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Methodik des kommunikativen Fremdsprachen- unterrichts

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Die Schwierigkeit der einzelnen Lernschritte ist sehr verschieden. Den ersten Schritt wird der<br />

Reisende R eher beiläufig abhaken, Schritt B wird schon einiges an Aufmerksamkeit verlangen,<br />

Schritt C setzt bewusste Denkoperationen voraus: Der Reisende überfliegt die Gebrauchsanweisung<br />

<strong>des</strong> Fahrkartenautomaten und handelt gemäß den Anweisungen.Um die Gebrauchsanleitung<br />

zu verstehen, muss er einige Fachbegriffe kennen (Fahrzone, Fahrtrichtung, Umsteigen,<br />

Verfall der Gültigkeit, Fahrkartenkontrolle ...). R begegnet hier einem Paradox, das die<br />

Diskussion um das bewusste Lernen immer begleitet: Um ein schwieriges Lernproblem lösen<br />

zu können, benötigt man oft verbale Information von dritter Seite - und fügt damit dem Ausgangsproblem<br />

statt der Lösung eine Reihe neuer und andersartiger Probleme hinzu (Erlernung<br />

einer Beschreibungssprache/ Terminologie, Verstehen und Umsetzen verbaler Erklärungen).<br />

Dennoch ist die verbale Information im konkreten Fall für R eine wichtige Hilfe: Die geschickte<br />

und knappe Formulierung, die er hier am Automaten vorfindet, erlaubt ihm ein gezieltes<br />

und kontrolliertes Handeln, das bloßem Ausprobieren weit überlegen ist.<br />

Die Frage, ob die verbale Information notwendig ist und ob sie hilfreich ist, muss also im<br />

konkreten Fall entschieden werden: Der Erklärungsbedarf hängt ab vom Grad der Unbestimmtheit<br />

eines Problems, seiner Schwierigkeit aus der Sicht <strong>des</strong> Lernsubjekts und dem<br />

Vorwissen. Je größer das Wissen in einem Lernfeld ist, <strong>des</strong>to schneller und einfacher kann<br />

neues Wissen in diesem Lernfeld erworben und in das vorhandene Wissen integriert werden.<br />

Andererseits wächst der Grad der Unbestimmtheit mit zunehmender Komplexität eines Lernfel<strong>des</strong>.<br />

Der Grad der Komplexität einer Lernhandlung bestimmt sich durch die Zahl der Lernschritte<br />

bzw. Unbestimmtheitsstellen (A, B, C, D usw.), durch die jeweilige Breite <strong>des</strong> Optionenspektrums<br />

(A1, A2, A3, A4 usw.) sowie durch die Anzahl der erforderlichen Paralleloperationen<br />

in den Entscheidungspunkten (zugleich C1 und C4).<br />

Eine verbale Erklärung ist überflüssig dort, wo ein einfacher Hinweispfeil eine ausreichende<br />

Orientierung erlaubt (Schritt A/ geringe Problemtiefe). Hilfreich ist eine Erklärung, bei der<br />

Aufwand und Nutzen aus subjektiver Sicht in einem günstigen Verhältnis stehen. Die Problemtiefe<br />

bei Schritt C legt Erklärungsbedarf nahe; die kurze Bedienungsanleitung am Fahrkartenautomat<br />

ist dem Reisenden daher eine sinnvolle Handlungshilfe. Hingegen wäre eine seitenlange,<br />

mit Fachbegriffen gespickte Darstellung <strong>des</strong> Systems <strong>des</strong> öffentlichen Nahverkehrs in<br />

Frankfurt in dieser Situation wenig nützlich.<br />

Zurück zum Beispiel. Nachdem R bei seinem Geschäftspartner angekommen ist und seinen<br />

Termin wahrgenommen hat, benutzt er wiederum die U-Bahn, um zu seinem Hotel zu gelangen.<br />

Obwohl er eine andere Strecke fährt, geht alles beim zweiten Mal viel schneller und<br />

einfacher. Denn während er es bei der ersten Fahrt noch mit einem hohen Maß an Unbestimmtheit<br />

zu tun hatte (Vorrang der bottom-up-Prozesse), kann er sich nun vermehrt auf den<br />

Abruf <strong>des</strong> vorher konstruierten Wissens stützen (Vorrang der top-down-Prozesse). Nur wenn<br />

Fehler auftreten oder ein unerwartetes Ereignis eintritt (etwa ein neuer Fahrpreis, da die<br />

Fahrzeit jetzt außerhalb der Spitzenzeit liegt), wird er sein Wissensrezept durch die Aufnahme<br />

neuer Information noch ein wenig modifizieren und ergänzen.<br />

Bei der dritten Fahrt kann er nebenbei die Zeitung lesen: Das Handlungsrezept ist fast schon<br />

zur Routine geworden; es ist erfolgreich, ausreichend optimiert (Ergebniskontrolle) und beansprucht<br />

daher die kognitiven Ressourcen nicht mehr in nennenswerter Weise. Dabei ist<br />

unerheblich, ob er die gleiche Strecke schon einmal gefahren ist: Das Handlungsrezept ist im<br />

Rahmen der Regelungen dieses U-Bahn-Netzes beliebig übertragbar.<br />

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