Offene Tore - Orah.ch
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Vertrauen<br />
von Jürgen Kramke<br />
Einst sagte Thomas zu Jesus:<br />
»Herr, wir wissen ni<strong>ch</strong>t,<br />
wohin du gehst; wie können wir<br />
den Weg wissen?« Da spra<strong>ch</strong><br />
Jesus zu ihm: »I<strong>ch</strong> bin der Weg,<br />
die Wahrheit und das Leben; niemand<br />
kommt zum Vater außer<br />
dur<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong>. Hättet ihr mi<strong>ch</strong><br />
erkannt, würdet ihr au<strong>ch</strong> meinen<br />
Vater kennen; von jetzt an<br />
kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.«<br />
Da sagte Philippus zu ihm:<br />
»Herr, zeige uns den Vater, und<br />
es genügt uns.« Jesus spra<strong>ch</strong> zu<br />
ihm: »So lange Zeit bin i<strong>ch</strong> bei<br />
eu<strong>ch</strong>, und du hast mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
erkannt, Philippus? Wer mi<strong>ch</strong><br />
sah, hat den Vater gesehen. Wie<br />
kannst du sagen: Zeig uns den<br />
Vater!? Glaubst du ni<strong>ch</strong>t, dass i<strong>ch</strong><br />
im Vater bin und dass der Vater<br />
in mir ist? Die Worte, die i<strong>ch</strong> zu<br />
eu<strong>ch</strong> sage, rede i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t aus<br />
mir; der Vater, der in mir wohnt,<br />
er selbst ist am Werke. Glaubt<br />
mir, dass i<strong>ch</strong> im Vater bin und<br />
der Vater in mir ist! Wenn ni<strong>ch</strong>t,<br />
dann glaubt eben um der Werke<br />
willen!« (Joh 14,5-12)<br />
Wenn i<strong>ch</strong> diese Worte auf<br />
mi<strong>ch</strong> wirken lasse, dann wird<br />
OFFENE TORE 2/07 61
mir wieder einmal bewusst, mit<br />
wel<strong>ch</strong> unendli<strong>ch</strong>er Liebe und Geduld<br />
der Herr mit seinen Mens<strong>ch</strong>enkindern<br />
umgeht. Da wandelt<br />
Er mit seinen Jüngern fast<br />
drei Jahre lang dur<strong>ch</strong> die Lande,<br />
vollbringt in ihrer Gegenwart<br />
die größten Wunder, spri<strong>ch</strong>t<br />
Worte der tiefsten Weisheit und<br />
erweist ihnen in jedem Augenblick<br />
ihres Seins grenzenlose<br />
Liebe, und denno<strong>ch</strong> waren sie<br />
so sehr in ihrem Bu<strong>ch</strong>stabenglauben<br />
gefangen, dass sie ni<strong>ch</strong>t<br />
wirkli<strong>ch</strong> erkennen konnten, wer<br />
Jesus Christus war und natürli<strong>ch</strong><br />
no<strong>ch</strong> immer ist.<br />
Si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> war es für die<br />
meist aus einfa<strong>ch</strong>en Verhältnissen<br />
stammenden Jünger ni<strong>ch</strong>t so<br />
einfa<strong>ch</strong>, ihre eingefahrenen, in<br />
der jüdis<strong>ch</strong>en Tradition verhafteten<br />
Denk- und Glaubensstrukturen<br />
zu verlassen. Der Gedanke,<br />
dass der große unendli<strong>ch</strong>e Gott,<br />
dessen Namen si<strong>ch</strong> kein e<strong>ch</strong>ter<br />
Jude auszuspre<strong>ch</strong>en traute, auf<br />
dieser Erde das Kleid der Materie<br />
angezogen hat, war den meisten<br />
von ihnen trotz der intensiven<br />
Beziehung zu Jesus irgendwie<br />
suspekt.<br />
Obwohl ihnen der Herr, wie<br />
wir aus den Neuoffenbarungss<strong>ch</strong>riften<br />
wissen, gelegentli<strong>ch</strong> die<br />
Bedeutung der Entspre<strong>ch</strong>ungswissens<strong>ch</strong>aft<br />
erläutert hat, konnten<br />
sie si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> von ihren<br />
sinnli<strong>ch</strong>en Denkstrukturen<br />
lösen. Und so ist es ni<strong>ch</strong>t weiter<br />
verwunderli<strong>ch</strong>, dass sie bisweilen<br />
Verständniss<strong>ch</strong>wierigkeiten<br />
hatten, wenn Jesus von Seinem<br />
Vater im Himmel spra<strong>ch</strong>. Die<br />
Folge davon war, dass der Herr<br />
den Jüngern bis zum Ende seiner<br />
fleis<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Laufbahn immer<br />
wieder aufs Neue erklären<br />
musste, wer Er denn so eigentli<strong>ch</strong><br />
sei.<br />
Natürli<strong>ch</strong> ist es für die meisten<br />
von uns, die wir dur<strong>ch</strong> die<br />
Gnade des Herrn das Neuoffenbarungswerk<br />
kennenlernen durften,<br />
überhaupt kein Problem, in<br />
Jesus Christus den fleis<strong>ch</strong>gewordenen<br />
Gott der Juden – Jehova –<br />
anzuerkennen. Wir glauben fest<br />
daran, dass unser Jesus im Vater<br />
und der Vater in Jesus ist. Und si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong><br />
sind wir au<strong>ch</strong> alle davon<br />
überzeugt, dass Jesus Christus<br />
der Weg, die Wahrheit und das<br />
Leben ist, dur<strong>ch</strong> dessen Na<strong>ch</strong>folge<br />
wir si<strong>ch</strong>er in das große<br />
Vaterhaus gelangen werden.<br />
Dank unserer S<strong>ch</strong>riften<br />
haben wir eine re<strong>ch</strong>t deutli<strong>ch</strong>e<br />
62 OFFENE TORE 2/07
Vorstellung von dem, wer unser<br />
Jesus ist, wel<strong>ch</strong>e göttli<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften<br />
Er hat, und der eine<br />
oder andere von uns wird si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong><br />
eine ungefähre Vorstellung<br />
davon haben, wie unser Jesus<br />
aussieht. Wir fühlen uns vom<br />
Herrn geliebt und getragen und<br />
bisweilen meinen wir, in besonderen<br />
Augenblicken s<strong>ch</strong>on das<br />
Morgenrot der göttli<strong>ch</strong>en Gnadensonne<br />
am Horizont unseres<br />
Lebens s<strong>ch</strong>immern zu sehen.<br />
I<strong>ch</strong> meine damit diese seltenen<br />
Momente in unserem Leben, in<br />
denen wir verspüren dürfen, wie<br />
die göttli<strong>ch</strong>e Liebe unser Herz so<br />
sehr berührt, dass wir für eine<br />
kurze Zeit das Gefühl haben,<br />
mit unserem geliebten Jesus zu<br />
einer Einheit zu vers<strong>ch</strong>melzen.<br />
Jeder, der dies s<strong>ch</strong>on einmal erleben<br />
durfte, weiß, wie intensiv<br />
und unverglei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> dieses Gefühl<br />
ist.<br />
Von daher ist es nur allzu<br />
verständli<strong>ch</strong>, dass wir dieses beglückende<br />
Gefühl immer wieder<br />
haben wollen. Do<strong>ch</strong> leider entspri<strong>ch</strong>t<br />
es meiner und si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong><br />
au<strong>ch</strong> Ihrer Lebenserfahrung,<br />
dass die Momente der innigen<br />
Gottesnähe meist viel zu kurz<br />
und viel zu selten sind. Die Welt<br />
mit all ihren mehr oder weniger<br />
wi<strong>ch</strong>tigen Dingen reißt uns viel<br />
zu s<strong>ch</strong>nell aus der emotionalen<br />
Verbindung mit dem Herrn heraus<br />
und führt uns ni<strong>ch</strong>t selten in<br />
das Tal der inneren Finsternis.<br />
Aus allen Himmelsri<strong>ch</strong>tungen<br />
stürmt die Dunkelheit<br />
der weltli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>einbarkeiten<br />
auf uns ein, und ohne dass wir<br />
es wollen, verfinstert der Job, die<br />
Hausarbeit oder nur das Lesen<br />
einer Tageszeitung unser Verhältnis<br />
zum Herrn. Gerade in der<br />
heutigen Zeit führt die ständige<br />
Reizüberflutung aus der Sinnenwelt<br />
ni<strong>ch</strong>t selten dazu, dass in<br />
unseren Herzen der Herr dur<strong>ch</strong><br />
den Unrat der Welt so sehr zurückgedrängt<br />
wird, dass Er si<strong>ch</strong><br />
diskret zurückziehen muss.<br />
Die Folge davon ist meist<br />
die, dass si<strong>ch</strong> in unserem Inneren<br />
das Gefühl einer gewissen<br />
Leere einstellt und wir uns irgendwie<br />
von Jesus verlassen fühlen.<br />
Wenn wir über diesen ni<strong>ch</strong>t<br />
sehr erfreuli<strong>ch</strong>en Zustand na<strong>ch</strong>denken,<br />
dann wird unser Verstand<br />
sehr bald erkennen, dass<br />
dieses Gefühl der Verlassenheit<br />
eine Ers<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit unseres<br />
im Sinnli<strong>ch</strong>en verhafteten Willens<br />
ist. Denn der Herr kann uns<br />
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ja gar ni<strong>ch</strong>t verlassen, würde<br />
Er dies wirkli<strong>ch</strong> können, dann<br />
müsste Er aufhören, an uns zu<br />
denken, und dies hätte zur Folge,<br />
dass wir augenblickli<strong>ch</strong> aufhören<br />
würden, zu existieren. Und<br />
da der Herr in seinem göttli<strong>ch</strong>en<br />
Selbstbewusstsein niemals einen<br />
von Ihm geda<strong>ch</strong>ten Gedanken<br />
vergessen kann, so kann Er uns<br />
au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> verlassen.<br />
Mit anderen Worten, es ers<strong>ch</strong>eint<br />
uns nur so, als ob si<strong>ch</strong><br />
der Herr zurückgezogen hat. In<br />
Wahrheit ist es der Mens<strong>ch</strong>, der<br />
sein Herz von den Wolken der<br />
Welt so verdunkeln lässt, so dass<br />
das Liebeli<strong>ch</strong>t des Herrn ni<strong>ch</strong>t<br />
mehr bis zum Herzensgrund<br />
dur<strong>ch</strong>dringen kann.<br />
Die göttli<strong>ch</strong>e Gnadensonne<br />
der ewigen Gottheit leu<strong>ch</strong>tet<br />
immer und belebt zu jeder Zeit<br />
mit ihrem Weisheitsli<strong>ch</strong>t und<br />
ihrer Liebewärme die gesamte<br />
S<strong>ch</strong>öpfung. Sie belebt als geistige<br />
Sonne alle Ges<strong>ch</strong>öpfe in der<br />
geistigen Welt, und sie belebt in<br />
transformierter Form als natürli<strong>ch</strong>e<br />
Sonne alle Lebewesen in<br />
der natürli<strong>ch</strong>en Welt. Und so bezieht<br />
au<strong>ch</strong> der natürli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong><br />
dieser Erde seine Lebensenergie<br />
von der Sonne, die wir am Himmel<br />
sehen können, während der<br />
geistige Mens<strong>ch</strong> seine Lebensenergie<br />
von der geistigen Sonne<br />
erhält.<br />
Beide Sonnen haben eines<br />
gemeinsam, wenn ihre belebenden<br />
und wärmenden Strahlen<br />
auf fru<strong>ch</strong>tbaren Boden fallen,<br />
dann dauert es meist ni<strong>ch</strong>t<br />
lange, bis die eingelegten<br />
Samen zu keimen beginnen und<br />
als Sprösslinge dur<strong>ch</strong> die Erdkrume<br />
stoßend dem Li<strong>ch</strong>t entgegen<br />
wa<strong>ch</strong>sen. Ist hingegen der<br />
Himmel von s<strong>ch</strong>weren dunklen<br />
Wolken verhangen, so dass kein<br />
Li<strong>ch</strong>tstrahl bis zum Boden gelangt,<br />
dann hat der Samen kaum<br />
eine Chance aufzugehen.<br />
Mit unserem Seelengrund<br />
verhält es si<strong>ch</strong> in der Entspre<strong>ch</strong>ung<br />
ni<strong>ch</strong>t anders als mit einer<br />
Ackers<strong>ch</strong>olle. Wenn die finsteren<br />
Wolken einer im Fals<strong>ch</strong>en<br />
begründeten Lebensführung<br />
verhindern, dass das wärmende<br />
Liebeli<strong>ch</strong>t unseres himmlis<strong>ch</strong>en<br />
Vaters bis zum Grund der Seele<br />
gelangt, dann ist es si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong><br />
lei<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>zuempfinden, dass in<br />
dieser Seelens<strong>ch</strong>olle kein göttli<strong>ch</strong>er<br />
Liebessamen keimen kann.<br />
Die Folge davon ist, dass si<strong>ch</strong> der<br />
64 OFFENE TORE 2/07
Mens<strong>ch</strong> innerli<strong>ch</strong> öde, leer und<br />
unzufrieden fühlt.<br />
Si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> hat jeder von uns<br />
dieses Gefühl der dur<strong>ch</strong> äußere<br />
oder innere Umstände hervorgerufenen<br />
Gottesferne s<strong>ch</strong>on einmal<br />
dur<strong>ch</strong>lebt. Meist haben wir<br />
erst einige Zeit, na<strong>ch</strong>dem wir<br />
das Tal der inneren Finsternis<br />
dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ritten hatten, erkennen<br />
dürfen, dass dieser Zustand<br />
eine liebevolle Zulassung unsers<br />
himmlis<strong>ch</strong>en Vaters war, um uns<br />
auf die Wolkendecke unseres auf<br />
Fals<strong>ch</strong>em begründeten Glaubens<br />
aufmerksam zu ma<strong>ch</strong>en.<br />
Ohne diese in der Regel als<br />
unangenehm empfundenen Zulassungen<br />
des himmlis<strong>ch</strong>en Vaters<br />
würde wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> die<br />
Finsternis in den Seelen der<br />
Mens<strong>ch</strong>en niemals li<strong>ch</strong>ter werden,<br />
und die Mens<strong>ch</strong>heit wäre<br />
wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on längst im<br />
Morast der Welt erstickt.<br />
Do<strong>ch</strong> zu unser aller Glück<br />
hat es dem himmlis<strong>ch</strong>en Vater<br />
in seiner barmherzigen Güte gefallen,<br />
allen Mens<strong>ch</strong>en auf dieser<br />
Erde einen Weg aus der Finsternis<br />
des Herzen zu bahnen. Ein<br />
Weg, der in Anbetra<strong>ch</strong>t der äußeren<br />
Zustände auf unserer Erde<br />
si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> ohne Übertreibung als<br />
s<strong>ch</strong>mal und dornig bezei<strong>ch</strong>net<br />
werden darf, denn er fordert von<br />
demjenigen, der ihn bis zum Ziel<br />
– dem Rei<strong>ch</strong> Gottes – gehen will,<br />
einiges ab.<br />
I<strong>ch</strong> gehe einmal davon aus,<br />
dass i<strong>ch</strong> an dieser Stelle ni<strong>ch</strong>t<br />
weiter auf die vielen Fallgruben<br />
und Dornenhecken einzugehen<br />
brau<strong>ch</strong>e, mit denen der Erdenwanderer<br />
auf dem immer s<strong>ch</strong>maler<br />
werdenden Pfad zum ewigen<br />
Lebensglück konfrontiert wird.<br />
Von den Stolpersteinen der Ungeduld,<br />
des Ho<strong>ch</strong>muts und der<br />
vielen anderen aus der Weltliebe<br />
entspringenden Untugenden<br />
wird der eine oder andere Leser<br />
si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on einmal etwas<br />
gehört haben.<br />
Aber wie i<strong>ch</strong> eben s<strong>ch</strong>on<br />
ausgeführt habe, hat es der<br />
barmherzigen Liebe des himmlis<strong>ch</strong>en<br />
Vaters gefallen, für uns<br />
einen Weg dur<strong>ch</strong> den alles vers<strong>ch</strong>lingenden<br />
Sumpf der Welt zu<br />
bahnen. Und dieser Weg ist, wie<br />
man bei Johannes 14,6 na<strong>ch</strong>lesen<br />
kann, Jesus Christus, denn<br />
dort steht ges<strong>ch</strong>rieben: »I<strong>ch</strong> bin<br />
der Weg, die Wahrheit und das<br />
Leben; niemand kommt zum<br />
Vater außer dur<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong>.«<br />
OFFENE TORE 2/07 65
Jesus hat uns ganz praktis<strong>ch</strong><br />
vorgelebt, wie man in einer Welt,<br />
deren geistiges Glaubensgebäude<br />
si<strong>ch</strong> auf Fals<strong>ch</strong>em begründet,<br />
himmlis<strong>ch</strong>e Wahrheiten leben<br />
kann, ohne si<strong>ch</strong> dabei zu verbiegen<br />
oder aus opportunistis<strong>ch</strong>en<br />
Gründen heraus irgendwel<strong>ch</strong>en<br />
Weltmeinungen zu folgen. Er hat<br />
uns dur<strong>ch</strong> sein irdis<strong>ch</strong>es Leben<br />
bewiesen, dass es mögli<strong>ch</strong> ist, in<br />
einer Welt, wo der Mammon und<br />
die Glei<strong>ch</strong>gültigkeit regieren, Geduld,<br />
Demut und wahre Liebe zu<br />
leben. Und Ihm verdanken wir<br />
es, dass in der Heiligen S<strong>ch</strong>rift<br />
eine Unzahl von Weisheitsperlen<br />
verstreut liegen, die von uns<br />
nur gefunden und aus der S<strong>ch</strong>ale<br />
des äußeren Bu<strong>ch</strong>stabens gelöst<br />
werden müssen, damit sie uns<br />
als mä<strong>ch</strong>tige Wegweiser auf dem<br />
Pfad zum wahren Lebensziel dienen<br />
können.<br />
Do<strong>ch</strong> leider s<strong>ch</strong>afft es<br />
der Mens<strong>ch</strong> meist ni<strong>ch</strong>t ohne<br />
fremde Hilfe, die in den heiligen<br />
S<strong>ch</strong>riften verstreuten, praktis<strong>ch</strong>en<br />
und theoretis<strong>ch</strong>en Rats<strong>ch</strong>läge<br />
unseres Herrn so in sein<br />
Leben zu integrieren, dass er si<strong>ch</strong>er<br />
aus dem Tal der Finsternis<br />
in die Höhen des verheißenen<br />
Gottesrei<strong>ch</strong>es gelangen kann.<br />
Und weil der Herr um dieses<br />
Problem weiß, lässt Er uns dur<strong>ch</strong><br />
Matthäus zurufen: »Kommet her<br />
zu mir alle, die ihr mühselig<br />
und beladen seid; i<strong>ch</strong> will eu<strong>ch</strong><br />
erquicken.«<br />
I<strong>ch</strong> denke, man kann es si<strong>ch</strong><br />
gar ni<strong>ch</strong>t oft genug ins Bewusstsein<br />
rufen, dass Jesus Christus in<br />
seiner barmherzigen Liebe jeden<br />
einzelnen Mens<strong>ch</strong>en auf seinem<br />
Lebensweg begleiten mö<strong>ch</strong>te.<br />
Er ruft uns, wie der Hirte ein<br />
verirrtes S<strong>ch</strong>af ruft, das den si<strong>ch</strong>eren<br />
S<strong>ch</strong>oß der Herde verlassen<br />
hat und nun einsam umherirrt.<br />
Es liegt nur an uns, ob wir<br />
seinen Ruf hören und ihm folgen<br />
wollen, oder ob wir uns lieber in<br />
den für unser Seelenheil gefährli<strong>ch</strong>en<br />
S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten der Welt tummeln<br />
mö<strong>ch</strong>ten.<br />
Ja, lieber Leser, der Herr<br />
ruft geduldig wie ein guter Hirte<br />
so lange na<strong>ch</strong> uns, bis wir bereit<br />
sind, freiwillig die breite Pra<strong>ch</strong>tstraße<br />
der Welt zu verlassen, um<br />
den steinigen Pfad zu betreten,<br />
der uns zurück zum Vaterherzen<br />
führt. Dieses zarte Rufen<br />
kann der Mens<strong>ch</strong> allerdings nur<br />
dann hören, wenn er es irgendwie<br />
s<strong>ch</strong>afft, dem Lärm der Welt<br />
zu entrinnen, denn solange die<br />
66 OFFENE TORE 2/07
sinnli<strong>ch</strong>en Ablenkungen dominieren,<br />
ist es ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, dass<br />
das Ohr der Seele den Ruf des<br />
Herrn vernimmt.<br />
Das hört si<strong>ch</strong> jetzt viellei<strong>ch</strong>t<br />
s<strong>ch</strong>wieriger an, als es in<br />
Wirkli<strong>ch</strong>keit ist. Denn wir brau<strong>ch</strong>en<br />
eigentli<strong>ch</strong> nur mit offenen<br />
Augen und einem offenen Herzen<br />
dur<strong>ch</strong> die Welt zu gehen,<br />
und mit ein wenig Geduld werden<br />
wir bald den leisen Ruf des<br />
Vaters verspüren.<br />
Da sind die kleinen Sperlinge,<br />
die mitten im Trubel der<br />
Großstadt mit viel Fleiß das Material<br />
zusammen tragen, um<br />
auf einem düsteren Hinterhof in<br />
einer Mauernis<strong>ch</strong>e ihr Nest zu<br />
bauen. Sie säen ni<strong>ch</strong>t und sie ernten<br />
ni<strong>ch</strong>t, und denno<strong>ch</strong> sorgt der<br />
himmlis<strong>ch</strong>e Vater dafür, dass sie<br />
alles finden, um ihre Na<strong>ch</strong>kommen<br />
großzuziehen. Und wenn sie<br />
dann ts<strong>ch</strong>ilpend ein paar Brotkrümel<br />
vom Balkontis<strong>ch</strong> stibitzen,<br />
dann ist es so, als wollten<br />
sie uns zurufen: »Mens<strong>ch</strong>, was<br />
sorgst du di<strong>ch</strong> um dein Fortkommen<br />
in der Welt, siehe der himmlis<strong>ch</strong>en<br />
Vater s<strong>ch</strong>aut ni<strong>ch</strong>t darauf,<br />
was du hast oder wer du bist, für<br />
Ihn zählt nur, ob dein Herz in<br />
Liebe zum Herrn entbrannt ist«<br />
Oder s<strong>ch</strong>auen wir einmal<br />
hinaus in den wunders<strong>ch</strong>önen<br />
Garten, dort wo na<strong>ch</strong> einem für<br />
meinen Ges<strong>ch</strong>mack viel zu langen<br />
Winter diese herrli<strong>ch</strong>en Blumen<br />
blühen und si<strong>ch</strong> ihres Lebens<br />
erfreuen, so als ob es diesen<br />
Winter niemals gegeben hätte.<br />
Bei re<strong>ch</strong>ter Betra<strong>ch</strong>tung leben sie<br />
es vor, dass au<strong>ch</strong> der Mens<strong>ch</strong> nur<br />
dann zum wahren Leben aufblühen<br />
kann, wenn er si<strong>ch</strong> von dem<br />
Ballast seines Seelenwinters löst<br />
und ohne Vorbehalte sein Herz<br />
für das wärmende Liebeli<strong>ch</strong>t des<br />
Herrn öffnet.<br />
Überall in der Natur, aber<br />
au<strong>ch</strong> im alltägli<strong>ch</strong>en Leben<br />
s<strong>ch</strong>enkt uns der Herr kleine Entspre<strong>ch</strong>ungswinke,<br />
die uns darauf<br />
aufmerksam ma<strong>ch</strong>en sollen,<br />
dass nur derjenige den s<strong>ch</strong>malen<br />
Lebenspfad zum Vaterherzen erfolgrei<strong>ch</strong><br />
bes<strong>ch</strong>reiten kann, der<br />
freiwillig dem Bösen der Welt<br />
flieht und si<strong>ch</strong> stattdessen in<br />
die göttli<strong>ch</strong>e Liebesordnung des<br />
Herrn einfügt.<br />
Wer dies für si<strong>ch</strong> erkannt<br />
hat und in kindli<strong>ch</strong>er Liebe<br />
zum himmlis<strong>ch</strong>en Vater den<br />
für die Welt unbequemen Weg<br />
der Selbstverleugnung geht, der<br />
wird bald erleben, wie in sei-<br />
OFFENE TORE 2/07 67
ner Seele die di<strong>ch</strong>ten Wolken<br />
des sinnli<strong>ch</strong>en Bu<strong>ch</strong>stabenglaubens<br />
vom Sturm der göttli<strong>ch</strong>en<br />
Gnade weggefegt werden und<br />
sein einst öder Seelengrund zu<br />
einem blühenden Garten Eden<br />
umgewandelt wird. Die Blumen<br />
der göttli<strong>ch</strong>en Einsi<strong>ch</strong>ten strecken<br />
ihre Blätter und Blüten<br />
der alles belebenden geistigen<br />
Sonne entgegen, und ein in der<br />
lauen Frühlingsluft liegender<br />
Duft lässt beseligende Gefühle<br />
aufkommen.<br />
Die Herrli<strong>ch</strong>keit Gottes<br />
dur<strong>ch</strong> strömt das ganze Sein<br />
und es ist, als ob dur<strong>ch</strong> den Lobgesang<br />
der Vögel hindur<strong>ch</strong> der<br />
leise Liebesruf des himmlis<strong>ch</strong>en<br />
Vaters zu vernehmen ist. Wer<br />
diesem Ruf folgt, wird erleben,<br />
wie es ist, wenn Jesus Christus<br />
zum Wegbegleiter auf dem dornigen<br />
Pfad dur<strong>ch</strong> Raum und Zeit<br />
in die unbekannten Höhen der<br />
geistigen Welt wird. Mit Ihm an<br />
der Seite wird es mögli<strong>ch</strong> sein,<br />
die S<strong>ch</strong>öpfungsregionen zu betreten,<br />
in denen Liebe und Weisheit<br />
zu einer Einheit vers<strong>ch</strong>melzen<br />
und die himmlis<strong>ch</strong>e Liebe<br />
Gottes der Maßstab aller Dinge<br />
ist. Dort wird der Mens<strong>ch</strong> in<br />
tiefster Zerknirs<strong>ch</strong>ung seines<br />
Herzens erkennen, dass er alles<br />
Gute und Wahre, was ihm in seinem<br />
ganzen Leben begegnet ist,<br />
auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> vom himmlis<strong>ch</strong>en<br />
Vater erhalten hat.<br />
I<strong>ch</strong> denke, dass der Psalmist<br />
David dies au<strong>ch</strong> so empfunden<br />
hat, als er im 23. Psalm nieders<strong>ch</strong>rieb:<br />
»Der HERR ist mein<br />
Hirte; mir wird ni<strong>ch</strong>ts mangeln.<br />
Er weidet mi<strong>ch</strong> auf grüner Aue<br />
und führet mi<strong>ch</strong> zum fris<strong>ch</strong>en<br />
Wasser. Er erquicket meine<br />
Seele; er führet mi<strong>ch</strong> auf re<strong>ch</strong>ter<br />
Straße um seines Namens willen.<br />
Und ob i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on wanderte<br />
im finstern Tal, für<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> kein<br />
Unglück; denn du bist bei mir,<br />
dein Stecken und dein Stab trösten<br />
mi<strong>ch</strong>. Du bereitest vor mir<br />
einen Tis<strong>ch</strong> im Angesi<strong>ch</strong>t meiner<br />
Feinde. Du salbest mein Haupt<br />
mit Öl und s<strong>ch</strong>enkest mir voll<br />
ein. Gutes und Barmherzigkeit<br />
werden mir folgen mein Leben<br />
lang, und i<strong>ch</strong> werde bleiben im<br />
Hause des HERRN immerdar.«<br />
¨<br />
68 OFFENE TORE 2/07
Ist der Monotheismus intolerant?<br />
von Heinri<strong>ch</strong> Beck<br />
Das erste und grundlegende der 10 Gebote, die Moses auf dem<br />
Sinai empfing, lautet: »Du sollst keine fremden Götter neben mir<br />
haben!« Der Eine Gott duldet keine anderen neben si<strong>ch</strong>; er ist, wie er<br />
von si<strong>ch</strong> sagt, ein »eifersü<strong>ch</strong>tiger Gott«.<br />
Die Mens<strong>ch</strong>en erfahren si<strong>ch</strong> selbst als total abhängig von Gott<br />
als ihrem Daseinsgrund und »personalen Mittelpunkt«. Geht so die<br />
»Intoleranz Gottes« auf die Mens<strong>ch</strong>en über, denen er si<strong>ch</strong> in besonderer<br />
Weise zuwendet? Die Rück-bindung an den Einen in bedingungsloser<br />
Hingabe s<strong>ch</strong>ließt dann wohl die Anerkennung au<strong>ch</strong> Anderer<br />
als »Götter«, als absolute Wertträger aus. Diese, wie es s<strong>ch</strong>einen<br />
könnte, im Wesen von »mono-theistis<strong>ch</strong>er Re-ligiosität« liegende Intoleranz<br />
zeigte si<strong>ch</strong> in der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ebenso an den beiden weiteren<br />
aus dem Judentum hervorgegangenen Religionen, dem Christentum<br />
und dem Islam. Sie birgt stets au<strong>ch</strong> ein »Potential für die Anwendung<br />
von Gewalt«, wenn – wie es vielfa<strong>ch</strong> verstanden wurde – den Mens<strong>ch</strong>en<br />
das Re<strong>ch</strong>t zu anderen Wertorientierungen abgespro<strong>ch</strong>en wird.<br />
Ist eine sol<strong>ch</strong>e praktis<strong>ch</strong>e Konsequenz aber legitim aus dem Begriff<br />
des »Monotheismus« abzuleiten oder ni<strong>ch</strong>t eher ein Ausdruck der<br />
Angst und des Selbstbehauptungswillens von Gläubigen, die si<strong>ch</strong> in<br />
ihrer sozialen oder politis<strong>ch</strong>en Identität bedroht fühlen?<br />
Es ist nämli<strong>ch</strong> die Frage zu stellen, aus wel<strong>ch</strong>em Grund wohl<br />
Gott die Auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong>keit der Hingabe an ihn beanspru<strong>ch</strong>t. Ist es eigene<br />
Unvollkommenheit und Bedürftigkeit, so dass der Mens<strong>ch</strong> ihm<br />
etwas zu geben hätte, das er ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on von si<strong>ch</strong> aus besitzt? Würde<br />
ein sol<strong>ch</strong>es Motiv ni<strong>ch</strong>t der anzunehmenden absoluten und unbegrenzten<br />
Seinsfülle Gottes widerspre<strong>ch</strong>en? Und würde so ni<strong>ch</strong>t der<br />
Mens<strong>ch</strong> von Gott ledigli<strong>ch</strong> eigensü<strong>ch</strong>tig »benützt«, um si<strong>ch</strong> selbst als<br />
»absoluter Herr« zu erfahren und zu bestätigen – womit der Mens<strong>ch</strong><br />
ni<strong>ch</strong>t um seiner selbst willen geliebt und in eigenes Sein freigegeben<br />
wäre? Und wäre letztli<strong>ch</strong> der Mens<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t überfordert, wenn<br />
OFFENE TORE 2/07 69
sein »Daseinszweck« darin läge, ebenbürtiger Partner des »Unendli<strong>ch</strong>en«<br />
zu sein?<br />
Für die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ers<strong>ch</strong>eint ri<strong>ch</strong>tungweisend,<br />
dass Gott si<strong>ch</strong> als der Ewige, über alle Zeitli<strong>ch</strong>keit und<br />
Unvollkommenheit Erhabene, als der unbedingt und unbegrenzt Seiende<br />
und (jedenfalls na<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>em Verständnis) als der bedingungslos<br />
Liebende bekundet, aus dessen uners<strong>ch</strong>öpfli<strong>ch</strong>er Ma<strong>ch</strong>t,<br />
Weisheit und Güte alle Wesen ihr Dasein empfangen – was au<strong>ch</strong> in<br />
philosophis<strong>ch</strong>en Zugängen zum letzten Ursprung des Seins in den<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen Kulturtraditionen immer wieder reflektiert wurde.<br />
So bietet si<strong>ch</strong> als Lösungsperspektive der Verglei<strong>ch</strong> des aus Gott<br />
empfangenen Seins mit dem Li<strong>ch</strong>t an, das dur<strong>ch</strong> ein Prisma geht und<br />
in vielen Farben si<strong>ch</strong>tbar wird: Die vers<strong>ch</strong>iedenen in ihrem Li<strong>ch</strong>t<strong>ch</strong>arakter<br />
jeweils begrenzten Farben sind ihrem ganzen Li<strong>ch</strong>tgehalt<br />
na<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on in dem einströmenden reinen weißen Li<strong>ch</strong>t vorausenthalten<br />
– ni<strong>ch</strong>t als ein Gemis<strong>ch</strong>, denn die vielen Farben entstehen je erst<br />
dur<strong>ch</strong> die Li<strong>ch</strong>tbre<strong>ch</strong>ung im Prisma, sondern als einfa<strong>ch</strong>e Fülle. So<br />
ähnli<strong>ch</strong>, lässt si<strong>ch</strong> vorstellen, ist der Seinsgehalt der vielen begrenzten<br />
Seienden, die dem göttli<strong>ch</strong>en Sein entströmen, in diesem in unbegrenzter<br />
Fülle und als einfa<strong>ch</strong>e Einheit. Gott als »das reine Sein in<br />
Person« beinhaltet bereits die Seinsfülle der vielen begrenzten Seienden<br />
und brau<strong>ch</strong>t sie ni<strong>ch</strong>t, um si<strong>ch</strong> zu vervollkommnen und zu ergänzen;<br />
so ist deren S<strong>ch</strong>öpfung als absolut freie Tat zu betra<strong>ch</strong>ten.<br />
Dies würde für die Frage der Toleranz oder Intoleranz des<br />
»Einen Gottes« gegenüber »anderen Göttern« bedeuten: Die vielen<br />
vers<strong>ch</strong>iedenen »Götter«, wie die bei den alten Römern verehrte Venus<br />
als Symbol der S<strong>ch</strong>önheit, Harmonie und Liebe, oder Mars als Personifizierung<br />
von männli<strong>ch</strong>er Kraft und Dynamik, oder au<strong>ch</strong> Jupiter<br />
als hö<strong>ch</strong>ste Fülle der Gere<strong>ch</strong>tigkeit, Pluto als Verkörperung unermessli<strong>ch</strong>er<br />
Ma<strong>ch</strong>t usw. bes<strong>ch</strong>reiben jeweils begrenzte Teilaspekte<br />
einer absoluten Vollkommenheit des Seins, die den einen und unbegrenzten<br />
S<strong>ch</strong>öpfergott von vers<strong>ch</strong>iedenen Seiten »anzielen« oder<br />
»abbilden«. (Dabei ist freili<strong>ch</strong> eine teilweise Verfehlung und »Verzerrung«<br />
der zugrundeliegenden »urbildli<strong>ch</strong>en Wahrheit« ni<strong>ch</strong>t auszu-<br />
70 OFFENE TORE 2/07
s<strong>ch</strong>ließen.) In gewissem Sinne also gibt es die »Götter«, nämli<strong>ch</strong> die<br />
in ihnen dargestellten »absoluten Wertgehalte«; sie dürfen nur ni<strong>ch</strong>t<br />
verselbständigt und aus ihrer ursprüngli<strong>ch</strong>en Sinnordnung gerissen<br />
werden – sonst werden sie lei<strong>ch</strong>t zu »Götzen«.<br />
Das »erste Gebot«: »Du sollst keine fremden Götter neben mir<br />
haben!« verbietet also ledigli<strong>ch</strong> die »Vergötzung von Teilaspekten des<br />
Guten«, die ungeordnete Anhängli<strong>ch</strong>keit an sie. Alles Gute ist vielmehr<br />
in dem einen Gott, der »alle Wahrheiten der Götter« unendli<strong>ch</strong><br />
übersteigt, vorausenthalten und – in der re<strong>ch</strong>ten Seins- und Liebesordnung<br />
– allein von ihm her zu erwarten. Dieser Gott ist gegen andere<br />
Götter intolerant: ni<strong>ch</strong>t um seinet- , sondern um des Mens<strong>ch</strong>en willen.<br />
Allerdings ist unsere Erkenntnis und Aussage des unbegrenzten<br />
Gottes immer nur begrenzt und entfernt annäherungsweise<br />
mögli<strong>ch</strong> – weshalb eine Offenheit und Toleranz gegenüber anderen<br />
Si<strong>ch</strong>tweisen im Interesse einer mögli<strong>ch</strong>en gegenseitigen Ergänzung<br />
(und viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> notwendigen »Korrektur«) stets sinnvoll und geboten<br />
ers<strong>ch</strong>eint.<br />
OFFENE TORE 2/07 71
»<br />
Sanctorum communio<br />
Ein ekklesiologis<strong>ch</strong>er Entwurf<br />
im Geiste Swedenborgs<br />
von Thomas Noack<br />
1. Thema Kir<strong>ch</strong>e<br />
Gemeins<strong>ch</strong>aft der Heiligen« ist ein Kerngedanke der Ekklesiologie<br />
der Reformation und Emanuel Swe denborgs. Deswegen<br />
wollen wir unter dieser Übers<strong>ch</strong>rift unsere Kir<strong>ch</strong>enlehre im Geiste<br />
des s<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>en Theo logen entwickeln. Dieser s<strong>ch</strong>ätzte das Apostolis<strong>ch</strong>e<br />
Glaubensbekenntnis sehr. Daher glaub te er an die »sanctam<br />
ecclesiam catholicam«. Je na<strong>ch</strong> Konfession sind un ter s<strong>ch</strong>ied li<strong>ch</strong>e<br />
Über setzungen im Gebrau<strong>ch</strong>. Römis<strong>ch</strong>-katholis<strong>ch</strong>e Christen bekennen<br />
»die heilige katho li s<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e«, lutheris<strong>ch</strong>e »die heilige <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e<br />
Kir<strong>ch</strong>e« und reformierte »die heilige all ge meine <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e<br />
Kir<strong>ch</strong>e«. Unmittelbar auf »sanctam ecclesiam catholicam« folgt »sanctorum<br />
communionem«. Das ist eine na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>e Einfügung in den<br />
Text, die si<strong>ch</strong> zuerst um 400 bei Bis<strong>ch</strong>of Niketas von Reme si ana in<br />
Serbien na<strong>ch</strong>weisen lässt. Diese Formel hatte von Anfang an einen<br />
doppelten Sinn. Einerseits bezei<strong>ch</strong>nete sie die Kir<strong>ch</strong>e als »Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />
der Heiligen«. Andererseits gab es s<strong>ch</strong>on früh und be sonders<br />
im ostkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> eine Deutung des Genitivs als<br />
»Gemeins<strong>ch</strong>aft am Heiligen«. Dabei war vor allem an die Teilhabe an<br />
der Eu<strong>ch</strong>aristie geda<strong>ch</strong>t. Dieser Gedanke trat jedo<strong>ch</strong> im lateinis<strong>ch</strong>en<br />
Mittelalter, in der Reformation und daher au<strong>ch</strong> bei Swe den borg hinter<br />
der personalen Deutung zurück. 1<br />
Bei Swedenborg entdecken wir zahlrei<strong>ch</strong>e Bausteine zu einer<br />
Lehre von der Kir<strong>ch</strong>e, aber no<strong>ch</strong> keine umfassende Gesamtdarstellung.<br />
In der wahren <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Religion, dem Hauptwerk, das im<br />
1 Siehe Wolfhart Pannenberg, Systematis<strong>ch</strong>e Theologie, Band 3, Göttingen 1993, Seite<br />
117f. Sigel: STh.<br />
72 OFFENE TORE 2/07
Titel immerhin ankündigt, die gesamte Theologie der neuen Kir<strong>ch</strong>e<br />
zu enthalten 2 , finden wir kein Kapitel über die Kir<strong>ch</strong>e. Nur die beiden<br />
Sa kramente Taufe und Abendmahl wer den behandelt. In dem<br />
kleinen Werk über das neue Jerusalem hingegen ist ein Kapitel<strong>ch</strong>en<br />
über die Kir<strong>ch</strong>e vorhanden. Daher können wir sagen: Die Lehre von<br />
der Kir<strong>ch</strong>e ist bei Swe denborg zumindest ein Thema, wennglei<strong>ch</strong><br />
ihre systematis<strong>ch</strong>e Ausarbeitung no<strong>ch</strong> in den Anfängen steckt.<br />
Dieser Befund entspri<strong>ch</strong>t dem Stand der theologis<strong>ch</strong>en Reflexion<br />
im 18. Jahrhundert. Denn als Swedenborg einige Gedanken über die<br />
Kir<strong>ch</strong>e nieders<strong>ch</strong>rieb, hatte die Betra<strong>ch</strong>tung dieses Gegenstandes<br />
no<strong>ch</strong> keine lange Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te. Zwar gab es s<strong>ch</strong>on in den Werken der<br />
Kir<strong>ch</strong>enväter vielerlei Einzelaussagen über die Kir<strong>ch</strong>e, aber »erst<br />
im 15. Jahrhundert, also im Zeitalter des Konziliarismus und na<strong>ch</strong><br />
den Erfahrungen des abendländis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ismas mit der Gefangens<strong>ch</strong>aft<br />
der Päpste in Avignon, entstanden selbständige Traktate über<br />
den Kir<strong>ch</strong>en be griff.« (STh 3,34). Daher waren die reformatoris<strong>ch</strong>en<br />
Ansätze zur Ekklesiologie im 16. Jahrhundert no<strong>ch</strong> sehr jung. Sie<br />
gaben den Anstoß dafür, »daß au<strong>ch</strong> in der katholis<strong>ch</strong>en Kontroverstheologie<br />
der Kir<strong>ch</strong>enbegriff zum Thema der Auseinandersetzung<br />
wurde.« (STh 3,34). Do<strong>ch</strong> erst seit dem 19. Jahrhundert gibt es auf<br />
katho li s<strong>ch</strong>er Seite Lehrdokumente, »die über einzelne Aspekte hinaus<br />
ein Gesamtbild von Kir<strong>ch</strong>e ent wer fen« 3 . Und in unserer Zeit<br />
kann das Thema Kir<strong>ch</strong>e sogar als das zentrale, theologis<strong>ch</strong>e angesehen<br />
werden, jedenfalls insofern das allseitige, ökumenis<strong>ch</strong>e Bedürfnis<br />
zum intensiven Na<strong>ch</strong>denken über das Wesen und die Gestalt<br />
der Kir<strong>ch</strong>e anregt. Der evangelis<strong>ch</strong>e Dogmenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tler Bernhard<br />
Lohse meinte: »Kein Zweifel … besteht, daß die Einheit der Kir<strong>ch</strong>e<br />
heute in ähnli<strong>ch</strong>er Weise das zentrale Thema der Kir<strong>ch</strong>en- und Dogmenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
ist, wie es in vergangenen Epo<strong>ch</strong>en die Trinitätslehre,<br />
die Christologie oder die Sünden- und Gnadenlehre oder au<strong>ch</strong><br />
2 Der vollständige Titel der WCR lautet: »Vera <strong>ch</strong>ristiana religio continens universam<br />
theologiam novae ecclesiae …«<br />
3 Gerhard Ludwig Müller, Katholis<strong>ch</strong>e Dogmatik: Für Studium und Praxis der Theologie,<br />
Freiburg 2003, Seite 572.<br />
OFFENE TORE 2/07 73
die Frage der Re<strong>ch</strong>tfertigung des Mens<strong>ch</strong>en war.« 4 Unser ekklesiologis<strong>ch</strong>er<br />
Entwurf aus einer sweden borg s<strong>ch</strong>en Perspektive knüpft<br />
wie si<strong>ch</strong> zeigen wird an reformatoris<strong>ch</strong>e Grundsatzent s<strong>ch</strong>ei dungen<br />
an und steht somit dem Kir<strong>ch</strong>en ver ständnis der Reformation näher<br />
als dem des Katholizismus.<br />
2. Die »basileia tou theou« des irdis<strong>ch</strong>en Jesus<br />
Das Zentrum der Verkündigung Jesu war die »basileia tou theou« 5 ,<br />
die Königsherrs<strong>ch</strong>aft oder das Königrei<strong>ch</strong> Gottes (»basileia« bedeutet<br />
beides). Die Bots<strong>ch</strong>aft von der an bre<strong>ch</strong>enden Gottesherrs<strong>ch</strong>aft<br />
knüpfte an vorhandene Vorstellungen und Er war tungen<br />
an, sprengte aber glei<strong>ch</strong>zeitig ihren allzu bes<strong>ch</strong>ränkten Rahmen.<br />
Spätestens seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. ist Jahwe in Israel als<br />
König Israels und der himmlis<strong>ch</strong>en Mä<strong>ch</strong>te angerufen worden (Jes<br />
6,5). Davon zeugt au<strong>ch</strong> der Ruf »Jahwe malak« (»Jahwe ist König geworden«<br />
oder »Jahwe (und kein anderer) ist König«) der Jahwe-König-<br />
Hymnen 6 . Vom 6. Jahrhundert v. Chr. an wird angesi<strong>ch</strong>ts der von<br />
Israel erlittenen ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Katastrophen und der si<strong>ch</strong> darin<br />
s<strong>ch</strong>einbar dokumen tierenden S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e seines Gottes der Anbru<strong>ch</strong><br />
der un einge s<strong>ch</strong>ränk ten Gottesherrs<strong>ch</strong>aft mehr und mehr zum Ausdruck<br />
israelitis<strong>ch</strong>er Zukunftserwartung (Jes 52,7-9). Im Judentum<br />
der Zeit Jesu war die Hoffnung auf die Herrs<strong>ch</strong>aft Jahwes im Tempelkult<br />
und in der synagogalen Liturgie allgegenwärtig. 7 Jesus klei dete<br />
also seine Bots<strong>ch</strong>aft, indem er die »basileia tou theou« verkündigte,<br />
in eine seit Jahrhunderten geprägte Spra<strong>ch</strong>e ein. Glei<strong>ch</strong>zeitig stieß<br />
4 Bernhard Lohse, Epo<strong>ch</strong>en der Dogmenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, 1986, Seite 238.<br />
5 »Will man das Zentrum der Verkündigung Jesu mit einem einzigen Ausdruck<br />
bes<strong>ch</strong>reiben, muß man von Gottes Herrs<strong>ch</strong>aft (basileia tou theou) reden.« (Peter<br />
Stuhlma<strong>ch</strong>er, Biblis<strong>ch</strong>e Theologie des Neuen Testaments, Band 1, 1997, Seite 67).<br />
»Basileia tou theou« und »ton ouranon« (pl. der Himmel) sind im wesentli<strong>ch</strong>en glei<strong>ch</strong>wertig,<br />
weil die Juden für »theos« neben anderen Ums<strong>ch</strong>reibungen au<strong>ch</strong> »ouranos«<br />
brau<strong>ch</strong>ten.<br />
6 Das sind die Psalmen 47, 93, 96, 97, 98, 99.<br />
7 Zum Gesagten siehe Peter Stuhlma<strong>ch</strong>er, Biblis<strong>ch</strong>e Theologie des Neuen Testaments,<br />
Band 1, 1997, Seite 68-70.<br />
74 OFFENE TORE 2/07
er aber au<strong>ch</strong> die Überwindung allzu engsinniger, mit ihr verbundener<br />
Kon no ta ti onen an; zu nennen sind die veräußerli<strong>ch</strong>te Thoraobservanz<br />
und die politis<strong>ch</strong>en Erlösungsphantasien 8 .<br />
Das Besondere der Verkündigung Jesu war das, was er s<strong>ch</strong>on in<br />
seiner Antrittspredigt in der Synagoge von Na za reth zum Ausdruck<br />
bra<strong>ch</strong>te: »Heute ist dieses Wort der S<strong>ch</strong>rift erfüllt vor euren Ohren.«<br />
(Lk 4,21). In Je sus von Nazareth wurde die Zukunft oder die es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>e<br />
Erwartung Gegenwart. Auf zwei Ba si leia wor te sei in diesem<br />
Zusammenhang besonders hingewiesen. Jesus sagte: »Wenn<br />
i<strong>ch</strong> aber mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, so ist ja (dadur<strong>ch</strong>)<br />
die Herrs<strong>ch</strong>aft Gottes (s<strong>ch</strong>on) zu eu<strong>ch</strong> hingelangt.« (Lk 11,20).<br />
Dass also in Jesus jemand in der Welt oder in der Finsternis da war,<br />
der die bösen Geister beherrs<strong>ch</strong>en und aus trei ben konnte, genau das<br />
war das für jedermann erkennbare Zei<strong>ch</strong>en der anbre<strong>ch</strong>enden Gottesherrs<strong>ch</strong>aft.<br />
Jesu Werk ma<strong>ch</strong>te aus der erwarteten Zukunft aktuelle<br />
Gegenwart. Ebenfalls im Lukasevangelium ist die Ant wort Je su<br />
auf die Frage überliefert: »Wann kommt die Herrs<strong>ch</strong>aft (oder das<br />
Rei<strong>ch</strong>) Gottes?« »Die Herrs<strong>ch</strong>aft Got tes kommt ni<strong>ch</strong>t mit Beoba<strong>ch</strong>tung<br />
(in äußerli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>tbarer Weise). Man wird au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sagen: Siehe,<br />
hier ist sie! oder: Dort ist sie! Denn siehe, die Herrs<strong>ch</strong>aft Gottes ist<br />
(s<strong>ch</strong>on) mitten unter eu<strong>ch</strong>.« (Lk 17,20f.). Die Exegese hält die Übersetzung<br />
»mitten unter uns« für die ri<strong>ch</strong>tige, und sie passt ja au<strong>ch</strong> gut zu<br />
Lk 4,21 und 11,20. Wiederum wird gesagt, »daß die Gottesherrs<strong>ch</strong>aft<br />
bereits in Jesus selbst und dem, was si<strong>ch</strong> um ihn herum begibt, gegenwärtig<br />
wird« 9 . Jesus spiritualisierte die Erwartung der Gottesherrs<strong>ch</strong>aft.<br />
Er erlöste sein Volk ni<strong>ch</strong>t von der verhassten Fremdbe-<br />
8 Eine s<strong>ch</strong>öne Illustration finden wir bei Jakob Lorber: »Die gute Maria und Meine<br />
ganze irdis<strong>ch</strong>e Verwandts<strong>ch</strong>aft stellte si<strong>ch</strong> unter dem Messias au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong>fort<br />
einen Besieger der Römer und anderer Feinde des gelobten Landes vor; ja, die Besten<br />
hatten von dem verheißenen Messias nahe dieselbe Vorstellung, wie in dieser Zeit<br />
viele aus der Zahl sonst ehrenhafter Mens<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> eine ganz verkehrte Vorstellung<br />
vom Tausendjährigen Rei<strong>ch</strong>e ma<strong>ch</strong>en. Aber es war no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t an der Zeit, ihnen eine<br />
andere Vorstellung zu geben.« (GEJ 1,10,3)<br />
9 Peter Stuhlma<strong>ch</strong>er, Biblis<strong>ch</strong>e Theologie des Neuen Testaments, Band 1, 1997, Seite<br />
71.<br />
OFFENE TORE 2/07 75
herrs<strong>ch</strong>ung dur<strong>ch</strong> die Römer, dafür erlöste er die an ihn Glaubenden<br />
aber von den Dämonen in ihnen.<br />
Swedenborg setzte Jesu Gottesrei<strong>ch</strong> mit der Kir<strong>ch</strong>e glei<strong>ch</strong>, und<br />
Lukas 17,21 (»entos hymon estin«) deutete er in dem Sinne, dass<br />
dieses Rei<strong>ch</strong> im Mens<strong>ch</strong>en ist: »Unter ›Rei<strong>ch</strong> Gottes‹ versteht man<br />
im allgemeinen Sinne den gesamten Himmel, im weniger allgemeinen<br />
die wahre Kir<strong>ch</strong>e des Herrn und im besonderen jeden, der einen<br />
wahren Glauben hat bzw. dur<strong>ch</strong> ein Leben des Glaubens wiedergeboren<br />
ist. Deswegen heißt er au<strong>ch</strong> ›Himmel‹, weil in ihm der Himmel<br />
ist, sodann ›Rei<strong>ch</strong> Gottes‹, weil in ihm das Rei<strong>ch</strong> Gottes ist. Das<br />
lehrt der Herr selbst bei Lukas 17,20f.« (HG 29). 10 Swedenborg zitiert<br />
ans<strong>ch</strong>ließend die Stelle und übersetzt den uns interessierenden Teil<br />
so: »regnum Dei intra vos est«. Das muss na<strong>ch</strong> den vorangegangenen<br />
Ausführungen mit Luther wie folgt übersetzt werden: »Das Rei<strong>ch</strong><br />
Gottes ist inwendig in eu<strong>ch</strong>«. Diese Lesart begegnet uns au<strong>ch</strong> in den<br />
Offenbarungen dur<strong>ch</strong> Jakob Lorber (siehe GEJ 8,18,4; 9,67,20). Für<br />
sie kann man das Argument anführen, dass die »basileia tou theou«,<br />
wenn sie ni<strong>ch</strong>t »unter Beoba<strong>ch</strong>tung (auf äußerli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>tbare Weise)«<br />
kommt, au<strong>ch</strong> keine äußerli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>tbare, sondern nur eine innerli<strong>ch</strong><br />
er fahr bare Wirkli<strong>ch</strong>keit sein kann, die allerdings im irdis<strong>ch</strong>en Jesus<br />
s<strong>ch</strong>on einmal mitten unter uns war, ihre voll kom mene Verwirkli<strong>ch</strong>ung<br />
aber glei<strong>ch</strong> wohl erst in der neuen S<strong>ch</strong>öpfung finden wird.<br />
Swedenborg identifiziert also Rei<strong>ch</strong> Gottes und Kir<strong>ch</strong>e (siehe<br />
oben HG 29, WCR 572). Do<strong>ch</strong> an gesi<strong>ch</strong>ts des von ihm ebenfalls geäußerten<br />
Urteils, dass die ursprüngli<strong>ch</strong>e, <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e oder apostolis<strong>ch</strong>e<br />
Kir<strong>ch</strong>e vollständig untergegangen ist (WCR 378), kann die<br />
Glei<strong>ch</strong> setzung jedenfalls ni<strong>ch</strong>t die Kir<strong>ch</strong>en betreffen, die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
gema<strong>ch</strong>t haben. Die Identitätsaussage ist vielmehr idealtypis<strong>ch</strong>er<br />
Natur, das heißt sie ist auf das Wesen der Kir<strong>ch</strong>e zu be ziehen. Bezogen<br />
auf die Wirkli<strong>ch</strong>keit der Kir<strong>ch</strong>en kann sie hingegen nur die Bestimmung<br />
sein, die den Kir<strong>ch</strong>en zugrunde liegt, aber immer wieder<br />
au<strong>ch</strong> zur Wahrnehmung der Differenz zwis<strong>ch</strong>en der Gottes herrs<strong>ch</strong>aft<br />
10 Ebenso WCR 572: »Unter dem Rei<strong>ch</strong> Gottes ist sowohl der Himmel als au<strong>ch</strong> die Kir<strong>ch</strong>e<br />
zu verstehen, da das Rei<strong>ch</strong> Gottes auf Erden die Kir<strong>ch</strong>e ist.«<br />
76 OFFENE TORE 2/07
und dem Ort ihrer angebli<strong>ch</strong>en Verwirkli<strong>ch</strong>ung Anlass gibt. 11 Die<br />
Bestimmung der Kir<strong>ch</strong>e ist es, der Ort der Herrs<strong>ch</strong>aft Gottes zu sein.<br />
3. Kyrios und Pneuma:<br />
Das unsi<strong>ch</strong>tbare Göttli<strong>ch</strong>e der Kir<strong>ch</strong>e<br />
3.1. Der Kyrios und die Kir<strong>ch</strong>e<br />
Der Kyrios ist das Gegenüber der Kir<strong>ch</strong>e. Unser Wort »Kir<strong>ch</strong>e« kommt<br />
von dem grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en »kyriake« her, was »dem Herrn zugehörig« bedeutet.<br />
In Verbin dung mit »ek kle sia« ergibt si<strong>ch</strong> daraus »die dem<br />
Herrn zugehörige Gemeinde«, in Ver bindung mit »oikia« erhält man<br />
»Haus des Herrn«. S<strong>ch</strong>on diese Herkunft des Wortes »Kir<strong>ch</strong>e« weist<br />
darauf hin, dass sie ihr Wesen und ihre Bestimmung ganz und gar<br />
vom Herrn her em pfängt. Beziehungen ma<strong>ch</strong>en die Beteiligten überhaupt<br />
erst zu dem, was sie im Be ziehungs gefüge sind. So wird in der<br />
Ehe der Mann dur<strong>ch</strong> die Frau zum Ehemann und die Frau dur<strong>ch</strong> den<br />
Mann zur Ehefrau. Und dur<strong>ch</strong> Kinder wird der Mann zum Vater und<br />
die Frau zur Mutter. In glei<strong>ch</strong>er Weise ist die Kir<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t aus si<strong>ch</strong><br />
heraus Kir<strong>ch</strong>e, son dern nur dur<strong>ch</strong> ihre Beziehung zum Kyrios. Die<br />
umgekehrte Lesung dieses Verhält nisses ist natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig:<br />
Kyrios oder Herr wird Gott dur<strong>ch</strong> die Kir<strong>ch</strong>e, insofern sie der Berei<strong>ch</strong><br />
in der Mens<strong>ch</strong>enwelt ist, der si<strong>ch</strong> seiner Herrs<strong>ch</strong>aft freiwillig übergeben<br />
hat. Do<strong>ch</strong> diese Lesung will i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t weiter entfalten. Im vorliegenden<br />
Zusammenhang ist nur wi<strong>ch</strong>tig, dass die Kir<strong>ch</strong>e das, was<br />
sie ist, nämli<strong>ch</strong> »die dem Herrn zugehörige Gemeinde«, auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />
dadur<strong>ch</strong> ist, dass der Kyrios ihr Gegenüber ist.<br />
Das ergibt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> aus der Art und Weise, wie das Neue Testament<br />
den hellenistis<strong>ch</strong>en Begriff »ekklesia« über nommen hat. Er<br />
bedeutet einfa<strong>ch</strong> nur »Volksversammlung«. Do<strong>ch</strong> diese Bedeutung<br />
ist den S<strong>ch</strong>reibern der neutestamentli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riften zu wenig qualifiziert.<br />
Deswegen nehmen sie oft eine genauere Bestimmung vor,<br />
11 Au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> W. Pannenberg »ist das Rei<strong>ch</strong> Gottes mit der Kir<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> identis<strong>ch</strong>«<br />
(STh 3,42). Für ihn ist sie aber das »Zei<strong>ch</strong>en des Gottesrei<strong>ch</strong>es« (STh 3,45).<br />
OFFENE TORE 2/07 77
indem sie den Genitiv »tou theou« (des Gottes) anfügen, so dass klar<br />
wird, um was für eine Versammlung es si<strong>ch</strong> handelt. Es handelt si<strong>ch</strong><br />
um »die Gemeinde des (einen) Gottes« (Apg 20,28; 1Kor 1,2; 10,32;<br />
11,22; 15,9; 2Kor 1,1; Gal 1,13; 1Thess 2,14; 1Tim 3,5). Es handelt<br />
si<strong>ch</strong> um die Sammel bewegung (Mt 12,30), die der eine Gott bewirkt,<br />
indem Jesus im Glauben als der Kyrios anerkannt wird.<br />
Swedenborg spri<strong>ch</strong>t vom Kyrios als dem Gegenüber der Kir<strong>ch</strong>e,<br />
dur<strong>ch</strong> das sie überhaupt erst »kyriake« wird, in Formulierungen wie<br />
»die Kir<strong>ch</strong>e des Herrn« (HG 637) oder »die Ehe des Herrn und der<br />
Kir<strong>ch</strong>e« (WCR 248). Außerdem lesen wir bei ihm: »Der Herr allein ist<br />
das Alles der Kir<strong>ch</strong>e.« (HG 768). »Das Göttli<strong>ch</strong>e des Herrn ist es, was<br />
beim Mens<strong>ch</strong>en die Kir<strong>ch</strong>e ausma<strong>ch</strong>t, denn ni<strong>ch</strong>ts gilt als ›Kir<strong>ch</strong>e‹, als<br />
nur das, was Eigen tum des Herrn (proprium Domini) ist.« (HG 2966).<br />
In einer anderen, ergänzenden Betra<strong>ch</strong>tungsweise ist der Kyrios<br />
selbst die Kir<strong>ch</strong>e. So sehr er einesteils ihr Gegenüber ist, so sehr ist<br />
er andernteils selbst die Kir<strong>ch</strong>e. Denn in Jesus Christus konnte Gott<br />
mä<strong>ch</strong>tig werden, weil Jesus seinen mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Willen ganz und<br />
gar zu einem Gefäß des göttli<strong>ch</strong>en Willens gema<strong>ch</strong>t hatte (Joh 4,34;<br />
5,30; 6,38). Dur<strong>ch</strong> diese Öffnung na<strong>ch</strong> oben hin wurde er der Ort der<br />
Einwohnung Gottes in der Mens<strong>ch</strong>enwelt. Im Neuen Testament wird<br />
daher der Begriff »Tempel« auf ihn bzw. seine Leibli<strong>ch</strong>keit bezogen<br />
(Joh 2,21; Offb 21,22). Na<strong>ch</strong> dem Kolosserbrief »wohnt« in Christus<br />
»die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig« (Kol 2,9). Swedenborg zufolge<br />
bezei<strong>ch</strong>net »Tempel« »im hö<strong>ch</strong>sten Sinn das Göttli<strong>ch</strong>mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />
des Herrn« (OE 220), weswegen »der Herr si<strong>ch</strong> selbst den Tempel<br />
nannte, der zu Jerusalem war (Joh 2,19.21)« (HH 187).<br />
3.2. Gutes und Wahres: Das Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e im Mens<strong>ch</strong>en<br />
Das vom Herrn ausgehende Kir<strong>ch</strong>enbildende im Mens<strong>ch</strong>en ist das<br />
Gute und Wahre: »Zweierlei ma<strong>ch</strong>t die Kir<strong>ch</strong>e und daher den Himmel<br />
beim Mens<strong>ch</strong>en aus: das Wahre des Glaubens und das Gute des<br />
Lebens.« (EL 72). »Die Ehe des Guten und Wahren ist die Kir<strong>ch</strong>e und<br />
der Himmel beim Mens<strong>ch</strong>en« (NJ 24). »Was den Himmel beim Men-<br />
78 OFFENE TORE 2/07
s<strong>ch</strong>en bildet, bildet au<strong>ch</strong> die Kir<strong>ch</strong>e; denn wie Liebe und Glaube den<br />
Himmel bilden, so bilden sie au<strong>ch</strong> die Kir<strong>ch</strong>e.« (NJ 241). Das Gute und<br />
das Wahre sind na<strong>ch</strong> Swedenborg »die Universalien der S<strong>ch</strong>öpfung<br />
(universalia creationis)« (EL 84), auf die si<strong>ch</strong> »alles im Universum,<br />
was der göttli<strong>ch</strong>en Ordnung gemäß ist«, bezieht und zurückführen<br />
lässt (NJ 11). Wir werden später sehen, dass Swedenborg diese eher<br />
philosophis<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>tweise 12 mit der kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en verbindet, wona<strong>ch</strong><br />
der heilige Geist das Kir<strong>ch</strong>enbildende im Mens<strong>ch</strong>en ist. Do<strong>ch</strong> zunä<strong>ch</strong>st<br />
halten wir fest, dass es das Gute und Wahre ist.<br />
Obwohl also das Gute und Wahre die Kir<strong>ch</strong>e im Mens<strong>ch</strong>en bildet,<br />
kann in einer anderen Betra<strong>ch</strong>tung das Wahre mehr mit der<br />
Kir<strong>ch</strong>e und das Gute mehr mit der Re ligion in Verbindung gebra<strong>ch</strong>t<br />
werden. Denn die Identität einer kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft wird<br />
dur<strong>ch</strong> die Theologie und das Bekenntnis bestimmt, weswegen wir<br />
sie Glaubens gemeins<strong>ch</strong>aft oder Konfession nennen. Religion hingegen<br />
ist eine Sa<strong>ch</strong>e des Lebens und besteht im Tun des Guten (vgl. LL<br />
1). Swedenborg bes<strong>ch</strong>reibt das Verhältnis von Kir<strong>ch</strong>e und Religion<br />
so: »Das Wahre der Kir<strong>ch</strong>e und das Gute der Religion, sagte i<strong>ch</strong>, weil<br />
man Kir<strong>ch</strong>e und Re ligion unters<strong>ch</strong>eiden muss. Die Kir<strong>ch</strong>e heißt Kir<strong>ch</strong>e<br />
wegen der Lehre (oder Theologie), und die Religion heißt Religion<br />
wegen des Lebens na<strong>ch</strong> der Lehre. Jeder Teil der Lehre heißt Wahres,<br />
und au<strong>ch</strong> ihr Gutes (die Ethik) ist (eigentli<strong>ch</strong> nur) Wahres, weil sie<br />
es ja bloß lehrt. Aber jeder Teil des Le bens na<strong>ch</strong> dem, was die Lehre<br />
lehrt, heißt Gutes, au<strong>ch</strong> ist das Tun des Wahren der Lehre Gutes. So<br />
also muss man Kir<strong>ch</strong>e und Religion unters<strong>ch</strong>eiden. Glei<strong>ch</strong>wohl kann,<br />
wo zwar eine Lehre aber kein Leben vorhanden ist, weder von Kir<strong>ch</strong>e<br />
no<strong>ch</strong> von Religion gespro<strong>ch</strong>en werden, denn die Lehre betra<strong>ch</strong>tet das<br />
Lebens als mit si<strong>ch</strong> eins, ganz so wie das Wahre und das Gute, der<br />
12 Bei Platon, beispielsweise im Philebos oder im Phaidron, finden wir die Trias des<br />
Wahren, S<strong>ch</strong>önen und Guten. Swedenborg reduziert sie auf das Gute und Wahre.<br />
Jedo<strong>ch</strong> kann das S<strong>ch</strong>öne dur<strong>ch</strong>aus wieder einbezogen werden, denn »die S<strong>ch</strong>önheit<br />
ist die Gestalt des Wahren aus dem Guten (pul<strong>ch</strong>ritudo est forma veri ex bono)« (HG<br />
10540). Das Wahre und das Gute streben na<strong>ch</strong> einer gefäßhaften Darstellung im<br />
Äußeren. Die Wohlgeformheit (S<strong>ch</strong>önheit) ist das Kennzei<strong>ch</strong>en der vollkommenen<br />
Ver wirkli<strong>ch</strong>ung des Guten und Wahren.<br />
OFFENE TORE 2/07 79
Glaube und die Nä<strong>ch</strong>stenliebe, die Weisheit und die Liebe, der Verstand<br />
und der Wille. Wo daher eine Lehre aber kein dementspre<strong>ch</strong>endes<br />
Leben vorhanden ist, da ist au<strong>ch</strong> keine Kir<strong>ch</strong>e vor handen.« (EO 923).<br />
3.3. Das Pneuma und die Kir<strong>ch</strong>e<br />
3.3.1. Die Identität von Kyrios und Pneuma<br />
Das Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e im Men s<strong>ch</strong>en ist der Kyrios. Die Wirksamkeit des erhöhten<br />
Herrn in der na<strong>ch</strong>österli<strong>ch</strong>en Ge mein de wird im Neuen Testament<br />
»heiliger Geist« genannt. Aus der Notwendigkeit, an läßli<strong>ch</strong><br />
des Heilsges<strong>ch</strong>ehens die Begriffe Vater, Sohn und heiliger Geist exponiert<br />
zu ge brau<strong>ch</strong>en, ist bekanntli<strong>ch</strong> die Trinitätslehre entstanden,<br />
die zu der Vorstellung dreier göttli<strong>ch</strong>er Personen im Sinne dreier<br />
Individuen geführt und damit den Glauben an die eine und einzige<br />
göttli<strong>ch</strong>e Person des Kyrios verdunkelt hat. 13 Vor diesem Hinter-<br />
13 Swedenborgs Ablehnung der klassis<strong>ch</strong>en Trinitätslehre ist keine Ablehnung der<br />
göttli<strong>ch</strong>en Trinität (siehe WCR 164), sondern nur der Vorstellung von drei göttli<strong>ch</strong>en<br />
Personen. Zur Diskussion steht ni<strong>ch</strong>t die Trinität, die zum Geoffenbarten gehört,<br />
sondern der Personbegriff, und zwar au<strong>ch</strong> nur in seiner Anwendung auf den Vater,<br />
den Sohn und den heiligen Geist. Swedenborg verwendet den Personbegriff na<strong>ch</strong> wie<br />
vor, jedo<strong>ch</strong> nur no<strong>ch</strong> zur Aussage der Einheit Gottes: »Gott ist dem Wesen (essentia)<br />
und der Person (persona) na<strong>ch</strong> Einer.« (WCR 2). Swedenborg lehnt demna<strong>ch</strong> die Dreiheit<br />
der Personen ab, aber entfaltet stattdessen die Dreiheit der Person, das heißt der<br />
einen göttli<strong>ch</strong>en Person des Kyrios. In ihm sind drei Wesenss<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten (»essentialia«,<br />
WCR 166) zu unters<strong>ch</strong>ieden. Die Vorstellung von drei göttli<strong>ch</strong>en Personen wei<strong>ch</strong>t<br />
also der Vorstellung von drei göttli<strong>ch</strong>en Wesenss<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten in der einen göttli<strong>ch</strong>en<br />
Person des Kyrios. Zur Definition von Person s<strong>ch</strong>reibt Swedenborg: »Person beinhaltet<br />
einen Unters<strong>ch</strong>ied und eine Vers<strong>ch</strong>iedenheit von einer anderen (Person) (persona<br />
involvit aliquod distinctum et differens ab altera).« (De Athanasii Symbolo 168). Das<br />
liegt auf der Linie der klassis<strong>ch</strong>en Definition von Boethius: »Person ist die individuelle<br />
Substanz einer vernünftigen Natur (persona est naturae rationalis individua<br />
substantia)«. (Liber contra Euty<strong>ch</strong>en et Nestorium, cap. 3,74). Thomas von Aquin<br />
erklärt: »Jedes Individuum von vernünftiger Natur heißt Person (Omne individuum<br />
rationalis naturae dicitur persona)« (Summa theologiae I, 29, 3 ad 2). Da Swedenborg<br />
statt von »persona« von »essentiale« und die nicaenis<strong>ch</strong>e Theologie jedenfalls ni<strong>ch</strong>t<br />
von »prosopon« (Per son) sondern von »hypostasis« (Hypostase) spri<strong>ch</strong>t, könnte man<br />
erwägen Hypostase als Über setzung von »essen tiale« zu wählen. WCR 166 würde<br />
dann so lauten: »Diese drei, Vater, Sohn und heiliger Geist sind die drei Hypostasen<br />
des einen Gottes, die ebenso eine Einheit bilden wie Seele, Leib und Wirk samkeit<br />
beim Mens<strong>ch</strong>en.« Damit ist freili<strong>ch</strong> der Unters<strong>ch</strong>ied des neukir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en zum nicae-<br />
80 OFFENE TORE 2/07
grund muss gezeigt werden, dass der heilige Geist keine weitere Person<br />
neben dem Kyrios ist, sondern die »divina operatio« (göttli<strong>ch</strong>e<br />
Wirksamkeit) der einen göttli<strong>ch</strong>en Person des Kyrios (WCR 138).<br />
Der Kyrios ist in der Kraft des heiligen Geistes erfahrbar. Paulus<br />
s<strong>ch</strong>rieb: »Der Kyrios ist der Geist« (2. Kor 3,17). Na<strong>ch</strong> Ingo Hermanns<br />
Analyse ist damit gemeint: »Christus wird erfahrbar als Pneuma.« 14<br />
»das eu<strong>ch</strong> be kannte lebendigma<strong>ch</strong>ende Pneuma ist in Wirkli<strong>ch</strong>keit<br />
Christus der Herr. Denn er ist es, den wir erfahren, wenn wir das<br />
Pneuma in uns wirkend fin den.« 15 Hermann verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>t das<br />
mit einem Bild: »Wie i<strong>ch</strong> die Sonne in ihren Strahlen er fah re, so erfahre<br />
i<strong>ch</strong> den Kyrios als das Pneuma. Das Pneuma ist das unaufhörli<strong>ch</strong>e<br />
Ausstrahlen des Erhöhten. Dieses Strahlen trifft auf den Mens<strong>ch</strong>en<br />
auf. Der nimmt die Strahlungsma<strong>ch</strong>t – das Pneuma – wahr<br />
und weiß: das ist der Herr; wie er die Strahlungswärme der Sonnenstrahlen<br />
wahr nimmt und weiß: das ist die Sonne.« 16 2. Kor 3,17 ist<br />
die Spitzenaussage. Parallelen sind in Röm 1,1-5; 1. Kor 15,45; 1. Kor<br />
6,17 und Röm 8,9-11 zu finden. Und über alle diese Aussagen hinaus<br />
ist am En de sogar das gesamte theolo gis<strong>ch</strong>e Denken des Paulus von<br />
dem Bewusstsein der Identität von Kyrios und Pneuma dur<strong>ch</strong>drungen.<br />
Hermann kommt da her zu einem in unserem Zusam men hang<br />
interessanten S<strong>ch</strong>luss: »Weil der ›eigent li<strong>ch</strong>e‹, theologis<strong>ch</strong> prägnante<br />
Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> des Paulus im Pneuma eine Gott und Christus eigene<br />
Potenz sieht, verbietet si<strong>ch</strong> für eine Paulusinter pre tation jede<br />
Hypostasierung des Pneuma in Ri<strong>ch</strong>tung auf eine selbständige 3.<br />
trinitaris<strong>ch</strong>e Per son« 17 . Das Matthäusevangelium s<strong>ch</strong>ließt mit den<br />
ni s<strong>ch</strong>en Glauben no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gänzli<strong>ch</strong> aufgehoben, denn Swedenborg vertritt eine<br />
ökonomis<strong>ch</strong>e Trinitätslehre (WCR 170).<br />
14 Ingo Hermann, Kyrios und Pneuma: Studien zur Christologie der paulinis<strong>ch</strong>en<br />
Hauptbriefe, Mün<strong>ch</strong>en 1961, 49.<br />
15 I. Hermann, a.a.O., 49.<br />
16 I. Hermann, a.a.O., 50.<br />
17 I. Hermann, a.a.O., 140. Die hypostatis<strong>ch</strong>e Verselbständigung des Geistes zu einem<br />
Dritten neben Vater und Sohn lässt si<strong>ch</strong> als eine Folge der Hypostasierung des Sohnes<br />
betra<strong>ch</strong>ten (siehe Geoffrey Lampe, God as Spirit: The Bampton Lectures 1976,<br />
Oxford 1977, 210 vgl. 132f. Den Hinweis verdanken wir Pannenberg STh 1,293).<br />
OFFENE TORE 2/07 81
Worten: »Und siehe, i<strong>ch</strong> bin bei eu<strong>ch</strong> alle Tage bis zur Vollendung des<br />
Aions.« (Mt 28,20). Der heilige Geist wird hier ni<strong>ch</strong>t genannt (wohl<br />
aber in Mt 28,19). Stattdessen wird den Jüngern das Mitsein des Auferstandenen<br />
zugesagt. Unter einem sy stema tis<strong>ch</strong>en Gesi<strong>ch</strong>tspunkt<br />
kann man diese Beoba<strong>ch</strong>tung von Paulus her verstehen: Im Wehen<br />
des hei ligen Geistes ist eben niemand anders als der Kyrios selbst<br />
wirksam. Im Johannes evangelium wird die Situation des Abs<strong>ch</strong>ieds<br />
am ausführli<strong>ch</strong>sten beda<strong>ch</strong>t. Es geht um die Frage: »Wie ist der Ab wesende<br />
an wesend?« 18 Im Kontext der Abs<strong>ch</strong>iedsreden verheißt Jesus<br />
den Seinen »einen anderen Bei stand«; der wird »bei eu<strong>ch</strong>« sein »in<br />
Ewigkeit (gr. Aion)« (Joh 14,16). Die Nähe zur matthäis<strong>ch</strong>en Zu sage<br />
ist unübersehbar. In beiden Fällen ist vom Mitsein (»bei eu<strong>ch</strong>«) und<br />
einer zeitli<strong>ch</strong>en Er streckung unter Verwendung des Wortes »Aion«<br />
die Rede. Im Matthäusevangelium ist diese Zu sage aber mit Jesus<br />
verbunden. Im Johannesevangelium ist sie dagegen mit dem an deren<br />
Beistand ver bun den. Do<strong>ch</strong> der wird soglei<strong>ch</strong> mit Jesus identifiziert.<br />
Jesus sagt nämli<strong>ch</strong>: »I<strong>ch</strong> werde eu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ver waist zurücklassen; i<strong>ch</strong><br />
komme zu eu<strong>ch</strong>.« (Joh 14,18; siehe au<strong>ch</strong> 14,19). Wir kommen also wieder<br />
zu dem sel ben Ergebnis: Der heilige Geist ist die Anwesenheit des<br />
Kyrios. 19 Die Andersartigkeit des na<strong>ch</strong>öster li<strong>ch</strong>en Beistandes erklärt<br />
si<strong>ch</strong> aus der Verherrli<strong>ch</strong>ung (vgl. Joh 7,39 mit 16,7). Vor seiner Verherrli<strong>ch</strong>ung<br />
war Jesus als das fleis<strong>ch</strong>gewordene Wort gewissermaßen der<br />
Leib der Wahrheit (Joh 14,6); na<strong>ch</strong> seiner Verherrli<strong>ch</strong>ung ist er hingegen<br />
als »Geist der Wahrheit« (Joh 14,17; 15,26; 16,13) und insofern<br />
als ein anderer Beistand anwesend. Denn der Auferstandene darf<br />
ni<strong>ch</strong>t als eine wunder bar wiederbelebte Lei<strong>ch</strong>e an gesehen werden.<br />
Der dur<strong>ch</strong> das Konzept der Verherrli<strong>ch</strong>ung gegebene Ans<strong>ch</strong>luss an<br />
die alttesta ment li<strong>ch</strong>e Kabodvorstellung deutet in eine ganz andere<br />
18 Jean Zumstein, Kreative Erinnerung: Relecture und Auslegung im Johannes evangelium,<br />
Züri<strong>ch</strong> 1999, 116.<br />
19 Peter Stuhlma<strong>ch</strong>er: »Der Paraklet ist der als Geist vor Gott und unter den Mens<strong>ch</strong>en<br />
wirkende Christus.« (Biblis<strong>ch</strong>e Theologie des Neuen Testaments, Bd. 2, Göttingen<br />
1999, 261f). Jean Zumstein: »Der na<strong>ch</strong>österli<strong>ch</strong>e Paraklet ist in gewisser Weise der<br />
Doppelgänger des vor österli<strong>ch</strong>en Jesus.« (Kreative Erinnerung, Züri<strong>ch</strong> 1999, 56).<br />
82 OFFENE TORE 2/07
Ri<strong>ch</strong>tung. Der Verherrli<strong>ch</strong>te ist der in die Herrli<strong>ch</strong>keit Jahwes Aufgenommene:<br />
der Kyrios. Als sol<strong>ch</strong>er kann er den Sei nen na<strong>ch</strong> Ostern<br />
wahrli<strong>ch</strong> ein anderer Beistand sein als vor seiner Verherr li<strong>ch</strong>ung.<br />
Der hei lige Geist ist also die Sphäre der Wirksamkeit des Kyrios. 20<br />
Einige Äußerungen Swedenborgs zur Identität von Kyrios und<br />
Pneuma: »Der heilige Geist ist das vom Herrn ausgehende Göttli<strong>ch</strong>e<br />
(Divinum Procedens a Domino), und dieses ist der Herr selbst.« (LH<br />
46). »Dur<strong>ch</strong> den heiligen Geist wird eigentli<strong>ch</strong> das gött li <strong>ch</strong>e Wahre<br />
bezei<strong>ch</strong>net, somit au<strong>ch</strong> das Wort. In diesem Sinne ist der Herr selbst<br />
sogar der heilige Geist.« (WCR 139). »Unter dem Paraklet wird das<br />
göttli<strong>ch</strong>e Wahre verstan den, das der Herr war, als er in der Welt war,<br />
und das (nun) vom Herrn ausgeht, na<strong>ch</strong>dem er sein Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es<br />
verherrli<strong>ch</strong>t hat und aus der Welt gegangen ist. Darum sagt er, dass<br />
er den Paraklet senden und (glei<strong>ch</strong>zeitig) dass er selbst kommen<br />
werde.« (HG 9199). Biblis<strong>ch</strong>e Begründungen für die Identität von Kyrios<br />
und Pneuma sieht Swedenborg in Joh 14,16-18 (HG 9199, WCR<br />
139) und Mt 28,18-20 (LH 46, WCR 139).<br />
3.3.2. Die pneumatologis<strong>ch</strong>e Grundlage der Kir<strong>ch</strong>e<br />
Die Lehre von der Kir<strong>ch</strong>e und die vom heiligen Geist sind seit je her<br />
eng miteinander verknüpft. Na<strong>ch</strong> der lukanis<strong>ch</strong>en Pfingstges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />
20 Wilfried Joest wehrt si<strong>ch</strong> dagegen, die Wirkli<strong>ch</strong>keit des heiligen Geistes »unpersönli<strong>ch</strong>,<br />
als blo ße von Gott ausgehende Kraft zu verstehen« (Dogmatik, Bd. 1, Göttingen<br />
1995, 337). Zwar werde vom heiligen Geist so gespro<strong>ch</strong>en, als sei er eine Kraft, ein<br />
Raum oder Kraftfeld und eine Gabe, aber glei<strong>ch</strong>zeitig wird von ihm au<strong>ch</strong> in personhafter<br />
Weise gespro<strong>ch</strong>en, so dass man sagen muss: In dem, »was von Gott ausgeht«,<br />
ist »Gott selbst »in Person« gegenwärtig« (a.a.O., 1,308f). Diese Gegen wehr von<br />
Joest ermögli<strong>ch</strong>t uns die Verdeutli<strong>ch</strong>ung der eigenen Aussage: Der heilige Geist ist<br />
keine unpersönli<strong>ch</strong>e Kraft. Allerdings ist er au<strong>ch</strong> keine dritte Person. Vielmehr ist<br />
er die An wesen heit und Wirksamkeit der einen göttli<strong>ch</strong>en Person des Kyrios. Zwar<br />
muss man den Geist des Ky rios vom Kyrios selbst als der persönli<strong>ch</strong>en Mitte seiner<br />
Allwirksamkeit unters<strong>ch</strong>eiden, denno<strong>ch</strong> gilt: Überall, wo der heilige Geist erfahren<br />
wird, da wird niemand anders als der Kyrios selbst erfahren. Daher ist der Geist<br />
keine unper sönli<strong>ch</strong>e Auswirkung eines im übrigen »in Distanz bleibenden Gottes«<br />
(a.a.O., 1,309). Viel mehr ist er die wirksame An wesenheit des Christengottes; und<br />
daher wird dieses im Glauben erfahrbare Sein im Kraftfeld des Geistes als das Aufgehobensein<br />
in der warmher zigen Nähe Jesu erlebt.<br />
OFFENE TORE 2/07 83
(Apg 2,1ff.) begründet der heilige Geist die Gemeins<strong>ch</strong>aft der Glaubenden,<br />
»denn diese Erzählung verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>t jedenfalls, daß der<br />
Geist allen Jüngern gemeinsam gegeben wurde und damit die Kir<strong>ch</strong>e<br />
ihren Anfang genommen hat.« (STh 3,25). »In den altkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Glaubensbekenntnissen wurde seit dem 2. Jahrhun dert die Kir<strong>ch</strong>e<br />
in enger Verbindung mit dem heiligen Geist genannt, sozusagen<br />
als ›Ort seines Wirkens‹.« (STh 3,33). Vor diesem Hintergrund ist<br />
es verwunderli<strong>ch</strong>, dass Swe den borg den heiligen Geist ni<strong>ch</strong>t im<br />
Zusammenhang seiner Lehre von der Kir<strong>ch</strong>e nennt. Das Ers<strong>ch</strong>einungsbild<br />
beherrs<strong>ch</strong>end ist vielmehr die Aussage, dass das Gute und<br />
Wahre das Kir<strong>ch</strong>enbildende im Mens<strong>ch</strong>en ist (siehe oben EL 72, NJ<br />
24, 241). Do<strong>ch</strong> genau hinter dieser Bes<strong>ch</strong>reibung verbirgt si<strong>ch</strong> der<br />
heilige Geist, denn Swedenborg s<strong>ch</strong>reibt: »Die göttli<strong>ch</strong>e Liebe und<br />
Weisheit, die aus dem Herrn als Sonne hervorgehen und im Himmel<br />
Wärme und Li<strong>ch</strong>t spenden, sind das hervorgehende Göttli<strong>ch</strong>e; dies<br />
ist der heilige Geist.« (GLW 146) 21 . Au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Swedenborg wird die<br />
Kir<strong>ch</strong>e demna<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> das Pneuma konstituiert. Dieses Wehen des<br />
heiligen Geistes ist die »divina operatio« (die göttli<strong>ch</strong>e Wirksamkeit,<br />
WCR 138ff.), die auf das Engste mit dem Kyrios verbunden ist (WCR<br />
139). Die Identifikation des heiligen Geistes mit der Wirksamkeit<br />
des erhöhten Herrn ist wohl au<strong>ch</strong> der Grund dafür, dass die Kir<strong>ch</strong>e<br />
bei Swedenborg vorder gründig betra<strong>ch</strong>tet <strong>ch</strong>ristologis<strong>ch</strong> begründet<br />
ist. Aber das s<strong>ch</strong>ließt eben ni<strong>ch</strong>t aus, sondern vielmehr ein, dass<br />
die »divina operatio« des Kyrios, also sein Geist, das na<strong>ch</strong> österli<strong>ch</strong><br />
Kir<strong>ch</strong>enbildende in der Mens<strong>ch</strong>enwelt ist. Das belegt au<strong>ch</strong> die folgende<br />
Aufs<strong>ch</strong>lüsselung der Wirksamkeit (operatio) des Geistes: »Die<br />
göttli<strong>ch</strong>e Kraft (virtus) und Wirksamkeit (operatio), die unter dem<br />
heiligen Geist verstanden wird, ist im all gemeinen die Umbildung<br />
und Wiedergeburt, und diesen gemäß die Erneuerung, Bele bung,<br />
Heiligung und Re<strong>ch</strong>tfertigung, und diesen gemäß die Reinigung<br />
21 Bea<strong>ch</strong>tenswert ist au<strong>ch</strong> die folgende Verbindung des einfl ießenden Lebens mit dem<br />
heiligen Geist: »Das Leben, das einfl ießt, ist Leben, das vom Herrn ausgeht, das au<strong>ch</strong><br />
Geist Gottes heißt, im Wort der heilige Geist, von dem gesagt wird, dass er erleu<strong>ch</strong>tet<br />
und lebendig ma<strong>ch</strong>t, ja dass er im Mens<strong>ch</strong>en wirkt.« (EO 875).<br />
84 OFFENE TORE 2/07
vom Bösen und die Vergebung der Sünden, und zuletzt die Seligma<strong>ch</strong>ung.«<br />
(WCR 142).<br />
Au<strong>ch</strong> in der Neuoffenbarung dur<strong>ch</strong> Jakob Lorber ist der Anfang<br />
der Kir<strong>ch</strong>e im Mens<strong>ch</strong>en der heilige Geist: »Auf der Erde gibt es nur<br />
eine wahre Kir<strong>ch</strong>e, und diese ist die Liebe zu Mir in Meinem Sohne,<br />
wel<strong>ch</strong>e aber ist der heilige Geist in eu<strong>ch</strong> und gibt si<strong>ch</strong> eu<strong>ch</strong> kund<br />
dur<strong>ch</strong> Mein lebendiges Wort, und dieses Wort ist der Sohn, und der<br />
Sohn ist Meine Liebe und ist in Mir und I<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>dringe Ihn ganz,<br />
und Wir sind eins, und so bin I<strong>ch</strong> in eu<strong>ch</strong>, und eure Seele, deren Herz<br />
Meine Wohnstätte ist, ist die alleinige wahre Kir<strong>ch</strong>e auf der Erde.<br />
In ihr allein ist ewiges Leben, und sie ist die alleinseligma<strong>ch</strong>ende.«<br />
(HGt 1,4,9). Die Liebe zwis<strong>ch</strong>en Sohn und Vater überträgt si<strong>ch</strong> in die<br />
Seele als heiliger Geist. Er ist in der Seele gewissermaßen die ecclesia<br />
in principio, das heißt die erste und grundlegende Äußerung der<br />
Kir<strong>ch</strong>e oder des Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en in der Seele.<br />
4. Wort und Sakrament:<br />
Das si<strong>ch</strong>tbare Göttli<strong>ch</strong>e der Kir<strong>ch</strong>e<br />
4.1. Anknüpfung an die Reformation<br />
In der Augsburgis<strong>ch</strong>en Konfession von 1530 lesen wir: »Es wird<br />
au<strong>ch</strong> gelehret, daß alle Zeit musse ein heilige <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e sein<br />
und bleiben, wel<strong>ch</strong>e ist die Versammlung aller Glaubigen (congregatio<br />
sanctorum), bei wel<strong>ch</strong>en das Evangelium rein gepredigt und<br />
die heiligen Sakrament lauts des Evangelii gerei<strong>ch</strong>t werden (in qua<br />
evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta).« (CA<br />
VII). Wort und Sakrament gelten von daher in der evangelis<strong>ch</strong>-lutheris<strong>ch</strong>en<br />
Kir<strong>ch</strong>e als »notae ecclesiae«, das heißt als Kennzei<strong>ch</strong>en der<br />
Kir<strong>ch</strong>e. 22 Au<strong>ch</strong> Swedenborg als Mitglied der lutheris<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong>skir<strong>ch</strong>e<br />
S<strong>ch</strong>we dens stand in dieser Tradition. Wort und Sakrament sind<br />
für ihn die si<strong>ch</strong>t baren Quellen des spirituellen Lebens. Er s<strong>ch</strong>rieb:<br />
»Die Kir<strong>ch</strong>e, sagt man (dicitur), ist da, wo der Herr anerkannt wird<br />
22 In der reformierten Tradition gilt vielerorts die Kir<strong>ch</strong>enzu<strong>ch</strong>t neben Wort und Sakrament<br />
als dritte »nota ecclesiae«.<br />
OFFENE TORE 2/07 85
und wo das Wort ist« (NJ 242). Daraus geht hervor, dass das Wort<br />
ein Kennzei<strong>ch</strong>en der Kir<strong>ch</strong>e ist. Nimmt man no<strong>ch</strong> die ausführli<strong>ch</strong>en<br />
Würdigungen von Taufe und Abendmahl in der »Wahre[n] Christli<strong>ch</strong>en<br />
Religion« hinzu, dann ist man bei den beiden »notae ecclesiae«<br />
von CA VII.<br />
4.2. Das Wort Gottes<br />
Die Würdigung des Wortes als A und O des geistli<strong>ch</strong>en Lebens weist<br />
Swedenborg als einen Sohn der Refor ma tion aus, deren ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />
Bedeutung er in der Wiederentdeckung des Wortes sah: »Als<br />
das Wort von den Papisten fast vollständig verworfen worden war,<br />
kam es daher infolge einer Fügung der göttli<strong>ch</strong>en Vorsehung des<br />
Herrn zur Reformation, die das Wort glei<strong>ch</strong>sam aus dem Versteck<br />
hervorzog und wieder dem Gebrau<strong>ch</strong> über gab.« (WCR 270; siehe au<strong>ch</strong><br />
Invitatio 24). Die Heraushebung des Wortes verbindet Swedenborg<br />
mit Luther, was die beiden Reformatoren jedo<strong>ch</strong> trennt ist ihre Einstellung<br />
zur geistigen S<strong>ch</strong>riftdeutung. Luther verwarf sie »in geradezu<br />
tragis<strong>ch</strong>er Verkennung der wahren Zusammenhänge« 23 , er<br />
sagte: »Weil i<strong>ch</strong> jung war, da war i<strong>ch</strong> gelehrt. (…) Da ging i<strong>ch</strong> mit Allegorie,<br />
Tropologie und Analogie um und ma<strong>ch</strong>te lauter Kunst. (…) I<strong>ch</strong><br />
weiß, daß das ein lauter Dreck ist, den i<strong>ch</strong> nun habe fahren lassen.<br />
(…) Der Literalsinn, der tut‘s. Da ist Leben, Trost, Kraft, Lehr und<br />
Kunst inne. Das andere ist Narrenwer k, wiewohl es ho<strong>ch</strong> gleißt«. 24<br />
Allein der Bu<strong>ch</strong> sta ben sinn zählt, alles andere ist na<strong>ch</strong> Luther »lauter<br />
Dreck« und »Narrenwerk«. Demgegenüber hat die katholis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e<br />
jedenfalls im Grundsatz nie die Existenz eines geistli<strong>ch</strong>en Sinnes<br />
geleugnet (DH 3792, 3828) 25 . Henri de Lubac (1896 – 1991) und<br />
im Ans<strong>ch</strong>lus an ihm Rudolf Voderholzer (geb. 1959) haben sehr auf-<br />
23 Rudolf Voderholzer, Die Einheit der S<strong>ch</strong>rift und ihr geistiger Sinn, 1998, Seite 45.<br />
24 WA TR 5,45,10 Nr. 5285. Zitiert na<strong>ch</strong>: Rudolf Voderholzer, Die Einheit der S<strong>ch</strong>rift und<br />
ihr geistiger Sinn, 1998, Seite 82.<br />
25 Heinri<strong>ch</strong> Denzinger, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Lehrents<strong>ch</strong>eidungen,<br />
38. Auflage 1999, Sigel: DH.<br />
86 OFFENE TORE 2/07
s<strong>ch</strong>lussrei<strong>ch</strong>e Studien zum Verständnis der alten, s<strong>ch</strong>on im Christusereignis<br />
wurzelnden geistigen S<strong>ch</strong>rift aus legung vorgelegt.<br />
Das Wort der heiligen S<strong>ch</strong>riften des alten und des neuen Bundes<br />
ist die si<strong>ch</strong>tbare Gegenwart des unsi<strong>ch</strong>tbaren Kyrios. Das ist johanneis<strong>ch</strong>e<br />
Theologie: Der Kyrios ist das Wort, und das Wort ist der Kyrios<br />
(Joh 1,1.14). Deswegen konnte in der Mens<strong>ch</strong>heitsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ein<br />
äußeres Wort auf S<strong>ch</strong>riftrollen und Codices entstehen, dur<strong>ch</strong> das der<br />
Kyrios in der physis<strong>ch</strong>en Welt anwesend ist. Das ist ein Mysterium,<br />
besonders im Horizont der aus s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> historis<strong>ch</strong>en Bibelwissens<strong>ch</strong>aft.<br />
Glei<strong>ch</strong>wohl bezeugt Swedenborg: »Der Herr in der Kir<strong>ch</strong>e ist<br />
das Wort« (OE 790). »Wenn daher das Wort geöffnet wird, ers<strong>ch</strong>eint<br />
der Herr« (OE 612). Ni<strong>ch</strong>t ohne Grund entfaltet Swedenborg in der<br />
wahren <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Religion seine Theologie des Wortes unmittelbar<br />
im Ans<strong>ch</strong>luss an die Gotteslehre. Denn das Wort ist der für die<br />
Kir<strong>ch</strong>e auf Erden si<strong>ch</strong>tbare Kyrios.<br />
Mehr no<strong>ch</strong>: Das Wort vergegenwärtigt den Kyrios ni<strong>ch</strong>t nur,<br />
es dient au<strong>ch</strong> der Vereinigung mit ihm. Die heilige S<strong>ch</strong>rift ist das<br />
für uns als äußerli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en greif bare Mittel, das uns mit den<br />
himmlis<strong>ch</strong>en Hierar<strong>ch</strong>ien und ihrem König verbindet. Lebendige,<br />
spirituelle Erfahrungen führten Swedenborg zu der Erkenntnis,<br />
»dass das Wort hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es des Sinnes seiner s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en Ers<strong>ch</strong>einungsform<br />
(quoad Sensum literae ejus) das göttli<strong>ch</strong>e Mittel der<br />
Verbindung (medium conjunctionis) 26 mit dem Kyrios und der Eingliederung<br />
in die Gesells<strong>ch</strong>aften der Engel des Himmels ist (consociationis<br />
cum Angelis Caeli).« (WCR 235). Das äußere Wort ist dem<br />
äußeren Mens<strong>ch</strong>en als die fundamentale Heilsgabe s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin in<br />
seine Hände gegeben worden, über die er Tag und Na<strong>ch</strong>t (in allen<br />
Zuständen seines Lebens) na<strong>ch</strong>sinnen soll, um am Ende eine Fru<strong>ch</strong>t<br />
zu brin gen, die bleibt (Psalm 1; Joh 15,16). Als »medium conjunctionis«<br />
verbindet das si<strong>ch</strong>tbare Wort die pilgernde Kir<strong>ch</strong>e mit dem unsi<strong>ch</strong>tbaren<br />
Kyrios und seinen Engeln.<br />
26 Zum Wort als »medium conjunctionis« äußert si<strong>ch</strong> Swedenborg ausführli<strong>ch</strong> in HH<br />
303-310.<br />
OFFENE TORE 2/07 87
Aufgrund des Gesagten können wir die Formulierung wagen:<br />
Das Wort ist das Sakrament der Gegenwart des Kyrios. Denn konstitutiv<br />
für den Begriff des Sakraments ist erstens der Ursprung bei<br />
Jesus Christus und zweitens seine »Funktion als zei<strong>ch</strong>enhafter Ausdruck<br />
des Christusmysteriums, das Jesus Christus und seine Kir<strong>ch</strong>e<br />
vereint« (STh 3,402). Beide Kriterien treffen auf die heilige S<strong>ch</strong>rift<br />
zu. Sie entspringt wie ein Strom lebendigen Wassers dem göttli<strong>ch</strong>en<br />
Logos und dient als zei<strong>ch</strong>enhafter Ausdruck seiner Gegenwart der<br />
Vereinigung mit ihm.<br />
Das Wort steht in einer inneren Verbindung mit dem heiligen<br />
Geist. Darauf deutet s<strong>ch</strong>on die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass unter dem heiligen Geist<br />
eigentli<strong>ch</strong> »das göttli<strong>ch</strong>e Wahre« zu verstehen ist (WCR 139). Das äußere<br />
Wort der Bibel ist ein Bedeutungsfeld, innerhalb dessen Göttli<strong>ch</strong>es<br />
gesu<strong>ch</strong>t und gefunden werden kann. Das Göttli<strong>ch</strong>e des Wortes<br />
ist das innere Sinnverständnis, das in der Korrespondenz (im we<strong>ch</strong>selseitigen<br />
Gesprä<strong>ch</strong>) zwis<strong>ch</strong>en dem heiligen Geist im Mens<strong>ch</strong>en<br />
und dem äußeren S<strong>ch</strong>riftwort vor ihm empfangen werden kann. Der<br />
»sensus internus« ist das Bewusstsein des göttli<strong>ch</strong>en Wahren, das<br />
im Spannungsfeld zwis<strong>ch</strong>en dem inneren Pol der Wirksamkeit des<br />
heiligen Geistes und dem äußeren Pol der Erfors<strong>ch</strong>ung der heiligen<br />
S<strong>ch</strong>rift entsteht. Dieses innere Sinnerwa<strong>ch</strong>en ist die kir<strong>ch</strong>enbildende<br />
Wirkung, die vom heiligen Geist hervorgebra<strong>ch</strong>t wird.<br />
Vor diesem Hintergrund kann man mit Luther sagen, dass die<br />
Kir<strong>ch</strong>e »creatura verbi« (WA 6,560) ist. Das ist au<strong>ch</strong> ein zentraler Gedanke<br />
Swedenborgs, denn er s<strong>ch</strong>reibt: »Die Kir<strong>ch</strong>e ist aus dem Wort<br />
abgeleitet (ecclesia est ex Verbo)« (LH 15). »Die Kir<strong>ch</strong>e entsteht dur<strong>ch</strong><br />
das Wort, und ihre Bes<strong>ch</strong>affenheit beim Mens<strong>ch</strong>en ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />
seinem Verständnis des Wortes.« (WCR 243ff.). Aus dem Wort als der<br />
Quelle der Kir<strong>ch</strong>e entwickelt si<strong>ch</strong> als nä<strong>ch</strong>ste Stufe die Lehre. Man<br />
muss zwis<strong>ch</strong>en Wort und Lehre unters<strong>ch</strong>eiden. Denn das Wort ist<br />
no<strong>ch</strong> keine systematis<strong>ch</strong>e Dar stellung der kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Lehre, aber<br />
es ist der Grund, aus dem jede Generation immer wieder neu, ihren<br />
Fähigkeiten gemäß die Lehre entwickeln muss: »Die Lehre aus dem<br />
Wort konstituiert die Kir<strong>ch</strong>e (doctrina ex Verbo facit ecclesiam)« (OE<br />
88 OFFENE TORE 2/07
786). 27 Der »fons vitae« (Lebensquell) aller Spiritualität aber ist das<br />
Wort, dort begegnet die Braut ihrem Bräutigam.<br />
4.3. Die Sakramente: Taufe und Abendmahl<br />
4.3.1. Zu den Sakramenten im allgemeinen<br />
Im Neuen Testament kommt der Begriff »Geheimnis« (to mys te ri on)<br />
mehrfa<strong>ch</strong> und zwar sowohl im Singular als au<strong>ch</strong> im Plural vor.<br />
Christus ist »das Geheimnis Gottes« (Kol 2,2; vgl. au<strong>ch</strong> Eph 3,4). »In<br />
ihm sind alle S<strong>ch</strong>ätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen.« (Kol<br />
2,3). Seit der Wende vom zweiten zum dritten Jahr hundert werden<br />
au<strong>ch</strong> die Taufe und das Abendmahl als Mysterien oder Sakramente<br />
bezei<strong>ch</strong>net (STh 3,381). Augustin führte die wirkungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />
wi<strong>ch</strong>tige Deutung der Sakramente als Zei <strong>ch</strong>en ein: »sacramentum,<br />
id est sacrum signum (Sakrament, das heißt heiliges Zei<strong>ch</strong>en)« 28<br />
Seine berühmte Sakra ments definition lautet: »Das Wort tritt zum<br />
Element hinzu, und das Sakrament entsteht; so ist es glei<strong>ch</strong> sam ein<br />
si<strong>ch</strong>tbares Wort (Accedit verbum ad elementum et fit sacramentum,<br />
etiam ipsum tanquam visibile verbum)«. 29 Swedenborg hat diese<br />
Definition zur Kenntnis genommen: »Die s<strong>ch</strong>arfsinnigsten Denker<br />
der Kir<strong>ch</strong>e haben des halb gelehrt, es werde erst dadur<strong>ch</strong> zum Sakrament,<br />
daß das Wort zu den Elementen hinzutritt (dum accedit<br />
Verbum ad Elementum fiat Sacramentum).« (WCR 699) 30 . Do<strong>ch</strong> obglei<strong>ch</strong><br />
er den augustinis<strong>ch</strong>en Ansatz für s<strong>ch</strong>arfsinnig hält, distanziert<br />
er si<strong>ch</strong> von ihm, indem er bemängelt, dass »dieser Ursprung<br />
der Heiligkeit des Abendmahls« »keinem Verständnis zugängli<strong>ch</strong>«<br />
ist und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t »in den Elementen oder Symbolen (in elementis<br />
27 Dass die Lehre die Kir<strong>ch</strong>e ist, ist ein Gedanke, der au<strong>ch</strong> bei Jakob Lorber hervortritt:<br />
»I<strong>ch</strong> habe eu<strong>ch</strong> aber au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on sattsam gezeigt, wel<strong>ch</strong>en Verlauf in den künftigen<br />
Zeiten diese Meine Lehre, die da ist eine wahrhaft von Mir Selbst neu gegründete<br />
Kir<strong>ch</strong>e, unter den Mens<strong>ch</strong>en nehmen wird.« (GEJ 9,39,8).<br />
28 De civ. Dei X,5, zit. na<strong>ch</strong> STh 3,382.<br />
29 Tract. in Joh. 80,3; zit. na<strong>ch</strong> Wolf-Dieter Haus<strong>ch</strong>ild, Lehrbu<strong>ch</strong> der Kir<strong>ch</strong>en- und Dogmenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />
Band 1, 1995, Seite 240.<br />
30 Siehe au<strong>ch</strong> EO Lehren der protestantis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e und Religion im Auszug VII:<br />
»nam cum accedit Verbum ad elementum, fit Sacramentum«.<br />
OFFENE TORE 2/07 89
seu symbolis ejus)« ers<strong>ch</strong>eint, sondern nur »ins Gedä<strong>ch</strong>tnis« aufgenommen<br />
wird (WCR 699). Swedenborg eigener Ansatz arbeitet mit<br />
dem Konzept der Ent spre<strong>ch</strong>ungen: »Daher kommt es, dass die zwei<br />
Sakramente Entspre<strong>ch</strong>ungen des Geistigen mit dem Natürli<strong>ch</strong>en<br />
sind, woher au<strong>ch</strong> ihre Kraft und Ma<strong>ch</strong>t kommt.« (Invitatio 45) 31 .<br />
Zum Verständnis der Sakramente gehört die Vorstellung von zwei<br />
Ebenen. Im Vordergrund stehen Elemente und Hand lungen, die der<br />
si<strong>ch</strong>tbaren Welt angehören und dem äußeren Mens<strong>ch</strong>en zugängli<strong>ch</strong><br />
sind; zuglei<strong>ch</strong> aber verweist das Si<strong>ch</strong>tbare auf das Un si<strong>ch</strong>tbare und<br />
Eigentli<strong>ch</strong>e. Diese beiden Ebenen, die si<strong>ch</strong>tbare und die unsi<strong>ch</strong>tbare,<br />
gehören zum Wesen der Sakramente. Pannenberg s<strong>ch</strong>reibt:<br />
»Im heutigen Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> bezei<strong>ch</strong>net das Wort ›Sakrament‹<br />
zu sam menfassend eine Reihe von gottesdienstli<strong>ch</strong>e Handlungen,<br />
und zwar genauer sym bolis<strong>ch</strong>e oder ›realsymbolis<strong>ch</strong>e‹ Handlungen,<br />
oder au<strong>ch</strong> – wie im Fall der Ehe – den dur<strong>ch</strong> eine sol<strong>ch</strong>e Handlung<br />
geheiligten Lebensvollzug.« (STh 3,369) 32 .<br />
31 Siehe au<strong>ch</strong> Invitatio 59: »(Es soll gezeigt werden), dass den Entspre<strong>ch</strong>ungen eine<br />
sehr große Kraft innewohnt, weil in ihnen Himmel und Erde (mundus) oder Geistiges<br />
und Natürli<strong>ch</strong>es eins sind, und dass daher das Wort in reinen Entspre<strong>ch</strong>ungen<br />
ges<strong>ch</strong>rieben ist. Deswegen ges<strong>ch</strong>ieht dur<strong>ch</strong> das Wort die Verbindung des Mens<strong>ch</strong>en<br />
mit dem Himmel und auf diese Weise mit dem Herrn, und so ist er im Ersten und<br />
zuglei<strong>ch</strong> im Letzten. Daher sind au<strong>ch</strong> die Sakramente dur<strong>ch</strong> die Entspre<strong>ch</strong>ungen<br />
eingesetzt worden, denn dadur<strong>ch</strong> wohnt ihnen göttli<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>t inne.« Der lateinis<strong>ch</strong>e<br />
Grundtext lautet: »Quod maxima vis insit correspondentiis (ostendatur); quia in<br />
illis caelum et mundus, seu spirituale et naturale, una sunt; et quod ideo Verbum per<br />
meras correspondentias conscriptum sit; quare [per] illud est conjunctio hominis<br />
cum caelo, ita cum Domino; estque sic Dominus in primis et simul in ultimis. Ideo<br />
Sacramenta per correspondentias instituta sunt, quibus ideo Divina potentia inest.«<br />
32 Realsymbol (Karl Rahner): Die katholis<strong>ch</strong>e Theologie unters<strong>ch</strong>eidet zwis<strong>ch</strong>en Vertretungssymbol<br />
und Realsymbol. Ein Vertretungssymbol vertritt etwas Abwesendes;<br />
es weist auf etwas hin, dass unabhängig von ihm existiert (Beispiel: Baustellens<strong>ch</strong>ild).<br />
In einem Realsymbol hingegen realisiert si<strong>ch</strong> das, was symbolisiert wird; es<br />
läßt das, was es bezei<strong>ch</strong>net, zuglei<strong>ch</strong> anwesend sein. Ein Beispiel für ein Realsymbol<br />
ist der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Leib. Der Mens<strong>ch</strong> ist ni<strong>ch</strong>t sein Körper, aber dieser ist das ihn<br />
verwirkli<strong>ch</strong>ende und vergegenwärtigende Zei<strong>ch</strong>en seiner selbst; sein Geist findet<br />
Ausdruck und realisiert si<strong>ch</strong> in der Leibli<strong>ch</strong>keit, dur<strong>ch</strong> die er überhaupt erst zu si<strong>ch</strong><br />
selbst finden kann. Rahners Realsymbol kann mit Swedenborgs »repraesentatio«<br />
vergli<strong>ch</strong>en werden.<br />
90 OFFENE TORE 2/07
Konstitutiv für das Sakrament ist die Einsetzung dur<strong>ch</strong> Jesus<br />
Christus. Der theologis<strong>ch</strong>en Tradition zufolge unters<strong>ch</strong>eidet die göttli<strong>ch</strong>e<br />
Einsetzung die sogenannten Sakramente von sonstigen kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Handlungen (STh 3,306). Swedenborg geht mit den Reformatoren<br />
no<strong>ch</strong> davon aus, dass Taufe und Abendmahl dur<strong>ch</strong> Jesus<br />
Christus eingesetzt worden sind 33 : »Daß die Taufe befohlen wurde<br />
(mandatus sit), sieht man deutli<strong>ch</strong> an der Taufe des Johannes im Jordan,<br />
zu der si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Matthäus 3,5f. und Markus 1,4f. ganz Judäa<br />
und Jerusalem einfand, ebenso au<strong>ch</strong> daran, daß na<strong>ch</strong> Matthäus 3,13-<br />
17 der Herr, unser Heiland, selbst von Johannes ge tauft wurde, und<br />
überdies daran, daß er na<strong>ch</strong> Matthäus 28,19 den Jüngern befahl, alle<br />
Völker zu taufen. Wer sieht ni<strong>ch</strong>t, daß es mit dieser Einsetzung (in<br />
illa Institutione) etwas Göttli<strong>ch</strong>es auf si<strong>ch</strong> hat, …« (WCR 668). Interessanterweise<br />
argumentiert Swedenborg ni<strong>ch</strong>t vorrangig mit dem<br />
sogenannten Tauf befehl. Die göttli<strong>ch</strong>e Einsetzung des Abendmahls<br />
spri<strong>ch</strong>t Swedenborg in HG 10519, OE 376, EO 219 und NJ 210 an. »Das<br />
heilige Abendmahl wurde vom Herrn eingesetzt (a Domino instituta<br />
est), damit dur<strong>ch</strong> dasselbe eine Verbindung (conjunctio) der Kir<strong>ch</strong>e<br />
mit dem Himmel und so mit dem Herrn bestehe. Darum ist es das<br />
Hei ligste des Gottesdienstes.« (NJ 210).<br />
Die katholis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e kennt sieben Sakramente: die Taufe, die<br />
Firmung, die Eu<strong>ch</strong>aristie, die Buße, die Kran kensalbung, das Weihesakrament<br />
und die Ehe. »Die Siebenzahl der Sakramente setzte si<strong>ch</strong><br />
erst im 12. Jahrhundert als theologis<strong>ch</strong>e Lehrmeinung dur<strong>ch</strong> und<br />
wurde 1274 auf dem Konzil zu Lyon offizielle Lehre der Kir<strong>ch</strong>e.« (STh<br />
3,370). Die Reformation reduzierte diese Zahl jedo<strong>ch</strong> auf zwei, nämli<strong>ch</strong><br />
Taufe und Abendmahl, weil die geforderte Einsetzung dur<strong>ch</strong><br />
Jesus Christus nur für diese beiden Handlungen »unzweifelhaft<br />
biblis<strong>ch</strong> begründet zu sein s<strong>ch</strong>ien« (STh 3,307). »Im Hinblick auf<br />
Bei<strong>ch</strong>te und Absolution, deren Einsetzung dur<strong>ch</strong> Christus Luther<br />
33 W. Pannenberg: »In der gegenwärtigen theologis<strong>ch</strong>en Diskussions lage stößt die<br />
strenge reformatoris<strong>ch</strong>e Fassung des Sakramentsbegriffs mit ihrer Forderung des<br />
Na<strong>ch</strong>weises einer Einsetzung dur<strong>ch</strong> Jesus selbst sogar im Fall der Taufe und des<br />
Herrenmahls auf S<strong>ch</strong>wierigkeiten.« (STh 3,373).<br />
OFFENE TORE 2/07 91
wegen Mt 18,15ff. für gesi<strong>ch</strong>ert hielt (WA 6,546), ers<strong>ch</strong>ien wegen<br />
des fehlenden Zei<strong>ch</strong>ens die Zählung als Sakrament als zweifelhaft<br />
(572).« (STh 3,372). Swedenborg s<strong>ch</strong>loss si<strong>ch</strong> der Reformation an und<br />
anerkennt au<strong>ch</strong> nur »zwei Sakramente« (WCR 667), die Taufe und<br />
das Abend mahl, zu denen er si<strong>ch</strong> in NJ 202ff. und WCR 667ff. ausführli<strong>ch</strong><br />
äußert.<br />
Zwei Sakramente fassen das ganze Wesen des <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en<br />
Lebens zusammen. Denn Jesus Christus war das Ende der Vorbildungen<br />
34 oder vorbildenden Religionen mit ihren Tem peln, Altären,<br />
Opfern, Riten usw. Na<strong>ch</strong> Paulus war Christus »das telos des Gesetzes«<br />
(Röm 10,4), wobei »telos« sowohl Ende als au<strong>ch</strong> Ziel bedeutet.<br />
Die Repräsentationen oder Vergegenwärtigungen des no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />
anwesenden Gottes verloren naturgemäß ih re Bedeutung als der in<br />
allen kultis<strong>ch</strong>en Handlungen nur vorläufig Dargestellte selbst leibhaftig<br />
in Ers<strong>ch</strong>einung trat. Denno<strong>ch</strong> gab der Kyrios dem in seiner<br />
Person eröffneten inneren Gottesdienst au<strong>ch</strong> eine, allerdings auf wenige<br />
Elemente bes<strong>ch</strong>ränkte äußere Form, die das Mysterium der<br />
Wiedergeburt symbolis<strong>ch</strong> darstellen sollen. Im Mittelpunkt des äußeren<br />
Gottesdienstes der <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e stehen daher das Wort<br />
und die beiden Sakramente der Taufe und des Abendmahls. Das<br />
Ende der Vorbildungen dur<strong>ch</strong> Jesus Christus und die glei<strong>ch</strong>zeitige<br />
Zusammenfassung und Reduktion des Kultes auf die beiden Sakramenten<br />
bes<strong>ch</strong>reibt Swedenborg folgendermaßen: »Bekanntli<strong>ch</strong> hat<br />
der Herr die inneren Mysterien (interna) seines Rei<strong>ch</strong>es und der<br />
Kir <strong>ch</strong>e aufges<strong>ch</strong>lossen. Sie waren freili<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on den alten Weisen<br />
(antiquis) bekannt … Das alles wußten (also s<strong>ch</strong>on) die Mens<strong>ch</strong>en<br />
der alten Kir<strong>ch</strong>e, aber sie wurden dur<strong>ch</strong> äußere Dinge (externa), die<br />
kultis<strong>ch</strong>e Vergegenwärtigungen (repraesentativa) waren, zu diesen<br />
inneren Mysterien geführt (ducebantur … ad illa). Weil aber dieses<br />
Wissen bei den Juden ganz und gar verlorengegangen war, deswe-<br />
34 Swedenborgs Wort ist »repraesentativum«. Im Hinblick auf die folgenden Ausführungen<br />
zu den Sakramenten sei angemerkt, dass »repraesentativum« sowohl in die<br />
gedankli<strong>ch</strong>e Nähe von Zei<strong>ch</strong>en (»signum reprae sen ta ti vum externum«, WCR 140)<br />
als au<strong>ch</strong> von Symbol (»in repraesentativo et symbolico«, HG 3478) rücken kann.<br />
92 OFFENE TORE 2/07
gen hat der Herr es wieder gelehrt, zuglei<strong>ch</strong> aber die kultis<strong>ch</strong>en Formen<br />
(repraesentativa) abges<strong>ch</strong>afft, weil der größte Teil von ihnen<br />
auf ihn bezogen war und das Bild (imago) nun einmal vers<strong>ch</strong>windet,<br />
sobald das Abbild (des unsi<strong>ch</strong>tbaren Gottes) (effigies) selbst ers<strong>ch</strong>eint.<br />
So hat er eine neue Kir <strong>ch</strong>e gegründet, die ni<strong>ch</strong>t mehr wie<br />
die frühere dur<strong>ch</strong> Darstellungen des Mysteriums (repraesen tativa)<br />
zum Inneren geführt wird, sondern ohne sie die Geheimnisse des<br />
Got tes rei<strong>ch</strong>es (illa) weiß. Anstelle der alten Kultformen hat er nur<br />
einige äußere gottes dienstli<strong>ch</strong>e Handlungen (externa) angeordnet,<br />
nämli<strong>ch</strong> die Taufe und das Abendmahl; die Taufe, damit man dur<strong>ch</strong><br />
sie an die Wiedergeburt erinnert werden soll, und das Abend mahl,<br />
damit man dadur<strong>ch</strong> an den Herrn erinnert werden soll, und zwar an<br />
seine Liebe zum mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t und an die erwidernde<br />
Liebe des Mens<strong>ch</strong>en zu ihm.« (HG 4904). »Ebenso wie viele andere<br />
Dinge wurden diese Was<strong>ch</strong>ungen den Kindern Israels darum aufgelegt<br />
und befohlen, weil die bei ihnen gegründete Kir<strong>ch</strong>e eine vorbildende<br />
Kir<strong>ch</strong>e war. Diese aber war von der Art, daß sie die <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e<br />
Kir<strong>ch</strong>e der Zukunft wie im Bilde darstellte. Als der Herr in die<br />
Welt kam, s<strong>ch</strong>affte er deshalb diese samt und sonders äußerli<strong>ch</strong>en<br />
Vorbildungen ab und gründete eine Kir<strong>ch</strong>e, bei der alles innerli<strong>ch</strong><br />
war. So hob der Herr die Abbilder (figuras) auf und enthüllte die Urbilder<br />
(effigies) selbst, so wie jemand einen Vorhang wegzieht oder<br />
die Tür öffnet und dadur<strong>ch</strong> das Inwendige ni<strong>ch</strong>t nur si<strong>ch</strong>tbar, sondern<br />
au<strong>ch</strong> zugängli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t. Von all jenen Vorbildungen behielt der<br />
Herr nur zwei bei, die alles zur inneren Kir<strong>ch</strong>e Gehörige wie in<br />
einer Zusammenfassung (in uno complexu) enthalten sollten, nämli<strong>ch</strong><br />
die Taufe anstelle der Was<strong>ch</strong>ungen und das Heilige Abendmahl<br />
anstelle des Lammes, das zwar jeden Tag, mit vollständigem Ritus<br />
aber nur am Passahfest geopfert wurde.« (WCR 670). Die Sakramente<br />
sind ein Entgegenkommen Gottes an den auf Äußerli<strong>ch</strong>es fixierten<br />
Men s<strong>ch</strong>en. Der Übergang von der Kultkir<strong>ch</strong>e zur Geistkir<strong>ch</strong>e<br />
war ni<strong>ch</strong>t mit einem Mal vollziehbar. Deswegen konnte der Kult der<br />
vorbildenden Religion ni<strong>ch</strong>t gänzli<strong>ch</strong> aufgegeben werden. Er konnte<br />
aber auf zwei alles zusammenfassende Handlungen re du ziert wer-<br />
OFFENE TORE 2/07 93
den. Der gemeinsame Ort dieser beiden sakramentalen Vollzüge ist<br />
der Gottesdienst, den Swedenborg »cultus« nennt. Im Hinblick auf<br />
das Abendmahl s<strong>ch</strong>reibt er: »Dieses äußere Symbol (externum hoc<br />
symbolicum) ist ange ord net worden, weil si<strong>ch</strong> der größte Teil des<br />
mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts im äußeren Gottesdienst befindet und<br />
deswegen ohne etwas Äu ßeres kaum etwas Heiliges bei diesen Mens<strong>ch</strong>en<br />
wäre. Wenn sie nun also in der Liebe zum Herrn und in der<br />
tätigen Liebe gegenüber ihren Nä<strong>ch</strong>sten leben, dann haben sie Inneres<br />
bei si<strong>ch</strong> ohne allerdings zu wissen, dass es genau das Innere des<br />
Got tes dienstes ist, um das es eigentli<strong>ch</strong> geht (ipsissimum internum<br />
cultus). So werden sie in ihrem äußeren Gottesdienst in dem Gu ten<br />
bestärkt, das dur<strong>ch</strong> das Brot bezei<strong>ch</strong>net wird.« (HG 2165).<br />
4.3.2. Taufe und Abendmahl als Initiationsriten<br />
Taufe und Abendmahl können als Initiationsriten verstanden werden,<br />
das heißt als Riten, dur<strong>ch</strong> die jemand in eine Gemeins<strong>ch</strong>aft eingeführt<br />
wird (initiare = Zugang gewähren, einweihen). Der ini ti a tis<strong>ch</strong>e<br />
Charakter der Taufe ist in der <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Welt bekannt, denn<br />
überall wird sie als grund legender Akt für den Eintritt in die Kir<strong>ch</strong>e<br />
anerkannt, und au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Swedenborg symbolisiert sie »die Einführung<br />
(initiationem) in die Kir<strong>ch</strong>e« (HG 4255). Au<strong>ch</strong> die Eu<strong>ch</strong>aristie ist<br />
eine Initi a tion; na<strong>ch</strong> katholis<strong>ch</strong>er Darstellung ist sie na<strong>ch</strong> Taufe und<br />
Firmung der dritte und letzte S<strong>ch</strong>ritt der Ein gliederung in Christus<br />
und seine Kir<strong>ch</strong>e. Swedenborg sieht in ihr jedo<strong>ch</strong> »die Einführung<br />
(introductio) in den Himmel« (WCR 721) 35 . Während also die Taufe<br />
die grundlegende »Einführung (introductio) in die Kir <strong>ch</strong>e« (WCR<br />
721) dar stellt und au<strong>ch</strong> vollzieht und dem Getauften dadur<strong>ch</strong> ein spirituelles<br />
Zuhause gibt, ist die Mahlgemeins<strong>ch</strong>aft mit dem Kyrios die<br />
Ein weihung in die inneren Mysterien der Gemeins<strong>ch</strong>aft mit ihm. Das<br />
Abendmahl ist also die Vertiefung der Taufe, beide Sakramente aber<br />
35 Zum Abendmahl als Einführung in den Himmel siehe au<strong>ch</strong> GS 2,7f. Na<strong>ch</strong> der<br />
Speisung am Tis<strong>ch</strong> des Herrn heißt es: »Nun ist die große Installation ges<strong>ch</strong>ehen.«<br />
(GS 2,8,31).<br />
94 OFFENE TORE 2/07
sind Initiationsriten oder »zwei Pforten zum ewigen Leben (duae Portae<br />
ad vitam aeternam)« (WCR 721).<br />
4.3.3. Die Taufe<br />
Na<strong>ch</strong> Thomas von Aquin bewirken die Sakramente des neuen Bundes<br />
das, was sie darstellen (efficiunt quod figurant: 62,1 ad 1; siehe STh<br />
3,384 und 386). Das (ver)führt jedo<strong>ch</strong> zu der Ansi<strong>ch</strong>t, dass die Taufe<br />
als sol<strong>ch</strong>e bereits »das Ereignis der Wiedergeburt« (STh 3,266) sei.<br />
Pan nenberg s<strong>ch</strong>reibt: »In der Taufe ereignet si<strong>ch</strong> die Wiedergeburt<br />
des Men s<strong>ch</strong>en dur<strong>ch</strong> den Heiligen Geist.« (STh 3,264). Jeder Getaufte<br />
wäre demna<strong>ch</strong> ein Wie der ge borener. Nun ist es zwar aufgrund von<br />
Joh 3,5 ri<strong>ch</strong>tig, die Taufe mit der Wiedergeburt in Ver bin dung zu<br />
brin gen, aber diese sakramentale Handlung sollte ni<strong>ch</strong>t als Vollzug,<br />
sondern nur als »Symbol der Wie dergeburt« (HG 9032) angesehen<br />
werden. 36 Das Symbol als sol<strong>ch</strong>es bewirkt die Wiedergeburt<br />
no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Nur ein ihm entspre<strong>ch</strong>endes Leben führt zu diesem Ziel.<br />
Swedenborg s<strong>ch</strong>reibt: »Die Taufe ist das Symbol der Wieder geburt<br />
(symbolum rege ne rationis) des Mens<strong>ch</strong>en vom Herrn dur<strong>ch</strong> Wahres<br />
und Gu tes des Glaubens. Dur<strong>ch</strong> die Taufe ges<strong>ch</strong>ieht die Wiedergeburt<br />
ni<strong>ch</strong>t, sondern (nur) dur<strong>ch</strong> das dur<strong>ch</strong> die Taufe bezei<strong>ch</strong>nete Leben,<br />
in das die Christen, die das Glaubenswahre in Gestalt des Wortes<br />
haben, an s<strong>ch</strong>ließend eintreten.« (HG 2702).<br />
Swedenborg <strong>ch</strong>arakterisiert die Taufe häufig als »signum et memoriale«,<br />
das heißt als ein Zei<strong>ch</strong>en der beständigen Erinnerung an<br />
etwas, nämli<strong>ch</strong> an die Bestimmung des Gebo renen zur Wiedergeburt:<br />
»Niemand kommt dur<strong>ch</strong> die Taufe (als sol<strong>ch</strong>e) in den Himmel<br />
oder zum Glauben. Denn die Taufe dient nur als Zei<strong>ch</strong>en der beständigen<br />
Erinnerung (signum et memoriale) daran, dass der Mens<strong>ch</strong><br />
wiedergeboren werden soll …« (HH 329). Von »sig num« und »memoriale«<br />
ist im Zusammenhang der Taufe au<strong>ch</strong> in NJ 206, OE 356, EO<br />
36 Statt von einem Symbol der Wiedergeburt könnten wir au<strong>ch</strong> von einer Vorbildung<br />
derselben spre<strong>ch</strong>en: »Die Taufe bildete die Wiedergeburt des Mens<strong>ch</strong>en vor (repraesentabat),<br />
dur<strong>ch</strong> die der natürli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong> in die Kir<strong>ch</strong>e eingeführt (introducitur)<br />
und ein geistiger wird.« (OE 569).<br />
OFFENE TORE 2/07 95
776 und WCR 676 die Rede. Na<strong>ch</strong> EO 776 ist die Taufe ein »Zei<strong>ch</strong>en<br />
für den Himmel (signum pro caelo)« und ein »Erinnerungsmal für<br />
den Mens<strong>ch</strong>en (memoriale pro homine)«. »Memo riale« hebt einen Aspekt<br />
hervor, der s<strong>ch</strong>on im Zei<strong>ch</strong>en selbst vorhanden ist, das heißt »signum«<br />
meint Gedenkzei<strong>ch</strong>en. Diese Bedeutung von »signum« wird<br />
in HG 8066 si<strong>ch</strong>tbar: »Das ist aus der Bedeutung von Zei<strong>ch</strong>en ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>,<br />
insofern es eine beständige Er in nerung (perpetua recordatio)<br />
ist, denn was als Zei<strong>ch</strong>en und als Erinnerungsmal (memo riali) dient,<br />
das ist der beständigen Rückerinnerung (perpetuam reminiscentiam)<br />
wegen da.« Dur<strong>ch</strong> die Taufe ist dem Geborenen eine Bestimmung<br />
für seinen Lebensweg mit ge ge ben worden, und zwar die, no<strong>ch</strong><br />
einmal, dann aber geistig geborenen zu werden. Denn die erste Geburt<br />
endet im physis<strong>ch</strong>en Tod, sie kann aber dur<strong>ch</strong> die zweite Geburt<br />
veredelt werden, so dass sie s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> im Himmel endet.<br />
Die Taufe ist als Was<strong>ch</strong>ung eine rituelle Reinigung: »Unter jener<br />
Was<strong>ch</strong>ung (lavationem), die als Taufe bezei<strong>ch</strong>net wird, ist eine geistige<br />
Was<strong>ch</strong>ung zu verstehen, näm li<strong>ch</strong> die Reinigung (purificatio)<br />
vom Bösen und Fals<strong>ch</strong>en, somit die Wiedergeburt.« (WCR 670). Als<br />
»Reinigung (purificatio)« versteht Swedenborg die Taufe au<strong>ch</strong> in OE<br />
724 und WCR 144, na<strong>ch</strong> WCR 510 ist »die geistige Was<strong>ch</strong>ung« der<br />
Taufe »eine Abspülung der Sünden (ablutio a peccatis)«. 37 Die Reinigung<br />
ist der negative Aspekt der Taufe, dieser Si<strong>ch</strong>t zufolge nimmt<br />
sie etwas weg, und zwar die Sünden. Den positiven oder gebenden<br />
As pekt der Taufe behandelt Swedenborg in seiner Lehre vom dreifa<strong>ch</strong>en<br />
Nutzen derselben (WCR 677ff.): »Der erste Nutzen der Taufe<br />
ist die Einführung in die <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e, damit zuglei<strong>ch</strong> aber<br />
au<strong>ch</strong> die Einreihung unter die Christen in der geistigen Welt.« (WCR<br />
677). »Der zweite Nutzen der Taufe besteht darin, dass der Christ<br />
den Herrn Jesus Christus, den Erlöser und Heiland, erkennt und anerkennt<br />
und ihm na<strong>ch</strong>folgt.« (WCR 681). 38 »Der dritte als Endzweck<br />
37 Vgl. au<strong>ch</strong> Jakob Lorber: »Meine Kir<strong>ch</strong>e auf Erden ist ein Reinigungsbad« (HGt 1,2,5).<br />
38 Zum zweiten Nutzen der Taufe passt die ur<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Taufpraxis gut: »In den Anfängen<br />
der <strong>ch</strong>rist li <strong>ch</strong>en Taufpraxis dürfte dem Gebrau<strong>ch</strong> der trinitaris<strong>ch</strong>en Taufformel<br />
die Taufe auf den Namen Jesu vorausgegangen sein (Röm 6,3; Gal 3,27; vgl. 1.Kor<br />
96 OFFENE TORE 2/07
eabsi<strong>ch</strong>tigte Nutzen der Taufe besteht darin, dass der Mens<strong>ch</strong> wiedergeboren<br />
wird.« (WCR 684).<br />
Swedenborg übernimmt die erst seit Ende des zweiten Jahrhunderts<br />
na<strong>ch</strong>weisbare kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Praxis der Säuglingstaufe 39 : »Weil die<br />
Taufe (nur) zum Zei<strong>ch</strong>en und zum Gedenken (in signum et in memoriale)<br />
daran dient, deswegen kann der Mens<strong>ch</strong> (s<strong>ch</strong>on) als Kind getauft<br />
werden, und wenn ni<strong>ch</strong>t als Kind, dann eben als Erwa<strong>ch</strong>sener.«<br />
(NJ 206, vgl. au<strong>ch</strong> WCR 682). Weil Swedenborg die Taufe nur als ein<br />
Zei<strong>ch</strong>en der lebenslangen Erinnerung an die Bestimmung aller Geborenen,<br />
no<strong>ch</strong> einmal geboren zu werden, versteht, deswegen kann er<br />
die Praxis der Kindertaufe übernehmen. Der Glaube kann den Säuglingen<br />
oder kleinen Kindern selbstverständli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong><br />
den Taufakt übertragen werden: »Eine Täus<strong>ch</strong>ung ist es, dass der<br />
Glaube dur<strong>ch</strong> die Taufe sogar den Kindern gegeben wird (quod fides<br />
per baptismum etiam sit infantibus), wo do<strong>ch</strong> der Glaube dur<strong>ch</strong> die<br />
Erkenntnisse des Wahren und Guten und ein ihnen gemäßes Leben<br />
erworben werden muss.« (OE 781). Deswegen wird man die Kindertaufe<br />
ablehnen müssen, wenn »man die Taufe nur als Ausdruck und<br />
öffentli<strong>ch</strong>e Bekundung der Hinwendung eines Mens<strong>ch</strong>en zum Glauben<br />
versteht« (STh 3,290). In den Anfängen der <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e<br />
s<strong>ch</strong>loss die Taufe die Hinwendung zum Glauben ab: »Das Verhältnis<br />
von Taufe und Glaube stellte si<strong>ch</strong> in der Missionspraxis und Theologie<br />
der alten Kir<strong>ch</strong>e zunä<strong>ch</strong>st so dar, daß der Glaube vorangeht und<br />
die Taufe folgt. Das zeigt s<strong>ch</strong>on die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von der Taufe des<br />
äthiopis<strong>ch</strong>en Kämmerers dur<strong>ch</strong> Philippus (Apg 8,37), und das dürfte<br />
au<strong>ch</strong> der ursprüngli<strong>ch</strong>e Sinn ihrer Bezei<strong>ch</strong>nung als sacramentum<br />
fidei bei Tertullian sein: Von seiten des Täuflings war die Taufe Zeug-<br />
1,13-15). Besonders die Apostelges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te bezeugt diese Form der Taufe (Apg 2,38;<br />
8,16; 10,48; 19,3-5).« (STh 3,268f.). Au<strong>ch</strong> das Kreuzeszei<strong>ch</strong>en erinnert an den zweiten<br />
Nutzen: »… in der Taufe empfängt das Kind an Stirn und Brust das Zei<strong>ch</strong>en des Kreuzes,<br />
d. h. das Zei<strong>ch</strong>en der Einweihung (signum inaugurationis) in die Anerkennung<br />
und Verehrung des Herrn.« (WCR 682).<br />
39 »Die Säuglingstaufe wurde zwar im dritten Jahrhundert von Cyprian und Origenes<br />
s<strong>ch</strong>on als alter apostolis<strong>ch</strong>er Brau<strong>ch</strong> bezei<strong>ch</strong>net, ist aber vor Hippolyt von Rom – also<br />
vor Ende des zweiten Jahrhunderts – ni<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>er bezeugt.« (STh 3,287f.).<br />
OFFENE TORE 2/07 97
nis und Bekenntnis seines Glaubens. Das setzte die Unterri<strong>ch</strong>tung<br />
über den Inhalt des Glaubens voraus, wie sie im altkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Kate<strong>ch</strong>umenat<br />
stattfand.« (STh 3,287). Sein Verständnis der Taufe als »signum<br />
et me mo riale« ermögli<strong>ch</strong>t es Swedenborg, die Säuglingstaufe<br />
zu übernehmen. Niemand wä<strong>ch</strong>st in einem ideologis<strong>ch</strong>en Vakuum<br />
auf. Dur<strong>ch</strong> die Taufe ihrer Kinder kön nen <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Eltern zum Ausdruck<br />
bringen, dass sie ihre Kinder im Wasser und im Geiste der<br />
<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Wahrheit aufwa<strong>ch</strong>sen lassen wollen.<br />
4.3.4. Das Abendmahl<br />
Das Abendmahl ist das Sakrament der Vereinigung. Es vereinigt vertikal<br />
mit Jesus Chris tus und horizontal untereinander. Dazu s<strong>ch</strong>reibt<br />
Pannenberg: »Dabei ist grundlegend, daß die Christen dur<strong>ch</strong> die Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />
mit Jesus Christus, die ein jeder für si<strong>ch</strong> in Gestalt von<br />
Brot und Wein empfängt, zur Gemeins<strong>ch</strong>aft untereinander verbunden<br />
werden in der Einheit des Leibes Christi« (STh 3,324). Gegen<br />
seine Bedeutung als Sakrament der Vereinigung au<strong>ch</strong> untereinander<br />
ist das Abendmahl zum Zei<strong>ch</strong>en des gespaltenen Zustandes der<br />
Kir<strong>ch</strong>e geworden. Auf dem Weg zur Überwindung dieses Zustandes<br />
muss si<strong>ch</strong> die Einsi<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong>setzen: »Es ist ni<strong>ch</strong>t Mahl der Kir<strong>ch</strong>e,<br />
sondern das Mahl des Herrn seiner Kir<strong>ch</strong>e.« (STh 3,362). Swedenborg<br />
deutet das Abendmahl ebenfalls als Vereinigung, hebt aber nur den<br />
vertikalen Aspekt hervor: »Daraus geht hervor, dass der Mens<strong>ch</strong>,<br />
wenn er das Brot nimmt, das der Leib ist, mit dem Herrn dur<strong>ch</strong> das<br />
Gute der Liebe zu ihm und von ihm verbunden wird (conjungatur);<br />
und wenn er den Wein nimmt, der das Blut ist, dann wird er mit dem<br />
Herrn dur<strong>ch</strong> das Gute des Glaubens an ihn und von ihm verbunden<br />
(conjungatur). Man muss aber wissen, dass die Verbindung (conjunctio)<br />
mit dem Herrn dur<strong>ch</strong> das Sakrament des Abendmahls nur bei<br />
denen ges<strong>ch</strong>ieht, die im Guten der Liebe und des Glaubens an den<br />
Herrn und von dem Herrn sind. Das heilige Abendmahl ist das Siegel<br />
dieser Verbindung (sigillum illius conjunctionis).« (HG 10522). Dieselbe<br />
Formulierung gebrau<strong>ch</strong>t Swedenborg in NJ 213; nur der letzte<br />
98 OFFENE TORE 2/07
Satz ist dort ein anderer, er lautet: »Bei diesen erfolgt dur<strong>ch</strong> das heilige<br />
Abendmahl die Verbindung (conjunctio), bei den anderen hingegen<br />
findet (nur) eine Gegen wart (praesentia) statt, ni<strong>ch</strong>t die Verbindung<br />
(conjunctio).« Swedenborg will hier also deutli<strong>ch</strong>er als in HG<br />
10522 zum Ausdruck bringen, dass die Wirkung des Abendmahls<br />
vom Zustand dessen abhängt, der das Brot und den Wein empfängt.<br />
Das Abendmahl ist also ni<strong>ch</strong>t automatis<strong>ch</strong> das Siegel der Verbindung<br />
(HG 10522), sondern bewirkt je na<strong>ch</strong> dem inneren Zustand entweder<br />
die Vereinigung mit dem Herrn oder nur dessen Gegenwart. 40<br />
»Die Reformatoren haben die im katho lis<strong>ch</strong>en Eu<strong>ch</strong>aristieverständnis<br />
enthaltene Komponente einer Darbringung an Gott ents<strong>ch</strong>ieden<br />
abgelehnt … Sie verstehen das Abendmahl auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />
als Handeln Gottes an der Gemeinde … Die Ablehnung des Meßopfergedankens<br />
ist die dogmatis<strong>ch</strong> gewi<strong>ch</strong> tigste Differenz des reformatoris<strong>ch</strong>en<br />
Abendmahlsverständnisses gegenüber dem der katholis<strong>ch</strong>en<br />
Tradition.« 41 Au<strong>ch</strong> Swedenborg hat den katholis<strong>ch</strong>en Messopfergedanken<br />
abgelehnt. Das bedeutet freili<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, dass man den<br />
Opfergedanken vom Abendmahl vollkommen fernhalten muss. Im<br />
Gegenteil, dieses Sakrament ist an die Stelle des vorbildenden Opferkults<br />
getreten: »Als daher die Opfer (sacrificia) abges<strong>ch</strong>afft wurden,<br />
und an ihre Stelle für den äußeren Gottesdienst etwas anderes trat,<br />
wurde verordnet, daß Brot und Wein gebrau<strong>ch</strong>t werden sollten.« (HG<br />
2165). Das heilige Abendmahl trat »an die Stelle der Altäre oder der<br />
Brandopfer und S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>topfer« (HG 2811). Es »trat an die Stelle der<br />
Opfer und der Gastmähler aus dem Geheiligten« (HG 4211). 42 Na<strong>ch</strong><br />
40 Zur Verbindung mit dem Herrn dur<strong>ch</strong> das Abendmahl siehe au<strong>ch</strong> HG 4211: Das heilige<br />
Abendmahl »ist das Äußere der Kir<strong>ch</strong>e, wel<strong>ch</strong>es das Innere in si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ließt,<br />
und dur<strong>ch</strong> das Innere den Mens<strong>ch</strong>en, der in der Liebe und Liebtätigkeit ist, mit dem<br />
Himmel verbindet (conjungit), und dur<strong>ch</strong> den Himmel mit dem Herrn«. Und NJ 220:<br />
»Daher fl ießt das Heilige aus dem Himmel in die Mens<strong>ch</strong>en der Kir<strong>ch</strong>e ein, wenn<br />
sie heilig zum Sakrament des Abendmahls gehen (siehe HG 6789). Daher kommt<br />
die Verbindung (conjunctio) des Herrn (siehe HG 1519, 3464, 3735, 5915, 10521,<br />
10522).«<br />
41 Wilfried Joest, Dogmatik, Band 2, 1996, Seite 577.<br />
42 »Zudem umfaßt das Heilige Abendmahl und s<strong>ch</strong>ließt in si<strong>ch</strong> den ganzen Gottesdienst,<br />
der in der Israelitis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e eingesetzt war. Die Brandopfer und ande-<br />
OFFENE TORE 2/07 99
der Theologie des Hebräerbriefes ist Jesus Christus gewissermaßen<br />
das es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>e Opfer, das die Opfer des alten Bundes nur wie<br />
ein S<strong>ch</strong>atten darstellen konnten. Mit dem In-Ers<strong>ch</strong>einung-Treten des<br />
es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>en Opfers war der vorbildende Opferkult notwendigerweise<br />
überwunden und das neue Symbol der Gemeins<strong>ch</strong>aft mit<br />
Gott wurde das Abendmahl. Interessanterweise kann Swedenborg<br />
den Kreuzestod trotz seiner kritis<strong>ch</strong>en Bemerkungen zur herkömmli<strong>ch</strong>en<br />
theologia crucis mit der Kategorie des Opfers erfassen: Der<br />
Herr »bra<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> als Opfer (sacrificium) für die Sünden der ganzen<br />
Welt dar.« (WCR 727). Die vollständige Hingabe oder Selbstaufopferung<br />
des Herrn am Kreuz begründete die vollständige Selbstmitteilung<br />
des Herrn im Abendmahl, der si<strong>ch</strong> seiner Gemeinde in diesem<br />
Sakrament rückhaltlos mit Fleis<strong>ch</strong> und Blut gibt.<br />
Die katholis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e hat die Eu<strong>ch</strong>aristie untrennbar streng<br />
mit dem Weihesakrament verbunden. Das 4. La te ran konzil von 1215<br />
wertete die Bedeutung des Priesters auf, indem es erklärte, dass nur<br />
er kraft seiner Weihewürde imstande sei, Opfer und Wandlung zu<br />
vollziehen. In den Bes<strong>ch</strong>lüssen des Konzils heißt es: »Und dieses Sakrament<br />
[das Abendmahl] kann freili<strong>ch</strong> nur ein Priester vollziehen,<br />
der gültig geweiht wurde entspre<strong>ch</strong>end den S<strong>ch</strong>lüsseln der Kir<strong>ch</strong>e,<br />
die Jesus Christus selbst den Aposteln und ihren Na<strong>ch</strong>folgern gewährte.«<br />
(DH 802). Das gilt übrigens ni<strong>ch</strong>t für die Taufe (siehe Fortgang<br />
von DH 802). Au<strong>ch</strong> Papst Johannes Paul II. insistierte auf den<br />
Zusammenhang von Weihe sakra ment und Eu<strong>ch</strong>aristie (DH 4720-<br />
4723). Diese Auffassung entmündigt ni<strong>ch</strong>t nur das Volk Gottes innerhalb<br />
der katholis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e, sondern verhindert au<strong>ch</strong> die gemeinsame<br />
Feier des Abend mahls innerhalb des vielgliedrigen Leibes<br />
Christi, so dass das kräftigste Zei<strong>ch</strong>en der Einheit, näm li<strong>ch</strong> die Versammlung<br />
aller Christen am Tis<strong>ch</strong> des Herrn, ni<strong>ch</strong>t aufgeri<strong>ch</strong>tet<br />
werden kann. Aus swedenborgs<strong>ch</strong>er Perspektive ist die exklusive<br />
Bin dung der Eu<strong>ch</strong>aristie an das geweihte Priestertum ein wesentren<br />
Opfer, aus denen der Gottesdienst dieser Kir<strong>ch</strong>e hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> bestand, wurden<br />
nämli<strong>ch</strong> mit einem Wort ›Brot‹ genannt. Darum ist au<strong>ch</strong> das Heilige Abendmahl ihre<br />
Erfüllung (complementum).« (NJ 214).<br />
100 OFFENE TORE 2/07
li<strong>ch</strong>es Instrument zur Herstellung und Aufre<strong>ch</strong>t erhaltung des Abhängigkeitsverhältnisses<br />
der Gläubigen von der katholis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e<br />
bzw. ihrer »heiligen« Herr s<strong>ch</strong>aft (Hierar<strong>ch</strong>ie). Für die neue Kir<strong>ch</strong>e<br />
besteht kein Grund diese strenge Bindung zu übernehmen. Denn<br />
Jesus Christus hat das Abendmahl in die Hände seiner Jünger gelegt<br />
(vgl. »jedesmal wenn ihr …«, 1Kor 11,25f.). In den Jüngern sieht die<br />
neue Kir<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t die ersten Bis<strong>ch</strong>öfe, sondern die Gemeinde. Daher<br />
dürfen die Gemeinden der neuen Kir<strong>ch</strong>e, immer wenn sie si<strong>ch</strong> im<br />
Namen Christi versammeln, au<strong>ch</strong> das Herrenmahl feiern, au<strong>ch</strong> wenn<br />
kein or dinierter Priester anwesend ist. »Denn wo zwei oder drei in<br />
meinem Namen versammelt sind, da bin i<strong>ch</strong> mitten unter ihnen.«<br />
(Mt 18,20). Da ist also der »mitten unter ihnen«, der im eigentli<strong>ch</strong>en<br />
Sinne Brot und Wein austeilt.<br />
Der abs<strong>ch</strong>ließende zweite Teil wird in OT 3 / 2007 veröffentli<strong>ch</strong>t.<br />
OFFENE TORE 2/07 101
Drei Arten der Heilung<br />
von Eugene Taylor<br />
D<br />
as Bild der Krankheit, das die vers<strong>ch</strong>iedenen hinduistis<strong>ch</strong>en<br />
und buddhistis<strong>ch</strong>en Denkri<strong>ch</strong>tungen entwerfen, unters<strong>ch</strong>eidet<br />
si<strong>ch</strong> grundlegend von unseren abendländis<strong>ch</strong>en Vorstellungen über<br />
Gesundheit und Krankheit. In diesen fernöstli<strong>ch</strong>en Theorien wird<br />
weder die Auffassung vertreten, dass wir beim Tode in ein ewiges<br />
Leben übergingen, no<strong>ch</strong> dass wir am Jüngsten Tag vor den göttli<strong>ch</strong>en<br />
Ri<strong>ch</strong>ter geführt würden. Eher herrs<strong>ch</strong>t die Ans<strong>ch</strong>auung, dass wir<br />
na<strong>ch</strong> einer gewissen Zeit, je na<strong>ch</strong> Art der S<strong>ch</strong>ule, auf kurz oder lang<br />
in einer anderen Gestalt wiedergeboren würden. Dieses kommende<br />
Leben entsprä<strong>ch</strong>e dann in Gedanken, Worten und Taten unserem<br />
vorigem Leben. Unsere neue Gestalt sei um so niederer, so wir in<br />
unserem vorherigen Leben viel Fals<strong>ch</strong>es getan hätten oder um so<br />
höher, so wir einen gewissen Grad der Erleu<strong>ch</strong>tung erlangt hätten.<br />
Krankheit und Leid errei<strong>ch</strong>ten uns als Ausdruck dessen, was wir in<br />
unserem jetzigen oder einem vorherigen Leben geda<strong>ch</strong>t oder getan<br />
hätten.<br />
Diese Idee ist für jemanden aus dem westli<strong>ch</strong>en Kulturkreis<br />
nur s<strong>ch</strong>wer na<strong>ch</strong>zuvollziehen. Kritiker haben diesem Konzept vorgeworfen,<br />
dass es keine Lösung darstelle, dem Opfer zu sagen, warum<br />
wir jemanden liebten, warum wir litten oder stürben. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />
würde si<strong>ch</strong> in unserer te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong> ras<strong>ch</strong> vorans<strong>ch</strong>reitenden Gesells<strong>ch</strong>aft<br />
allein s<strong>ch</strong>on aufgrund des genetis<strong>ch</strong>en Codes, der krankma<strong>ch</strong>enden<br />
Umgebungen und des Mikrobenbefalls die Mögli<strong>ch</strong>keit<br />
ergeben, kommende Verläufe voraussagen. Es sei daher unmögli<strong>ch</strong>,<br />
den Einzelnen für jede Krankheit, die ihn befallen würde, verantwortli<strong>ch</strong><br />
zu ma<strong>ch</strong>en.<br />
I<strong>ch</strong> behaupte allerdings, dass dies Thema komplexer, feiner und<br />
geheimnisvoller ist, als dass wir ihm allein dur<strong>ch</strong> die oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />
und reduzierende Erklärung, dass die Individuen für ihre Krank-<br />
102 OFFENE TORE 2/07
heit verantwortli<strong>ch</strong> seien, beikämen. I<strong>ch</strong> gründe meine Ansi<strong>ch</strong>t auf<br />
meine Erfahrung als Fa<strong>ch</strong>arzt in einem Ärzteteam der Indo-China-<br />
Flü<strong>ch</strong>tlingsabteilung am Brighton Marine Hospital. Diese Einri<strong>ch</strong>tung<br />
war für die 18.000 Kambods<strong>ch</strong>aner in der Gegend von Boston<br />
ins Leben gerufen worden, von denen viele Opfer des Völkermords<br />
der Roten Khmer geworden waren.<br />
Viele Kambods<strong>ch</strong>aner, die diese Klinik aufsu<strong>ch</strong>ten, litten an Depressionen,<br />
post-traumatis<strong>ch</strong>em Stress und anderen seelis<strong>ch</strong>en Erkrankungen,<br />
die das Ergebnis der ständigen Folter war, die sie erlitten<br />
hatten. Wenn ein Seelenarzt versu<strong>ch</strong>te den Grund der Depression<br />
bei den Flü<strong>ch</strong>tlingen herauszufinden konnte er ni<strong>ch</strong>t wie übli<strong>ch</strong> fragen:<br />
»Fühlen Sie si<strong>ch</strong> immer traurig?«, da die Kambods<strong>ch</strong>aner mit<br />
dieser Frage ni<strong>ch</strong>ts anfangen konnten. Sie geht völlig an ihrer Weltsi<strong>ch</strong>t<br />
vorbei. Wenn sie gefragt wurden, wie sie zu ihren Folterern<br />
ständen, so haben viele geantwortet, dass sie keinen Groll hegten<br />
oder keine Vergeltung wollten. Eher fühlten sie Mitleid mit ihren Peinigern,<br />
da die Folterer nun die Konsequenzen ihrer Verbre<strong>ch</strong>en zu<br />
tragen hätten. Wenn die Opfer gefragt wurden, warum sie meinten,<br />
dass sie ihre Foltern erlitten hätten, sagten sie, dass sie die S<strong>ch</strong>uld<br />
ni<strong>ch</strong>t bei ihren Folterern su<strong>ch</strong>ten, sondern dass sie glaubten, dass es<br />
si<strong>ch</strong> um eine ungesühnte S<strong>ch</strong>uld aus einem vorherigen Leben handeln<br />
müsse, für die sie nun Buße zu tun hätten. Diese Antworten<br />
verwirrten die Seelenärzte. Sie waren völlig unvorbereitet na<strong>ch</strong> all<br />
dem Leid, dass den Patienten zugestoßen war, nun eine sol<strong>ch</strong>e Erklärung<br />
zu hören.<br />
Der springende Punkt hier ist, dass es aus Si<strong>ch</strong>t des Unwissenden<br />
die Einstellung zu unserem Leid sein dürfte, das uns erlaube<br />
dies zu ertragen. Demna<strong>ch</strong> habe unser Bewusstseinszustand sowohl<br />
etwas damit zu tun, warum wir litten als au<strong>ch</strong> damit, warum wir Genesung<br />
erführen. Es s<strong>ch</strong>eint logis<strong>ch</strong> anzunehmen, dass jede Krankheit<br />
oder jedes Trauma dur<strong>ch</strong> eine emotionale Antwort begleitet ist.<br />
Diese Antwort ermögli<strong>ch</strong>e uns, obs<strong>ch</strong>on wir selbst ni<strong>ch</strong>t die völlige<br />
Kontrolle über das besäßen, was uns zustoße, so do<strong>ch</strong> immerhin ein<br />
gewisses Maß der Kontrolle über unsere Emotionen.<br />
OFFENE TORE 2/07 103
Die buddhistis<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>t jedo<strong>ch</strong>, die si<strong>ch</strong> hier bei den Kambods<strong>ch</strong>anern<br />
zeigt, drückt weitaus mehr aus als eine bloße Einstellungsänderung.<br />
Gemäß dieser Si<strong>ch</strong>tweise wird vielmehr die Auffassung<br />
vertreten, dass das gesamte Universum anders strukturiert<br />
ist, als wir Abendländer uns dies vorstellten. Demna<strong>ch</strong> ständen alle<br />
vernünftigen Erklärungen, die wir in unserem gegenwärtigen Bewusstseinszustand<br />
vornehmen würden, im Verhältnis zu unserem<br />
Bewusstseinszustand selbst und seien nur aus unserem jetzigen Zustand<br />
heraus zu verstehen. Obwohl wir uns in unseren Ansi<strong>ch</strong>ten<br />
den Auffassungen anderer Kulturen überlegen fühlen, interpretiert<br />
unsere Wissens<strong>ch</strong>aft ihre Erkenntnisse allein aufgrund des westli<strong>ch</strong>en<br />
Standpunkts. Nehmen wir nun eine alternative Si<strong>ch</strong>tweise<br />
zur Hand, so greift die abendländis<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>t nur in bestimmten Berei<strong>ch</strong>en,<br />
erweist si<strong>ch</strong> aber keinesfalls für alle Sektoren der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />
Erfahrung als relevant.<br />
Aus buddhistis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t zum Beispiel werden sowohl die Ursa<strong>ch</strong>e<br />
als au<strong>ch</strong> die Heilung einer Krankheit rein psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong> geda<strong>ch</strong>t.<br />
Dies erklärt si<strong>ch</strong> aus der Rolle, die das Bewusstsein bei der buddhistis<strong>ch</strong>en<br />
Konstruktion von Wirkli<strong>ch</strong>keit spielt. Was immer au<strong>ch</strong> die<br />
großen Kräfte des Universums seien, so müssten sie do<strong>ch</strong> in Übereinstimmung<br />
mit der Seele des Einzelnen ges<strong>ch</strong>affen sein, um si<strong>ch</strong><br />
dort entweder wohl- oder übelwollend auszuwirken. Der swedenborgianis<strong>ch</strong>e<br />
Geistli<strong>ch</strong>e Warren Felt Evans war Pionier der US-amerikanis<strong>ch</strong>en<br />
Neu-Geist-Bewegung des 19. Jahrhunderts. Diese Stellung<br />
erwarb er si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> seine Auffassung, dass Gesundheit und Krankheit<br />
si<strong>ch</strong> allein auf den eigenen inneren und spirituellen Bewusstseinszustand<br />
bezögen. Evans glaubte, dass es si<strong>ch</strong> bei der Gesundheit<br />
um den Normalfall handele und dass die Krankheit dadur<strong>ch</strong><br />
entstünde, dass si<strong>ch</strong> ein Mens<strong>ch</strong> der natürli<strong>ch</strong>en Heilkräfte von Körper<br />
und Geist beraube. Krankheit ließe si<strong>ch</strong> oft anhand der Beziehung<br />
des Einzelnen zum Göttli<strong>ch</strong>en herleiten. Glei<strong>ch</strong>zeitig sei der<br />
Beginn von Leiden und Krankheit häufig mit dem Verlangen na<strong>ch</strong><br />
Rückkehr zum ri<strong>ch</strong>tigen Denken und Streben begleitet. So verspre<strong>ch</strong>e<br />
der oder die Erkrankte häufig, das Leben in andere Bahnen len-<br />
104 OFFENE TORE 2/07
ken zu wollen, so er oder sie nur wieder gesund würde. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />
s<strong>ch</strong>ließt die s<strong>ch</strong>limmste Krankheitsphase beim Einzelnen häufig den<br />
grundlegenden Drang na<strong>ch</strong> Leben oder Tod mit ein. Die Annalen der<br />
Medizin sind voll von Fallges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten, in denen Mens<strong>ch</strong>en eigentli<strong>ch</strong><br />
sterben sollten, jedo<strong>ch</strong> dann weiterlebten, da sie die Hoffnung<br />
auf und den Willen zum Leben besaßen. Dann wiederum gibt es die,<br />
wel<strong>ch</strong>e eigentli<strong>ch</strong> weiterleben sollten und dann do<strong>ch</strong> verstarben, da<br />
ihr Wille oder Geist gebro<strong>ch</strong>en war, sie aufgehört hatten zu kämpfen<br />
und sie s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> verstarben, als es niemand mehr erwartete. Der<br />
Lebenswille einer kranken Person ist für den Genesungsverlauf also<br />
si<strong>ch</strong>er zentral. Wie es aber mögli<strong>ch</strong> ist, dass ein Mens<strong>ch</strong> die Hoffnung<br />
auf Genesung beibehält, bleibt ein großes Geheimnis.<br />
Währendessen hält die westli<strong>ch</strong>e Medizin, die si<strong>ch</strong> von allen spirituellen<br />
Traditionen gelöst hat, daran fest, dass si<strong>ch</strong> die Krankheiten<br />
aufgrund genetis<strong>ch</strong>er Veranlagung, zufälliger Vergiftung oder gefährli<strong>ch</strong>er<br />
Umweltbedingungen entwickeln würden. Diese Faktoren<br />
würden si<strong>ch</strong> uns dann als Chance oder S<strong>ch</strong>icksal darstellen. Im allgemeinen<br />
wird, mit Ausnahme der Wahl eines gewissen Lebensstils,<br />
die Krankheit ni<strong>ch</strong>t mit dem Bewusstsein glei<strong>ch</strong>gesetzt. Es wird für<br />
gewöhnli<strong>ch</strong> angenommen, dass der Geisteszustand eines Mens<strong>ch</strong>en<br />
ni<strong>ch</strong>t in direkter Verbindung zu seiner körperli<strong>ch</strong>en Erkrankung<br />
stehe. Die Krankheit wird ni<strong>ch</strong>t als Sühne betra<strong>ch</strong>tet, die jemand aufgrund<br />
gewisser Taten abzuleisten hätte. Au<strong>ch</strong> der Patient selbst su<strong>ch</strong>t<br />
im allgemeinen den Grund seiner Erkrankung ni<strong>ch</strong>t zuerst bei si<strong>ch</strong>.<br />
Im Christentum zielt die biblis<strong>ch</strong>e Idee, dass uns die Krankheit<br />
als Bestrafung unserer Sünden ereile auf ein Jahrhunderte altes<br />
theologis<strong>ch</strong>es Problem. Es geht um die Frage, wie ein gütiger Gott<br />
sol<strong>ch</strong> eine Verwüstung hinterlassen kann und wie er Leid selbst<br />
bei denen verursa<strong>ch</strong>e, die ihn anbeten. Meiner Meinung na<strong>ch</strong> leitet<br />
Swedenborg diese theologis<strong>ch</strong>e Frage auf profunde Weise auf eine<br />
psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Ebene über. Swedenborg behauptet, dass sowohl das<br />
Gute wie au<strong>ch</strong> das Böse bestehen würden. Gott sei die Quelle alles<br />
OFFENE TORE 2/07 105
Guten, während die Mens<strong>ch</strong>heit die Quelle allen Übels sei, das aus<br />
Missbrau<strong>ch</strong> der Fähigkeiten Vernunft und Freiheit stamme. 1<br />
Wir sind frei. Anders ausgedrückt: Wir können die Krankheit<br />
gemäß jeder Weise betra<strong>ch</strong>ten, wie wir es wüns<strong>ch</strong>en. Folgeri<strong>ch</strong>tig<br />
würden wir auf unseren vers<strong>ch</strong>iedenen Bewusstseinsstufen au<strong>ch</strong> annehmen,<br />
dass es vers<strong>ch</strong>iedene Arten des Leids gäbe. Ein Ergebnis,<br />
das wir daraus ziehen können ist, dass es vers<strong>ch</strong>iedene Formen der<br />
Heilung gibt: körperli<strong>ch</strong>, psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong> und spirituell.<br />
Die körperli<strong>ch</strong>e Heilung<br />
Wir gehen davon aus, dass die körperli<strong>ch</strong>e Heilung die Linderung<br />
der körperli<strong>ch</strong>en Leiden mit eins<strong>ch</strong>ließt. Weiter denken wir, körperli<strong>ch</strong>e<br />
Heilung sei z.B. das Auskurieren von Wunden. Diese Wunden<br />
können belanglos oder ernst sein wie z.B. ein Pistoleneins<strong>ch</strong>uss. Wir<br />
können den Begriff der körperli<strong>ch</strong>en Heilung au<strong>ch</strong> ausdehnen, indem<br />
wir darunter die körperli<strong>ch</strong>en Strapazen verstehen, denen wir uns<br />
freiwillig unterziehen, um ein bestimmtes Ziel zu errei<strong>ch</strong>en. Dies ist<br />
zum Beispiel dann der Fall, wenn jemand eine Zahnspange tragen<br />
muss, um seine Zähne zu begradigen, oder bei einer Gehirnoperation,<br />
bei wel<strong>ch</strong>er der S<strong>ch</strong>merz, der entsteht, wenn direkte Eingriffe<br />
am Gehirn vorgenommen werden, für gewöhnli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Medikamente<br />
abgemildert wird. Da das Gehirngewebe über keine S<strong>ch</strong>merzrezeptoren<br />
verfügt, ist es in diesem Fall Teil der Diagnose, eine sol<strong>ch</strong>e<br />
Behandlung zu empfehlen, um größeres Leid zu verhindern,<br />
zum Beispiel den Tod infolge einer Krebserkrankung.<br />
Der Glaube, dass die körperli<strong>ch</strong>e Heilung mit direkten Eingriffen<br />
am Körper einhergehe, steht für ein bestimmte Si<strong>ch</strong>tweise auf die<br />
1 Anm. des Übersetzers: Es sollte daran erinnert werden, dass diese Auffassung<br />
innerhalb der Bewegung der humanistis<strong>ch</strong>en und transpersonalen Psy<strong>ch</strong>ologie<br />
selbst ni<strong>ch</strong>t umstritten ist. Für den Psy<strong>ch</strong>otherapeuten Eri<strong>ch</strong> Fromm zum Beispiel,<br />
der heute wegen seiner humanistis<strong>ch</strong>en Psy<strong>ch</strong>oanalyse zumeist der humanistis<strong>ch</strong>en<br />
Psy<strong>ch</strong>ologie zugere<strong>ch</strong>net wird, ist dies einer der Hauptkritikpunkte am Ansatz von<br />
William James und C.G. Jung. Fromm vertritt stattdessen die These, dass die Bündelung<br />
alles S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tem auf den Mens<strong>ch</strong>en den Mens<strong>ch</strong>en unfrei und zu einer autoritären<br />
Persönli<strong>ch</strong>keit werden lasse.<br />
106 OFFENE TORE 2/07
Wirkli<strong>ch</strong>keit. Es ist aber natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> das bekannteste Symbol für<br />
unsere abendländis<strong>ch</strong>e Medizin s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin. In Übereinstimmung<br />
mit dieser materialistis<strong>ch</strong>en Weltsi<strong>ch</strong>t werden alle Krankheiten,<br />
seien sie körperli<strong>ch</strong>er oder geistiger Natur, ihrer Ursa<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> als<br />
biologis<strong>ch</strong>e oder <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Prozesse erfahren. Ohne die Gesamtheit<br />
der Krankheitsursa<strong>ch</strong>en erfassen zu wollen, die körperli<strong>ch</strong>er, geistiger<br />
oder spiritueller Natur sein könnten, wird jede Krankheit allein<br />
auf die biologis<strong>ch</strong>en und <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Verläufe reduziert. So hilft,<br />
ganz glei<strong>ch</strong> was die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Ursa<strong>ch</strong>e einer Krankheit ist, immer<br />
ein Aspirin. Wenn die Erkrankung s<strong>ch</strong>limmer ist tritt an dessen<br />
Stelle dann irgendein Medikamentencocktail mit hohem Morphiumanteil.<br />
Zur Behandlung eines Gehirntumors werden Medikamente,<br />
Operationen, und Bestrahlung angewandt; bei Manis<strong>ch</strong>-Depressiven<br />
wird eine Lithium-Behandlung empfohlen, und um Panik-Attacken<br />
beizukommen verwenden die Ärzte Inderal. Als eine Erklärung für<br />
den Alkoholismus wird die genetis<strong>ch</strong>e Veranlagung angeführt. Und<br />
inzwis<strong>ch</strong>en spre<strong>ch</strong>en wir sogar s<strong>ch</strong>on davon, dass es ein Gen gebe,<br />
das unsere Veranlagung für Depression, S<strong>ch</strong>izophrenie und Krebs<br />
vorherbestimme.<br />
Gestützt wird diese rein physikalis<strong>ch</strong>e Betra<strong>ch</strong>tungsweise des<br />
Heilungsverlaufs dur<strong>ch</strong> die ärztli<strong>ch</strong>e Ausbildung und die Erfahrungen,<br />
wel<strong>ch</strong>e die Ärzte selbst mit einer sol<strong>ch</strong>en Behandlungsweise<br />
gema<strong>ch</strong>t haben. In unserem Kulturkreis wird dieses Heilungsverständnis<br />
nun s<strong>ch</strong>on seit gut 100 Jahren praktiziert. Diese Denkungsart<br />
beginnt für gewöhnli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on mit der Ausbildung an einem College,<br />
setzt si<strong>ch</strong> dann beim Besu<strong>ch</strong> einer Medizinis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />
fort und findet ihre endgültige Bestätigung im übli<strong>ch</strong>en Krankenhauspraktikum.<br />
Von einem Arzt wird erwartet, dass er Logik und<br />
Mathematik beherrs<strong>ch</strong>t. Ferner sollte er, bevor er si<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>ließt<br />
eine Medizinis<strong>ch</strong>e Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule zu besu<strong>ch</strong>en, seine Fähigkeiten in<br />
den Fä<strong>ch</strong>ern Chemie, Biologie und Physik s<strong>ch</strong>ulen. Na<strong>ch</strong>dem der angehende<br />
Mediziner mit den Grundpfeilern der allgemeinen Medizin<br />
der Anatomie, Physiologie, Arzneimittelkunde, Pathologie und Diagnose<br />
vertraut gema<strong>ch</strong>t worden ist, konzentriert si<strong>ch</strong> der werdende<br />
OFFENE TORE 2/07 107
Mediziner auf ein Spezialgebiet. Einige Berei<strong>ch</strong>e werden hierbei als<br />
wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er, will meinen als gefährli<strong>ch</strong>er und prestigeträ<strong>ch</strong>tiger<br />
betra<strong>ch</strong>tet als andere.<br />
Die beiden großen Ri<strong>ch</strong>tungen innerhalb der Medizin sind die<br />
wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ung und die ärztli<strong>ch</strong>e Praxis. Die Grundlagenfors<strong>ch</strong>ung<br />
betreibt Untersu<strong>ch</strong>ungen, um greifbare und replizierbare<br />
Belege zu erbringen, die dann direkt für die Heilung von<br />
Patienten nutzbar gema<strong>ch</strong>t werden können. Liegt ein sol<strong>ch</strong>er Beweis<br />
vor, besteht in wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en und medizinis<strong>ch</strong>en Kreisen die<br />
übereinstimmende Meinung, dass si<strong>ch</strong> dies au<strong>ch</strong> in einer bestimmten<br />
Behandlungsform nieders<strong>ch</strong>lagen sollte. Diese Kreise billigen<br />
nur dasjenige, was zuvor an Patienten während ärztli<strong>ch</strong>er Untersu<strong>ch</strong>ungen,<br />
des Aufenthalts an einer Klinik oder in der ärztli<strong>ch</strong>en Praxis<br />
erprobt worden ist.<br />
Die Folge ist, dass ein Arzt unseres Kulturkreises speziell in<br />
den Werten des rationalen Denkens und einer Sinnesbetra<strong>ch</strong>tung<br />
ges<strong>ch</strong>ult wird. Das ges<strong>ch</strong>ieht mittels einer intuitiven oder gefühlsbetonten<br />
Herangehensweise. Was die zuletzt genannte Mögli<strong>ch</strong>keit<br />
der Krankheitsbetra<strong>ch</strong>tung betrifft, so besteht sie zwar, wird aber<br />
im allgemeinen heruntergespielt. Es kann au<strong>ch</strong> sein, dass sie ledigli<strong>ch</strong><br />
als Nebenprodukt einer guten wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Betra<strong>ch</strong>tungsweise<br />
verstanden wird. Die rational-empiris<strong>ch</strong>e Herangehensweise<br />
verbindet si<strong>ch</strong> mit dem anerkannten wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Beweis, der<br />
zunä<strong>ch</strong>st unter strikter Aufsi<strong>ch</strong>t, dann weiter unter Bea<strong>ch</strong>tung der<br />
na<strong>ch</strong>haltigen Heilung des Patienten und zuletzt unter dem erforderli<strong>ch</strong>en<br />
Grad medizinis<strong>ch</strong>er Sa<strong>ch</strong>kenntnis erbra<strong>ch</strong>t wird.<br />
In diesem Umfeld wird der Arzt als der ents<strong>ch</strong>eidende Vermittler<br />
betra<strong>ch</strong>tet, der die Heilung des Patienten bewirkt. Heilung und<br />
Krankheit werden hier gemäß den Begriffli<strong>ch</strong>keiten wie Manipulation<br />
der Organe, Gewebe, Zellen, <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Molekülbildung, elektris<strong>ch</strong>e,<br />
oder operative Mittel verstanden. Die Einwirkungen des<br />
Arztes vollziehen si<strong>ch</strong> hier aktiv, während der Patient ersu<strong>ch</strong>t wird<br />
eine passive Rolle einzunehmen, indem er si<strong>ch</strong> den diagnostis<strong>ch</strong>en<br />
Verläufen unterordnet und si<strong>ch</strong> in die vorgenommene Behandlungs-<br />
108 OFFENE TORE 2/07
weise fügt. Auf diese Weise ist es dem Arzt mögli<strong>ch</strong> immer eine wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Begründung der Krankheitsursa<strong>ch</strong>e zu geben. Ferner<br />
ist es ihm immer mögli<strong>ch</strong> anzunehmen, dass si<strong>ch</strong> die heilende Wirkung<br />
dur<strong>ch</strong> die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Behandlungsmethode eingestellt<br />
habe. Die operative Anästhesie, die keimfreie Umgebung im Krankenhaus,<br />
die Theorie, dass si<strong>ch</strong> Krankheiten dur<strong>ch</strong> Keime verbreiten<br />
würden und die »magic-bullet« (Zauberkugel) Theorie, sie alle sind<br />
das Produkt wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Denkens und bestimmen den Rahmen<br />
der physis<strong>ch</strong>en Heilung.<br />
Die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Heilung<br />
Unter einer psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Heilung verstehen wir alles, was die<br />
Genesung von Bes<strong>ch</strong>werden angeht, die dur<strong>ch</strong> Ängste und Konflikte<br />
hervorgerufen werden. Sie ist die Behandlung von Ideen mittels<br />
Ideen. Ein Beispiel hierfür ist eine psy<strong>ch</strong>otherapeutis<strong>ch</strong>e Behandlung,<br />
wel<strong>ch</strong>e die Ursa<strong>ch</strong>en einer emotionalen Unruhe klären soll, die<br />
über einen langen Zeitraum hinweg das <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t im<br />
Körper verändern können. Es ist mögli<strong>ch</strong>, dass diese Ängste ausrei<strong>ch</strong>en,<br />
um Ges<strong>ch</strong>würe, Blutho<strong>ch</strong>druck oder no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>limmere Erkrankungen<br />
hervorzurufen. Die Angst ist ein psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>er Zustand,<br />
der großes Leid mit si<strong>ch</strong> bringen kann. Angst kann zu starken Hassgefühlen<br />
führen, besonders wenn sie über einen langen Zeitraum<br />
hin anhält. Psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Traumata gehen oft mit großen körperli<strong>ch</strong>en<br />
Verletzungen einher; do<strong>ch</strong> bleiben die Na<strong>ch</strong>wirkungen wie<br />
Depression, Kummer, Verlust des Selbstwertgefühls oder si<strong>ch</strong> wiederholende<br />
Ängste häufig unbehandelt.<br />
Die wi<strong>ch</strong>tigste Quelle des psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Leids ist der innerseelis<strong>ch</strong>e<br />
Konflikt. Dieser ereignet si<strong>ch</strong> dann, wenn ein langanhaltender<br />
Widerspru<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en zwei Ideen auftau<strong>ch</strong>t, die denselben Bewusstseinszustand<br />
betreffen. Es kann si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> um einen Konflikt zwis<strong>ch</strong>en<br />
Verstand und Gefühl handeln oder zwis<strong>ch</strong>en Geist und Körper.<br />
Beides kann den glei<strong>ch</strong>en Persönli<strong>ch</strong>keitsberei<strong>ch</strong> betreffen. Innerseelis<strong>ch</strong>e<br />
Konflikte können au<strong>ch</strong> entstehen, wenn es zu einer Lebens-<br />
OFFENE TORE 2/07 109
krise kommt. Dies kann dur<strong>ch</strong> den bevorstehenden Tod eines geliebten<br />
Mens<strong>ch</strong>en passieren. Es ges<strong>ch</strong>ieht des öfteren au<strong>ch</strong> dort, wo ein<br />
si<strong>ch</strong> sorgender Mens<strong>ch</strong> dazu aufgerufen wird, si<strong>ch</strong> im Zustand der<br />
Abnormalität normal zu verhalten. Hier können gefühls- und verstandesmäßige<br />
Ängste die Folge sein. Wenn si<strong>ch</strong> diese Ängste hinfort<br />
festsetzen, zeigen sie si<strong>ch</strong> als körperli<strong>ch</strong>e Symptome.<br />
Im Berei<strong>ch</strong> der Psy<strong>ch</strong>ologie und Psy<strong>ch</strong>iatrie wird die Umwandlung<br />
psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er Ideen in körperli<strong>ch</strong>e Symptome mit der These der<br />
Psy<strong>ch</strong>ogenese begründet. Psy<strong>ch</strong>ogenese meint: Im Ursprung psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er<br />
Natur. Diese Theorie verweist darauf, wie si<strong>ch</strong> unsere Wahrnehmungen<br />
unter Stress, Trauma und Leid ändern, besonders wie<br />
si<strong>ch</strong> unsere Wahrnehmungen na<strong>ch</strong> einem langen Zeitraum in körperli<strong>ch</strong>e<br />
Symptome einer allgemeinen Erkrankung oder den Wiederholungszwang<br />
des Neurotikers verwandeln können.<br />
Vor hundert Jahren wurde die psy<strong>ch</strong>ogenetis<strong>ch</strong>e Hypothese<br />
dadur<strong>ch</strong> erklärt, dass si<strong>ch</strong> Teile unserer Persönli<strong>ch</strong>keit vom Wa<strong>ch</strong>zustand<br />
gelöst hätten. Die Erfahrungen, die wir ni<strong>ch</strong>t auf gewöhnli<strong>ch</strong>e<br />
Weise in unsere Weltsi<strong>ch</strong>t einbauen könnten, hätten si<strong>ch</strong> von<br />
dem größeren Bild, das wir von unserer Wirkli<strong>ch</strong>keit entwürfen, getrennt<br />
und glitten nun ins Unterbewusste hinab, wo sie dann gemäß<br />
ihren eigenen Gesetzen wirkten. Ein sexuelles Trauma, zum Beispiel,<br />
konnte si<strong>ch</strong> an irgend einer Gegend des Unbewussten zeigen<br />
und in dieser Lage dem Wa<strong>ch</strong>bewusstsein einen Teil seiner Energie<br />
nehmen. Währenddessen könnte die verloren geglaubte Erinnerung<br />
beständig weiter ähnli<strong>ch</strong>e Erfahrungen, wennglei<strong>ch</strong> von geringerer<br />
Intensität, ans Unbewusste weiterleiten, so dass si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />
eine Fülle an Erfahrungen um diese Grunderfahrung sammeln<br />
würde. Die Summe all dessen wurde als unbewusster Komplex<br />
bezei<strong>ch</strong>net.<br />
Es wurde angenommen, dass si<strong>ch</strong> die Komplexe dem Wa<strong>ch</strong>bewusstsein<br />
auf viele vers<strong>ch</strong>iedene Weisen zeigen würden. Sie könnten<br />
in Form eines kleinen Symptoms auftau<strong>ch</strong>en, wie in z.B. Gestalt<br />
eines unkontrollierten Gesi<strong>ch</strong>tszugs kurz vor einer wi<strong>ch</strong>tigen Ents<strong>ch</strong>eidung<br />
oder in Form einer Kehlkopfentzündung, wenn eine wi<strong>ch</strong>-<br />
110 OFFENE TORE 2/07
tige Rede bevorstehe; oder sie könnten si<strong>ch</strong> auf längere Zeit zeigen,<br />
was in Fällen der multiplen Persönli<strong>ch</strong>keit der Fall wäre. Hier bri<strong>ch</strong>t<br />
ein Komplex explosionsartig aus und erfasst das gesamte Bewusstsein.<br />
Er zeigt si<strong>ch</strong> dann in si<strong>ch</strong> völlig s<strong>ch</strong>lüssig und als eigenständige<br />
Ausprägung der Identität.<br />
Es wurde angenommen, dass die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Symptome<br />
der Neurose ihren Ursprung in Ideen hätten. Diese Gedanken über<br />
die Hauptsymptome der Neurose entstanden in Unkenntnis ihres<br />
biologis<strong>ch</strong>en Ursprungs. Über die letzten 100 Jahre hinweg wurde<br />
die Hypothese von der Psy<strong>ch</strong>ogenese ebenso au<strong>ch</strong> bei körperli<strong>ch</strong>en<br />
Erkrankungen angewandt. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts<br />
wurden Magenges<strong>ch</strong>würe, Blutho<strong>ch</strong>druck und Rückgratverspannungen<br />
in der Hauptsa<strong>ch</strong>e als psy<strong>ch</strong>osomatis<strong>ch</strong>e Krankheiten betra<strong>ch</strong>tet.<br />
Inzwis<strong>ch</strong>en hat si<strong>ch</strong> der Fokus, na<strong>ch</strong> psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Einflüssen<br />
bei körperli<strong>ch</strong>en Erkrankungen su<strong>ch</strong>en zu wollen, verlagert.<br />
Diese Einflüsse werden heutzutage besonders bei Herzanfällen und<br />
Krebserkrankungen vermutet.<br />
Erst kürzli<strong>ch</strong> konnte i<strong>ch</strong> eine Darlegung dieser psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en<br />
Wirkungen bei einer Konferenz über Verhaltenstherapie am Bostoner<br />
Universitätskrankenhaus miterleben. Die Darstellung ges<strong>ch</strong>ah<br />
anhand von Fallbeispielen. In einem dieser Fälle wurde von einer<br />
Krankens<strong>ch</strong>wester um die 25 Jahre erzählt, die an Herpes simplex<br />
litt. Der Herpesvirus ist nur sehr s<strong>ch</strong>wer auszumerzen, da si<strong>ch</strong> seine<br />
Symptome besonders unter Stresssituationen ausbreiten. Die Frau<br />
fuhr jeden Morgen Hunderte von Kilometern, nur um ihre Mutter<br />
zu besu<strong>ch</strong>en, mit der sie obendrein no<strong>ch</strong> eine Fülle ungelöster zwis<strong>ch</strong>enmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er<br />
Probleme hatte. Ihre Haut war glatt und rein,<br />
als sie die Klinik verließ. In den eineinhalb Stunden aber, die sie<br />
brau<strong>ch</strong>te um zu ihrer Mutter na<strong>ch</strong> Haus zu fahren, feierten die Herpeswunden<br />
auf ihrer Haut fröhli<strong>ch</strong>e Urständ. Das ganze Wo<strong>ch</strong>enende<br />
litt sie unter diesem uns<strong>ch</strong>önen und peinli<strong>ch</strong>en Zustand. Mit<br />
einem nun völlig verunstalteten Gesi<strong>ch</strong>t setzte sie si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem Wo<strong>ch</strong>enende<br />
in ihren Wagen und fuhr zu ihrem Wohnort zurück. Kurz<br />
na<strong>ch</strong>dem sie losgefahren war, besserte si<strong>ch</strong> der Herpesauss<strong>ch</strong>lag,<br />
OFFENE TORE 2/07 111
und sie traf in ihrer Wohnung mit glattem und reinem Gesi<strong>ch</strong>t ein.<br />
Erst als die Frau aufhörte, ihre Mutter monatli<strong>ch</strong> zu besu<strong>ch</strong>en, vers<strong>ch</strong>wand<br />
au<strong>ch</strong> ihr Herpesauss<strong>ch</strong>lag.<br />
Die spirituelle Heilung<br />
Obs<strong>ch</strong>on wir annehmen, dass die körperli<strong>ch</strong>e Heilung des Einsatzes<br />
praktis<strong>ch</strong>er Methoden bedarf, obs<strong>ch</strong>on wir weiter davon ausgehen,<br />
dass die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Heilung ein klares Bewusstsein erfordere,<br />
um psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Problemen beizukommen, die si<strong>ch</strong> aufgrund<br />
psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>er Ursa<strong>ch</strong>en ergeben hätten, ers<strong>ch</strong>eint uns die spirituelle<br />
Heilung demgegenüber do<strong>ch</strong> als etwas gänzli<strong>ch</strong> anderes. Sowohl<br />
ihrer Geisteshaltung als au<strong>ch</strong> ihrem Erfahrungsberei<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />
wirkt sie auf uns wie das glatte Gegenteil der praktis<strong>ch</strong>en und psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en<br />
Heilkunst. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> sind die Annahmen bezügli<strong>ch</strong><br />
des Wirkli<strong>ch</strong>keitsverständnisses so gänzli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>ieden, dass derjenige,<br />
der eine spirituelle Heilung praktiziert, auf den ersten Blick<br />
rein gar ni<strong>ch</strong>ts mit den anderen beiden Heilungsarten gemein zu<br />
haben s<strong>ch</strong>eint. Dies kommt daher, dass die praktis<strong>ch</strong>e und psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />
Heilkunst auf der Annahme beruhen, dass das Leid das Ergebnis<br />
natürli<strong>ch</strong>er Ursa<strong>ch</strong>en oder traumatis<strong>ch</strong>er Erfahrungen ist. Sie<br />
geht davon aus, dass sobald nur alle Ursa<strong>ch</strong>en über die Entstehung<br />
bekannt wären, eine angemessene Behandlungsmethode entwickelt<br />
werden könne, die zur Linderung dieser Ursa<strong>ch</strong>en beitrüge.<br />
Der philosophis<strong>ch</strong>e Streit zwis<strong>ch</strong>en praktis<strong>ch</strong>en Ärzten und<br />
Psy<strong>ch</strong>ologen ist der Grund, warum es heute mögli<strong>ch</strong> geworden ist<br />
glaubhaft zu versi<strong>ch</strong>ern, dass Ideen und Gefühle praktis<strong>ch</strong>e Konesequenzen<br />
na<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> ziehen können. Ein Materialist mag viellei<strong>ch</strong>t<br />
annehmen, dass ein vager Ausdruck wie »Verstand« in Wirkli<strong>ch</strong>keit<br />
für ni<strong>ch</strong>ts anderes als für die Reaktion einer Chemikalie mit einer<br />
anderen stehe. Wenn das Bewusstsein greifbar sein soll, so müsse<br />
es, diesem Denken gemäß, zwangsläufig von den biologis<strong>ch</strong>en Funktionen<br />
des körperli<strong>ch</strong>en Organismus abhängen. Im besten Fall ist,<br />
aufgrund dieser Si<strong>ch</strong>tweise, das Bewusstsein letztli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts ande-<br />
112 OFFENE TORE 2/07
es als ein Nebenprodukt der Physiologie. Auf der anderen Seite<br />
behauptet der Idealist, dass die ursä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Wirkung auf die Kraft<br />
des Bewusstseins zurückzuführen sei. Er urteilt anhand der Mittel<br />
des Bewusstseins in Form von Ents<strong>ch</strong>eidungen, Impulsen, Gefühlen<br />
und Handlungen, die auf den Berei<strong>ch</strong> des Körpers Einfluss nehmen<br />
könnten. In beiden Fällen aber wird das Leiden aufgrund der Beherrs<strong>ch</strong>ung<br />
der materiellen oder seelis<strong>ch</strong>en Umstände ents<strong>ch</strong>ieden. Das<br />
Leiden, so wird angenommen, beruhe auf einer verständli<strong>ch</strong>en Ursa<strong>ch</strong>e<br />
oder wenigstens einem verständli<strong>ch</strong>en Wirken.<br />
Bei der spirituellen Heilung hingegen ist die Quelle allen Verständnisses<br />
unbekannt, unergründli<strong>ch</strong> und unvorstellbar. Wir sind<br />
unfähig, dasjenige, was uns übersteigt zu beherrs<strong>ch</strong>en, außer wir<br />
nehmen an, dass es in unserem Innersten ist. Körperli<strong>ch</strong>e und psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />
Heilung beruhen auf der Annahme, dass die natürli<strong>ch</strong>e<br />
Welt allem übergeordnet ist und, dass es si<strong>ch</strong> beim Mens<strong>ch</strong>en um<br />
ein Objekt der Natur handelt, das studiert werden könne. Auf der<br />
anderen Seite werden die spirituellen Konzepte so betra<strong>ch</strong>tet, als<br />
seien sie bloß Einbildungen unseres Geistes, die wir als reine Gedankenspiele<br />
entwickelt hätten. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> geht die spirituelle<br />
Heilung vom genauen Gegenteil aus. Demna<strong>ch</strong> ist die Ers<strong>ch</strong>einung<br />
der natürli<strong>ch</strong>en Welt ni<strong>ch</strong>t vom Geist abgelöst, sondern die Ers<strong>ch</strong>einungen<br />
der natürli<strong>ch</strong>en Welt sind reiner Geist, der si<strong>ch</strong> in natürli<strong>ch</strong>e<br />
Formen kleidet.<br />
Bei der spirituellen Heilung ist das Geistige die erste und einzige<br />
Wirkli<strong>ch</strong>keit; das natürli<strong>ch</strong>e Rei<strong>ch</strong> ist eine Illusion oder bestenfalls<br />
ein inkonsequenter Denks<strong>ch</strong>ritt. Eine Heilung findet dieser<br />
Auffassung gemäß erst dann statt, wenn wir uns völlig in das<br />
unges<strong>ch</strong>affene Meer der ganzen Gottheit zu werfen beginnen. Dies<br />
ges<strong>ch</strong>ehe wenn wir uns unserer Illusionen entledigten und in den<br />
unserer Erfahrung mögli<strong>ch</strong>en weiteren Berei<strong>ch</strong> des Hö<strong>ch</strong>sten und<br />
Besten kämen. Die Natur dieses spirituellen Berei<strong>ch</strong>s sei makellos,<br />
ekstatis<strong>ch</strong>, rein, allliebend und erleu<strong>ch</strong>tend. Wenn wir in die Gegenwart<br />
des göttli<strong>ch</strong> Hö<strong>ch</strong>sten kämen, würden wir geheilt. Setzten wir<br />
uns diesem Li<strong>ch</strong>t aus, das in allem und in jedem sei, so falle alle geis-<br />
OFFENE TORE 2/07 113
tige und körperli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e fort. Dies ges<strong>ch</strong>ehe, wenn wir begreifen<br />
würden, wer wir in Wahrheit seien und was die wesentli<strong>ch</strong>e und<br />
wahre Natur der Wirkli<strong>ch</strong>keit sei – Liebe, Segen, Li<strong>ch</strong>t und Himmel.<br />
Wir sollten versu<strong>ch</strong>en diesen Zustand zu unserem eigenen zu<br />
ma<strong>ch</strong>en. Wir brau<strong>ch</strong>ten irgendeinen Leiter oder Verbündeten, der<br />
uns den Weg zeige und uns solange unsere Ängste nehme, bis uns<br />
endli<strong>ch</strong>, vor der inneren Vision die S<strong>ch</strong>uppen von den Augen fielen.<br />
Heilung in diesem Sinne bedeutet, Geistiges zulassen zu können.<br />
Heilung meint hier einem kranken Mens<strong>ch</strong>en den Weg zu weisen<br />
und seine fals<strong>ch</strong>en Vorstellungen über die Natur der letzten Dinge<br />
zu wandeln. Von diesem Standpunkt aus betra<strong>ch</strong>tet ist es uns mögli<strong>ch</strong><br />
zu erkennen, wie beliebig die Heilungserfolge eines klassis<strong>ch</strong>en<br />
praktis<strong>ch</strong>en Arztes sind. Der praktis<strong>ch</strong>e Arzt sagt: »Meine Behandlung<br />
hat zur Genesung des Patienten geführt.« Was der Arzt aber<br />
tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> tat war, den kranken Mens<strong>ch</strong>en Hoffnung zu geben. Der<br />
Arzt half dem Kranken dur<strong>ch</strong> seine Empathie si<strong>ch</strong> vom Leiden zu<br />
befreien. Die Erfahrung der Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit bedeutet immer den Weg<br />
zum inneren Li<strong>ch</strong>t. Die Heilung des Patienten vollzieht si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong><br />
ein Mysterium, die Manipulationen des Arztes haben damit herzli<strong>ch</strong><br />
wenig zu tun. Es ist die Erfahrung der unio mystica, die es<br />
dem Kranken erlaubt die Grenzen der natürli<strong>ch</strong>en Welt zu übers<strong>ch</strong>reiten<br />
und si<strong>ch</strong> den Zugang zu höheren spirituellen Berei<strong>ch</strong>en<br />
zu eröffnen.<br />
Jede Form der Heilung ist spirituell<br />
Wenn wir hier eine Weile innehalten, wird uns mittels des phänomenologis<strong>ch</strong>en<br />
Standpunkts einer Psy<strong>ch</strong>ologie der inneren Erfahrung<br />
bewusst, dass alle Formen der Heilung ihrem Wesen na<strong>ch</strong> spirituell<br />
sind. Jede einfa<strong>ch</strong>e Art der Heilung, ob wir über Gruppenhilfe und<br />
Jodine, Psy<strong>ch</strong>otherapie oder die heilenden Quellen von Lourdes spre<strong>ch</strong>en,<br />
muss Teil eines größeren Geheimnisses von Wirkli<strong>ch</strong>keit sein.<br />
Dies gilt au<strong>ch</strong> für jede andere Form von Heilung. Es ist notwendig<br />
die inneren Pforten der Wahrnehmung zu öffnen, um zu bemerken,<br />
114 OFFENE TORE 2/07
dass das Geistige alle Aspekte des materiellen Lebens beeinflusst.<br />
Wie i<strong>ch</strong> Swedenborgs Psy<strong>ch</strong>ologie in den »Himmlis<strong>ch</strong>en Geheimnissen«<br />
interpretiere, wie sie si<strong>ch</strong> in Zwis<strong>ch</strong>enkapiteln bei ihm findet,<br />
gibt es die völlige Trennung zwis<strong>ch</strong>en Natürli<strong>ch</strong>em und Geistigem<br />
nur im Zustand mangelnder Erleu<strong>ch</strong>tung. Die Umwelt im normalen<br />
Wa<strong>ch</strong>zustand vermittelt uns den Eindruck, dass es keinen höheren<br />
Zustand als die klare Vernunft gebe. Demna<strong>ch</strong> könne es für alles<br />
nur natürli<strong>ch</strong>e Lösungen geben. Wenn aber die Pforten der inneren<br />
Wahrnehmung geöffnet seien, ers<strong>ch</strong>eine uns jedes natürli<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>ehen<br />
als Darstellung eines bestimmten Aspekts des Inneren. Die<br />
Natur wirkt ni<strong>ch</strong>t länger als vom Göttli<strong>ch</strong>en losgelöst. Nun ist es uns<br />
mögli<strong>ch</strong> zu erkennen, dass wir vom Göttli<strong>ch</strong>en umflossen sind und<br />
dass der Rest der Gesells<strong>ch</strong>aft nur zu verstockt ist, diese Tatsa<strong>ch</strong>e zu<br />
akzeptieren. Wir erleben jeden Moment als einen weiteren spirituellen<br />
Raum. Dies jedo<strong>ch</strong> erkennen nur diejenigen, die selber Bewohner<br />
dieser geistigen Welt sind, die anderen bewegen si<strong>ch</strong> allein in der<br />
»natürli<strong>ch</strong>en Welt«. Während wir, gemäß unseren Wahrnehmungen,<br />
um all das wissen, gehen wir weiter unserer Arbeit im weltli<strong>ch</strong>en<br />
Treiben na<strong>ch</strong>. Do<strong>ch</strong> sind wir uns beständig bewusst, dass wir ni<strong>ch</strong>ts<br />
Geringeres als Engel sind. Au<strong>ch</strong> wissen wir, dass jeder Mens<strong>ch</strong> um<br />
uns herum in Wirkli<strong>ch</strong>keit ein Funke des göttli<strong>ch</strong>en Li<strong>ch</strong>ts ist.<br />
¨<br />
OFFENE TORE 2/07 115
Das Lexikon der Spiritualität<br />
von Gerhard Wehr<br />
Vorbemerkung der S<strong>ch</strong>riftleitung: 2006 ist im Anaconda<br />
Verlag »Das Lexikon der Spiritualität« von Gerhard Wehr<br />
ers<strong>ch</strong>ienen. Der bekannte und auf vielen Gebieten kundige<br />
Autor legt hier ein handli<strong>ch</strong>es Lexikon vor, das unter jedem<br />
Sti<strong>ch</strong>wort die Summe seiner jahrzehntelangen Fors<strong>ch</strong>ungen<br />
erkennen lässt. Erfreuli<strong>ch</strong>erweise hat Gerhard Wehr au<strong>ch</strong><br />
jenen Mann ni<strong>ch</strong>t vergessen, der im 18. Jahrhundert ein<br />
wi<strong>ch</strong>tiger Knotenpunkt esoteris<strong>ch</strong>er Traditionen war und<br />
bis heute ein wi<strong>ch</strong>tiger Impulsgeber geblieben ist. Die Rede<br />
ist von Emanuel Swedenborg. Na<strong>ch</strong>stehend drucken wir<br />
den Artikel über ihn ab.<br />
Swedenborg, Emanuel (Stockholm 1688 – London 1772). Der<br />
»nordis<strong>ch</strong>e Geisterseher«, Sohn eines Bis<strong>ch</strong>ofs der lutheris<strong>ch</strong>en<br />
Staatskir<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wedens, begann mit den Nieders<strong>ch</strong>riften der ihm<br />
eröffneten Geistess<strong>ch</strong>au, na<strong>ch</strong>dem er si<strong>ch</strong> als Naturwissens<strong>ch</strong>aftler<br />
bereits einen Namen gema<strong>ch</strong>t hatte, also über ein ni<strong>ch</strong>t geringes<br />
Maß an Selbstkritik verfügte. Dies belegt au<strong>ch</strong> die Tatsa<strong>ch</strong>e, daß er<br />
gea<strong>ch</strong>tetes Mitglied internationaler wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Institutionen<br />
war. Die ents<strong>ch</strong>eidende Vision, die für ihn zu einem Berufungserlebnis<br />
seiner Sehers<strong>ch</strong>aft wurde, empfing der Siebenundfünfzigjährige<br />
1745 in London. Das Erlebnis s<strong>ch</strong>ließt einen von ihm selbst beri<strong>ch</strong>teten<br />
Werdeprozeß ab, eingeleitet dur<strong>ch</strong> eine Art Reinigung, wie sie<br />
aus der Mystik in verglei<strong>ch</strong>barer Weise bekannt ist. Die Begebenheit<br />
empfand er so eins<strong>ch</strong>neidend, daß er sein bisheriges Tun als Gelehrter<br />
spontan abbra<strong>ch</strong>, um für den Rest seines Lebens für die Einspra<strong>ch</strong>en<br />
und visionären Wahrnehmungen uneinges<strong>ch</strong>ränkt offen<br />
sein zu können. Von da an war seine Aufmerksamkeit auf die geistige<br />
Welt geri<strong>ch</strong>tet. Er gewann Dur<strong>ch</strong>blicke dur<strong>ch</strong> den Kosmos, ni<strong>ch</strong>t<br />
am wenigsten dur<strong>ch</strong> die biblis<strong>ch</strong>en Beri<strong>ch</strong>te. Ähnli<strong>ch</strong> wie na<strong>ch</strong> ihm<br />
Jakob Lorber, und denno<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> von ihm unters<strong>ch</strong>ieden, leistete<br />
116 OFFENE TORE 2/07
Swedenborg einen eigenständigen Beitrag zur Neuoffenbarung, so<br />
groß die Klärungsbedürftigkeit seiner Aussagen von Fall zu Fall ist.<br />
Wenn in seinen Texten von einer »neuen Kir<strong>ch</strong>e« gespro<strong>ch</strong>en<br />
wird und na<strong>ch</strong> seinem Tod eine bis heute existierende »Neue Kir<strong>ch</strong>e«<br />
als international agierende (kleine) kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />
entstand, so hatte Swedenborg eine Bekenntnisbildung analog zu<br />
den Kir<strong>ch</strong>en offenbar gar ni<strong>ch</strong>t im Sinn, sondern eher ein spirituelles<br />
Erwa<strong>ch</strong>en der Christenheit, ein neues religiöses Bewußtsein<br />
und damit die Grundlegung für ein neues, spirituelles Zeitalter. In<br />
diesem Sinn lassen si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> seine zahlrei<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riften lesen, die<br />
in vielen Editionen und Übersetzungen (aus dem Lateinis<strong>ch</strong>en, das<br />
Swedenborg s<strong>ch</strong>rieb) greifbar sind.<br />
Im deuts<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>raum war es Friedri<strong>ch</strong> Christoph Oetinger,<br />
der trotz heftiger Widerstände seiner württembergis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>enleitung<br />
für Swedenborg eintrat und au<strong>ch</strong> kritis<strong>ch</strong> zu ihm Stellung<br />
bezog. Er hat ihn erstmals in Deuts<strong>ch</strong>land bekannt gema<strong>ch</strong>t. Es<br />
war der zeitgenössis<strong>ch</strong>e Philosoph Imanuel Kant, der mit seinen<br />
Rückfragen ebenso wenig zurückhielt, der ihm aber das Zeugnis<br />
ausstellte: »Swedenborg ist ein vernünftiger, gefälliger und offenherziger<br />
Mann.« Und Görres merkt an: »Swedenborg war kein phantastis<strong>ch</strong>er<br />
Mens<strong>ch</strong>, no<strong>ch</strong> weniger hat er je im Leben Zei<strong>ch</strong>en von Verrücktheit<br />
blicken lassen …« Ho<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ätzte ihn Goethe ein, indem er<br />
ihn genannt und ungenannt rühmte. Zu nennen wären in ähnli<strong>ch</strong>em<br />
Sinn die Romantiker, in England William Blake, der si<strong>ch</strong> zumindest<br />
zeitweilig zu Swedenborg bekannte.<br />
Sitz der mitteleuropäis<strong>ch</strong>en Sektion der Neuen Kir<strong>ch</strong>e ist Züri<strong>ch</strong>,<br />
wo au<strong>ch</strong> ein Zeitungsverlag für die Pflege des S<strong>ch</strong>rifttums sorgt<br />
und der die Zeits<strong>ch</strong>rift »<strong>Offene</strong> <strong>Tore</strong>« herausgibt.<br />
Werke: Religiöse Grundlagen des neuen Zeitalters. Das Neue Jerusalem und seine<br />
himmlis<strong>ch</strong>e Lehre. Züri<strong>ch</strong> 1993; 2000. – Lit.: F. Chr. Oetinger: Swedenborgs und anderer<br />
irdis<strong>ch</strong>e und himmlis<strong>ch</strong>e Philosophie (1858). Stuttgart 1977; E. Benz: Swedenborg.<br />
Nataurfors<strong>ch</strong>er und Seher. Mün<strong>ch</strong>en 1948; G. Gollwitzer: Die dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tige Welt. Ein<br />
Swedenborg-Brevier. Züri<strong>ch</strong> 1962; 2000.<br />
OFFENE TORE 2/07 117
Die »Himmlis<strong>ch</strong>en Geheimnisse im Worte Gottes«<br />
von Emanuel Swedenborg<br />
als Bilders<strong>ch</strong>au in zehn Bänden<br />
von Saskia Keune<br />
I<strong>ch</strong> habe mir vorgenommen, das Hauptwerk Emanuel Swedenborgs<br />
für die heutige Zeit auf wesentli<strong>ch</strong>e Aussagen komprimiert und<br />
dur<strong>ch</strong> Bilder unterstützt aufzubereiten. In Wort und Bild wird so<br />
der Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en innerer und äußerer Welt dargestellt.<br />
Eindringli<strong>ch</strong>e, symbolträ<strong>ch</strong>tige Bilder in kraftvollen Farben sollen<br />
den Entspre<strong>ch</strong>ungssinn der biblis<strong>ch</strong>en Texte und der Swedenborgs<strong>ch</strong>en<br />
Auslegungen unterstrei<strong>ch</strong>en. Es ist vorgesehen, Swedenborgs<br />
Gesamtwerk der »Himmlis<strong>ch</strong>en Geheimnisse im Worte Gottes«, das<br />
mehrere tausend Seiten umfasst, in insgesamt zehn Bänden von jeweils<br />
ca. 80 Bild- und Textseiten zu erstellen. Die Arbeit soll 2010<br />
abges<strong>ch</strong>lossen sein.<br />
Die ersten beiden Bände liegen vor:<br />
1. Die Genesis als Bild der Wiedergeburt – die ersten se<strong>ch</strong>s<br />
S<strong>ch</strong>öpfungstage (ers<strong>ch</strong>eint vermutli<strong>ch</strong> 2007 im Bu<strong>ch</strong>handel).<br />
2. Die zweite S<strong>ch</strong>öpfungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te als Bild der Wiedergeburt<br />
(als Farbkopie für Euro 25,– erhältli<strong>ch</strong>).<br />
Bestelladresse: Peter Keune, Am Weißen Steg 1, 14165 Berlin,<br />
030-8011684, peter.keune@web.de.<br />
Was sind Entspre<strong>ch</strong>ungen und Vorbildungen in der<br />
S<strong>ch</strong>au Swedenborgs?<br />
Das Verhältnis der Entspre<strong>ch</strong>ungen besteht zwis<strong>ch</strong>en den Dingen<br />
der geistigen und denen der natürli<strong>ch</strong>en Welt. Dana<strong>ch</strong> gliedert si<strong>ch</strong><br />
die Realität in zwei vers<strong>ch</strong>iedene, miteinander korrespondierende<br />
Berei<strong>ch</strong>e: Stoff und Geist. Vorbildungen und Entspre<strong>ch</strong>ungen sind<br />
so gesehen ni<strong>ch</strong>t bloße Allegorien oder Symbole, sie stellen vielmehr<br />
eine grundlegende Gesetzmäßigkeit der S<strong>ch</strong>öpfung dar. Daher haben<br />
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sie ihren Nieders<strong>ch</strong>lag au<strong>ch</strong> in der Offenbarung des göttli<strong>ch</strong>en Wortes<br />
gefunden, ebenso wie in den Mythen, S<strong>ch</strong>riften und religiösen Bräu<strong>ch</strong>en<br />
der Völker des Altertums. Die Auslegung Swedenborgs geht<br />
somit von der Annahme aus, dass der Wortlaut der Bibel in wesentli<strong>ch</strong>en<br />
Teilen Vorbildungen (Repräsentationen) und Entspre<strong>ch</strong>ungen<br />
(Korrespondenzen) geistiger und himmlis<strong>ch</strong>er Wahrheiten enthält.<br />
Swedenborgs Berufung<br />
Swedenborg lebte von 1688 bis 1772 und war Sohn eines Bis<strong>ch</strong>ofs. Er<br />
folgte seinem Vater aber ni<strong>ch</strong>t in das kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Amt, sondern wurde<br />
zu einem herausragenden Wissens<strong>ch</strong>aftler und Universalgelehrten<br />
seiner Zeit, der s<strong>ch</strong>on in jungen Jahren – und dann au<strong>ch</strong> bis ins hohe<br />
Alter – ein ges<strong>ch</strong>ätzter Berater der s<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>en Könige war, dazu<br />
lebenslang Mitglied des Rei<strong>ch</strong>stags und ein Verantwortli<strong>ch</strong>er für das<br />
wi<strong>ch</strong>tige Bergwerksressort. Er erkannte jedo<strong>ch</strong>, dass die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />
Methode ni<strong>ch</strong>t die ganze Realität ers<strong>ch</strong>ließt. Ein zunehmendes<br />
Interesse an der Seele des Mens<strong>ch</strong>en erfüllte ihn und er begann in<br />
dieser Ri<strong>ch</strong>tung zu fors<strong>ch</strong>en, konnte aber das geistige Prinzip im materiellen<br />
Körper ni<strong>ch</strong>t lokalisieren. 1744 erfuhr er eine Christusvision.<br />
Deren Folge bestand darin, dass er sein ganzes bisheriges Leben<br />
aufgab und seine überragenden Fähigkeiten in den Dienst der geistigen<br />
Sa<strong>ch</strong>e stellte. In dieser Zeit wurden ihm vom Herrn die geistigen<br />
Sinne aufges<strong>ch</strong>lossen, so dass er während nahezu drei Jahrzehnten<br />
bei vollem Bewusstsein in die übersinnli<strong>ch</strong>e Welt eintreten konnte. So<br />
war es ihm mögli<strong>ch</strong>, die Zusammenhänge ni<strong>ch</strong>t allein zwis<strong>ch</strong>en den<br />
beiden S<strong>ch</strong>öpfungsebenen, sondern au<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en dem inneren und<br />
äußeren Sinn der Heiligen S<strong>ch</strong>rift deutli<strong>ch</strong> wahrzunehmen und zu<br />
bes<strong>ch</strong>reiben. Dass er dabei systematis<strong>ch</strong> vorging und alle biblis<strong>ch</strong>en<br />
Vorbildungen und Entspre<strong>ch</strong>ungen letztli<strong>ch</strong> auf ein einfa<strong>ch</strong>es Koordinatensystem<br />
bezog, dessen A<strong>ch</strong>sen dur<strong>ch</strong> die Begriffspaare gutböse,<br />
wahr-fals<strong>ch</strong> gekennzei<strong>ch</strong>net sind, ermögli<strong>ch</strong>t es uns heute, die<br />
uns historis<strong>ch</strong> oft fernliegenden Texte der Bibel als Nieders<strong>ch</strong>lag unserer<br />
eigenen inneren Erfahrungen zu verstehen. In den vorliegenden<br />
Bildbänden habe i<strong>ch</strong> gerade diesen Aspekt besonders hervorgehoben.<br />
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