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Lebens- und Familienformen - Tatsachen und Normen

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2. EUROPÄISCHER FACHKONGRESS FÜR FAMILIENFORSCHUNG, PLENARVORTRAG<br />

reagieren die Sozialleistungsträger aber z. T. mit einer Verstärkung des Rückgriffs gegen den Unterhaltspflichtigen<br />

<strong>und</strong> einer verbesserten Unterhaltsbeitreibung. 59 Als markantes Beispiel dafür sei die seit 1993<br />

operierende britische Child Support Agency genannt, eine nationale, speziell für die Unterhaltsdurchsetzung<br />

geschaffene Behörde. 60<br />

III. Stiefelternschaft<br />

1. Probleme der rekonstituierten Familie<br />

Die Stieffamilie ist eine rekonstituierte Familie, welche als Fortsetzungsfamilie vor allem vor zwei miteinander<br />

verwobenen Problemen steht. 61 Das Verhältnis zwischen den – meist aus einer früheren Ehe stammenden<br />

– älteren Verpflichtungen <strong>und</strong> der gegenwärtigen Verbindung bedarf der Klärung, <strong>und</strong> das Verhältnis<br />

zwischen Kind <strong>und</strong> Stiefelternteil ist zu regeln. Beides ist schwierig; beim Zusammentreffen von Kindern aus<br />

unterschiedlichen Verbindungen spricht man treffend von „Patchwork-Familien“. 62<br />

2. Rechtsfolgen<br />

Das Nebeneinander von Unterhaltspflichten aus sukzessiven Verbindungen führt zu einer angespannten<br />

familiären Situation. Zwar haben die Kinder aus unterschiedlichen Verbindungen unterhaltsrechtlich den<br />

gleichen Rang. Der deutsche Gesetzgeber hat hier aber im Einklang mit der Rechtsprechung Ansprüchen auf<br />

Geschiedenenunterhalt aus der ersten Ehe einen gewissen Vorrang eingeräumt 63 , während man in anderen<br />

Ländern eher zu einer Gleichrangigkeit zwischen früherem <strong>und</strong> gegenwärtigem Ehegatten tendiert <strong>und</strong><br />

damit die neue Familie nicht überfordern will. Die Ordnung der Beziehung in der neuen Familie kann nicht<br />

daran vorbeigehen, daß die rechtliche Verbindung zwischen Stiefelternteil <strong>und</strong> Stiefkind nur über die neue<br />

Ehe vermittelt wird. Da aber die Stiefelternfamilie besonders scheidungsanfällig ist, stellt sich die Frage, was<br />

bleibt, wenn auch diese Beziehung zerbricht. Der Entschluß, eine soziale an die Stelle der biologischen<br />

Elternschaft treten zu lassen, steht auch in gewissem Widerspruch zu dem Gedanken, daß das Kind auch bei<br />

einer Trennung der Eltern keinen seiner Elternteile ganz verlieren soll. Nach deutschem Recht steht daher<br />

das Stiefkind dem leiblichen Kind sozialrechtlich gr<strong>und</strong>sätzlich gleich, z. T. auch steuerrechtlich 64 , nicht aber<br />

zivilrechtlich 65 . Zwar findet sich eine Ausdehnung der Unterhaltspflicht auf Stiefeltern etwa in den<br />

Niederlanden. 66 Auch das Sorgerecht sollen sie erwerben können. 67 Zu einer Verpflichtung des Stiefelternteils<br />

führt auch die englische Einordnung des Kindes als “child of the family” <strong>und</strong> die Rechtsfigur des “in<br />

loco parentis” mancher US-amerikanischer Einzelstaaten. Doch wird die Zurückhaltung des deutschen<br />

59 Siehe Dopffel, Child Support in Europe - A Comparative Overview, in: Kahn & Kamerman (Hrsg.), Child<br />

Support (Newbury Park, Beverly Hills, London, New Delhi 1988) 176 (201ff.).<br />

60 Siehe Child Support Act 1991 (c. 48). Vgl. dazu Ellger, England, in: Dopffel (Hrsg.), Kindschaftsrecht im<br />

Wandel (1994) 387 (450ff.).<br />

61 Vgl. Meulders-Klein (Hrsg.), Fortsetzungsfamilien - Neue familiale <strong>Lebens</strong>formen in pluridisziplinärer<br />

Betrachtung (1996).<br />

62 Bernstein, Die Patchwork-Familie (Zürich 1990). Vgl. auch Lüscher Familiendynamik 20 (1995) 240.<br />

63 Zu § 1582 BGB siehe Gernhuber & Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts (4. Aufl. 1994) 442f.<br />

64 Zwar stellt § 32 1 EStG n. F. das im Haushalt lebende fremde Kind als Pflegekind gleich, wenn es betreut<br />

<strong>und</strong> zu wesentlichen Teilen unterhalten wird. Ein Stiefkind wird hiervon aber in der Regel nicht erfaßt. Eine<br />

Gleichstellung von Kindern <strong>und</strong> Stiefkindern kennt § 151 ErbStG.<br />

65 De lege ferenda für einen Unterhaltsanspruch des in den Haushalt aufgenommenen Stiefkindes, Schwenzer,<br />

Empfiehlt es sich, das Kindschaftsrecht neu zu regeln?, Gutachten A für den 59. Deutschen Juristentag<br />

(1992) A 47ff., 108.<br />

66 Siehe Art. 1:404 Abs. 2 B.W.<br />

67 Vgl. Verschraegen ÖJZ 1996, 259. De lege ferenda befürwortet eine Teilhabe an der elterlichen Sorge,<br />

Schwenzer A 79ff., 110. Siehe auch von Puttkamer, Stieffamilien <strong>und</strong> Sorgerecht in Deutschland <strong>und</strong><br />

England (1994).<br />

46<br />

ÖIF – MATERIALIENSAMMLUNG HEFT 4 „LEBENS- UND FAMILIENFORMEN – TATSACHEN UND NORMEN“

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