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Referat Verbrennungen

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<strong>Referat</strong><br />

Thema<br />

<strong>Verbrennungen</strong><br />

von<br />

Alexandra Merz<br />

&<br />

Nicole Kraus<br />

Fachweiterbildung<br />

für Anästhesie- und Intensivpflege<br />

am Universitätsklinikum Heidelberg<br />

I-Kurs 2002-2004<br />

Heidelberg, 06.07.2004


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhalt Seite<br />

Einleitung<br />

Hauptteil<br />

1. Anatomie und Physiologie der Haut 1<br />

1.1. Hautschichten<br />

1.1.1. Oberhaut<br />

1.1.2. Lederhaut<br />

1.1.3. Unterhaut<br />

1.2. Hautanhangsgebilde<br />

1.2.1. Hautdrüsen<br />

1.2.1.1. Schweißdrüsen (Glandulae sudoriferae)<br />

1.2.1.2. Talgdrüsen (Glandulae sebaceae)<br />

1.2.1.3. Duftdrüsen (Glandulae sudoriferae apocrinae)<br />

1.2.2. Haare (Pili)<br />

1.2.3. Nägel (Ungues)<br />

1.3. Hautsensoren<br />

1.3.1. Merkel-Zellen (Menisci tactus)<br />

1.3.2. Meissner-Körperchen (Corpuscula tactus)<br />

1.3.3. Ruffini-Kolben (Ruffinische Körperchen)<br />

1.3.4. Vater-Pacini-Körperchen (Lamellenkörperchen, Corpuscula lamellosa)<br />

1.3.5. Wärme- und Kälterezeptoren<br />

1.4. Funktionen der Haut<br />

2. Geschichte und Entwicklung der Verbrennungsmedizin 4<br />

3. Definitionen 6<br />

3.1. Verbrennung<br />

3.2. Verbrennungskrankheit<br />

4. Ursachen 6<br />

5. Stadieneinteilung 6<br />

5.1. Verbrennung Grad 1<br />

5.2. Verbrennung Grad 2 a<br />

5.3. Verbrennung Grad 2 b<br />

5.4. Verbrennung Grad 3<br />

5.5. Verbrennung Grad 4<br />

5.6. Klinische Einteilung der Schweregrade von <strong>Verbrennungen</strong> (American Burn<br />

Association)<br />

6. Neuner Regel (nach Wallace) 9


7. Pathophysiologie der Verbrennungskrankheit 9<br />

7.1. Schockphase (Exudationsphase)<br />

7.2. Reparationsphase<br />

7.3. Komplikationen<br />

8. Therapie 10<br />

8.1. Sofortmaßnahmen<br />

8.2. Klinische Erstversorgung<br />

8.3. Infusionstherapie<br />

8.3.1. Schockformeln für kristalline Lösungen<br />

8.3.2. Schockformeln für hypertone Salzlösungen<br />

8.3.3. Schockformeln für Albumin<br />

8.4. Wundversorgung<br />

8.4.1. Offene und geschlossene Wundbehandlung<br />

8.5. Hauttransplantation<br />

8.5.1. Eigenhauttransplantation<br />

8.5.2. Fremdhauttransplantation<br />

8.5.3. Synthetischer Hautersatz<br />

8.6. Ernährung<br />

9. Spezielle Pflege 17<br />

9.1. Lagerung der Schwerbrandverletzen<br />

9.2. Wundversorgung<br />

9.2.1. Hydrotherapie<br />

9.3. Pflege nach Hauttransplantation<br />

9.4. Psychosoziale Betreuung<br />

Zusammenfassung<br />

10. Literaturverzeichnis 12


Einleitung<br />

Obwohl schon seit den frühen Hochkulturen, wie China und Ägypten, Forschung und Lehre<br />

über die Verbrennungsmedizin betrieben wurde, gibt es bis heute keine einheitlichen<br />

Standards sowie kaum überarbeitete Fachliteratur. Viele Therapieansätze beruhen auf<br />

experimenteller Basis.<br />

Aufgrund dieser Problematik entschlossen wir uns, im Rahmen unserer Fachweiterbildung für<br />

Anästhesie- und Intensivpflege, für das Thema <strong>Verbrennungen</strong>. Gerade weil dieses Thema<br />

durch die Einrichtung von Spezialkliniken für uns immer mehr in den Hintergrund zu rücken<br />

scheint, erhoffen wir uns mit den folgenden Informationen das Krankheitsbild <strong>Verbrennungen</strong><br />

unseren Kollegen/Kolleginnen näher zu bringen.<br />

Um einen relativ aktuellen Stand zu erlangen, orientierten wir uns überwiegend an den<br />

Richtlinien der Verbrennungsklinik in Ludwigshafen.<br />

Hauptteil<br />

1. Anatomie und Physiologie der Haut<br />

Die Haut ist mit einer Fläche von etwa 1,5 – 2 m 2 das größte Organ des menschlichen Körpers<br />

und wiegt 3 – 5 kg. Sie ist an verschiedenen Körperregionen differenziert als Felder- oder<br />

Leistenhaut. Die Felderhaut bedeckt den gesamten Körper mit Ausnahme von Handteller und<br />

Fußsohlen. Hier befindet sich die dickere und widerstandsfähigere Leistenhaut. In Form von<br />

Papillarleisten zeigt sich ein erblich festgelegtes Linienmuster.<br />

1.1. Hautschichten<br />

Die Haut besteht aus einem oberflächlichen Epithel (Oberhaut, Epidermis), das mit einer<br />

tieferen Bindegewebsschicht (Lederhaut, Corium) verwachsen ist. Alle Hautanhangsgebilde<br />

(Drüsen, Haare und Nägel) entstehen aus der Oberhaut. Die Lederhaut sorgt für die<br />

mechanische Festigkeit. Das Unterhautgewebe (Subcutis) besteht überwiegend aus Fettzellen,<br />

die von Bindegewebe unterteilt werden und so verschieblich mit dem Bindegewebe<br />

oberflächlicher Muskelfaszien verbunden ist.<br />

1.1.1. Oberhaut<br />

Die Oberhaut ist ein Deckepithel und bildet die Körperoberfläche. Sie ist durch eine<br />

Basalmembran mit der Papillarschicht der Lederhaut verbunden. Auf dieser Basalmembran<br />

sitzen die Epithelzellen der Basalzellschicht (Stratum basale), aus denen sich die Epidermis<br />

immer wieder neu regenerieren kann. In der Basalzellschicht teilen sich die Zellen<br />

fortwährend, so dass die Tochterzellen aufgrund von Platzmangel zur Oberfläche wandern<br />

und verhornen. Sie halten Kontakt zur benachbarten Stachelzellschicht (Stratum spinosum).<br />

Alte Epithelzellen bilden Keratohyalinkörperchen, die die Zellen bröckelig aussehen lassen<br />

(Körnerzellschicht, Stratum granulosum). Basal-. Stachel- und Körnerzellschicht bilden also<br />

die lebende Oberhaut, die Keimschicht (Stratum germinativum). Die oberflächliche<br />

Hornschicht (Stratum corneum) besteht im Gegensatz zur Keimzellschicht aus abgestorbenen<br />

Epithelzellen , die zu Keratin werden (Hornstoff). Die Oberhaut erneuert sich innerhalb eines<br />

Monats komplett, d.h. pro Tag werden ca. 5 – 15 g verhornte Zellen in Form von Schuppen<br />

abgestoßen. Im Epithelverband kommen 3 Zellarten vor: Merkelzellen, Melanozyten und<br />

Langerhans-Zellen. Merkelzellen sind Sinneszellen, sie befinden sich vor allem an


Fingerspitzen und empfindlichen Hautstellen. Melanozyten enthalten das Pigment Melanin.<br />

Langerhanszellen sind Zellen des spezifischen Abwehrsystems und können Antigene bilden.<br />

1.1.2. Lederhaut<br />

Die Lederhaut beginnt direkt unter der Basalmembran des Epithels und verleiht der Haut ihre<br />

Reißfestigkeit sowie Verformbarkeit. Sie besteht aus einem Kollagengeflecht sowie<br />

elastischen Fasern und enthält Blut- und Lymphgefäße, Nervenfasern, Bindegewebszellen und<br />

Abwehrzellen. Je nach Faseranordnung unterscheidet man die Papillarschicht (Stratum<br />

papillare) von der Geflechtsschicht (Stratum reticulare), die durch die Kollagenfasern für die<br />

Festigkeit der Haut verantwortlich ist. Durch die unterschiedlich angeordneten Fasergeflechte<br />

ist die Haut nicht überall gleich dehnbar. Außerdem können z.B. Schnittwunden, die parallel<br />

zu den Spaltlinien verlaufen, besser abheilen und klaffen nicht auseinander.<br />

1.1.3. Unterhaut<br />

Das Unterhautgewebe ist der Energiespeicher des Körpers und besteht hauptsächlich aus<br />

lockerem, fettgewebsreichem Bindegewebe. Die Verbindung zu oberflächlichen<br />

Muskelfaszien ermöglicht eine Verschieblichkeit der Haut. Außerdem bildet die Grenze<br />

zwischen Unterhaut und Lederhaut ein gefäßreiches Netzwerk mit Schweißdrüsen und tiefen<br />

Tastkörperchen. Die Unterhaut ist unterschiedlich stark ausgebildet, so dass man "Baufett"<br />

(z.B. an der Fußsohle) von "Depotfett" (z.B. Fettpolster am Bauch) unterscheidet. Fett ist<br />

schlecht wärmeleitend und schützt so den Körper vor Unterkühlung.<br />

1.2. Hautanhangsgebilde<br />

1.2.1. Hautdrüsen<br />

1.2.1.1. Schweißdrüsen (Glandulae sudoriferae)<br />

Die ca. 2 Millionen Schweißdrüsen sind vor allem in der Haut von Stirn, Handinnenflächen<br />

und Fußsohlen lokalisiert. Nur Menschen und Affen sind in der Lage Flüssigkeit und Salze in<br />

Form von Schweiß auszuscheiden. Schwitzen ist für uns somit der wichtigste Mechanismus<br />

zur Wärmeabgabe. Die Drüsen sitzen in der Tiefe der Lederhaut und ziehen sich bis in die<br />

Keimschicht der Oberhaut, bis sie letztendlich die Hornhaut durchbrechen. Innerviert werden<br />

die Drüsen vom sympathischen Nervensystem; Neurotransmitter ist jedoch nicht<br />

Noradrenalin sondern Acetylcholin. Die Drüse selbst produziert ein eiweißfreies Ultrafiltrat<br />

aus dem Blutplasma. Diesem Sekret wird weiterhin Kochsalz entzogen, so dass der Schweiß<br />

hypoton und sauer (pH 4 – 5) wird, da die Wasserstoffionen über dem Blutwert liegen. In<br />

solch einem saueren Milieu können die meisten Bakterien und Pilze nicht überleben, daher<br />

spricht man hier auch von einem Säureschutzmantel der Haut.<br />

1.2.1.2. Talgdrüsen (Glandulae sebaceae)<br />

Fast alle Talgdrüsen münden in einem Haarbalg. Augenlider, Lippen, Genitale, Nase und<br />

Gehörgang besitzen freie Talgdrüsen, welche nicht an die behaarte Haut gebunden sind.<br />

Eine Talgdrüse besteht aus Azini (beerenförmiges Drüsenendstück), die sich zu mehreren<br />

Ausführungsgängen zusammenschließen. An den Azini sitzen Stammzellen, die die<br />

Fettsubstanz des Talgs bilden und diese in Vesikeln (Bläschen) speichern. Die Drüse füllt sich<br />

mit Vesikeln an und geht schließlich zu Grunde � holokrine Sekretion. Talg ist reich an


Fettsäuren. Er sorgt in Verbindung mit Schweiß für die Geschmeidigkeit der Haut und<br />

verleiht den Haaren ihren Glanz. Niedrigere Talgsekretion lässt die Haut spröde und rissig<br />

werden, während eine hohe Talgsekretion (Seborrhoe) die Drüsen verstopft. Es entstehen<br />

Mitesser, die zur Entzündung der Drüsen (Akne) führen können, vor allem in der Pubertät.<br />

1.2.1.3. Duftdrüsen (Glandulae sudoriferae apocrinae)<br />

Duftdrüsen befinden sich vor allem in der Achselhöhle und Genitalregion. Es handelt sich<br />

um plumpe Schweißdrüsen, die ein eher alkalisches Sekret produzieren. Vor allem durch<br />

Sexualhormone stimuliert, sorgen sie für den charakteristischen Körpergeruch.<br />

1.2.2. Haare (Pili)<br />

Ein Haar setzt sich aus einem Haarschaft und einer Haarwurzel zusammen. Die Haarwurzel<br />

mündet zusammen mit einer Tagdrüse in die Wurzelscheide, einer Einstülpung der<br />

epithelialen Keimzellschicht. Diese durchdringt die Lederhaut und endet im Unterhautgewebe<br />

als verdickte Haarzwiebel, in deren unteren Teil die Haarpapille eindringt. Dort findet die<br />

Bildung neuer Haare statt.<br />

Der aus glatter Muskulatur bestehende Haarmuskel setzt etwa in der Haarwurzelmitte an. Er<br />

entspringt der Lederhaut und richtet das Haar, z.B. bei Kälte, auf.<br />

Das Haar besteht aus weichem Haarmark, das von der Haarrinde, einer Hornschicht, umgeben<br />

wird. Diese sorgt für die Haarfestigkeit. Täglich wachsen die Haare ca. 0.3 mm, d.h. etwa 1<br />

cm pro Monat. Die Lebensdauer eines Haares beträgt 4 – 5 Jahre, bei Wimpern und<br />

Augenbrauen allerdings nur 4 – 6 Monate.<br />

1.2.3. Nägel (Ungues)<br />

Nägel gehören, wie die Haare, zu den Bildungen der Epidermis und bestehen aus 0,5 mm<br />

dicken Hornplatten, die im Nagelbett verankert sind. Als Schutzvorrichtung für Finger und<br />

Zehen bilden sie ein Widerlager für Druck, der auf die Tastballen ausgeübt wird, wodurch es<br />

zur Unterstützung des Tastsinns kommt.<br />

1.3. Hautsensoren<br />

1.3.1. Merkelzellen (Menisci tactus)<br />

Merkelzellen sind groß, stark mit Mitochondrien besetzt und liegen in der Basalzellschicht der<br />

Oberhaut. Ihre Impulse werden über Synapsen zu einer Nervenfaser und von dort aus an das<br />

Rückenmark geleitet. Diese Zellen findet man überwiegend an den Fingerspitzen.<br />

1.3.2. Meissner Körperchen (Corpuscula tactus)<br />

Meissner Körperchen befinden sich ebenfalls an der Grenze zwischen Ober- und Unterhaut.<br />

Sie bestehen aus mehreren keilförmigen Zellen, zwischen denen eine Nervenfaser hindurch<br />

zieht. Besonders stark reagieren sie auf Druckveränderungen in der Haut. Jene Körperchen<br />

werden vor allem zum Greifen kleiner Gegenstände benötigt.


1.3.3. Ruffini Kolben (Ruffinische Körperchen)<br />

Ruffini Kolben liegen tief in der Lederhaut und sind flache, von Bindegewebe umhüllte<br />

Zellhaufen, die viele Nervenfasern und Synapsen enthalten. Sie messen die Spannung in der<br />

Lederhaut, reagieren auf Spannungsveränderungen und befinden sich vor allem an<br />

Hautstellen, die starken Scherkräften ausgesetzt sind (z.B. Handflächen).<br />

1.3.4.Vater-Pacini-Körperchen (Lamellenkörperchen, Corpuscula lamellosa)<br />

Vater-Pacini-Körperchen finden sich im Unterhautfettgewebe und bestehen aus einer<br />

zwiebelartigen Schale mit Epithelzellen, die von einer zentralen Nervenendigung umgeben<br />

wird. Es handelt sich um reine Vibrationssensoren, die nur auf sich schnell ändernde<br />

Berührungsreize ansprechen.<br />

1.3.5. Wärme- und Kälterezeptoren<br />

Wärme- und Kälterezeptoren sind als freie Nervenendigungen in der Haut vorhanden, wobei<br />

die meisten als Schmerzsensoren und nur wenige als Temperaturfühler fungieren. Nur der<br />

Mund- und Nasenbereich ist besonders dicht besiedelt, da Wärme- und Kälterezeptoren im<br />

Allgemeinen selten sind.<br />

1.4. Funktionen der Haut<br />

Bereits die oben aufgeführten anatomischen Grundlagen geben einige Hinweise über die<br />

wichtigsten Funktionen der Haut.<br />

Hauptsächlich dient diese dem Schutz vor mechanischen (Druck, Stoß, Reibungen) und<br />

chemischen Einwirkungen, dem Eindringen von Mikroorganismen, Wärme und UV-Strahlen<br />

und dem Eindringen sowie dem Verlust von Wasser.<br />

Desweiteren reguliert sie die Körpertemperatur, ermöglicht die Aufnahme von Medikamenten<br />

und Stoffen (z.B. Hormonpflaster, Schmerzpflaster), befreit den Körper durch Exkretion (z.B.<br />

Schweiß) von Abfallstoffen schützt mittels Sekretion (z.B.Talg) vor Austrocknung und dient<br />

als Depot für wichtige Substanzen (z.B. Fett).<br />

Nicht zu vergessen wäre die Abwehrfunktion, ermöglicht z.B. durch Langerhans-Zellen und<br />

eingewanderte Leukozyten.<br />

Darüber hinaus verdanken wir der Haut unsere Ausdrucks- und Sinnesfunktion.<br />

2. Geschichte und Entwicklung der Verbrennungsmedizin<br />

� Bereits in frühen Hochkulturen, vor allem in China und Ägypten, war die Behandlung<br />

sowie Therapie der Verbrennungswunde standardisiert.<br />

� Die ersten Oberflächentherapien wurden mit Gerbstoffen, z.B. Teeextrakten, von den<br />

Chinesen angewandt. Die Ägypter dagegen bevorzugten spezielle Rezepturen und<br />

Salben zur Behandlung der Verbrannten.<br />

� Schon 1600 v. Chr. fand man im Papyrus Ebers, einer ägyptischen Schrift, erste<br />

Behandlungsformen von Brandwunden, in der tierische Fette in Form eines Verbandes<br />

zur Oberflächentherapie empfohlen werden.<br />

� Der indische Chirurg Sushruta führte um 800 v. Chr. erstmalig das Debridement der<br />

verbrannten Haut auf.<br />

� Etwas später, 600 v. Chr. teilen die Ayurveda-Schriften die Verbrennung in 4 Grade<br />

ein, mit Allgemeinsymptomen wie Schwäche, Durst und Fieber.


� In den Schriften des Hypokrates (466 – 377 v. Chr.) werden ebenfalls Fette und Öle,<br />

aber auch reinigende Substanzen empfohlen.<br />

� Florentinus (1223 – 1303) betont, dass Brandwunden, gleich welcher Ursache,<br />

gekühlt werden sollen. Außerdem stammt von ihm die erste Einteilung der<br />

Verbrennungswunde in 3 Grade, nämlich Rötung, Blasenbildung sowie<br />

Krustenbildung.<br />

� Der schwäbische Arzt und Naturforscher Paracelsus (1493 – 1541) erkannte schon<br />

zum damaligen Zeitpunkt, dass übermäßige Flüssigkeitszufuhr zum Tod führt.<br />

� Noch im gleichen Jahrhundert unterscheidet Johannes da Vigo (1450 – 1525)<br />

zwischen Verbrennung und Verbrühung.<br />

� Erst 1607 erschien das Buch „De Combustionibus“ (Autor: Fabicius Hildanus),<br />

welches sich erstmals ausschließlich mit der Therapie von <strong>Verbrennungen</strong><br />

beschäftigte.<br />

� Lorenz Heisler (1683 – 1758) differenzierte die Symptome der Inflammation, führte<br />

heiße feuchte Verbände durch und eröffnete Blasen.<br />

� Durch Sektion von Brandverletzten entdeckte G. Dupuytren (1777 – 1835) eine<br />

Blutfülle in den Organen und beschrieb neben der Schocksymptomatik nochmals 4<br />

Verbrennungsgrade.<br />

� Joseph Lister (1807 – 1882) erkannte die Brandwunde als Ausgangspunkt der<br />

allgemeinen Infektionen und versuchte die lokale Therapie mit Karbolsäure weiter zu<br />

entwickeln.<br />

� Reverdin (1869) wagte die erste Verpflanzung zweier Epidermisstückchen.<br />

� Kurz darauf (1882) beschrieb H. Baraduc den Gebrauch von Hauttransplantaten. Er<br />

war der Begründer der Spalthauttransplantation.<br />

� Der Wiener Dermatologe Ferdinand von Hebra (1887) propagierte die offene<br />

Behandlung und das Dauerbad für Schwerbrandverletzte.<br />

� 1939 entwickelten Padgett, Brown und Hood die ersten Dermatome zur Gewinnung<br />

von Spalthauttransplantaten, die heute noch in Gebrauch sind.<br />

� Die allseits bekannte Neuner-Regel zur Bestimmung des Verbrennungsausmaßes<br />

wurde von E. C. Wallace 1947 ins Leben gerufen.<br />

� Zwischen 1952 und 1960 trugen Baxter und Shires mit ihrer Infusionsformel nach<br />

Baxter et. al. für einen entscheidenden Fortschritt in der heutigen<br />

Verbrennungstherapie bei. Die Formel ermöglicht eine individuelle Anpassung an den<br />

aktuellen Flüssigkeitsbedarf des Patienten.<br />

� Desweiteren war die Entwicklung eines Gerätes zur Herstellung eines<br />

Gitternetzhauttransplantat (Mesh-Graft) von Tanner und Vandeput um 1958 von<br />

großer Bedeutung.<br />

� 1969 führte Fox das Silbersulfadiazin (Flammazine ® ) ein, welches neben Povidonjod<br />

(Betaisadonna ® ) bis heute zu den am häufigsten eingesetzten Substanzen für die<br />

Oberflächentherapie gehört.<br />

� Reinwald Green ermöglichte 1975 die erfolgreiche Kultivierung und Transplantation<br />

von Kulturhaut. Somit war es nun möglich hochprozentig Verbrannte zu<br />

transplantieren und die nekrektomierten Wundgebiete mit "Eigenhaut" zu<br />

verschließen.<br />

Im Zuge dieser Fortschritte wurden nach und nach weltweit Verbrennungszentren<br />

eingerichtet. Das erste Zentrum für Verbrennungskranke eröffnete um 1941 in Birminham,<br />

darauf folgte 1966 die BRD mit der BG Unfallklinik Bergmannheil Bochum.<br />

Nach dem Bochumer Beispiel schlossen sich Ludwigshafen 1968 und Duisburg Anfang der<br />

siebziger Jahre der Gründung von Spezialabteilungen an.


Da die Verteilung von Patienten in Spezialeinrichtungen sich oft als schwierig erwies, gibt es<br />

seit 1981 eine zentrale Vermittlungsstelle in Hamburg, die dieses Problem durch bessere<br />

Zusammenarbeit gänzlich behoben hat.<br />

3. Definitionen<br />

3.1. Verbrennung<br />

Unter Verbrennung versteht man eine Gewebsschädigung durch Hitzeeinwirkung. Diese kann<br />

durch direkten Kontakt (heißer Gegenstand, Flamme) oder durch Hitzestrahlung erfolgen.<br />

Bei einer Gewebstemperatur von etwa 60° C wird das Eiweiß der Körperzellen irreversibel<br />

zerstört (Proteindenaturierung).<br />

3.2. Verbrennungskrankheit<br />

Neben der thermischen Hautschädigung (Brandwunde) können bei ausgedehnten<br />

<strong>Verbrennungen</strong> durch Eiweißzerfallprodukte (Verbrennungstoxine) schwere<br />

Allgemeinschäden hervorgerufen werden.<br />

Die direkte Schädigung des Gewebes durch Koagulationsnekrose in den ersten 24 – 48<br />

Stunden sowie der enorme Flüssigkeitsverlust, führen zu einer Verminderung des<br />

zirkulierenden Volumens bedingt durch Kapillarwandschädigung. Dies tritt nicht nur im<br />

Verbrennungsgebiet selbst auf, sondern im ganzen Körper.<br />

4. Ursachen<br />

� Verbrennung (Combustio) durch offene Flamme, Explosion oder<br />

Kontaktverbrennungen (z.B. heiße Herdplatte)<br />

� Verbrühung (Ambustio) durch heiße Flüssigkeiten<br />

� Elektrizität bzw. Strom<br />

� Inahalationstrauma durch heiße Luft oder chemisch toxische Substanzen<br />

� Chemische <strong>Verbrennungen</strong> durch z.B. Säuren<br />

� Strahlen (z.B. UV-Strahlen)<br />

5. Stadieneinteilung<br />

Nicht die Temperatur, sondern die Einwirkzeit ist für die Tiefe einer Verletzung von<br />

Bedeutung. Bedingt durch die Einwirkzeit, entwickelt sich eine massive Schädigung an den<br />

Organen. Die Hitze an der Körperoberfläche wird über das Blut zu den Organen geleitet, so<br />

dass diese Zellstrukturen genauso zugrunde gehen können, wie die Hautzellen.<br />

Die Schädigung der Haut lässt sich in unterschiedliche Tiefen einteilen:<br />

5.1. Verbrennung Grad 1<br />

Diese betrifft nur die Epidermis und ist gekennzeichnet durch eine Rötung der Haut ohne<br />

Blasenbildung. Es kommt zu einer Hyperämie (gesteigerte Durchblutung) und zu einer<br />

lokalen Vasodilatation mit einem erhöhten Flüssigkeitsaustritt sowie Ödembildung. Die<br />

Verbrennung heilt spontan durch Hautabschuppung (z.B. Sonnenbrand) aus.


5.2. Verbrennung Grad 2 a<br />

Sie entsteht meist zwischen Epidermis und Corium und fällt insbesondere durch zusätzliche<br />

Blasenbildung auf. Selbst bei komplettem Vordringen zur Lederhaut, ist eine Heilung ohne<br />

Narbenbildung möglich. Meist ist die Blasenhaut feucht, kann aber auch zerrissen sein. Die<br />

hyperämische Rötung lässt sich wegdrücken, was auf durchgängige Kapillare schließen lässt.<br />

Der feuchte Blasengrund verliert zwischen Epidermis und Corium eiweißreiches Exudat.<br />

Oberflächlich dermale <strong>Verbrennungen</strong> sind sehr schmerzhaft, besonders das Austrocknen und<br />

Berühren der Wunde.<br />

5.3. Verbrennung Grad 2 b<br />

Im Gegensatz zu Stadium 2 a heilt diese tiefe dermale Verbrennung auch unter günstigen<br />

Bedingungen nur mit starker Narbenbildung ab. Die Blase kann zerrissen sein und der<br />

Wundgrund hebt sich weißlich ab. Das denaturierte Eiweiß des Coriums ist fester als normal<br />

und die Schwellung wird praller als bei der oberflächlichen Verbrennung, da sich die tief<br />

verbrannte Haut nicht so gut ausdehnt. Berührungen schmerzen nicht und Nadelstiche müssen<br />

tief ins Corium durch den nekrotischen Anteil hindurch geführt werden, wo sie erst als<br />

scharfer Schmerz empfunden werden.<br />

5.4. Verbrennung Grad 3<br />

Das Grad 3 – verbrannte Gewebe führt bis zum Unterhautfettbewebe und weist eine weiße<br />

(avaskuläre), eine rote, aber nicht wegdrückbare oder eine ledrige schwarz-braune Konsistenz<br />

auf. Es bilden sich Nekrosen und die Hautanhangsgebilde werden zerstört. Die<br />

Schmerzempfindung fehlt vollständig und eine spontane Heilung ist in dieser Phase nicht<br />

mehr möglich, da alle epithelialen Elemente zugrunde gehen.<br />

Quelle: Internet, http://www.dennispenkov.de/assets/images/db_images/db_verbrennungen-<br />

3-armel.jpg


5.5. Verbrennung Grad 4<br />

Vor allem bei Stromverbrannten und Basenverätzungen, aber auch bei jeder anderen<br />

Hizteverletzungen, können <strong>Verbrennungen</strong> vorliegen die über die Haut hinausgehen.<br />

Knochen, Sehnen, Muskeln und/oder Nerven sind verletzt, so dass das wahre Ausmaß oft erst<br />

im OP offensichtlich wird.<br />

Quelle: Internet, http://www.images/schwerpunktthemen/trauma/entl_schn.jpg<br />

5.6. Klinische Einteilung der Schweregrade von <strong>Verbrennungen</strong> (American Burn<br />

Association)<br />

Schweregrad Kriterien = verbrannte KOF<br />

� Erstgradige <strong>Verbrennungen</strong><br />

Leichte <strong>Verbrennungen</strong><br />

� < 2% KOF drittgradig<br />

� < 15% KOF zweitgradig<br />

� bei Kindern < 10% KOF<br />

� < 10% KOF drittgradig<br />

Mittelgradige <strong>Verbrennungen</strong><br />

� 15 – 25% KOF zweitgradig<br />

� bei Kindern 10 – 20% KOF<br />

� 10 – 20% KOF drittgradig<br />

Schwere <strong>Verbrennungen</strong><br />

� 25 – 50% KOF zweitgradig<br />

� bei Kindern > 20% KOF<br />

� oder mittelgradige Verbrennung +<br />

Inhalationstrauma oder zusätzliche<br />

Verletzungen oder Schock oder<br />

Beteiligung von Händen, Füßen,<br />

Gesicht oder Dammregion oder<br />

chemische oder elektrische<br />

<strong>Verbrennungen</strong><br />

Schwerste <strong>Verbrennungen</strong> � > 20% KOF drittgradig<br />

� > 50% KOF zweitgradig<br />

Quelle: Leuwer, M.; u.a.: Checkliste Interdisziplinäre Intensivmedizin, Georg Thieme Verlag,<br />

Stuttgart, New York, 1999


6. Neuner Regel (nach Wallace)<br />

Je größer der Anteil verbrannter Hautbezirke ist, desto schlechter sind die<br />

Überlebensaussichten. Sind über 10% der Körperoberfläche (KOF) betroffen, besteht<br />

Schockgefahr und die Notwendigkeit einer stationären Aufnahme (beim Kind schon ab 5 %<br />

KOF). Ein Ausmaß von über 50% KOF wird nur selten überlebt.<br />

Die Neuner Regel ist zur Schätzung der geschädigten Hautoberfläche hilfreich und dadurch<br />

ausschlaggebend für die zwingend erforderliche Infusionstherapie. Sie gilt jedoch nur für<br />

Erwachsene, bei denen der Körper in verschiedene Flächen zu je 9% eingeteilt wird: 9% für<br />

Kopf und Arme, 18 % für vorderen Rumpf und Rücken, 1% für den Genitoanalbereich. Bei<br />

Kindern, insbesondere Säuglingen, sind die Oberflächenverhältnisse anders, so ist z.B. der<br />

Kopf relativ größer als bei Erwachsenen.<br />

Zur Abschätzung kleinerer Verbrennungswunden kann man sich, unabhängig vom Alter des<br />

Erwachsenen, an der Handtellergröße orientieren, welche etwa 1% der KOF entspricht.<br />

Quelle: Internet, http://www.medizinus.de/img/medizin/pic/verbrennungs-flaeche.jpg<br />

7. Pathophysiologie der Verbrennungskrankheit<br />

Die Verbrennungskrankheit ist ein Schockzustand, der sich in Art und Ausmaß von anderen<br />

Schockzuständen unterscheidet, die nach anderen Formen eines Traumas beobachtet werden.<br />

Bei diesem sogenannten Verbrennungsschock handelt es sich sowohl um einen<br />

Volumenmangelschock als auch um einen Schock auf zellulärer Ebene. Pathophysiologisch<br />

lässt sich die Verbrennungskrankheit in eine akute Schockphase (Exudationsphase) und eine<br />

Reparationsphase (Latenzphase) einteilen, welche im Mittelpunkt der Intensivbehandlung<br />

stehen.<br />

7.1. Schockphase (Exudationsphase)<br />

Ausgedehnte, schwere <strong>Verbrennungen</strong> führen innerhalb der ersten 24 bis 72 Stunden durch<br />

massive Flüssigkeitsverluste (bis zu 10 Liter/Tag) zu einem Schockzustand. Im Rahmen<br />

dessen bricht die normale Barrierefunktion der Kapillarmembranen und somit die Trennung<br />

zwischen Intravasalraum und Interstitium zusammen (Kapillarleck). Bedingt durch eine<br />

gesteigerte Permeabilität der geschädigten Kapillarmembran, ausgelöst von<br />

Verbrennungstoxinen wie z.B. Histamin, Leukotrine etc., treten Moleküle aus dem


Intravasalraum aus, so dass alle Blutbestandteile aus den zellulären Komponenten in den<br />

Extravasalraum entweichen. Daraus resultiert ein massiver Verlust von Plasmaproteinen in<br />

das Gewebe mit Ödembildung im Bereich der <strong>Verbrennungen</strong>. Nicht nur das Kapillarleck,<br />

sondern auch die Veränderung des osmotischen Drucks durch Bindung von Natrium an das<br />

geschädigte Kollagen der Verbrennungswunde, bestimmen das Ausmaß der<br />

Volumenverschiebung und somit des hypovolämischen Schocks.<br />

Bleiben die Veränderungen der Gefäßpermeabilität nicht nur auf die Verbrennungswunde<br />

beschränkt und schließen über 25 -30% der KOF ein, spricht man von einem generalisierten<br />

Verbrennungsödem.<br />

7.2. Reparationsphase<br />

Sobald ein Ersatz der Flüssigkeits-, Eiweiß- und Elektrolytverluste mit Stabilisierung der<br />

Herz-Kreislauf-Funktion stattgefunden hat, beginnt die Reparationsphase (ab der 2. – 3.<br />

Woche) Sie geht einher mit Hypermetabolismus, gesteigertem Sauerstoff- und Energiebedarf,<br />

Anstieg des HZV, Hyperthermie sowie Reparationsvorgängen.<br />

7.3. Komplikationen<br />

Zu den typischen Komplikationen der Verbrennungskrankheit zählen respiratorsiche<br />

Insuffizienz, Nierenversagen, Magen-Darm-Ulzera, Störungen der Herz-Kreislauf-Funktion,<br />

zerebrale Störungen und Infektionen mit Gefahr einer generalisierten Sepsis. Bakterielle<br />

Wundinfektionen sind für die Prognose der Verbrennungskrankheit von wesentlicher<br />

Bedeutung, da ca. 75 % der Todesfälle bakteriell bedingt sind. Als häufigste Erreger wären<br />

gramnegative Bakterien, insbesondere Pseudomonas aeruginosa und Pilze zu nennen.<br />

8. Therapie<br />

8.1. Sofortmaßnahmen<br />

Zur Schmerzlinderung und Verhinderung des thermischen Insults in tiefere Schichten, ist eine<br />

sofortige Kaltwassertherapie über mehrere Minuten anzuwenden. Hierbei sollte allerdings<br />

eine Auskühlung und somit Vasokonstriktion vermieden werden. Während die Wunde steril<br />

abgedeckt wird, muss der Verbrennungsgrad festgestellt werden.<br />

Nach Anlage eines venösen Zugangs in nicht geschädigte Hautareale kann die intravenöse<br />

Infusions- und Schmerztherapie beginnen.<br />

Je nach Ausmaß der Verletzung muss eine Sicherung der Atemwege erfolgen, um eine<br />

adäquate Oxygenierung zu gewährleisten. Dies erfordert meistens eine Intubation bereits am<br />

Unfallort.<br />

Die meisten Patienten werden über die zentrale Bettenvermittlung in Hamburg oder direkt<br />

durch den Notarzt zugewiesen.<br />

8.2. Klinische Erstversorgung<br />

Im 40° vorgeheizten Schockraum angekommen, wird der Patient auf eine Trage umgelagert<br />

und an den Überwachungsmonitor angeschlossen. Schon zu diesem Zeitpunkt erfolgt eine<br />

Schätzung der verbrannten KOF und Errechnung der vorläufigen Infusionsmenge, so dass<br />

eine sofortige Flüssigkeitszufuhr beginnen kann.


Um den gesamten Körper abzuwaschen und verbrannte Hautstellen zu reinigen, muss man<br />

den Patienten komplett entkleiden und ggf. Kopf- und Körperhaare entfernen. Zur Verhütung<br />

weiterer Auskühlung wird dieser mit einem sterilen Tuch zugedeckt.<br />

Bei allen Unfallgeschehen in geschlossenen Räumen und bei Verdacht auf ein<br />

Inhalationstrauma muss der behandelnde Arzt eine Bronchoskopie durchführen. Sobald die<br />

oben genannte klinische Erstversorgung abgeschlossen ist, findet ein Transport zum<br />

Patientenzimmer, in das für ihn vorgerichtete Bett statt.<br />

8.3. Infusionstherapie<br />

Obwohl die Notwendigkeit der Schocktherapie bei Brandverletzten in den ersten 24 Stunden<br />

allgemein anerkannt ist, besteht zur Zeit noch keine Übereinkunft über ein einheitliches<br />

Behandlungsregime und die Zielparameter.<br />

Als Faustregel gilt, dass bei <strong>Verbrennungen</strong> von mehr als 15% KOF beim Erwachsenen und<br />

von mehr als 10% beim Kind, intravenöse Flüssigkeitszufuhr erforderlich ist.<br />

Ziel der Schocktherapie ist, den intravasalen Volumenverlust auszugleichen um eine adäquate<br />

Organperfusion zu gewährleisten und einen irreversiblen Schock zu verhindern. Diese<br />

applizierten Flüssigkeitsmengen beeinflussen den Prozess der Ödembildung.<br />

Die Menge der zugeführten Flüssigkeit richtet sich in erster Linie nach Ausdehnung und<br />

Schweregrad der Verbrennung, allerdings stehen verschiedene Berechnungsformeln zur<br />

Verfügung.<br />

8.3.1. Schockformeln für kristalline Lösungen<br />

� Parkland Formel:<br />

� 4 ml Ringer-Laktat/kgKG/%verbrannte KOF<br />

� zu erwartende Urinmenge 50 – 70 ml/h beim Erwachsenen und 1 ml/kgKG/h<br />

beim Kind<br />

� die erste Hälfte der Gesamtmenge während der ersten 8 Stunden und die<br />

zweite Hälfte während der folgenden 16 Stunden<br />

� Brooke Formel:<br />

� 2 ml Ringer-Laktat/kgKG/% verbrannte KOF<br />

� zu erwartende Urinmenge 30 – 50 ml/h beim Erwachsenen und 1 ml/kgKG/h<br />

beim Kind<br />

� die erste Hälfte der Gesamtmenge während der ersten 8 Stunden und die<br />

zweite Hälfte während der folgenden 16 Stunde<br />

� Ludwigshafener Formel:<br />

� siehe Parklandformel<br />

� Je ein viertel der Gesamtmenge während der ersten beiden 4-Stunden-Perioden<br />

und je ein viertel während der beiden folgenden 8 Stunden.<br />

Vgl.: Einarbeitungsordner der BG Ludwigshafen, Intensivstation V1, S. 29 - 31<br />

Kristalline Lösungen (z.B. Ringer Laktat) sind isotone Lösungen mit einer<br />

Natriumkonzentration von 130 mEq/l und sind die am häufigst verwendeten Flüssigkeiten.<br />

Sie ähneln der Extrazellulärflüssigkeit mehr als Kochsalz. Ein Nachteil der alleinigen Infusion<br />

von Ringer, ist das häufige Auftreten schwerer Hypoproteinämien und somit dem Abfall des<br />

intravasalen onkotischen Drucks, welcher das Ausmaß der Ödembildung steigert.


8.3.2. Schockformeln für hypertone Salzlösungen<br />

� Monafo Formel:<br />

� 250 mEq/l Na + , 150 mg/dl Laktat, 100mEq/l Cl - ,<br />

� titriert nach Urinmenge und nicht nach Verbrennungsausmaß<br />

� zu erwartende Urinmenge 30 – 50 ml/h<br />

� Cincinnati Formel:<br />

� Ringer-Laktat + 50 mEq Na + HCO3 – (180 mEq Na + /l)<br />

� titriert nach Urinmenge und nur in den ersten 8 Stunden nach Trauma<br />

� zu erwartende Urinmenge 30 – 50 ml/h<br />

Vgl.: Einarbeitungsordner der BG Ludwigshafen, Intensivstation V1, S. 29 - 31<br />

Hypertone Salzlösungen (z.B. NaCl) müssen in deutlich geringerer Menge als Ringer<br />

substituiert werden, um das HZV zu stabilisieren. Außerdem führen sie zur Ausscheidung<br />

größerer Urinmengen. Das interstitielle Ödem ist jedoch nach hypertoner Schocktherapie<br />

ausgeprägter, bedingt durch Volumenverschiebung vom Intrazellulärraum in den<br />

Extrazellulärraum als Folge der hohen Natriumkonzentration im Extrazellulärraum.<br />

Bei dieser Therapieform sollte ein Serumnatrium von 160 mEq/l nicht überschritten werden.<br />

8.3.3. Schockformeln für Albumin<br />

� Evans Formel:<br />

� 1 ml Albumin/kgKG/% verbrannte KOF + 1 ml Ringer/kgKG/% verbrannte<br />

KOF + 2000 ml/m 2 KOF/24h Glucose 5%<br />

� zu erwartende Urinmenge 30 – 50 ml/h<br />

� nur maximal 50% verbrannte KOF wird in die Rechnung miteinbezogen<br />

� die erste Hälfte der Gesamtmenge während der ersten 8 Stunden und die<br />

zweite Hälfte während der folgenden 16 Stunden<br />

� Brooke Formel:<br />

� 0,5 ml Albumin/kgKG/% verbrannte KOF + 1,5 ml Ringer/kgKG/%<br />

verbrannte KOF + 2000 ml/m 2 KOF/24h Glucose 5%<br />

� Gesamtmengenapplikation siehe oben<br />

Vgl.: Einarbeitungsordner der BG Ludwigshafen, Intensivstation V1, S. 29 - 31<br />

Kolloidale Lösungen (z.B. Albumin) spielen bei der Stabilisierung des Kreislaufs eine<br />

wichtige Rolle. Außerdem normalisiert sich die Membranpermeabilität im unverbrannten<br />

Gewebe schneller als im verbrannten Gewebe. Der onkotische Druck, der dem<br />

hydrostatischen Druck entgegenwirkt, wird von Plasmaproteinen aufrecht erhalten. Ohne<br />

diese Proteine könnte das Plasmavolumen nicht stabil gehalten werden und massive Ödeme<br />

wären die Folge. Im Vergleich zu anderen Proteinlösungen weist Albumin die größte<br />

onkotische Wirkung auf und muss spätestens ab einem Gesamtproteinspiegel von 2,5 g/dl<br />

verabreicht werden.


8.4. Wundversorgung<br />

Die Auswahl eines Behandlungskonzepts richtet sich in erster Linie nach der Art der<br />

Keimbesiedlung und dem Verbrennungsausmaß.<br />

Zu den häufigsten Keimen auf Brandwunden zählen Clostridienstämme, Pseudomonas<br />

aerugionosa, Staphylokokken, Koagulase positive/negative Stämme und hämolysierende<br />

Streptokokken. Nur durch genaueste Einhaltung der Asepsis, lassen sich solche Keime auf der<br />

Wunde relativ gering halten, um gleichzeitig einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes<br />

vorzubeugen.<br />

Vor Anlegen eines Verbandes bzw. speziellen Wundbehandlungsmaßnahmen, muss die<br />

Brandwunde mit einer aseptischen Lösung, die ein relativ breites Wirkspektrum aufweist,<br />

abgewaschen werden.<br />

8.4.1. Offene und geschlossene Wundbehandlung<br />

Zur weiteren Wundversorgung bieten sich zwei Hauptmöglichkeiten an, die offene und die<br />

geschlossene Behandlung.<br />

Bei der offenen Wundbehandlung wird nach der Desinfektion der Wunde lediglich ein<br />

Lokaltherapeutika (meist Flammazine ® , Sulfadiazinsilber 1%) steril aufgetragen, so dass die<br />

Wunde offen bleibt. Vorraussetzung für diese Behandlungsmethode sind spezielle technische<br />

Verfahren (z.B. Laminar-airflow-Technik) notwendig, um im Patientenzimmer ein keimarmes<br />

Milieu zu erzeugen. Aufgrund der daraus resultierenden Sterilpflege, wurde in den letzten<br />

Jahren dieses Verfahren überwiegend von der geschlossenen Wundbehandlung abgelöst.<br />

Hierbei wird das aufgebrachte Lokaltherapeutika zusätzlich mit sterilen Kompressen<br />

abgedeckt und angewickelt.<br />

Alternativ zu Flammazine ® können auch kühlende Brandsalben, antibakterielle<br />

Flammaceerium-Creme sowie enzymatisch wirkende Iruxol-Salben oder Varidase-Gel<br />

verwendet werden. Desweiteren stehen als Verbandsmaterial unter anderem Omiderm ® -<br />

Gelauflagen (z.B. im Gesichtsbereich), Hydrokolloidverbände und Procel ® -<br />

Brandwundenverbände zur Verfügung.<br />

Die Hydrotherapie ist eine zusätzlich ergänzende Maßnahme zu den oben genannten<br />

Behandlungsmöglichkeiten. Da jene überwiegend von den Pflegekräften durchgeführt wird,<br />

ist sie in Kapitel 9.2.1. genauer aufgeführt.<br />

8.5. Hauttransplantation<br />

Durch die Wundbehandlung selbst lassen sich Infektionen zwar verzögern, aber nicht<br />

verhindern. Daher ist die Nekroseabtragung und der Wundverschluss mit lebender Haut oder<br />

Kunsthaut Therapie der Wahl, um das Eindringen pathogener Keime zu vermeiden.<br />

Eine frühe Nekroseabtragung mit Wundverschluss hat den Vorteil, Infektionen zu verhindern,<br />

allerdings birgt der daraus resultierende Blutverlust große Risiken in der Schockphase.<br />

Die späte Nekroseabtragung erfolgt nach Bildung von Granulationsgewebe (ca. 25. – 31.<br />

Tag). Auch hier ist mit größeren Blutverlusten sowie zusätzlich erhöhter Infektionsgefahr,<br />

hohem Flüssigkeitsbedarf und verlängertem Krankheitsverlauf zu rechnen.<br />

Um die Wundoberfläche zu verschließen, stehen mehrere Transplantationstechniken zur<br />

Verfügung.


8.5.1. Eigenhauttransplantation<br />

Prinzipiell ist darauf zu achten, dass die Spenderareale nicht zu zusätzlichen<br />

Wundheilungsstörungen führen, deshalb wird zur Abdeckung großer Hautareale bevorzugt<br />

Spalthaut transplantiert. Hierbei entstehen regenerationsfähige Hautwunden. Nach<br />

entsprechender Vorbereitung der Spenderregion (Einfetten und Rasieren) wird die Spalthaut<br />

mit einem "Braun′schen Dermatom" entnommen. Um die entnommene Haut an die<br />

entsprechenden Körperareale anzupassen, gibt es verschiedene Möglichkeiten, die im<br />

Folgenden aufgeführt werden:<br />

� Sheet ist eine Methode, die vor allem im Gesichts-, Hals- und Händebereich<br />

angewandt wird. Das Hauttransplantat wird als ganzes Stück entnommen und<br />

gestichelt, um einen Sekretablauf zu gewährleisten. Ist das Transplantat zu dünn,<br />

besteht erhöhte Kontrakturgefahr, deswegen sollte die Dicke individuell bestimmt<br />

werden.<br />

� Mesh-Graft (Maschennetz) stellt eine erweiterte Technik der Sheet-Methode dar, bei<br />

der die abgetragene Haut durch ein spezielles Gerät in ein Maschennetz zerschnitten<br />

wird, um größere Wundgebiete abzudecken. Die transplantierten Hautzellen<br />

verschließen durch Ausbreitung das Gitternetz, welches auch in der Frühphase einen<br />

Sekretablauf ermöglicht. Einzigster Nachteil beruht auf ästhetischer Basis, da das<br />

Gitternetzmuster ewig sichtbar bleibt.<br />

� Meek wird vor allem zum Decken großer Wundoberflächen benutzt, wenn wenig<br />

Spenderareal zur Verfügung steht. Nach Auflegen der Eigenhaut auf eine spezielle<br />

Folie (Plissees), werden aus der Spalthaut kleine Quadrate hergestellt. Durch<br />

Auseinanderziehen des Transplantats erreicht man ebenfalls eine<br />

Oberflächenvergrößerung. Eine gleichmäßige Verteilung der Spenderhaut ist in jedem<br />

Fall gewährleistet.<br />

� Keratinozyten (Kulturhaut) müssen im Falle großflächiger Verbrennung mit geringen<br />

Spenderarealen gezüchtet werden. Nach Entnahme von zwei Hautbiopsien sowie<br />

spezieller Behandlung im Labor, stehen nach 15 – 20 Tagen ungefähr 1 – 2 m 2<br />

Kulturhaut zur Verfügung. Dieses Verfahren ist sehr aufwendig und teuer, zudem ist<br />

die Haut weniger belastungsfähig als normale Spalthaut.<br />

8.5.2. Fremdhauttransplantation<br />

Stehen zu wenig unverletzte Hautareale zur Gewinnung von Eigenhauttransplantaten zur<br />

Verfügung, wird Fremdhaut oder synthetische Haut eingesetzt, um einen adäquaten<br />

Wundverschluß zu ermöglichen. Zu den besonders wichtigen Anforderungen zählen schnelles<br />

und stabiles Anhaften an die Wundoberfläche, eine Begrenzung des Wärme-, Elektrolyt- und<br />

Proteninverlustes (Barrierefunktion) sowie keine Toxizität bzw. antigene Eigenschaft.<br />

� Zunehmend durchgesetzt haben sich Mischhauttechniken, d.h. gemeinsame<br />

Transplantation von Eigen- und Fremdhaut. Außerdem dient dieses Verfahren als<br />

vorübergehende Lösung zum passageren Wundverschluss, bis die bereits verwendeten<br />

Spenderareale abgeheilt sind und erneut genutzt werden können.


� Frische Fremdhaut haftet sehr gut an der Wundfläche, mit ausgeprägter<br />

Barrierefunktion und ist daher ebenfalls bestens geeignet zum sekundären<br />

Wundverschluss. Nachteile hierbei sind erhöhtes Infektionsrisiko und antigene<br />

Eigenschaften, die schon früh zu einer Abstoßung führen. Um eine Lagerung von<br />

mehr als einer Woche zu ermöglichen, muss eine Kryokonservierung mit Glycerol<br />

und Aufbewahrung bei mindestens -80°C im Tiefkühlschrank erfolgen. Der einzigste<br />

Unterschied zur frischen Fremdhaut besteht in den schlechten biologischen<br />

Eigenschaften.<br />

� Zur Zeit wird am häufigsten glycerolkonservierte Haut verwendet. Im Vordergrund<br />

steht hierbei der Untergang von dermalen und epidermalen Zellen sowie die stark<br />

viruside Wirkung, die angeblich die Übertragung von HIV und Hepatitis ausschließen.<br />

Der Hauptvorteil ergibt sich aus dem geringen Infektionsrisiko, aufgrund der<br />

reduzierten antigenen Eigenschaften.<br />

� Auch glycerolkonserviertes Amnion zählt zu den bevorzugt verwendeten Verfahren<br />

in der BRD. Durch die feuchte Wundumgebung wird die Heilung beschleunigt und<br />

Schmerzen können schnell und zuverlässig beseitigt werden.<br />

� Ebenfalls gute Schmerzlinderung erzielt man mit der Verwendung von Xenograft<br />

(Schweinehaut) und Allograft (Leichenhaut), aufgrund der guten Barrierefunktion.<br />

Sie dienen nicht dem endgültigen Wundverschluss, da sie nur vorübergehend als<br />

biologischer Verband über die Eigenhaut, zu deren Schutz vor Sekundäreinflüssen,<br />

transplantiert werden. Nach bestimmter Zeit stößt sich die Fremdhaut automatisch ab.<br />

8.5.3. Synthetischer Hautersatz<br />

Die biosynthetischen Hautersatzmaterialien sollten in ihrer Eigenschaft im Wesentlichen der<br />

Fremdhaut entsprechen. Ziel dieser Verfahren ist der temporäre Wundverschluss und<br />

Schaffung idealer Vorraussetzungen zur Spalthauttransplantation.<br />

� Am bekanntesten und nur zum temporären Wundverschluss geeignet sind Biobrane.<br />

Dies ist ein Zweischichtsystem, bestehend aus Nylonfäden, die der Wunde zugewandt<br />

sind und ein äußerer Silikonbelag, der nicht für Flüssigkeiten und Bakterien<br />

durchlässig ist. Biobrane haften besser an der Wunde an und bieten aufgrund der<br />

langen Verweildauer (bis zu 2 Monaten) einen sicheren Wundverschluss.<br />

� Integra besteht ebenfalls aus zwei Schichten. Die äußere Silikonmembran reguliert<br />

den Wasserverlust ohne Bakterien durchzuschleusen. Während die innere Schicht aus<br />

Rinderkollagen und Chondroitin des Haifischknorpels besteht und das Einwachsen<br />

von Endothelzellen und Fibroblasten ermöglicht, unter der Vorraussetzung, das die<br />

Wunde bluttrocken ist. Es entsteht eine neue dermale Struktur als<br />

Grundvorraussetzung für die Spalthauttransplantation.


8.6. Ernährung<br />

Der entstehende Hypermetabolismus und die schwere Katabolie bei Schwerbrandverletzten<br />

spielen eine wesentliche Rolle bei der Auswahl des Ernährungsregimes.<br />

Als eine der wichtigsten Ursachen des Hypermetabolismus gilt der massive Wasserverlust<br />

durch Oberflächenverdampfung, da das Verdampfen von 1 ml H2O 0,576 kcal Wärme<br />

verbraucht. Daraus resultiert ein extrem gesteigerter Energieumsatz von 80 – 100% des<br />

Gesamtenergiebedarfs. Der allgemeine Kalorienbedarf eines Schwerbrandverletzten liegt<br />

nach heutigen Erkenntnissen bei etwa 3800 – 4500 kcal/Tag.<br />

Aufgrund der ebenfalls gestörten zentralen Temperaturregulation können niedrige<br />

Umgebungstemperaturen zusätzlich zur Energieumsatzsteigerung führen.<br />

Zur Errechnung des optimalen Energiebedarfs stehen einige Formeln zu Verfügung, von<br />

denen sich allerdings nur zwei als wirklich zuverlässig erwiesen:<br />

� Beim Erwachsenen die Toronto-Formel:<br />

� 4343 + (10,5 · % VKOF) + (0,23 CL 1 ) + (0,84 · EBEE 2 ) + (114 · Temperatur)<br />

– (4,5 · Tag nach Verbrennung)<br />

� Bei Kindern (1 – 11 Jahre) die Galveston-2-Formel :<br />

� 1800 kcal/m 2 KOF + 1300 kcal/m 2 VKOF<br />

Vgl.: Einarbeitungsordner der BG Ludwigshafen, Intensivstation V1, S. 83<br />

Eine höhere Genauigkeit bietet die am ernährten Patienten durchgeführte indirekte<br />

Kaloriemetrie 3 . Im Rahmen dessen muss zusätzlich berücksichtigt werden, dass auch kleinere<br />

Aktivitäten, wie z.B. Verbandswechsel oder Physiotherapie den Energieumsatz weiter<br />

steigern.<br />

Für die Zufuhr der Nährstoffe ist die enterale Ernährung der parenteralen prinzipiell<br />

vorzuziehen. Mit dem möglichst frühen Beginn lassen sich viele gastrointestinale<br />

Schädigungen (z.B. Magen-Darm-Lähmung, Zottenatrophie) begrenzen, wenn nicht sogar<br />

ganz vermeiden. Außerdem erreicht man günstige Auswirkungen in Bezug auf den<br />

Hypermetabolismus.<br />

� Als Hauptenergiequelle sollten Kohlenhydrate etwa 50% der gesamten<br />

Kalorienzufuhr ausmachen und in Form großer Mengen Glucose zugeführt werden.<br />

Somit wird der exzessive Proteinkatabolismus gedämpft und dem Zelluntergang<br />

entgegengewirkt. In der Regel können maximal 4 – 6 mg/kg/min Glucose<br />

verstoffwechselt werden. Dennoch besteht gehäuftes Risiko der Hyperglykämie und<br />

Hyperkapnie.<br />

� Durch die hohe Kaloriendichte decken schon 50 ml einer 20%igen Fettemulsion pro<br />

Woche den Patientenbedarf. Keinesfalls sollten sie den Kohlenhydratanteil<br />

übersteigen, da dies zur Beeinträchtigung der Immunsituation führen kann. Alle<br />

Gewebe die nicht von Glucose abhängig sind, werden im Wesentlichen von freien<br />

1<br />

Kalorienzufuhr<br />

2<br />

Grundumsatz nach Harris und Benedict Formel<br />

3<br />

Physikalische Berechnung des Energieumsatzes durch Bestimmung der Sauerstoffaufnahme und CO2-Abgabe<br />

mittels eines Kaloriemeters


Fettsäuren versorgt. Außerdem reduziert sich die proteinsparende Wirkung der Fette<br />

bei Verbrennungspatienten.<br />

� Der Proteinkatabolismus zählt zum Hauptproblem der Ernährung und geht mit einem<br />

Verlust bis zu 30% einher. Dies kann zum Tod durch cardiopulmonales Versagen und<br />

zum Zusammenbruch der Immunfunktion führen. Durch Ernährung kann man den<br />

Proteinkatabolismus zwar senken, aber nicht verhindern. Insbesondere durch die<br />

Aminosäuren Glutamin und Alanin bleibt die Proteinsynthese intakt; sie bilden den<br />

größten Anteil, der durch die Proteolyse freigesetzten Aminosäuren. Während Alanin<br />

überwiegend für die hepatische Gluconeogenese verantwortlich ist, sorgt Glutamin für<br />

die Amoniaksynthese in der Niere und versorgt die Zellen mit Energie.<br />

� Die Zufuhr von Ballaststoffen zeigt bei der Ernährung eines kritisch Kranken zwar<br />

die bekannten Vorteile (z.B. Rückgang von Durchfällen und Reduzierung der<br />

Keimbesiedlung im Colon), nimmt jedoch beim Schwerbrandverletzten keinen<br />

besonderen Stellenwert ein.<br />

9. Spezielle Pflege<br />

9.1. Lagerung des Schwerbrandverletzten<br />

Zur Lagerung eines Schwerbrandverletzten stehen spezielle Matratzen und Bettensysteme zur<br />

Verfügung. Dazu zählen unter anderem die Lagerung auf Schaumstoff (bestehend aus<br />

Polyurethan und Ätherbasis), Luftkissenbetten (z.B. Fa. KCI) sowie Mikroglaskugelbetten<br />

(z.B. Clinitron ® -Air- Fluidized-Bett).<br />

� Je nach Körpergröße und vor allem Gewicht besteht eine Schaumstoffmatratze aus 6<br />

– 10 Lagen mit unterschiedlicher Dichte/m 2 (abhängig vom Hersteller). Durch die<br />

wasser- und luftdurchlässige Eigenschaft dieser Lagen, kann eine genauere<br />

Bilanzierung erfolgen, da die abgesonderten Körperflüssigkeiten unter dem Bett<br />

aufgefangen werden. Zusätzlich erfolgt durch die spezielle Oberflächenstruktur eine<br />

Massage der verbrannten Körperstellen, so dass Nekrosen abgeschilfert und<br />

Dekubitaluzerationen vermieden werden.<br />

� Beim Glaskugelbett sorgt ein Aufwirbeln der Kugeln für eine enorme Reduktion des<br />

Auflagedrucks unter 20 mmHg, mit dem Vorteil, Patienten auch auf verbrannte<br />

Körperstellen lagern zu können. Die mit Polyestertuch abgedeckte Liegefläche ist<br />

ebenfalls luft- und flüssigkeitsdurchlässig, wodurch Wundmazerationen verhindert<br />

werden. Ein Alkalisieren von Blut, Schweiß und Wundsekret über die Glaskugeln<br />

schränkt das Bakterienwachstum stark ein. Parallel hierzu weist dieses Bettensystem<br />

allerdings auch einige Nachteile auf. Das kontinuierliche Aufwirbeln der Kugeln<br />

trocknet die Haut stark aus und erhöht somit den täglichen Flüssigkeitsbedarf.<br />

Außerdem setzen schon früh Störungen der Wahrnehmung und des Körperempfindens<br />

ein. Problematisch erwies sich dieses Bettensystem auch bei Notfallsituationen wie<br />

Intubation und Reanimation.<br />

Mittels verschiedener Lagerungshilfsmittel (Polster, Schaumstoffe, Braun`sche Schiene)<br />

können nun die betroffenen Extremitäten hochgelagert werden, um einen besseren Abfluss<br />

der Ödemflüssigkeit zu gewährleisten. Regelmäßiger Lagewechsel und Wundfreilagerung


dienen nicht nur der Dekubitus- sondern ebenso der Narbenkontrakturprophylaxe.<br />

Insbesondere hierbei ist die funktionelle Mittelstellung der Gelenke zu bevorzugen.<br />

Um die Beweglichkeit und Mobilität des Patienten aufrecht zu erhalten bzw. wieder zu<br />

erlangen, sollte schon frühst möglichst (ca. ab dem 3. Tag nach Transplantation) mit<br />

Bewegungstherapie und Mobilisation (ca. ab dem 14. Tag nach Transplantation) begonnen<br />

werden. Allerdings muss die betroffene Region bis zum ersten Verbandswechsel ruhiggestellt<br />

werden, damit das Transplantat nicht verschoben wird.<br />

9.2. Wundversorgung<br />

Die Wunde eines Schwerbrandverletzten stellt bei einer Raumtemperatur von 35 - 40°C und<br />

einer Luftfeuchtigkeit bis zu 70% enorme Anforderungen an die Pflege und nimmt sehr viel<br />

Zeit in Anspruch. Außerdem besteht bei großen Wundoberflächen erhöhte Gefahr der<br />

Auskühlung sowie Austrocknung der Wunde und daraus folgender vermehrter<br />

Keimbesiedlung.<br />

Je nach Bedarf erfolgt der Verbandswechsel mehrmals täglich bis mindestens zweitägig und<br />

ist trotz Anwendung verschiedener Materialien vom Aufbau immer gleich. Bei frischen<br />

Verbrennungswunden, transplantierter Haut oder zum Schutz verläuft der Verbandsaufbau<br />

von außen nach innen mit elastischen Binden, Polsterwatte und Fettgaze (mit und ohne<br />

Antibiotika). Aufgrund der erhöhten Ödembildungsneigung müssen die Pflegenden besonders<br />

auf die Festigkeit der Verbände achten. Die Blutzirkulation sowie nervale Versorgung darf<br />

nicht behindert werden. Wegen der hohen Schmerzbelastung während eines<br />

Verbandswechsels muss vorab eine adäquate Schmerztherapie erfolgen und unter Umständen<br />

sogar eine Narkose eingeleitet werden.<br />

Um eine Keimverschleppung zu vermeiden, werden alte Verbände nicht abgewickelt, sondern<br />

aufgeschnitten. Direkt aufliegende Wundkompressen hingegen müssen mit angewärmtem<br />

NaCl aufgeweicht und anschließend abgehoben werden.<br />

9.2.1. Hydrotherapie<br />

Eine zusätzliche bessere Körper- und Wundreinigung sowie Förderung der Wundheilung<br />

erreicht man mit der sogenannten Hydrotherapie, die mittlerweile in vielen<br />

Verbrennungskliniken einen hohen Stellenwert einnimmt.<br />

Hierbei handelt es sich um ein Reinigungsduschbad, Teilbad oder Vollbad, dem Meersalz,<br />

Braunol ® , Kamillosan ® oder medizinische Öle zugesetzt sind. Während der Therapie lassen<br />

sich nicht nur Verbände schmerzärmer entfernen, sondern auch das Wohlbefinden und<br />

Körperbewusstsein des Patienten enorm steigern. Zusätzlich kann eine<br />

Unterwasserbewegungstherapie angegliedert werden.<br />

Die Hydrotherapie lässt sich unter entsprechender Überwachung sogar am beatmeten<br />

Patienten anwenden.<br />

9.3. Pflege nach Hauttransplantation<br />

“Geheilte Haut wird nie wieder heile Haut.” 4<br />

Durch Transplantation erreicht man zwar einen schnellen Wundverschluss sowie eine bessere<br />

Stabilität der Narbenfläche als bei Spontanheilung, allerdings entsteht nie wieder das<br />

vorherige Hautbild.<br />

4 Quelle: Rutsch, C. Fachzeitschrift für Intensivpflege und Anästhesie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New<br />

York, Intensiv 2003, Ausgabe 11, S. 279


Aufgrund der fehlenden Schweiß- und Talgdrüsen muss transplantierte Haut in regelmäßigen<br />

Abständen mit einer fetthaltigen Salbe (z.B. Ringelblumensalbe oder Panthenolsalbe)<br />

eingecremt werden. Um einer Infektion durch keimtragende Körperhaare entgegenzuwirken,<br />

werden diese in entsprechenden Intervallen abrasiert.<br />

Zu den Folgen einer Verbrennungsnarbe zählen unter anderem die überschießende<br />

Kollagenbildung und die daraus entstehende Narbenhypertrophie, welche sich nur durch<br />

speziell angefertigte Kompressionskleidung behandeln lässt. Diese Spezialkleidung (Jacken,<br />

Hosen, Strümpfe, Gesichtsmasken etc.) wird alle 6 Monate neu angefertigt und muss vom<br />

Patienten bis zu zwei Jahre rund um die Uhr getragen werden, um ein gutes optisches und<br />

effektives Ergebnis zu erzielen.<br />

Zusätzlich zur Hypertrophie kann es im Verlauf von 18 Monaten zum Schrumpfen der Narben<br />

kommen, was weitere plastische Operationen mit sich ziehen würde.<br />

Auch die Schulung und Aktivierung des Patienten zur Selbstpflege nimmt in der Pflege einen<br />

hohen Stellenwert ein, da dies für den Betroffenen nach Entlassung zur neuen Lebensaufgabe<br />

wird (z.B. täglich desinfizierende Vollbäder mit anschließender adäquater Hautpflege,<br />

Vermeiden von direkter Sonneneinstrahlung auf transplantierte Areale).<br />

9.4. Psychosoziale Betreuung<br />

Schwerbrandverletzte sind zahlreichen psychosozialen Belastungen ausgesetzt, die alle<br />

Lebensbereiche betreffen können.<br />

Nach dem Unfallgeschehen und der Klinikeinweisung, stehen zunächst Schuldgefühle,<br />

Schmerzen und Zukunftsängste im Vordergrund. Im Verlauf wird der Patient mit dem<br />

Anblick seiner Wunden, der Entstellung durch Narbenbildung und dem daraus resultierenden<br />

veränderten Körperschema konfrontiert. Oft entwickelt der Patient Selbstekel und fürchtet um<br />

seine Akzeptanz in der Gesellschaft. Dem Betroffenen wird durch den langwierigen<br />

Heilungsprozess ein hohes Maß an Geduld abverlangt.<br />

All diese Faktoren führen den Patienten an seine existenziellen Grenzen und drängen ihn<br />

gleichzeitig in eine enorm hilflose und schwache Position.<br />

In dieser, für den Patienten oft auswegslosen Situation sind sowohl Pflegende als auch<br />

Angehörige stark gefordert, weitere unangenehme Erfahrungen zu vermeiden und sich<br />

gegenseitig zu motivieren. Durch die Unterbringung im Isolierzimmer sind die<br />

Bezugspersonen des Patienten auf das Wesentliche beschränkt. Daher ist es wichtig, die<br />

Angehörigen so früh wie möglich in den Pflege- und Rehabilitationsprozess mit<br />

einzubeziehen, da jene zu einer wesentlichen emotionalen Stabilisierung beitragen können.<br />

Zur weiteren Krankheitsbewältigung stehen neben Beschäftigungstherapie und persönlichen<br />

Gegenständen auch Seelsorger/Psychologen zur Verfügung, von denen ebenfalls die<br />

Angehörigen profitieren. Das Aufsuchen von Selbsthilfegruppen nach dem<br />

Krankenhausaufenthalt, erleichtert vielen Patienten zusätzlich die Wiedereingliederung in die<br />

soziale Gesellschaft.


Zusammenfassung<br />

Abschließend lässt sich erkennen, aus wie vielen Gliedern die Therapiekette eines<br />

Schwerbrandverletzten besteht und wie wichtig die schnellstmögliche Versorgung durch<br />

geschultes Fachpersonal ist.<br />

Trotz enormer Fortschritte in der plastischen Chirurgie stellen mitunter Entstellungen durch<br />

Verbrennungsrückstände wie z.B. Narben, für den Betroffenen eines der Hauptprobleme dar.<br />

Dieses Problem verstärkt sich durch den heutigen ausgeprägten Schönheitswahn unserer<br />

Gesellschaft.<br />

Vielleicht konnten wir somit unsere Leserinnen und Leser für dieses Thema und die oben<br />

genannte Problematik der psychischen Belastung etwas sensibilisieren.


10. Literaturverzeichnis<br />

Einarbeitungsordner: BG Ludwigshafen, Intensivstation V1<br />

Leuwer, M.; u.a.: Checkliste Interdisziplinäre Intensivmedizin, Georg Thieme Verlag,<br />

Stuttgart, New York, 1999<br />

Rutsch, C.: Pflege eines Patienten mit Verbrennung. In: Intensiv 2003, Georg-Thieme-<br />

Verlag, Stuttgart, New York, Heft 11 S. 276 – 280<br />

Paetz, B., Benzinger-König B.: Chirurgie für Pflegeberufe, Georg Thieme Verlag, Suttgart,<br />

New York, 1994<br />

Schäffler, A.; u.a.: Pflege heute, Lehrbuch und Atlas für Pflegeberufe, Gustav Fischer<br />

Verlag, Stuttgart usw., 1998<br />

Schwegler, Johann S.: Der Mensch, Anatomie und Physiologie, Georg Thieme Verlag,<br />

Stuttgart, New York 1996

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