auf diese Weise die heilige Schrift als die Offenbarung Gottes an<br />

die gefallene Menschheit, die auf diese Weise auch den Willen Gottes <strong>in</strong> Gestalt se<strong>in</strong>er<br />

Gebote <strong>und</strong> Ordnungen erfuhr. Gott selbst hat diesen Prozeß der Entstehung der heiligen<br />

Schrift gelenkt.<br />

Die Offenbarung Gottes kam zu ihrem Höhepunkt <strong>und</strong> zu höchster Klarheit <strong>in</strong> Jesus Christus.<br />

Der Sohn Gottes wurde Mensch <strong>und</strong> offenbarte mit menschlichen Worten das Wesen <strong>und</strong> die<br />

Liebe des unsichtbaren Gottes, se<strong>in</strong>es himmlischen Vaters. Seitdem wissen wir mit höchster<br />

Klarheit, wie Gott ist <strong>und</strong> was se<strong>in</strong> Wille ist. So ist es verständlich, daß Jesus Christus im<br />

Neuen Testament auch den Namen "das Wort" erhält <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Menschwerdung mit den<br />

Worten ausgedrückt wird: das Wort wurde Fleisch.<br />

Jesus Christus vollendete se<strong>in</strong> Erdenleben, <strong>in</strong>dem er nach dem Willen se<strong>in</strong>es himmlischen<br />

Vaters am Kreuz als Sühneopfer für die Sünden der ganzen Welt starb, am dritten Tage<br />

leiblich auferstand <strong>und</strong> dann als Sieger über den Tod <strong>in</strong> die Transzendenz zu Gott<br />

zurückkehrte. Alle<strong>in</strong> aufgr<strong>und</strong> des Sühnetodes Jesu Christi ist es möglich, daß Menschen<br />

Vergebung ihrer Schuld vor Gott empfangen <strong>und</strong> damit die Heilung ihrer Gottesbeziehung<br />

erfahren. Voraussetzung dafür ist auf Seiten des e<strong>in</strong>zelnen Menschen das aufrichtige<br />

Bekennen <strong>und</strong> Bereuen se<strong>in</strong>er Schuld <strong>und</strong> Sünde vor Gott <strong>und</strong> der persönliche Glaube an den<br />

Gottessohn Jesus Christus, se<strong>in</strong>en Sühnetod <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Auferstehung.<br />

Wer auf diese Weise mit Gott <strong>in</strong> Ordnung gekommen ist, kann Schritt für Schritt tiefer <strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>e geheilte Gottesbeziehung h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wachsen <strong>und</strong> dar<strong>in</strong> weit über dieses Erdenleben h<strong>in</strong>aus<br />

S<strong>in</strong>n, Bestimmung <strong>und</strong> Erfüllung f<strong>in</strong>den. Doch schon <strong>in</strong> diesem Leben wird die<br />

Gottesbeziehung die Gr<strong>und</strong>lage für e<strong>in</strong>e Gott wohlgefällige Gestaltung aller anderen<br />

Beziehungen: der personalen wie der funktionalen.<br />

9.5. Konflikt zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Offenbarung?<br />

Wie wir wiederholt betont haben, ist der Transzendenzbereich für die Wissenschaft per<br />

def<strong>in</strong>itionem unzugänglich. Sie kann ke<strong>in</strong>e Aussagen darüber machen. Dies kann vielmehr<br />

nur durch Offenbarung geschehen. Wäre nun die <strong>christliche</strong> Offenbarung, wie sie <strong>in</strong> der<br />

heiligen Schrift vorliegt, ausschließlich auf den Transzendenzbereich beschränkt, so könnte es<br />

ke<strong>in</strong>en Konflikt zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Offenbarung geben. Die "Interessensphären"<br />

wären abgesteckt <strong>und</strong> säuberlich getrennt, <strong>und</strong> es würde Friede herrschen.<br />

Das wäre jedoch e<strong>in</strong> absolut fauler Friede, der dem Wesen <strong>christliche</strong>r Offenbarung <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er<br />

Weise entspricht. Zwar ist die Wissenschaft auf das Diesseits beschränkt, aber die <strong>christliche</strong><br />

Offenbarung ist ke<strong>in</strong>esfalls auf das Jenseits beschränkt. Für Gott ist das ganze Universum, wie


70<br />

wir gesehen haben, offen, er wirkt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, er spricht h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, er offenbart sich durch Jesus<br />

Christus im Diesseits, Jesus Christus wird auf diese Erde zurückkehren, <strong>und</strong> die Offenbarung<br />

Gottes <strong>in</strong> der heiligen Schrift macht e<strong>in</strong>e Menge Aussagen über das Diesseits: über die<br />

Menschheitsgeschichte, über die Erdgeschichte, über die Entstehung des Kosmos. Damit<br />

betritt sie e<strong>in</strong> Territorium, das die Wissenschaft als ihre Domäne beansprucht. Hier kann es zu<br />

Konflikten zwischen Offenbarungsaussagen <strong>und</strong> wissenschaftlichen Aussagen kommen. Zum<br />

Beispiel sagt die biblische Offenbarung, daß e<strong>in</strong>e weltweite S<strong>in</strong>tflut mit e<strong>in</strong>em Wasserstand<br />

bis zu den Bergspitzen stattgef<strong>und</strong>en habe, während die Wissenschaft dies negiert. Wie soll<br />

man mit diesen Konflikten umgehen?<br />

1. Man sollte prüfen, ob der Konflikt echt <strong>und</strong> unvermeidlich ist. Vielleicht wurde die<br />

biblische Aussage zu voreilig oder zu naiv <strong>in</strong>terpretiert. Z.B. kann die mittelalterliche<br />

Überzeugung, die Bibel vertrete das geozentrische System, niemals auf biblische<br />

Formulierungen gestützt werden, daß die Sonne auf- <strong>und</strong> untergehe <strong>und</strong> ihre Bahn ziehe - hier<br />

handelt es sich vielmehr um Beschreibungen vom Bezugssystem Erde aus, die heute noch<br />

jedermann benutzt, ohne deswegen das geozentrische System zu vertreten. Und ganz modern:<br />

im Rahmen der allgeme<strong>in</strong>en Relativitätstheorie zerr<strong>in</strong>nt der ganze Streit ohneh<strong>in</strong> <strong>in</strong> nichts. Es<br />

ist e<strong>in</strong>es so wahr wie das andere.<br />

Mit e<strong>in</strong>er sorgfältigen <strong>und</strong> gründlichen Interpretation me<strong>in</strong>en wir aber ke<strong>in</strong>esfalls Folgendes.<br />

Man kann die diesseitigen Aussagen der biblischen Offenbarung auch ganz fallen lassen oder<br />

um<strong>in</strong>terpretieren als etwas, was nicht wörtlich, sondern allenfalls symbolisch, mythologisch<br />

oder als etwas zu Vergeistigendes aufzufassen sei <strong>und</strong> damit die biblische Offenbarung auf<br />

ihre transzendente Dimension zurückstutzen. Dies ist der Weg der Konfliktvermeidung, den<br />

e<strong>in</strong>e "liberale" Theologie häufig beschritten hat. Wir lehnen diesen Weg entschieden ab. Gott<br />

ist der Gott des ganzen Universums <strong>und</strong> weiß auch über das von ihm geschaffene Diesseits<br />

am besten Bescheid.<br />

2. Man kann die Wissenschaft <strong>in</strong> ihre Grenzen verweisen. Wenn z.B. die biblischen<br />

W<strong>und</strong>erberichte mit dem Argument angegriffen werden, so etwas sei wissenschaftlich<br />

unmöglich, so haben wir schon früher festgestellt, daß die Naturwissenschaft mit ihren<br />

"Gesetzen" es mit dem "Regelfall" zu tun hat, von dem der souveräne transzendente Gott<br />

jederzeit abweichen kann, sei es durch übernatürliche E<strong>in</strong>wirkung aus der Transzendenz <strong>in</strong><br />

das offene Universum, sei es, <strong>in</strong>dem er auf natürliche Weise extrem unwahrsche<strong>in</strong>liche<br />

Konstellationen e<strong>in</strong>treten läßt.<br />

3. Man kann zum Gegenangriff gegen die wissenschaftliche Aussage übergehen. Hierzu s<strong>in</strong>d<br />

e<strong>in</strong>ige erkenntnistheoretische Anmerkungen nützlich. Spätestens seit Popper wissen wir, daß<br />

e<strong>in</strong>e wissenschaftliche Theorie oder Aussage pr<strong>in</strong>zipiell nie bewiesen, sondern nur widerlegt<br />

("falsifiziert") werden kann. Wird e<strong>in</strong>e Theorie anhand empirischer Daten geprüft, so gibt es<br />

zwei Möglichkeiten.<br />

a. Die Theorie ist mit den empirischen Daten verträglich (kann sie erklären).<br />

b. Die Theorie ist mit den empirischen Daten nicht verträglich (kann sie nicht<br />

erklären).<br />

Im Fall b ist die Theorie falsifiziert. Im Fall a ist e<strong>in</strong> Falsifizierungsversuch gescheitert, aber<br />

damit die Theorie nicht bewiesen. Natürlich wächst das Zutrauen zu e<strong>in</strong>er Theorie mit der<br />

Zahl der gescheiterten Falsifizierungsversuche. Aber e<strong>in</strong>en endgültigen Beweis gibt es nicht.


71<br />

Statt dessen gibt es das Recht jedes Wissenschaftlers, alternative Theorien zu entwickeln <strong>und</strong><br />

zu vertreten. Es kann se<strong>in</strong>, daß zwei oder mehr ganz verschiedene Theorien mit denselben<br />

empirischen Daten verträglich s<strong>in</strong>d, wenn sie diese Daten auch ganz verschieden erklären<br />

<strong>und</strong>/oder <strong>in</strong>terpretieren. Anders ausgedrückt: es kann se<strong>in</strong>, daß Falsifizierungsversuche mit<br />

den gleichen Daten bei mehreren Alternativtheorien scheitern, also ke<strong>in</strong>e davon als falsifiziert<br />

ausgeschieden werden muß. Jede der so getesteten Theorien ist vertretbar, ke<strong>in</strong>e kann mit dem<br />

Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit oder des Widerspruchs zu "gesicherten"<br />

wissenschaftlichen Erkenntnissen abgelehnt werden. E<strong>in</strong>e ernst zu nehmende<br />

Alternativtheorie muß demnach zwei Bed<strong>in</strong>gungen erfüllen:<br />

I. Sie muß falsifizierbar se<strong>in</strong> (da sonst alle Falsifizierungsversuche trivialerweise<br />

scheitern).<br />

II. Sie muß Falsifizierungsversuche mit Hilfe empirischer Daten erfolgreich überlebt<br />

haben.<br />

Auf diesem Wege kann es möglich se<strong>in</strong>, zu wissenschaftlich vertretbaren Alternativtheorien<br />

zu gelangen, die mit Aussagen der biblischen Offenbarung nicht im Konflikt s<strong>in</strong>d.<br />

E<strong>in</strong> anderer Weg zum Gegenangriff führt nicht über Alternativtheorien, sondern über direkte<br />

Falsifizierungsversuche oder Herausstellung der wissenschaftlichen Schwachstellen der<br />

anzugreifenden Theorie.<br />

9.6. Beispiel Evolutionskritik<br />

Wir wollen diese Vorgehensweise am besonders brisanten Beispiel der Evolutionskritik<br />

illustrieren. Ist der Konflikt zwischen Evolutionslehre <strong>und</strong> biblischer Schöpfungslehre echt?<br />

Er ist es sicher, wenn die Evolutionslehre, wie häufig geschehen, mit weltanschaulichem<br />

Atheismus komb<strong>in</strong>iert wird, also e<strong>in</strong>e "atheistische Evolution" vertreten wird. Sie führt zu<br />

dem als Zufallsprodukt entstandenen "Zigeuner am Rande des Weltalls" (Monod), den<br />

niemand gewollt, geplant, geschaffen oder mit e<strong>in</strong>em S<strong>in</strong>n versehen hat <strong>und</strong> der auch selbst<br />

ke<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>den kann.<br />

9.6.1. Evolution als Schöpfungsmethode Gottes?<br />

Fairerweise muß man aber zugeben, daß Evolution nicht von vornhere<strong>in</strong> <strong>und</strong> notwendig mit<br />

Atheismus verb<strong>und</strong>en se<strong>in</strong> muß. Deswegen s<strong>in</strong>d auch Christen <strong>in</strong> der Frage, ob der Konflikt<br />

echt sei, geteilter Me<strong>in</strong>ung. E<strong>in</strong>ige von ihnen fragen, ob es nicht auch e<strong>in</strong>e "theistiche<br />

Evolution" geben könne, also der biblisch bezeugte Schöpfer "durch Evolution" geschaffen<br />

habe: sozusagen Evolution als Schöpfungsmethode Gottes. In e<strong>in</strong>em Prospekt "Evolution -<br />

Schöpfungsmethode Gottes?" nimmt die Studiengeme<strong>in</strong>schaft "Wort <strong>und</strong> Wissen" wie folgt<br />

dazu Stellung.<br />

Weil die Evolutionslehre Gottes Existenz nicht notwendigerweise <strong>in</strong> Frage stellt, halten viele Christen die<br />

biblische Schöpfungslehre <strong>und</strong> die biblische Heilsgeschichte für vere<strong>in</strong>bar mit der Evolutionsanschauung.<br />

Anhand der biblischen Lehre von Sünde, Tod <strong>und</strong> Erlösung kann jedoch gezeigt werden, daß wesentliche<br />

biblische Inhalte bei konsequenter Akzeptanz der Evolutionslehre nicht aufrecherhalten werden können.<br />

Dies wird im E<strong>in</strong>zelnen an folgenden Punkten gezeigt.


72<br />

1. Evolution - "Schöpfungsmethode Gottes" ?<br />

Welcher Gott stünde h<strong>in</strong>ter dem postulierten Evolutionsgeschehen? Wäre die stammesgeschichtliche Evolution<br />

die Schöpfungsmethode Gottes, hieße das beispielsweise, daß der Schöpfer auf der frühen Erde e<strong>in</strong>e 'Ursuppe'<br />

H<strong>und</strong>erte von Millionen Jahren existieren ließ, um e<strong>in</strong> erstes Bakterium zu erschaffen, oder daß er e<strong>in</strong>en<br />

erbarmungslosen Konkurrenzkampf ums Überleben als Triebfeder benutzte, um affenähnliche Wesen <strong>in</strong><br />

Menschen zu transformieren.... Biblische Charakterisierungen des Schöpfungshandelns Gottes betonen dagegen<br />

Gottes Weisheit, E<strong>in</strong>sicht, Kraft <strong>und</strong> Größe <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em schöpferischen Wirken (Spr 3, 19; Jer 10, 12; Jer 27, 5;<br />

Röm 1, 19f. u.a.). Selektion - als Schöpfungsmethode gedacht - könnte mit diesen Begriffen nicht umschrieben<br />

werden. Somit wird deutlich, daß Selektion als Mittel der Schöpfung im biblischen S<strong>in</strong>ne höchst fragwürdig ist.<br />

2. Sehr gute Schöpfung? Die Bibel sagt, daß die Schöpfung vom Schöpfer selbst als sehr<br />

gut beurteilt wurde.<br />

Wenn die Evolutionslehre wahr wäre, hätte Gott z.B. Tausende von Parasiten von vornhere<strong>in</strong> gewollt, ebenso die<br />

auf Fressen <strong>und</strong> Gefressenwerden angelegten ökologischen Zusammenhänge.....Der heute zu beobachtende<br />

Dase<strong>in</strong>skampf zwischen den Organismen ('Fressen <strong>und</strong> Gefressenwerden') ist Kennzeichen e<strong>in</strong>er von Gott<br />

abgefallenen Schöpfung. Im Schöpfungsmodell wird von e<strong>in</strong>er ursprünglich anderen Ökologie ausgegangen<br />

(Genesis 1, 29f.).<br />

3. Leben durch Sterben?<br />

Ohne den Tod wäre Evolution nicht möglich....Der Tod als notwendige Voraussetzung zum Hervorbr<strong>in</strong>gen des<br />

Lebens! Nichts könnte weiter von der biblischen Sicht des Todes entfernt se<strong>in</strong> (Röm 6, 23; 1. Kor 15, 26). Der<br />

Tod ist der Fe<strong>in</strong>d des Lebens, der von Jesus am Kreuz <strong>und</strong> durch se<strong>in</strong>e Auferstehung besiegt wurde, <strong>und</strong> nicht<br />

e<strong>in</strong> lebensspendender Faktor. Hier liegt e<strong>in</strong> zentraler Gr<strong>und</strong>widerspruch zwischen theistisch-evolutionistischen<br />

Vorstellungen <strong>und</strong> Aussagen der Bibel. Nach biblischem Zeugnis s<strong>in</strong>d der geistliche sowie der leibliche Tod e<strong>in</strong>e<br />

Folge der Sünde (Röm 5, 12ff) <strong>und</strong> ke<strong>in</strong>esfalls e<strong>in</strong> Schöpfungsmittel......Auch e<strong>in</strong>e theistisch geprägte<br />

Evolutionsvorstellung vom Tod ist also das genaue Gegenteil zur biblischen Lehre.<br />

4. Heilsgeschichte gegen Evolutionsgeschichte.<br />

Die Vorstellung, der Mensch habe sich langsam aus dem Tierreich empor entwickelt, ist mit dem Zeugnis des<br />

historischen Sündenfalls unvere<strong>in</strong>bar. Wor<strong>in</strong> sollte der Sündenfall bestanden haben? Alles, was der Mensch <strong>und</strong><br />

se<strong>in</strong>e angenommenen Vorfahren getan haben, war gut <strong>und</strong> notwendig für die Höherentwicklung. Sünde <strong>und</strong><br />

Schuld im biblischen S<strong>in</strong>ne kann es im Evolutionsdenken nicht geben. Damit könnte der Mensch aber auch nicht<br />

für se<strong>in</strong>e Sünde zur Rechenschaft gezogen werden. Die Erlösung durch das Blut Jesu wird dadurch unnötig, ja<br />

geradezu s<strong>in</strong>nlos. Das zentrale Thema der Bibel, Gottes Heilsgeschichte mit den Menschen, g<strong>in</strong>ge an der<br />

Wirklichkeit vorbei.<br />

Nach dieser sorgfältigen Prüfung kann also konstatiert werden, daß der Konflikt echt ist.<br />

9.6.2. Die wichtigsten Argumente gegen Makroevolution<br />

Damit kämen wir zum Gegenangriff. Wir haben <strong>in</strong> diesem Zusammenhang von der<br />

Möglichkeit von Alternativtheorien gesprochen. Über Alternativen zur Evolution wird jedoch<br />

gewöhnlich garnicht nachgedacht, obwohl die Schöpfungslehre viele Phänomene viel leichter<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>facher erklären kann, z.B. die Entstehung extrem komplexer Informationsstrukturen<br />

durch e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>telligenten Schöpfer. In e<strong>in</strong>em Prospekt "Die wichtigsten Argumente gegen<br />

Makroevolution" nimmt die Studiengeme<strong>in</strong>schaft "Wort <strong>und</strong> Wissen" wie folgt dazu Stellung.<br />

In den Schulbüchern <strong>und</strong> den universitären Lehrbüchern sowie <strong>in</strong> den Medien wird Makroevolution - von<br />

wenigen Ausnahmen abgesehen - als bewiesene Tatsache präsentiert. Zweifellos gibt es zahlreiche Bef<strong>und</strong>e, die<br />

unter der Voraussetzung von e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Evolution der Lebewesen <strong>in</strong>terpretiert werden können. Die<br />

sogenannten 'Evolutionsbeweise' laufen jedoch meist auf e<strong>in</strong>seitige Deutungen wissenschaftlicher Ergebnisse<br />

h<strong>in</strong>aus, d.h. es wird gewöhnlich garnicht über Alternativen nachgedacht. Beispielsweise werden die


73<br />

Ähnlichkeiten der Lebewesen - z.B. zwischen Menschen <strong>und</strong> Affen - unkritisch als Indizien für deren<br />

geme<strong>in</strong>same Abstammung ge<strong>werte</strong>t. Ähnlichkeiten lassen sich aber ebensogut auf denselben Urheber<br />

zurückführen - also durch Schöpfung erklären.<br />

Ferner werden folgende Schwachstellen der Evolutionslehre diskutiert.<br />

1. Die Entstehung des Lebens ist nicht direkt erforschbar.<br />

Die Entstehung <strong>und</strong> Geschichte des Lebens kann nicht durch Beobachtung <strong>und</strong> Experiment direkt erforscht<br />

werden. Niemand war dabei, als das Leben entstand oder als der Mensch zum ersten Mal auftrat, gleichgültig<br />

wie die Entstehung abgelaufen ist. Die Geschichte des Lebens kann nicht 'nachgemacht' werden; sie ist<br />

e<strong>in</strong>malige Vergangenheit. Daher kann e<strong>in</strong> naturwissenschaftlicher Beweis dafür, daß es e<strong>in</strong>e Makroevolution<br />

gab, pr<strong>in</strong>zipiell nicht erbracht werden. Aus demselben Gr<strong>und</strong> ist auch Schöpfung nicht naturwissenschaftlich<br />

beweisbar oder widerlegbar.<br />

In letzter Konsequenz heißt das, daß Evolutionslehre <strong>und</strong> Schöpfungslehre beide nicht<br />

falsifizierbar s<strong>in</strong>d, sondern weltanschauliche Bekenntnisse darstellen. Damit entfällt aber auch<br />

die Möglichkeit, die Evolution als wissenschaftlich überlegen zu qualifizieren.<br />

2. Die Entstehung des Lebens ist ungeklärt.<br />

Die Entstehung von Leben aus leblosen Stoffen (z.B. <strong>in</strong> hypothetischen Ursuppen auf e<strong>in</strong>er gedachten frühen<br />

Erde) ist ungeklärt ....Schließlich müßte auf dem Weg zum Leben neben vielen anderen Voraussetzungen auch<br />

der genetische Code entstehen. Wieder ist unbekannt, wie e<strong>in</strong> Code, also e<strong>in</strong>e Zuordnungsvorschrift für die<br />

Übersetzung der DNS-Abfolge <strong>in</strong> Prote<strong>in</strong>e, von alle<strong>in</strong>e entstanden se<strong>in</strong> könnte.<br />

An dieser Stelle wäre auch auf das physikalische Entropiegesetz h<strong>in</strong>zuweisen, welches besagt,<br />

daß Ordnung von alle<strong>in</strong> zerfällt, aber nicht entsteht. Evolution ist <strong>in</strong> ernstem Konflikt mit dem<br />

Entropiegesetz, der fast e<strong>in</strong>er Falsifizierung gleichkommt. Nach dem Biochemiker Wilder-<br />

Smith hat sich aus diesem Problem noch ke<strong>in</strong> Biologe herausreden können.<br />

3. Die Entstehung neuer Konstruktionen ist ungeklärt.<br />

Die bekannten Evolurionsmechanismen Mutation (sprunghafte Änderungen des Erbguts), Selektion (Auslese)<br />

<strong>und</strong> andere Faktoren reichen nicht aus, um die Entstehung neuer Konstruktionen ( = Makroevolution ....) zu<br />

erklären.....Es ist ungeklärt, wie die bekannten kle<strong>in</strong>schrittigen Veränderungen die notwendige gleichzeitige<br />

Entstehung der erforderlichen Bauteile ermöglichen könnten. Damit ist die zentrale Frage der<br />

Ursachenforschung für evolutionäre Veränderungen unbeantwortet. Umgekehrt können komplexe<br />

Konstruktionen als 'Design-Signale' <strong>in</strong>terpretiert werden, d.h. als deutliche H<strong>in</strong>weise auf e<strong>in</strong>en Urheber....<br />

Wichtig ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang: Die üblichen Lehrbuchbeispiele für das beobachtbare Wirken von<br />

Evolutionsprozessen (durch Mutation, Selektion usw.) s<strong>in</strong>d ausschließlich Beispiele für Mikroevolution (z.B.<br />

Darw<strong>in</strong>f<strong>in</strong>ken, dunkle Form des Birkenspanners, Giftresistenzen, Züchtung usw.).<br />

4. Das systematische Fehlen von Übergangsformen <strong>in</strong> der Paläontologie.<br />

Nachdem <strong>in</strong>zwischen ca. 250.000 Arten fossil (als Verste<strong>in</strong>erungen, Abdrücke usw.) bekannt s<strong>in</strong>d, besteht wie<br />

schon zu Darw<strong>in</strong>s Zeiten das Problem fehlender passender B<strong>in</strong>deglieder. Größere Gruppen von Lebewesen<br />

kommen von Beg<strong>in</strong>n ihres Auftretens <strong>in</strong> der Erdgeschichte plötzlich <strong>in</strong> zahlreichen unterschiedlichsten Formen<br />

vor, die nur ausnahmsweise durch e<strong>in</strong>igermaßen passende Übergänge überbrückt s<strong>in</strong>d.<br />

5. Baukastensystem.<br />

Viele Merkmale der Lebewesen s<strong>in</strong>d so unsystematisch verteilt, daß es schwierig ist, Stammbäume zu<br />

konstruieren <strong>und</strong> dies meist nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiger Weise möglich ist. Häufig ersche<strong>in</strong>en die Merkmale wie nach<br />

e<strong>in</strong>em Baukastensystem <strong>in</strong> verschiedenen Gr<strong>und</strong>typen zusammengesetzt ....E<strong>in</strong> Baukastensystem ist im Rahmen<br />

e<strong>in</strong>es Schöpfungsmodells leicht <strong>in</strong>terpretierbar, da e<strong>in</strong> Schöpfer frei ist, Merkmale beliebig zu komb<strong>in</strong>ieren.


74<br />

Nimmt man alle diese Argumente zusammen, so ist es sehr wohl möglich, mit<br />

wissenschaftlicher Integrität der Schöpfungslehre den Vorzug zu geben. Wichtig ist, daß die<br />

vorstehenden Argumente von Fachleuten (<strong>in</strong> diesem Fall Biologen) vertreten werden, die sich<br />

zum <strong>christliche</strong>n Glauben bekennen. Dies geschieht noch sehr viel ausführlicher <strong>in</strong> dem<br />

evolutionskritischen Lehrbuch von Junker/Scherer (2001), das an Schüler, Studenten, Lehrer<br />

<strong>und</strong> Interessierte gerichtet ist.<br />

9.7. Rationalität <strong>und</strong> Erbe der Aufklärung gefährdet?<br />

Wir haben uns <strong>in</strong> diesem Kapitel mit den transzendenten Beziehungen des Menschen<br />

beschätigt <strong>und</strong> dabei den auf der <strong>christliche</strong>n Offenbarung beruhenden Zugang zur<br />

Transzendenz <strong>in</strong> den Mittelpunkt gestellt. Nur am Rande haben wir erwähnt, daß es auch<br />

andere Zugänge zur Transzendenz gibt wie im Okkultismus, der durchaus reale tranzendente<br />

Erfahrungen vermittelt, die aber nicht zu Gott führen, sondern unter dunkle <strong>und</strong> belastende<br />

E<strong>in</strong>flüsse <strong>und</strong> Abhängigkeiten. Wir haben erwähnt, daß dieser Zugang dem Christen streng<br />

untersagt ist. Se<strong>in</strong> Zugang zur transzendenten Welt läuft nur über Jesus Christus. Weiter gibt<br />

es - z.B. <strong>in</strong> vielen heidnischen Religionen - eher spekulative transzendente Vorstellungen,<br />

denen wenig Realität zukommt, Utopien, die aber trotzdem e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluß haben auf den, der<br />

an ihnen festhält.<br />

Allen Zugängen zur Transzendenz ist geme<strong>in</strong>sam, daß sie sich auf das Verhalten des<br />

Menschen im Diesseits auswirken. Der islamische F<strong>und</strong>amentalist, der sich <strong>und</strong> andere <strong>in</strong> die<br />

Luft sprengt, ist durch transzendente Vorstellungen von e<strong>in</strong>em Märtyrerparadies motiviert. In<br />

Indien werden bis <strong>in</strong> die Gegenwart beim Brückenbau der Flußgött<strong>in</strong> K<strong>in</strong>der geopfert,<br />

ansche<strong>in</strong>end um sie gnädig <strong>und</strong> glückbr<strong>in</strong>gend zu stimmen. Schwerste<br />

Menschenrechtsverletzungen werden aus transzendenten Vorstellungen gerechtfertigt.<br />

Auch aktuelle Strömungen <strong>in</strong> westlichen Ländern wie Esoterik/New Age <strong>und</strong> Postmoderne<br />

ergehen sich <strong>in</strong> transzendenten Spekulationen, die sich mit nüchterner wissenschaftlicher<br />

Aktivität vermischen können. Auf e<strong>in</strong>er Tagung wurde darauf h<strong>in</strong>gewiesen, es komme heute<br />

vor, daß e<strong>in</strong> kompetenter Kosmologe sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise <strong>in</strong>s Spekulative verliere, die sich "<strong>in</strong><br />

nichts mehr von Esoterik unterscheide". Es zeichnet sich e<strong>in</strong> Konflikt mit Vernunft <strong>und</strong><br />

Realität ab.<br />

Angesichts solcher Entwicklungen stellt sich die Frage, ob Rationaltität <strong>und</strong> das Erbe der<br />

Aufklärung, dem das Abendland viel zu verdanken hat, durch aktuelle irrationale Strömungen<br />

gefährdet sei. Derartige Sorgen führten zur Veranstaltung e<strong>in</strong>es Symposiums über die<br />

"Zukunft der Aufklärung", das 1999 von der Beckurts - Stiftung durchgeführt wurde<br />

(P<strong>in</strong>kau/Stahlberg 2000). Das Anliegen der Veranstalter wurde von P<strong>in</strong>kau wie folgt<br />

umrissen:<br />

An der Schwelle zum nächsten Jahrtausend stellt sich die Frage, welchen Werten <strong>und</strong> E<strong>in</strong>flüssen die europäische<br />

Kultur <strong>in</strong> Zukunft verpflichtet se<strong>in</strong> wird. Droht die Rationalität, die sich im Zuge der Aufklärung <strong>in</strong> Europa<br />

durchsetzte <strong>und</strong> mit der Entwicklung von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik untrennbar verb<strong>und</strong>en ist, ihre<br />

Verb<strong>in</strong>dlichkeit zu verlieren? Zahlreiche <strong>gesellschaft</strong>liche Entwicklungen, die sich mit den Schlagworten<br />

"F<strong>und</strong>amentalismus", "New-Age" <strong>und</strong> "Esoterik" bezeichnen lassen, deuten darauf h<strong>in</strong>. Es gilt daher die<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der vernunftbegründeten wissenschaftlich-technischen Zivilisation Europas zu def<strong>in</strong>ieren <strong>und</strong> ihre<br />

gegenwärtige Verfassung aufzuzeigen. Was s<strong>in</strong>d Voraussetzungen für den Erhalt rationaler<br />

Entscheidungsstrukturen <strong>in</strong> modernen Gesellschaften <strong>und</strong> welchen E<strong>in</strong>fluß nehmen Politik, Wirtschaft <strong>und</strong> die<br />

öffentliche Me<strong>in</strong>ung auf diesen Prozess? (P<strong>in</strong>kau/Stahlberg 2000: Vorwort).


75<br />

Wie s<strong>in</strong>d diese Befürchtungen sowie das Anliegen der Erhaltung des Erbes der Aufklärung<br />

aus <strong>christliche</strong>r Sicht zu beurteilen? Daß die genannten, als bedrohlich empf<strong>und</strong>enen<br />

Strömungen vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt strikt abzulehnen s<strong>in</strong>d, wurde schon ausgeführt.<br />

Von <strong>christliche</strong>r Seite ist daher ke<strong>in</strong>e Unterstützung dieser Bedrohungen zu befürchten.<br />

Zurückzuweisen ist allerd<strong>in</strong>gs die Behauptung, daß auch von <strong>christliche</strong>m F<strong>und</strong>amentalismus<br />

e<strong>in</strong>e Bedrohung von Rationalität <strong>und</strong> Wissenschaftlichkeit ausgehe. Unter <strong>christliche</strong>m<br />

F<strong>und</strong>amentalismus wird beispielsweise e<strong>in</strong> wörtliches Verständnis des biblischen<br />

Schöpfungsberichts verstanden. Wie mit derartigen Fragen durchaus unter Wahrung<br />

wissenschaftlicher Sauberkeit umgegangen werden kann, wurde im Abschnitt über<br />

Evolutionskritik gezeigt.<br />

Kommen wir zum Anliegen der Erhaltung des Erbes der Aufklärung. Aus <strong>christliche</strong>r Sicht ist<br />

das Erbe der Aufklärung <strong>in</strong> vieler, aber nicht <strong>in</strong> jeder H<strong>in</strong>sicht als positiv zu beurteilen. Wir<br />

können dies an drei Punkten festmachen.<br />

1. Rationalität, die "mit der Entwicklung von Wissenschaft <strong>und</strong> Technik untrennbar<br />

verb<strong>und</strong>en ist". Rationalität hat aus <strong>christliche</strong>r Sicht <strong>in</strong> Wissenschaft <strong>und</strong> Technik ihren<br />

legitimen Platz <strong>und</strong> kann dort voll bejaht werden. Bekämpfung rationaler wissenschaftlicher<br />

Ergebnisse durch die mittelalterliche Kirche (z.B. <strong>in</strong> der Astronomie, soweit sie wirklich<br />

stattgef<strong>und</strong>en hat <strong>und</strong> nicht nur Legende ist) ist als Verirrung abzulehnen.<br />

2. Menschenrechte. Menschenrechte, die zum Teil gegen erbitterten Widerstand der Kirchen<br />

von der Aufklärung erkämpft wurden, s<strong>in</strong>d letzten Endes auf <strong>christliche</strong>m Boden erwachsen,<br />

auch wenn im Mittelalter Kirchenführer schwere Menschenrechtsverletzungen begangen <strong>und</strong><br />

sich damit <strong>in</strong> scharfen Gegensatz zum Neuen Testament gesetzt haben. Die von der<br />

Aufklärung erkämpften Menschenrechte bedeuten daher letztlich e<strong>in</strong>e Rückkehr zu<br />

<strong>christliche</strong>n Werten.<br />

3. Überzogene Vernunftansprüche. Abzulehnen s<strong>in</strong>d überzogene Vernunftansprüche. Dazu<br />

gehört die im Gedankengut der Aufklärung häufig anzutreffende Leugnung alles dessen, was<br />

rational, <strong>in</strong>sbesondere naturwissenschaftlich nicht erfaßbar ist, kurz die Leugnung jeglicher<br />

Transzendenz. Wie früher schon ausgeführt, ist dies ke<strong>in</strong>e wissenschaftliche, sondern e<strong>in</strong>e<br />

weltanschauliche Aussage, obwohl sie häufig als wissenschaftlich aufgeklärt dargestellt wird.<br />

Dazu gehört weiter die E<strong>in</strong>setzung der Vernunft als alle<strong>in</strong>ige Quelle der Ethik. Ethik kann<br />

nicht ausschließlich durch rationalen Diskurs begründet werden, sondern bedarf göttlicher<br />

Offenbarung. Doch auch ohne <strong>christliche</strong>n Bezug äußerte sich der angesehene mathematische<br />

Biologe Rappoport bereits vor Jahrzehnten etwa wie folgt:<br />

"Some commitments must be made on non-rational gro<strong>und</strong>s. It is wrong to kill one baby even if this would yield<br />

an absolutely effective cancer drug for 1000 patients. It is wrong although no k<strong>in</strong>d of rational economic calculus<br />

could ever justify this position".<br />

Aus <strong>christliche</strong>r Sicht wäre h<strong>in</strong>zuzufügen: hier hilft ke<strong>in</strong> rationaler Diskurs, hier hilft nur die<br />

Akzeptanz <strong>und</strong> Observanz des göttlichen Gebotes "Du sollst nicht morden", welches uns<br />

Menschen durch Offenbarung mitgeteilt ist.


76<br />

9.8. Professors who believe<br />

Wir schließen das Kapitel mit e<strong>in</strong>igen persönlichen Äußerungen <strong>und</strong> Bekenntnissen<br />

amerikanischer Professoren verschiedenster Fachrichtungen <strong>und</strong> verschiedenster<br />

Universitäten, die sich zum <strong>christliche</strong>n Glauben bekennen. Sie s<strong>in</strong>d entnommen aus dem<br />

Band "Professors Who Believe" von Anderson (1998). Sie mögen zeigen <strong>und</strong> Mut machen,<br />

daß es sehr wohl möglich ist, <strong>christliche</strong>n Glauben im S<strong>in</strong>n der biblischen Offenbarung <strong>und</strong><br />

wissenschaftliche Integrität zu vere<strong>in</strong>en.<br />

1. Reiff, P.H., Space Physics & Astronomy, Rice University:<br />

Science cannot prove that God exists. If it could, then only scientists could know him. Jesus came to the children<br />

and the poor, scorn<strong>in</strong>g the haughty <strong>in</strong>tellectuals of his day. He came to show us what God liv<strong>in</strong>g <strong>in</strong> you really<br />

looks like. He taught with simple parables that all can <strong>und</strong>erstand. He died a Lamb for our s<strong>in</strong>s and forever<br />

opened the throne of God to humank<strong>in</strong>d. My faith is based on God's word and on the eyewitness accounts of<br />

men and women who were will<strong>in</strong>g to die for their faith, not on cleverly crafted fables (2 Peter 1:16) (S. 63).<br />

2. Anderson, P.M., Biochemistry & Molecular Biology, University of M<strong>in</strong>nesota,<br />

Duluth:<br />

As pa<strong>in</strong>ful as Jesus' death was, it was God's great plan from the beg<strong>in</strong>n<strong>in</strong>g for restor<strong>in</strong>g the broken relationship<br />

between h<strong>in</strong>self and us. Jesus came to live the perfect life we cannot live, to suffer the consequences of our s<strong>in</strong>s.<br />

He did not demand justice for himself - for our sake. This is the essence of love - the love of God. He never<br />

wavered from the path of obedience - the path of love. But Jesus also overcame death and returned to his place<br />

with God and offers everyone, today, the gift of eternal life and a restored relationship with God (S. 24).<br />

3. Ashby, E.C.G., Chemistry & Biochemistry, Georgia Institute of Technology:<br />

In 1988 a rheumatologist diagnosed me with polymiocitis and said I had approximately three years to live. I<br />

learned that polymiocitis is a degenerative muscula disease for which there is no cure. I prayed and asked God to<br />

heal me, but I was also ready to go home to him if that was his will. The next S<strong>und</strong>ay at church, the pastor<br />

picked up the bread at Communion and said, "This is the body of Christ that was broken for our s<strong>in</strong>s and our<br />

diseases". When the pastor said the word diseases, I was <strong>in</strong>stantly healed. The next morn<strong>in</strong>g I jumped out of bed,<br />

did a vigorous dance and proclaimed the wonders of God. Further blood tests were normal. This was the second<br />

time God healed me of a term<strong>in</strong>al illness (S. 52).<br />

4. Suppe, J., Geosciences, Pr<strong>in</strong>ceton University:<br />

Prayer is an <strong>in</strong>terest<strong>in</strong>g phenomenon. It's were the rubber hits the road. Either I am talk<strong>in</strong>g with God, which is<br />

remarkable, or I am talk<strong>in</strong>g to myself, which is embarass<strong>in</strong>g. S<strong>in</strong>ce that first prayer at Pr<strong>in</strong>ceton Chapel I have<br />

had many experiences with prayer and with God. This history of <strong>in</strong>teraction over a number of years has<br />

confirmed to me and cont<strong>in</strong>ues to confirm the reality of God who acts, communicates and establishes personal<br />

relationships with and among us (S. 71).<br />

5. Eden, J.G., Electrical & Computer Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g, University of Ill<strong>in</strong>ois, Urbana:<br />

My own experience <strong>in</strong> science has conv<strong>in</strong>ced me that a greater reality does <strong>in</strong>deed lie beyond the physical<br />

existence with which each of us is familiar....The overwhelm<strong>in</strong>g complexity and beauty of the physical processes<br />

and biological organisms that have been studied thus far - to say noth<strong>in</strong>g of worlds yet to be explored - provide a<br />

glimpse of a be<strong>in</strong>g whose <strong>in</strong>tellect and creativity dwarf our own. The apostle Paul stresses this connection when<br />

he states, "From the creation of the world (God's) <strong>in</strong>visible qualities, such as his eternal power and div<strong>in</strong>e nature,<br />

have been made visible and have been <strong>und</strong>erdstood through his handiwork" (Romans 1:20 New Berkeley<br />

Version) .... The bible speaks of "unseen realities" that exist as surely as the reality we f<strong>in</strong>d ourselves <strong>in</strong> at the<br />

moment. The fact that we are unable to sense it directly by physical means makes it no less real. Rather, such a<br />

lack of awareness is more a reflection on our own limitations (S. 77-78).


77<br />

I am persuaded by two truths. First, the physical world - which displays a level of complexity and beauty that we<br />

can only beg<strong>in</strong> to fathom (much less duplicate) - bears the unmistakable signature of a superior <strong>in</strong>tellect. Second,<br />

Christianity provides a rational explanation for life on this planet as it really is, not as we would wish it to be. In<br />

light of these truths, I accept the testimony of the apostle Peter, who states emphatically that "when we made<br />

known to you the power and com<strong>in</strong>g of our Lord Jesus Christ, we were not follow<strong>in</strong>g cleverly devised fables.<br />

On the contrary, we were eye witnesses of His majesty" (2 Peter 1:16 New Berkeley Version) (S. 79).<br />

6. Walkup, J.F., Electrical Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g, Texas Tech University:<br />

A majority of faculty and students reject the existence of absolute truth. This spirit of moral relativism is<br />

<strong>und</strong>erm<strong>in</strong><strong>in</strong>g society on every front. As a Christian, I stand firmly aga<strong>in</strong>st that relativism and for the eternal<br />

truths fo<strong>und</strong> <strong>in</strong> God's word. Students yearn for mean<strong>in</strong>g and significance <strong>in</strong> their lives and, like all people, need<br />

to hear that this can be fo<strong>und</strong> <strong>in</strong> the truths Jesus Christ articulated. Many do not know that Jesus is "the way, and<br />

the truth, and the life" (John 14:6 NASB), the only means of reconciliation between God and humanity (Romans<br />

5:11; 1 Timothy 2:5) (S. 85).<br />

7. Keener, J.P., Mathematics, University of Utah:<br />

I f<strong>in</strong>d it impossible to believe that there is no creator. In all of my experience, <strong>in</strong> all of science, I have never<br />

heard of an effect that had no cause. I have never seen a design that had no designer, a law that had no lawgiver,<br />

an order that had not been ordered, <strong>in</strong>formation that had no <strong>in</strong>former. Chance produces noth<strong>in</strong>g. Say<strong>in</strong>g that<br />

someth<strong>in</strong>g happened by chance merely begs the question of the causes that produced the effect. "It just<br />

happened" is simply not an acceptable answer. It is an open admission of ignorance (S. 91).<br />

8. Elz<strong>in</strong>ga, K.G., Economics, University of Virg<strong>in</strong>ia:<br />

My mother died when I was young and my father proceeded to make a mess of his life. While I was <strong>in</strong> graduate<br />

school, adher<strong>in</strong>g to the S<strong>und</strong>ay worship practice my mother had <strong>in</strong>stilled <strong>in</strong> me, I fo<strong>und</strong> two churches <strong>in</strong> which<br />

people talked about a personal relationship with Jesus Christ. The expression a personal relationship with Christ<br />

caught my attention.... (S. 106).<br />

At a church missions conference one Saturday even<strong>in</strong>g, I asked Jesus Christ to come <strong>in</strong>to my life so that I too<br />

might have a personal relationship with him. I reckon I was born aga<strong>in</strong> this even<strong>in</strong>g. I became a follower of Jesus<br />

of Nazareth. Years later, as I look back on circumstances that would have me attend<strong>in</strong>g a missions conference on<br />

a Saturday nicht, I have to reckon as well that the Holy Spirit had me <strong>in</strong> his net of grace (S. 107).<br />

9. Anderson, R.D., Education, University of Colorado:<br />

God is search<strong>in</strong>g for us. He <strong>in</strong>serted his Messiah <strong>in</strong>to human history as a part of his reach<strong>in</strong>g out to us and thus<br />

dramatically changed the nature of the search. The historical Jesus was not simply another human searcher, even<br />

though our secular culture confidently asserts he was. He is a key part of God's search for us. As a result, we can<br />

pray with simplicity and confidence, as people have prayed down through the centuries, "Lord Jesus Christ, Son<br />

of God, have mercy on me, a s<strong>in</strong>ner". This prayer succ<strong>in</strong>ctly captures what God has done, what we can expect<br />

from him and the posture we assume before him.... (S. 113).<br />

We have enormous value <strong>in</strong> God's eyes. We are not simply blobs of protoplasm, as so many <strong>in</strong> our scienceoriented<br />

culture proclaim. Although the human potential movement has some important <strong>in</strong>sights to offer, it has<br />

shallow fo<strong>und</strong>ations, is based on an <strong>in</strong>adequate conception of spirituality, and has substituted human personality<br />

for a relationship with the liv<strong>in</strong>g God. F<strong>und</strong>amentally, we have potential because we are "created <strong>in</strong> the image of<br />

God" and can be transformed as a result of a liv<strong>in</strong>g relationship with God (S. 117-118).


78<br />

TEIL IV:<br />

SYSTEMBREICH:<br />

HEMMFAKTOREN DER<br />

WIRTSCHAFTLICHEN UND<br />

GESELLSCHAFTLICHEN ENTWICKLUNG


79<br />

KAP 10: VON DER WIRTSCHAFTLICHEN WACHSTUMSTHEORIE<br />

ZUR HEMMTHEORIE: VIER HEMMFAKTOREN<br />

10.1. Mathematische Modelle des Wirtschaftswachstums<br />

Der mathematische Kern aller Wachstumsmodelle ist das Z<strong>in</strong>sesz<strong>in</strong>sgesetz, welches für e<strong>in</strong>e<br />

Größe y e<strong>in</strong>e zeitlich konstante Wachstumsrate k je Zeite<strong>in</strong>heit (etwa je Jahr) annimmt. Ist y<br />

der gegenwertige Wert der Wirtschaftsgröße, so bedeutet dies, daß im nächsten Zeitelement dt<br />

der folgende Betrag zuwächst:<br />

(1) dy = kydt<br />

Daraus ergibt sich die Differentialgleichung<br />

(2) dy/dt = ky<br />

Ihre Lösung lautet:<br />

(3) y = y o e kt<br />

wobei y o den Anfangswert von y im Zeitpunkt t = 0 bezeichnet. Unter der gemachten<br />

Annahme e<strong>in</strong>er konstanten Wachstumsrate k je Zeite<strong>in</strong>heit wächst also die <strong>wirtschaft</strong>liche<br />

Größe y exponentiell mit der Zeit.<br />

Exponentielles Wachstum von Wirtschaftsgrößen kann empirisch tatsächlich beobachtet<br />

werden, jedoch begreiflicherweise meist nur für begrenzte Zeitspannen, da sonst e<strong>in</strong><br />

Wachstum über alle Grenzen zustandekäme. Tatsächlich beobachten wir e<strong>in</strong>e Abflachung von<br />

Wachstumsprozessen, zu deren Beschreibung <strong>und</strong> Erklärung wir weiterentwickelte<br />

Wachstumsmodelle benötigen. Diese sollten sich natürlich an empirischen Beobachtungen<br />

orientieren.<br />

10.2. Empirischer Nachweis des logistischen Wachstums<br />

Empirische Daten zur Abflachung des Wirtschaftswachstums s<strong>in</strong>d bei Millendorfer (1984) zu<br />

f<strong>in</strong>den. . Für verschiedene europäische Länder stellt er das pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommen y (als<br />

Abszisse) sowie dessen prozentuale Wachstumsrate (dy/dt)/y (als Ord<strong>in</strong>ate) graphisch dar<br />

(Bild 1). Jeder Punkt dieser Graphik entspricht e<strong>in</strong>em bestimmten Land. Idealerweise sollten<br />

sich <strong>in</strong> jeder derartigen Graphik E<strong>in</strong>kommen <strong>und</strong> Wachstumsrate auf dasselbe Jahr beziehen.<br />

Wahrsche<strong>in</strong>lich um die Daten zu glätten, hat Millendorfer jedoch auf der Ord<strong>in</strong>ate<br />

durchschnittliche Wachstumsraten für längere Zeiträume <strong>und</strong> auf der Abszisse das pro-Kopf-<br />

E<strong>in</strong>kommen für e<strong>in</strong> bestimmtes (auf der Abszisse angemerktes) Jahr aufgetragen. Er kommt<br />

zu dem Schluß: "Die Gegenüberstellungen zu verschiedenen Zeitpunkten besitzen<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich immer dasselbe Ergebnis: e<strong>in</strong>e negativ geneigte Gerade, wobei e<strong>in</strong>zelne Länder<br />

manchmal aus dem Zusammenhang herausfallen". Mathematisch formuliert bedeutet dies,<br />

daß der Zusammenhang<br />

(4) (dy/dt)/y = a - by


80<br />

wobei die rechte Seite die negativ geneigte Gerade mit geeigneten Koeffizienten a <strong>und</strong> b<br />

beschreibt, oder<br />

(5) dy/dt = y(a - by)<br />

empirisch gesichert ist. Die letzte Gleichung ist aber nichts anderes als e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Form der<br />

"Bernoullischen Differentialgleichung", deren Lösung die logistische Funktion ist. Somit<br />

wäre die Eignung der logistischen Kurve zur Beschreibung realer Wachstumsprozesse<br />

empirisch nachgewiesen.<br />

Die Lösung der Bernoullischen Differentialgleichung lautet:<br />

(6) y = e at / (c + b/a [e at - 1])<br />

Dieser Verlauf führt zu e<strong>in</strong>em asymptotischen Wert y o = a/b, der nicht überschritten werden<br />

kann. Die Gleichung dieser Kurve legt also e<strong>in</strong> theoretisches Verständnis nahe, das von e<strong>in</strong>er<br />

nicht zu überschreitenden äußeren Obergrenze (Sättigungsgrenze) ausgeht. Das Wachstum<br />

wird exogen gebremst.<br />

10.3. Umdeutung des logistischen Wachstums: exogene Wachstumsgrenzen<br />

oder steuerbare Hemmfaktoren?<br />

Für die Abflachung des Wachstums gibt es nach Millendorfer noch ke<strong>in</strong>e theoretische<br />

Erklärung. Daher stellt er der herkömmlichen Wachstumstheorie e<strong>in</strong>en neuen Ansatz<br />

gegenüber, den er als Hemmtheorie bezeichnet. Diese geht bei der Erklärung der Abflachung<br />

des Wachstums nicht von e<strong>in</strong>er gegebenen äußeren Obergrenze, sondern von <strong>in</strong>neren<br />

Hemmungen aus, die zum Teil von der Wachstumsentwicklung selbst hervorgerufen werden.<br />

Er merkt dazu an: "Die Ersche<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> vielen komplexen Systemen, daß es negative Faktoren<br />

gibt, die - zum Teil mit der Entwicklung wachsend - die Entwicklung zunehmend beh<strong>in</strong>dern,<br />

wurde bisher <strong>in</strong> der Wirtschaftswissenschaft noch nicht explizit berücksichtigt".<br />

Um den Gedanken e<strong>in</strong>er Hemmtheorie weiter zu führen, knüpft Millendorfer an der der<br />

logistischen Kurve äquivalenten Differentialgleichung (5) an, um e<strong>in</strong> neues theoretisches<br />

Verständnis im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er Hemmtheorie zu entwickeln. Insbesondere <strong>in</strong>teressiert ihn der<br />

Ausdruck a - by für die Wachstumsrate. Er führt dazu aus: "Betrachten wir jedoch den<br />

Ausdruck a - by, können wir ihn so <strong>in</strong>terpretieren, daß mit Steigen des y der Ausdruck by<br />

wächst, der auf das Wachstum negativ wirkt.<br />

Der Mechanismus, der dah<strong>in</strong>ter steht, kann von Hemmfaktoren herrühren, die negativen<br />

E<strong>in</strong>fluß auf das Wachstum (dy/dt)/y haben <strong>und</strong> mit y wachsen. Es kann auch se<strong>in</strong>, daß diese<br />

Hemmfaktoren von y weitgehend unabhängig s<strong>in</strong>d; dies würde die Ausnahmen der Länder<br />

von der negativ geneigten Gerade erklären. In beiden Fällen ist es zweckmäßig, vorerst zu<br />

untersuchen, ob es irgendwelche <strong>gesellschaft</strong>liche Faktoren gibt, die mit dem Wachstum<br />

negativ zusammenhängen. Haben wir durch empirische Untersuchungen e<strong>in</strong>ige solcher<br />

Faktoren gef<strong>und</strong>en, können wir versuchen, durch e<strong>in</strong>e Komb<strong>in</strong>ation dieser Faktoren die<br />

Wachstumsraten genauer zu erklären". Es wäre also denkbar, daß der wachstumshemmende


81<br />

Ausdruck by durch verschiedene andere Variable ersetzt wird, die teils mit y korrelieren, teils<br />

von y unabhängig s<strong>in</strong>d.<br />

10.4. Empirischer Nachweis von Hemmfaktoren <strong>und</strong> ihres<br />

Erklärungsgehalts<br />

Die weiteren Forschungsarbeiten führten auf e<strong>in</strong>e Anzahl e<strong>in</strong>zelner Hemmfaktoren des<br />

<strong>wirtschaft</strong>lichen Wachstums, die <strong>in</strong> vier Hauptbereiche fallen:<br />

1. Wohlfahrtsstaat- <strong>und</strong> Anspruchs<strong>gesellschaft</strong><br />

2. Konzentration <strong>und</strong> zu große E<strong>in</strong>heiten<br />

3. Desublimation <strong>und</strong> Degeneration der Verhaltensweisen<br />

4. Nivellierung<br />

Für alle Bereiche wurden meßbare Größen gef<strong>und</strong>en oder entwickelt, die auf ihre Korrelation<br />

mit dem Wachstum untersucht werden konnten. Millendorfer : "Aus dem ersten Bereich s<strong>in</strong>d<br />

zum Beispiel die Steuern <strong>und</strong> der staatliche Konsum negativ mit den Wachstumsraten<br />

korreliert, aus dem zweiten die Zahl der Firmen e<strong>in</strong>es Landes, die zu den 2000 größten der<br />

Welt gehören, sowie andere Konzentrationsmaße, aus dem dritten Bereich vor allem e<strong>in</strong><br />

Promiskuitäts<strong>in</strong>dikator <strong>und</strong> aus dem vierten Bereich Nivellierungsmaße, die von der<br />

Lohnquote <strong>und</strong> vom GINI-Index bis zu Mann-Frau-Anpassungs<strong>in</strong>dikatoren reichen. Alle<br />

diese Variable s<strong>in</strong>d, wie gesagt, e<strong>in</strong>zeln negativ korreliert <strong>und</strong> ergeben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation<br />

sehr hohe Erklärungs<strong>werte</strong> für die Abnahme der Wachstumsraten". Die Mehrfachkorrelation<br />

ist mit e<strong>in</strong>em multiplen Korrelationskoeffizienten von > 0.99 bei e<strong>in</strong>er<br />

Fehlerwahrsche<strong>in</strong>lichkeit von < 0.01 außerordentlich hoch (Bild 2).<br />

Millendorfer kommentiert diese Ergebnisse wie folgt: "Die entwicklungshemmende Wirkung<br />

von drei der vier Bereiche wird im allgeme<strong>in</strong>en mehr <strong>und</strong> mehr erkannt. Man weiß<br />

zunehmend um die Grenzen des Wohlfahrtsstaates, die mögliche Ineffizienz großer E<strong>in</strong>heiten,<br />

die sich auch, wenn sie <strong>in</strong>effizient s<strong>in</strong>d, gegen den Selektionsdruck des Marktes halten<br />

können, die leistungshemmende Wirkung von Nivellierung usw. Was fehlt, s<strong>in</strong>d Details,<br />

welche die allgeme<strong>in</strong>en Aussagen etwa der schädlichen Wirkung zu großer staatlicher<br />

Aktivität differenziert verstehen lassen.......". Auf solche Details werden wir <strong>in</strong> den folgenden<br />

Kapiteln e<strong>in</strong>gehen.


83<br />

Bild 2. Erklärungswert der Hemmfaktoren.


84<br />

Bild 3. Hemmfaktoren <strong>und</strong> Wachstumsraten<br />

verschiedener Volks<strong>wirtschaft</strong>en


85<br />

KAP 11: HEMMFAKTOR STAAT<br />

Wir leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit, <strong>in</strong> der der Staat auch <strong>in</strong> den als "frei" geltenden Ländern stetig stärker<br />

geworden ist. Damit stellt sich die Frage der Aufgabenteilung zwischen dem Staat <strong>und</strong> den<br />

übrigen Institutionen der Gesellschaft <strong>in</strong> neuer Dr<strong>in</strong>glichkeit.<br />

11.1. Eigenverantwortung oder Vater Staat? Schlanker oder starker Staat?<br />

Daß die Stärke des Staates (gemessen etwa durch die Staatsausgaben) e<strong>in</strong> Hemmfaktor des<br />

volks<strong>wirtschaft</strong>lichen Wachstums sei, läßt sich über die von Millendorfer festgestellte<br />

negative Korrelation h<strong>in</strong>aus auch durch volks<strong>wirtschaft</strong>liche Argumente begründen:<br />

1. Durch das Steueraufkommen entzieht der Staat der Wirtschaft Mittel, die er nicht <strong>in</strong><br />

gleichem Maße wachstumsfördernd verwendet, wie es der Fall wäre, wenn diese Mittel bei<br />

den Unternehmen <strong>und</strong> den Privatpersonen verblieben (letztere fördern Wachstum durch<br />

Sparen).<br />

2. Durch enorme Schuldenaufnahme entzieht der Staat auch dem Kapitalmarkt Mittel, die<br />

sonst überwiegend für wachstumsfördernde Investitionen verwendet würden.<br />

3. Der Staat schafft ökonomisch <strong>in</strong>effiziente Gebilde, die z.B. Dienstleistungen erheblich<br />

teurer bereitstellen als private Anbieter es tun würden. Dadurch fließen mehr Mittel <strong>in</strong> den<br />

Konsum, die sonst m<strong>in</strong>destens zum Teil für wachstumsfördernde Investitionen zur Verfügung<br />

stünden.<br />

4. Als Umverteilungsstaat erzeugt der Staat Umverteilungsverluste, die ebenfalls nicht mehr<br />

wachstumsfördernd zur Verfügung stehen.<br />

Aus der Sicht des Wirtschaftswachstums gibt es also genug Argumente für e<strong>in</strong>en schlanken,<br />

<strong>wirtschaft</strong>lich relativ schwachen <strong>und</strong> sich aus der Wirtschaft weitgehend heraushaltenden<br />

Staat, der sich im Extremfall als "Nachtwächterstaat" auf se<strong>in</strong>e hoheitlichen Aufgaben<br />

beschränkt. Das Argument, daß es nun e<strong>in</strong>mal staatliche Aufgaben gebe, die se<strong>in</strong> müssen,<br />

auch wenn sie Wirtschaftswachstum kosten, werden wir später wieder aufgreifen.<br />

Es gibt aber noch e<strong>in</strong> weiteres, besonders auch vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt wichtiges<br />

Argument gegen e<strong>in</strong>en starken Staat. Der starke Staat ist ja deswegen stark, weil er immer<br />

mehr Aufgaben an sich zieht, die vorher von Bürgern <strong>und</strong> kle<strong>in</strong>eren Organisationen <strong>in</strong><br />

dezentraler Eigenverantwortung erledigt wurden. Der starke Staat tendiert immer zum<br />

Zentralismus - auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Demokratie. Zentralismus aber bedeutet immer Entmündigung<br />

<strong>und</strong> Verlust an eigener Initiative <strong>und</strong> Freiheit für die Bürger <strong>und</strong> Machtzuwachs für die<br />

zentrale Gewalt. Das f<strong>in</strong>anzielle Gewicht des starken Staates hilft dabei kräftig mit. Daher<br />

sehen liberale Denker wie Baader im starken Staat den Keim der Tyrannei <strong>und</strong> des totalen<br />

Staates:<br />

Doch unabhängig von allen theoretischen <strong>und</strong> praktischen Schwierigkeiten steht fest: Der "Nachtwächterstaat"<br />

ist die e<strong>in</strong>zig denkbare Form des Gewaltmonopols, die mit dauerhafter persönlicher Freiheit, mit<br />

Menschenwürde <strong>und</strong> friedlicher Entwicklung vere<strong>in</strong>bar se<strong>in</strong> kann. Zur Alternative "Nachtwächter oder Tyrann"


86<br />

gibt es ke<strong>in</strong>e weitere Option, auch nicht <strong>in</strong> der Demokratie. Jedes über den bescheidenen Nachtwächterstatus<br />

h<strong>in</strong>ausgehende politische Machtgebilde impliziert - zum<strong>in</strong>dest latent <strong>und</strong> potentiell - den totalen Staat. Weil aber<br />

zugleich der Satz von Edm<strong>und</strong> Burke "Die E<strong>in</strong>künfte des Staates s<strong>in</strong>d der Staat" ewige Gültigkeit hat, läßt sich<br />

die Wahl zwischen Nachtwächter <strong>und</strong> Tyrann ohne sonderliche Veränderung des S<strong>in</strong>ngehalts umformulieren <strong>in</strong><br />

die Alternative "Nachtwächter oder Tagedieb" (Bader 1997: 106).<br />

Der starke Staat ist <strong>in</strong> der Tat e<strong>in</strong>e Gefahr für die Freiheit. Durch se<strong>in</strong>e umfassende<br />

Zwangsfürsorge <strong>und</strong> se<strong>in</strong> immer größeres <strong>wirtschaft</strong>liches Gewicht (Staatsquote!) tut er sogar<br />

e<strong>in</strong>en Schritt <strong>in</strong> Richtung auf den totalitären Staat. Diese Entwicklung könnte bei e<strong>in</strong>er<br />

Bevölkerung von wohlversorgten Zwangsarbeitern enden, deren Verlust an politischer <strong>und</strong><br />

<strong>wirtschaft</strong>licher Freiheit vom Staat durch Duldung <strong>und</strong> Förderung moralischer Zügellosigkeit<br />

kompensiert wird. So sah es jedenfalls Huxley, als er schrieb:<br />

E<strong>in</strong> wirklich leistungsfähiger totalitärer Staat wäre e<strong>in</strong>er, wor<strong>in</strong> die allmächtige Exekutive politischer<br />

Machthaber <strong>und</strong> ihre Armee von Managern e<strong>in</strong>e Bevölkerung von Zwangsarbeitern beherrscht, die garnicht<br />

gezwungen zu werden brauchen, weil sie ihre Sklaverei lieben. Ihnen die Liebe zu ihr beizubr<strong>in</strong>gen, ist <strong>in</strong><br />

heutigen totalitären Staaten die den Propagandam<strong>in</strong>isterien, den Zeitungsredakteuren <strong>und</strong> den Schullehrern<br />

zugewiesene Aufgabe .... Je mehr sich politische <strong>und</strong> <strong>wirtschaft</strong>liche Freiheit verr<strong>in</strong>gern, desto mehr strebt, als<br />

Kompensation, die sexuelle Freiheit danach, sich zu vergrößern. Und der Diktator .... wird gut daran tun, diese<br />

Freiheit zu fördern. In Verb<strong>in</strong>dung mit der Freiheit des Tagträumens unter dem E<strong>in</strong>fluß von Rauschmitteln, K<strong>in</strong>o<br />

<strong>und</strong> R<strong>und</strong>funk wird sexuelle Freiheit dazu beitragen, se<strong>in</strong>e Untertanen mit der Sklaverei, die ihr Los ist, zu<br />

versöhnen. Das alles <strong>in</strong> Betracht gezogen, sieht es ganz danach aus, als ob uns Utopia viel näher sei als irgend<br />

jemand es sich auch nur vor 15 Jahren hätte vorstellen können. Damals verlegte ich diese Utopie 600 Jahre <strong>in</strong> die<br />

Zukunft. Heute sche<strong>in</strong>t es ganz gut möglich zu se<strong>in</strong>, daß uns e<strong>in</strong> solcher Schrecken b<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zigen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts auf den Hals kommt.<br />

Vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt sollte der E<strong>in</strong>zelne möglichst weitgehend <strong>in</strong><br />

Eigenverantwortung <strong>und</strong> Eigenleistung für sich <strong>und</strong> die ihm Anvertrauten sorgen <strong>und</strong> nicht<br />

bei jedem Problem nach "Vater Staat" rufen. Er sollte bedenken, daß der Staat alles, was er<br />

ihm gibt, zuvor anderen wegnehmen muß, <strong>und</strong> er daher mit jeder Forderung an den Staat<br />

dessen Ausplünderung der Mitbürger <strong>und</strong> dessen Macht fördern hilft. Auch die katholische<br />

Soziallehre stellt Subsidiarität ( = Eigenverantwortung) vor Solidarität ( = Sozialstaat). Aus<br />

<strong>christliche</strong>r Sicht ist also der starke Staat abzulehnen. Selbst wenn der E<strong>in</strong>zelne ihn nicht<br />

gänzlich verh<strong>in</strong>dern kann, sollte er wenigstens alles unterlassen, was ihn direkt oder <strong>in</strong>direkt<br />

fördert.<br />

Aus <strong>christliche</strong>r Sicht ist der starke Staat auch wegen se<strong>in</strong>er Neigung zu weltanschaulichen<br />

Übergriffen zu fürchten <strong>und</strong> abzulehnen. Je stärker der Staat, desto stärker se<strong>in</strong>e Neigung,<br />

sich auch weltanschauliche Gr<strong>und</strong>lagen zu geben <strong>und</strong> von se<strong>in</strong>en Bürgern abgöttische<br />

Loyalität <strong>und</strong> weltanschauliche Unterwerfung e<strong>in</strong>zufordern, andernfalls sie mit Verfolgung zu<br />

rechnen haben. Geschichtlich gesehen s<strong>in</strong>d es die stärksten Staaten gewesen, die auch die<br />

schlimmsten <strong>und</strong> grausamsten Christen- <strong>und</strong> Judenverfolgungen durchgeführt haben: das<br />

Römerreich, die kommunistische Sowjetunion, das nationalsozialistische Deutschland, das<br />

kommunistische Ch<strong>in</strong>a <strong>und</strong> Nordkorea, die islamischen Staaten.<br />

11.2. Die Frage der Wirtschaftsordnung<br />

11.2.1. Wirtschaftsordnung <strong>und</strong> Wirtschaftsleistung<br />

Auf <strong>wirtschaft</strong>lichem Gebiet erreicht der starke Staat se<strong>in</strong> Extrem <strong>in</strong> Gestalt der zentralen<br />

Verwaltungs<strong>wirtschaft</strong>, manchmal auch Plan<strong>wirtschaft</strong> genannt, die vom Marxismus gefordert<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> sozialistischen Ländern praktiziert wird. Am anderen Ende der Skala steht e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e<br />

Markt<strong>wirtschaft</strong>. Die empirisch zutage liegende <strong>wirtschaft</strong>liche Unterlegenheit der


87<br />

Plan<strong>wirtschaft</strong> läßt sich jenseits von aller Ideologie schon dadurch erklären, daß <strong>in</strong> ihr die<br />

Millendorferschen Hemmfaktoren system-immanent vorhanden s<strong>in</strong>d, <strong>und</strong> zwar umso stärker,<br />

je stärker die Plan<strong>wirtschaft</strong> ausgeprägt ist:<br />

Die Hemmfaktoren gibt es nicht nur im Westen, wo sie zuerst im Auftrag des Instituts für Welt<strong>wirtschaft</strong> Kiel<br />

erhoben wurden, sondern auch im Osten. Hemmfaktoren s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Plan<strong>wirtschaft</strong>en system-immanent, sie<br />

ergeben sich als logische Folge des plan<strong>wirtschaft</strong>lichen Systems" (Baaske/Millendorfer 2002: 59).<br />

Dies bestätigt sich auch <strong>in</strong> Bild 1, das den Grad der Plan<strong>wirtschaft</strong>lichkeit verschiedener<br />

Länder mit den dort anzutreffenden Hemmfaktoren <strong>in</strong> Beziehung setzt. Die Auswirkung der<br />

Plan<strong>wirtschaft</strong>lichkeit auf die Wirtschaftsleistung ist aus Bild 2 ersichtlich, wobei bei den<br />

E<strong>in</strong>flußgrößen neben dem Grad der Plan<strong>wirtschaft</strong>lichkeit auch der Elektrizitätsverbrauch<br />

berücksichtigt ist, um dem Ausspruch von Len<strong>in</strong> zu begegnen, Kommunismus sei Elektrizität<br />

plus Sowjetmacht.<br />

Ehe wir auch aus <strong>christliche</strong>r Weltsicht etwas zur Frage der Wirtschaftsordnung sagen, wollen<br />

wir darauf h<strong>in</strong>weisen, daß e<strong>in</strong> enger Zusammenhang zwischen Wirtschaftsordnung <strong>und</strong><br />

Menschenbild besteht.<br />

11.2.2. Wirtschaftsordnung <strong>und</strong> Menschenbild<br />

Daß jede Wirtschaftsordnung auf weltanschaulichen Gr<strong>und</strong>lagen, <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>em<br />

Menschenbild, beruht, liegt <strong>in</strong> der Tat auf der Hand. Diese Überzeugung erfreut sich breiter<br />

Zustimmung im wissenschaftlichen Schrifttum. So sieht Sautter (1997a: 26) "das Bild vom<br />

Menschen als normative Leitidee e<strong>in</strong>er Wirtschaftsordnung", <strong>und</strong> Tuchtfeldt (1983: 72) zitiert<br />

den Ausspruch Oswald von Nell-Breun<strong>in</strong>gs: "Sage mir, was für e<strong>in</strong> Menschenbild du hast,<br />

<strong>und</strong> ich werde dir sagen, welches <strong>gesellschaft</strong>liche Ordnungsbild du hast".<br />

Neben re<strong>in</strong> "materialistischen" <strong>und</strong> verschiedenen "dualistischen" Menschenbildern zeichnet<br />

sich das <strong>christliche</strong> Menschenbild aus durch Betonung der Beziehung des Menschen zum<br />

persönlichen Schöpfergott <strong>und</strong> se<strong>in</strong>em Willen <strong>und</strong> Gebot sowie durch Anerkennung se<strong>in</strong>es<br />

Sündenfalles <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Erlösungsbedürftigkeit. Das Böse im Menschen wird also ernst<br />

genommen. Mit mehr oder weniger Anerkennung des Bösen im Menschen haben auch die<br />

von Tuchtfeldt (1983: 66ff) getroffenen Unterscheidungen zu tun, wonach es<br />

"sozialoptimistische", "sozialpessimistische" <strong>und</strong> "sozialrealistische" Menschenbilder gibt.<br />

Es leuchtet unmittelbar e<strong>in</strong>, daß sich diese Unterscheidungen e<strong>in</strong>schneidend auf die<br />

empfohlene Wirtschaftsordnung auswirken. Sozialoptimismus führt zu e<strong>in</strong>er staatlichen<br />

Übermacht, welche die angeblich alle<strong>in</strong> für das Böse verantwortlichen "Verhältnisse" mit<br />

Gewalt nach Reißbrettvorstellungen verändern will ("konstruktiver Rationalismus"). Auch<br />

Sozialpessimismus führt im Interesse der Kontrolle des Bösen zu großer staatlicher<br />

Machtfülle. Sozialrealismus sieht beide Möglichkeiten - böse <strong>und</strong> gut - im Menschen. Nur<br />

diese Sicht eröffnet nach Tuchtfeldt die Möglichkeit, e<strong>in</strong>e freiheitliche Sozialordnung zu<br />

konzipieren: e<strong>in</strong>e Ordnungspolitik, die klare rechtliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen abstecke,<br />

<strong>in</strong>nerhalb derer die Selbstentfaltung des Individuums möglich sei.<br />

11.2.3. Wirtschaftsordnung <strong>und</strong> <strong>christliche</strong> Weltsicht


88<br />

Wenn wir nun der Frage näher treten, welche Wirtschaftsordnung e<strong>in</strong>er <strong>christliche</strong>n Weltsicht<br />

entspreche, so verwirrt zunächst die Tatsache, daß das gesamte Spektrum von e<strong>in</strong>er<br />

sozialistischen Wirtschaftsordnung über e<strong>in</strong>e markt<strong>wirtschaft</strong>liche Ordnung mit starkem


89<br />

Bild 1. Plan<strong>wirtschaft</strong>lichkeit <strong>und</strong> Hemmfaktoren.


Bild 2. Wirtschaftsleistung, Elektrizitätsverbrauch <strong>und</strong><br />

Plan<strong>wirtschaft</strong>lichkeit.<br />

90


91<br />

Sozialausgleich bis zu e<strong>in</strong>er markt<strong>wirtschaft</strong>lichen Ordnung mit schwachem Sozialausgleich<br />

von Personen vertreten wird, die e<strong>in</strong>en <strong>christliche</strong>n Standpunkt für sich reklamieren.<br />

E<strong>in</strong>e sozialistische Ordnung wird von Personen vertreten, die man mit Fug <strong>und</strong> Recht als<br />

L<strong>in</strong>ks<strong>in</strong>tellektuelle, L<strong>in</strong>kstheologen <strong>und</strong> religiöse Sozialisten bezeichnen kann, als deren<br />

Prototyp etwa Gollwitzer stehen mag, der vor e<strong>in</strong>em Leitungsgremium der EKD über das<br />

Thema sprach: "Warum ich als Christ Sozialist b<strong>in</strong>" (Gollwitzer 1981). Daß auch nach dem<br />

Zusammenbruch des "realen Sozialismus" der Sozialismus <strong>in</strong> den Köpfen von<br />

L<strong>in</strong>ks<strong>in</strong>tellektuellen <strong>und</strong> Kirchenführern nicht tot ist, ist freilich e<strong>in</strong>e schockierende Tatsache,<br />

die beispielsweise von dem Wirtschaftsjuristen Fikenscher (1997) konstatiert wird, der aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong>e se<strong>in</strong>er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em aktuellen Werk überarbeiteten, tiefschürfenden Marxismus<strong>und</strong><br />

Sozialismuskritik e<strong>in</strong>e "erstaunliche Aktualität" zuschreibt. Auch der Theologe<br />

Motschmann äußert: "Immerh<strong>in</strong> ist der Traum vom Sozialismus bei vielen Theologen <strong>und</strong><br />

Kirchenführern noch immer nicht ausgeträumt" (Motschmann 1997a:19). Er besche<strong>in</strong>igt der<br />

evangelischen Kirche e<strong>in</strong>e "Pilotfunktion für die 68-er Bewegung" <strong>und</strong> hält die folgende<br />

Äußerung von He<strong>in</strong>z Albertz aus dem Jahre 1988 für unverändert aktuell: "Was sich <strong>in</strong> der<br />

Kirche getan hat, ist sensationell. Aus der deutsch-nationalen Kirche von e<strong>in</strong>st ist e<strong>in</strong>e<br />

Institution geworden, an der gemessen die SPD e<strong>in</strong>e rechtsreaktionäre Partei ist"<br />

(Motschmann 1997b:9).<br />

Die weit überwiegende Zahl der e<strong>in</strong>er <strong>christliche</strong>n Weltsicht verpflichteten Personen, zu der<br />

auch die große Mehrheit der <strong>christliche</strong>n Wirtschaftsfachleute gehören dürfte, sche<strong>in</strong>t sich<br />

jedoch für e<strong>in</strong>e kapitalistische (markt<strong>wirtschaft</strong>liche) Ordnung verschiedener Schattierungen<br />

auszusprechen. Beispielhaft vertritt Harbrecht "die These, daß es gegenwärtig ke<strong>in</strong>e andere<br />

reale Wirtschaftsordnung gibt, die den <strong>christliche</strong>n Vorstellungen über e<strong>in</strong>e menschengerechte<br />

Wirtschaftsorganisation mehr entspricht als das Konzept der sozialen Markt<strong>wirtschaft</strong>"<br />

(Harbrecht 1993:135). Die sozialistische Utopie wird als unrealistisch, weil den Menschen<br />

überfordernd, mit dem Hauptargument abgelehnt, daß ihr Funktionieren e<strong>in</strong>en im Gr<strong>und</strong>e<br />

selbstlosen, ganz auf das Geme<strong>in</strong>wohl e<strong>in</strong>gestellten Menschen erfordere, der so nun e<strong>in</strong>mal<br />

nicht <strong>in</strong> genügender Anzahl existiere. So äußert etwa Lachmann (1984: 56): "Wäre der<br />

Mensch nämlich gut, so wäre auch e<strong>in</strong>e sozialistische Wirtschaftsordnung möglich. Die<br />

historischen Erfahrungen mit dem realen Sozialismus bestätigen jedoch, daß der Mensch<br />

e<strong>in</strong>fach noch nicht gut genug ist für den Sozialismus". Daher kann die sozialistische Ordnung<br />

letzlich nur mit brutaler Gewalt, mit sehr viel Blut <strong>und</strong> Tränen, für e<strong>in</strong>e Zeit durchgehalten<br />

werden. Sie wird damit unmenschlich <strong>und</strong> bleibt überdies trotzdem <strong>in</strong> der materiellen<br />

Güterversorgung weit h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>em kapitalistischen System zurück. Somit ist die als<br />

konstruktivistisch zu bezeichnende sozialistische Ordnung vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt<br />

abzulehnen.<br />

Aber auch das krasse Gegenteil, das völlig freie Spiel des Eigen<strong>in</strong>teresses <strong>und</strong> die völlige<br />

Überlassung des <strong>wirtschaft</strong>lichen Geschehens an sich selbst regulierende Kräfte des Marktes,<br />

wie sie von Adam Smith (der allerd<strong>in</strong>gs schon e<strong>in</strong>e gewisse Rolle für den Staat sah) bis zu<br />

den "Libertarians" <strong>und</strong> allen "Sozialdarw<strong>in</strong>isten" vertreten wird, sche<strong>in</strong>t ganz überwiegend<br />

auf Ablehnung durch <strong>christliche</strong> Fachleute zu stoßen. So schreibt Sautter (Brief vom 7.4.97),<br />

er sehe den spezifisch <strong>christliche</strong>n Beitrag zu Wirtschaftsfragen "im H<strong>in</strong>weis auf die<br />

Haltlosigkeit e<strong>in</strong>es Glaubens an sich selbst regulierende, zu e<strong>in</strong>em harmonischen Ziel<br />

führende <strong>gesellschaft</strong>liche Mechanismen, <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Warnung vor e<strong>in</strong>em "Konstruktivismus",<br />

der die <strong>gesellschaft</strong>liche Entwicklung selbst <strong>in</strong> die Hand nehmen will, sowie <strong>in</strong> der<br />

Bewahrung vor e<strong>in</strong>em Zynismus, zu dem die Kritik des e<strong>in</strong>en wie die Warnung vor dem<br />

anderen führen müßte". Vor solchem Zynismus, Ratlosigkeit <strong>und</strong> Lähmung "bleiben wir


92<br />

bewahrt, wenn wir glauben, daß wir weder selbst die Herren der Schöpfung se<strong>in</strong> müssen noch<br />

diese Schöpfung herrenlos ist. Daraus entsteht e<strong>in</strong>e Hoffnungsperspektive, <strong>in</strong> der man das<br />

Naheliegende tun kann, <strong>und</strong> genau dadurch, daß viele <strong>in</strong> dieser Hoffnung das Naheliegende<br />

tun, kann sich e<strong>in</strong> ethisch vorzugswürdiges Gesamtergebnis e<strong>in</strong>stellen". Hier ist, wenn ich<br />

richtig verstehe, e<strong>in</strong>e Wirtschaftsordnung angedeutet, die e<strong>in</strong>erseits Raum für "das<br />

Naheliegende" hat - geme<strong>in</strong>t ist das Eigen<strong>in</strong>teresse - , andererseits den <strong>christliche</strong>n<br />

Gottesglauben <strong>und</strong> die aus ihm fließende Glaubenshoffnung als Regulativ für das<br />

Eigen<strong>in</strong>teresse sieht - also e<strong>in</strong> "dritter Weg" zwischen Konstruktivismus <strong>und</strong> Selbststeuerung,<br />

der am ehesten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sozialen Markt<strong>wirtschaft</strong> zu verwirklichen wäre.<br />

Wird also die sozialistische Ordnung vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt abgelehnt, so meldet sich<br />

für den Christen im Rahmen e<strong>in</strong>er kapitalistischen (markt<strong>wirtschaft</strong>lichen) Ordnung das<br />

Anliegen der Solidarität <strong>und</strong> des sozialen Ausgleichs sogleich wieder zu Wort. Christlich<br />

orientierte Vorschläge unterscheiden sich hauptsächlich <strong>in</strong> der Intensität des sozialen<br />

Ausgleichs, also <strong>in</strong> der Beantwortung der Frage: wie sozial soll e<strong>in</strong>e soziale Markt<strong>wirtschaft</strong><br />

se<strong>in</strong>?<br />

So r<strong>in</strong>gt sich zwar das kürzliche "Geme<strong>in</strong>same Wort" der Kirchen (Kirchenamt 1997) zu e<strong>in</strong>er<br />

gr<strong>und</strong>sätzlichen Bejahung der Markt<strong>wirtschaft</strong> durch, tritt aber für sehr <strong>in</strong>tensiven sozialen<br />

Ausgleich durch Umverteilung e<strong>in</strong>, sieht Solidarität <strong>und</strong> Subsidiarität gleichrangig <strong>und</strong> wehrt<br />

sich gegen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten der sozialen Sicherheit.<br />

Sozialpflichtigkeit des Eigentums wird sehr gewichtig gesehen, zusätzlich zum<br />

"Armutsbericht" der B<strong>und</strong>esregierung wird e<strong>in</strong> "Reichtumsbericht" gefordert. E<strong>in</strong>e christlich<br />

motivierte "Kultur des Erbarmens" soll e<strong>in</strong>e derartige Konzeption sozialer Markt<strong>wirtschaft</strong><br />

stützen. Diese Konzeption ist als "umverteilungslastig" zu bezeichnen. Sie hat entsprechende<br />

Kritik - auch von <strong>christliche</strong>n Wirtschaftsfachleuten - auf sich gezogen <strong>und</strong> kann nicht <strong>in</strong><br />

Anspruch nehmen, "die" <strong>christliche</strong> Antwort zu se<strong>in</strong>.<br />

So gibt Hax (1997) se<strong>in</strong>er Kritik des Kirchenwortes den Titel: "Fixiert auf die Verteilung"<br />

<strong>und</strong> hält dem Wort entgegen, daß es die Bedeutung der Motivation für Leistung <strong>und</strong> Initiative<br />

verkenne. Es werden im Gegenteil sehr viele H<strong>in</strong>dernisse für den Unternehmer aufgebaut.<br />

"Sollte e<strong>in</strong> Unternehmer trotzdem noch sehr erfolgreich se<strong>in</strong>, so ist dieser Mißstand im<br />

"Reichtumsbericht" anzuprangern". Hax bef<strong>in</strong>det, daß konkrete ordnungspolitische<br />

Empfehlungen die Grenzen kirchlicher Kompetenz überschreiten: "Konkrete politische<br />

Empfehlungen folgen nicht mit zw<strong>in</strong>gender Notwendigkeit aus sozialethischen Gr<strong>und</strong>sätzen".<br />

Noch schärfer äußert sich Krelle (Brief vom 13.6.97): "Man hat hier ke<strong>in</strong>en großen<br />

Unterschied zu Vorschlägen, die auf nicht-<strong>christliche</strong>r Basis gemacht werden <strong>und</strong><br />

üblicherweise ökonomisch sehr kurzsichtig s<strong>in</strong>d". Sautter (1997b) empf<strong>in</strong>det die Orientierung<br />

an e<strong>in</strong>er "Kultur des Erbarmens" als e<strong>in</strong>seitig <strong>und</strong> plädiert zusätzlich für e<strong>in</strong>e "Kultur des<br />

Wandels" zur Stärkung der <strong>wirtschaft</strong>lichen Wettbewerbsfähigkeit. Im Blick auf<br />

<strong>wirtschaft</strong>liche Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> sozialen Ausgleich konstatiert er: "Die erste dieser<br />

Aufgaben anderen zu überlassen <strong>und</strong> sich auf die zweite zu konzentrieren - so wie es <strong>in</strong> dem<br />

"Geme<strong>in</strong>samen Wort" der Kirchen geschieht - , bedeutet e<strong>in</strong>e unnötige <strong>und</strong> bedauerns<strong>werte</strong><br />

Selbstbeschränkung".<br />

Haupt (Brief vom 9.5.97) f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e Ause<strong>in</strong>andersetzung <strong>christliche</strong>r Fachleute mit dem<br />

Kirchenpapier "recht lohnend", stellt aber <strong>in</strong> Aussicht: "Diese wird aus me<strong>in</strong>er Sicht<br />

vorwiegend kritisch se<strong>in</strong>, weil der <strong>wirtschaft</strong>liche Sachverstand hier unterbe<strong>werte</strong>t wird <strong>und</strong><br />

Zukunftsperspektiven des Reiches Gottes auf die irdische Wirtschaftsordnung angewandt<br />

werden". In e<strong>in</strong>em späteren Brief (vom 11.8.97) geht er ausführlicher auf die Zwei-Reiche-


93<br />

Lehre Luthers e<strong>in</strong>. Def<strong>in</strong>iert man schlagwortartig das Reich zur Rechten ("Reich Gottes") als<br />

Gottes Ordnung für Christen, das Reich zur L<strong>in</strong>ken als Gottes Ordnung für die säkulare<br />

Gesellschaft, so tut sich damit e<strong>in</strong> Spannungsfeld auf, "nämlich zu unterscheiden, welche<br />

biblischen Anweisungen vom "Reich zur Rechten" bzw. vom "Reich zur L<strong>in</strong>ken" reden".<br />

Diese Unterscheidung zu mißachten, kann dazu führen, "die Gesetze des Reiches Gottes (z.B.<br />

die "Bergpredigt") unmittelbar auf die irdischen Ordnungen anzuwenden (wie <strong>in</strong> der<br />

"Friedensbewegung" der achtziger Jahre)". Im Kirchenwort (1997) begegnet man diesem<br />

letzten Mißverständnis etwa, "wenn Forderungen nach sozialer Solidarität, Gerechtigkeit <strong>und</strong><br />

Nächstenliebe den <strong>wirtschaft</strong>lichen Prioritäten der Subsidiarität, Eigenleistung <strong>und</strong><br />

Selbstverantwortung entgegengesetzt werden". "Die Reformbedürftigkeit unserer Ordnungen,<br />

etwa nach dem ungefähren Vorbild der <strong>wirtschaft</strong>lichen Leistungsfähigkeit der USA, wird<br />

skeptisch gesehen (Zf 14); die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit wird als Bedrohung der<br />

sozialen Sicherheit empf<strong>und</strong>en (Zf 9); die Stärkung des sozialen Sockels wird gefordert, ohne<br />

die bereits bisher zu beobachtende mißbräuchliche Ausnutzung des sozialen Netzes zu<br />

diskutieren (Zf 179 - 181); Leistung wird durch die Forderung nach e<strong>in</strong>em<br />

"Reichtumsbericht" <strong>in</strong> Mißkredit gebracht (Zf 219) usw". Pr<strong>in</strong>zipiell bemängelt Haupt, daß<br />

das Kirchenwort "<strong>in</strong>dividual- statt <strong>in</strong>stitutionenethisch argumentiert bzw. andeutungsweise<br />

Perspektiven des "Reiches Gottes" auf die Sozial- <strong>und</strong> Wirtschaftsordnung anwendet".<br />

Zusammenfassend könnte man den Verfassern des Kirchenwortes e<strong>in</strong>en schon älteren<br />

Ausspruch Rohrmosers (1983: 34) <strong>in</strong>s Stammbuch schreiben: "Die Sprache des Sozialen muß<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Grammatik formuliert werden. Sozial ist ja nicht der, der verspricht oder<br />

umverteilt, sondern derjenige, der durch se<strong>in</strong>e Leistung dazu beiträgt, daß versprochen <strong>und</strong><br />

umverteilt werden kann".<br />

Nach diesen weitgehend kritischen Äußerungen auch <strong>christliche</strong>r Fachleute legt sich für den<br />

Autor die Schlußfolgerung nahe, daß <strong>christliche</strong> Weltsicht e<strong>in</strong>e soziale Markt<strong>wirtschaft</strong> mit<br />

eher restriktivem Sozialausgleich präferieren sollte. Hierauf werden wir im folgenden<br />

Abschnitt näher e<strong>in</strong>gehen.<br />

11.3. Überzogener Sozialstaat<br />

Daß den Schwachen <strong>und</strong> Bedüftigen, die sich nicht selbst versorgen können, geholfen werden<br />

muß, ist vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt e<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit. Ebenso selbstverständlich<br />

ist aber, daß jeder, der irgend kann, sich selbst versorgt <strong>und</strong> den Staat nicht, oder wenn es<br />

unumgänglich ist, mit Ehrlichkeit <strong>und</strong> Maßhalten <strong>in</strong> Anspruch nimmt. Andernfalls drohen<br />

Selbstausbeutung <strong>und</strong> Überlastung der Systeme sozialer Sicherung <strong>und</strong> überzogene Steuern<br />

<strong>und</strong> Abgaben bei den Leistungsträgern, denen damit der Leistungsanreiz geschmälert wird.<br />

"Leistung muß sich wieder lohnen", hieß e<strong>in</strong> kürzlicher Slogan. Wie steht es nun heute mit<br />

dem Gleichgewicht zwischen Leistungsträgern <strong>und</strong> Hilfeempfängern?<br />

11.3.1. Mehr Motivation für Leistungsträger<br />

Die Steuer- <strong>und</strong> Abgabenlast, die etwa zur Hälfte für soziale Zwecke ausgegeben wird, hat<br />

e<strong>in</strong>e solche Höhe erreicht, daß die Leistungsmotivation ernstlich gefährdet ist. Nach Baader<br />

trifft Folgendes zu.<br />

Dem durchschnittlichen Lohn- <strong>und</strong> Gehaltsempfänger werden im deutschen Sozialstaat r<strong>und</strong> 41% - <strong>in</strong><br />

Wirklichkeit aber, wegen der versteckten Steuern, r<strong>und</strong> die Hälfte - se<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>kommens (wohl gemerkt auch


94<br />

se<strong>in</strong>es Lebense<strong>in</strong>kommens!) zwangsweise <strong>und</strong> unter Gewaltandrohung entzogen <strong>und</strong> damit neben tausend<br />

Absonderlichkeiten auch die Rente, die Krankheitskosten <strong>und</strong> die Arbeitslosenbezüge anderer Leute bezahlt<br />

(Baader 1997: 107).<br />

Was nicht für soziale Ausgaben verwendet wird, bekommt der Bürger auch nicht voll zurück,<br />

weil der Staat bei der Bereitstellung öffentlicher Güter <strong>in</strong>effizienter ist als private Anbieter.<br />

Bei privatem Angebot ließen sich nach Baader für fast alle öffentlichen Güter <strong>in</strong>dividuell<br />

zurechenbare Nutzerpreise erheben (Baader 1997: 107). Durch derartige Demotivation der<br />

Leistungsträger sägt der Sozialstaat den Ast ab, auf dem er sitzt. Wir er<strong>in</strong>nern nochmals an<br />

Rohrmoser: "Sozial ist nicht der, der verspricht <strong>und</strong> umverteilt, sondern der, der durch se<strong>in</strong>e<br />

Leistung dazu beiträgt, daß versprochen <strong>und</strong> umverteilt werden kann".<br />

Auch die Bedrohung der Wettbewerbsfähigkeit durch die hohe Abgabenlast wäre zu<br />

erwähnen. Wie Bild 3 zeigt, muß e<strong>in</strong> Unternehmer, der e<strong>in</strong>en Netto-St<strong>und</strong>enlohn von 20,- DM<br />

auszahlt, se<strong>in</strong>em K<strong>und</strong>en für das Produktäquivalent dieser Arbeitsst<strong>und</strong>e 60,- DM berechnen,<br />

um nur die Lohnkosten <strong>und</strong> die Abgabenlast wieder here<strong>in</strong>zuholen, von Gew<strong>in</strong>n ganz zu<br />

schweigen. Daß e<strong>in</strong> kostendeckender Preis, der sich auf das Dreifache des Nettolohns beläuft,<br />

die <strong>in</strong>ternationale Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> die Gew<strong>in</strong>möglichkeiten ernstlich gefährdet,<br />

bedarf ke<strong>in</strong>er weiteren Erläuterung. Dazu Scheuch: "Zugleich ist dieser Sozialstaat kaum<br />

mehr zu bezahlen. Mit der Art se<strong>in</strong>er F<strong>in</strong>anzierung über Lohnnebenkosten trägt er zusätzlich<br />

zur Arbeitslosigkeit bei" (Scheuch 1999).<br />

Christliche Wirtschaftsethik sollte den Mut haben, den gegenwärtigen Sozialstaat als<br />

gefährlich überzogen zu bezeichnen - wie es Scheuch ja ebenfalls andeutet - <strong>und</strong> statt für<br />

mehr Umverteilung für mehr Leistungsanreize, d.h. mehr Verfügungsfreiheit über das eigene<br />

<strong>wirtschaft</strong>liche Ergebnis, e<strong>in</strong>zutreten. Auf ke<strong>in</strong>en Fall sollte sie <strong>in</strong> das Gerede von sozialer<br />

Ungerechtigkeit <strong>und</strong> Begünstigung der "Besserverdienenden" <strong>und</strong> Reichen e<strong>in</strong>stimmen, etwa<br />

nach dem Muster Lafonta<strong>in</strong>es, der äußert, er sehe nicht e<strong>in</strong>, daß Manager "zig Millionen"<br />

e<strong>in</strong>streichen, während Arbeiter reale E<strong>in</strong>kommensverluste erleiden. Die klassenkämpferischen<br />

Untertöne s<strong>in</strong>d hier kaum zu überhören. Sozialpolitik ist weith<strong>in</strong> <strong>in</strong> Deutschland im Gegensatz<br />

etwa zu USA immer noch klassenkämpferisch e<strong>in</strong>gefärbt. Amerikanische Wirtschaftsfachleute<br />

urteilten auf e<strong>in</strong>er kürzlichen Tagung über die deutsche Situation: "Trotz der<br />

gegenteiligen Erfahrungen mit der 'sozialen Markt<strong>wirtschaft</strong>' <strong>in</strong> den Aufbaujahren der<br />

B<strong>und</strong>esrepublik gebe es selbst h<strong>und</strong>ertfünfzig Jahre nach dem 'Kommunistischen Manifest'<br />

noch immer ke<strong>in</strong> ressentimentfreies Verhältnis gegenüber Unternehmern <strong>und</strong> 'Kapital' "<br />

(Gillessen, 1999).<br />

11.3.2. Sozialleistungen zurückfahren, Subsidiarität stärken<br />

E<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derung der Abgabelast würde auf der anderen Seite - m<strong>in</strong>destens vorübergehend -<br />

e<strong>in</strong> Zurückfahren der Sozialleistungen erfordern. Dies wäre teils zumutbar, teils könnte es<br />

durch mehr eigene Initiative aufgefangen werden.<br />

Zum Beispiel wäre an e<strong>in</strong>e Reaktivierung privater sozialer Netze zu denken. Sautter<br />

konstatiert e<strong>in</strong>e abnehmende Belastbarkeit privater sozialer Netze.<br />

Die Familie galt als e<strong>in</strong>es der tragfähigen sozialen Netze. Das Subsidiaritätspr<strong>in</strong>zip setzt voraus, daß dieses Netz<br />

funktionsfähig ist. Doch diese Voraussetzung ist <strong>in</strong> der B<strong>und</strong>esrepublik kaum mehr erfüllt. .... Die zunehmende<br />

Individualität der Lebensgestaltung geht also paradoxerweise e<strong>in</strong>her mit e<strong>in</strong>er wachsenden Abhängigkeit vom<br />

Staat (Sautter 1997a: 35).


95<br />

Bild 3<br />

Grenzabgabenbelastung des Faktors Arbeit<br />

- <strong>in</strong> DM je zusätzlich geleisteter St<strong>und</strong>e -<br />

DM<br />

_______<br />

Nettolohn 20<br />

Lohnsteuer (e<strong>in</strong>schl. Solidaritätszuschlag<br />

<strong>und</strong> Kirchensteuer) 14<br />

Arbeitnehmersozialbeiträge 9<br />

Arbeitgebersozialbeiträge 9<br />

Mehrwertsteuer 8<br />

___________________________________________________<br />

Gesamtkosten 60<br />

Basis: Verheirateter Arbeitnehmer <strong>in</strong> Westdeutschland mit e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d<br />

(Lohnsteuerklasse III) <strong>und</strong> Durchschnittse<strong>in</strong>kommen<br />

Quelle: Berechnungen des Ifo-Instituts (1999)


96<br />

Gerade vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt wäre e<strong>in</strong>e Umkehrung dieses Trends geboten. Von<br />

Sautter stammt auch der Ausdruck von der "Selbstausbeutung der Systeme sozialer<br />

Sicherung", womit e<strong>in</strong>e Menge von Mißbräuchen, Unehrlichkeiten, Übertretungen <strong>und</strong><br />

Unzumutbarkeiten angedeutet ist. Könnte man nicht (beispielsweise) e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>schränkung<br />

der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall vertreten (die <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em anderen Land 100 % beträgt)<br />

<strong>und</strong> betonen, daß e<strong>in</strong>e Eigenvorsorge <strong>und</strong> Selbstbeteiligung für wenige Krankheitstage vom<br />

<strong>christliche</strong>n Standpunkt durchaus zumutbar <strong>und</strong> geboten ersche<strong>in</strong>t?<br />

Sollte man nicht positive Stellung zu der Tatsache beziehen, daß <strong>in</strong> USA jeder<br />

Sozialhilfeempfänger arbeiten muß? Wäre dasselbe nicht <strong>in</strong>sbesondere für jeden Empfänger<br />

von Arbeitslosenunterstützung vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt zu vertreten? Schließlich ist auch<br />

das Wort "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen" <strong>in</strong> der Bibel zu f<strong>in</strong>den. Die von<br />

Sautter (1997a: 35) <strong>und</strong> vielen anderen geforderte Reziprozität von Leistung <strong>und</strong><br />

Gegenleistung bei sozialen Sicherungssystemen würde <strong>in</strong>sbesondere nahelegen, dem<br />

Kapitaldeckungsverfahren <strong>in</strong> der Rentenversicherung den Vorzug vor dem Umlageverfahren<br />

zu geben. Typischerweise äußert sich das Kirchenwort dazu skeptisch. Sollten <strong>christliche</strong><br />

Fachleute hier nicht widersprechen?<br />

Schließlich ist dem Theologen Motschmann zuzustimmen, wenn er feststellt, "daß wir unser<br />

System der sozialen Sicherung im Laufe der vergangenen Jahre 'globalisiert' haben; d.h. es<br />

bestehen Rechtsansprüche auf soziale Leistungen für jeden Zuwanderer <strong>und</strong> Asylbewerber,<br />

<strong>und</strong> sei es für die Zeit des oft langwierigen Anerkennungsverfahrens. Genaue Zahlen s<strong>in</strong>d aus<br />

den bekannten Gründen nicht bekannt. Es dürften aber zweistellige Milliardensummen se<strong>in</strong><br />

<strong>und</strong> bleiben, solange die unkontrollierte Zuwanderung anhält" (Motschmann 1997a:20).<br />

Gegen e<strong>in</strong>e unkontrollierte Zuwanderung ließe sich vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt sehr viel<br />

e<strong>in</strong>wenden, wie es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em früheren Abschnitt geschehen ist, doch ist sie auch e<strong>in</strong><br />

erstrangiger Faktor <strong>in</strong> den explodierenden, die soziale Markt<strong>wirtschaft</strong> gefährdenden<br />

Sozialkosten.<br />

11.4. Fiasko der Entwicklungshilfe<br />

Auch die Entwicklungshilfe gehört zu den Maßnahmen des sozialen Ausgleichs. Sie ist<br />

sozusagen grenzüberschreitende Sozialhilfe. Auch sie muß sich vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt<br />

fragen lassen, wie weit es ihr gel<strong>in</strong>gt, Subsidiarität (Hilfe zur Selbsthilfe) vor Solidarität zu<br />

realisieren, <strong>und</strong> das hieße wiederum, rentable Arbeitsplätze - diesmal <strong>in</strong> den<br />

Entwicklungsländern - zu schaffen.<br />

Hier ist die Bilanz verheerend. Wie e<strong>in</strong> <strong>in</strong>timer Sachkenner, der als Ökonom <strong>und</strong><br />

Entwicklungsfachmann se<strong>in</strong> ganzes Berufsleben diesem Anliegen gewidmet hat, <strong>in</strong> scharfer<br />

Analyse nachweist, s<strong>in</strong>d eher die lokalen Eliten fettgefüttert <strong>und</strong> darüber h<strong>in</strong>aus existierende<br />

lokale Arbeitsplätze massenhaft vernichtet worden (Alexander 1992, <strong>in</strong>sbes. Kap. 4.1: Die<br />

westlichen Export<strong>in</strong>teressen). Letzteres, weil wiederum die Transferleistungen <strong>in</strong> die<br />

Infrastruktur <strong>und</strong> den Konsum flossen, <strong>in</strong>sbesondere zum Import westlicher Konsumgüter <strong>und</strong><br />

Sachspenden zu dump<strong>in</strong>g-Preisen verwendet wurden <strong>und</strong> damit die Wettbewerbsfähigkeit der<br />

e<strong>in</strong>heimischen Produktion zerstörten.<br />

So lief wiederum alles auf e<strong>in</strong>e Umverteilung zwischen westlichen Steuerzahlern <strong>und</strong><br />

Spendern auf der e<strong>in</strong>en Seite <strong>und</strong> westlichen dump<strong>in</strong>g-Firmen auf der anderen Seite h<strong>in</strong>aus<br />

<strong>und</strong> damit auf die Schwächung der e<strong>in</strong>heimischen Wirtschaft <strong>und</strong> die Förderung der


97<br />

Abwanderung aus diesen Ländern <strong>in</strong> die entwickelten Länder (Alexander 1992, <strong>in</strong>sbes. Teil 3,<br />

Sektion 2.5: Vermeidung entwicklungsschädlicher Veränderungen). Es kl<strong>in</strong>gt bitter, wenn<br />

Alexander (Brief vom 7.3.97) äußert, "daß wir den armen Ländern vor allem dadurch helfen<br />

können, daß wir aufhören, ihnen zu schaden".<br />

Selbst bei kirchlicher Entwicklungshilfe wie Misereor bemängelt Harbrecht e<strong>in</strong>e zu starke<br />

Konsumorientierung, die überdies e<strong>in</strong>e Anspruchs- oder Almosenempfängermentalität fördert.<br />

Nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil der Hilfe dient dem Auf- <strong>und</strong> Ausbau des Sachkapitalstocks der<br />

Entwicklungsländer, ohne den es ke<strong>in</strong>e Entwicklung geben kann.<br />

Wenn Misereor mit e<strong>in</strong>zelnen Projekten, d.h. ökonomisch betrachtet mit e<strong>in</strong>maligen Ausgaben, e<strong>in</strong>e dauerhalfte<br />

Wirkung erzielen will, muß es verstärkt auf e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>vestive Verwendung der Mittel achten, d.h. Projekte<br />

fördern, deren Fortführung später aus ihrem eigenen Ertrag heraus f<strong>in</strong>anziert werden kann. Dagegen erfordert die<br />

Bereitstellung e<strong>in</strong>es bestimmten Maßes an Konsumgütern e<strong>in</strong>en permanenten Aufwandsstrom, nur um e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>mal angestrebtes Niveau zu erreichen <strong>und</strong> dann beizubehalten. Entwicklung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er laufenden<br />

Verbesserung der Lebensverhältnisse ist damit nicht zu erzielen (Harbrecht 1992:294).<br />

Auch Lachmann hält Ost-West-Anpassung <strong>und</strong> Nord-Süd-Ausgleich nur für möglich,<br />

wenn mit ursachenadäquaten Instrumenten an die Überw<strong>in</strong>dung dieser uns alle betreffenden Probleme<br />

herangegangen wird. E<strong>in</strong>fache Schlagworte wie 'Teilung wird durch Teilen überw<strong>und</strong>en' haben im Gr<strong>und</strong>e ke<strong>in</strong>e<br />

Berechtigung ....Selbst die gut geme<strong>in</strong>te Entwicklungshilfe hatte negative Folgen. Hilfe kann nämlich<br />

korrumpieren <strong>und</strong> eigene Anstrengungen vereiteln (Lachmann 1992:93,95).<br />

In theoretischer H<strong>in</strong>sicht ist es der schwedische Nobelpreisträger Myrdal gewesen, der e<strong>in</strong>e<br />

zentralistische Ideologie der Entwicklung vertrat <strong>und</strong> damit Wissenschaft <strong>und</strong> Praxis der<br />

Entwicklungsökonomie weltweit prägte. Aus <strong>christliche</strong>r Weltsicht wäre genau das Gegenteil<br />

zu empfehlen, nämlich Förderung dezentraler Eigen<strong>in</strong>itiative <strong>und</strong> weitgehende Infragestellung<br />

der Entwicklungshilfe auf Regierungsebene.<br />

Es ist erfreulich, daß es zu diesem düsteren Bild bereits christlich motivierte Alternativen gibt.<br />

Hier wäre besonders die Arbeit der Organisation "Opportunity International" zu nennen, die<br />

durch gezielte Förderung des Aufbaus von Kle<strong>in</strong>unternehmen ("micro enterprises") <strong>in</strong> den<br />

armen Ländern unter gleichzeitiger Vermittlung <strong>christliche</strong>r Werte bereits Millionen von<br />

wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen mit dauerhaftem E<strong>in</strong>kommen geschaffen hat. E<strong>in</strong>e<br />

Almosen-Strategie wird gr<strong>und</strong>sätzlich verworfen: die <strong>in</strong> Form von verz<strong>in</strong>slichen Darlehen<br />

gewährten Förderungsmittel fließen zurück <strong>und</strong> stehen für die Schaffung weiterer<br />

Arbeitsplätze zur Verfügung.<br />

Hier geschieht also echte Hilfe zur Selbsthilfe - Subsidiarität vor Solidarität! Auch dem<br />

Problem der Wirtschaftsflüchtl<strong>in</strong>ge, das zweifellos zur deutschen Wirtschaftskrise beiträgt,<br />

wird auf diese Weise entgegengewirkt.<br />

11.5. Die Frage der Krisenbewältigung <strong>in</strong> der sozialen Markt<strong>wirtschaft</strong><br />

Wir haben uns vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt für die soziale Markt<strong>wirtschaft</strong> ausgesprochen,<br />

müssen aber konstatieren, daß sich diese heute <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Krise bef<strong>in</strong>det. Die Frage der<br />

Krisenbewältigung <strong>in</strong> der sozialen Markt<strong>wirtschaft</strong> genauer zu diskutieren, würde den<br />

Rahmen dieser Vorlesung sprengen. Wir wollen aber wenigstens e<strong>in</strong>ige Ursachen der Krise<br />

nennen, an denen sich die Versuche e<strong>in</strong>er Bewältigung ansetzen lassen.


98<br />

Sautter (1997a: 34f) nennt ohne Anspruch auf Vollständigkeit fünf Entwicklungen, die zur<br />

gegenwärtigen Krise beigetragen haben:<br />

1. Globalisierung des Wirtschaftens<br />

2. Änderungen <strong>in</strong> der Bevölkerungsstruktur<br />

3. Abnehmende Belastbarkeit privater sozialer Netze<br />

4. Selbstausbeutung der Systeme sozialer Sicherung<br />

5. Die deutsche Vere<strong>in</strong>igung<br />

Die Krise manifestiert sich am spürbarsten <strong>und</strong> empf<strong>in</strong>dlichsten <strong>in</strong> der Arbeitslosigkeit. Es<br />

ersche<strong>in</strong>t daher zweckmäßig, auch die speziellen Ursachen der Arbeitslosigkeit nochmals<br />

zusammenzufassen.<br />

1. Technischer Fortschritt. Freisetzung von Arbeitskräften ist absolut natürliche, direkte<br />

Folge <strong>und</strong> Begleitersche<strong>in</strong>ung des technischen Fortschritts. Sie wird sich im Zuge der rasch<br />

fortschreitenden Integration des Computers <strong>in</strong> fast alle Arbeitsgänge weiter beschleunigen.<br />

Hiergegen können <strong>und</strong> sollen wir mit Rücksicht auf unsere Wettbewerbsfähigkeit nichts tun.<br />

2. Mangel an Arbeitsplatz<strong>in</strong>novation. Während die USA dieselbe technische<br />

Entwicklung etwas phasenverschoben durchmachen, ist es ihnen gelungen, durch Aufbau<br />

e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>novativen Dienstleistungssektors gegenzusteuern. Gründliches Studium der<br />

amerikanischen Entwicklung, <strong>in</strong>sbesondere der Art <strong>und</strong> Qualifikation der Millionen von<br />

neuen Arbeitsplätzen, ist überfällig <strong>und</strong> könnte zu fruchtbaren Anregungen für deutsche<br />

Verhältnisse führen. Das verächtliche Gerede von "McDonald jobs" sollte m<strong>in</strong>destens so<br />

lange zurückgestellt werden.<br />

Der Mangel an Kreativität <strong>und</strong> Innovation führt zu e<strong>in</strong>er "Verwaltung des Mangels" an<br />

Arbeitsplätzen, z.B. durch Beschränkung der Arbeitszeit <strong>und</strong> "gleichmäßigere Verteilung der<br />

Arbeit", möglichst noch mit vollem Lohnausgleich, was vollends zur Explosion der<br />

Lohnkosten <strong>und</strong> der Arbeitslosigkeit führen müßte.<br />

Die B<strong>und</strong>esregierung gibt mehr für Subventionen veralteter, nicht mehr wettbewerbsfähiger<br />

Arbeitsplätze aus als für die gesamte Forschung <strong>und</strong> Entwicklung, die auf Innovation<br />

gerichtet ist ("Deutschland <strong>in</strong>vestiert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Vergangenheit").<br />

3. Sozialhilfe ohne Arbeitsverpflichtung. Ebenfalls <strong>in</strong> den USA muß jeder<br />

Sozialhilfeempfänger arbeiten. Das deutsche "Zumutbarkeitsproblem" gibt es ansche<strong>in</strong>end<br />

dort nicht. Ähnliche Regelungen <strong>in</strong> Deutschland würden wahrsche<strong>in</strong>lich viele <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Arbeitsprozeß zurückbr<strong>in</strong>gen. Selbstverständlich sollte vor allem die Umschulung <strong>und</strong><br />

E<strong>in</strong>gliederung <strong>in</strong> den neuen Dienstleistungssektor versucht werden. "Wer nicht arbeiten will,<br />

soll auch nicht essen".<br />

4. Unkontrollierte Massene<strong>in</strong>wanderung. Die faktisch unkontrollierte<br />

Massene<strong>in</strong>wanderung hat, neben vielen anderen destabilisierenden, wenn nicht<br />

zerstörerischen E<strong>in</strong>flüssen auf unsere Gesellschaft, auch starken E<strong>in</strong>fluß auf die<br />

Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> die Soziallasten. E<strong>in</strong>e sorgfältige Studie über Ausländerarbeitslosigkeit<br />

<strong>und</strong> Soziallasten (wie auch Ausländerkrim<strong>in</strong>alität) ist ebenfalls überfällig. Die Probleme<br />

werden verschärft durch explosive biologische Vermehrung der Immigranten (Äußerung e<strong>in</strong>er<br />

Türk<strong>in</strong>: "wir gebären euch kaputt"). Die K<strong>in</strong>der beenden häufig nicht e<strong>in</strong>mal die Gr<strong>und</strong>schule<br />

<strong>und</strong> lassen das Heer der nicht Vermittelbaren <strong>und</strong> zur Krim<strong>in</strong>alität Neigenden anschwellen.


99<br />

Christen sollten aufhören, diese katastrophale Entwicklung aus mißverstandener <strong>christliche</strong>r<br />

Motivation zu stützen <strong>und</strong> vielmehr aus <strong>christliche</strong>r Verantwortung e<strong>in</strong>e Rückführung von<br />

Immigranten <strong>und</strong> strikte Beschränkung von E<strong>in</strong>wanderung auf wirklich Verfolgte, besonders<br />

verfolgte Christen, vertreten. E<strong>in</strong>e europäische Union mit freier Wahl des Wohnsitzes für 90<br />

Millionen Türken ist e<strong>in</strong> Alptraum nicht nur, aber besonders auch im Blick auf<br />

Arbeitslosigkeit.<br />

Der sofort drohende, wie e<strong>in</strong>e Keule gegen jedes sachliche Argument gebrauchte Vorwurf der<br />

"Ausländerfe<strong>in</strong>dlichkeit" sollte zurückgewiesen werden. "Ausländerfre<strong>und</strong>lichkeit" <strong>und</strong><br />

"E<strong>in</strong>wanderungsfre<strong>und</strong>lichkeit" sollten unterschieden werden.<br />

5. Unqualifizierte deutsche Arbeitskräfte. Auch bei deutschen Jugendlichen lassen<br />

Ausbildung <strong>und</strong> Qualifikation erschreckend nach. Hierbei wirkt die lustgesteuerte,<br />

leistungsfe<strong>in</strong>dliche Lebensauffassung mit, gegen die Christen entschieden Front machen <strong>und</strong><br />

ihre <strong>christliche</strong>n Werte entgegensetzen sollten.<br />

6. Mangel an arbeitsplatzschaffenden Investitionen. Dies betrifft besonders den<br />

deutschen Osten. Die gigantischen Transferleistungen s<strong>in</strong>d ganz überwiegend <strong>in</strong> den Konsum<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong> die Infrastruktur geflossen, aber nicht <strong>in</strong> die Schaffung wettbewerbsfähiger<br />

Arbeitsplätze. So wurde das "Überw<strong>in</strong>den der Teilung durch Teilen" zu e<strong>in</strong>em Faß ohne<br />

Boden <strong>und</strong> führte, ähnlich wie <strong>in</strong> der Entwicklungshilfe, zur Massenvernichtung von<br />

Arbeitsplätzen. Die Organisation OID gibt e<strong>in</strong> Beispiel, daß man es auf <strong>christliche</strong>r Gr<strong>und</strong>lage<br />

auch besser machen kann: Millionen dauerhafter Arbeitsplätze wurden <strong>in</strong><br />

Entwicklungsländern geschaffen.<br />

7. Steuerrecht. E<strong>in</strong> niedriger Spitzensteuersatz hat <strong>in</strong> den USA sicher stark mitgewirkt, daß<br />

sich Leistung wieder lohnte, Selbständigkeit aufblühte ("Kultur der Selbständigkeit") <strong>und</strong><br />

Arbeitsplätze geschaffen wurden. Christen <strong>in</strong> Deutschland sollten sich nicht an dem<br />

"umverteilungslastigen" Kirchenwort orientieren, sondern für Leistungsanreize bei den<br />

Leistungsträgern der Gesellschaft e<strong>in</strong>treten.<br />

8. Doppelverdienst. Verzicht auf Doppelverdienst war schon früher von der ev. Allianz<br />

angesprochen worden. Wer wagt es heute noch, vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt e<strong>in</strong> - mit<br />

Sicherheit e<strong>in</strong>en Aufschrei verursachendes - Wort zur Berufstätigkeit von Ehefrauen,<br />

<strong>in</strong>sbesondere mit K<strong>in</strong>dern zu sagen? Wieviele Arbeitsplätze könnten hier für andere verfügbar<br />

gemacht werden?


100<br />

KAP 12: HEMMFAKTOR KONZENTRATION<br />

12.1. Gigantomanie <strong>und</strong> Machtkonzentration <strong>in</strong> Staat, Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Gesellschaft<br />

Die Tendenz zur Zentralisierung, Machtkonzentration <strong>und</strong> Gigantomanie ist ke<strong>in</strong>eswegs nur<br />

auf staatlicher Ebene (auch <strong>in</strong> demokratischen Staaten) zu beobachten, sondern auch <strong>in</strong> vielen<br />

anderen Bereichen von Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft.<br />

Wir sehen sie <strong>in</strong> der Fusionstätigkeit der Firmen, die immer größere, mächtigere <strong>und</strong><br />

marktbeherrschendere Firmengebilde hervorbr<strong>in</strong>gt. Wir sehen sie <strong>in</strong> der Stadt- <strong>und</strong><br />

Regionalentwicklung, die zur "Megalopolis" <strong>und</strong> zu Ballungszentren führt. Wir sehen sie <strong>in</strong><br />

der Architektur mit ihren seelenlosen Massen-Wohnmasch<strong>in</strong>en bis zur Stal<strong>in</strong>allee. Wir sehen<br />

sie <strong>in</strong> zahllosen Organisationen <strong>und</strong> Interessenverbänden, die sich Gewicht durch Masse<br />

verschaffen, etwa durch Millionen Mitglieder, die gleichgeschaltet werden, sodaß man sich<br />

se<strong>in</strong>er Sozialmacht rühmen <strong>und</strong> diese e<strong>in</strong>setzen kann. Viele andere Beispiele von<br />

Verhandlungsmacht durch Zusammenschlüsse <strong>und</strong> Konzentration s<strong>in</strong>d überall zu f<strong>in</strong>den.<br />

Zur rationalen Rechtfertigung dieser Gebilde wenigstens nach der <strong>wirtschaft</strong>lichen Seite h<strong>in</strong><br />

wird mit "economies of scale" argumentiert, während die "diseconomies of scale", ähnlich<br />

den Millendorferschen Hemmfaktoren, weitgehend außer Betracht bleiben, sodaß es häufig zu<br />

<strong>in</strong>efizienten großen E<strong>in</strong>heiten kommt. Ganz allgeme<strong>in</strong> urteilt Millendorfer, der die<br />

vergangene Entwicklung als "verflossene Zukunft" bezeichnet, wie folgt.<br />

In der verflossenen Zukunft haben sich riesige organisatorische Gebilde entwickelt, bei denen viele, wie sich<br />

jetzt zeigt, nicht die ökonomische Optimierung, sondern die Maximierung der Macht durch Größenmaximierung<br />

zum Ziel hatten. Vielen dieser Gebilde ist es gelungen, dem Selektionsdruck des Marktes durch ihre Macht<br />

auszuweichen <strong>und</strong> dadurch trotz Ineffizienz zu überleben. Heute s<strong>in</strong>d viele dieser kranken Riesen Empfänger<br />

von Subventionen, die die kle<strong>in</strong>en effizienten E<strong>in</strong>heiten bezahlen müssen. Erst jetzt kommt die Irrationalität der<br />

damaligen Strategie zutage, die sich des rationalen Arguments der "Economy of scale" bediente. Dies ist nur e<strong>in</strong><br />

Beispiel für die allgeme<strong>in</strong>ere Aussage, daß die verflossene Zukunft ihre Irrationalitäten mit sche<strong>in</strong>bar rationalen<br />

Argumenten begründete. Es ist also notwendig, unsere natürliche Vernunft freizumachen von den Klischees der<br />

zu Ende gehenden Epoche. An die Stelle e<strong>in</strong>er irrationalen Megalithkultur müssen Konzepte e<strong>in</strong>er Neugestaltung<br />

<strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>gliedrigkeit treten. Danach werden überschaubare E<strong>in</strong>heiten e<strong>in</strong> Maximum an Autonomie brauchen <strong>und</strong><br />

die übergeordneten E<strong>in</strong>heiten nur subsidiär e<strong>in</strong>greifen (Millendorfer 1984: 98).<br />

12.2. Gegen Machtkonzentration <strong>und</strong> für Erhaltung des Wettbewerbs<br />

Aus <strong>christliche</strong>r Sicht ist jede Macht, die sich nicht bewußt Gott unterstellt, verdächtig <strong>und</strong> zu<br />

fürchten. Machtkonzentration sollte daher möglichst vermieden werden, soweit der E<strong>in</strong>zelne<br />

als Manager, Arbeitnehmer oder Staatsbürger (letzterer mit dem Stimmzettel) darauf E<strong>in</strong>fluß<br />

nehmen kann. Wo Machtkonzentration bis zu e<strong>in</strong>em gewissen Grade unvermeidlich ist, sollte<br />

sehr sorgfältig auf die Kontrolle ihrer Gefahren geachtet werden.<br />

E<strong>in</strong>e erste Gefahr ist, daß Macht leicht zu Härte <strong>und</strong> Unfairness gegenüber weniger<br />

Mächtigen, von ihr Abhängigen führt.<br />

E<strong>in</strong>e Großhandelskette wurde durch Verkauf <strong>in</strong> e<strong>in</strong> größeres Unternehmen e<strong>in</strong>gegliedert. Der neue Eigentümer<br />

ließ e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en mittelständischen Lieferanten durch speziell geschulte Psychologen unter Druck setzen,<br />

50.000,- DM für die Fortsetzung der Lieferantenbeziehung zu bezahlen. Der hilflose kle<strong>in</strong>e Lieferant hatte ke<strong>in</strong>e


101<br />

andere Möglichkeit. Nach e<strong>in</strong>iger Zeit folgte e<strong>in</strong>e zweite R<strong>und</strong>e desselben Spiels mit weiteren Forderungen. Es<br />

g<strong>in</strong>g das Gerücht, daß der neue Eigentümer auf diese Weise se<strong>in</strong>e Aquisition f<strong>in</strong>anzierte. Auch die Auto<strong>in</strong>dustrie<br />

bietet Beispiele von Knebelung <strong>und</strong> Erpressung von Lieferanten.<br />

Diese D<strong>in</strong>ge firmieren unter dem Titel "Verhandlungsmacht". Christliche Wirtschaftsethik<br />

wird aber bedenken wollen, was sie dem Verhandlungspartner antut.<br />

E<strong>in</strong>e zweite Gefahr ist die Gefährdung des Wettbewerbs durch Marktmacht oder<br />

F<strong>in</strong>anzmacht. Damit wird e<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>säule der sozialen Markt<strong>wirtschaft</strong> gefährdet, die wir<br />

auch aus <strong>christliche</strong>r Sicht als beste verfügbare Wirtschaftsform bejaht haben. Über die<br />

Gefährdung des Wettbewerbs <strong>in</strong> unserer Wirtschaftsentwicklung äußert sich Scheuch deutlich<br />

<strong>und</strong> skeptisch:<br />

Markt<strong>wirtschaft</strong> kann man unser Wirtschaftssystem mit se<strong>in</strong>er Verfilzung unter den Großunternehmen <strong>und</strong> bei<br />

e<strong>in</strong>er Staatsquote um die 50 % nur mit E<strong>in</strong>schränkungen nennen .... Das Modell unserer Wirtschaft war e<strong>in</strong>mal<br />

die Konkurrenz vieler unabhängiger Unternehmen untere<strong>in</strong>ander. Die Realität unseres heutigen<br />

Wirtschaftssystems ist dagegen die Verfilzung von Großunternehmen (Scheuch 1999).<br />

Am Beispiel der Metro AG zeigt er, wie drei Eigentümerfamilien durch ganze Ketten von<br />

Schachtelbeteiligungen e<strong>in</strong>e Unzahl von e<strong>in</strong>zelnen Unternehmungen "verfilzen".<br />

In der Tat ist der Wettbewerbsfreiheit wie der Freiheit generell die Selbstzerstörungstendenz<br />

immanent. E<strong>in</strong>er der Konkurrenten geht aus dem freien Wettbewerb als Stärkster hervor,<br />

könnte aufgr<strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Überlegenheit die Konkurrenten nach <strong>und</strong> nach ausschalten, zum<br />

Monopolisten werden <strong>und</strong> damit die Wettbewerbsfreiheit zerstören. Dieses "Paradox der<br />

Freiheit" wurde besonders gründlich von Fikentscher (1997) untersucht. Ungezügelte Freiheit<br />

zerstört sich selbst, nur gezügelte Freiheit kann andauern. Diesen Gefahren gilt es bewußt zu<br />

begegnen schon ehe e<strong>in</strong>e Kartellbehörde auf den Plan tritt.<br />

12.3. Gewerkschaftsmacht<br />

E<strong>in</strong> besonderer Fall von Machtkonzentration ist die Gewerkschaftsmacht. Bei e<strong>in</strong>er<br />

Durchsicht der Literatur zur Unternehmensethik kann man sich des E<strong>in</strong>drucks nicht erwehren,<br />

daß es sich im Wesentlichen um e<strong>in</strong>e Arbeitgeber- <strong>und</strong> Arbeitnehmerethik handelt. Dagegen<br />

bleibt e<strong>in</strong>er der Hauptakteure, dessen Aktionen äußerst weitreichende <strong>und</strong> tiefgehende<br />

Auswirkungen <strong>in</strong> der Unternehmung <strong>und</strong> darüber h<strong>in</strong>aus haben, außer Betracht: die<br />

Gewerkschaft. Ich rege daher an, daß jede Bemühung um Wirtschaftsethik auch die Thematik<br />

e<strong>in</strong>er Ethik des gewerkschaftlichen Handelns aufgreifen <strong>und</strong> ihr die Aufmerksamkeit<br />

schenken sollte, die ihrer Wichtigkeit entspricht.<br />

Jedes <strong>wirtschaft</strong>liche Handeln f<strong>in</strong>det zunächst <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es "Systems" der direkten<br />

Adressaten <strong>und</strong> direkt Betroffenen statt, ruft aber <strong>in</strong> der Regel auch "externe" Effekte<br />

außerhalb dieses Systems hervor. Da <strong>wirtschaft</strong>liche Akteure dazu neigen <strong>und</strong> rechtlich oft die<br />

Möglichkeit haben, sich der Verantwortung für von ihnen hervorgerufene externe Effekte zu<br />

entziehen, <strong>und</strong> da ferner die immer wieder versuchte "Internalisierung" der externen Effekte<br />

nicht immer erfolgreich ist, könnte man daran denken, die folgenden allgeme<strong>in</strong>en ethischen<br />

Pr<strong>in</strong>zipien für <strong>wirtschaft</strong>liches Handeln aufzustellen:<br />

Niemand darf durch se<strong>in</strong> <strong>wirtschaft</strong>liches Handeln externe Effekte folgender Art hervorrufen:


102<br />

1. E<strong>in</strong>schränkung oder Verlust wichtiger Gr<strong>und</strong>rechte <strong>und</strong><br />

Freiheiten von extern Betroffenen (Diskrim<strong>in</strong>ierung).<br />

2. Belastung <strong>und</strong> Schädigung der Allgeme<strong>in</strong>heit.<br />

3. Sozialer Abstieg von extern Betroffenen, <strong>in</strong>sbesondere ihre<br />

Abdrängung <strong>in</strong> die Abhängigkeit vom Sozialstaat.<br />

Mit Bezug auf diese ethischen Pr<strong>in</strong>zipien könnte man folgende Thesen aufstellen <strong>und</strong> die<br />

anschließenden Fragen stellen.<br />

1. Die angelsächsische Gewerkschaftspolitik des "closed shop" verbietet <strong>in</strong> allen betroffenen<br />

Betrieben die Beschäftigung von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern. Damit werden das<br />

Gr<strong>und</strong>recht auf Arbeit <strong>und</strong> die Freiheit zur Wahl des Arbeitsplatzes <strong>in</strong> empf<strong>in</strong>dlicher Weise<br />

e<strong>in</strong>geschränkt, so empf<strong>in</strong>dlich, daß zum Beispiel e<strong>in</strong>ige Staaten der USA sich veranlaßt<br />

sahen, "right-to-work laws" zu erlassen. Ist e<strong>in</strong>e derart an die Gr<strong>und</strong>rechte rührende<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung ethisch vertretbar?<br />

2. Die Hochlohnpolitik der deutschen Gewerkschaften, verb<strong>und</strong>en mit dem Verbot, zu<br />

niedrigeren Löhnen zu arbeiten, verursacht <strong>und</strong> zementiert Arbeitslosigkeit (besonders <strong>in</strong> den<br />

neuen B<strong>und</strong>esländern). Sie stellt e<strong>in</strong>e Diskrim<strong>in</strong>ierung gegen Arbeitswillige <strong>und</strong> Arbeitslose<br />

dar, die lieber zu niedrigeren Löhnen arbeiten wollen als arbeitslos zu se<strong>in</strong>, <strong>und</strong> beraubt sie<br />

faktisch des Rechts auf Arbeit <strong>und</strong> der Würde des Arbeitenden. Außerdem verh<strong>in</strong>dert sie e<strong>in</strong>e<br />

produktive Leistung dieser Arbeitslosen <strong>und</strong> richtet damit großen volks<strong>wirtschaft</strong>lichen<br />

Schaden an. Ist e<strong>in</strong>e Hochlohnpolitik für Bevorzugte um den Preis der Zementierung von<br />

Arbeitslosigkeit ethisch vertretbar?<br />

3. Die Hochlohnpolitik ist e<strong>in</strong>e der wichtigsten Ursachen der Inflation, die die Allgeme<strong>in</strong>heit<br />

beraubt, <strong>und</strong> zwar sowohl die Sparer <strong>und</strong> Vermögensbesitzer als auch alle, deren E<strong>in</strong>kommen<br />

nicht mit der Inflation Schritt hält. Dagegen hält die Gewerkschaft ihre beschäftigten<br />

Mitglieder gegenüber der Inflation schadlos, <strong>in</strong>dem sie bei Lohnforderungen den Ausgleich<br />

der von ihr selbst verursachten Inflation gleich mitfordert. Ist die <strong>in</strong>flationistische Beraubung<br />

der Allgeme<strong>in</strong>heit ethisch vertretbar?<br />

4. Gewerkschaftliches Denken meldet Lohnansprüche unter Berücksichtigung des<br />

Produktivitätsfortschritts, der Inflation <strong>und</strong> der Umverteilung an. Schon alle<strong>in</strong> die<br />

Orientierung am Produktivitätsfortschritt ist mehr als fragwürdig, weil sie den Ertrag<br />

produktivitätssteigernder Investitionen sofort wieder kassiert <strong>und</strong> den entsprechenden<br />

technischen Fortschritt für den Investor <strong>wirtschaft</strong>lich unattraktiv macht. Ist diese Bremsung<br />

des technischen Fortschritts ethisch vertretbar?<br />

5. Die ebenfalls stark von gewerkschaftlichem E<strong>in</strong>fluß geprägte Sozialgesetzgebung zerstört<br />

die <strong>wirtschaft</strong>liche Motivation zur Arbeit. Soziale<strong>in</strong>kommen liegen häufig höher oder<br />

unwesentlich niedriger als marktfähige Arbeitslöhne. Besonders den ger<strong>in</strong>g Qualifizierten, die<br />

das Gros der deutschen Arbeitslosen stellen, wird damit die <strong>wirtschaft</strong>liche Motivation zur<br />

Arbeit genommen. Ihr sozialer Abstieg wird zementiert, ihre potentielle Produktivität nicht<br />

genutzt, ihre Versorgung den Beschäftigten aufgebürdet. Ist e<strong>in</strong>e Sozialpolitik, die<br />

Arbeitslosigkeit erzeugt <strong>und</strong> zementiert, ethisch vertretbar?<br />

6. E<strong>in</strong> Hauptkampfmittel der Gewerkschaften ist der Streik, der nicht nur bei den unmittelbar<br />

betroffenen Verhandlungsparteien, sondern auch für die Allgeme<strong>in</strong>heit riesigen Schaden<br />

anrichten kann. Die Gewerkschaft kennt zwar unter bestimmten Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>e


103<br />

Friedenspflicht, aber sie kennt ke<strong>in</strong>en sozialen Pazifismus, der sich auf Verhandlungen <strong>und</strong><br />

Diplomatie beschränkt, so sehr sie sich sonst pazifistisch gibt. Vielmehr zieht sie immer<br />

wieder für ihre Forderungen <strong>in</strong> den sozialen Krieg, der empf<strong>in</strong>dliche Opfer fordert, wenn<br />

auch nicht an Menschenleben. Die Beziehung des Streiks zu Gewalttätigkeit, Erpressung,<br />

Nötigung <strong>und</strong> Schädigung der Allgeme<strong>in</strong>heit sollte vom ethischen Standpunkt geklärt<br />

werden. Ist Streik e<strong>in</strong>e Form von Gewalttätigkeit <strong>und</strong> Erpressung, die ethisch vertretbar ist?<br />

Diese ausgewählten Fragen mögen genügen, um den Umfang der angesprochenen ethischen<br />

Probleme zu umreißen. Wir verweisen noch auf S<strong>in</strong>n (2004, <strong>in</strong>sbesondere Kap 3:<br />

Arbeitsmarkt im Würgegriff der Gewerkschaften).<br />

12.4. Dezentralisierung, kle<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heiten <strong>und</strong> Freiheit<br />

Das Problem der Machtkonzentration <strong>und</strong> <strong>in</strong>dividuellen Freiheit, das schon verschiedentlich<br />

angesprochen wurde, ist e<strong>in</strong> Sonderfall e<strong>in</strong>es organisationstheoretischen oder<br />

systemtheoretischen Problems, das sich <strong>in</strong> allen hierarchischen soziotechnischen Systemen<br />

stellt. Und weil praktisch alle soziotechnischen Systeme sehr komplex <strong>und</strong> darum nur<br />

hierarchisch zu steuern s<strong>in</strong>d, betrifft das Problem praktisch alle soziotechnischen Systeme. Es<br />

handelt sich letzlich um die alte Frage der Zentralisierung <strong>und</strong> Dezentralisierung von<br />

Entscheidungsbefugnissen bzw. der Verteilung der Gewichte zwischen diesen Möglichkeiten.<br />

Die mehrheitliche wissenschaftliche Me<strong>in</strong>ung gibt heute der Dezentralisierung bei weitem das<br />

größere Gewicht. Man ist weitgehend überzeugt <strong>und</strong> kann dies auch systemanalytisch<br />

nachweisen, daß die den nachgeordneten Ebenen gewährte Freiheit <strong>und</strong> Autonomie,<br />

verb<strong>und</strong>en mit Inzentiven, e<strong>in</strong>en Schub an Kreativität <strong>und</strong> Effektivität auslöst, der e<strong>in</strong>en<br />

etwaigen Dezentralisierungsverlust durch unvollkommene Koord<strong>in</strong>ation im S<strong>in</strong>ne des<br />

Gesamtsystems überkompensiert. Dies gilt, gleichgültig ob es sich um funktionale, divisionale<br />

oder regionale E<strong>in</strong>heiten gegenüber e<strong>in</strong>er Unternehmensleitung, um Länder gegenüber der<br />

B<strong>und</strong>esregierung, um Unternehmen oder E<strong>in</strong>zelpersonen gegenüber der staatlichen<br />

Wirtschaftspolitik handelt.<br />

Beispiele liefern die betriebs<strong>wirtschaft</strong>liche Literatur zum Thema Zentralisierung oder<br />

Dezentralisierung, die empirischen Erkenntnisse von Peters/Waterman zur Führung an der<br />

langen Le<strong>in</strong>e <strong>und</strong> zur Effektivität kle<strong>in</strong>er autonomer E<strong>in</strong>heiten ("small is beautiful"), die<br />

katholische Soziallehre mit ihrem Vorrang von Subsidiarität vor Solidarität, also Vorfahrt für<br />

Eigenverantwortung, die extrem erfolgreiche Entwicklungspolitik von Opportunity<br />

International , die mit kle<strong>in</strong>en selbständigen Wirtschaftse<strong>in</strong>heiten an der Basis der armen<br />

Länder ansetzt. Unrühmliche Ausnahmen s<strong>in</strong>d das Kirchenpapier mit se<strong>in</strong>er<br />

Gleichgewichtung von Solidarität <strong>und</strong> Subsidiarität <strong>und</strong> die Theorien des schwedischen<br />

Nobelpreisträgers Myrdal, der den Entwicklungsländern e<strong>in</strong>en starken<br />

Regierungszentralismus als e<strong>in</strong>zigen Weg zur Entwicklung verordnet <strong>und</strong> damit die<br />

Entwicklungsökonomie für Jahrzehnte geprägt <strong>und</strong> die zugehörige Praxis <strong>in</strong> den Graben<br />

gefahren hat.<br />

12.4.1. Dezentralisierung, kle<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heiten <strong>und</strong> Freiheit<br />

Aufgr<strong>und</strong> des <strong>christliche</strong>n Menschenbildes <strong>und</strong> der ihm <strong>in</strong>newohnenden Menschenwürde<br />

kann man e<strong>in</strong>e möglichst große Gestaltungsfreiheit (durch Dezentralisierung) nur entschieden<br />

befürworten <strong>und</strong> unterstützen. Verantwortungsbewußte Freiheit ist dem zum Ebenbild Gottes


104<br />

bestimmten Menschen angemessener als e<strong>in</strong> Rädchen im Getriebe zu se<strong>in</strong>. Se<strong>in</strong> subjektives<br />

Glücksgefühl hängt von solcher Freiheit ab, wie sogar die empirische Sozialforschung <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>drucksvoller Weise nachweist. "E<strong>in</strong> freiheitliches Wirtschaftssystem macht die<br />

Gesellschaft glücklicher", so überschreibt Noelle-Neumann (1999) ihren Bericht über<br />

e<strong>in</strong>schlägige Erhebungen. Sie führt dar<strong>in</strong> aus: "Die Ergebnisse bestätigten sich jedes Mal,<br />

immer waren die Menschen mit großer subjektiver Entscheidungsfreiheit am Arbeitsplatz<br />

fröhlicher, gesünder, aktiver, sozial fre<strong>und</strong>licher". Menschen mit dem Gefühl großer Freiheit<br />

am Arbeitsplatz bezeichneten sich zu 60% als glücklich, Menschen, die sich eher unfrei<br />

fühlen, lediglich zu 12%. Trotz dieser e<strong>in</strong>deutigen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>leuchtenden Bef<strong>und</strong>e berichtet die<br />

Autor<strong>in</strong> von erheblichen Widerständen gegen ihre Nutzanwendung: "Die ideologischen<br />

Barrieren, die immer wiederholten Bef<strong>und</strong>e, zum Beispiel den Zusammenhang von<br />

subjektivem Freiheitsgefühl, Entscheidungsfreiheit am Arbeitsplatz <strong>und</strong> Fröhlichkeit <strong>und</strong><br />

Aktivität zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn zu akzeptieren, s<strong>in</strong>d gewaltig".<br />

Daß dies sogar auf Unternehmer zutrifft, ist besonders überraschend <strong>und</strong> schmerzlich. Die<br />

Autor<strong>in</strong>: "Ich erwartete, daß sie, die Unternehmer, sofort fasz<strong>in</strong>iert se<strong>in</strong> würden, daß ihre<br />

unternehmerische Fantasie angeregt se<strong>in</strong> würde über diesem offenliegenden Weg zu gutem<br />

Betriebsklima, niedrigem Krankenstand, sozialer Fre<strong>und</strong>lichkeit, also kollegialem Verhalten<br />

.... aber alles das war zu den Unternehmern wie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er fremden Sprache gesprochen. Sie<br />

drehten mir .... e<strong>in</strong> taubes Ohr zu".<br />

Aber auch beim Arbeitnehmer <strong>und</strong> beim Staatsbürger ist die Option für Freiheit nicht<br />

e<strong>in</strong>deutig. Denn: "Entscheidungsfreiheit ist anstrengend, <strong>und</strong> zwar nicht nur für bestimmte<br />

Menschen, sondern für alle". Man scheut die Anstrengung - vielleicht weil man ihre Frucht<br />

nicht sieht: "Sich anstrengen aber heißt, se<strong>in</strong>e Kräfte zu gebrauchen. Das führt zu e<strong>in</strong>em<br />

Wachstum der Kräfte. Das aktiviert, <strong>und</strong> damit wächst das Selbstbewußtse<strong>in</strong>, <strong>und</strong><br />

Selbstbewußtse<strong>in</strong>, das ist nach allem, was wir heute sehen, die Quelle des Glücksgefühls". E<strong>in</strong><br />

rumänischer Arzt berichtete <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> München, daß sich se<strong>in</strong>e Landsleute zu der<br />

neu gewonnenen Freiheit äußern: sie ist uns zu anstrengend. Er me<strong>in</strong>te, es müsse wohl erst<br />

e<strong>in</strong>e Generation wegsterben.<br />

So kann es nicht überraschen, daß es auch beim <strong>in</strong>dividuellen Staatsbürger - besonders im<br />

deutschen Osten - e<strong>in</strong>e ebenfalls durch Befragungen nachgewiesene Vorneigung zu e<strong>in</strong>er<br />

weniger anstrengenden Gleichheit gibt. Freilich wird nicht gesehen, daß dies auf Kosten der<br />

Freiheit geht. "Daß man sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Konfliktfall für e<strong>in</strong>en der beiden Werte 'Freiheit' oder<br />

'Gleichheit' entscheiden müsse, stößt oft auf Unglauben", sagt Noelle-Neumann <strong>und</strong> zitiert<br />

Goethe:: "Wer Freiheit <strong>und</strong> Gleichheit zugleich verspricht, ist entweder e<strong>in</strong> Fantast oder e<strong>in</strong><br />

Scharlatan" sowie Horkheimer : "Je mehr Freiheit, desto weniger Gleichheit. Je mehr<br />

Gleichheit, desto weniger Freiheit". Zu dem E<strong>in</strong>wand, daß dieses Entweder-Oder doch<br />

wenigstens für die Chancengleicheit nicht gelten könne, bemerkt Noelle-Neumann , daß die<br />

Bevölkerung zwischen Chancengleichheit <strong>und</strong> faktischer Gleichheit nicht unterscheide - das<br />

zeigen die Umfragen. Wenn sie also für Gleichheit optiert, wie dies laut Umfragen im<br />

deutschen Osten relativ stark der Fall zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, optiert sie gegen Freiheit <strong>und</strong> die damit<br />

verb<strong>und</strong>enen Anstrengungen.<br />

Dazu e<strong>in</strong>e illustrative Parabel: e<strong>in</strong> gefangenes Vögelchen träumte jahrelang davon, daß<br />

jemand e<strong>in</strong>mal aus Versehen die Käfigtür offenlassen würde <strong>und</strong> es endlich wieder <strong>in</strong> die<br />

Freiheit entkommen könne. Nach langen Jahren g<strong>in</strong>g dieser Wunsch <strong>in</strong> Erfüllung. Das<br />

Vögelchen hüpfte h<strong>in</strong>aus, versuchte sich aufzuschw<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> stellte fest, daß es nicht mehr<br />

fliegen konnte. Traurig wandte es sich um <strong>und</strong> kehrte - diesmal freiwillig - wieder <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Käfig zurück. Dort hatte es Futter, Wasser <strong>und</strong> Versorgung für den Rest des unfreien Lebens,


105<br />

das se<strong>in</strong> Los war. Dazu paßt noch e<strong>in</strong> letztes Zitat von Noelle-Neumann : "Wenn aber den<br />

Menschen die Entscheidungen abgenommen werden, durch Fürsorge, Herrschaftsansprüche<br />

oder was immer, dann führt das zu e<strong>in</strong>er passiven Lebensweise. Bei passiver Lebensweise<br />

verfallen die Kräfte <strong>und</strong> damit das Selbstbewußtse<strong>in</strong>. Seit langem bew<strong>und</strong>ere ich die<br />

Hellsichtigkeit des Thomas von Aqu<strong>in</strong> , der sagte: Trägheit macht traurig".<br />

Die Alternative von Freiheit <strong>und</strong> Gleichheit wird uns im folgenden Kapitel über<br />

"Nivellierung" weiter beschäftigen.


106<br />

KAP 13: HEMMFAKTOR NIVELLIERUNG<br />

13.1. Das Ideal aller Despoten: der E<strong>in</strong>heitsmensch<br />

13.1.1. Nivellierung <strong>und</strong> Herrschaft<br />

Daß das Ideal aller Despoten der E<strong>in</strong>heitsmensch ist, liegt auf der Hand, weil e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche<br />

Gesellschaft am e<strong>in</strong>fachsten von oben beherrscht, manipuliert <strong>und</strong> dirigiert werden kann.<br />

Möglichst e<strong>in</strong>heitliches Denken, Wünschen <strong>und</strong> Reagieren - <strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit den<br />

Interessen der Herrschenden - s<strong>in</strong>d daher wichtige Erziehungsziele bei der Schaffung des<br />

E<strong>in</strong>heitsmenschen, die besonders - aber beileibe nicht nur - <strong>in</strong> totalitären Systemen bewußt<br />

verfolgt werden.<br />

So war <strong>in</strong> der Sowjetunion vom "neuen Sowjetmenschen" die Rede, den es zu entwickeln<br />

galt. In der "DDR" f<strong>in</strong>den wir e<strong>in</strong>e "Sozialistische E<strong>in</strong>heitspartei Deutschlands", neben der<br />

e<strong>in</strong>ige kle<strong>in</strong>e Parteien als Aushängeschild Unabhängigkeit vortäuschen sollten. E<strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>parteiensystem ist <strong>in</strong> allen totalitären Systemen die Regel. Man sollte der E<strong>in</strong>heitspartei<br />

möglichst angehören, um nicht beruflich, sozial <strong>und</strong> politisch unter Druck zu geraten. Die<br />

Regel s<strong>in</strong>d auch e<strong>in</strong>heitliche Jugendorganisationen - denen alle angehören sollten oder müssen<br />

- , die die ideologische Gleichschaltung betreiben, sofern diese nicht schon durch e<strong>in</strong><br />

gleichgeschaltetes Schulsystem besorgt wird. In vielen Systemen wird auch auf e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>heitliche "Staatsreligion" Wert gelegt, religiöse M<strong>in</strong>derheiten kommen unter schweren<br />

Druck <strong>und</strong> Verfolgung.<br />

Die Medien werden <strong>in</strong> den Dienst e<strong>in</strong>er möglichst e<strong>in</strong>heitlichen Informationspolitik,<br />

Informationsversorgung <strong>und</strong> Me<strong>in</strong>ungsmache gestellt. Viele weitere Symptome der<br />

Nivellierung durch Machthaber können überall beobachtet werden.<br />

13.1.2. Nivellierung macht die Gesellschaft krank<br />

Daß Nivellierung leichtere Herrschaftsausübung bewirkt, ist unbestritten. Aber was bewirkt<br />

sie sonst noch? Nach Baaske/Millendorfer (2002) macht sie die Gesellschaft <strong>in</strong> bestimmter<br />

Weise krank. Nivellierung zerstört Differenzierung, <strong>und</strong> Mangel an Differenzierung schränkt<br />

diagnostische Fähigkeiten <strong>und</strong> Problemlösungsfähigkeiten e<strong>in</strong>. Beispielsweise schränkt die<br />

Nivellierung der Geschlechter das Erkennen <strong>und</strong> Lösen geschlechtsspezifischer Probleme e<strong>in</strong>.<br />

Der Mangel an diagnostischer Fähigkeit hat Ähnlichkeit mit dem mediz<strong>in</strong>ischen Phänomen<br />

der Immunschwäche: der Körper kann nicht mehr zwischen schädlichen <strong>und</strong> nützlichen<br />

E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>gen unterscheiden. Aus diesem Gr<strong>und</strong> bezeichnen die beiden Autoren die von der<br />

Nivellierung verursachte <strong>gesellschaft</strong>liche Krankheit als "cerebrale Immunschwäche". Daß<br />

auch die Problemlösungsfähigkeit selbst bei richtiger Diagnose unter Nivellierung leidet,<br />

leuchtet unmittelbar e<strong>in</strong>, ist aber auch e<strong>in</strong>e gr<strong>und</strong>legende Entdeckung der Kybernetik, die auf<br />

Ashby zurückgeht: um komplexe Probleme <strong>und</strong> Störungen zu meistern <strong>und</strong> abzuwehren,<br />

benötigt jedes System e<strong>in</strong>e Vielfalt von Reaktionsmöglichkeiten ("requisite variety").<br />

Beide Aspekte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den folgenden Zitaten angesprochen. Zunächst der diagnostische oder<br />

Erkennungsaspekt:


107<br />

Immunschwäche ist e<strong>in</strong> Krankheitsbild der Gesellschaft, des Kollektivs. Cerebrale Immunschwäche schränkt die<br />

Fähigkeit e<strong>in</strong>, Probleme <strong>in</strong> Wirtschaft <strong>und</strong> Gesellschaft zu lösen. E<strong>in</strong>e Anschauung für diesen Mechanismus<br />

bietet wieder die Mediz<strong>in</strong>. Das Immunsystem des menschlichen Körpers stabilisiert die Ges<strong>und</strong>heit: Es erkennt<br />

Erreger von Krankheiten als schädlich <strong>und</strong> kann sie entsprechend abwehren. Mit Hilfe des Immunsystems<br />

unterscheidet der Körper zwischen Stoffen, die identisch mit oder komplementär s<strong>in</strong>d zum "Selbst", <strong>und</strong> solchen,<br />

die so fremd <strong>und</strong> unähnlich s<strong>in</strong>d, daß e<strong>in</strong>e Interaktion mit ihnen verderblich oder unmöglich se<strong>in</strong> würde. Wie<br />

Biologen erkannt haben, liegt dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zip allen Lebens (G. Csaba). Die Differenzierung zwischen<br />

"Selbst" <strong>und</strong> "Fremd", komplementär <strong>und</strong> unähnlich f<strong>in</strong>det auf allen Ebenen des Lebendigen statt, von den<br />

molekularen bis zu den hochorganisierten Systemen.<br />

Erkrankungen des Immunsystems s<strong>in</strong>d uns nur allzu sehr vertraut: Bei Allergien überreagiert der Körper auf<br />

Fremdstoffe, die im Gr<strong>und</strong>e unbedenklich s<strong>in</strong>d. Bei Aids greift das Immunsystem körpereigene Zellen an, weil<br />

es sie mit fremden verwechselt: Sofort nachdem Aids-Viren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Organismus e<strong>in</strong>gedrungen s<strong>in</strong>d, erklären sie<br />

gerade jene Zellen zu Fe<strong>in</strong>den des Systems, die für das Aufspüren <strong>und</strong> Bekämpfen von gefährlichen<br />

E<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gl<strong>in</strong>gen zuständig s<strong>in</strong>d; dadurch geht diese "Körperpolizei" aufe<strong>in</strong>ander los <strong>und</strong> schaltet sich gegenseitig<br />

aus.<br />

E<strong>in</strong>e Schwächung des Immunsystems verh<strong>in</strong>dert, dass Erreger als solche erkannt werden <strong>und</strong> Kräfte freigesetzt<br />

werden, sie zu bekämpfen ....(Baaske/Millendorfer 2002: 71).<br />

Ferner der kybernetische Lösungsaspekt:<br />

Lässt sich das Bild der Immunschwäche auf unsere Zeit, auf unsere Gesellschaft übertragen? Entdeckungen<br />

e<strong>in</strong>es Pioniers der Kybernetik, Ross W. Asby, deuten darauf h<strong>in</strong>. Demnach benötigt jedes beliebige System stets<br />

e<strong>in</strong>e Vielfalt von Mechanismen, die e<strong>in</strong>e Störung abwehren können: "Only variety destroys variety" - bei<br />

steuerungsfähigen Systemen übersteigt die Vielfalt von Aktionsmöglichkeiten die Vielfalt von Problemen, e<strong>in</strong>zig<br />

e<strong>in</strong>e Vielfalt von Strategien meistert e<strong>in</strong>e Vielfalt von Störungen. Ashby bewies dies durch Simulation von<br />

Steuer- <strong>und</strong> Regelungsmechanismen, die <strong>in</strong> Rechenmasch<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>gesetzt werden ....<br />

Cerebrale Immunschwäche ist die Unfähigkeit, gegen den "Strom der Zeit" zu schwimmen, das Ergebnis e<strong>in</strong>es<br />

Prozesses der Nivellierung (Baaske/Millendorfer 2002: 71-72).<br />

13.1.3. Gott schafft Vielfalt <strong>und</strong> Orig<strong>in</strong>alität<br />

Aus <strong>christliche</strong>r Sicht ist nun zu betonen, daß Gott das genaue Gegenteil von Nivellierung <strong>und</strong><br />

Gleichheit liebt <strong>und</strong> schafft. Schon im biblischen Schöpfungsbericht lesen wir, daß Gott e<strong>in</strong>e<br />

überwältigende Vielfalt von Geschöpfen <strong>und</strong> Gattungen <strong>in</strong>s Leben rief, <strong>und</strong> jedesmal heißt es:<br />

e<strong>in</strong> jegliches nach se<strong>in</strong>er Art. Auch <strong>in</strong>nerhalb der gleichen Art gibt es ke<strong>in</strong>e zwei gleichen<br />

Exemplare, noch nicht e<strong>in</strong>mal zwei Blätter e<strong>in</strong>es Baumes s<strong>in</strong>d gleich. Insbesondere ist die<br />

Vielfalt <strong>und</strong> Orig<strong>in</strong>alität der Menschen überwältigend. Jeder e<strong>in</strong>zelne ist anders <strong>und</strong> hat se<strong>in</strong>e<br />

persönliche Identität <strong>und</strong> Berufung von Gott. So zitieren auch die zuvor genannten Autoren<br />

das Motto: "Gott ruft beim Namen, der Teufel nummeriert" (Baaske/Millendorfer 2002: 72).<br />

13.1.4. Nivellierung von oben <strong>und</strong> unten<br />

Wie schon angedeutet, wird Nivellierung ke<strong>in</strong>eswegs nur von Herrschenden betrieben, die<br />

davon e<strong>in</strong>en unmittelbaren Nutzen haben. Sie wird auch von den Betroffenen - der Basis, wie<br />

man heute sagt - freiwillig unterstützt <strong>und</strong> vorangetrieben. Da auch Widerstand <strong>und</strong><br />

Gegensteuerung am ehesten auf der Ebene der Freiwilligkeit möglich s<strong>in</strong>d, sollen hierzu<br />

e<strong>in</strong>ige Bemerkungen gemacht werden.


108<br />

13.2. Konformismus: Der erste freiwillige Weg zum E<strong>in</strong>heitsmenschen<br />

Konformismus ist die freiwillige Unterwerfung des Menschen unter das, was "man macht" ,<br />

was "<strong>in</strong> ist", was die Mehrheit tut. Ganz freiwillig ist die Sache <strong>in</strong>dessen auch nicht, da der<br />

sich Widersetzende zwar nicht von e<strong>in</strong>er staatlichen oder sonstigen Macht bedrängt, aber<br />

immerh<strong>in</strong> sozial sanktioniert -z.B. verachtet - wird. Insofern ist dann doch e<strong>in</strong>e anonyme<br />

Macht am Werk.<br />

E<strong>in</strong> gängiges Beispiel ist die Bekleidungsmode. Sie diktiert, was "man" anzieht. "Man trägt<br />

Bumser Schuhe" lautete vor Jahren e<strong>in</strong>e Werbebotschaft. Die Massen folgen dem Diktat wie<br />

dem Rattenfänger von Hameln, sei es noch so unvernünftig, unges<strong>und</strong> oder sittenwidrig.<br />

Mode <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit standen von jeher auf dem Kriegsfuß, erklärte e<strong>in</strong> Arzt. Was die<br />

Sittenwidrigkeit angeht, ist aufgr<strong>und</strong> <strong>christliche</strong>r Ethik klar, daß die sexuellen Reize nicht auf<br />

die Straße <strong>und</strong> <strong>in</strong> die Öffentlichkeit getragen werden sollen. Wer sich widersetzt, hat es nicht<br />

ganz leicht, aber er entkommt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em wichtigen Punkt der Nivellierung.<br />

Modeersche<strong>in</strong>ungen gibt es ke<strong>in</strong>eswegs nur auf dem Gebiet der Bekleidung, sondern auch auf<br />

zahllosen anderen Gebieten, sogar <strong>in</strong> der Wissenschaft. Auch dort kann es so se<strong>in</strong>, daß e<strong>in</strong>e<br />

bestimmte Denkweise, Theorie oder Erklärung "<strong>in</strong>" oder "akzeptiert" ist <strong>und</strong> jeder<br />

Andersdenkende als Außenseiter belächelt wird, bis zu se<strong>in</strong>er Zeit, wie Kuhn es genannt hat,<br />

e<strong>in</strong> "Paradigmenwechsel" e<strong>in</strong>tritt <strong>und</strong> sich durchsetzt. Darum haben es viele <strong>in</strong>novativen<br />

Wissenschaftler schwer gehabt. Schon Goethe beschrieb diesen Hemmfaktor <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Gesprächen mit Eckermann:<br />

Es wird aber <strong>in</strong> den Wissenschaften auch zugleich dasjenige als Eigentum angesehen, was man auf Akademien<br />

überliefert erhalten <strong>und</strong> gelernt hat. Kommt nun e<strong>in</strong>er, der etwas Neues br<strong>in</strong>gt, das mit unserem Credo, das wir<br />

seit Jahren nachbeten <strong>und</strong> wiederum anderen überliefern, <strong>in</strong> Widerspruch steht <strong>und</strong> es wohl gar zu stürzen droht,<br />

so regt man alle Leidenschaften gegen ihn auf <strong>und</strong> sucht ihn auf alle Weise zu unterdrücken. Man sträubt sich<br />

dagegen, wie man nur kann; man tut, als höre man nicht, als verstände man nicht; man spricht darüber mit<br />

Ger<strong>in</strong>gschätzung, als wäre es garnicht der Mühe wert, es nur anzusehen <strong>und</strong> zu untersuchen; <strong>und</strong> so kann e<strong>in</strong>e<br />

neue Wahrheit lange warten, bis sie sich Bahn macht .... (Baaske/Millendorfer 2002: 73).<br />

Starker Konformismus ist auch gegenüber den Massenmedien zu beobachten, besonders dem<br />

Fernsehen, das sich <strong>in</strong> fast jedem Haushalt f<strong>in</strong>det. Wer sich hier nicht enthält oder wenigstens<br />

beschränkt <strong>und</strong> für Ausgleich <strong>und</strong> Korrektur sorgt, gerät <strong>in</strong> den Strudel der Nivellierung.<br />

Der Vielfalt abträglich ist auch die Wirkung der Massenmedien. Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Lage, gleiche Sichtweisen<br />

breiten Massen zu suggerieren. Vor" negativen <strong>gesellschaft</strong>lichen Folgen der Medienkonzentration" warnt e<strong>in</strong>e<br />

jüngst (2002) erschienene deutsche Studie. Das Fernsehen erreicht fast jeden mit den gleichen Botschaften.<br />

Dabei ermöglicht es, Informationen bequem aufzunehmen, während das Lesen e<strong>in</strong>es Buches höhere Aktivität<br />

erfordert <strong>und</strong> offenbar auch mehr Kontrollstellen des Gehirns <strong>und</strong> der Seele aktiviert. Dabei ist weniger die<br />

Qualität des Programms Kritik, als vielmehr dessen fast hypnotische Breitenwirkung, die <strong>in</strong> der Geschichte der<br />

Menschheit bislang e<strong>in</strong>zigartig ist. Um der Konformität des Denkens zu entgehen, ist das Gespräch, die<br />

geme<strong>in</strong>schaftliche Verarbeitung von Information notwendig. "Die virtuelle Kommunikation ergänzt, aber ersetzt<br />

nicht das persönliche Erleben", stellt e<strong>in</strong>e Zukunftswerkstatt fest (Baaske/Millendorfer 2002: 72).<br />

Sehr drastisch urteilt Brecht: "Von den neuen Antennen kommen die alten Dummheiten. Die<br />

Weisheit wird von M<strong>und</strong> zu M<strong>und</strong> weiter gegeben". Ferner Millendorfer:<br />

Verglichen mit Computern ist der Mensch e<strong>in</strong> viel schlechterer Datenaufnehmer, aber e<strong>in</strong> besserer<br />

Informationsverarbeiter. Wir sollten wieder mehr Zeit im menschlichen Gespräch unter Lampenschirmen<br />

verbr<strong>in</strong>gen als <strong>in</strong> tierischem Stummse<strong>in</strong> vor Fernsehschirmen! (Baaske/Millendorfer 2002: 71).


109<br />

Besonders gefährlich wird es, wenn geistige Bewegungen auftauchen, die vorschreiben<br />

wollen, was "man" zu denken <strong>und</strong> zu me<strong>in</strong>en hat, <strong>und</strong> alles andere tabuisieren <strong>und</strong><br />

sanktionieren. Dies gilt nicht nur für die großen Staatsideologien, deren Zweck der<br />

Herrschaftssicherung durch Vere<strong>in</strong>heitlichung durchsichtig ist, sondern auch von zahlreichen<br />

geistigen Strömungen <strong>in</strong> den sich noch frei wähnenden Gesellschaften <strong>und</strong> Ländern. E<strong>in</strong><br />

Beispiel wäre die Bewegung, die sich den Namen "politial correctness" gegeben hat. Auch die<br />

"Anti-Diskrim<strong>in</strong>ierungsgesetze", kürzlich <strong>in</strong> die harmlos kl<strong>in</strong>genden<br />

"Gleichbehandlungsgesetze" umbenannt, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Stück "political correctness". Es handelt ich<br />

um verdeckte Ideologien, die als Anstandslehren daherkommen. Solange sie noch ke<strong>in</strong>e<br />

flächendeckende Macht gewonnen haben, kann man sich ihnen entziehen <strong>und</strong> sich gegen den<br />

Verlust der Me<strong>in</strong>ungsfreiheit wehren. Allerd<strong>in</strong>gs nicht, <strong>in</strong>dem man Ideologie gegen Ideologie<br />

setzt, was aus den gleichen Gründen verwerflich wäre.<br />

Vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt muß die Lösung anders lauten. Natürlich gibt es D<strong>in</strong>ge, die man<br />

nicht denken oder me<strong>in</strong>en darf. Natürlich muß die Me<strong>in</strong>ungsfreiheit Grenzen haben. Aber<br />

diese dürfen nicht durch menschliche Ideologien festgelegt werden, sondern durch die<br />

göttlichen Gebote, Ordnungen <strong>und</strong> Offenbarungen. Diese bilden die "Leitplanken", <strong>in</strong>nerhalb<br />

derer sich der Mensch bewegen kann, ohne zum E<strong>in</strong>heitsmenschen zu werden.<br />

13.3. Gleichheit vor Freiheit: der zweite freiwillige Weg zum<br />

E<strong>in</strong>heitsmenschen<br />

Neuere Befragungen haben gezeigt, daß e<strong>in</strong>e satte Mehrheit der Deutschen (zwischen 60 <strong>und</strong><br />

70 %) e<strong>in</strong>er Gesellschaftsordnung den Vorzug gibt, <strong>in</strong> der die sozialen Unterschiede ger<strong>in</strong>g<br />

s<strong>in</strong>d, also freiwillig dem Ideal der Gleichheit zustrebt. Diese Tendenz ist besonders im<br />

deutschen Osten ausgeprägt, wo sich aufgr<strong>und</strong> der sozialistischen Vergangenheit die<br />

Vorstellung der Gleichheit mit der Vorstellung des Aufgehobense<strong>in</strong>s im Versorgungsstaat<br />

verb<strong>in</strong>det. Nach zwei totalitären Regimen auf deutschem Boden ist diese Tendenz<br />

erschreckend. Sie muß nach allem, was bisher über Nivellierung <strong>und</strong> ihre Folgen ausgeführt<br />

wurde, als sehr negativ <strong>und</strong> gefährlich beurteilt werden.<br />

Will man hier<strong>in</strong> der persönlichen E<strong>in</strong>stellung oder auch <strong>in</strong> der Öffentlichkeit gegensteuern, so<br />

wiird es auf zwei D<strong>in</strong>ge ankommen: 1. Bewußtmachung der Motivation zur Nivellierung <strong>und</strong><br />

2. Bewußtmachung der Folgen der Nivellierung. Die Hauptkomponente der Motivation ist<br />

schlicht <strong>und</strong> e<strong>in</strong>fach der Neid. Wenn es uns schlecht geht, soll es möglichst allen gleich<br />

schlecht gehen. Es soll ke<strong>in</strong>e Privilegierten geben, die zu beneiden wären. Wenn es uns gut<br />

geht, soll es möglichst allen gleich gut gehen. Es soll niemand geben, dem es noch besser<br />

geht, denn der Neid des Menschen steht auch dann stets sprungbereit, wenn es ihm gut geht.<br />

Im Neuen Testament werden wir vor Neid <strong>und</strong> Habsucht als e<strong>in</strong>er Wurzel allen Übels<br />

gewarnt, <strong>und</strong> es wird uns Befreiung von diesem Übel angeboten. Wer durch e<strong>in</strong>e persönliche<br />

Glaubensbeziehung zu Jesus Christus unvergänglichen Reichtum f<strong>in</strong>den durfte, dem werden<br />

die vergänglichen D<strong>in</strong>ge weniger wichtig. Er lernt es mit der Zeit, dem anderen mehr zu<br />

gönnen <strong>und</strong> sich sogar mit ihm zu freuen <strong>und</strong> für die eigene Person mit dem zufrieden zu se<strong>in</strong>,<br />

was man mit ehrlicher Arbeit erreichen konnte. Er wird freier <strong>und</strong> verliert an Motivation zur<br />

Nivellierung.<br />

Was die Folgen der Nivellierung angeht, so sche<strong>in</strong>t der oben erwähnten satten Mehrheit nicht<br />

bewußt zu se<strong>in</strong>, daß Gleichheit auf Kosten der Freiheit geht. Dies wurde <strong>in</strong> Kap 12.4 schon<br />

ausführlicher gezeigt. Im Gr<strong>und</strong>e ist der Zusammenhang jedoch e<strong>in</strong>fach: So wie die


110<br />

Menschen s<strong>in</strong>d, läßt sich Gleichheit nur mit Zwang herstellen, Zwang aber bedeutet Macht<br />

<strong>und</strong> Verlust an Freiheit. Wer freiwillig für Gleichheit optiert, optiert damit auch freiwillig für<br />

weniger Freiheit, was dann dem Weg zum E<strong>in</strong>heitsmenschen weiter Tür <strong>und</strong> Tor öffnet.<br />

Wollte er das wirklich? Auch die übrigen Folgen der Nivellierung, die früher <strong>in</strong> diesem<br />

Kapitel ausgeführt wurden, gilt es bewußt zu machen, besonders die Tatsache, daß<br />

Nivellierung die Gesellschaft <strong>in</strong> der beschriebenen Weise krank macht. Alle diese Folgen<br />

sollten von e<strong>in</strong>er freiwilligen Option für Gleichheit abhalten.<br />

13.4. Abschaffung von Hierarchie <strong>und</strong> Autorität: Der dritte freiwillige Weg<br />

zum E<strong>in</strong>heitsmenschen<br />

Der Versuch e<strong>in</strong>er Abschaffung von Hierarchie <strong>und</strong> Autorität, wie er besonders von der 68-er<br />

Bewegung unternommen wurde, kann als die vertikale Stoßrichtung zur Herstellung von<br />

Gleichheit bezeichnet werden: Anarchie <strong>und</strong> "Basisdemokratie" wurden als Ziele genannt.<br />

Daß h<strong>in</strong>ter dem Getümmel neue Machtverhältnisse <strong>und</strong> Machthaber vorgehalten wurden, die<br />

heute an vielen Schaltstellen der Macht sitzen, wurde zunächst verschwiegen.<br />

Wissenschaftlich ist dazu zu sagen, daß komplexe Systeme, die <strong>in</strong> der modernen Welt überall<br />

anzutreffen s<strong>in</strong>d, niemals anders als hierarchisch gesteuert werden können. Auch <strong>in</strong> der<br />

extremsten Basisdemokratie müßten aus praktischen Gründen alsbald Exekutivkomitees<br />

gebildet werden, also letztlich wieder Regierungen, denen durch Informationsvorsprung,<br />

Übersicht <strong>und</strong> andere organisatorische Faktoren mehr Macht zuwächst als der Basis.<br />

Hierarchie ist kybernetisch unentbehrlich.<br />

In den Geboten <strong>und</strong> Ordnungen der heiligen Schrift werden zahlreiche Hierarchien <strong>und</strong><br />

Autoritäten anerkannt <strong>und</strong> ihre Achtung durch Unterordnung befohlen, z.B. für K<strong>in</strong>der<br />

gegenüber den Eltern, Bürger gegen den Staat, Angestellte gegenüber den Vorgesetzten <strong>und</strong><br />

sogar Ehefrauen gegenüber ihren Männern. E<strong>in</strong>geschränkt werden diese Verpflichtungen<br />

durch die Gebote Gottes: verlangt e<strong>in</strong>e Autorität etwas, das gegen die Gebote Gottes verstößt,<br />

so gehen letztere als die höhere Autorität vor. Im übrigen bedeutet Unterordnung im<br />

biblischen S<strong>in</strong>ne nicht Gewaltherrschaft <strong>und</strong> Brutalität. Vielmehr werden die Vorgeordneten<br />

ermahnt, ihre Autorität im Geist der Liebe, Fürsorge <strong>und</strong> Dienstbereitschaft auszuüben.<br />

Dennoch bleibt ihnen e<strong>in</strong>e letzte Führungs- <strong>und</strong> Entscheidungsverantwortung, die zu<br />

respektieren ist. E<strong>in</strong>e Nivellierung durch Abschaffung von Hierarchie <strong>und</strong> Autorität kommt<br />

vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt nicht <strong>in</strong> Frage.<br />

13.5. Nivellierung der Geschlechter<br />

Diese ist vielleicht die auffälligste Form von Nivellierung <strong>in</strong> unserer Zeit, die nicht nur<br />

Ohrr<strong>in</strong>ge, Pferdeschwänze <strong>und</strong> Zöpfe tragende Männer sowie Hausmänner hervorgebracht<br />

hat, sondern auch Luftwaffenflugzeuge steuernde Pilot<strong>in</strong>nen, mit der Mar<strong>in</strong>e zur See fahrende<br />

Ingenieuroffizier<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> andere Soldat<strong>in</strong>nen, Konzernchef<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Unternehmer<strong>in</strong>nen<br />

sowie Hosen <strong>und</strong> Herrenschnitt tragende Frauen. Kurz, e<strong>in</strong>e jahrh<strong>und</strong>erte oder sogar<br />

jahrtausende lang akzeptierte Arbeitsteilung, Aufgabenteilung <strong>und</strong> Differenzierung der<br />

Verhaltensweisen zwischen den Geschlechtern wurden radikal e<strong>in</strong>geebnet <strong>und</strong> nivelliert <strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong>e "unisex"-Bewegung proklamiert.<br />

Die dah<strong>in</strong>ter stehende Emanzipationsbewegung der Frauen wird verständlich durch die<br />

Tatsache, daß Frauen von Männern sehr viel erlitten haben - sowohl <strong>in</strong> als auch außerhalb der


111<br />

Ehe. Dies ist leider wahr auch <strong>in</strong> den Ländern, die unter <strong>christliche</strong>m E<strong>in</strong>fluß standen. Doch<br />

ist dies nicht der Fehler des Christentums, sondern der Fehler der Männer, die die Anwendung<br />

der <strong>christliche</strong>n Lehre über Ehe <strong>und</strong> das Verhältnis der Geschlechter unterlassen haben.<br />

E<strong>in</strong>ige von ihnen haben das biblische Gebot von der Unterordnung der Ehefrau unter e<strong>in</strong>e<br />

letzte Führungsverantwortung des Mannes als e<strong>in</strong>en Freibrief für e<strong>in</strong>e Kommando<strong>wirtschaft</strong><br />

<strong>und</strong> Unterdrückung mißbraucht. Das ist nicht der Fehler des Gebotes. Wenn die im Schrank<br />

stehende Mediz<strong>in</strong> nicht genommen wird <strong>und</strong> daher nichts bewirkt, kann man nicht die<br />

Mediz<strong>in</strong> dafür tadeln.<br />

Trotz solcher bedauerlicher Unterlassungen <strong>und</strong> Fehlentwicklungen muß objektiv festgehalten<br />

<strong>und</strong> betont werden, daß auch schon bei unvollkommenem <strong>und</strong> teilweisem E<strong>in</strong>fluß des<br />

Christentums die Frau e<strong>in</strong>e ungeheure Befreiung, Verbesserung ihres Schicksals <strong>und</strong> der<br />

Achtung <strong>und</strong> Wertschätzung ihrer Würde erfahren hat - im Vergleich zur vor<strong>christliche</strong>n Zeit<br />

<strong>und</strong> im Vergleich zu den E<strong>in</strong>flußgebieten heidnischer Religionen, wo die Frauen bis heute<br />

schreckliche Unterdrückung <strong>und</strong> Mißhandlung erleiden. Weitere Verbesserungen für die<br />

Frauen s<strong>in</strong>d nicht durch weniger, sondern durch mehr Anwendung der <strong>christliche</strong>n Lehre zu<br />

erreichen, aber ke<strong>in</strong>esfalls durch e<strong>in</strong>e bl<strong>in</strong>de Nivellierung, die Frauen zu beseren Männern<br />

<strong>und</strong> Männer zu schlechteren Frauen machen will.<br />

Wo diese bl<strong>in</strong>de Nivellierung h<strong>in</strong>führt, ist durch e<strong>in</strong>en Blick <strong>in</strong>s Inhaltsverzeichnis e<strong>in</strong>es<br />

e<strong>in</strong>schlägigen Buches von Christa Meves zu ersehen. Die Überschriften der vier ersten<br />

Kapitel lauten: Familie <strong>in</strong> der Krise - Der abgehalfterte Mann <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Benachteiligungen -<br />

Die von sich selbst entfremdete Frau (u.a. Selbstverwirklichung/Folgen der Angleichung an<br />

den Mann) - Die verführte Jugend (Meves 2003).<br />

Wie soll man sich also aus <strong>christliche</strong>r Sicht zur modernen Nivellierung der Geschlechter<br />

stellen? Nach <strong>christliche</strong>r Lehre s<strong>in</strong>d Mann <strong>und</strong> Frau gleichwertig, aber nicht gleichartig.<br />

Gleichwertig: dies kommt sehr schön <strong>in</strong> der Charakterisierung der christusgläubigen<br />

Geme<strong>in</strong>de durch den Apostel Paulus zum Ausdruck. Er schreibt: "Da ist nicht Jude noch<br />

Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann noch Frau; denn ihr alle seid e<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong> Christus Jesus" (Gal. 3, 28). In der Stellung vor Gott, <strong>in</strong> der Beziehung zu Christus s<strong>in</strong>d alle<br />

auf e<strong>in</strong>er Ebene, gleichwertig, alle rassischen, sozialen <strong>und</strong> geschlechtlichen Unterschiede<br />

spielen <strong>in</strong> dieser H<strong>in</strong>sicht ke<strong>in</strong>e Rolle mehr.<br />

Nicht gleichartig: schon die biologischen Unterschiede weisen darauf h<strong>in</strong>, daß es e<strong>in</strong>e<br />

natürliche Aufgabenteilung gibt. Diese Unterschiedlichkeit <strong>und</strong> die daraus folgende natürliche<br />

Aufgabenteilung reichen weit über den biologischen Bereich h<strong>in</strong>aus - der Mensch muß<br />

ganzheitlich gesehen werden, alles geht <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander über. Aufgr<strong>und</strong> dieser durchgehenden<br />

Verschiedenheit stellen Baaske/Millendorfer fest: "Manche Tätigkeiten können (im<br />

statistischen Mittel) dem e<strong>in</strong>en Geschlecht besser liegen als dem anderen - dies muß noch<br />

ke<strong>in</strong>e 'sexistische' Aussage se<strong>in</strong>, wenn Chancengleicheit gegeben ist" (Baaske/Millendorfer<br />

2002: 73). Natürliche Verschiedenheit ist als etwas Schöpfungsmäßiges anzuerkennen, <strong>und</strong><br />

daraus folgt e<strong>in</strong>e natürliche Arbeitsteilung.<br />

Dies ist natürlich von besonderer Bedeutung, wenn es um den Beruf der Frau als Hausfrau<br />

<strong>und</strong> Mutter geht. Zwar ist der Nachweis gelungen, daß die moderne Frau alles auch kann, was<br />

früher den Männern vorbehalten war - zum Teil sogar besser. Was aber nicht gelungen ist <strong>und</strong><br />

gel<strong>in</strong>gen wird ist der Nachweis, daß sie bei voller Berufstätigkeit auch noch erfolgreich<br />

Hausfrau <strong>und</strong> Mutter se<strong>in</strong> kann, möglicherweise unter <strong>in</strong>tensiver Inanspruchnahme von<br />

Fremdmleistungen. Der Beruf der Hausfrau <strong>und</strong> Mutter ist zu wichtig <strong>und</strong> großartig, als daß<br />

er so nebenbei erledigt werden könnte. Beides zugleich ist e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>e Überforderung. Erhält


112<br />

der Beruf die faktische Priorität, so s<strong>in</strong>d empf<strong>in</strong>dliche Defizite im Hausfrauen- <strong>und</strong><br />

Mutterberuf unvermeidlich.<br />

Ganz besonders folgenreich ist das Fehlen e<strong>in</strong>er ausreichenden Mutterbeziehung <strong>in</strong> den ersten<br />

Lebensjahren der K<strong>in</strong>der. Die ges<strong>und</strong>e Entwicklung der K<strong>in</strong>der bis h<strong>in</strong> zu derjenigen ihres<br />

Gehirns ist dann gefährdet. Wir er<strong>in</strong>nern nochmals an das Werk von Meves (2005), das den<br />

Untertitel trägt: "Warum Kollektiverziehung <strong>und</strong> andere Unnatürlichkeiten für kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der<br />

schädlich s<strong>in</strong>d".<br />

Dies ist zwar wissenschaftlich längst nachgewiesen, wird aber hartnäckig totgeschwiegen. So<br />

weist etwa die Ärzt<strong>in</strong> Müller-L<strong>in</strong>denlauf auf die "totgeschwiegene B<strong>in</strong>dungsforschung " h<strong>in</strong><br />

(Bild 1). Ähnlich wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er weiteren Zuschrift "Erst die B<strong>in</strong>dung, dann die Lösung"<br />

argumentiert (Bild 2). E<strong>in</strong>e promovierte Akademiker<strong>in</strong> fordert die "Anerkennung der<br />

Hausfrau als Beruf" (Bild 3). Ähnlich e<strong>in</strong>e weitere Zuschrift "Für den Berufsstand der Mutter"<br />

(Bild 4).<br />

Das Heuchlerische der Politik auf diesem Gebiet wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Leitartikel der FAZ mit dem<br />

Satz zusammengefaßt: "Von K<strong>in</strong>deswohl sollte nicht sprechen, wer nur die Probleme der<br />

Erwachsenenwelt im S<strong>in</strong>n hat". Man lese dazu den Leitartikel "Unter falscher Flagge"<br />

(Bild 5). Abschließend sei auf e<strong>in</strong>e kurze <strong>und</strong> bündige Zuschrift über "K<strong>in</strong>derrecht"<br />

h<strong>in</strong>gewiesen (Bild 6).


113<br />

Bild 1<br />

Quelle: FAZ vom 17.02.2006, S. 9.


114<br />

Bild 2<br />

Quelle: FAZ vom 17.02.2006, S. 9.


115<br />

Bild 3<br />

Quelle: FAZ vom 17.01.2007, S. 7.


116<br />

Bild 4<br />

Quelle: FAZ vom 17.01.2007, S. 7.


117<br />

Bild 5-I<br />

Unter falscher Flagge I


118<br />

Bild 5-II<br />

Unter falscher Flagge II<br />

Quelle: FAZ vom 31.01.2006<br />

Bild 6<br />

Quelle: FAZ vom17.01.2007


119<br />

KAP 14: HEMMFAKTOR DESUBLIMATION<br />

14.1. Desublimation als Hemmfaktor für Kreativität <strong>und</strong> Wachstum<br />

Im Blick auf die bereits besprochenen drei Hemmfaktoren führt Millendorfer aus:<br />

"Während bezüglich der hemmenden Wirkung der genannten drei Faktoren zunehmende<br />

E<strong>in</strong>sicht zu beobachten ist, gibt es beim Faktor Desublimation noch ke<strong>in</strong>en Ansatz zu e<strong>in</strong>er<br />

solchen E<strong>in</strong>sicht. Der Gr<strong>und</strong>gedanke zu diesem Hemmfaktor geht schon auf e<strong>in</strong>e Hypothese<br />

Freuds zurück, die sagt, daß e<strong>in</strong>e Sublimation, d.h. e<strong>in</strong> Nicht-Ausleben der Triebe,<br />

<strong>in</strong>sbesondere der sexuellen Triebe, Voraussetzung von Kreativität <strong>in</strong> der Kultur ist. Bei den<br />

Kieler Wochen 1980 fragte Lord Vaizey , ob diese Freudsche Hypothese nicht über die<br />

Kultur h<strong>in</strong>aus Bedeutung besitze <strong>und</strong> ob nicht Sublimation Voraussetzung jeder Kreativität<br />

ist, auch der Kreativität, welche für die Effizienz des <strong>wirtschaft</strong>lich-technischen<br />

Faktore<strong>in</strong>satzes <strong>in</strong> neuen produktivitätssteigernden Technologien maßgebend ist. Untersucht<br />

man diese Frage empirisch, so sehen wir sie durch die Daten <strong>in</strong> Bild 1 unterstützt.<br />

Die Wachstumsraten <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Promiskuitäts<strong>in</strong>dikator s<strong>in</strong>d negativ korreliert. Nach der<br />

Freudschen Hypothese müßte dies durch ger<strong>in</strong>gere Effizienz des Faktore<strong>in</strong>satzes <strong>und</strong> nicht<br />

durch ger<strong>in</strong>geren Faktore<strong>in</strong>satz erklärt werden. Dies läßt sich auch empirisch überprüfen,<br />

<strong>in</strong>dem man die Wachstumsraten <strong>in</strong> extensive, d.h. durch Faktorausweitung verursachte, <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong>tensive, d.h. durch höhere Effizienz verursachte, unterteilt. Vergleicht man diese beiden<br />

Wachstumsraten mit dem Promiskuitäts<strong>in</strong>dikator, zeigt sich e<strong>in</strong>e Unterstützung auch dieser<br />

detaillierten Hypothese: das extensive Wachstum ist mit Promiskuität nicht korreliert. Das<br />

<strong>in</strong>tensive Wachstum ist negativ korreliert. Das heißt, jene Länder, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e hohe<br />

Promiskuität herrscht, besitzen e<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>gere Effizienz des Faktore<strong>in</strong>satzes, die wir<br />

entsprechend der Freudschen Hypothese durch Kreativitätsverlust <strong>in</strong>folge verr<strong>in</strong>gerter<br />

Sublimation (Desublimation) erklären können.<br />

Die Erklärung der <strong>in</strong>tensiven Wachstumsraten hat deswegen besondere Bedeutung, da wie<br />

schon erwähnt, die führenden Wirtschaftsforschungs<strong>in</strong>stitute <strong>in</strong> der Auffassung<br />

übere<strong>in</strong>stimmen, daß es sich bei der gegenwärtigen Krise nicht um Investitionsschwäche (also<br />

nicht um Fragen des extensiven Wachstums) handelt, sondern um Effizienzschwäche (also<br />

um Fragen des <strong>in</strong>tensiven Wachstums)...." (Millendorfer 1984: 86-88).<br />

Millendorfer schließt mit der folgenden drastischen Bemerkung: "Vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> der<br />

Ergebnisse der Untersuchungen zur Desublimation können wir dieser auch e<strong>in</strong>en Namen<br />

geben: kollektive sexuelle Verblödung" (Millendorfer 1984: 88).<br />

14.2. Desublimation führt zu Aggression, Isolation <strong>und</strong> Zerstörung des<br />

sozialen Gewebes<br />

Die Abnahme der kreativen Problemlösungsfähigkeit ist nicht die e<strong>in</strong>zige Wirkung von<br />

Desublimation. Es wird im Folgenden e<strong>in</strong>e andere Wirkung von Desublimation skizziert,<br />

nämlich die Isolation.<br />

Daß Promiskuität stark mit Ehescheidungen korreliert, leuchtet unmittelbar e<strong>in</strong>, ebenso daß


120<br />

Bild 1. Desublimation <strong>und</strong> Wachstumsraten des pro-Kopf-E<strong>in</strong>kommens<br />

für europäische Länder.


121<br />

Ehescheidungen <strong>in</strong> größere Isolierung führen <strong>und</strong> das Selbstmordrisiko (als e<strong>in</strong>e Form der<br />

Selbstaggression) erhöhen. Dürckheim hat schon Anfang des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts an<br />

Individualdaten e<strong>in</strong>e hohe Korrelation zwischen Ehescheidungen <strong>und</strong> Selbstmorden<br />

beobachtet. Er hat damit e<strong>in</strong> Stück des Prozesses der Isolierung <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Folgen ansatzweise<br />

beschrieben. Das Verdienst Millendorfers <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Mitforscher besteht dar<strong>in</strong>, die<br />

wesentlich größere Komplexität dieses soziopsychologischen Prozesses empirisch aufgeklärt<br />

<strong>und</strong> durchstrukturiert zu haben <strong>und</strong> auf die Promiskuität als hauptsächlichen ursächlichen<br />

Faktor des Isolations- <strong>und</strong> Zerstörungsprozesses h<strong>in</strong>gewiesen zu haben. Wir fassen die <strong>in</strong><br />

langjährigen Lernprozessen, vor allem mit Psychologen <strong>und</strong> Sozialpsychologen<br />

aufgef<strong>und</strong>enen Mechanismen <strong>in</strong> gedrängter Kürze <strong>in</strong> Bild 2 zusammen.<br />

Millendorfer : "Auf den ersten Blick ergibt <strong>in</strong> Bild 2 die Gegenüberstellung von Promiskuität<br />

<strong>und</strong> Ehescheidungen im Ländervergleich ke<strong>in</strong>en Zusammenhang. Tragen wir jedoch h<strong>in</strong>ter<br />

den Ländern jeweils Indikatoren für Selbstmorde <strong>und</strong> Autounfälle e<strong>in</strong>, <strong>und</strong> folgen wir den<br />

zunehmenden Indikatoren der Selbstmorde (Pfeile), ergibt sich e<strong>in</strong> sägezahnartiges Muster,<br />

das wir <strong>in</strong> drei Schritten <strong>in</strong>terpretieren können:<br />

A: Wir erkennen drei L<strong>in</strong>ien, längs derer die verschiedenen Länder liegen, <strong>und</strong> beobachten,<br />

daß die Summe der Autounfälle <strong>und</strong> der Selbstmorde längs dieser L<strong>in</strong>ien konstant ist.<br />

Interpretieren wir beide Variable als Indikatoren für Aggression, <strong>und</strong> zwar die Autounfälle<br />

eher als Fremdaggression <strong>und</strong> die Selbstmorde als Selbstaggression, dann können wir die drei<br />

L<strong>in</strong>ien als Aggressionsniveaus verstehen, längs derer die Summe der Aggressionen konstant<br />

ist. Diese Summe hat bei der L<strong>in</strong>ie rechts oben den höchsten Wert <strong>und</strong> bei der L<strong>in</strong>ie l<strong>in</strong>ks<br />

unten den ger<strong>in</strong>gsten Wert.<br />

B: Bewegen wir uns längs e<strong>in</strong>er Aggressionsl<strong>in</strong>ie von rechts unten nach l<strong>in</strong>ks oben, bedeutet<br />

dies, daß nicht nur die Selbstmorde zunehmen, sondern daß auf der x-Achse die Promiscuität<br />

zunimmt <strong>und</strong> auf der y-Achse die Ehescheidungen. Wenn wir überdies wissen, daß dabei e<strong>in</strong><br />

durch Psychosen gemessener Realitätsverlust zunimmt, können wir dies als e<strong>in</strong> Wachsen<br />

e<strong>in</strong>er funktionalen E<strong>in</strong>stellung auf Kosten e<strong>in</strong>er personalen E<strong>in</strong>stellung <strong>in</strong>terpretieren. Es<br />

kommt dabei zu e<strong>in</strong>er Verschlechterung der personalen Beziehungen zu anderen (<strong>und</strong> zu sich<br />

selbst)<br />

C: Folgen wir vom l<strong>in</strong>ken oberen Ende e<strong>in</strong>es Streßniveaus den zunehmenden Selbstmorden,<br />

bedeutet dies re<strong>in</strong> formal e<strong>in</strong>en Sprung von e<strong>in</strong>em Streßniveau zum anderen. Bei genauerer<br />

Betrachtung erkennen wir, daß dieser Sprung mit e<strong>in</strong>em starken Anwachsen der Autounfälle,<br />

also der Fremdaggression, verb<strong>und</strong>en ist. Wir können dies nun so <strong>in</strong>terpretieren, daß die<br />

<strong>in</strong>stabil gewordenen menschlichen Beziehungen <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Gruppe durch negative<br />

Abgrenzung nach außen, durch Fremdaggression, stabilisiert wird. E<strong>in</strong>e solche Ersche<strong>in</strong>ung,<br />

für die es viele Beispiele gibt, nennt man das Aufbauen e<strong>in</strong>es Fe<strong>in</strong>dbildes zum Stabilisieren<br />

e<strong>in</strong>er Gruppe. Durch diesen Stabilisierungssprung wird das nächst-höhere Streßniveau<br />

erreicht.<br />

Fassen wir A. B <strong>und</strong> C zusammen, erkennen wir e<strong>in</strong>en Prozeß, der bei e<strong>in</strong>er Bewegung von<br />

rechts nach l<strong>in</strong>ks auf der Abszisse <strong>in</strong> unstabile Bereiche führt, von dort e<strong>in</strong>en<br />

Stabilisierungssprung <strong>in</strong> das nächst höhere Streßniveau vollzieht; bei Fortsetzen der<br />

Bewegung von rechts nach l<strong>in</strong>ks auf der Abszisse wird schließlich e<strong>in</strong> neuer <strong>in</strong>stabiler Punkt<br />

erreicht <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Stabilisierungssprung erfolgt zum höheren Streßniveau <strong>und</strong> damit zu e<strong>in</strong>er<br />

immer größeren Isolation von den Menschen <strong>und</strong> Sachen. Nun bedeutet e<strong>in</strong>e Bewegung auf<br />

der Abszisse von rechts nach l<strong>in</strong>ks e<strong>in</strong>e Zunahme der Promiscuität. Wir erkennen also, daß


122<br />

e<strong>in</strong>e zunehmende Tendenz zur Promiscuität letztlich e<strong>in</strong>en Prozeß auslöst, der <strong>in</strong> Isolation von<br />

den Menschen <strong>und</strong> Sachen endet. Damit kommt man zu denselben Aussagen, wie sie auch bei<br />

Beobachtungen an Individuen gewonnen werden können.<br />

Über diese Gr<strong>und</strong>aussage gibt es noch Details über Familienqualität, Psychosen, die Zunahme<br />

des 's<strong>in</strong>gle'-Konzepts, die aus den e<strong>in</strong>schlägigen Publikationen entnommen werden können.<br />

Ob das Aufzeigen dieser Probleme etwas zu deren Lösung beitragen kann, ist e<strong>in</strong>e offene<br />

Frage......Geschichtliche Erfahrungen zeigen, daß Völker dort, wo dieser Lernprozeß nicht<br />

e<strong>in</strong>gesetzt hat, zu Gr<strong>und</strong>e gegangen s<strong>in</strong>d" (Millendorfer 1984: 88-91).<br />

Auffällig ist <strong>in</strong>sbesondere, daß die Länder mit relativ hoher Familienqualität auch bezüglich<br />

der besorgniserregenden Variablen von Bild 2 günstiger positioniert s<strong>in</strong>d als diejenigen mit<br />

hoher Leistungsmotivation (<strong>in</strong> 1930) <strong>und</strong> hoher Berufstätigkeit der Frau. Anders ausgedrückt:<br />

die die Familienqualität zerstörenden Faktoren - allen voran Promiskuität - treiben die<br />

Gesellschaft auf dem Wege über die Zerstörung der Familie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Prozeß der Isolation <strong>und</strong><br />

der <strong>gesellschaft</strong>szerstörenden Aggression.<br />

14.3. Die positive Alternative: Christliche Sexualmoral<br />

Wir verweisen hierzu auf Kapitel 7, wo diese Problematik im Rahmen der persönlichen<br />

Beziehungen besprochen wurde.


123<br />

Bild 2. Sozialpsychologische Mechanismen im Zusammenhang<br />

mit Promiskuität.


124<br />

TEIL V:<br />

KONSEQUENZEN


125<br />

KAP 15: WERTE DER ZUKUNFT<br />

15.1. Reduktion der Hemmfaktoren<br />

Nachdem die negative Wirkung der Hemmfaktoren auf das Wirtschaftswachstum<br />

nachgewiesen wurde, legt sich ihre Reduktion aus ökonomischen Gründen nahe. Doch wäre<br />

dies e<strong>in</strong>e sehr e<strong>in</strong>seitige Sicht, von der wir gerade wegkommen möchten. Die Hemmfaktoren<br />

s<strong>in</strong>d vorwiegend außerökonomischer Natur. Sie hängen mit dem Lebensbereich <strong>und</strong> den die<br />

Verhaltensweisen bestimmenden Werten zusammen. Aus e<strong>in</strong>er erweiterten ganzheitlichen<br />

Sicht verdienen daher die Hemmfaktoren auch um ihrer selbst willen reduziert zu werden.<br />

Ihre Reduktion wäre sowohl ökonomisch als auch für die Humanisierung der Gesellschaft<br />

förderlich <strong>und</strong> sollte aus beiden Motiven heraus betrieben werden. In diesem S<strong>in</strong>n schreibt<br />

Millendorfer:<br />

Zu der bisherigen Behandlung der Hemmfaktoren kann zusammenfassend gesagt werden, daß durch die<br />

Identifizierung der Hemmfaktoren politische Maßnahmen möglich werden, die die Effizienz erhöhen, <strong>in</strong>dem sie<br />

die Hemmfaktoren verr<strong>in</strong>gern. Diese Maßnahmen können, da die Hemmfaktoren auch mit dem Lebensbereich<br />

<strong>und</strong> den durch Werte bestimmten Verhaltensweisen zusammenhängen, nicht auf die Wirtschaft beschränkt<br />

bleiben. Sie können von e<strong>in</strong>em neuen verallgeme<strong>in</strong>erten Investitionsbegriff ausgehen, der - analog zu den<br />

Investitionen zur Ausweitung der positiven Faktoren - unter Investitionen auch solche Maßnahmen versteht,<br />

welche durch Reduktion der Hemmfaktoren zu e<strong>in</strong>em größeren Ertrag führen. Diese Ertragssteigerung<br />

rechtfertigt <strong>wirtschaft</strong>lich die Kosten solcher Investitionen.<br />

Durch Reduktion der Hemmfaktoren kann e<strong>in</strong>e neue <strong>wirtschaft</strong>liche Entwicklungsphase e<strong>in</strong>geleitet werden. Die<br />

neue Wirtschaftsentwicklung deckt sich jedoch nicht mit dem Begriff des bisherigen quantitativen Wachstums,<br />

der durch die Maßnahmen zur Reduktion der - vorwiegend außerökonomischen - Hemmfaktoren verändert wird.<br />

Das Wesentliche dieser Veränderung ist die Erhöhung der Effizienz im H<strong>in</strong>blick auf das Ziel e<strong>in</strong>es s<strong>in</strong>nerfüllten<br />

Lebens. Die bisher im Vordergr<strong>und</strong> stehenden materiellen Faktoren s<strong>in</strong>d dafür e<strong>in</strong>e notwendige, jedoch nicht<br />

h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung (Millendorfer 1984: 91).<br />

"Daraus folgen neue Pr<strong>in</strong>zipien für e<strong>in</strong>e neue Wirtschaft, e<strong>in</strong>e neue Technik, e<strong>in</strong>e neue<br />

Wissenschaft, e<strong>in</strong>e neue Mediz<strong>in</strong>, e<strong>in</strong>e neue Schule, kurzum für e<strong>in</strong>e Erneuerung der<br />

Gesellschaft durch e<strong>in</strong> neues Verständnis von Fortschritt" (Millendorfer 1984: 96). In diesem<br />

S<strong>in</strong>ne formuliert Millendorfer e<strong>in</strong>e Reihe von Pr<strong>in</strong>zipien für e<strong>in</strong>e alternative Entwicklung.<br />

15.2. Pr<strong>in</strong>zipien e<strong>in</strong>er alternativen Entwicklung<br />

1. Das human-ökonomische Pr<strong>in</strong>zip. "Erkennen wir als Ziel e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nerfülltes Leben an,<br />

zeigt es sich als notwendig, daß wir zu den Sachen auch Mensch <strong>und</strong> S<strong>in</strong>n dazugeben müssen.<br />

Damit bekommt der Lebensbereich zentrale Bedeutung. Die bisherige Dom<strong>in</strong>anz des<br />

Systembereichs gegenüber dem Lebensbereich wird umgekehrt. Nicht der Lebensbereich soll<br />

apparatisiert werden, sondern der Systembereich vermenschlicht" (Millendorfer 1984: 97).<br />

2. Immaterielle Faktoren vor materiellen Faktoren. Dieses Pr<strong>in</strong>zip ist bereits im humanökonomischen<br />

Pr<strong>in</strong>zip mit enthalten, hat aber auch für den Systembereich wegen<br />

zunehmender Wichtigkeit von Bildung <strong>und</strong> Qualifikation se<strong>in</strong>e Bedeutung. Zum Beispiel<br />

konnte von Millendorfer gezeigt werden, "daß seit Mitte der siebziger Jahre die<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Industrieländer von der Qualifikations<strong>in</strong>tensität <strong>und</strong> nicht mehr von<br />

der Kapital<strong>in</strong>tensität abhängt. Letztere dient nur der ersteren; wenn nicht, dann führen<br />

Kapital<strong>in</strong>vestitionen nur <strong>in</strong> die roten Zahlen, wie viele Beispiele zeigen" (Millendorfer 1984:<br />

98).


126<br />

3. Fe<strong>in</strong>gliedrigkeit vor Gigantomanie. "An die Stelle e<strong>in</strong>er irrationalen Megalithkultur<br />

müssen Konzepte e<strong>in</strong>er Neugestaltung <strong>in</strong> Fe<strong>in</strong>gliedrigkeit treten. Danach werden<br />

überschaubare E<strong>in</strong>heiten e<strong>in</strong> Maximum an Autonomie brauchen <strong>und</strong> die übergeordneten<br />

E<strong>in</strong>heiten nur subsidiär e<strong>in</strong>greifen" (Millendorfer 1984: 98).<br />

4. Ganzheitliches Denken. "Wenden wir das Pr<strong>in</strong>zip der Fe<strong>in</strong>gliedrigkeit auf<br />

Organisationsformen an, dann verlangt dies nach e<strong>in</strong>em Menschentyp, der kle<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heiten<br />

von <strong>in</strong>nen her steuern kann, der also Fachwissen überschreiten kann, um es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em größeren<br />

Rahmen verstehen zu können. Wenn jedoch die Ausbildung zu Menschen führt, die von<br />

immer weniger immer mehr verstehen, bis sie von nichts alles wissen, also zu extremen<br />

Spezialisten, dann brauchen wir die großen übergeordneten Steuerungse<strong>in</strong>heiten"<br />

(Millendorfer 1984: 99).<br />

Die Alternative ist die Forderung nach e<strong>in</strong>em ganzheitlichen Denken von e<strong>in</strong>er<br />

übergeordneten Metaebene aus: "Wenn wir zu immer höheren Metaebenen des Verstehens<br />

fortschreiten, bleibt uns schließlich die Frage nach dem letzten Woher <strong>und</strong> Woh<strong>in</strong> des<br />

Menschen nicht erspart; jene Frage, die wir seit vierh<strong>und</strong>ert Jahren - nicht durch die Schuld<br />

des Galilei - tabuisiert haben, bis wir schließlich heute bei den untersten Ebenen der primitiv<br />

technisch-<strong>wirtschaft</strong>lichen Zusammenhänge angelangt s<strong>in</strong>d, die wir jedoch gerade deswegen<br />

nicht mehr verstehen können" (Millendorfer 1984: 99).<br />

5. Bestandsgröße vor Stromgröße. Wir haben <strong>in</strong> der Vergangenheit "wie e<strong>in</strong> Mann agiert,<br />

der als Unternehmer se<strong>in</strong> Produktionskapital liquidiert, also e<strong>in</strong>e Bestands- <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Stromgröße umwandelt, dies als Gew<strong>in</strong>n bucht, ohne den Verlust an der Bestandsgröße<br />

Kapital <strong>in</strong> Rechnung zu stellen. Die 'Gew<strong>in</strong>ne' e<strong>in</strong>es solchen Unternehmens enden schnell<br />

beim Bankrott. Wir haben dasselbe getan, <strong>in</strong>dem wir z.B. die Bestandsgröße unzerstörte Natur<br />

durch unsere Umwelte<strong>in</strong>griffe, zwecks kurzfristig technisch-<strong>wirtschaft</strong>licher Vorteile<br />

abgebaut haben, ohne den Verlust an der Bestandsgröße unzerstörte Natur <strong>in</strong> Rechnung zu<br />

stellen. Wir können dies auch anders ausdrücken: wir haben bei der Verfolgung e<strong>in</strong>es<br />

technisch-<strong>wirtschaft</strong>lichen Projektes die externen Kosten nicht <strong>in</strong>ternalisiert. Dies gilt beileibe<br />

nicht nur für <strong>wirtschaft</strong>liche Aktivitäten: In der Entwicklung der letzten Jahre wurde z.B. die<br />

Bestandsgröße Liebesfähigkeit zugunsten kurzfristigen Lustgew<strong>in</strong>ns mehr <strong>und</strong> mehr<br />

liquidiert. Wir zerstören also durch diese kurzfristige Strategie langfristig sowohl die uns<br />

umgebende Natur als auch die menschliche Natur. Wir müssen nun analog zum<br />

ganzheitlichen Denken auch e<strong>in</strong> langfristiges Denken lernen" (Millendorfer 1984: 99-100).<br />

Millendorfer hat die vorstehenden Pr<strong>in</strong>zipien auch <strong>in</strong> anderer Form als "LILA-Pr<strong>in</strong>zipien"<br />

formuliert (siehe Bild 1). Dabei gilt <strong>in</strong> etwa folgende Entsprechung zu den vorstehenden<br />

Pr<strong>in</strong>zipien:<br />

LILA-Pr<strong>in</strong>zip Pr<strong>in</strong>zip alternativer<br />

Entwicklung<br />

___________________________________<br />

L 1<br />

I 2<br />

L 4<br />

A 5


127<br />

Bild 1. Die LILA-Zukunftspr<strong>in</strong>zipien.<br />

Quelle: Baaske/Millendorfer 2002, S. 100.


128<br />

ZUSAMMENFASSUNG UND SCHLUSSWORT<br />

Die Ziffern entsprechen den Kapiteln<br />

1. Man kann die Aktivitäten der menschlichen Gesellschaft grob e<strong>in</strong>teilen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Systembereich (Wirtschaft <strong>und</strong> Politik) <strong>und</strong> e<strong>in</strong>en Lebensbereich (Familie, Kultur, Religion).<br />

Die beiden Bereiche s<strong>in</strong>d durch starke Wechselwirkungen vernetzt, die <strong>in</strong> der herkömmlichen<br />

diszipl<strong>in</strong>ären Betrachtungsweise der Wirtschafts- <strong>und</strong> Gesellschaftswissenschaften nur<br />

unzureichend berücksichtigt werden. E<strong>in</strong>e ganzheitliche <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Betrachtungsweise<br />

(Systemanalyse) muss diesen Wechselwirkungen e<strong>in</strong>e zentrale Stellung e<strong>in</strong>räumen. Die<br />

E<strong>in</strong>flussgrößen des Lebensbereichs, die <strong>in</strong> den Systembereich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wirken, können für die<br />

Gestaltung des Systembereichs nutzbar gemacht werden.<br />

2. Zu diesen E<strong>in</strong>flussgrößen gehört das im Lebensbereich verankerte Wertesystem, das meist<br />

religiös f<strong>und</strong>iert ist. Es hat e<strong>in</strong>en empirisch nachweisbaren entscheidenden E<strong>in</strong>fluss auf die<br />

volks<strong>wirtschaft</strong>liche Effizienz, gemessen durch das Verhältnis von Wirtschaftsleistung zu<br />

Faktore<strong>in</strong>satz. Im E<strong>in</strong>flussbereich <strong>christliche</strong>r Werte ist diese Effizienz weltweit am größten<br />

(Millendorfer).<br />

3.-5. Diese empirisch nachgewiesene Überlegenheit des <strong>christliche</strong>n Wertesystems im<br />

<strong>wirtschaft</strong>lichen Bereich läßt sich wie folgt begründen.<br />

a. Christliche Werte ergeben sich aus den biblischen Geboten <strong>und</strong> Ordnungen. Viele dieser<br />

Werte s<strong>in</strong>d direkt <strong>wirtschaft</strong>srelevant <strong>und</strong> <strong>wirtschaft</strong>sfördernd: Achtung der Menschenwürde,<br />

Schutz des Eigentums, Ehrlichkeit; schonender, haushälterischer Umgang mit der Schöpfung;<br />

Genügsamkeit <strong>und</strong> Mäßigkeit, transzendentale Distanz; Verantwortung vor Gott,<br />

Haushalterschaft <strong>und</strong> Berufung zur Ehre Gottes; Arbeitswille, Fleiß, Gewissenhaftigkeit;<br />

S<strong>in</strong>nf<strong>in</strong>dung durch Gottesbeziehung.<br />

b. Die biblischen Gebote <strong>und</strong> Ordnungen werden als Willensoffenbarungen des persönlichen,<br />

lebendigen Gottes akzeptiert. Hierdurch erhalten sie höchste Autorität <strong>und</strong> Motivationskraft<br />

<strong>und</strong> werden praktisch wirksam.<br />

c. Die biblischen Gebote <strong>und</strong> Ordnungen werden nicht als lästige E<strong>in</strong>schränkungen, sondern<br />

als Ausdruck der Liebe <strong>und</strong> Fürsorge Gottes akzeptiert. Sie s<strong>in</strong>d gut für uns, ihre Missachtung<br />

schadet uns nur. Dies setzt weitere Motivationskraft frei, die praktisch wirksam wird.<br />

d. Die biblischen Gebote <strong>und</strong> Ordnungen zeigen uns aber nicht nur, wie wir se<strong>in</strong> sollten,<br />

sondern führen uns auch unser Versagen <strong>und</strong> unsere Schuld vor Gott vor Augen. Die zentrale<br />

<strong>christliche</strong> Glaubenserfahrung der Vergebung der persönlichen Schuld vor Gott bewirkt e<strong>in</strong>e<br />

große <strong>in</strong>nere Entlastung <strong>und</strong> setzt neue Lebensfreude, Zuversicht <strong>und</strong> Energie <strong>in</strong> allen<br />

Lebensbereichen frei, die Tätigkeit <strong>in</strong> der Wirtschaft nicht ausgenommen. Sie ist auch die<br />

Gr<strong>und</strong>lage für e<strong>in</strong>e geheilte Gottesbeziehung <strong>und</strong> damit für die Lösung der S<strong>in</strong>nfrage.<br />

6. Nachdem die weitreichende Bedeutung des Lebensbereichs erkannt ist, rückt se<strong>in</strong>e eigene<br />

Gestaltung auf Gr<strong>und</strong>lage <strong>christliche</strong>r Werte <strong>in</strong> den Mittelpunkt des Interesses. Im<br />

Lebensbereich steht der Mensch im Mittelpunkt. Er erlebt sich als Ausgangspunkt e<strong>in</strong>es<br />

Beziehungsnetzes, das sich <strong>in</strong> drei Ebenen gliedern läßt: personale Beziehungen, funktionale<br />

Beziehungen (mit dem Systembereich), transzendentale Beziehungen. E<strong>in</strong>e effiziente <strong>und</strong><br />

stabile Entwicklung des gesamt<strong>gesellschaft</strong>lichen Systems erfordert e<strong>in</strong> Gleichgewicht


129<br />

zwischen diesen Beziehungsebenen. Beispielhaft kann der <strong>in</strong>stabile Kondratieff-Zyklus durch<br />

Gleichgewichtsstörungen zwischen Systemleistung <strong>und</strong> Familienqualität erklärt werden.<br />

7. Der Bereich der personalen Beziehungen umfasst auch die Beziehung zur eigenen Person.<br />

Selbstannahme <strong>und</strong> Persönlichkeitsentwicklung s<strong>in</strong>d möglich, wenn sich der E<strong>in</strong>zelne als<br />

orig<strong>in</strong>elles Geschöpf Gottes begreift <strong>und</strong> sich unter die Ordnung der göttlichen Gebote stellt.<br />

Weiter können Familie, Familienleben <strong>und</strong> Familienqualität mit vielen segensreichen Folgen<br />

gedeihen, wo die göttlichen Gebote der ehelichen Treue, der Nächstenliebe <strong>und</strong> der<br />

Elternehrung befolgt werden. E<strong>in</strong> Beitrag zur Zukunft des Volkes durch eigene K<strong>in</strong>der ist<br />

vom <strong>christliche</strong>n Standpunkt e<strong>in</strong>e Selbstverständlichkeit, versuchte Ersatzlösungen durch<br />

Massene<strong>in</strong>wanderung aus fremden Kulturen <strong>und</strong> Religionen s<strong>in</strong>d abzulehnen. Die<br />

Vernachlässigung der Mutterbeziehung, deren enorme Bedeutung auch durch die<br />

mediz<strong>in</strong>ische B<strong>in</strong>dungsforschung nachdrücklich bestätigt wird, zugunsten anderer, meist<br />

materieller Werte <strong>und</strong> der Selbstverwirklichung, ist ebenso abzulehnen wie der ersatzweise<br />

Griff des Staates nach den K<strong>in</strong>dern, verb<strong>und</strong>en mit familienfe<strong>in</strong>dlichen Ideologien, h<strong>in</strong>ter<br />

denen politische <strong>und</strong> <strong>gesellschaft</strong>sverändernde Interessen stehen.<br />

Weitere personale Beziehungen sollten nicht nur vom Eigennutz, sondern auch vom<br />

Geme<strong>in</strong>s<strong>in</strong>n geprägt se<strong>in</strong>. Sexuelle Beziehungen außerhalb e<strong>in</strong>er gültigen Ehe widersprechen<br />

der <strong>christliche</strong>n Sexualethik. Wer nach dieser göttlichen Ordnung leben will, wird sexuell<br />

stimuliernde Materialien <strong>und</strong> Verhaltensweisen konsequent meiden.<br />

8. Die funktionalen Beziehungen nehmen meist die Form e<strong>in</strong>es Arbeitsverhältnisses an. Hier<br />

gelten die <strong>in</strong> Punkt drei erwähnten <strong>wirtschaft</strong>srelevanten <strong>christliche</strong>n Werte, die zugleich die<br />

Gr<strong>und</strong>lage e<strong>in</strong>er <strong>christliche</strong>n Unternehmensethik bilden. Besonders zu erwähnen s<strong>in</strong>d die<br />

treuhänderische Verwaltung von Ressourcen des Arbeitgebers, der haushälterische Umgang<br />

mit Geld bei gleichzeitiger Freiheit vom Geld <strong>und</strong> se<strong>in</strong>en spirituellen <strong>und</strong> moralischen<br />

Gefahren <strong>und</strong> der schonende <strong>und</strong> haushälterische Umgang mit der Schöpfung (Umwelt). Die<br />

hohe <strong>wirtschaft</strong>liche Effizienz im Gefolge <strong>christliche</strong>r Werte ist ressourcensparend <strong>und</strong> daher<br />

besonders umweltfre<strong>und</strong>lich.<br />

Die Gleichgewichtsstörungen <strong>und</strong> Konflikte zwischen Systembereich <strong>und</strong> Lebensbereich,<br />

besonders <strong>in</strong> Form hoher seelischer <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlicher Kosten der Karriere, s<strong>in</strong>d nur zu<br />

beseitigen durch Wertekorrekturen, was Karrierepausen, vielleicht sogar e<strong>in</strong>e "Kurskorrektur<br />

nach unten", erfordern kann.<br />

9. Bei den transzendenten Beziehungen geht es vor allem um den S<strong>in</strong>n der menschlichen<br />

Existenz <strong>und</strong> der menschlichen <strong>und</strong> kosmischen Geschichte. Der mit wissenschaftlichen<br />

Methoden erkennbare <strong>und</strong> erforschbare Bereich der Realität, auch als "Immanenzbereich"<br />

bezeichnet, kann sich ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n aus sich selbst heraus geben. Die S<strong>in</strong>ngebung muss von<br />

außen kommen. Ob es außer der Immanenz auch e<strong>in</strong>e wissenschaftlich nicht erreichbare<br />

transzendente Realität gibt, mag umstritten se<strong>in</strong>. Soviel steht jedoch fest: ohne Transzendenz<br />

ke<strong>in</strong> letzter S<strong>in</strong>n. Leugnung jeglicher Transzendenz schließt die Lösung der S<strong>in</strong>nfrage aus.<br />

Leugnung jeglicher Transzendenz, <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>es transzendenten Gottes, ist jedoch ke<strong>in</strong>e<br />

wissenschaftliche Aussage, sondern e<strong>in</strong> Glaubensbekenntnis. Wenn sich Theismus <strong>und</strong><br />

Atheismus gegenüberstehen, so handelt es sich um e<strong>in</strong>en Konflikt zwischen Glaube <strong>und</strong><br />

Glaube, nicht aber zwischen Wissenschaft <strong>und</strong> Glaube. Denn die Wissenschaft kann dazu per<br />

def<strong>in</strong>itionem nichts sagen. Man kann daher ohne Konflikt mit der Wissenschaft glauben, was<br />

die Bibel über das Jenseits <strong>und</strong> über Gott selbst sagt. Die Bibel spricht mit großer<br />

Selbstverständlichkeit von e<strong>in</strong>er transzendeten Welt <strong>und</strong> dem persönlichen Gott, der voll


130<br />

Liebe, Weisheit <strong>und</strong> Macht ist. Er hat die immanente Welt absichtsvoll geschaffen <strong>und</strong> ihr<br />

S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Ziel gegeben. Doch sie wandte sich durch den Sündenfall des Menschen von Gott ab<br />

<strong>und</strong> leidet seitdem unter Schmerz, Mühsal, Streit, Krieg, Krankheit <strong>und</strong> Tod. Gott aber gibt<br />

se<strong>in</strong>e abgestürzte Schöpfung nicht auf. Durch das Opfer se<strong>in</strong>es Sohnes schafft er die<br />

Möglichkeit der Heilung der zerbrochenen Gottesbeziehung <strong>und</strong> der Heilung der Schöpfung<br />

von Leid, Geschrei, Schmerz, Krankheit <strong>und</strong> Tod. Das bedeutet die Aufhebung der Trennung<br />

von Transzendenz <strong>und</strong> Immanenz <strong>und</strong> die Wiederherstellung der Gottes-Unmittelbarkeit.<br />

Dar<strong>in</strong> besteht Hoffnung, S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Ziel der menschlichen <strong>und</strong> kosmischen Geschichte. Dies<br />

alles ist durch die Wissenschaft unanfechtbar, auch wenn die weltanschauliche Entwicklung<br />

im Abendland sich bedauerlicherweise immer mehr von der Existenz Gottes <strong>und</strong> jeglicher<br />

Transzendenz entfernt hat.<br />

Zum Konflikt zwischen wissenschaftlichen <strong>und</strong> biblischen Aussagen kommt es erst dadurch,<br />

dass die Bibel ke<strong>in</strong>eswegs nur über die transzendente Welt spricht, sondern sehr häufig <strong>und</strong><br />

<strong>in</strong>tensiv auch über die immanente Welt, also denjenigen Realitätsbereich, den die<br />

Wissenschaft als ihre Domäne beansprucht. Beispielsweise werden viele Ereignisse berichtet,<br />

die mit den uns geläufigen "Naturgesetzen" nicht erklärbar s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> daher auch als<br />

übernatürlich bezeichnet werden, so etwa viele Krankenheilungen <strong>und</strong> W<strong>und</strong>er, die Christus<br />

<strong>in</strong> dieser Welt getan hat, <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e Auferstehung von den Toten <strong>in</strong> dieser Welt. Ehe man von<br />

e<strong>in</strong>em unlösbaren Konflikt mit der Wissenschaft spricht, sollte man Folgendes bedenken.<br />

Das biblische Weltbild kennt nur e<strong>in</strong> offenes Universum, <strong>in</strong> das die Transzendenz jederzeit<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wirken kann. Dies gilt für die Gegenwart ebenso wie die ferne Zukunft <strong>und</strong> ferne<br />

Vergangenheit. Transzendente E<strong>in</strong>wirkung kann zu allen Zeiten Ereignisse hervorrufen, die<br />

von dem nach naturwissenschaftlichen Gesetzen zu Erwartenden abweichen. Aber was s<strong>in</strong>d<br />

naturwissenschaftliche Gesetze <strong>und</strong> Theorien anderes als Verallgeme<strong>in</strong>erungen des<br />

beobachteten Regelfalles? Transzendente E<strong>in</strong>wirkung kann die mit dem Regelfall befassten<br />

"Naturgesetze" jederzeit durchbrechen. Der Glaube an e<strong>in</strong>e unbegrenzte Gültigkeit der<br />

"Naturgesetze" auch gegenüber der Transzendenz <strong>und</strong> im Zeitablauf (Uniformitarianismus) ist<br />

eben e<strong>in</strong> Glaube. Insbesondere im Zeitablauf s<strong>in</strong>d Diskont<strong>in</strong>uitäten durch transzendente<br />

E<strong>in</strong>wirkung denkmöglich, Zeitpunkte also, jenseits von denen die heutige Naturwissenschaft<br />

ke<strong>in</strong>e Gültigkeit besaß oder besitzen wird <strong>und</strong> die Trennung von Transzendenz <strong>und</strong> Immanenz<br />

aufgehoben ist. Wer dies alles <strong>in</strong> wissenschaftlicher Bescheidenheit zugesteht, wird ke<strong>in</strong>en<br />

unauflöslichen Konflikt mehr zwischen wissenschaftlichen <strong>und</strong> biblischen Aussagen über die<br />

immanente Welt sehen.<br />

Im übrigen dürfte es e<strong>in</strong> seltener Fall se<strong>in</strong>, dass wissenschaftliche Bedenken e<strong>in</strong>en Menschen<br />

vom <strong>christliche</strong>n Glauben abhalten. Viel eher dürften es Bedenken vor den Konsequenzen des<br />

Glaubens se<strong>in</strong>. Letztlich hat der Mensch, der die Natur betrachtet, jenseits von aller<br />

Wissenschaft e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tuitives Wissen, dass sie e<strong>in</strong> Werk e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>telligenten, persönlichen<br />

Schöpfers ist. Die Unterdrückung dieses <strong>in</strong>neren Wissens <strong>und</strong> se<strong>in</strong>er Konsequenzen ist nach<br />

der Bibel schuldhaft. Wer aber den <strong>christliche</strong>n Glauben annimmt, f<strong>in</strong>det den S<strong>in</strong>n se<strong>in</strong>er<br />

Existenz <strong>und</strong> der menschlichen Geschichte.<br />

10. Nachdem wir die Gestaltung des Lebensbereichs auf <strong>christliche</strong>r Gr<strong>und</strong>lage erörtert<br />

haben, wenden wir uns wieder dem Systembereich zu. Wir fragen: wie können <strong>christliche</strong><br />

Werte des Lebensbereichs den negativen Entwicklungen im Systembereich, <strong>in</strong>sbesondere dem<br />

sich abflachenden Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> dem <strong>gesellschaft</strong>lichen Niedergang,<br />

entgegenwirken? Hierzu s<strong>in</strong>d zunächst die "Hemmfaktoren" zu identifizieren, die das<br />

Wirtschaftswachstum <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e gedeihliche <strong>gesellschaft</strong>liche Entwicklung bremsen.<br />

Millendorfer identifiziert vier Hemmfaktoren, die die Abflachung des volks<strong>wirtschaft</strong>lichen


131<br />

Wachstums weitestgehend <strong>und</strong> mit hoher statistischer Signifikanz erklären: Staat,<br />

Konzentration, Nivellierung, Desublimation. Diese werden im Folgenden e<strong>in</strong>zeln untersucht<br />

<strong>und</strong> mit <strong>christliche</strong>n Werten konfrontiert.<br />

11. Je stärker der Staat, desto mehr wird der Bürger entmündigt <strong>und</strong> <strong>in</strong>strumentalisiert.<br />

Christliche Werte der Eigenverantwortung, der Freiheit <strong>und</strong> der Ablehnung e<strong>in</strong>er abgöttischen<br />

Unterwerfung unter den Staat können dieser Entwicklung entgegenwirken - wenn nicht im<br />

Großen, dann doch <strong>in</strong> der persönlichen Lebensgestaltung. E<strong>in</strong>e plan<strong>wirtschaft</strong>liche<br />

Wirtschaftsordnung - sie ist der Gipfel der staatlichen Wirtschaftsmacht - fördert nachweislich<br />

alle vier Hemmfaktoren. Diese s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Plan<strong>wirtschaft</strong> systemimmanent. Schon aus diesem<br />

Gr<strong>und</strong>e <strong>und</strong> weiter wegen des zugr<strong>und</strong>eliegenden "sozialoptimistischen" Menschenbildes ist<br />

sie abzulehnen.<br />

E<strong>in</strong>e soziale Markt<strong>wirtschaft</strong> entspricht <strong>christliche</strong>n Werten am ehesten. Doch kann e<strong>in</strong><br />

überzogener Sozialstaat Wettbewerbsfähigkeit <strong>und</strong> Leistungsmotivation bee<strong>in</strong>trächtigen.<br />

Auch <strong>in</strong> der Entwicklungshilfe kann konsumtive (statt <strong>in</strong>vestive) Verwendung der Mittel<br />

Entwicklung eher beh<strong>in</strong>dern als fördern. Die gegenwärtige Krise der Markt<strong>wirtschaft</strong> hat viele<br />

Gründe, doch könnte mehr E<strong>in</strong>fluss <strong>christliche</strong>r Werte, z.B. von Diszipl<strong>in</strong> <strong>und</strong> Genügsamkeit,<br />

der Krise schon sehr weitgehend begegnen.<br />

12. Die Tendenz zur Gigantomanie <strong>und</strong> Konzentration ist überall <strong>in</strong> Wirtschaft <strong>und</strong><br />

Gesellschaft zu beobachten. Es haben sich riesige organisatorische Gebilde entwickelt, von<br />

denen viele nicht die ökonomische Optimierung, sondern die Maximierung der Macht durch<br />

Größenmaximierung zum Ziel haben. Vielen dieser Gebilde ist es gelungen, dem<br />

Selektionsdruck des Marktes durch ihre Macht auszuweichen <strong>und</strong> dadurch trotz Ineffizienz zu<br />

überleben. Dezentralisierung, kle<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heiten <strong>und</strong> Freiheit im S<strong>in</strong>n des <strong>christliche</strong>n<br />

Menschenbildes wären wirksame Gegenmaßnahmen.<br />

13. Nivellierung der <strong>wirtschaft</strong>lichen Verhältnisse, der Bildung <strong>und</strong> des Schulwesens, des<br />

politisch Akzeptablen, der Autorität, der natürlichen Wesensunterschiede <strong>und</strong><br />

Aufgabenteilung der Geschlechter, kurz die Tendenz zum E<strong>in</strong>heitsmenschen, der für<br />

Machthaber besonders leicht zu handhaben ist, ist überall <strong>in</strong> der Gesellschaft zu beobachten.<br />

Dieser die Gesellschaft krank machenden Entwicklung kann durch Anerkennung der vom<br />

Schöpfer angelegten Differenzierung <strong>und</strong> der daraus folgenden Priorität von Freiheit vor<br />

Gleichheit entgegengewirkt werden.<br />

14. Der Gr<strong>und</strong>gedanke zum Hemmfaktor Desublimation geht schon auf e<strong>in</strong>e Hypothese<br />

Freuds zurück, die sagt, dass Sublimation, d.h. e<strong>in</strong> Nichtausleben der Triebe, <strong>in</strong>sbesondere der<br />

sexuellen Triebe, Voraussetzung von Kreativität <strong>in</strong> der Kultur ist. Sogar auf <strong>wirtschaft</strong>lichem<br />

Gebiet konnte von Millendorfer e<strong>in</strong>e negative Korrelation zwischen Desublimation <strong>und</strong><br />

volkswirtchaftlichen Wachstumsraten nachgewiesen werden. Weiter konnte er zeigen, dass<br />

Desublimation (Promiskuität) die Gesellschaft auf dem Wege über Zerstörung der Familie <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>en Prozess der Isolation <strong>und</strong> der <strong>gesellschaft</strong>szerstörenden Aggression treibt. Die positive<br />

Alternative zur Gegensteuerung ist die <strong>christliche</strong> Sexualmoral.<br />

15. Zusammenfassend ergeben sich e<strong>in</strong>ige Konsequenzen für Werte der Zukunft:<br />

a. Das human-ökonomische Pr<strong>in</strong>zip. Die bisherige Dom<strong>in</strong>anz des Systembereichs<br />

gegenüber dem Lebensbereich wird umgekehrt. Nicht der Lebensbereich soll<br />

apparatisiert werden,sondern der Systembereich vermenschlicht.


132<br />

b. Immaterielle Faktoren vor materiellen Faktoren. Die immateriellen Faktoren<br />

des <strong>wirtschaft</strong>lichen Erfolgs (Werte <strong>und</strong> Bildung) s<strong>in</strong>d stärker zu fördern als die<br />

materiellen.<br />

c. Fe<strong>in</strong>gliedrigkeit vor Gigantomanie. Wir brauchen überschaubare E<strong>in</strong>heiten mit<br />

e<strong>in</strong>em Maximum an Autonomie. Übergeordnete E<strong>in</strong>heiten greifen nur subsidiär e<strong>in</strong>.<br />

d. Ganzheitliches Denken. Dieses ist Voraussetzung für e<strong>in</strong>en Menschentyp, der kle<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>heiten von <strong>in</strong>nen heraus steuern kann.<br />

e. Bestandsgröße vor Stromgröße. Wir müssen aufhören, von der Substanz zu leben.<br />

Vielmehr gilt es, den Bestand an (wertmäßiger <strong>und</strong> umweltmäßiger) Substanz zu<br />

erhalten.<br />

SCHLUSSWORT<br />

Es konnte gezeigt werden, dass <strong>christliche</strong> Werte viele positive Auswirkungen auf Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft haben <strong>und</strong> vielen zerstörerischen Entwicklungen entgegenwirken können.<br />

Christliche Werte ruhen auf der Gr<strong>und</strong>lage des <strong>christliche</strong>n Glaubens. Anders ausgedrückt: sie<br />

s<strong>in</strong>d die Früchte am Baum des Glaubens, der <strong>in</strong> Jesus Christus wurzelt. Wir können auf Dauer<br />

die Früchte nicht ohne den Baum haben.<br />

Es sollte jedoch auch deutlich geworden se<strong>in</strong>: das Evangelium von Jesus Christus, das<br />

geglaubt se<strong>in</strong> will, zielt nicht primär auf die Verbesserung unserer <strong>wirtschaft</strong>lichen <strong>und</strong><br />

<strong>gesellschaft</strong>lichen Verhältnisse, sondern vielmehr auf die Heilung unserer Gottesbeziehung.<br />

Die <strong>wirtschaft</strong>lichen <strong>und</strong> <strong>gesellschaft</strong>lichen "Nebenwirkungen" werden sich dann von selbst<br />

e<strong>in</strong>stellen.


133<br />

LITERATURVERZEICHNIS<br />

ACP 2000: Ende e<strong>in</strong>es deutschen Volkes? In: Arbeitskreis <strong>christliche</strong>r Publizisten 3:19.<br />

Alexander, P. 1992: Heimat oder Asyl? E<strong>in</strong> Beitrag zur Entwicklungspolitik. Ulm.<br />

Anderson, P.M. (ed) 1998: Professors Who Believe. Downers Grove, IL, USA.<br />

Baader, R. 1997: Fauler Zauber. Sche<strong>in</strong> <strong>und</strong> Wirklichkeit des Sozialstaats. Gräfelf<strong>in</strong>g.<br />

Baader, R. 1999: Die belogene Generation. Politisch manipuliert statt zukunftsfähig<br />

<strong>in</strong>formiert. Gräfelf<strong>in</strong>g.<br />

Baader, R. 2004: Geld, Gold <strong>und</strong> Gottspieler. AmVorabend der nächsten<br />

Welt<strong>wirtschaft</strong>skrise. Gräfelf<strong>in</strong>g.<br />

Baaske, W./Millendorfer, J. 2002: Aufbruch zum Leben - Wirtschaft, Mensch <strong>und</strong> S<strong>in</strong>n im<br />

21. Jahrh<strong>und</strong>ert. Universitätsverlag Trauner L<strong>in</strong>z.<br />

Berger, P.L. 1994: The gross national product and the gods. In:<br />

McK<strong>in</strong>sey Quarterly 1994, 1.<br />

Chewn<strong>in</strong>g, R.C. (ed) 1990: Biblical Pr<strong>in</strong>ciples & Bus<strong>in</strong>ess The Practice.<br />

Colorado Spr<strong>in</strong>gs, Colorado, USA.<br />

Czwal<strong>in</strong>a, J./ Walker, A. 1998: Karriere ohne S<strong>in</strong>n? Der Manager zwischen Beruf, Macht <strong>und</strong><br />

Familie. Gräfelf<strong>in</strong>g.<br />

Dietrich, St. 2000: Fremdbestimmte Ausländerpolitik. FAZ 6.7.2000.<br />

Fikentscher, W. 1997: Die Freiheit <strong>und</strong> ihr Paradox. Gräfelf<strong>in</strong>g.<br />

Fritzsch, H. 1998: Deutschland <strong>in</strong>vestiert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>e Vergangenheit. In: Forschung <strong>und</strong><br />

Lehre 3/98.<br />

Gerdsen, P. 2000: Das Christentum <strong>und</strong> der Begriff Toleranz <strong>in</strong> ihrer Bedeutung für die<br />

Gesellschaft. In: Journal des <strong>Professorenforum</strong>s 2, 2000.<br />

Gilessen, G. 1999: Amerikanische Ursachenforschung. FAZ 26.10.1999.<br />

Gollwitzer, H. 1981: Warum ich als Christ Sozialist b<strong>in</strong>? In: Flammer, H. (Hrsg): Kirche<br />

<strong>und</strong> Sozialismus.Gütersloh.<br />

Grün, A. 2001: Menschen führen - Leben wecken. Münsterschwarzach.<br />

Hamm, W. 1999: Umverteilung der Soziallasten - e<strong>in</strong> Irrweg. FAZ vom 26.10.99.<br />

Hanssmann, F. 2001: Humanisierung des Managements. E<strong>in</strong> <strong>christliche</strong>r Standpunkt.<br />

Gräfelf<strong>in</strong>g.


134<br />

Harbrecht, W. 1992: Die Entwicklungsarbeit der Kirchen aus ökonomischer Sicht - e<strong>in</strong>e<br />

kritische Würdigung. In: Görgens, E./Tuchtfeld, E. (Hrsg): Die Zukunft der<br />

<strong>wirtschaft</strong>lichen Entwicklung. Haupt-Verlag Bern - Stuttgart - Wien.<br />

Harbrecht, W. 1993? Katholische Soziallehre <strong>und</strong> Soziale Markt<strong>wirtschaft</strong>. In: Bossle,<br />

L./Kell, P. (Hrsg): Die Erneuerung der Sozialen Markt<strong>wirtschaft</strong>. Bonifatius-Verlag<br />

Paderborn.<br />

Hax, H. 1997: Fixiert auf die Verteilung. FAZ 17.05.1997, S. 15.<br />

Hoffmann, F. /Härle, M. 1992: Religion als strategischer Erfolgsfaktor. E<strong>in</strong>e triadische<br />

Betrachtung nationaler E<strong>in</strong>flüsse auf den Unternehmenserfolg. In: Albach 1992.<br />

IGFM 2000: Über Verfolgung aus religiösen Gründen offen sprechen. In: Für die<br />

Menschenrechte 6, 2000.<br />

Junker, R./Scherer, S. 2001: Evolution - e<strong>in</strong> kritisches Lehrbuch (5. Auflage). Gießen.<br />

Kirchenamt der EKD (Hrsg) 1997: Für e<strong>in</strong>e Zukunft <strong>in</strong> Solidarität <strong>und</strong> Gerechtigkeit. Wort<br />

des Rates der EKD <strong>und</strong> der Deutschen Bischofskonferenz zur <strong>wirtschaft</strong>lichen <strong>und</strong><br />

sozialen Lage <strong>in</strong> Deutschland. Hannover.<br />

Kohler, B. 2000: Das deutsche Wunschbild. FAZ 8.12.2000.<br />

Krüsselberg, H.G. / Reichmann, H. (Hrsg.) 2002: Zukunftsperspektive Familie <strong>und</strong> Wirtschaft.<br />

Vom Wert von Familie für Wirtschaft, Staat <strong>und</strong> Gesellschaft. Vektor-Verlag,<br />

Grafschaft.<br />

Lachmann, W. 1984: Ausweg aus der Krise. Fragen e<strong>in</strong>es Christen an Markt<strong>wirtschaft</strong> <strong>und</strong><br />

Sozialstaat. Wuppertal.<br />

Lachmann, W. 1991: Staatlicher E<strong>in</strong>fluß auf die Wirtschaft <strong>und</strong> se<strong>in</strong>e ethischen Folgen.<br />

In: Lachmann, W./Haupt, R. (Hrsg): Wirtschaftsethik <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er pluralistischen Welt.<br />

Moers: Brendow<br />

Lachmann, W. 1992: Verantwortung <strong>und</strong> Markt: Nord-Süd/Ost-West. In: Lachmann, W./<br />

Haupt, R. (Hrsg): Entwicklungsförderung - Ost-West Anpassung <strong>und</strong> Nord-Süd<br />

Ausgleich. Moers: Brendow.<br />

L<strong>in</strong>k, Ch. 2000: Der E<strong>in</strong>fluß <strong>christliche</strong>r Werte auf die deutsche<br />

Verfassungsordnung. In: Resch 2000.<br />

McClelland, D., 1966: Die Leistungs<strong>gesellschaft</strong>. Stuttgart.<br />

Meves, Ch. 2003: Verführt. Manipuliert. Pervertiert. Die Gesellschaft <strong>in</strong> der Falle modischer<br />

Irrlehren. Ursachen - Folgen - Auswege. Gräfelf<strong>in</strong>g.<br />

Meves, C. 2005: Geheimnis Gehirn. Warum Kollektiverziehung <strong>und</strong> andere<br />

Unnatürlichkeiten für Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der schädlich s<strong>in</strong>d. Gräfelf<strong>in</strong>g.


135<br />

Millendorfer, J. 1984: Hemmfaktoren e<strong>in</strong>er gerechten <strong>in</strong>dustriellen Entwicklung. In:<br />

Vere<strong>in</strong>igung der Politologen an der Hochschule für Politik, München (Hrsg.): Energie<br />

<strong>und</strong> Gerechtigkeit, Interdisz. Reihe Nr. 6, M<strong>in</strong>erva Publikation, München, S. 64-101.<br />

Millendorfer, J./Gaspari, C. 1971: Immaterielle <strong>und</strong> materielle Faktoren der Entwicklung.<br />

Ansätze zu e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Produktionsfunktion. Zeitschrift für Nationalökonomie<br />

1971, 31, S. 81-120.<br />

Motschmann, K. 1997a: Das Wort - <strong>und</strong> die ”Worte”. Gr<strong>und</strong>sätzliche Er<strong>in</strong>nerungen aus<br />

aktuellem Anlaß. In: Informationsbrief Nr. 185 der Bekenntnisbewegung ”Ke<strong>in</strong><br />

anderes Evangelium”.<br />

Motschmann, K. 1997b:<br />

Die Rolle der Kirchen <strong>in</strong> der 68er Bewegung. In: Freiheit der Wissenschaft 1997, 4.<br />

Müller-Armack, A. 1948:<br />

Das Jahrh<strong>und</strong>ert ohne Gott. Regensburg / Münster.<br />

Noelle-Neumann, E. 1999: E<strong>in</strong> freiheitliches Wirtschaftssystem macht die Gesellschaft<br />

glücklicher. FAZ vom 3.11.99.<br />

P<strong>in</strong>kau, K. / Stahlberg, Ch. 2000: Zukunft der Aufklärung. Stuttgart (Hirzel).<br />

Rekers, A. 1999: Sexual Behavior of Youth and Its Long-Range Societal Consequences. In:<br />

Beckers et al (Hrs): Hochschulbildung im Aus? Menschenbild <strong>und</strong> Pädagogik <strong>in</strong> der<br />

Informations<strong>gesellschaft</strong> des 3. Jahrtausends. Verlag des <strong>Professorenforum</strong>s Gießen.<br />

S. 107 - 133.<br />

Resch, I. (Hrsg.) 2000: Mehr als man glaubt. Christliche F<strong>und</strong>amente <strong>in</strong> Recht, Wirtschaft<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft. Gräfelf<strong>in</strong>g.<br />

Röpke, W. 1958: Jenseits von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage. Erlenbach-Zürich <strong>und</strong> Stuttgart.<br />

Rohrmoser, G. 1983: Geistige Wende - nur e<strong>in</strong> Gerücht? In: Rohrmoser, G. et al: Wende<br />

woh<strong>in</strong>? Köln.<br />

Rohrmoser, G. 1997: Nur e<strong>in</strong> Kopftuch? In: Idea 1997, 47.<br />

Rüstow, A. 1960: Wirtschaft als Diener<strong>in</strong> der Menschlichkeit. In: Aktionsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

soziale Markt<strong>wirtschaft</strong> (Hrsg): Was wichtiger ist als Wirtschaft. Ludwigsburg.<br />

Sautter, H. 1997a: Braucht die soziale Markt<strong>wirtschaft</strong> e<strong>in</strong> neues Menschenbild? In:<br />

Rösener, H.J. et al: Soziale Markt<strong>wirtschaft</strong> <strong>in</strong> der Bewährung. St.August<strong>in</strong>.<br />

Sautter, H. 1997b: Welche Kultur braucht die soziale Markt<strong>wirtschaft</strong>? In:<br />

Sondernummer der Zeitschrift für ev. Ethik 1997.<br />

Scheuch, E.K. 1999: Wider die Ökonomisierung aller Lebensbereiche. In: Beckers et al (Hrs):<br />

Hochschulbildung im Aus? Menschenbild <strong>und</strong> Pädagogik <strong>in</strong> der Informations<strong>gesellschaft</strong><br />

des 3. Jahrtausends. Verlag des <strong>Professorenforum</strong>s Gießen. S. 137 - 165.


136<br />

Secretan, L.H.K. 1997: Soul Management. Der neue Geist des Erfolgs. München.<br />

Sire, J.W. 1997: The Universe Next Door. A Basic Worldview Catalog.<br />

Third Edition. InterVarsity Press. Downers Grove, IL, USA.<br />

S<strong>in</strong>n, H. W. 2004: Ist Deutschland noch zu retten? Econ Berl<strong>in</strong>.<br />

Insbesondere Kap 3: Arbeitsmarkt im Würgegriff der Gewerkschaften<br />

Tuchtfeld, E. 1983: Anthropologische Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Pr<strong>in</strong>zipien e<strong>in</strong>er Wirtschafts- <strong>und</strong><br />

Sozialordnung. In: Konrad Adenauer-Stiftung (Hrsg): Kirche <strong>und</strong> Wirtschaft. Melle.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!