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praxis + ökonomie<br />
STEUERN<br />
Wahlleistungen <strong>und</strong> Umsatzsteuer<br />
Thomas Ketteler-Eising, Rolf <strong>Michels</strong><br />
Das Thema Wahlleistungen <strong>und</strong> Umsatzsteuer hatten wir bereits<br />
in der Ausgabe Nr. 9 d<strong>es</strong> Jahr<strong>es</strong> 2009 ausführlich beleuchtet.<br />
Dabei hat das Thema im Laufe der letzten Jahre kein<strong>es</strong>falls an<br />
Relevanz verloren. Nach wie vor kommt <strong>es</strong> bei der Frage, ob <strong>und</strong><br />
wenn ja in welcher Höhe Umsatzsteuer zu zahlen ist, häufig zu<br />
Auseinandersetzungen zwischen Arzt <strong>und</strong> Finanzamt. Damit Sie<br />
im Fall der Fälle möglichst gut vorbereitet sind, möchten wir<br />
die für gynäkologische Praxen relevant<strong>es</strong>ten umsatzsteuerlichen<br />
Themen hier noch einmal darstellen <strong>und</strong> dabei insb<strong>es</strong>ondere die<br />
aktuellen Entwicklungen der letzten Jahre aufzeigen.<br />
Umsatzsteuer muss gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
jeder Unternehmer zahlen. Dabei<br />
braucht <strong>es</strong> nicht viel, um steuerlich<br />
als Unternehmer zu gelten: ausreichend<br />
ist die selbstständige Ausübung<br />
einer beruflichen Tätigkeit mit<br />
der Absicht, daraus Einnahmen zu<br />
erzielen. Nach di<strong>es</strong>er Definition ist<br />
jeder Arzt, der in eigener Praxis tätig<br />
wird, sowie jede Berufsausübungsgemeinschaft<br />
<strong>und</strong> jed<strong>es</strong> MVZ umsatzsteuerlich<br />
Unternehmer <strong>und</strong> damit<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich verpflichtet, Umsatzsteuer<br />
an das Finanzamt zu entrichten.<br />
Soweit keine Ausnahmen greifen,<br />
fällt für jede erbrachte Leistung Umsatzsteuer<br />
in Höhe von 19 Prozent an.<br />
Zu den für die gynäkologische Praxis<br />
w<strong>es</strong>entlichen Ausnahmen von der Umsatzsteuerpflicht<br />
gehören die ärztlichen<br />
Heilbehandlungsleistungen.<br />
Heilbehandlungen<br />
sind umsatzsteuerfrei<br />
Das Umsatzsteuerg<strong>es</strong>etz befreit „echte“<br />
Heilbehandlungen von der Umsatzsteuer,<br />
die im Bereich der Humanmedizin<br />
von einem Arzt, einer Hebamme<br />
oder einem ähnlichen Heilberuf<br />
durchgeführt werden. Sinn der Umsatzsteuerbefreiung<br />
ist <strong>es</strong>, den Zugang<br />
d<strong>es</strong> Einzelnen zu notwendigen<br />
ärztlichen Behandlungen durch die<br />
Reduzierung der Kosten um die Umsatzsteuerbelastung<br />
zu erleichtern<br />
<strong>und</strong> zugleich die Kosten für die Sozialversicherungsträger<br />
zu senken.<br />
Vereinfacht lässt sich die Umsatzsteuerfreiheit<br />
einer ärztlichen Leistung<br />
anhand der folgenden drei Fragen<br />
prüfen:<br />
1. Handelt <strong>es</strong> sich bei der erbrachten<br />
ärztlichen Leistung um eine<br />
Leistung im Bereich der Humanmedizin,<br />
d. h. werden Menschen<br />
behandelt?<br />
2. Wird die Leistung von einem Arzt,<br />
einer Hebamme oder einem Angehörigen<br />
ein<strong>es</strong> arztähnlichen<br />
Beruf<strong>es</strong> erbracht?<br />
3. Steht bei der Leistung ein therapeutisch<strong>es</strong><br />
Ziel im Vordergr<strong>und</strong>?<br />
Lautet die Antwort auf alle di<strong>es</strong>e drei<br />
Fragen „Ja“, ist die Leistung umsatzsteuerfrei.<br />
Zu Diskussionen mit dem Finanzamt<br />
führt in der Regel die dritte Frage.<br />
Damit di<strong>es</strong>e bejaht werden kann,<br />
muss <strong>es</strong> sich um eine Tätigkeit zur<br />
Vorbeugung, Diagnose, Behandlung<br />
oder – soweit möglich – Heilung von<br />
Krankheiten <strong>und</strong> G<strong>es</strong><strong>und</strong>heitsstörungen<br />
beim Menschen handeln.<br />
Nicht hierunter fallen Maßnahmen,<br />
die lediglich der Kosmetik oder Ästhetik<br />
oder der Steigerung d<strong>es</strong> Wohlbefindens<br />
dienen („Welln<strong>es</strong>s“) sowie<br />
Maßnahmen zur allgemeinen G<strong>es</strong><strong>und</strong>heitsförderung<br />
ohne konkreten Krankheitsbezug<br />
wie beispielsweise Leistungen<br />
zur Prävention <strong>und</strong> Selbsthilfe<br />
im Sinne d<strong>es</strong> § 20 SGB V.<br />
Als ein entscheidend<strong>es</strong> Indiz für das<br />
therapeutische Ziel <strong>und</strong> damit für<br />
eine Befreiung von der Umsatz steuer<br />
sieht die Finanzverwaltung in der<br />
Regel die Kostenübernahme durch<br />
die Träger der g<strong>es</strong>etzlichen Sozialversicherung.<br />
Di<strong>es</strong>e kann jedoch –<br />
insb<strong>es</strong>ondere auch ang<strong>es</strong>ichts zunehmender<br />
Leistungskürzungen der<br />
g<strong>es</strong>etzlichen Krankenversicherungen<br />
– tatsächlich lediglich eine Indizwirkung<br />
haben. Damit können im<br />
Einzelfall durchaus auch Leistungen<br />
umsatzsteuerfrei sein, deren Kosten<br />
von den Trägern der g<strong>es</strong>etzlichen<br />
Sozialversicherung nicht übernommen<br />
werden.<br />
Neben den Leistungen aus der Tätigkeit<br />
als Arzt oder Hebamme können<br />
auch die Umsätze aus Leistungen<br />
anderer Heil- <strong>und</strong> Heilhilfsberufe<br />
(G<strong>es</strong><strong>und</strong>heitsfachberufe) unter die<br />
Steuer befreiung fallen. Voraussetzung<br />
ist, dass den Angehörigen der<br />
Berufsgruppe die Befähigung zur<br />
Ausübung einer heilberuflichen Tätigkeit<br />
zug<strong>es</strong>prochen wird. Umsatzsteuerlich<br />
anerkannte andere Heil<strong>und</strong><br />
Heilhilfsberufe sind z. B.<br />
• Diätassistenten aufgr<strong>und</strong><br />
d<strong>es</strong> Diätassistenteng<strong>es</strong>etz<strong>es</strong>;<br />
• auf dem Gebiet der Humanmedizin<br />
selbständig tätige MTAs aufgr<strong>und</strong><br />
d<strong>es</strong> G<strong>es</strong>etz<strong>es</strong> über technische<br />
Assistenten der Medizin;<br />
• Diplom-Ökotrophologen (Ernährungsberater)<br />
im Rahmen einer<br />
medizinischen Behandlung.<br />
Entscheidend für die Umsatzsteuerfreiheit<br />
ist die Qualifikation d<strong>es</strong> Behandelnden.<br />
Letztlich muss aufgr<strong>und</strong><br />
d<strong>es</strong> beruflichen Befähigungsnachweis<strong>es</strong><br />
belegt werden, dass die Erbrin-<br />
720 FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 7
gung der betreffenden Leistungen<br />
qualitativ der Erbringung durch einen<br />
Arzt entspricht.<br />
Welche Leistungen<br />
sind umsatzsteuerpflichtig?<br />
Leistungen, die nur den allgemeinen<br />
G<strong>es</strong><strong>und</strong>heitszustand verb<strong>es</strong>sern <strong>und</strong><br />
insb<strong>es</strong>ondere einen Beitrag zur Verminderung<br />
sozial bedingter Ungleichheiten<br />
von G<strong>es</strong><strong>und</strong>heitschancen darstellen,<br />
sind nicht von der Umsatzsteuer<br />
befreit. So unterliegen beispielsweise<br />
Leistungen zur Prävention<br />
<strong>und</strong> Selbsthilfe im Sinne d<strong>es</strong><br />
§ 20 SGB V, die keinen unmittelbaren<br />
Krankheitsbezug haben, wie z. B.<br />
Ernährungsberatungen oder eine<br />
Rückenschulung, trotz der meist<br />
langfristig positiven Wirkungen auf<br />
mögliche Folgeerkrankungen der<br />
Umsatzsteuer, da sie nicht als Heilbehandlung<br />
anerkannt werden. Die<br />
Abgrenzung von Leistungen zur Prävention<br />
<strong>und</strong> Selbsthilfe oder von<br />
„Welln<strong>es</strong>s“ zu anerkannten Heilbehandlungsleistungen<br />
ist nicht immer<br />
eindeutig. Daher ist die Abgrenzung<br />
immer wieder Gegenstand<br />
finanzgerichtlicher Verfahren.<br />
Dabei ist die Umsatzb<strong>es</strong>teuerung<br />
schon lange keine nationale deutsche<br />
Frage mehr: Die sogenannte<br />
Mehrwertsteuersystemrichtlinie legt<br />
die Gr<strong>und</strong>sätze f<strong>es</strong>t, nach denen die<br />
Umsatzsteuer innerhalb der EU erhoben<br />
wird. Di<strong>es</strong>e Richtlinie ist bindend<br />
für alle Mitgliedsstaaten der<br />
EU <strong>und</strong> soll eine EU-einheitliche<br />
Umsatzb<strong>es</strong>teue rung gewährleisten.<br />
Dem Gr<strong>und</strong>satz nach unterliegt damit<br />
ein französischer Arzt den gleichen<br />
Regelungen wie ein deutscher<br />
Arzt. Di<strong>es</strong>e Vereinheitlichung innerhalb<br />
der EU ist auch der Gr<strong>und</strong>, warum<br />
über umsatzsteuerliche Auslegungsfragen<br />
längst nicht mehr nur<br />
die deutschen Gerichte entscheiden.<br />
Immer häufiger entscheidet auch der<br />
Europäische Gerichtshof (EuGH) bindend<br />
in Abgrenzungsfragen zwischen<br />
steuerfreier Heilbehandlungsleistung<br />
<strong>und</strong> steuerpflichtiger Leistung.<br />
So hat der EuGH beispielsweise mit<br />
Urteil vom 21.03.2013 (Az. C 91/12)<br />
den deutschen Finanzgerichten den<br />
Rücken g<strong>es</strong>tärkt <strong>und</strong> entschieden,<br />
dass Leistungen auf dem Gebiet der<br />
ästhetisch-plastischen Chirurgie <strong>und</strong><br />
ästhetischen Behandlungen nur dann<br />
steuerfrei sind, wenn sie dazu dienen,<br />
Krankheiten oder G<strong>es</strong><strong>und</strong>heitsstörungen<br />
zu diagnostizieren, zu behandeln<br />
oder zu heilen oder die G<strong>es</strong><strong>und</strong>heit zu<br />
schützen, aufrechtzuerhalten oder<br />
wiederherzustellen. Dabei kommt <strong>es</strong><br />
nicht auf das subjektive Empfinden<br />
d<strong>es</strong> Patienten an, der sich der Behandlung<br />
unterzieht, sondern auf die<br />
objektiven Auswirkungen d<strong>es</strong> Eingriffs<br />
auf die G<strong>es</strong><strong>und</strong>heit d<strong>es</strong> Betroffenen.<br />
Damit sind aus rein ästhetischen,<br />
d. h. nicht aus funktionellen Gründen<br />
durchgeführte Leistungen, beispielsweise<br />
im Bereich der Intimchirugie<br />
ebenso wie auch Leistungen im Bereich<br />
der Injektions-Lipolyse oder der<br />
Behandlung mit Hyaluronsäure umsatzsteuerpflichtig.<br />
Natürlich können sich auch umsatzsteuerpflichtige<br />
Leistungen finanziell<br />
durchaus lohnen, z. B. umsatz steuerpflichtige<br />
Wahlleistungen, wenn die<br />
Kalkulation zeigt, dass mit der Leistung<br />
nach Abzug aller Kosten noch<br />
ein Gewinn erzielt wird. Allerdings<br />
erfordert eine aussagekräftige Kalkulation<br />
zwangsläufig auch das Wissen<br />
darüber, von welchen Einnahmen ein<br />
Teil als Umsatzsteuer an das Finanzamt<br />
abgeführt werden muss <strong>und</strong> von<br />
welchen nicht.<br />
Wenn eine gynäkologische Praxis anderen<br />
Ärzten Geräte <strong>und</strong> Einrichtungen<br />
zur Mitbenutzung überlässt,<br />
handelt <strong>es</strong> sich eindeutig nicht um<br />
eine ärztliche Behandlung im Bereich<br />
der Humanmedizin. Die Vermietung<br />
von Geräten <strong>und</strong> Einrichtungen ist<br />
daher eine umsatzsteuerpflichtige<br />
Leistung. Gleich<strong>es</strong> gilt z. B. für den<br />
Verkauf von medizinischen Hilfsmitteln<br />
aller Art. Di<strong>es</strong>e Art von Leistungen<br />
sind häufig sogar gewerbliche<br />
Leistungen, w<strong>es</strong>halb auch noch ein<br />
Gewerb<strong>es</strong>teuerrisiko droht; di<strong>es</strong> ist<br />
bei Gemeinschaftspraxen mit der zusätzlichen<br />
Gefahr verb<strong>und</strong>en, dass<br />
dann der g<strong>es</strong>amte Gewinn der Praxis<br />
gewerb<strong>es</strong>teuerpflichtig wird (sogenannte<br />
gewerb<strong>es</strong>teuerliche Infektions<br />
theorie).<br />
Schwierig wird <strong>es</strong><br />
in Grenzbereichen<br />
Nicht eindeutig geklärt ist, ob ärztliche<br />
Leistungen für eine Befreiung<br />
von der Umsatzsteuer allgemein anerkannt<br />
sinnvoll sein müssen. Unser<strong>es</strong><br />
Erachtens ist di<strong>es</strong> zu verneinen.<br />
Auch Leistungen, die ohne konkreten<br />
Verdacht <strong>und</strong>/oder B<strong>es</strong>chwerden (im<br />
Sinne der Kostenübernahme durch<br />
die Krankenkassen) nicht zwingend<br />
notwendig sind oder deren Wirksamkeit<br />
noch nicht abschließend wissenschaftlich<br />
erwi<strong>es</strong>en ist, können von<br />
der Umsatzsteuer befreit sein. B<strong>es</strong>t<strong>es</strong><br />
Beispiel sind die Wahlleistungen im<br />
Rahmen der Früherkennungsuntersuchungen<br />
<strong>und</strong> der Schwangerschaftsvorsorge.<br />
Die meisten Früherkennungs-<br />
<strong>und</strong> Vorsorgeuntersuchungen<br />
werden trotz fehlenden Verdachts<br />
rein prophylaktisch durchgeführt, um<br />
Sicherheit zu erlangen.<br />
Die KBV merkt bezüglich IGeL an:<br />
„G<strong>es</strong>etzliche Krankenkassen übernehmen<br />
die Kosten für alle Diagnosen<br />
<strong>und</strong> Behandlungen, wenn sie die Bedingungen<br />
erfüllen, die das G<strong>es</strong>etz<br />
vorgibt: Sie müssen ausreichend,<br />
zweckmäßig <strong>und</strong> wirtschaftlich sein<br />
<strong>und</strong> dürfen das Maß d<strong>es</strong> Notwendigen<br />
nicht überschreiten.“<br />
Es gibt aber durchaus eine Vielzahl<br />
von Wahlleistungen, die nach eingehender<br />
Be ratung <strong>und</strong> Aufklärung<br />
vom Patienten nachgefragt werden,<br />
das Maß d<strong>es</strong> Notwendigen jedoch<br />
überschreiten. Z. B. handelt <strong>es</strong> sich<br />
beim Blutt<strong>es</strong>t auf Toxoplasmose zu<br />
Beginn der Schwangerschaft, sofern<br />
kein konkreter Verdacht b<strong>es</strong>teht,<br />
nicht um eine Kassenleistung, sondern<br />
um eine Wahlleistung. Bei<br />
Schwangeren, die keine schützenden<br />
Antikörper b<strong>es</strong>itzen, ist <strong>es</strong> aber bedeutsam,<br />
eine Erst infektion in der<br />
Zeit der Schwangerschaft zu vermei-<br />
praxis + ökonomie<br />
FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 7<br />
721
praxis + ökonomie<br />
den. Es kann daher entscheidend<br />
sein, Erkenntnisse aus einem entsprechenden<br />
Blutt<strong>es</strong>t zu erlangen.<br />
Weitere Beispiele sind die erweiterte<br />
Krebsvorsorge, Erst-Trim<strong>es</strong>ter-<br />
Screening, HPV-Abstrich, Pap-T<strong>es</strong>t<br />
oder der immunologische Stuhlt<strong>es</strong>t.<br />
Ziel derartiger Wahlleistungen ist<br />
ein deutig auch die Diagnose möglicher<br />
G<strong>es</strong><strong>und</strong>heitsstörungen. Ein ander<strong>es</strong><br />
Ziel als das therapeutische ist<br />
nicht erkennbar. Folglich müssen<br />
di<strong>es</strong>e Leistungen auch von der<br />
Umsatz steuer befreit sein.<br />
Auch bei den sonstigen Leistungen<br />
ein<strong>es</strong> Arzt<strong>es</strong> im Zusammenhang mit<br />
Empfängnisverhütungsmaßnahmen<br />
handelt <strong>es</strong> sich nach Auffassung der<br />
Finanzverwaltung in Abschnitt 4.14.2<br />
Abs. 3 Umsatzsteuer-Anwen dungserlass<br />
(UStAE) um umsatzsteuerfreie<br />
Heilbehandlungsleistungen. Ferner<br />
stellen auch die im Zusammenhang<br />
mit einem Schwangerschaftsabbruch<br />
nach § 218a Straf g<strong>es</strong>etzbuch (StGB)<br />
stehenden ärzt lichen Leistungen umsatzsteuerfreie<br />
Heilbehandlungsleistungen<br />
dar; di<strong>es</strong> gilt auch für die nach<br />
den §§ 218b, 219 StGB vorg<strong>es</strong>ehene<br />
Sozialberatung durch einen Arzt.<br />
Sonstige ärztliche Leistungen bei<br />
Schwanger schaftsabbrüchen <strong>und</strong> Empfängnisverhütungsmaßnahmen<br />
sind<br />
auch steuerfrei, wenn sie von Krankenhäusern<br />
oder Medizinischen Versorgungszentren<br />
ausgeführt werden.<br />
Bei ärztlichen Gutachten muss für<br />
die Frage der Steuerbefreiung differenziert<br />
werden. Gutachten über den<br />
G<strong>es</strong><strong>und</strong>heitszustand, die beispielsweise<br />
als Gr<strong>und</strong>lage für Ver sich e-<br />
rungs abschlüsse erstellt werden,<br />
sind umsatzsteuerpflichtig, weil der<br />
Vertragsabschluss im Vordergr<strong>und</strong><br />
steht. Gutachten zur F<strong>es</strong>tstellung<br />
der persönlichen Voraussetzungen<br />
für eine medizinische Rehabilitations<br />
maßnahme dienen hingegen<br />
der Diagnose <strong>und</strong> anschließenden<br />
Behandlung von G<strong>es</strong><strong>und</strong>heitsstörungen<br />
<strong>und</strong> sind daher von der Umsatzsteuer<br />
befreit, selbst wenn die<br />
Patien tin im Ergebnis nicht rehabilitierbar<br />
ist.<br />
Für den Bereich der Reproduktionsmedizin<br />
hat das Niedersächsische<br />
Finanzgericht jüngst mit Urteil vom<br />
14.03.2013 (5 K 9/11) zugunsten der<br />
klagenden Arztpraxis entschieden,<br />
dass die Kryokonservierung von Eizellen<br />
auch dann eine umsatzsteuerfreie<br />
Heilbehandlung darstellt, wenn<br />
die Eizellen nach erfolgreicher erster<br />
Schwangerschaft der Patientin zur<br />
Herbeiführung von weiteren Schwangerschaften<br />
vorgehalten werden.<br />
Gegen di<strong>es</strong><strong>es</strong> Urteil ist allerdings<br />
derzeit ein Revisionsverfahren vor<br />
dem BFH anhängig. Es b<strong>es</strong>teht daher<br />
noch keine Rechtssicherheit. Gegenüber<br />
dem Finanzamt sollte unter Berufung<br />
auf das Urteil d<strong>es</strong> Niedersächsischen<br />
Finanz gerichts die Umsatzsteuer<br />
befreiung beantragt werden.<br />
Aber Vorsicht: Wenn der BFH anders<br />
entscheidet, ist die Umsatzsteuer an<br />
das Finanzamt nachzuzahlen. Es ist<br />
daher zu empfehlen, bei der Preiskalkula<br />
tion eine Umsatzsteuerpflicht<br />
einzuplanen.<br />
Ob die Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung<br />
letztlich erfüllt<br />
sind, ist für jede einzelne Leistung<br />
g<strong>es</strong>ondert zu prüfen. Werden die<br />
Voraussetzungen z. B. für einzelne<br />
Leistungen nicht erfüllt, führt di<strong>es</strong><br />
aber nicht zu einer Umsatzsteuerpflicht<br />
sämtlicher Leistungen. Die<br />
anderen Leistungen, die die Voraussetzungen<br />
für eine Befreiung von der<br />
Umsatzsteuer erfüllen, bleiben auch<br />
dann weiterhin umsatzsteuerfrei. Es<br />
gibt somit keine umsatzsteuerliche<br />
„Infektion“ der g<strong>es</strong>amten Tätigkeit<br />
einer Praxis durch vereinzelte umsatzsteuerpflichtige<br />
Tätigkeiten.<br />
Wer Umsatzsteuer ausweist,<br />
muss auch zahlen!<br />
Ein weiter<strong>es</strong> steuerlich<strong>es</strong> Risiko ist<br />
vielen gar nicht bekannt: Auch wenn<br />
eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistung<br />
ausgeführt wird, kann<br />
<strong>es</strong> unter Umständen dazu kommen,<br />
dass Umsatzsteuer an das Finanzamt<br />
gezahlt werden muss. Das ist dann<br />
der Fall, wenn in der Rechnung Umsatzsteuer<br />
ausgewi<strong>es</strong>en wird. Es gilt<br />
nämlich der Gr<strong>und</strong>satz: Jeder, der<br />
Umsatzsteuer in einer Rechnung<br />
oder Quittung ausweist, muss di<strong>es</strong>e<br />
auch an das Finanzamt zahlen. Das<br />
kann sehr ärgerlich werden. Zwar<br />
lässt sich ein falscher Steuerausweis<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich durch eine Korrektur<br />
der Rechnung wieder beheben, di<strong>es</strong><br />
ist aber gerade in Fällen, in denen<br />
über Jahre hinweg zu viel Umsatzsteuer<br />
in zahlreichen Rechnungen<br />
ausgewi<strong>es</strong>en wurde, praktisch unmöglich.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist jeder Unternehmer<br />
verpflichtet, eine Rechnung zu erstellen,<br />
in der die g<strong>es</strong>chuldete Umsatzsteuer<br />
ausgewi<strong>es</strong>en ist. Allerdings<br />
betrifft di<strong>es</strong>e Verpflichtung in<br />
der Regel nur Rechnungen, die an<br />
einen anderen Unternehmer für d<strong>es</strong>sen<br />
Unternehmen g<strong>es</strong>chrieben werden.<br />
Bei ärztlichen Leistungen, die<br />
gegenüber einer Privatperson erbracht<br />
werden – was die Regel sein<br />
dürfte –, b<strong>es</strong>teht eine solche Verpflichtung<br />
nicht.<br />
Die Empfehlung lautet daher: Bei<br />
Wahlleistungen gegenüber Privatpersonen,<br />
die privat zu zahlen sind,<br />
sollte auf einen Umsatzsteuerausweis<br />
in Rechnung/Quittung soweit möglich<br />
verzichtet werden, bevor man<br />
durch einen falschen Steuerausweis<br />
ungewollt eine zusätzliche Steuerbelastung<br />
generiert. Stellt sich (später)<br />
heraus, dass der Arzt von einer<br />
Umsatzsteuerpflicht ausging, die<br />
Leistung aber tatsächlich umsatzsteuerfrei<br />
war, ist der Arzt nicht<br />
durch den Umsatzsteuerausweis in<br />
der Rechnung gehindert, sich die zu<br />
viel gezahlte Umsatzsteuer auch<br />
beim Finanzamt wiederzuholen.<br />
Die Nachweispflicht<br />
liegt beim Arzt<br />
Generell ist jede Leistung ein<strong>es</strong> Unternehmers<br />
umsatzsteuerpflichtig,<br />
wenn er sich nicht auf die Befreiung<br />
der einzelnen Leistung von der Umsatzsteuer<br />
berufen kann. Wer die<br />
Befreiung von der Umsatzsteuer will,<br />
muss seinen Anspruch gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
722 FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 7
gegenüber dem Finanzamt beweisen<br />
können. Im Zweifel ist die Leistung<br />
umsatzsteuerpflichtig.<br />
In der Praxis ist <strong>es</strong> daher notwendig,<br />
dass Aufzeichnungen geführt werden,<br />
die einen Nachweis gegenüber dem<br />
Finanzamt bezüglich der notwendigen<br />
Voraussetzungen ermöglichen, insb<strong>es</strong>ondere<br />
über das therapeutische Ziel.<br />
Di<strong>es</strong> gilt im b<strong>es</strong>onderen Maße in den<br />
Grenzbereichen, z. B. im Bereich der<br />
Intimchirurgie, in denen ähnliche<br />
Leistungen mit medizinischer Indikation,<br />
aber auch ohne medizinische<br />
Indikation denkbar sind. Problematisch<br />
bleibt, dass sich der Arzt im<br />
Spannungsverhältnis zwischen ärztlicher<br />
Schweigepflicht <strong>und</strong> steuerlicher<br />
Nachweispflicht befindet.<br />
Zur Abgrenzung der umsatzsteuerfreien<br />
<strong>und</strong> umsatzsteuerpflichtigen<br />
Einnahmen <strong>und</strong> Ausgaben ist <strong>es</strong> notwendig,<br />
di<strong>es</strong>e in der Buchhaltung zu<br />
trennen. Speziell bei den Einnahmen<br />
kann di<strong>es</strong> durch einen g<strong>es</strong>onderten<br />
Rechnungsnummernkreis oder eine<br />
Markierung auf dem Kontoauszug<br />
oder im Kassenbuch erfolgen. Getrennte<br />
Bankkonten oder Kassenbücher<br />
sind nicht zwingend erforderlich.<br />
In jedem Fall muss aber eine<br />
getrennte buchhalterische Erfassung<br />
über verschiedene Buchhaltungskonten<br />
durchgeführt werden, um auch<br />
den Vorsteuerabzug zu ermitteln.<br />
Ein Vorsteuerabzug steht jedem<br />
Unternehmer zu, soweit er, gegebenenfalls<br />
auch nur anteilig, umsatzsteuerpflichtige<br />
Leistungen erbringt.<br />
Er kann die in Rechnung g<strong>es</strong>tellte<br />
Umsatzsteuer, z. B. aus Steuerberatungskosten,<br />
Telefonkosten oder<br />
Materialkosten, als Vorsteuer geltend<br />
machen. Der an das Finanzamt zu<br />
entrichtende Steuerbetrag ergibt sich<br />
also aus der eigenen Umsatzsteuer<br />
minus der (anteiligen) Vorsteuer.<br />
Kleinunternehmerregelung<br />
Eine Ausnahme von dem Gr<strong>und</strong>satz<br />
der Umsatzsteuerpflicht aller Leistungen<br />
gibt <strong>es</strong> neben den Steuerbefreiungen<br />
für b<strong>es</strong>timmte Leistungen<br />
auch für sogenannte „Kleinunternehmer“.<br />
Eine gynäkologische Praxis mit<br />
überwiegend umsatzsteuerfreien<br />
Heilbehandlungsleistungen ist in der<br />
Regel Kleinunternehmer, wenn die<br />
umsatzsteuerpflichtigen Leistungen<br />
langfristig nicht mehr als 17.500 Euro<br />
jährlich betragen. Dann ist trotz der<br />
Umsatzsteuerpflicht wegen Geringfügigkeit<br />
keine Umsatzsteuer an das<br />
Finanzamt zu zahlen.<br />
Wenn sich die Praxis an der Schwelle<br />
von 17.500 Euro jährlich befindet,<br />
sollte darauf geachtet werden, die<br />
Grenze nicht versehentlich zu überschreiten.<br />
Wird di<strong>es</strong>e Grenze auch<br />
nur um 1 Euro überschritten, ist die<br />
Praxis im Folgejahr umsatzsteuerpflichtig,<br />
selbst wenn damit zu rechnen<br />
ist, dass dann die Grenze von<br />
17.500 Euro unterschritten wird. In<br />
di<strong>es</strong>em Fall müsste die Praxis ein<br />
Jahr warten, bis sie wieder als Kleinunternehmer<br />
betrachtet wird. Man<br />
sollte sich vor Augen halten: 1 Euro<br />
mehr Einnahmen kann somit fast<br />
2.800 Euro Umsatzsteuerbelastung<br />
auslösen. Bei Gemeinschaftspraxen<br />
ergibt sich ein gewiss<strong>es</strong> G<strong>es</strong>taltungspotenzial,<br />
wenn einzelne Leistungen<br />
nicht von der Gemeinschaftspraxis,<br />
sondern von den einzelnen Ärzten<br />
persönlich erbracht werden. Im Ergebnis<br />
lässt sich die Grenze von<br />
17.500 Euro damit auf ein Vielfach<strong>es</strong><br />
erhöhen. Hier ist aber im Einzelfall<br />
eine Beratung durch den Steuerberater<br />
dringend zu empfehlen.<br />
Umsatzsteuererklärung<br />
ja oder nein?<br />
Jeder Unternehmer, <strong>und</strong> damit auch<br />
die gynäkologische Praxis, ist ge setzlich<br />
dazu verpflichtet, eine jährliche<br />
Umsatz steuererklärung abzugeben,<br />
selbst wenn er nur umsatzsteuerfreie<br />
Leistungen erbringt. Wer di<strong>es</strong> nicht<br />
befolgt, muss in der Regel aber nicht<br />
mit Sanktionen rechnen, wenn ausschließlich<br />
umsatzsteuerfreie ärzt liche<br />
Heilbehandlungsleistungen oder nur<br />
geringfügige umsatzsteuerpflichtige<br />
Leistungen im Rahmen der Klein unternehmerregelung<br />
erbracht wurden.<br />
Steuererklärungen mit einer Umsatzsteuer<br />
von 0 Euro werden häufig bei<br />
Finanzämtern gar nicht bearbeitet,<br />
sondern nur abgeheftet. Wenn Unsicherheiten<br />
zur Umsatzsteuerpflicht<br />
b<strong>es</strong>tehen, sollte der Arzt seinen<br />
Steuer berater fragen, ob eine Umsatzsteuererklärung<br />
abzugeben ist.<br />
Es kann aber durchaus Vorteile haben,<br />
zeitnah eine Umsatzsteuererklärung<br />
abzugeben. Denn dadurch tritt<br />
die sogenannte F<strong>es</strong>tsetzungsverjährung<br />
früher ein, was zur Folge hat,<br />
dass das Finanzamt keine Möglichkeit<br />
mehr hat, noch einen Umsatzsteuerb<strong>es</strong>cheid<br />
zu erlassen oder eine bereits<br />
b<strong>es</strong>tehende F<strong>es</strong>tsetzung noch zu ändern.<br />
Wird z. B. die Umsatzsteuererklärung<br />
2012 im Jahr 2013 abgegeben,<br />
endet die F<strong>es</strong>tsetzungsfrist für<br />
das Finanzamt am 31.12.2017 (2013<br />
plus vier Jahre). Danach tritt in der<br />
Regel die F<strong>es</strong>tsetzungsverjährung ein,<br />
<strong>und</strong> das Finanzamt kann den Umsatzsteuerb<strong>es</strong>cheid<br />
nicht mehr ändern –<br />
außer beim Vorwurf der Steuerhinterziehung<br />
oder einer leichtfertigen<br />
Steuerverkürzung. Wird keine Umsatzsteuererklärung<br />
abgegeben, verzögert<br />
sich der Eintritt der F<strong>es</strong>tsetzungsverjährung<br />
um bis zu zwei Jahre. Die<br />
Abgabe einer Umsatzsteuererklärung<br />
lohnt sich daher häufig allein d<strong>es</strong>halb,<br />
da dadurch deutlich früher<br />
Rechts- <strong>und</strong> Planungssicherheit herbeigeführt<br />
werden kann.<br />
Für die Autoren<br />
Thomas<br />
Ketteler-Eising<br />
Steuerberater<br />
<strong>Laufenberg</strong> Dr. <strong>Michels</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Partner</strong><br />
Robert-Perthel-Str. 77 a<br />
50739 Köln<br />
Tel. 0221-9574940<br />
Fax 0221-95749427<br />
office@laufmich.de<br />
praxis + ökonomie<br />
FRAUENARZT 54 (2013) Nr. 7<br />
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