Lebens- und Familienformen - Tatsachen und Normen
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M. BERGMANN: EIN-ELTERN-FAMILIEN AUS JURISTISCHER SICHT<br />
Gründung eines eigenen Hausstands besonders hoch ist <strong>und</strong> nicht selten die Erbmasse durch später entstehende<br />
Pflegekosten ganz oder teilweise aufgezehrt wird. Künftig sollen eheliche <strong>und</strong> nichteheliche Kinder in<br />
erbrechtlicher Hinsicht vollständig gleichgestellt werden.<br />
II) Verheirateter, getrennt lebender Elternteil mit Kind<br />
1) Elterliche Sorge<br />
Trennen sich die Eltern <strong>und</strong> bleibt ein Elternteil mit dem Kind allein, so besteht die gemeinsame Sorge fort.<br />
Jedoch kann jeder Elternteil einen Antrag auf Übertragung der Alleinsorge stellen, der keiner besonderen<br />
Begründung bedarf. Diese Rechtsprechung steht im Widerspruch zu sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen,<br />
wonach die Frage der elterlichen Sorge im Trennungsprozeß möglichst lange offengehalten werden sollte, um<br />
voreilige Festlegungen für das Kind zu vermeiden <strong>und</strong> ihm nach Möglichkeit beide Eltern als<br />
Bezugspersonen zu erhalten. 21 Tatsächlich ist eine Regelung nur bei erheblichen Konflikten zwischen den<br />
Eltern erforderlich, da diese sonst die nötigen Entscheidungen für das Kind nicht treffen könnten. Künftig<br />
soll deshalb die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil nur noch zulässig sein, wenn der andere<br />
Elternteil zustimmt oder zu erwarten ist, daß diese Regelung dem Kindeswohl am besten entspricht.<br />
2) Kindesunterhalt<br />
Nach geltendem Recht nimmt das Kind in vollem Umfang an der <strong>Lebens</strong>stellung des Unterhaltspflichtigen<br />
teil. Sein Unterhaltsanspruch richtet sich nach dessen Einkommen <strong>und</strong> bemißt sich nach den entsprechend<br />
dem Alter des Kindes gestaffelten Unterhaltssätzen der Düsseldorfer Tabelle. 22 Eheliche Kinder können<br />
allerdings nicht den Regelunterhalt im vereinfachten Verfahren geltend machen. Vielmehr muß ggf.<br />
zunächst ein Auskunftsantrag gestellt <strong>und</strong> nach Erteilung der Auskunft der Unterhaltsanspruch beziffert<br />
werden, wenn nicht lediglich der Mindestunterhalt für die jeweilige Altersgruppe verlangt wird. Auch der<br />
Instanzenzug für Unterhaltsklagen ehelicher <strong>und</strong> nichtehelicher Kinder ist derzeit noch unterschiedlich. 23<br />
Künftig soll das Unterhaltsrecht ehelicher <strong>und</strong> nichtehelicher Kinder vereinheitlicht werden <strong>und</strong> beiden<br />
neben der Möglichkeit individueller Unterhaltsfestsetzung das Regelunterhaltsverfahren offenstehen. Derzeit<br />
ringen vor allem Elternverbände <strong>und</strong> Finanzpolitiker heftig um die Festlegung der Regelsätze, die nach dem<br />
Gesetzentwurf den von der B<strong>und</strong>esregierung ermittelten tatsächlichen Bedarf eines Kindes nicht abdecken.<br />
Deshalb ist zweifelhaft, ob es zu der geplanten Reform des Kindesunterhaltsrechts kommen wird. Eine<br />
glaubwürdige <strong>und</strong> einheitliche Rechtsordnung wird den tatsächlichen Kindesbedarf sozialrechtlichen <strong>und</strong><br />
unterhaltsrechtlichen Regelungen gleichermaßen zugr<strong>und</strong>elegen müssen.<br />
3) Betreuungsunterhalt<br />
Der Betreuungsunterhalt des Ehegatten bemißt sich nach den ehelichen <strong>Lebens</strong>verhältnissen. Nach der<br />
Rechtsprechung besteht ein Anspruch auf den vollen Unterhalt wegen Kindesbetreuung jedenfalls bis zum<br />
achten <strong>Lebens</strong>jahr des Kindes. Hierin liegt eine erhebliche Bevorzugung des ehelichen gegenüber dem nichtehelichen<br />
Kind. 24<br />
4) Rechte des anderen Elternteils<br />
➤ Umgangsrecht<br />
Der andere Elternteil behält zumindest die Befugnis zum Umgang mit dem Kind, die nur bei schwerwiegender<br />
Gefahr für das Kindeswohl ausgeschlossen werden kann. Insbesondere bei älteren Kindern spielt<br />
allerdings der Kindeswille bezüglich des Umgangs eine erhebliche Rolle. Wird der Umgang vom ande-<br />
21 Zum diesbezüglichen Wandel des Kindeswohlbegriffs Willutzki FamRZ 1997, 777.<br />
22 FamRZ 1995, 1323 (Stand 1.1.1996).<br />
23 Das B<strong>und</strong>esverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber allerdings aufgegeben, diesen zu vereinheitlichen,<br />
BVerfG FamRZ 1992, 157.<br />
24 Zu den Wertungswidersprüchen im Unterhaltssystem vgl. Schwab FamRZ 1997, 521.<br />
ÖIF – MATERIALIENSAMMLUNG HEFT 4 „LEBENS- UND FAMILIENFORMEN – TATSACHEN UND NORMEN“ 165