Fahrgast Zeitung - FAHRGAST Steiermark
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Graz<br />
Vergangenheit<br />
Neben der Sanierung Herrengasse wurden letztes Jahr<br />
auch an anderen Stellen gebaut – mit mäßigem Erfolg<br />
Man kann es nur gebetsmühlenartig wiederholen: eine Gleissanierung<br />
sollte nie nur eine halbherzige „reine Sanierung“ sein –<br />
viel besser ist es, sich vorher auch eingehend mit Sinn, Wirkung<br />
und Eindruck des fertigen Projektes zu befassen.<br />
Ein großer Brocken<br />
im letzten Jahr war<br />
die Gleissanierung in<br />
der Conrad-von-Hötzendorf-<br />
Straße im Bereich Ostbahnhof–Liebenau.<br />
In diesem Abschnitt<br />
fuhr die Straßenbahn<br />
in Mittellage, der Gleiskörper<br />
war jedoch nicht vom Individualverkehr<br />
abgetrennt. Im<br />
südlichen Teil stadtauswärts<br />
verlief der Kfz-Streifen sogar<br />
zur Hälfte auf dem Gleis,<br />
sodass der Rückstau vor dem<br />
Stadion die Tram regelmäßig<br />
behinderte. Die gesamte Straßenraumgestaltung<br />
machte<br />
einen trostlosen, „ostblockmäßigen“<br />
Eindruck, den auch<br />
die paar westseitigen Bäume<br />
nicht zu lindern vermochten.<br />
Von <strong>FAHRGAST</strong> gab es deshalb<br />
schon lange die Forderung,<br />
der Straßenbahn auch in diesem<br />
Teil der Conrad-von-Hötzendorf-Straße<br />
einen eigenen<br />
Gleiskörper in Form eines gegenüber<br />
der Kfz-Fahrbahn<br />
leicht erhöhten Rasengleises<br />
zur Verfügung zu stellen. So<br />
könnten die Behinderungen<br />
durch den Individualverkehr<br />
minimiert und der Straße ein<br />
freundliches Aussehen geben<br />
werden.<br />
Kurz vor bzw. nach der Haltestelle dürfen sich die Fahrgäste nun bei der Remise III<br />
über eine vermeidbare Schleicherei freuen. Der Grund: Langsamfahrweichen<br />
Plan und Realität<br />
Während sich die anfänglichen<br />
Konzepte vielversprechend<br />
anhörten – Auflassung<br />
der Linksabbieger, weitgehend<br />
durchgehendes Rasengleis<br />
– kam es mit Fortschreiten<br />
der Planung zu zahlreichen<br />
Abstrichen, sodass nun<br />
nur noch wenige, kurze Stücke<br />
als Rasengleis ausgeführt<br />
wurden und auch die Linksabbieger<br />
erhalten blieben. Das<br />
Rasengleis wurde darüber hinaus<br />
in der berühmt-berüchtigten<br />
Grazer Bauweise erstellt,<br />
d. h. es wurden, wie<br />
auch schon im nördlichen Teil<br />
der Straße, Rasengittersteine<br />
und grüne Kunststoffmatten<br />
eingebaut. Eine merkliche<br />
Abtrennung der Kfz-Fahrspuren<br />
besteht nicht, sodass immer<br />
wieder Fahrzeuge, insbesondere<br />
Linksabbieger, auch<br />
außerhalb der vorgesehenen<br />
Querungsstellen in den Gleisbereich<br />
geraten.<br />
Licht und Schatten<br />
Insgesamt kann gesagt<br />
werden, dass sich die Situation<br />
für den ÖV gegenüber früher<br />
durchaus verbessert hat.<br />
Allerdings sind nach wie vor<br />
Probleme ungelöst, die die<br />
Zuverlässigkeit des 4ers unnötig<br />
herabsetzen: die Linksabbieger<br />
warten weiterhin auf<br />
dem Gleis, da es keine gut<br />
sichtbare Abtrennung in den<br />
Kreuzungsbereichen gibt,<br />
Lastwagen fahren oft zum<br />
Teil auf dem Gleiskörper, da<br />
dessen Rand, der sich bereits<br />
im Lichtraumprofil der Straßenbahn<br />
befindet, gepflastert<br />
wurde. Dies ist auch insofern<br />
problematisch, als der 4er im<br />
kommenden Jahr zum Murpark<br />
verlängert wird und eine<br />
rasche und störungsfreie<br />
Zufahrt zur neuen Strecke<br />
für die Attraktivität unerlässlich<br />
ist. Die Chance für eine<br />
ansprechende, durchgehende<br />
Gestaltung, wie man sie z. B.<br />
von Straßenbahnprojekten in<br />
Frankreich kennt, wurde leider<br />
vertan.<br />
Weichenschleichen<br />
Eine weitere Gleissanierung<br />
erfolgte in der Eggenberger<br />
Straße im Bereich der Remise<br />
3. Hier wurden die Einund<br />
Ausfahrtsweichen sowie<br />
ein kurzes Stück Gleis erneuert.<br />
Positiv ist anzumerken,<br />
dass nun auch hier der Gleismittenabstand<br />
aufgeweitet<br />
wurde. Unverständlich ist jedoch,<br />
dass die Weichen nach<br />
wie vor nur mit Schrittgeschwindigkeit<br />
befahren werden<br />
dürfen, was an dieser<br />
Stelle (insbesonders stadtauswärts)<br />
schmerzt, da es sich<br />
wieder einmal um eine reine<br />
Eigenbehinderung handelt,<br />
die leicht zu vermeiden wäre.<br />
Gerede<br />
Haben Sie schon eine Straßenbahntrasse<br />
in Frankreich<br />
gesehen? Dort wird zu allererst<br />
ein Architekt beauftragt,<br />
den gesamten Straßenraum zu<br />
gestalten. Dies beinhaltet auch<br />
Diesen Sommer wird der nächste Teil der Leonhardstraße saniert, wobei endlich eine<br />
vernünftige Haltestelle bei der Merangasse stadtauswärts realisiert wird.<br />
eine optische Einschränkung<br />
des Individualverkehrs sowie<br />
eine Aufwertung des gesamten<br />
Stadtviertels. Hochwertige<br />
(echte) Rasengleise ziehen<br />
sich wie grüne Bänder durch<br />
die Stadtteile und versprühen<br />
Lebensqualität.<br />
Wenn in Graz gebaut wird,<br />
sind anfangs meist auch gute<br />
Ideen vorhanden. Da diese<br />
aber oft nicht zu Ende gedacht<br />
werden, bleibt nach dem<br />
großen Gerede vor Beginn der<br />
Bauarbeiten meist nur das ernüchterte<br />
Schweigen, wenn<br />
herauskommt, dass sich wieder<br />
nur wenig geändert hat.<br />
Stefan Walter, Severin Kann<br />
10<br />
<strong>FAHRGAST</strong> 1/2006