bundesarbeitsblatt - Bundesministerium für Arbeit und Soziales
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TOP-THEMA<br />
Der Politikzyklus der Europäischen<br />
Beschäftigungsstrategie<br />
Welches Verfahren findet hierbei Anwendung? Die<br />
Nationalstaaten müssen jährlich einen nationalen<br />
beschäftigungspolitischen Aktionsplan (NAP) vorlegen,<br />
in dem sie angeben, mit welchen Maßnahmen<br />
sie die gemeinsam definierten Ziele erreichen<br />
<strong>und</strong> die jeweils geltenden beschäftigungspolitischen<br />
Leitlinien umsetzen wollen. Anschließend<br />
werden die NAP im gemeinsamen EU-<br />
Beschäftigungsausschuss wechselseitig analysiert,<br />
<strong>und</strong> zwar in der Form, dass Vertreter eines Landes<br />
jeweils von Repräsentanten zweier anderer Länder<br />
zu ihrem NAP befragt werden. Dies wird auch als<br />
„peer review“-Verfahren bezeichnet. Zusätzlich<br />
bewertet die EU-Kommission die NAP <strong>und</strong> ihre<br />
faktische Umsetzung, vergleicht die Performanz<br />
der Länder untereinander <strong>und</strong> veröffentlicht ihre<br />
Einschätzung in einem jährlichen Gemeinsamen<br />
Beschäftigungsbericht, der gemeinsam mit dem<br />
Rat der EU abgefasst wird. Darin sind seit 2001<br />
auch beschäftigungspolitische Empfehlungen an<br />
die einzelnen Mitgliedsländer enthalten. Neben<br />
der wechselseitigen Analyse der NAP bezeichnet<br />
der Begriff des „peer review“ noch ein zweites<br />
Verfahren im Rahmen der EBS, das im Jahr 1999<br />
erstmals durchgeführt wurde: Einzelne Länder<br />
fungieren als Gastgeber <strong>und</strong> stellen auf Expertentreffen<br />
eigene arbeitsmarktpolitische Maßnahmen<br />
vor, die sie <strong>für</strong> innovativ <strong>und</strong> vorbildlich halten.<br />
Dort werden diese Maßnahmen analysiert <strong>und</strong> im<br />
Hinblick auf ihre Übertragbarkeit auf andere<br />
Länder, die an der Präsentation teilnehmen, diskutiert.<br />
Bislang gab es 37 solcher „peer reviews“,<br />
2003 waren es acht <strong>und</strong> im laufenden Jahr bisher<br />
vier 4 ). Die B<strong>und</strong>esrepublik war seit 1999 viermal<br />
als Gastgeberland vertreten, zuletzt im Oktober<br />
2003 mit einem Review über die <strong>Arbeit</strong> des „Kompetenzzentrums<br />
Frauen in Informationsgesellschaft<br />
<strong>und</strong> Technologie” <strong>und</strong> zuvor im Juni 2001 mit<br />
einem Review über das Jugendsofortprogramm.<br />
Darüber hinaus setzt die EBS auf die Einbeziehung<br />
aller relevanten beschäftigungspolitischen Akteure –<br />
neben der EU, ihrer Organe <strong>und</strong> den nationalen<br />
Regierungen sind dies vor allem die Sozialpartner, die<br />
auf europäischer Ebene <strong>und</strong> auch im nationalen bei<br />
der Erstellung der nationalen beschäftigungspolitischen<br />
Aktionspläne beteiligt sind bzw. sein sollen.<br />
Die begrenzte Wirksamkeit der gemeinsamen<br />
Beschäftigungsstrategie<br />
Hat die EBS bisher den Anspruch auch faktisch<br />
eingelöst, die Erfolgsprofile der nationalen <strong>Arbeit</strong>smärkte<br />
zu verbessern, indem die einzelstaatlichen<br />
6 <strong>b<strong>und</strong>esarbeitsblatt</strong> 11-2004<br />
<strong>Arbeit</strong>smarkt- <strong>und</strong> Beschäftigungspolitiken positiv<br />
beeinflusst werden? Die Antwort auf diese Frage<br />
fällt zwiespältig aus.<br />
Die Beschäftigungsquote <strong>für</strong> die „alten” 15 EU-<br />
Staaten hat, wie Abbildung 1 zeigt, zwischen<br />
1997 <strong>und</strong> 2002 tatsächlich deutlich zugenommen<br />
(von 60,7 auf 64,2 %), stieg dann allerdings in<br />
2003 nur noch geringfügig auf 64,3 % an. Allerdings<br />
verbirgt der Blick auf die EU im Ganzen<br />
starke nationale Unterschiede bei Niveau <strong>und</strong> Entwicklung<br />
der Beschäftigung. Abbildung 2 zeigt,<br />
dass die skandinavischen Staaten Dänemark <strong>und</strong><br />
Schweden sowie die Niederlande <strong>und</strong> Großbritannien<br />
in 2003 eine Beschäftigungsquote von mehr<br />
als 70% der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter<br />
hatten. Österreich, Portugal <strong>und</strong> Finnland konnten<br />
2003 immerhin den Wert <strong>für</strong> das Zwischenziel<br />
2005 überschreiten, während alle anderen EU-<br />
Staaten trotz teilweise starker Anstiege noch mehr<br />
oder weniger klar hinter den Zielvorgaben zurückblieben.<br />
Gerade die vergleichsweise schwache<br />
Performanz der meisten größeren EU-Mitgliedstaaten<br />
erschwert die Erreichung der Ziele von<br />
Lissabon bis 2010 im EU-Durchschnitt. Das<br />
betrifft auch Deutschland: Die deutsche Gesamtquote<br />
lag in 2003 mit 64,8 % zwar noch über dem<br />
Durchschnitt der EU-15, war aber wegen der<br />
ungüstigen Entwicklung seit 2002 unter den Wert<br />
des Jahres 1999 zurückgefallen. Bei den Frauen ist<br />
die Quote in den letzten Jahren relativ stabil <strong>und</strong> lag<br />
in 2003 bei 58,8 % <strong>und</strong> damit bereits über dem EU-<br />
Zwischenziel <strong>für</strong> 2005 5 ). Die Beschäftigungsquote<br />
der älteren <strong>Arbeit</strong>nehmer hat seit 2000 zwar<br />
deutlich von 37,6 % auf 39,3 % in 2003 zugelegt, ist<br />
damit aber noch weit von der Zielvorgabe <strong>für</strong> 2010<br />
entfernt <strong>und</strong> liegt auch unter dem Durchschnitt der<br />
EU-15, der in 2003 bei 41,7 % lag.<br />
Das Zwischenziel von 67%, welches im Jahr 2005<br />
erreicht werden sollte, ist selbst <strong>für</strong> die „alten” EU-<br />
Länder als Ganzes nicht mehr realistisch. Auch ob<br />
das Ziel einer Beschäftigungsquote von 70% <strong>für</strong> das<br />
Jahr 2010 verwirklicht werden kann, ist angesichts<br />
der bisherigen Entwicklung fraglich. Hierzu wären<br />
über mehrere Jahre starke Zuwächse der Beschäftigung<br />
in der EU erforderlich, wie Abbildung 1 verdeutlicht.<br />
Dabei sind die 10 Beitrittsländer noch gar<br />
nicht berücksichtigt. Von ihnen hatten nur Zypern<br />
<strong>und</strong> die Tschechische Republik im Jahre 2003<br />
Beschäftigungsquoten, die über dem Durchschnitt<br />
der „alten” EU lagen. Für alle 25 derzeitigen EU-<br />
Staaten zusammengenommen lag die Gesamtquote<br />
im vergangenen Jahr bei 62,9 %.<br />
Außerdem lässt sich die positive Entwicklung in<br />
der EU-15 zwischen 1997 <strong>und</strong> 2002 nicht ohne