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Von der artikulatorischen Form zur Grammatik - Institut für deutsche ...

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Norbert Fries [HU Berlin]<br />

durch und durch durchstrukturiert<br />

Ü berlegungen zum Verhältnis<br />

<strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> sprachlicher Äuß erungen zu<br />

abstrakten Einheiten <strong>der</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Teil I<br />

URL:<br />

http://kickme.to/kobe


Disposition<br />

►<br />

►<br />

►<br />

Grundannahmen<br />

Prosodische Indizien<br />

Segmentale Indizien


Grundannahmen<br />

Eine grundsätzliche<br />

linguistische Fragestellung<br />

betrifft das Verhältnis von<br />

sprachlichen <strong>Form</strong>en<br />

(sprachlichen Gesten)<br />

zu<br />

sprachlichen Bedeutungen<br />

(Sprachhandlungen)<br />

Die heutige linguistische Antwort<br />

auf diese Fragestellung geht<br />

davon aus, dass<br />

die Systematik des Verhältnisses<br />

von<br />

sprachlichen <strong>Form</strong>en und<br />

sprachlichen Bedeutungen<br />

durch ein spezifisches<br />

Kenntnissystem<br />

gewährleistet wird,<br />

durch die<br />

(mentale) <strong>Grammatik</strong>


Grundannahmen<br />

GESTISCHE FORMEN<br />

Die mentale <strong>Grammatik</strong> besteht<br />

mindestens aus<br />

o einem mentalen Lexikon und<br />

verschiedenen Mechanismen, welche<br />

o die systematische Kombination<br />

elementarer Einheiten regeln<br />

(Morphologie, Syntax)<br />

sowie<br />

o die Systematik phonologischer<br />

und<br />

o semantischer Phänomene<br />

ARTIKULATORISCHE FORM<br />

-mentales Lexikon<br />

- Morphologie<br />

- Syntax<br />

SEMANTIK


Grundannahmen<br />

• Das grammatische System (G)<br />

spezifiziert Sä tze<br />

• Sä tze sind Entitäten <strong>der</strong><br />

<strong>Grammatik</strong>theorie mit einer<br />

- syntaktischen (SYN)<br />

- semantischen (SEM) und<br />

- phonologischen (PHON) Struktur<br />

PHON<br />

SEM<br />

SYN<br />

G<br />

SATZ-<br />

BEDEUTUNG<br />

An<strong>der</strong>e<br />

Kenntnis-<br />

Systeme<br />

Ä USSERUNGS-<br />

BEDEUTUNG<br />

• Losgelö st von<br />

Äußerungssituationen besitzen<br />

Sä tze nur eine<br />

grammatisch determinierte<br />

Bedeutung<br />

• Die grammatisch determinierte<br />

Bedeutung legt ein<br />

kommunikatives Potential fest,<br />

aus dem im Augenblick <strong>der</strong><br />

Äußerung eine <strong>der</strong> mö glichen<br />

Anwendungen aktualisiert wird<br />

• Das geschieht dadurch,<br />

dass <strong>der</strong> geä ußerte Satz<br />

auf einen Sachverhalt<br />

bezogen wird und<br />

(ggf. in Interaktion mit an<strong>der</strong>en<br />

Kenntnissystemen)<br />

eine Äußerungsbedeutung<br />

erhält


Grundannahmen<br />

• Das grammatische System (G)<br />

spezifiziert Sä tze<br />

• Sä tze sind Entitäten <strong>der</strong><br />

<strong>Grammatik</strong>theorie mit einer<br />

- syntaktischen (SYN)<br />

- semantischen (SEM) und<br />

- phonologischen (PHON) Struktur<br />

An<strong>der</strong>e<br />

Kenntnis-<br />

Systeme<br />

Die Äußerungsbedeutung<br />

eines<br />

geäuß erten Satzes<br />

weist die folgenden Komponenten<br />

auf:<br />

• Proposition<br />

(begrifflich-relationale und referentielle Struktur)<br />

• Informationsstruktur<br />

• Illokution<br />

• Emotion (emotionale Bewertung)<br />

Proposition<br />

PHON<br />

SEM<br />

G<br />

SATZ-<br />

BEDEUTUNG<br />

Ä USSERUNGS-<br />

BEDEUTUNG<br />

Informationsstruktur<br />

Illokution<br />

SYN<br />

Emotion


Grundannahmen<br />

Die Komponenten <strong>der</strong><br />

Äußerungsbedeutung kö nnen durch<br />

Einheiten unterschiedlicher<br />

Beschreibungsebenen kodiert<br />

werden, d.h. durch<br />

- phonetische<br />

- phonologische<br />

- morphologische<br />

- syntaktische<br />

- semantische<br />

An<strong>der</strong>e<br />

Kenntnis-<br />

Systeme<br />

Die Äußerungsbedeutung<br />

eines<br />

geäuß erten Satzes<br />

weist die folgenden Komponenten<br />

auf:<br />

• Proposition<br />

• Informationsstruktur<br />

• Illokution<br />

• Emotion (emotionale Bewertung)<br />

Proposition<br />

PHON<br />

SEM<br />

G<br />

SATZ-<br />

BEDEUTUNG<br />

Ä USSERUNGS-<br />

BEDEUTUNG<br />

Informationsstruktur<br />

Illokution<br />

SYN<br />

Emotion


Grundannahmen<br />

Beispiele<br />

An<strong>der</strong>e<br />

Kenntnis-<br />

Systeme<br />

Proposition<br />

PHON<br />

SEM<br />

G<br />

SATZ-<br />

BEDEUTUNG<br />

Ä USSERUNGS-<br />

BEDEUTUNG<br />

Informationsstruktur<br />

Illokution<br />

SYN<br />

Emotion


Grundannahmen<br />

Die Komponenten <strong>der</strong><br />

Äußerungsbedeutung kö nnen durch<br />

Einheiten unterschiedlicher<br />

Beschreibungsebenen kodiert<br />

werden, d.h. durch<br />

- phonetische<br />

- phonologische<br />

- morphologische<br />

- syntaktische<br />

- semantische<br />

(1) a. Hans ist ziemlich [do::::f]!<br />

[DEHNUNGSAKZENT]<br />

b. KALT ist das hier!<br />

[EXKLAMATIV-AKZENT]<br />

c. Bist DU vielleicht BLÖ D!<br />

d. KOMM HER!<br />

[FORTE]<br />

(2) a. Wie groß Peter geworden ist!<br />

b. Was fü r ein tolles Auto das ist!<br />

c. Dass du immer soviel trinken musst!<br />

d. Falls / Wenn du das tust!<br />

e. Ob er kommt?<br />

f. Damit du weiß t, mit wem du es zu tun hast!<br />

(3) a. Esel!<br />

b. Feuer!<br />

c. Eine Lokalrunde fü r alle!<br />

(4) a. Fantastisch!<br />

b. Unvorstellbar!<br />

c. Schneller!<br />

d. Etwas leiser!<br />

PHON<br />

SEM<br />

G<br />

SATZ-<br />

BEDEUTUNG<br />

An<strong>der</strong>e<br />

Kenntnis-<br />

Systeme<br />

Ä USSERUNGS-<br />

BEDEUTUNG<br />

Proposition<br />

Informationsstruktur<br />

Illokution<br />

(5) a. Raus!<br />

b. In den Keller damit!<br />

(6) a. Aufstehen!<br />

b. Alle mal herhö ren / hergehö rt!<br />

c. Aufgestanden!<br />

SYN<br />

Emotion


Grundannahmen<br />

Theorien ü ber G<br />

unterscheiden sich unter<br />

an<strong>der</strong>em darin,<br />

• welche Aspekte<br />

<strong>der</strong> Bedeutung<br />

als zu G gehö rend aufgefasst<br />

werden o<strong>der</strong> nicht<br />

• welche Aspekte<br />

<strong>der</strong> gestischen Artikulation<br />

als zu G gehö rend aufgefasst<br />

werden o<strong>der</strong> nicht<br />

• welche Aspekte von G<br />

als sprachspezifische<br />

Realisierungen eines genetisch<br />

determinierten Potentials aufgefasst<br />

werden o<strong>der</strong> nicht und somit<br />

• welche Aspekte von G<br />

als zu erwerbende aufgefasst<br />

werden o<strong>der</strong> nicht


Grundannahmen<br />

Im Bezug auf<br />

Spracherwerb und<br />

Sprachprozessualisierung<br />

stellt sich die Frage,<br />

aufgrund welcher<br />

v kognitiver und<br />

v perzeptueller Kompetenzen des Menschen<br />

‣ <strong>der</strong> sprachliche Input<br />

identifiziert wird<br />

‣ abstrakte grammatische Kenntnisssysteme<br />

aufgebaut bzw. genutzt werden<br />

‣ <strong>der</strong> sprachliche Output<br />

konstituiert wird


Grundannahmen<br />

Antworten auf diese Fragen<br />

ob<br />

v<br />

v<br />

als theoretische Vorannahmen o<strong>der</strong><br />

aus emprischer Evidenz folgend<br />

haben nicht unerheblichen Einfluss<br />

• auf die Architektur von <strong>Grammatik</strong>modellen<br />

• auf die ihnen zugrunde liegenden theoretischen Vorannahmen<br />

• auf die Konzeption praktischer Anwendungen<br />

wie unter an<strong>der</strong>em den Sprachunterricht


Grundannahmen<br />

Jedes <strong>Grammatik</strong>modell<br />

gibt ihm spezifische Antworten auf diese Fragen<br />

ob<br />

v<br />

v<br />

als theoretische Vorannahmen o<strong>der</strong><br />

aus emprischer Evidenz folgend


Im Folgenden konzentriere ich mich auf die Frage<br />

aufgrund welcher<br />

v prosodischer und<br />

v phonologisch-segmentaler Phänomene<br />

<strong>der</strong> sprachliche Input in<br />

‣ abstrakte grammatische Segmente geglie<strong>der</strong>t wird


Speziell geht es um<br />

v prosodische und<br />

v phonologisch-segmentale Phänomene<br />

die den sprachlichen Input in<br />

‣ Segmente auf und unterhalb <strong>der</strong> Ebene<br />

des syntaktischen Wortes segmentieren


GESTISCHE<br />

FORMEN<br />

ARTIKULATORISCHE<br />

FORM<br />

BEDEUTUNG<br />

GRAMMATIK


GESTISCHE<br />

FORMEN<br />

ARTIKULATORISCHE<br />

FORM<br />

INTONATORISCHE GRUPPEN<br />

Melodie<br />

Satzakzentuierung<br />

RHYTHMISCHE GRUPPEN<br />

Akzentuierung<br />

[Intensität, Tempo, Klangfarbe]<br />

SILBE / FUß<br />

Sonorität, Intensität, Dauer<br />

[¯ ICkOmIti:m]<br />

[fISfañ ]<br />

GRAMMATIK<br />

CR<br />

SF<br />

/IC/<br />

/kOm/<br />

/mIt/<br />

/i:m/<br />

/fIS/<br />

/st/<br />

/è /<br />

/fISst/<br />

/fISè /<br />

/fISfañ/<br />

FORMEN-LEXIKA<br />

STÄ MME - AFFIXE<br />

L-WÖ RTER<br />

KONZEPTE-LEXIKON<br />

['¯ IC]<br />

['kOmè ]<br />

[mit]<br />

[i:m]<br />

[''fIS'fañ ]<br />

SYNTAX<br />

WÖ RTER - PHRASEN -<br />

SÄ TZE<br />

[[ich] [komme] [mit ihm]]<br />

[[du] [fischst] [mit ihm]]


Kategorien<br />

Zunächst einige Grundannahmen ü ber die<br />

verwendeten Kategorien


Kategorien<br />

Silbe s<br />

Eine Silbe sei die phonologische Domäne,<br />

die durch einen und nur einen Nukleus konstituiert wird<br />

kann<br />

s<br />

ONSET<br />

NUKLEUS<br />

KODA<br />

k a n


Kategorien<br />

Fuß f<br />

Ein Fuß sei die <strong>der</strong> Silbe direkt ü bergeordnete phonologische Domäne,<br />

die durch maximal eine betonte Silbe gebildet wird<br />

Kansas<br />

f<br />

s<br />

s<br />

ONSET<br />

NUKLEUS<br />

KODA<br />

ONSET<br />

NUKLEUS<br />

KODA<br />

k a n<br />

z a s


Kategorien<br />

Phonologisches Wort v<br />

Ein phonologisches Wort sei die dem Fuß<br />

direkt ü bergeordnete phonologische Domäne<br />

Kansas<br />

v<br />

f<br />

s<br />

s<br />

ONSET<br />

NUKLEUS<br />

KODA<br />

ONSET<br />

NUKLEUS<br />

KODA<br />

k a n<br />

z a s


Kategorien<br />

Er kann das in Kansas<br />

I<br />

Phonologische Phrase P<br />

Intonationsphrase I<br />

und<br />

Eine phonologische Phrase P<br />

sei die dem phonologischen Wort<br />

direkt ü bergeordnete<br />

phonologische Domäne;<br />

P<br />

er<br />

kann<br />

P<br />

das<br />

v<br />

in<br />

P<br />

v<br />

f<br />

P wird von <strong>der</strong><br />

Intonationsphrase I<br />

direkt dominiert<br />

ONSET<br />

k<br />

s<br />

NUKLEUS<br />

a<br />

KODA<br />

n<br />

s<br />

ONSET NUKLEUS KODA<br />

z a s


Kategorien<br />

Grundannahmen ü ber die verwendeten Kategorien,<br />

welche morphologische und syntaktische Strukturen<br />

restringieren


Kategorien<br />

Syntaktisches Wort W<br />

Ein syntaktisches Wort sei<br />

die elementare Einheit <strong>der</strong> Syntax.<br />

Eine Einheit,<br />

welche den minimalen Input einer syntaktischen Regel bilden kann,<br />

ist ein syntaktisches Wort.<br />

W sei zugleich maximaler Output L<br />

<strong>der</strong><br />

lexikalischen Kompontente einer <strong>Grammatik</strong>.


durch und durch durchstrukturiert<br />

Ü berlegungen zum Verhältnis<br />

<strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> sprachlicher Äuß erungen zu<br />

abstrakten Einheiten <strong>der</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Teil II


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Beim Erstspracherwerb<br />

sind fü r die Konstitution<br />

abstrakt-formaler Eigenschaften von Grundeinheiten<br />

des mentalen Lexikons<br />

und <strong>der</strong> mentalen <strong>Grammatik</strong><br />

wesentliche, wahrnehmbare Eigenschaften<br />

prosodischer Strukturen relevant<br />

Das heiß t auch, dass beim Erstspracherwerb<br />

wesentliche Grundentitäten des mentalen Lexikons<br />

auf <strong>der</strong> Basis wahrnehmbarer Eigenschaften<br />

prosodischer Strukturen entwickelt werden kö nnen.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Fü r die Konstitution abstrakt-formaler Eigenschaften von Grundeinheiten des<br />

mentalen Lexikons sind wesentliche, wahrnehmbare Eigenschaften<br />

prosodischer Strukturen relevant<br />

Die Vielzahl <strong>der</strong> hierbei involvierten Phänomene stehen in Wechselwirkung<br />

miteinan<strong>der</strong>.<br />

Zu den Phänomenen <strong>der</strong> metrischen Struktur<br />

(Druckakzent, Dehnung, vowel pitch, Ton usw.) kommen segmentale hinzu,<br />

z.B.<br />

– die Distribution frikativer und nicht-frikativer Artikulationsprozeduren<br />

– die Distribution plosiver und nicht-plosiver usw. Artikulationsprozeduren<br />

– die Distribution spezifischer silbischer Artikulationsprozeduren<br />

z.B. im Deutschen von Schwa, von Nasalen und Liquiden<br />

o<strong>der</strong> <strong>der</strong> R-Vokalisation ([R] → [Λ] unter bestimmten Bedingungen)<br />

– phonologische und phonetische Bedingungen, welche<br />

Silben- , Morphem-, Wort-, Phrasen- und Satz-Grenzen<br />

konstituierende bzw. ü bergreifende Prozesse betreffen<br />

(im Deutschen z.B. die Distribution des Kehlkopfverschlusses, <strong>der</strong> so genannten<br />

Auslautverhärtung, <strong>der</strong> Aspiration, <strong>der</strong> Stamm-Bildung usw.,<br />

im Japanischen z.B. <strong>der</strong> Positionierung des Akzentes, <strong>der</strong> Epenthese)


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Bezü glich <strong>der</strong> Sprachentwicklung ist denkbar und plausibel,<br />

dass bei gleichaltrigen Kin<strong>der</strong>n unterschiedlicher Muttersprachen<br />

ein unterschiedlicher Zustand des mentalen Lexikons erreicht wird<br />

bzgl. des Verhältnisses diverser funktionaler und nicht-funktionaler<br />

Entitäten,<br />

insbeson<strong>der</strong>e aber auch bezü glich <strong>der</strong> Bewertung einer Entität als<br />

Wurzel o<strong>der</strong> Nicht-Wurzel, als Stamm o<strong>der</strong> Nicht-Stamm,<br />

als Wort o<strong>der</strong> Nicht-Wort, als Phrase o<strong>der</strong> Nicht-Phrase<br />

dies je nach den sprachspezifischen Eigenschaften,<br />

welche einerseits die jeweiligen rhythmischen Strukturen bestimmen,<br />

welche an<strong>der</strong>erseits die jeweils spezifische <strong>Grammatik</strong> konstituieren


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Z.B. sind die<br />

d-Artikel des Deutschen betonbar (z.B. DER Kahn),<br />

im Unterschied zu z.B. engl. /the/ (z.B. * THE boat) o<strong>der</strong><br />

zu den linken Silben in Wö rtern wie z.B.<br />

/vulkán/, /hormón/ (* VULkan, * HORmon)<br />

Manche Wö rter wie z.B.<br />

/pastor/<br />

treten auch in verschiedenen Varianten auf<br />

/pástor/ und /pastór/


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Im sprachlichen Input kommen also Lautketten wie<br />

/vúlkàn/ (o<strong>der</strong> englisch /thé/ o<strong>der</strong> /á/ usw.)<br />

kaum o<strong>der</strong> nie vor,<br />

im Unterschied zu z.B. deutsch<br />

/dér kàhn/,<br />

im Unterschied auch zu /dér X/ (beliebiges X)<br />

entsprechend kommt im Deutschen<br />

(bis auf Namen wie /vúlpius/)<br />

auch */vúl-X/ nicht vor


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Die lautlichen Phänomene gehen systematisch einher mit<br />

semantisch-konzeptuellen und pragmatischen Phänomenen<br />

z.B. involvieren im Deutschen funktionale Elemente<br />

wie Determinierer eine Reihe<br />

o wahrheitswert-funktionaler<br />

o referentieller<br />

o informationsstruktieren<strong>der</strong> Informationen<br />

die z.B. in Sprachen ohne Determinierern<br />

o<strong>der</strong> mit klitischen Determinierern<br />

ganz o<strong>der</strong> teilweise unterschiedlich kodiert werden.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Dass z.B. im Deutschen <strong>der</strong> so genannte<br />

indefinite Artikel /ein-/ bei Betonung zu einem Zahlwort (1) wird,<br />

ist nur ein Spezifikum unter vielen,<br />

das zwischen den prosodischen und konzeptuellen<br />

Strukturierungsmö glichkeiten systematisch vermittelt<br />

EINE Vorlesung = 1 Vorlesung (und nicht 2 Vorlesungen)<br />

Demzufolge stehen also<br />

d-Artikel und <strong>der</strong> sogenannte indefinite Artikel<br />

in einem an<strong>der</strong>en paradigmatischen Zusammenhang<br />

als z.B. im Englischen a und the


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Selbst unter <strong>der</strong> Voraussetzung,<br />

dass die metrischen Muster von Lautsequenzen wie<br />

/vulkán/ und /<strong>der</strong> káhn/<br />

gleich wären,<br />

wird die linke Silbe in<br />

/<strong>der</strong> kahn/<br />

an<strong>der</strong>s als die linke Silbe in<br />

/vulkán/<br />

innerhalb des mentalen Lexikons<br />

(nicht nur des kindlichen Hirns)<br />

bewertet werden mü ssen,<br />

und zwar aus verschiedenen Grü nden<br />

(irrelevant ist in diesem Kontext die Frage,<br />

ab welchem Zeitpunkt dies im Erstspracherwerb erfolgt)


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

/vulkán/ und /<strong>der</strong> káhn/<br />

• erstens aufgrund <strong>der</strong> schon erwähnten Betonbarkeit <strong>der</strong> d-Wö rter<br />

• zweitens jedoch auch aufgrund an<strong>der</strong>er Phänomene, beispielsweise<br />

aufgrund <strong>der</strong> Distribution von [R] und <strong>der</strong> [R]-Vokalisation,<br />

die im Deutschen entsprechend ihrer distributionellen Determination<br />

Wort- und Morphem-Grenzen markieren kann


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Beachtlich ist in diesem Zusammenhang,<br />

dass die [R]-Vokalisation gerade jenen d-Artikel phonologisch konstituiert<br />

(/<strong>der</strong>/: vgl. [de:Λ] vs. [de:Rə n]),<br />

welcher von allen sechs im <strong>deutsche</strong>n vorkommenden d-Artikeln<br />

(das, <strong>der</strong>, dem, den, des, die)<br />

das am stärksten divergierende Funktionsspektrum besitzt<br />

(mask.sg.nom., fem.sg.obl., pl.gen.)<br />

-ID (schwach)<br />

-G (neutrum)<br />

-fem (maskulinum)<br />

+fem<br />

+N (plural)<br />

-K (NOM)<br />

+K (AKK)<br />

das<br />

<strong>der</strong><br />

den<br />

die<br />

+obl (DAT)<br />

dem<br />

den<br />

+gen (GEN)<br />

den<br />

<strong>der</strong>


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Beachtlich ist in diesem Zusammenhang,<br />

dass die [R]-Vokalisation gerade jenen d-Artikel phonologisch konstituiert<br />

(/<strong>der</strong>/: vgl. [de:Λ] vs. [de:Rə n]),<br />

welcher von allen sechs im <strong>deutsche</strong>n vorkommenden d-Artikeln<br />

(das, <strong>der</strong>, dem, den, des, die)<br />

das am stärksten divergierende Funktionsspektrum besitzt<br />

(mask.sg.nom., fem.sg.obl., pl.gen.)<br />

analog gilt das fü r die so genannte<br />

starke Adjektiv-Flexion (z.B. ein blauer Mantel vs. ein blauerer Mantel)<br />

o<strong>der</strong> z.B. entsprechenden substantivischen o<strong>der</strong> verbalen Wortformen<br />

(z.B. Tastatur vs. Tastaturen, Computer vs. computerisieren usw.)<br />

und zwar in Opposition<br />

<strong>zur</strong> schwachen Adjektivflexion mit [R]-losen Schwa-Silben


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

[R]-Vokalisation im Deutschen<br />

Tier [ti:Λ] Tiere [ti:Rə ] *[ti:Λə ]<br />

<strong>der</strong> [de:Λ] <strong>der</strong>en [de:Rə n] *[de:Λə n]<br />

Uhr [u:Λ] Uhren [u:Rə n] *[u:Λə n]<br />

Jahr [ja:], [ja:Λ] Jahres [ja:Rə s] *[ja:Λə s]<br />

[R] →<br />

[-cons] / Koda<br />

│__ [optional nach Kurzvokal]<br />

Vgl. :<br />

Herr vs. Heer,<br />

murr, wirr, harr usw.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Ähnlich relevant ist in diesem Zusammenhang<br />

die Schwa-[R]-Verschmelzung:<br />

Da Schwa nicht in Wurzel-Silben auftritt, signalisiert die<br />

Schwa-R-Verschmelzung häufig morphologische Segmente:<br />

[ə R]-Verschmelzung<br />

N K N<br />

│ │ → │<br />

ə R Λ<br />

bitter [bitΛ] bitteres [bitə Rə s]<br />

besser [bεsΛ] besseres [bεsə Rə s]<br />

(Fü r die Silbenstruktur des Deutschen relevant ist ferner <strong>der</strong> Umstand,<br />

dass [ə ] und [Λ] die einzigen kurzen Vokale sind,<br />

die ohne Restriktionen offene Silben konstituieren kö nnen)


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Beachtlich ist,<br />

dass die R-Verschmelzung zwar an die Domäne <strong>der</strong> Silbe gebunden ist,<br />

jedoch als das phonologische Wort v konstituieren<strong>der</strong> Prozess<br />

vor jenen phonologischen Prozessen stattfindet,<br />

welche v-ü bergreifende Phänomene betreffen<br />

Das heiß t,<br />

jede v-ü bergreifende Adjazenz von [ə ] und [R] unterliegt ihr nicht<br />

(vgl.:<br />

kleine Raben: *[kla6 InΛ a:b ə n]<br />

kleiner Rabe: [kla6 I.nΛ .ra:.b ə ])<br />

(Vokalisch anlautende Suffixe unterbinden die R-Verschmelzung,<br />

weil sie silbisch integriert werden;<br />

[R] bildet hierdurch den Onset <strong>der</strong> Folgesilbe<br />

Lehrer vs. Lehre-rin, Camper vs. Camperei usw.)<br />

R-Verschmelzung:<br />

N K N<br />

│ │ → │<br />

əR Λ


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Allerdings<br />

signalisiert (standardsprachlich) die R-Verschmelzung<br />

Morphem- und Wortgrenzen nicht eineindeutig, vgl.:<br />

R-Verschmelzung:<br />

N K N<br />

│ │ → │<br />

əR Λ<br />

Robert [ro:.bΛ t]<br />

Dementsprechend ist in einer Lautsequenz wie<br />

Robert ist klug [ro:.bΛ .tist.klu:k]<br />

keine Segmentierung aufgrund phonologischer Evidenz mö rglich.<br />

Die Segmentierung morphologischer und syntaktischer Einheiten<br />

erfolgt sowohl<br />

durch phonetisch-phonologische Evidenz als auch<br />

durch semantisch-konzeptuelle Evidenz.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Im Gegensatz <strong>zur</strong> [R]-Vokalisierung signalisiert die Distribution des<br />

Kehlkopfverschlusslautes (Glottal Stop [?])<br />

lediglich den Beginn eines Fußes,<br />

jedochkeine morphologische Grenze o<strong>der</strong> v-Grenze:<br />

(1) Ru[?]ine Po[?]etik ge[?]orgisch<br />

In einer Lautsequenz wie<br />

[tu.?iç.niçts]<br />

markiert die zweite Silbe (?iç) also den Beginn eines Fußes.<br />

Dies bestätigt auch <strong>der</strong> Ausschluss des Kehlkopfverschlusslautes in Fällen wie<br />

(2):<br />

(2) Korea *[koRé:?a] Tui *[tú:?i]<br />

Museum *[muzé:?um] Leo *[lé:?o]<br />

Da zwischen (1) und (2) keine morphologischen Unterschiede bestehen,<br />

muss die Distribution von [?] (gegebenenfalls unter an<strong>der</strong>em)<br />

phonetisch-phonologisch determiniert sein.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Beachtlich ist einerseits, dass die Distribution des Kehlkopfverschlusslautes [?]<br />

nie obligatorisch ist.<br />

Allenfalls tritt [?] häufiger am Satzanfang o<strong>der</strong> am Phrasenanfang<br />

als wortinitial o<strong>der</strong> wortintern auf,<br />

vgl.<br />

Am Anfang tue ich nichts.<br />

[?am.man.faŋ .tu:.iC.niCts]<br />

Lautsequenzen wie<br />

[tu.?iC.niCts] und [tu:.iC.niCts]<br />

sind also, was die phonologischen Bedingungen betrifft [=Beginn eines Fuß es],<br />

prinzipiell gleichermaß en mö glich.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Die Distribution des Kehlkopfverschlusses ist somit auch in Fällen wie (1) nicht<br />

hinreichend fü r die morphologische segmentale Strukturierung, obgleich mit <strong>der</strong><br />

zweiten Silbe ein neuer Fuß beginnt:<br />

(1) dúrch-[?]ei.len, dúrch-[?]ir.ren, [?]úm-[?]ei.nan.<strong>der</strong><br />

Auch in Fällen wie (2) wird die morphologische Segmentierung nicht mittels <strong>der</strong><br />

Distribution des Kehlkopfverschlusslautes angezeigt,<br />

selbst dann nicht, wenn man annimmt, dass eine wortinitiale unbetonte Silbe<br />

einen eigenen Fuß bildet:<br />

(2) durch-[?]éi.len, durch-[?]ír.ren, [?]um-[?]ei.nán.<strong>der</strong><br />

Eine nur empirisch zu klärende Frage ist, ob in Fällen wie (1)<br />

[?] systematischer auftritt als in Fällen wie (2).


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Die Distribution des Kehlkopfverschlusslautes im Deutschen hat zu zahlreichen<br />

divergierenden Beschreibungen angeregt.<br />

Sie irritiert,<br />

scheint sie doch eher eine eigenwillige Spielerei <strong>der</strong> Phonetik des Deutschen<br />

zu sein.


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Es ist allerdings unplausibel,<br />

<strong>der</strong> Distribution des Kehlkopfverschlusslautes im Deutschen eine fü r die<br />

morphologische und syntaktische Segmentierung signifikante Rolle<br />

abzusprechen.<br />

Prosodische und segmentale Strukturanweisungen opperieren<br />

– in Wechelwirkung miteinan<strong>der</strong> und<br />

– in Wechselwirkung mit<br />

morphologisch-syntaktischen Segmentierungen


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Nimmt man an, dass die Kategorie Fuß im Deutschen wesentlich dadurch<br />

angezeigt wird,<br />

dass sie durch den Kehlkopfverschlusslaut eingeleitet werden kann,<br />

so ist hiemit<br />

[neben dem (nicht notwendigen) Kriterium eines Akzentes auf <strong>der</strong> ersten Silbe<br />

eines Fuß es]<br />

ein starkes, in <strong>der</strong> Perzeption zugängliches Strukturierungssignal gegeben,<br />

das zwar lediglich eine prosodisch-segmentale Domäne strukturiert (den Fuß ),<br />

hiermit jedoch gerade diese phonologische Domäne zu einer sicheren Instanz<br />

fü r an<strong>der</strong>e Strukturierungsprozesse bereit stellt:<br />

(1) * [ F<br />

__ [?] (___)]<br />

[Distributionsbeschränkungen fü r [h] o<strong>der</strong> fü r die Aspiration plosiver<br />

Artikulationsgesten stellen fü r die Kategorie Fuß im Deutschen weitere Evidenz<br />

bereit.<br />

Analog handelt es sich bei <strong>der</strong> Auslautverhärtung im Deutschen um eine<br />

Erscheinung, welche die Domäne <strong>der</strong> SIlbe spezifiziert.]


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Dass <strong>der</strong> Fuß fü r die morphologische Segmentierung<br />

wesentlich ist, zeigen verschiedene,<br />

voneinan<strong>der</strong> unabhängige Phänomene<br />

(1) Substantivflexion<br />

Die Pluralbildung von Nomen unterliegt<br />

– mit Ausnahme <strong>der</strong> Nomen,<br />

die fü r den s-Plural markiert sind –<br />

<strong>der</strong> prosodischen Restriktion, dass die Pluralform<br />

auf einen zweisilbigen Fuß enden muss,<br />

<strong>der</strong> seinerseits auf eine Schwa-Silbe endet (z.B. Tisch – Tische, *Tischs usw.).<br />

Dies erfasst sowohl die suffixlose Pluralbildung von<br />

Nomen wie<br />

Filter, Computer, Vater, Segel, Segen usw.<br />

wie die Pluralbildung von Nomen wie<br />

Uhr(en), Fabrik(en), (Figur), Position(en)


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Dass <strong>der</strong> Fuß fü r die morphologische Segmentierung<br />

wesentlich ist, zeigen verschiedene,<br />

voneinan<strong>der</strong> unabhängige Phänomene<br />

(2) Verbflexion<br />

-N +N<br />

PRÄ SENS<br />

PRÄ TERITUM<br />

INDIK<br />

lach(te)st<br />

+P 2 KONJ lachest lach(te)t<br />

IMP<br />

lach(e), lachte<br />

INDIK lacht<br />

-P 2 -P 1 KONJ lache lachte lach(t)en<br />

+P 1 lach(e)<br />

-N +N<br />

PRÄ SENS<br />

PRÄ TERITUM<br />

INDIK<br />

st<br />

+P 2 KONJ t<br />

IMP<br />

INDIK t<br />

-P 2 -P 1 KONJ n<br />

+P 1


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

(2) Verbflexion<br />

Die Flexionsformen von Verben unterliegen <strong>der</strong> prosodischen Restriktion,<br />

dass die [+KONJ] (modus)markierten <strong>Form</strong>en auf einen mindestens<br />

zweisilbigen Fuß enden mü ssen, <strong>der</strong> seinerseits auf eine Schwa-Silbe endet:<br />

ich/er gehe ginge<br />

du gehest gingest<br />

ich/er liebe liebte<br />

du liebest liebtest<br />

ich/er segele segelte<br />

du segelst segeltest<br />

ich/er ru<strong>der</strong>e ru<strong>der</strong>te<br />

du ru<strong>der</strong>st ru<strong>der</strong>test<br />

wir/sie gehen gingen<br />

ihr gehet ginget<br />

wir/sie lieben liebten<br />

ihr liebet liebtet<br />

wir/ihr segeln segelten<br />

ihr segelt segeltet<br />

wir/ihr ru<strong>der</strong>n ru<strong>der</strong>ten<br />

ihr ru<strong>der</strong>t ru<strong>der</strong>tet<br />

Dies erfasst sowohl die Konjunktivbildung von Verben wie<br />

gehen und lieben<br />

wie die Konjunktivbildung von Verben auf eine Endung mit Liquid,<br />

welche im Konjunktiv I kein zusätzliches Schwa erhalten,<br />

du ru<strong>der</strong>st, du segelst, * du ru<strong>der</strong>est, * du segelest


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Dass <strong>der</strong> Fuß fü r die morphologische Segmentierung<br />

wesentlich ist, zeigen verschiedene,<br />

voneinan<strong>der</strong> unabhängige Phänomene<br />

(3) Komplexer als die Flexion <strong>der</strong> Substantive ist in diesem Zusammenhang<br />

die Relevanz <strong>der</strong> Adjektivflexion<br />

+ID (stark)<br />

-G (neutrum)<br />

-fem (maskulinum)<br />

+fem<br />

+N (plural)<br />

-K (NOM)<br />

+K (AKK)<br />

+obl (DAT)<br />

+gen (GEN)<br />

e<br />

en<br />

-ID (schwach)<br />

-G (neutrum)<br />

-fem (maskulinum)<br />

+fem<br />

+N (plural)<br />

-K (NOM)<br />

+K (AKK)<br />

es<br />

er<br />

en<br />

e<br />

+obl (DAT)<br />

em<br />

en<br />

+gen (GEN)<br />

en<br />

er<br />

Flektierte Adjektive erfor<strong>der</strong>n eine v-finale Schwa-Silbe


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Dass <strong>der</strong> Fuß fü r die morphologische Segmentierung<br />

wesentlich ist, zeigen verschiedene,<br />

voneinan<strong>der</strong> unabhängige Phänomene<br />

(3) Komplexer als die Flexion <strong>der</strong> Substantive ist in diesem Zusammenhang<br />

die Relevanz <strong>der</strong> Adjektivflexion<br />

Flektierte Adjektive erfor<strong>der</strong>n eine v -finale Schwa-Silbe<br />

Nimmt man an,<br />

dass flektierte Adjektive das morphologische Merkmal<br />

[+ID-flektierend] aufweisen, lässt sich sagen, dass dieses Merkmal ein<br />

komplexes phonologisches Wort v mit mindestens einem komplexen Fuß f<br />

mit mindestens zwei Silben s erzeugt (einen Trochäus):<br />

[+ID-flektierend] →<br />

v [ . f<br />

[ . s<br />

[… ] s<br />

[OK]]]<br />

(Fü r eine Silbe ohne Nukleus wie s<br />

[OK]<br />

sei obligatorische Schwa-Epenthese angenommen)


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Dass <strong>der</strong> Fuß fü r die morphologische Segmentierung<br />

wesentlich ist, zeigen verschiedene,<br />

voneinan<strong>der</strong> unabhängige Phänomene<br />

(3) Komplexer als die Flexion <strong>der</strong> Substantive ist in diesem Zusammenhang<br />

die Relevanz <strong>der</strong> Adjektivflexion<br />

Aus <strong>der</strong> phonologische Struktur v<br />

[ . f<br />

[ . s<br />

[… ] s<br />

[OK]]]<br />

ist zwar nicht notwendig ableitbar, dass es sich um ein flektiertes Adjektiv handelt,<br />

es folgt jedoch zwingend, dass es sich bei nicht auf einen Trochäus endenden<br />

Wortformen nicht um flektierte Adjektive handeln kann:<br />

das rote Kä ppchen * das rot Kä ppchen das Rotkä ppchen<br />

das Kä ppchen ist rot<br />

das líla Kleid das lilane Kleid<br />

das ká ki Kleid<br />

das ró sa Kleid<br />

* das olív Kleid das olívene Kleid<br />

* das perlmú tt Kleid<br />

(Ausnahme: <strong>der</strong> rote und rosé Wein)


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Dass <strong>der</strong> Fuß fü r die morphologische Segmentierung<br />

wesentlich ist, zeigen verschiedene,<br />

voneinan<strong>der</strong> unabhängige Phänomene<br />

(3) Komplexer als die Flexion <strong>der</strong> Substantive ist in diesem Zusammenhang<br />

die Relevanz <strong>der</strong> Adjektivflexion<br />

Wie die Blockierung <strong>der</strong> Komparativbildung bei<br />

Adjektiven, die auf einen Vollvokal enden, zeigt,<br />

sind allerdings weitere Restriktionen wirksam:<br />

*lila-er, *kaki-er, *prima-er, *rosa-er, *rosé -er<br />

lilaste, kakiste, primaste, rosaste, rosé ste<br />

Ein Hiat ist bei diesen Wortformen generell ausgeschlossen,<br />

während er<br />

bei monomorphematischen Sequenzen im Deutschen erlaubt ist:<br />

Nukleus [nu:.kle.us], Hiat [hI:.at]


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Eine Reihe weiterer prosodischer Phänomene<br />

stehen generalisierbar mit<br />

morphologischer Segmentierung in Verbindung.<br />

(1) Zusammensetzungen<br />

erfor<strong>der</strong>n eine silbische Grenze in <strong>der</strong> Fuge<br />

Bahnamt<br />

*[ba:.namt]<br />

Tagarbeit<br />

*[ta:.gar.ba6 it]<br />

olivrot<br />

*[o:.li:.vro:t]<br />

bausparen *[ba6 uS.pa:.rè n]<br />

(Dies gilt selbst in Fällen mit sogenannten<br />

Halbsuffixen, die vokalisch anlauten, wie<br />

-artig: *gu-tartig)<br />

(2) Zusammensetzungen mit zwei Nomen<br />

erfor<strong>der</strong>n den Hauptakzent auf dem Erstglied<br />

Bahnamt<br />

*[ba:n.‘?amt]


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Eine Reihe weiterer prosodischer Phänomene<br />

stehen generalisierbar mit<br />

morhologischer Segmentierung in Verbindung.<br />

(3) Zusammensetzungen aus Adjektiv und Nomen<br />

sind dann ausgeschlossen,<br />

wenn das Adjektiv<br />

(a) einen Fuß mit zwei Silben bildet und<br />

(b) nicht auf eine Schwa-Silbe endet:<br />

Süßwein, Rotwein, Rosé wein vs.<br />

Dunkelziffer, Trockenwein<br />

*Ró sawein<br />

(Fü r Adjektive auf -ig gilt dies nicht o<strong>der</strong> nur<br />

beschränkt: Billigware, Fertigessen)


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Eine Reihe weiterer prosodischer Phänomene<br />

stehen generalisierbar mit<br />

morhologischer Segmentierung in Verbindung.<br />

(4) Präfigierungen<br />

erfor<strong>der</strong>n eine silbische Grenze<br />

*[?aN.Nè .maXt]<br />

*[un.nart]<br />

*[?um.mu:t]<br />

entartet *[?En.ta:r.tè t]<br />

angemacht<br />

Unart<br />

Unmut<br />

Diverse silbeninterne bzw. morpheminterne phonologische<br />

Regularitäten sind dialektal mö glich, beispielsweise<br />

Nasalassimilation, ç-Assimilation usw.<br />

Präfigierungen mit her- und hin- sowie mit i[-Liquid]<br />

bilden hingegen lexikalisch bedingte systematische Ausnahmen:<br />

hinaus [hIn.na6 us] heraus [hEr.ra6 us]<br />

iregulä r, illegal, impotent


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Eine Reihe weiterer prosodischer Phänomene<br />

stehen generalisierbar mit<br />

morphologischer Segmentierung in Verbindung.<br />

(5) Partikel-Präfigierungen von Verben<br />

Die Partikeln<br />

durch, über, um, unter, wi<strong>der</strong>, wie<strong>der</strong>, hinter, ob, voll<br />

– kö nnen mit Verben syntaktisch feste und syntaktisch unfeste Verbindung<br />

eingehen<br />

– treten in betonten und unbetonten Varianten auf<br />

Partikeln wie<br />

ab, an, auf, aus, bei, dar, ein, her, hin, mit, nach, dabei, daher, <strong>zur</strong>ück<br />

– kö nnen mit Verben nur syntaktisch unfeste Verbindung eingehen<br />

– tragen obligatorisch den Wortakzent<br />

Die Präfixe<br />

be, ge, emp, ent, ver, zer, er, miss<br />

– kö nnen mit Verben nur syntaktisch feste Verbindung eingehen<br />

– sind obligatorisch akzentlos<br />

– verfü gen gegenü ber Wurzeln und Partikeln ü ber einen erheblich<br />

reduzierten Segmentmentbestand


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Eine Reihe weiterer prosodischer Phänomene<br />

stehen generalisierbar mit<br />

morphologischer Segmentierung in Verbindung.<br />

(5) Partikel-Präfigierungen von Verben<br />

Partikelverben<br />

mit dem Suffix –ieren sind erstbetont<br />

*durchstruktu‘rieren, *umorien‘tieren<br />

Die unbetonten Varianten inkorporieren<br />

kein ge- und zu-<br />

*durchgeláufen, *durchzuláufen usw.<br />

Die betonten Varianten inkorporieren<br />

ge- und zudúrchgelaufen,<br />

dúrchzulaufen


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Eine Reihe weiterer segmentaler Phänomene<br />

stehen generalisierbar mit<br />

morhologischer Segmentierung in Verbindung.<br />

Ausgewählte Beispiele:<br />

(1) Diphthonge sind auf die<br />

Domäne eines Morphems restringiert<br />

Nukleus<br />

Dadaist<br />

Asteroid<br />

Koffein<br />

*[nu:.kle6 us]<br />

*[da.da6 ist]<br />

*[as.te:.ro6 id]<br />

*[kOf.fe6 in]<br />

(Wie<br />

Aida<br />

*[ai.da:]<br />

zeigt, ist nicht eintretende Diphthongierung<br />

allerdings keine Gewähr fü r<br />

eine bimorphematische Struktur)


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Eine Reihe weiterer segmentaler Phänomene<br />

stehen generalisierbar mit<br />

morhologischer Segmentierung in Verbindung.<br />

Ausgewählte Beispiele:<br />

(2) ç-Assimilation ist auf auf die<br />

Domäne eines Morphems restringiert<br />

ich<br />

[iC]<br />

ach<br />

[aX]<br />

Kuchen [ku:.Xè n]<br />

Kuh-chen *[ku:.Xè n]<br />

Eintretende ç-Assimilation zeigt<br />

monomorphematische Struktur,<br />

nicht eintretende ç-Assimilation zeigt<br />

bimorphematische Struktur


<strong>Von</strong> <strong>der</strong> <strong>artikulatorischen</strong> <strong>Form</strong> <strong>zur</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

Eine Reihe weiterer segmentaler Phänomene<br />

stehen generalisierbar mit<br />

morhologischer Segmentierung in Verbindung.<br />

Ausgewählte Beispiele:<br />

(3) Das adjazente Vorkommen<br />

zweier frikativer Artikulationsgesten in <strong>der</strong> Koda<br />

zeigt notwendig eine morphologische Grenze an:<br />

da ich‘s tue<br />

machst<br />

fischst<br />

Haffs<br />

[da:.?ICs.tu:]<br />

[maXst]<br />

[fiSst]<br />

[hafs]


Resumée


• Der sprachliche Input enthält qua seiner rhythmischen und segmentalen<br />

Organisation<br />

ein fü r die einzelnen Sprachen<br />

bislang nur unvollkommen expliziertes Potential<br />

an Strukturierungsanweisungen<br />

• Empirisch konzentrieren sich hierbei die Fragen<br />

auf die Bestimmung<br />

sprachspezifischer phonologischer Domänen,<br />

insbeson<strong>der</strong>e<br />

des phonologischen Wortes und des Fuß es,<br />

beispielsweise des Nachweises <strong>der</strong> Relevanz<br />

von Strukuren wie<br />

• (Stamm + Suffix)v<br />

• (Stamm)v +Suffix<br />

• (Träger + Klitikum)v


• Der sprachliche Input enthält qua seiner rhythmischen und segmentalen<br />

Organisation<br />

ein fü r die einzelnen Sprachen<br />

bislang nur unvollkommen expliziertes Potential<br />

an Strukturierungsanweisungen.<br />

• Kin<strong>der</strong> sind von Geburt an fü r dieses Potential sensibel,<br />

vermutlich schon pränatal, postnatal dann zunächst vornehmlich<br />

fü r die prosodisch verschlü sselten Informationen,<br />

ab fü nften Monat verstärkt auch fü r die phonologisch-segmental<br />

verschlü sselten.<br />

• Im Allgemeinen sind Kin<strong>der</strong> schon am Anfang ihres ersten Lebensjahres<br />

fähig, wesentliche syntaktisch- und morphologisch-funktionale<br />

Differenzierungen zu erkennen. Dies belegen inzwischen die Ergebnisse<br />

verschiedener größ erer empirischer Untersuchungen.


• Entsprechende Phänomene kö nnen Annahmen ü ber angeborene<br />

Kategorien relativieren.<br />

Der Nachweis systematischer Strukturierungsanweisungen im sprachlichen<br />

Input sollte als empirische Evidenz fü r Hypothesen ü ber so genannte<br />

angeborene Ideen Ernst genommen werden.<br />

• Der Nachweis systematischer Strukturierungsanweisungen im sprachlichen<br />

Input sollte nicht zuletzt auch fü r den Fremdsprachenunterricht genutzt<br />

werden kö nnen.<br />

• Diesbezü gliche Unterschiede zwischen Erst- und Zeitspracherwerb kö nnten<br />

zumindest teilweise auf die anfängliche Dominanz <strong>der</strong> prosodischphonologischen<br />

Aspekte des Inputs beim Sprachlernprozess des Kindes<br />

<strong>zur</strong>ü ckzufü hren sein.


Literatur (Auswahl)<br />

Downing, Laura J., Fixed Shape Morphology: Where phonology and<br />

morphology intersect. Berlin: Mouton de Gruyter 2002.<br />

Frie<strong>der</strong>ici, Angela D., Menzel, Randolf, Hrsg., Learning. Rule Extraction and<br />

Representation. Berlin/New York: Walter de Gruyter 1999.<br />

Hall, Tracy Alan, Kleinhenz, Ursula, Hrsg., Studies on the Phonological Word.<br />

Amsterdam: John Benjamins. 1999.<br />

Kager, René, Hulst ,Harry van <strong>der</strong>, Zonneveld, Wim, Hrsg., The prosodymorphology<br />

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Weijer, Jeroen van de, Nishihara, Tetsuo, Hrsg., Issues in Japanese Phonology<br />

and Morphology. Berlin/New York: Mouton de Gruyter 2001.<br />

Weissenborn, Jü rgen [et al.], Forschungsprojekt:<br />

Deutsche Sprachentwicklungsstudie.<br />

http://www.glad-study.de<br />

Weissenborn, Jü rgen, Hö hle, Barbara, Hrsg., Approaches to bootstrapping :<br />

phonological,lexical, syntactic and neurophysiological aspects of early<br />

language acquisition. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins 2001.<br />

Wiese, Richard, The Phonology of German. Oxford: Clarendon Press 1996.

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