Rogateheft in geringer Auflösung - beim Leipziger Missionswerk

Jugend in Tansania
Landessprache Swahili ist einigendes Band
„Lugha ya Mitaani“ als das Kiezdeutsch von Dar es Salaam
Tansania setzt seit den sozialistischen Reformen unter Julius
Nyerere auf eine konsequente Durchsetzung des Swahili in
allen öffentlichen Lebensbereichen, wie Fahrplänen und öffentlichen
Aushängen. Unterrichtssprache in den weiterführenden
Schulen ist jedoch Englisch (siehe Bild oben).
Für die politischen Führer des Landes sollte gerade die Sprache
ein einigendes Band unter den verschiedenen ethnischen
Gruppen des Landes darstellen. Professor Aladin Mutembei,
Direktor des Swahili-Institutes an der Universität von Dar es
Salaam, erläutert, das Swahili sei eine Möglichkeit, die Einheit
im ost- und zentralafrikanischen Teil des Kontinents
herzustellen – eine Einheit, die Tansania schon unter Beweis
gestellt hat. In Tansania hat sich eine afrikanische Sprache
gegen den Trend der sprachlichen Europäisierung durchgesetzt.
Dies sollte als ein entscheidender Erfolg tansanischer
Sprachpolitik gewertet werden.
Doch auch das Swahili unterliegt dauernden Wandlungen
und passt sich seiner Lebensumwelt an. In vielen größeren
Städten Ostafrikas bis hin zum Kongo sind mittlerweile
urbane Varietäten des Swahili beschrieben worden. Die Varietät,
die auf den Straßen Dar es Salaams vorwiegend von
Jugendlichen und jungen Erwachsenen verwandt wird, bezeichnet
die Wissenschaft als Lugha ya Mitaani (Sprache in
den Stadtteilen).
Von älteren Personen sowie von Wissenschaftlern an der
Universität von Dar es Salaam ist sehr oft die Ansicht zu
hören, diese Form des Swahili sei eine gebrochene Sprache.
Ja, sie verhindere eine weitestgehende Etablierung des Swahili
als eine im gesamten ostafrikanischen Raum anerkannte
sprachliche Hochform.
Ähnliche Vorurteile gegenüber einer urbanen Sprachform
sind auch aus Deutschland bekannt. So wird das sogenannte
Kiezdeutsch, das von Jugendlichen mit Migrationshintergrund
in Berlin gesprochen wird, als ein unvollständiges
Deutsch bezeichnet. Dabei wird oft vergessen, dass eine Verwendung
dieser urbanen Sprachform eine Beherrschung der
Ursprungssprache (Deutsch oder Swahili) voraussetzt.
Urbane Sprachen sind der Ausdruck einer gelebten urbanen
Identität, die sprachliche Manifestation der Lebenswelt der
Sprechenden. Eine Beschäftigung mit dieser Sprachform, eröffnet
einen Blick auf eine kreative Sprachverwendung, die
mit poetischen Wendungen über die existenziellen Lebensbedingungen
dieser jungen Menschen Auskunft gibt.
Sven Hubold
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Evangelisch-Lutherisches Missionswerk Leipzig
Rogateheft, 2013