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Offene Tore - Orah.ch

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Vertrauen<br />

von Jürgen Kramke<br />

Einst sagte Thomas zu Jesus:<br />

»Herr, wir wissen ni<strong>ch</strong>t,<br />

wohin du gehst; wie können wir<br />

den Weg wissen?« Da spra<strong>ch</strong><br />

Jesus zu ihm: »I<strong>ch</strong> bin der Weg,<br />

die Wahrheit und das Leben; niemand<br />

kommt zum Vater außer<br />

dur<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong>. Hättet ihr mi<strong>ch</strong><br />

erkannt, würdet ihr au<strong>ch</strong> meinen<br />

Vater kennen; von jetzt an<br />

kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.«<br />

Da sagte Philippus zu ihm:<br />

»Herr, zeige uns den Vater, und<br />

es genügt uns.« Jesus spra<strong>ch</strong> zu<br />

ihm: »So lange Zeit bin i<strong>ch</strong> bei<br />

eu<strong>ch</strong>, und du hast mi<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

erkannt, Philippus? Wer mi<strong>ch</strong><br />

sah, hat den Vater gesehen. Wie<br />

kannst du sagen: Zeig uns den<br />

Vater!? Glaubst du ni<strong>ch</strong>t, dass i<strong>ch</strong><br />

im Vater bin und dass der Vater<br />

in mir ist? Die Worte, die i<strong>ch</strong> zu<br />

eu<strong>ch</strong> sage, rede i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t aus<br />

mir; der Vater, der in mir wohnt,<br />

er selbst ist am Werke. Glaubt<br />

mir, dass i<strong>ch</strong> im Vater bin und<br />

der Vater in mir ist! Wenn ni<strong>ch</strong>t,<br />

dann glaubt eben um der Werke<br />

willen!« (Joh 14,5-12)<br />

Wenn i<strong>ch</strong> diese Worte auf<br />

mi<strong>ch</strong> wirken lasse, dann wird<br />

OFFENE TORE 2/07 61


mir wieder einmal bewusst, mit<br />

wel<strong>ch</strong> unendli<strong>ch</strong>er Liebe und Geduld<br />

der Herr mit seinen Mens<strong>ch</strong>enkindern<br />

umgeht. Da wandelt<br />

Er mit seinen Jüngern fast<br />

drei Jahre lang dur<strong>ch</strong> die Lande,<br />

vollbringt in ihrer Gegenwart<br />

die größten Wunder, spri<strong>ch</strong>t<br />

Worte der tiefsten Weisheit und<br />

erweist ihnen in jedem Augenblick<br />

ihres Seins grenzenlose<br />

Liebe, und denno<strong>ch</strong> waren sie<br />

so sehr in ihrem Bu<strong>ch</strong>stabenglauben<br />

gefangen, dass sie ni<strong>ch</strong>t<br />

wirkli<strong>ch</strong> erkennen konnten, wer<br />

Jesus Christus war und natürli<strong>ch</strong><br />

no<strong>ch</strong> immer ist.<br />

Si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> war es für die<br />

meist aus einfa<strong>ch</strong>en Verhältnissen<br />

stammenden Jünger ni<strong>ch</strong>t so<br />

einfa<strong>ch</strong>, ihre eingefahrenen, in<br />

der jüdis<strong>ch</strong>en Tradition verhafteten<br />

Denk- und Glaubensstrukturen<br />

zu verlassen. Der Gedanke,<br />

dass der große unendli<strong>ch</strong>e Gott,<br />

dessen Namen si<strong>ch</strong> kein e<strong>ch</strong>ter<br />

Jude auszuspre<strong>ch</strong>en traute, auf<br />

dieser Erde das Kleid der Materie<br />

angezogen hat, war den meisten<br />

von ihnen trotz der intensiven<br />

Beziehung zu Jesus irgendwie<br />

suspekt.<br />

Obwohl ihnen der Herr, wie<br />

wir aus den Neuoffenbarungss<strong>ch</strong>riften<br />

wissen, gelegentli<strong>ch</strong> die<br />

Bedeutung der Entspre<strong>ch</strong>ungswissens<strong>ch</strong>aft<br />

erläutert hat, konnten<br />

sie si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> von ihren<br />

sinnli<strong>ch</strong>en Denkstrukturen<br />

lösen. Und so ist es ni<strong>ch</strong>t weiter<br />

verwunderli<strong>ch</strong>, dass sie bisweilen<br />

Verständniss<strong>ch</strong>wierigkeiten<br />

hatten, wenn Jesus von Seinem<br />

Vater im Himmel spra<strong>ch</strong>. Die<br />

Folge davon war, dass der Herr<br />

den Jüngern bis zum Ende seiner<br />

fleis<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Laufbahn immer<br />

wieder aufs Neue erklären<br />

musste, wer Er denn so eigentli<strong>ch</strong><br />

sei.<br />

Natürli<strong>ch</strong> ist es für die meisten<br />

von uns, die wir dur<strong>ch</strong> die<br />

Gnade des Herrn das Neuoffenbarungswerk<br />

kennenlernen durften,<br />

überhaupt kein Problem, in<br />

Jesus Christus den fleis<strong>ch</strong>gewordenen<br />

Gott der Juden – Jehova –<br />

anzuerkennen. Wir glauben fest<br />

daran, dass unser Jesus im Vater<br />

und der Vater in Jesus ist. Und si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong><br />

sind wir au<strong>ch</strong> alle davon<br />

überzeugt, dass Jesus Christus<br />

der Weg, die Wahrheit und das<br />

Leben ist, dur<strong>ch</strong> dessen Na<strong>ch</strong>folge<br />

wir si<strong>ch</strong>er in das große<br />

Vaterhaus gelangen werden.<br />

Dank unserer S<strong>ch</strong>riften<br />

haben wir eine re<strong>ch</strong>t deutli<strong>ch</strong>e<br />

62 OFFENE TORE 2/07


Vorstellung von dem, wer unser<br />

Jesus ist, wel<strong>ch</strong>e göttli<strong>ch</strong>en Eigens<strong>ch</strong>aften<br />

Er hat, und der eine<br />

oder andere von uns wird si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong><br />

eine ungefähre Vorstellung<br />

davon haben, wie unser Jesus<br />

aussieht. Wir fühlen uns vom<br />

Herrn geliebt und getragen und<br />

bisweilen meinen wir, in besonderen<br />

Augenblicken s<strong>ch</strong>on das<br />

Morgenrot der göttli<strong>ch</strong>en Gnadensonne<br />

am Horizont unseres<br />

Lebens s<strong>ch</strong>immern zu sehen.<br />

I<strong>ch</strong> meine damit diese seltenen<br />

Momente in unserem Leben, in<br />

denen wir verspüren dürfen, wie<br />

die göttli<strong>ch</strong>e Liebe unser Herz so<br />

sehr berührt, dass wir für eine<br />

kurze Zeit das Gefühl haben,<br />

mit unserem geliebten Jesus zu<br />

einer Einheit zu vers<strong>ch</strong>melzen.<br />

Jeder, der dies s<strong>ch</strong>on einmal erleben<br />

durfte, weiß, wie intensiv<br />

und unverglei<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> dieses Gefühl<br />

ist.<br />

Von daher ist es nur allzu<br />

verständli<strong>ch</strong>, dass wir dieses beglückende<br />

Gefühl immer wieder<br />

haben wollen. Do<strong>ch</strong> leider entspri<strong>ch</strong>t<br />

es meiner und si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong><br />

au<strong>ch</strong> Ihrer Lebenserfahrung,<br />

dass die Momente der innigen<br />

Gottesnähe meist viel zu kurz<br />

und viel zu selten sind. Die Welt<br />

mit all ihren mehr oder weniger<br />

wi<strong>ch</strong>tigen Dingen reißt uns viel<br />

zu s<strong>ch</strong>nell aus der emotionalen<br />

Verbindung mit dem Herrn heraus<br />

und führt uns ni<strong>ch</strong>t selten in<br />

das Tal der inneren Finsternis.<br />

Aus allen Himmelsri<strong>ch</strong>tungen<br />

stürmt die Dunkelheit<br />

der weltli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>einbarkeiten<br />

auf uns ein, und ohne dass wir<br />

es wollen, verfinstert der Job, die<br />

Hausarbeit oder nur das Lesen<br />

einer Tageszeitung unser Verhältnis<br />

zum Herrn. Gerade in der<br />

heutigen Zeit führt die ständige<br />

Reizüberflutung aus der Sinnenwelt<br />

ni<strong>ch</strong>t selten dazu, dass in<br />

unseren Herzen der Herr dur<strong>ch</strong><br />

den Unrat der Welt so sehr zurückgedrängt<br />

wird, dass Er si<strong>ch</strong><br />

diskret zurückziehen muss.<br />

Die Folge davon ist meist<br />

die, dass si<strong>ch</strong> in unserem Inneren<br />

das Gefühl einer gewissen<br />

Leere einstellt und wir uns irgendwie<br />

von Jesus verlassen fühlen.<br />

Wenn wir über diesen ni<strong>ch</strong>t<br />

sehr erfreuli<strong>ch</strong>en Zustand na<strong>ch</strong>denken,<br />

dann wird unser Verstand<br />

sehr bald erkennen, dass<br />

dieses Gefühl der Verlassenheit<br />

eine Ers<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>keit unseres<br />

im Sinnli<strong>ch</strong>en verhafteten Willens<br />

ist. Denn der Herr kann uns<br />

OFFENE TORE 2/07 63


ja gar ni<strong>ch</strong>t verlassen, würde<br />

Er dies wirkli<strong>ch</strong> können, dann<br />

müsste Er aufhören, an uns zu<br />

denken, und dies hätte zur Folge,<br />

dass wir augenblickli<strong>ch</strong> aufhören<br />

würden, zu existieren. Und<br />

da der Herr in seinem göttli<strong>ch</strong>en<br />

Selbstbewusstsein niemals einen<br />

von Ihm geda<strong>ch</strong>ten Gedanken<br />

vergessen kann, so kann Er uns<br />

au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t wirkli<strong>ch</strong> verlassen.<br />

Mit anderen Worten, es ers<strong>ch</strong>eint<br />

uns nur so, als ob si<strong>ch</strong><br />

der Herr zurückgezogen hat. In<br />

Wahrheit ist es der Mens<strong>ch</strong>, der<br />

sein Herz von den Wolken der<br />

Welt so verdunkeln lässt, so dass<br />

das Liebeli<strong>ch</strong>t des Herrn ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr bis zum Herzensgrund<br />

dur<strong>ch</strong>dringen kann.<br />

Die göttli<strong>ch</strong>e Gnadensonne<br />

der ewigen Gottheit leu<strong>ch</strong>tet<br />

immer und belebt zu jeder Zeit<br />

mit ihrem Weisheitsli<strong>ch</strong>t und<br />

ihrer Liebewärme die gesamte<br />

S<strong>ch</strong>öpfung. Sie belebt als geistige<br />

Sonne alle Ges<strong>ch</strong>öpfe in der<br />

geistigen Welt, und sie belebt in<br />

transformierter Form als natürli<strong>ch</strong>e<br />

Sonne alle Lebewesen in<br />

der natürli<strong>ch</strong>en Welt. Und so bezieht<br />

au<strong>ch</strong> der natürli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong><br />

dieser Erde seine Lebensenergie<br />

von der Sonne, die wir am Himmel<br />

sehen können, während der<br />

geistige Mens<strong>ch</strong> seine Lebensenergie<br />

von der geistigen Sonne<br />

erhält.<br />

Beide Sonnen haben eines<br />

gemeinsam, wenn ihre belebenden<br />

und wärmenden Strahlen<br />

auf fru<strong>ch</strong>tbaren Boden fallen,<br />

dann dauert es meist ni<strong>ch</strong>t<br />

lange, bis die eingelegten<br />

Samen zu keimen beginnen und<br />

als Sprösslinge dur<strong>ch</strong> die Erdkrume<br />

stoßend dem Li<strong>ch</strong>t entgegen<br />

wa<strong>ch</strong>sen. Ist hingegen der<br />

Himmel von s<strong>ch</strong>weren dunklen<br />

Wolken verhangen, so dass kein<br />

Li<strong>ch</strong>tstrahl bis zum Boden gelangt,<br />

dann hat der Samen kaum<br />

eine Chance aufzugehen.<br />

Mit unserem Seelengrund<br />

verhält es si<strong>ch</strong> in der Entspre<strong>ch</strong>ung<br />

ni<strong>ch</strong>t anders als mit einer<br />

Ackers<strong>ch</strong>olle. Wenn die finsteren<br />

Wolken einer im Fals<strong>ch</strong>en<br />

begründeten Lebensführung<br />

verhindern, dass das wärmende<br />

Liebeli<strong>ch</strong>t unseres himmlis<strong>ch</strong>en<br />

Vaters bis zum Grund der Seele<br />

gelangt, dann ist es si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong><br />

lei<strong>ch</strong>t na<strong>ch</strong>zuempfinden, dass in<br />

dieser Seelens<strong>ch</strong>olle kein göttli<strong>ch</strong>er<br />

Liebessamen keimen kann.<br />

Die Folge davon ist, dass si<strong>ch</strong> der<br />

64 OFFENE TORE 2/07


Mens<strong>ch</strong> innerli<strong>ch</strong> öde, leer und<br />

unzufrieden fühlt.<br />

Si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> hat jeder von uns<br />

dieses Gefühl der dur<strong>ch</strong> äußere<br />

oder innere Umstände hervorgerufenen<br />

Gottesferne s<strong>ch</strong>on einmal<br />

dur<strong>ch</strong>lebt. Meist haben wir<br />

erst einige Zeit, na<strong>ch</strong>dem wir<br />

das Tal der inneren Finsternis<br />

dur<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ritten hatten, erkennen<br />

dürfen, dass dieser Zustand<br />

eine liebevolle Zulassung unsers<br />

himmlis<strong>ch</strong>en Vaters war, um uns<br />

auf die Wolkendecke unseres auf<br />

Fals<strong>ch</strong>em begründeten Glaubens<br />

aufmerksam zu ma<strong>ch</strong>en.<br />

Ohne diese in der Regel als<br />

unangenehm empfundenen Zulassungen<br />

des himmlis<strong>ch</strong>en Vaters<br />

würde wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> die<br />

Finsternis in den Seelen der<br />

Mens<strong>ch</strong>en niemals li<strong>ch</strong>ter werden,<br />

und die Mens<strong>ch</strong>heit wäre<br />

wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on längst im<br />

Morast der Welt erstickt.<br />

Do<strong>ch</strong> zu unser aller Glück<br />

hat es dem himmlis<strong>ch</strong>en Vater<br />

in seiner barmherzigen Güte gefallen,<br />

allen Mens<strong>ch</strong>en auf dieser<br />

Erde einen Weg aus der Finsternis<br />

des Herzen zu bahnen. Ein<br />

Weg, der in Anbetra<strong>ch</strong>t der äußeren<br />

Zustände auf unserer Erde<br />

si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> ohne Übertreibung als<br />

s<strong>ch</strong>mal und dornig bezei<strong>ch</strong>net<br />

werden darf, denn er fordert von<br />

demjenigen, der ihn bis zum Ziel<br />

– dem Rei<strong>ch</strong> Gottes – gehen will,<br />

einiges ab.<br />

I<strong>ch</strong> gehe einmal davon aus,<br />

dass i<strong>ch</strong> an dieser Stelle ni<strong>ch</strong>t<br />

weiter auf die vielen Fallgruben<br />

und Dornenhecken einzugehen<br />

brau<strong>ch</strong>e, mit denen der Erdenwanderer<br />

auf dem immer s<strong>ch</strong>maler<br />

werdenden Pfad zum ewigen<br />

Lebensglück konfrontiert wird.<br />

Von den Stolpersteinen der Ungeduld,<br />

des Ho<strong>ch</strong>muts und der<br />

vielen anderen aus der Weltliebe<br />

entspringenden Untugenden<br />

wird der eine oder andere Leser<br />

si<strong>ch</strong>erli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on einmal etwas<br />

gehört haben.<br />

Aber wie i<strong>ch</strong> eben s<strong>ch</strong>on<br />

ausgeführt habe, hat es der<br />

barmherzigen Liebe des himmlis<strong>ch</strong>en<br />

Vaters gefallen, für uns<br />

einen Weg dur<strong>ch</strong> den alles vers<strong>ch</strong>lingenden<br />

Sumpf der Welt zu<br />

bahnen. Und dieser Weg ist, wie<br />

man bei Johannes 14,6 na<strong>ch</strong>lesen<br />

kann, Jesus Christus, denn<br />

dort steht ges<strong>ch</strong>rieben: »I<strong>ch</strong> bin<br />

der Weg, die Wahrheit und das<br />

Leben; niemand kommt zum<br />

Vater außer dur<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong>.«<br />

OFFENE TORE 2/07 65


Jesus hat uns ganz praktis<strong>ch</strong><br />

vorgelebt, wie man in einer Welt,<br />

deren geistiges Glaubensgebäude<br />

si<strong>ch</strong> auf Fals<strong>ch</strong>em begründet,<br />

himmlis<strong>ch</strong>e Wahrheiten leben<br />

kann, ohne si<strong>ch</strong> dabei zu verbiegen<br />

oder aus opportunistis<strong>ch</strong>en<br />

Gründen heraus irgendwel<strong>ch</strong>en<br />

Weltmeinungen zu folgen. Er hat<br />

uns dur<strong>ch</strong> sein irdis<strong>ch</strong>es Leben<br />

bewiesen, dass es mögli<strong>ch</strong> ist, in<br />

einer Welt, wo der Mammon und<br />

die Glei<strong>ch</strong>gültigkeit regieren, Geduld,<br />

Demut und wahre Liebe zu<br />

leben. Und Ihm verdanken wir<br />

es, dass in der Heiligen S<strong>ch</strong>rift<br />

eine Unzahl von Weisheitsperlen<br />

verstreut liegen, die von uns<br />

nur gefunden und aus der S<strong>ch</strong>ale<br />

des äußeren Bu<strong>ch</strong>stabens gelöst<br />

werden müssen, damit sie uns<br />

als mä<strong>ch</strong>tige Wegweiser auf dem<br />

Pfad zum wahren Lebensziel dienen<br />

können.<br />

Do<strong>ch</strong> leider s<strong>ch</strong>afft es<br />

der Mens<strong>ch</strong> meist ni<strong>ch</strong>t ohne<br />

fremde Hilfe, die in den heiligen<br />

S<strong>ch</strong>riften verstreuten, praktis<strong>ch</strong>en<br />

und theoretis<strong>ch</strong>en Rats<strong>ch</strong>läge<br />

unseres Herrn so in sein<br />

Leben zu integrieren, dass er si<strong>ch</strong>er<br />

aus dem Tal der Finsternis<br />

in die Höhen des verheißenen<br />

Gottesrei<strong>ch</strong>es gelangen kann.<br />

Und weil der Herr um dieses<br />

Problem weiß, lässt Er uns dur<strong>ch</strong><br />

Matthäus zurufen: »Kommet her<br />

zu mir alle, die ihr mühselig<br />

und beladen seid; i<strong>ch</strong> will eu<strong>ch</strong><br />

erquicken.«<br />

I<strong>ch</strong> denke, man kann es si<strong>ch</strong><br />

gar ni<strong>ch</strong>t oft genug ins Bewusstsein<br />

rufen, dass Jesus Christus in<br />

seiner barmherzigen Liebe jeden<br />

einzelnen Mens<strong>ch</strong>en auf seinem<br />

Lebensweg begleiten mö<strong>ch</strong>te.<br />

Er ruft uns, wie der Hirte ein<br />

verirrtes S<strong>ch</strong>af ruft, das den si<strong>ch</strong>eren<br />

S<strong>ch</strong>oß der Herde verlassen<br />

hat und nun einsam umherirrt.<br />

Es liegt nur an uns, ob wir<br />

seinen Ruf hören und ihm folgen<br />

wollen, oder ob wir uns lieber in<br />

den für unser Seelenheil gefährli<strong>ch</strong>en<br />

S<strong>ch</strong>lu<strong>ch</strong>ten der Welt tummeln<br />

mö<strong>ch</strong>ten.<br />

Ja, lieber Leser, der Herr<br />

ruft geduldig wie ein guter Hirte<br />

so lange na<strong>ch</strong> uns, bis wir bereit<br />

sind, freiwillig die breite Pra<strong>ch</strong>tstraße<br />

der Welt zu verlassen, um<br />

den steinigen Pfad zu betreten,<br />

der uns zurück zum Vaterherzen<br />

führt. Dieses zarte Rufen<br />

kann der Mens<strong>ch</strong> allerdings nur<br />

dann hören, wenn er es irgendwie<br />

s<strong>ch</strong>afft, dem Lärm der Welt<br />

zu entrinnen, denn solange die<br />

66 OFFENE TORE 2/07


sinnli<strong>ch</strong>en Ablenkungen dominieren,<br />

ist es ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, dass<br />

das Ohr der Seele den Ruf des<br />

Herrn vernimmt.<br />

Das hört si<strong>ch</strong> jetzt viellei<strong>ch</strong>t<br />

s<strong>ch</strong>wieriger an, als es in<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit ist. Denn wir brau<strong>ch</strong>en<br />

eigentli<strong>ch</strong> nur mit offenen<br />

Augen und einem offenen Herzen<br />

dur<strong>ch</strong> die Welt zu gehen,<br />

und mit ein wenig Geduld werden<br />

wir bald den leisen Ruf des<br />

Vaters verspüren.<br />

Da sind die kleinen Sperlinge,<br />

die mitten im Trubel der<br />

Großstadt mit viel Fleiß das Material<br />

zusammen tragen, um<br />

auf einem düsteren Hinterhof in<br />

einer Mauernis<strong>ch</strong>e ihr Nest zu<br />

bauen. Sie säen ni<strong>ch</strong>t und sie ernten<br />

ni<strong>ch</strong>t, und denno<strong>ch</strong> sorgt der<br />

himmlis<strong>ch</strong>e Vater dafür, dass sie<br />

alles finden, um ihre Na<strong>ch</strong>kommen<br />

großzuziehen. Und wenn sie<br />

dann ts<strong>ch</strong>ilpend ein paar Brotkrümel<br />

vom Balkontis<strong>ch</strong> stibitzen,<br />

dann ist es so, als wollten<br />

sie uns zurufen: »Mens<strong>ch</strong>, was<br />

sorgst du di<strong>ch</strong> um dein Fortkommen<br />

in der Welt, siehe der himmlis<strong>ch</strong>en<br />

Vater s<strong>ch</strong>aut ni<strong>ch</strong>t darauf,<br />

was du hast oder wer du bist, für<br />

Ihn zählt nur, ob dein Herz in<br />

Liebe zum Herrn entbrannt ist«<br />

Oder s<strong>ch</strong>auen wir einmal<br />

hinaus in den wunders<strong>ch</strong>önen<br />

Garten, dort wo na<strong>ch</strong> einem für<br />

meinen Ges<strong>ch</strong>mack viel zu langen<br />

Winter diese herrli<strong>ch</strong>en Blumen<br />

blühen und si<strong>ch</strong> ihres Lebens<br />

erfreuen, so als ob es diesen<br />

Winter niemals gegeben hätte.<br />

Bei re<strong>ch</strong>ter Betra<strong>ch</strong>tung leben sie<br />

es vor, dass au<strong>ch</strong> der Mens<strong>ch</strong> nur<br />

dann zum wahren Leben aufblühen<br />

kann, wenn er si<strong>ch</strong> von dem<br />

Ballast seines Seelenwinters löst<br />

und ohne Vorbehalte sein Herz<br />

für das wärmende Liebeli<strong>ch</strong>t des<br />

Herrn öffnet.<br />

Überall in der Natur, aber<br />

au<strong>ch</strong> im alltägli<strong>ch</strong>en Leben<br />

s<strong>ch</strong>enkt uns der Herr kleine Entspre<strong>ch</strong>ungswinke,<br />

die uns darauf<br />

aufmerksam ma<strong>ch</strong>en sollen,<br />

dass nur derjenige den s<strong>ch</strong>malen<br />

Lebenspfad zum Vaterherzen erfolgrei<strong>ch</strong><br />

bes<strong>ch</strong>reiten kann, der<br />

freiwillig dem Bösen der Welt<br />

flieht und si<strong>ch</strong> stattdessen in<br />

die göttli<strong>ch</strong>e Liebesordnung des<br />

Herrn einfügt.<br />

Wer dies für si<strong>ch</strong> erkannt<br />

hat und in kindli<strong>ch</strong>er Liebe<br />

zum himmlis<strong>ch</strong>en Vater den<br />

für die Welt unbequemen Weg<br />

der Selbstverleugnung geht, der<br />

wird bald erleben, wie in sei-<br />

OFFENE TORE 2/07 67


ner Seele die di<strong>ch</strong>ten Wolken<br />

des sinnli<strong>ch</strong>en Bu<strong>ch</strong>stabenglaubens<br />

vom Sturm der göttli<strong>ch</strong>en<br />

Gnade weggefegt werden und<br />

sein einst öder Seelengrund zu<br />

einem blühenden Garten Eden<br />

umgewandelt wird. Die Blumen<br />

der göttli<strong>ch</strong>en Einsi<strong>ch</strong>ten strecken<br />

ihre Blätter und Blüten<br />

der alles belebenden geistigen<br />

Sonne entgegen, und ein in der<br />

lauen Frühlingsluft liegender<br />

Duft lässt beseligende Gefühle<br />

aufkommen.<br />

Die Herrli<strong>ch</strong>keit Gottes<br />

dur<strong>ch</strong> strömt das ganze Sein<br />

und es ist, als ob dur<strong>ch</strong> den Lobgesang<br />

der Vögel hindur<strong>ch</strong> der<br />

leise Liebesruf des himmlis<strong>ch</strong>en<br />

Vaters zu vernehmen ist. Wer<br />

diesem Ruf folgt, wird erleben,<br />

wie es ist, wenn Jesus Christus<br />

zum Wegbegleiter auf dem dornigen<br />

Pfad dur<strong>ch</strong> Raum und Zeit<br />

in die unbekannten Höhen der<br />

geistigen Welt wird. Mit Ihm an<br />

der Seite wird es mögli<strong>ch</strong> sein,<br />

die S<strong>ch</strong>öpfungsregionen zu betreten,<br />

in denen Liebe und Weisheit<br />

zu einer Einheit vers<strong>ch</strong>melzen<br />

und die himmlis<strong>ch</strong>e Liebe<br />

Gottes der Maßstab aller Dinge<br />

ist. Dort wird der Mens<strong>ch</strong> in<br />

tiefster Zerknirs<strong>ch</strong>ung seines<br />

Herzens erkennen, dass er alles<br />

Gute und Wahre, was ihm in seinem<br />

ganzen Leben begegnet ist,<br />

auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> vom himmlis<strong>ch</strong>en<br />

Vater erhalten hat.<br />

I<strong>ch</strong> denke, dass der Psalmist<br />

David dies au<strong>ch</strong> so empfunden<br />

hat, als er im 23. Psalm nieders<strong>ch</strong>rieb:<br />

»Der HERR ist mein<br />

Hirte; mir wird ni<strong>ch</strong>ts mangeln.<br />

Er weidet mi<strong>ch</strong> auf grüner Aue<br />

und führet mi<strong>ch</strong> zum fris<strong>ch</strong>en<br />

Wasser. Er erquicket meine<br />

Seele; er führet mi<strong>ch</strong> auf re<strong>ch</strong>ter<br />

Straße um seines Namens willen.<br />

Und ob i<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on wanderte<br />

im finstern Tal, für<strong>ch</strong>te i<strong>ch</strong> kein<br />

Unglück; denn du bist bei mir,<br />

dein Stecken und dein Stab trösten<br />

mi<strong>ch</strong>. Du bereitest vor mir<br />

einen Tis<strong>ch</strong> im Angesi<strong>ch</strong>t meiner<br />

Feinde. Du salbest mein Haupt<br />

mit Öl und s<strong>ch</strong>enkest mir voll<br />

ein. Gutes und Barmherzigkeit<br />

werden mir folgen mein Leben<br />

lang, und i<strong>ch</strong> werde bleiben im<br />

Hause des HERRN immerdar.«<br />

¨<br />

68 OFFENE TORE 2/07


Ist der Monotheismus intolerant?<br />

von Heinri<strong>ch</strong> Beck<br />

Das erste und grundlegende der 10 Gebote, die Moses auf dem<br />

Sinai empfing, lautet: »Du sollst keine fremden Götter neben mir<br />

haben!« Der Eine Gott duldet keine anderen neben si<strong>ch</strong>; er ist, wie er<br />

von si<strong>ch</strong> sagt, ein »eifersü<strong>ch</strong>tiger Gott«.<br />

Die Mens<strong>ch</strong>en erfahren si<strong>ch</strong> selbst als total abhängig von Gott<br />

als ihrem Daseinsgrund und »personalen Mittelpunkt«. Geht so die<br />

»Intoleranz Gottes« auf die Mens<strong>ch</strong>en über, denen er si<strong>ch</strong> in besonderer<br />

Weise zuwendet? Die Rück-bindung an den Einen in bedingungsloser<br />

Hingabe s<strong>ch</strong>ließt dann wohl die Anerkennung au<strong>ch</strong> Anderer<br />

als »Götter«, als absolute Wertträger aus. Diese, wie es s<strong>ch</strong>einen<br />

könnte, im Wesen von »mono-theistis<strong>ch</strong>er Re-ligiosität« liegende Intoleranz<br />

zeigte si<strong>ch</strong> in der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ebenso an den beiden weiteren<br />

aus dem Judentum hervorgegangenen Religionen, dem Christentum<br />

und dem Islam. Sie birgt stets au<strong>ch</strong> ein »Potential für die Anwendung<br />

von Gewalt«, wenn – wie es vielfa<strong>ch</strong> verstanden wurde – den Mens<strong>ch</strong>en<br />

das Re<strong>ch</strong>t zu anderen Wertorientierungen abgespro<strong>ch</strong>en wird.<br />

Ist eine sol<strong>ch</strong>e praktis<strong>ch</strong>e Konsequenz aber legitim aus dem Begriff<br />

des »Monotheismus« abzuleiten oder ni<strong>ch</strong>t eher ein Ausdruck der<br />

Angst und des Selbstbehauptungswillens von Gläubigen, die si<strong>ch</strong> in<br />

ihrer sozialen oder politis<strong>ch</strong>en Identität bedroht fühlen?<br />

Es ist nämli<strong>ch</strong> die Frage zu stellen, aus wel<strong>ch</strong>em Grund wohl<br />

Gott die Auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong>keit der Hingabe an ihn beanspru<strong>ch</strong>t. Ist es eigene<br />

Unvollkommenheit und Bedürftigkeit, so dass der Mens<strong>ch</strong> ihm<br />

etwas zu geben hätte, das er ni<strong>ch</strong>t s<strong>ch</strong>on von si<strong>ch</strong> aus besitzt? Würde<br />

ein sol<strong>ch</strong>es Motiv ni<strong>ch</strong>t der anzunehmenden absoluten und unbegrenzten<br />

Seinsfülle Gottes widerspre<strong>ch</strong>en? Und würde so ni<strong>ch</strong>t der<br />

Mens<strong>ch</strong> von Gott ledigli<strong>ch</strong> eigensü<strong>ch</strong>tig »benützt«, um si<strong>ch</strong> selbst als<br />

»absoluter Herr« zu erfahren und zu bestätigen – womit der Mens<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t um seiner selbst willen geliebt und in eigenes Sein freigegeben<br />

wäre? Und wäre letztli<strong>ch</strong> der Mens<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t überfordert, wenn<br />

OFFENE TORE 2/07 69


sein »Daseinszweck« darin läge, ebenbürtiger Partner des »Unendli<strong>ch</strong>en«<br />

zu sein?<br />

Für die Auseinandersetzung mit diesen Fragen ers<strong>ch</strong>eint ri<strong>ch</strong>tungweisend,<br />

dass Gott si<strong>ch</strong> als der Ewige, über alle Zeitli<strong>ch</strong>keit und<br />

Unvollkommenheit Erhabene, als der unbedingt und unbegrenzt Seiende<br />

und (jedenfalls na<strong>ch</strong> <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>em Verständnis) als der bedingungslos<br />

Liebende bekundet, aus dessen uners<strong>ch</strong>öpfli<strong>ch</strong>er Ma<strong>ch</strong>t,<br />

Weisheit und Güte alle Wesen ihr Dasein empfangen – was au<strong>ch</strong> in<br />

philosophis<strong>ch</strong>en Zugängen zum letzten Ursprung des Seins in den<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen Kulturtraditionen immer wieder reflektiert wurde.<br />

So bietet si<strong>ch</strong> als Lösungsperspektive der Verglei<strong>ch</strong> des aus Gott<br />

empfangenen Seins mit dem Li<strong>ch</strong>t an, das dur<strong>ch</strong> ein Prisma geht und<br />

in vielen Farben si<strong>ch</strong>tbar wird: Die vers<strong>ch</strong>iedenen in ihrem Li<strong>ch</strong>t<strong>ch</strong>arakter<br />

jeweils begrenzten Farben sind ihrem ganzen Li<strong>ch</strong>tgehalt<br />

na<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on in dem einströmenden reinen weißen Li<strong>ch</strong>t vorausenthalten<br />

– ni<strong>ch</strong>t als ein Gemis<strong>ch</strong>, denn die vielen Farben entstehen je erst<br />

dur<strong>ch</strong> die Li<strong>ch</strong>tbre<strong>ch</strong>ung im Prisma, sondern als einfa<strong>ch</strong>e Fülle. So<br />

ähnli<strong>ch</strong>, lässt si<strong>ch</strong> vorstellen, ist der Seinsgehalt der vielen begrenzten<br />

Seienden, die dem göttli<strong>ch</strong>en Sein entströmen, in diesem in unbegrenzter<br />

Fülle und als einfa<strong>ch</strong>e Einheit. Gott als »das reine Sein in<br />

Person« beinhaltet bereits die Seinsfülle der vielen begrenzten Seienden<br />

und brau<strong>ch</strong>t sie ni<strong>ch</strong>t, um si<strong>ch</strong> zu vervollkommnen und zu ergänzen;<br />

so ist deren S<strong>ch</strong>öpfung als absolut freie Tat zu betra<strong>ch</strong>ten.<br />

Dies würde für die Frage der Toleranz oder Intoleranz des<br />

»Einen Gottes« gegenüber »anderen Göttern« bedeuten: Die vielen<br />

vers<strong>ch</strong>iedenen »Götter«, wie die bei den alten Römern verehrte Venus<br />

als Symbol der S<strong>ch</strong>önheit, Harmonie und Liebe, oder Mars als Personifizierung<br />

von männli<strong>ch</strong>er Kraft und Dynamik, oder au<strong>ch</strong> Jupiter<br />

als hö<strong>ch</strong>ste Fülle der Gere<strong>ch</strong>tigkeit, Pluto als Verkörperung unermessli<strong>ch</strong>er<br />

Ma<strong>ch</strong>t usw. bes<strong>ch</strong>reiben jeweils begrenzte Teilaspekte<br />

einer absoluten Vollkommenheit des Seins, die den einen und unbegrenzten<br />

S<strong>ch</strong>öpfergott von vers<strong>ch</strong>iedenen Seiten »anzielen« oder<br />

»abbilden«. (Dabei ist freili<strong>ch</strong> eine teilweise Verfehlung und »Verzerrung«<br />

der zugrundeliegenden »urbildli<strong>ch</strong>en Wahrheit« ni<strong>ch</strong>t auszu-<br />

70 OFFENE TORE 2/07


s<strong>ch</strong>ließen.) In gewissem Sinne also gibt es die »Götter«, nämli<strong>ch</strong> die<br />

in ihnen dargestellten »absoluten Wertgehalte«; sie dürfen nur ni<strong>ch</strong>t<br />

verselbständigt und aus ihrer ursprüngli<strong>ch</strong>en Sinnordnung gerissen<br />

werden – sonst werden sie lei<strong>ch</strong>t zu »Götzen«.<br />

Das »erste Gebot«: »Du sollst keine fremden Götter neben mir<br />

haben!« verbietet also ledigli<strong>ch</strong> die »Vergötzung von Teilaspekten des<br />

Guten«, die ungeordnete Anhängli<strong>ch</strong>keit an sie. Alles Gute ist vielmehr<br />

in dem einen Gott, der »alle Wahrheiten der Götter« unendli<strong>ch</strong><br />

übersteigt, vorausenthalten und – in der re<strong>ch</strong>ten Seins- und Liebesordnung<br />

– allein von ihm her zu erwarten. Dieser Gott ist gegen andere<br />

Götter intolerant: ni<strong>ch</strong>t um seinet- , sondern um des Mens<strong>ch</strong>en willen.<br />

Allerdings ist unsere Erkenntnis und Aussage des unbegrenzten<br />

Gottes immer nur begrenzt und entfernt annäherungsweise<br />

mögli<strong>ch</strong> – weshalb eine Offenheit und Toleranz gegenüber anderen<br />

Si<strong>ch</strong>tweisen im Interesse einer mögli<strong>ch</strong>en gegenseitigen Ergänzung<br />

(und viellei<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> notwendigen »Korrektur«) stets sinnvoll und geboten<br />

ers<strong>ch</strong>eint.<br />

OFFENE TORE 2/07 71


»<br />

Sanctorum communio<br />

Ein ekklesiologis<strong>ch</strong>er Entwurf<br />

im Geiste Swedenborgs<br />

von Thomas Noack<br />

1. Thema Kir<strong>ch</strong>e<br />

Gemeins<strong>ch</strong>aft der Heiligen« ist ein Kerngedanke der Ekklesiologie<br />

der Reformation und Emanuel Swe denborgs. Deswegen<br />

wollen wir unter dieser Übers<strong>ch</strong>rift unsere Kir<strong>ch</strong>enlehre im Geiste<br />

des s<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>en Theo logen entwickeln. Dieser s<strong>ch</strong>ätzte das Apostolis<strong>ch</strong>e<br />

Glaubensbekenntnis sehr. Daher glaub te er an die »sanctam<br />

ecclesiam catholicam«. Je na<strong>ch</strong> Konfession sind un ter s<strong>ch</strong>ied li<strong>ch</strong>e<br />

Über setzungen im Gebrau<strong>ch</strong>. Römis<strong>ch</strong>-katholis<strong>ch</strong>e Christen bekennen<br />

»die heilige katho li s<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e«, lutheris<strong>ch</strong>e »die heilige <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e<br />

Kir<strong>ch</strong>e« und reformierte »die heilige all ge meine <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e<br />

Kir<strong>ch</strong>e«. Unmittelbar auf »sanctam ecclesiam catholicam« folgt »sanctorum<br />

communionem«. Das ist eine na<strong>ch</strong>trägli<strong>ch</strong>e Einfügung in den<br />

Text, die si<strong>ch</strong> zuerst um 400 bei Bis<strong>ch</strong>of Niketas von Reme si ana in<br />

Serbien na<strong>ch</strong>weisen lässt. Diese Formel hatte von Anfang an einen<br />

doppelten Sinn. Einerseits bezei<strong>ch</strong>nete sie die Kir<strong>ch</strong>e als »Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

der Heiligen«. Andererseits gab es s<strong>ch</strong>on früh und be sonders<br />

im ostkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> eine Deutung des Genitivs als<br />

»Gemeins<strong>ch</strong>aft am Heiligen«. Dabei war vor allem an die Teilhabe an<br />

der Eu<strong>ch</strong>aristie geda<strong>ch</strong>t. Dieser Gedanke trat jedo<strong>ch</strong> im lateinis<strong>ch</strong>en<br />

Mittelalter, in der Reformation und daher au<strong>ch</strong> bei Swe den borg hinter<br />

der personalen Deutung zurück. 1<br />

Bei Swedenborg entdecken wir zahlrei<strong>ch</strong>e Bausteine zu einer<br />

Lehre von der Kir<strong>ch</strong>e, aber no<strong>ch</strong> keine umfassende Gesamtdarstellung.<br />

In der wahren <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Religion, dem Hauptwerk, das im<br />

1 Siehe Wolfhart Pannenberg, Systematis<strong>ch</strong>e Theologie, Band 3, Göttingen 1993, Seite<br />

117f. Sigel: STh.<br />

72 OFFENE TORE 2/07


Titel immerhin ankündigt, die gesamte Theologie der neuen Kir<strong>ch</strong>e<br />

zu enthalten 2 , finden wir kein Kapitel über die Kir<strong>ch</strong>e. Nur die beiden<br />

Sa kramente Taufe und Abendmahl wer den behandelt. In dem<br />

kleinen Werk über das neue Jerusalem hingegen ist ein Kapitel<strong>ch</strong>en<br />

über die Kir<strong>ch</strong>e vorhanden. Daher können wir sagen: Die Lehre von<br />

der Kir<strong>ch</strong>e ist bei Swe denborg zumindest ein Thema, wennglei<strong>ch</strong><br />

ihre systematis<strong>ch</strong>e Ausarbeitung no<strong>ch</strong> in den Anfängen steckt.<br />

Dieser Befund entspri<strong>ch</strong>t dem Stand der theologis<strong>ch</strong>en Reflexion<br />

im 18. Jahrhundert. Denn als Swedenborg einige Gedanken über die<br />

Kir<strong>ch</strong>e nieders<strong>ch</strong>rieb, hatte die Betra<strong>ch</strong>tung dieses Gegenstandes<br />

no<strong>ch</strong> keine lange Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te. Zwar gab es s<strong>ch</strong>on in den Werken der<br />

Kir<strong>ch</strong>enväter vielerlei Einzelaussagen über die Kir<strong>ch</strong>e, aber »erst<br />

im 15. Jahrhundert, also im Zeitalter des Konziliarismus und na<strong>ch</strong><br />

den Erfahrungen des abendländis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>ismas mit der Gefangens<strong>ch</strong>aft<br />

der Päpste in Avignon, entstanden selbständige Traktate über<br />

den Kir<strong>ch</strong>en be griff.« (STh 3,34). Daher waren die reformatoris<strong>ch</strong>en<br />

Ansätze zur Ekklesiologie im 16. Jahrhundert no<strong>ch</strong> sehr jung. Sie<br />

gaben den Anstoß dafür, »daß au<strong>ch</strong> in der katholis<strong>ch</strong>en Kontroverstheologie<br />

der Kir<strong>ch</strong>enbegriff zum Thema der Auseinandersetzung<br />

wurde.« (STh 3,34). Do<strong>ch</strong> erst seit dem 19. Jahrhundert gibt es auf<br />

katho li s<strong>ch</strong>er Seite Lehrdokumente, »die über einzelne Aspekte hinaus<br />

ein Gesamtbild von Kir<strong>ch</strong>e ent wer fen« 3 . Und in unserer Zeit<br />

kann das Thema Kir<strong>ch</strong>e sogar als das zentrale, theologis<strong>ch</strong>e angesehen<br />

werden, jedenfalls insofern das allseitige, ökumenis<strong>ch</strong>e Bedürfnis<br />

zum intensiven Na<strong>ch</strong>denken über das Wesen und die Gestalt<br />

der Kir<strong>ch</strong>e anregt. Der evangelis<strong>ch</strong>e Dogmenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tler Bernhard<br />

Lohse meinte: »Kein Zweifel … besteht, daß die Einheit der Kir<strong>ch</strong>e<br />

heute in ähnli<strong>ch</strong>er Weise das zentrale Thema der Kir<strong>ch</strong>en- und Dogmenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

ist, wie es in vergangenen Epo<strong>ch</strong>en die Trinitätslehre,<br />

die Christologie oder die Sünden- und Gnadenlehre oder au<strong>ch</strong><br />

2 Der vollständige Titel der WCR lautet: »Vera <strong>ch</strong>ristiana religio continens universam<br />

theologiam novae ecclesiae …«<br />

3 Gerhard Ludwig Müller, Katholis<strong>ch</strong>e Dogmatik: Für Studium und Praxis der Theologie,<br />

Freiburg 2003, Seite 572.<br />

OFFENE TORE 2/07 73


die Frage der Re<strong>ch</strong>tfertigung des Mens<strong>ch</strong>en war.« 4 Unser ekklesiologis<strong>ch</strong>er<br />

Entwurf aus einer sweden borg s<strong>ch</strong>en Perspektive knüpft<br />

wie si<strong>ch</strong> zeigen wird an reformatoris<strong>ch</strong>e Grundsatzent s<strong>ch</strong>ei dungen<br />

an und steht somit dem Kir<strong>ch</strong>en ver ständnis der Reformation näher<br />

als dem des Katholizismus.<br />

2. Die »basileia tou theou« des irdis<strong>ch</strong>en Jesus<br />

Das Zentrum der Verkündigung Jesu war die »basileia tou theou« 5 ,<br />

die Königsherrs<strong>ch</strong>aft oder das Königrei<strong>ch</strong> Gottes (»basileia« bedeutet<br />

beides). Die Bots<strong>ch</strong>aft von der an bre<strong>ch</strong>enden Gottesherrs<strong>ch</strong>aft<br />

knüpfte an vorhandene Vorstellungen und Er war tungen<br />

an, sprengte aber glei<strong>ch</strong>zeitig ihren allzu bes<strong>ch</strong>ränkten Rahmen.<br />

Spätestens seit dem 8. Jahrhundert v. Chr. ist Jahwe in Israel als<br />

König Israels und der himmlis<strong>ch</strong>en Mä<strong>ch</strong>te angerufen worden (Jes<br />

6,5). Davon zeugt au<strong>ch</strong> der Ruf »Jahwe malak« (»Jahwe ist König geworden«<br />

oder »Jahwe (und kein anderer) ist König«) der Jahwe-König-<br />

Hymnen 6 . Vom 6. Jahrhundert v. Chr. an wird angesi<strong>ch</strong>ts der von<br />

Israel erlittenen ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>en Katastrophen und der si<strong>ch</strong> darin<br />

s<strong>ch</strong>einbar dokumen tierenden S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e seines Gottes der Anbru<strong>ch</strong><br />

der un einge s<strong>ch</strong>ränk ten Gottesherrs<strong>ch</strong>aft mehr und mehr zum Ausdruck<br />

israelitis<strong>ch</strong>er Zukunftserwartung (Jes 52,7-9). Im Judentum<br />

der Zeit Jesu war die Hoffnung auf die Herrs<strong>ch</strong>aft Jahwes im Tempelkult<br />

und in der synagogalen Liturgie allgegenwärtig. 7 Jesus klei dete<br />

also seine Bots<strong>ch</strong>aft, indem er die »basileia tou theou« verkündigte,<br />

in eine seit Jahrhunderten geprägte Spra<strong>ch</strong>e ein. Glei<strong>ch</strong>zeitig stieß<br />

4 Bernhard Lohse, Epo<strong>ch</strong>en der Dogmenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te, 1986, Seite 238.<br />

5 »Will man das Zentrum der Verkündigung Jesu mit einem einzigen Ausdruck<br />

bes<strong>ch</strong>reiben, muß man von Gottes Herrs<strong>ch</strong>aft (basileia tou theou) reden.« (Peter<br />

Stuhlma<strong>ch</strong>er, Biblis<strong>ch</strong>e Theologie des Neuen Testaments, Band 1, 1997, Seite 67).<br />

»Basileia tou theou« und »ton ouranon« (pl. der Himmel) sind im wesentli<strong>ch</strong>en glei<strong>ch</strong>wertig,<br />

weil die Juden für »theos« neben anderen Ums<strong>ch</strong>reibungen au<strong>ch</strong> »ouranos«<br />

brau<strong>ch</strong>ten.<br />

6 Das sind die Psalmen 47, 93, 96, 97, 98, 99.<br />

7 Zum Gesagten siehe Peter Stuhlma<strong>ch</strong>er, Biblis<strong>ch</strong>e Theologie des Neuen Testaments,<br />

Band 1, 1997, Seite 68-70.<br />

74 OFFENE TORE 2/07


er aber au<strong>ch</strong> die Überwindung allzu engsinniger, mit ihr verbundener<br />

Kon no ta ti onen an; zu nennen sind die veräußerli<strong>ch</strong>te Thoraobservanz<br />

und die politis<strong>ch</strong>en Erlösungsphantasien 8 .<br />

Das Besondere der Verkündigung Jesu war das, was er s<strong>ch</strong>on in<br />

seiner Antrittspredigt in der Synagoge von Na za reth zum Ausdruck<br />

bra<strong>ch</strong>te: »Heute ist dieses Wort der S<strong>ch</strong>rift erfüllt vor euren Ohren.«<br />

(Lk 4,21). In Je sus von Nazareth wurde die Zukunft oder die es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>e<br />

Erwartung Gegenwart. Auf zwei Ba si leia wor te sei in diesem<br />

Zusammenhang besonders hingewiesen. Jesus sagte: »Wenn<br />

i<strong>ch</strong> aber mit dem Finger Gottes die Dämonen austreibe, so ist ja (dadur<strong>ch</strong>)<br />

die Herrs<strong>ch</strong>aft Gottes (s<strong>ch</strong>on) zu eu<strong>ch</strong> hingelangt.« (Lk 11,20).<br />

Dass also in Jesus jemand in der Welt oder in der Finsternis da war,<br />

der die bösen Geister beherrs<strong>ch</strong>en und aus trei ben konnte, genau das<br />

war das für jedermann erkennbare Zei<strong>ch</strong>en der anbre<strong>ch</strong>enden Gottesherrs<strong>ch</strong>aft.<br />

Jesu Werk ma<strong>ch</strong>te aus der erwarteten Zukunft aktuelle<br />

Gegenwart. Ebenfalls im Lukasevangelium ist die Ant wort Je su<br />

auf die Frage überliefert: »Wann kommt die Herrs<strong>ch</strong>aft (oder das<br />

Rei<strong>ch</strong>) Gottes?« »Die Herrs<strong>ch</strong>aft Got tes kommt ni<strong>ch</strong>t mit Beoba<strong>ch</strong>tung<br />

(in äußerli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>tbarer Weise). Man wird au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sagen: Siehe,<br />

hier ist sie! oder: Dort ist sie! Denn siehe, die Herrs<strong>ch</strong>aft Gottes ist<br />

(s<strong>ch</strong>on) mitten unter eu<strong>ch</strong>.« (Lk 17,20f.). Die Exegese hält die Übersetzung<br />

»mitten unter uns« für die ri<strong>ch</strong>tige, und sie passt ja au<strong>ch</strong> gut zu<br />

Lk 4,21 und 11,20. Wiederum wird gesagt, »daß die Gottesherrs<strong>ch</strong>aft<br />

bereits in Jesus selbst und dem, was si<strong>ch</strong> um ihn herum begibt, gegenwärtig<br />

wird« 9 . Jesus spiritualisierte die Erwartung der Gottesherrs<strong>ch</strong>aft.<br />

Er erlöste sein Volk ni<strong>ch</strong>t von der verhassten Fremdbe-<br />

8 Eine s<strong>ch</strong>öne Illustration finden wir bei Jakob Lorber: »Die gute Maria und Meine<br />

ganze irdis<strong>ch</strong>e Verwandts<strong>ch</strong>aft stellte si<strong>ch</strong> unter dem Messias au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> glei<strong>ch</strong>fort<br />

einen Besieger der Römer und anderer Feinde des gelobten Landes vor; ja, die Besten<br />

hatten von dem verheißenen Messias nahe dieselbe Vorstellung, wie in dieser Zeit<br />

viele aus der Zahl sonst ehrenhafter Mens<strong>ch</strong>en si<strong>ch</strong> eine ganz verkehrte Vorstellung<br />

vom Tausendjährigen Rei<strong>ch</strong>e ma<strong>ch</strong>en. Aber es war no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t an der Zeit, ihnen eine<br />

andere Vorstellung zu geben.« (GEJ 1,10,3)<br />

9 Peter Stuhlma<strong>ch</strong>er, Biblis<strong>ch</strong>e Theologie des Neuen Testaments, Band 1, 1997, Seite<br />

71.<br />

OFFENE TORE 2/07 75


herrs<strong>ch</strong>ung dur<strong>ch</strong> die Römer, dafür erlöste er die an ihn Glaubenden<br />

aber von den Dämonen in ihnen.<br />

Swedenborg setzte Jesu Gottesrei<strong>ch</strong> mit der Kir<strong>ch</strong>e glei<strong>ch</strong>, und<br />

Lukas 17,21 (»entos hymon estin«) deutete er in dem Sinne, dass<br />

dieses Rei<strong>ch</strong> im Mens<strong>ch</strong>en ist: »Unter ›Rei<strong>ch</strong> Gottes‹ versteht man<br />

im allgemeinen Sinne den gesamten Himmel, im weniger allgemeinen<br />

die wahre Kir<strong>ch</strong>e des Herrn und im besonderen jeden, der einen<br />

wahren Glauben hat bzw. dur<strong>ch</strong> ein Leben des Glaubens wiedergeboren<br />

ist. Deswegen heißt er au<strong>ch</strong> ›Himmel‹, weil in ihm der Himmel<br />

ist, sodann ›Rei<strong>ch</strong> Gottes‹, weil in ihm das Rei<strong>ch</strong> Gottes ist. Das<br />

lehrt der Herr selbst bei Lukas 17,20f.« (HG 29). 10 Swedenborg zitiert<br />

ans<strong>ch</strong>ließend die Stelle und übersetzt den uns interessierenden Teil<br />

so: »regnum Dei intra vos est«. Das muss na<strong>ch</strong> den vorangegangenen<br />

Ausführungen mit Luther wie folgt übersetzt werden: »Das Rei<strong>ch</strong><br />

Gottes ist inwendig in eu<strong>ch</strong>«. Diese Lesart begegnet uns au<strong>ch</strong> in den<br />

Offenbarungen dur<strong>ch</strong> Jakob Lorber (siehe GEJ 8,18,4; 9,67,20). Für<br />

sie kann man das Argument anführen, dass die »basileia tou theou«,<br />

wenn sie ni<strong>ch</strong>t »unter Beoba<strong>ch</strong>tung (auf äußerli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>tbare Weise)«<br />

kommt, au<strong>ch</strong> keine äußerli<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>tbare, sondern nur eine innerli<strong>ch</strong><br />

er fahr bare Wirkli<strong>ch</strong>keit sein kann, die allerdings im irdis<strong>ch</strong>en Jesus<br />

s<strong>ch</strong>on einmal mitten unter uns war, ihre voll kom mene Verwirkli<strong>ch</strong>ung<br />

aber glei<strong>ch</strong> wohl erst in der neuen S<strong>ch</strong>öpfung finden wird.<br />

Swedenborg identifiziert also Rei<strong>ch</strong> Gottes und Kir<strong>ch</strong>e (siehe<br />

oben HG 29, WCR 572). Do<strong>ch</strong> an gesi<strong>ch</strong>ts des von ihm ebenfalls geäußerten<br />

Urteils, dass die ursprüngli<strong>ch</strong>e, <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e oder apostolis<strong>ch</strong>e<br />

Kir<strong>ch</strong>e vollständig untergegangen ist (WCR 378), kann die<br />

Glei<strong>ch</strong> setzung jedenfalls ni<strong>ch</strong>t die Kir<strong>ch</strong>en betreffen, die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

gema<strong>ch</strong>t haben. Die Identitätsaussage ist vielmehr idealtypis<strong>ch</strong>er<br />

Natur, das heißt sie ist auf das Wesen der Kir<strong>ch</strong>e zu be ziehen. Bezogen<br />

auf die Wirkli<strong>ch</strong>keit der Kir<strong>ch</strong>en kann sie hingegen nur die Bestimmung<br />

sein, die den Kir<strong>ch</strong>en zugrunde liegt, aber immer wieder<br />

au<strong>ch</strong> zur Wahrnehmung der Differenz zwis<strong>ch</strong>en der Gottes herrs<strong>ch</strong>aft<br />

10 Ebenso WCR 572: »Unter dem Rei<strong>ch</strong> Gottes ist sowohl der Himmel als au<strong>ch</strong> die Kir<strong>ch</strong>e<br />

zu verstehen, da das Rei<strong>ch</strong> Gottes auf Erden die Kir<strong>ch</strong>e ist.«<br />

76 OFFENE TORE 2/07


und dem Ort ihrer angebli<strong>ch</strong>en Verwirkli<strong>ch</strong>ung Anlass gibt. 11 Die<br />

Bestimmung der Kir<strong>ch</strong>e ist es, der Ort der Herrs<strong>ch</strong>aft Gottes zu sein.<br />

3. Kyrios und Pneuma:<br />

Das unsi<strong>ch</strong>tbare Göttli<strong>ch</strong>e der Kir<strong>ch</strong>e<br />

3.1. Der Kyrios und die Kir<strong>ch</strong>e<br />

Der Kyrios ist das Gegenüber der Kir<strong>ch</strong>e. Unser Wort »Kir<strong>ch</strong>e« kommt<br />

von dem grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en »kyriake« her, was »dem Herrn zugehörig« bedeutet.<br />

In Verbin dung mit »ek kle sia« ergibt si<strong>ch</strong> daraus »die dem<br />

Herrn zugehörige Gemeinde«, in Ver bindung mit »oikia« erhält man<br />

»Haus des Herrn«. S<strong>ch</strong>on diese Herkunft des Wortes »Kir<strong>ch</strong>e« weist<br />

darauf hin, dass sie ihr Wesen und ihre Bestimmung ganz und gar<br />

vom Herrn her em pfängt. Beziehungen ma<strong>ch</strong>en die Beteiligten überhaupt<br />

erst zu dem, was sie im Be ziehungs gefüge sind. So wird in der<br />

Ehe der Mann dur<strong>ch</strong> die Frau zum Ehemann und die Frau dur<strong>ch</strong> den<br />

Mann zur Ehefrau. Und dur<strong>ch</strong> Kinder wird der Mann zum Vater und<br />

die Frau zur Mutter. In glei<strong>ch</strong>er Weise ist die Kir<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t aus si<strong>ch</strong><br />

heraus Kir<strong>ch</strong>e, son dern nur dur<strong>ch</strong> ihre Beziehung zum Kyrios. Die<br />

umgekehrte Lesung dieses Verhält nisses ist natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> ri<strong>ch</strong>tig:<br />

Kyrios oder Herr wird Gott dur<strong>ch</strong> die Kir<strong>ch</strong>e, insofern sie der Berei<strong>ch</strong><br />

in der Mens<strong>ch</strong>enwelt ist, der si<strong>ch</strong> seiner Herrs<strong>ch</strong>aft freiwillig übergeben<br />

hat. Do<strong>ch</strong> diese Lesung will i<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t weiter entfalten. Im vorliegenden<br />

Zusammenhang ist nur wi<strong>ch</strong>tig, dass die Kir<strong>ch</strong>e das, was<br />

sie ist, nämli<strong>ch</strong> »die dem Herrn zugehörige Gemeinde«, auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />

dadur<strong>ch</strong> ist, dass der Kyrios ihr Gegenüber ist.<br />

Das ergibt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> aus der Art und Weise, wie das Neue Testament<br />

den hellenistis<strong>ch</strong>en Begriff »ekklesia« über nommen hat. Er<br />

bedeutet einfa<strong>ch</strong> nur »Volksversammlung«. Do<strong>ch</strong> diese Bedeutung<br />

ist den S<strong>ch</strong>reibern der neutestamentli<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riften zu wenig qualifiziert.<br />

Deswegen nehmen sie oft eine genauere Bestimmung vor,<br />

11 Au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> W. Pannenberg »ist das Rei<strong>ch</strong> Gottes mit der Kir<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t einfa<strong>ch</strong> identis<strong>ch</strong>«<br />

(STh 3,42). Für ihn ist sie aber das »Zei<strong>ch</strong>en des Gottesrei<strong>ch</strong>es« (STh 3,45).<br />

OFFENE TORE 2/07 77


indem sie den Genitiv »tou theou« (des Gottes) anfügen, so dass klar<br />

wird, um was für eine Versammlung es si<strong>ch</strong> handelt. Es handelt si<strong>ch</strong><br />

um »die Gemeinde des (einen) Gottes« (Apg 20,28; 1Kor 1,2; 10,32;<br />

11,22; 15,9; 2Kor 1,1; Gal 1,13; 1Thess 2,14; 1Tim 3,5). Es handelt<br />

si<strong>ch</strong> um die Sammel bewegung (Mt 12,30), die der eine Gott bewirkt,<br />

indem Jesus im Glauben als der Kyrios anerkannt wird.<br />

Swedenborg spri<strong>ch</strong>t vom Kyrios als dem Gegenüber der Kir<strong>ch</strong>e,<br />

dur<strong>ch</strong> das sie überhaupt erst »kyriake« wird, in Formulierungen wie<br />

»die Kir<strong>ch</strong>e des Herrn« (HG 637) oder »die Ehe des Herrn und der<br />

Kir<strong>ch</strong>e« (WCR 248). Außerdem lesen wir bei ihm: »Der Herr allein ist<br />

das Alles der Kir<strong>ch</strong>e.« (HG 768). »Das Göttli<strong>ch</strong>e des Herrn ist es, was<br />

beim Mens<strong>ch</strong>en die Kir<strong>ch</strong>e ausma<strong>ch</strong>t, denn ni<strong>ch</strong>ts gilt als ›Kir<strong>ch</strong>e‹, als<br />

nur das, was Eigen tum des Herrn (proprium Domini) ist.« (HG 2966).<br />

In einer anderen, ergänzenden Betra<strong>ch</strong>tungsweise ist der Kyrios<br />

selbst die Kir<strong>ch</strong>e. So sehr er einesteils ihr Gegenüber ist, so sehr ist<br />

er andernteils selbst die Kir<strong>ch</strong>e. Denn in Jesus Christus konnte Gott<br />

mä<strong>ch</strong>tig werden, weil Jesus seinen mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Willen ganz und<br />

gar zu einem Gefäß des göttli<strong>ch</strong>en Willens gema<strong>ch</strong>t hatte (Joh 4,34;<br />

5,30; 6,38). Dur<strong>ch</strong> diese Öffnung na<strong>ch</strong> oben hin wurde er der Ort der<br />

Einwohnung Gottes in der Mens<strong>ch</strong>enwelt. Im Neuen Testament wird<br />

daher der Begriff »Tempel« auf ihn bzw. seine Leibli<strong>ch</strong>keit bezogen<br />

(Joh 2,21; Offb 21,22). Na<strong>ch</strong> dem Kolosserbrief »wohnt« in Christus<br />

»die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig« (Kol 2,9). Swedenborg zufolge<br />

bezei<strong>ch</strong>net »Tempel« »im hö<strong>ch</strong>sten Sinn das Göttli<strong>ch</strong>mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

des Herrn« (OE 220), weswegen »der Herr si<strong>ch</strong> selbst den Tempel<br />

nannte, der zu Jerusalem war (Joh 2,19.21)« (HH 187).<br />

3.2. Gutes und Wahres: Das Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e im Mens<strong>ch</strong>en<br />

Das vom Herrn ausgehende Kir<strong>ch</strong>enbildende im Mens<strong>ch</strong>en ist das<br />

Gute und Wahre: »Zweierlei ma<strong>ch</strong>t die Kir<strong>ch</strong>e und daher den Himmel<br />

beim Mens<strong>ch</strong>en aus: das Wahre des Glaubens und das Gute des<br />

Lebens.« (EL 72). »Die Ehe des Guten und Wahren ist die Kir<strong>ch</strong>e und<br />

der Himmel beim Mens<strong>ch</strong>en« (NJ 24). »Was den Himmel beim Men-<br />

78 OFFENE TORE 2/07


s<strong>ch</strong>en bildet, bildet au<strong>ch</strong> die Kir<strong>ch</strong>e; denn wie Liebe und Glaube den<br />

Himmel bilden, so bilden sie au<strong>ch</strong> die Kir<strong>ch</strong>e.« (NJ 241). Das Gute und<br />

das Wahre sind na<strong>ch</strong> Swedenborg »die Universalien der S<strong>ch</strong>öpfung<br />

(universalia creationis)« (EL 84), auf die si<strong>ch</strong> »alles im Universum,<br />

was der göttli<strong>ch</strong>en Ordnung gemäß ist«, bezieht und zurückführen<br />

lässt (NJ 11). Wir werden später sehen, dass Swedenborg diese eher<br />

philosophis<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>tweise 12 mit der kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en verbindet, wona<strong>ch</strong><br />

der heilige Geist das Kir<strong>ch</strong>enbildende im Mens<strong>ch</strong>en ist. Do<strong>ch</strong> zunä<strong>ch</strong>st<br />

halten wir fest, dass es das Gute und Wahre ist.<br />

Obwohl also das Gute und Wahre die Kir<strong>ch</strong>e im Mens<strong>ch</strong>en bildet,<br />

kann in einer anderen Betra<strong>ch</strong>tung das Wahre mehr mit der<br />

Kir<strong>ch</strong>e und das Gute mehr mit der Re ligion in Verbindung gebra<strong>ch</strong>t<br />

werden. Denn die Identität einer kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Gemeins<strong>ch</strong>aft wird<br />

dur<strong>ch</strong> die Theologie und das Bekenntnis bestimmt, weswegen wir<br />

sie Glaubens gemeins<strong>ch</strong>aft oder Konfession nennen. Religion hingegen<br />

ist eine Sa<strong>ch</strong>e des Lebens und besteht im Tun des Guten (vgl. LL<br />

1). Swedenborg bes<strong>ch</strong>reibt das Verhältnis von Kir<strong>ch</strong>e und Religion<br />

so: »Das Wahre der Kir<strong>ch</strong>e und das Gute der Religion, sagte i<strong>ch</strong>, weil<br />

man Kir<strong>ch</strong>e und Re ligion unters<strong>ch</strong>eiden muss. Die Kir<strong>ch</strong>e heißt Kir<strong>ch</strong>e<br />

wegen der Lehre (oder Theologie), und die Religion heißt Religion<br />

wegen des Lebens na<strong>ch</strong> der Lehre. Jeder Teil der Lehre heißt Wahres,<br />

und au<strong>ch</strong> ihr Gutes (die Ethik) ist (eigentli<strong>ch</strong> nur) Wahres, weil sie<br />

es ja bloß lehrt. Aber jeder Teil des Le bens na<strong>ch</strong> dem, was die Lehre<br />

lehrt, heißt Gutes, au<strong>ch</strong> ist das Tun des Wahren der Lehre Gutes. So<br />

also muss man Kir<strong>ch</strong>e und Religion unters<strong>ch</strong>eiden. Glei<strong>ch</strong>wohl kann,<br />

wo zwar eine Lehre aber kein Leben vorhanden ist, weder von Kir<strong>ch</strong>e<br />

no<strong>ch</strong> von Religion gespro<strong>ch</strong>en werden, denn die Lehre betra<strong>ch</strong>tet das<br />

Lebens als mit si<strong>ch</strong> eins, ganz so wie das Wahre und das Gute, der<br />

12 Bei Platon, beispielsweise im Philebos oder im Phaidron, finden wir die Trias des<br />

Wahren, S<strong>ch</strong>önen und Guten. Swedenborg reduziert sie auf das Gute und Wahre.<br />

Jedo<strong>ch</strong> kann das S<strong>ch</strong>öne dur<strong>ch</strong>aus wieder einbezogen werden, denn »die S<strong>ch</strong>önheit<br />

ist die Gestalt des Wahren aus dem Guten (pul<strong>ch</strong>ritudo est forma veri ex bono)« (HG<br />

10540). Das Wahre und das Gute streben na<strong>ch</strong> einer gefäßhaften Darstellung im<br />

Äußeren. Die Wohlgeformheit (S<strong>ch</strong>önheit) ist das Kennzei<strong>ch</strong>en der vollkommenen<br />

Ver wirkli<strong>ch</strong>ung des Guten und Wahren.<br />

OFFENE TORE 2/07 79


Glaube und die Nä<strong>ch</strong>stenliebe, die Weisheit und die Liebe, der Verstand<br />

und der Wille. Wo daher eine Lehre aber kein dementspre<strong>ch</strong>endes<br />

Leben vorhanden ist, da ist au<strong>ch</strong> keine Kir<strong>ch</strong>e vor handen.« (EO 923).<br />

3.3. Das Pneuma und die Kir<strong>ch</strong>e<br />

3.3.1. Die Identität von Kyrios und Pneuma<br />

Das Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e im Men s<strong>ch</strong>en ist der Kyrios. Die Wirksamkeit des erhöhten<br />

Herrn in der na<strong>ch</strong>österli<strong>ch</strong>en Ge mein de wird im Neuen Testament<br />

»heiliger Geist« genannt. Aus der Notwendigkeit, an läßli<strong>ch</strong><br />

des Heilsges<strong>ch</strong>ehens die Begriffe Vater, Sohn und heiliger Geist exponiert<br />

zu ge brau<strong>ch</strong>en, ist bekanntli<strong>ch</strong> die Trinitätslehre entstanden,<br />

die zu der Vorstellung dreier göttli<strong>ch</strong>er Personen im Sinne dreier<br />

Individuen geführt und damit den Glauben an die eine und einzige<br />

göttli<strong>ch</strong>e Person des Kyrios verdunkelt hat. 13 Vor diesem Hinter-<br />

13 Swedenborgs Ablehnung der klassis<strong>ch</strong>en Trinitätslehre ist keine Ablehnung der<br />

göttli<strong>ch</strong>en Trinität (siehe WCR 164), sondern nur der Vorstellung von drei göttli<strong>ch</strong>en<br />

Personen. Zur Diskussion steht ni<strong>ch</strong>t die Trinität, die zum Geoffenbarten gehört,<br />

sondern der Personbegriff, und zwar au<strong>ch</strong> nur in seiner Anwendung auf den Vater,<br />

den Sohn und den heiligen Geist. Swedenborg verwendet den Personbegriff na<strong>ch</strong> wie<br />

vor, jedo<strong>ch</strong> nur no<strong>ch</strong> zur Aussage der Einheit Gottes: »Gott ist dem Wesen (essentia)<br />

und der Person (persona) na<strong>ch</strong> Einer.« (WCR 2). Swedenborg lehnt demna<strong>ch</strong> die Dreiheit<br />

der Personen ab, aber entfaltet stattdessen die Dreiheit der Person, das heißt der<br />

einen göttli<strong>ch</strong>en Person des Kyrios. In ihm sind drei Wesenss<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten (»essentialia«,<br />

WCR 166) zu unters<strong>ch</strong>ieden. Die Vorstellung von drei göttli<strong>ch</strong>en Personen wei<strong>ch</strong>t<br />

also der Vorstellung von drei göttli<strong>ch</strong>en Wesenss<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten in der einen göttli<strong>ch</strong>en<br />

Person des Kyrios. Zur Definition von Person s<strong>ch</strong>reibt Swedenborg: »Person beinhaltet<br />

einen Unters<strong>ch</strong>ied und eine Vers<strong>ch</strong>iedenheit von einer anderen (Person) (persona<br />

involvit aliquod distinctum et differens ab altera).« (De Athanasii Symbolo 168). Das<br />

liegt auf der Linie der klassis<strong>ch</strong>en Definition von Boethius: »Person ist die individuelle<br />

Substanz einer vernünftigen Natur (persona est naturae rationalis individua<br />

substantia)«. (Liber contra Euty<strong>ch</strong>en et Nestorium, cap. 3,74). Thomas von Aquin<br />

erklärt: »Jedes Individuum von vernünftiger Natur heißt Person (Omne individuum<br />

rationalis naturae dicitur persona)« (Summa theologiae I, 29, 3 ad 2). Da Swedenborg<br />

statt von »persona« von »essentiale« und die nicaenis<strong>ch</strong>e Theologie jedenfalls ni<strong>ch</strong>t<br />

von »prosopon« (Per son) sondern von »hypostasis« (Hypostase) spri<strong>ch</strong>t, könnte man<br />

erwägen Hypostase als Über setzung von »essen tiale« zu wählen. WCR 166 würde<br />

dann so lauten: »Diese drei, Vater, Sohn und heiliger Geist sind die drei Hypostasen<br />

des einen Gottes, die ebenso eine Einheit bilden wie Seele, Leib und Wirk samkeit<br />

beim Mens<strong>ch</strong>en.« Damit ist freili<strong>ch</strong> der Unters<strong>ch</strong>ied des neukir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en zum nicae-<br />

80 OFFENE TORE 2/07


grund muss gezeigt werden, dass der heilige Geist keine weitere Person<br />

neben dem Kyrios ist, sondern die »divina operatio« (göttli<strong>ch</strong>e<br />

Wirksamkeit) der einen göttli<strong>ch</strong>en Person des Kyrios (WCR 138).<br />

Der Kyrios ist in der Kraft des heiligen Geistes erfahrbar. Paulus<br />

s<strong>ch</strong>rieb: »Der Kyrios ist der Geist« (2. Kor 3,17). Na<strong>ch</strong> Ingo Hermanns<br />

Analyse ist damit gemeint: »Christus wird erfahrbar als Pneuma.« 14<br />

»das eu<strong>ch</strong> be kannte lebendigma<strong>ch</strong>ende Pneuma ist in Wirkli<strong>ch</strong>keit<br />

Christus der Herr. Denn er ist es, den wir erfahren, wenn wir das<br />

Pneuma in uns wirkend fin den.« 15 Hermann verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>t das<br />

mit einem Bild: »Wie i<strong>ch</strong> die Sonne in ihren Strahlen er fah re, so erfahre<br />

i<strong>ch</strong> den Kyrios als das Pneuma. Das Pneuma ist das unaufhörli<strong>ch</strong>e<br />

Ausstrahlen des Erhöhten. Dieses Strahlen trifft auf den Mens<strong>ch</strong>en<br />

auf. Der nimmt die Strahlungsma<strong>ch</strong>t – das Pneuma – wahr<br />

und weiß: das ist der Herr; wie er die Strahlungswärme der Sonnenstrahlen<br />

wahr nimmt und weiß: das ist die Sonne.« 16 2. Kor 3,17 ist<br />

die Spitzenaussage. Parallelen sind in Röm 1,1-5; 1. Kor 15,45; 1. Kor<br />

6,17 und Röm 8,9-11 zu finden. Und über alle diese Aussagen hinaus<br />

ist am En de sogar das gesamte theolo gis<strong>ch</strong>e Denken des Paulus von<br />

dem Bewusstsein der Identität von Kyrios und Pneuma dur<strong>ch</strong>drungen.<br />

Hermann kommt da her zu einem in unserem Zusam men hang<br />

interessanten S<strong>ch</strong>luss: »Weil der ›eigent li<strong>ch</strong>e‹, theologis<strong>ch</strong> prägnante<br />

Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> des Paulus im Pneuma eine Gott und Christus eigene<br />

Potenz sieht, verbietet si<strong>ch</strong> für eine Paulusinter pre tation jede<br />

Hypostasierung des Pneuma in Ri<strong>ch</strong>tung auf eine selbständige 3.<br />

trinitaris<strong>ch</strong>e Per son« 17 . Das Matthäusevangelium s<strong>ch</strong>ließt mit den<br />

ni s<strong>ch</strong>en Glauben no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gänzli<strong>ch</strong> aufgehoben, denn Swedenborg vertritt eine<br />

ökonomis<strong>ch</strong>e Trinitätslehre (WCR 170).<br />

14 Ingo Hermann, Kyrios und Pneuma: Studien zur Christologie der paulinis<strong>ch</strong>en<br />

Hauptbriefe, Mün<strong>ch</strong>en 1961, 49.<br />

15 I. Hermann, a.a.O., 49.<br />

16 I. Hermann, a.a.O., 50.<br />

17 I. Hermann, a.a.O., 140. Die hypostatis<strong>ch</strong>e Verselbständigung des Geistes zu einem<br />

Dritten neben Vater und Sohn lässt si<strong>ch</strong> als eine Folge der Hypostasierung des Sohnes<br />

betra<strong>ch</strong>ten (siehe Geoffrey Lampe, God as Spirit: The Bampton Lectures 1976,<br />

Oxford 1977, 210 vgl. 132f. Den Hinweis verdanken wir Pannenberg STh 1,293).<br />

OFFENE TORE 2/07 81


Worten: »Und siehe, i<strong>ch</strong> bin bei eu<strong>ch</strong> alle Tage bis zur Vollendung des<br />

Aions.« (Mt 28,20). Der heilige Geist wird hier ni<strong>ch</strong>t genannt (wohl<br />

aber in Mt 28,19). Stattdessen wird den Jüngern das Mitsein des Auferstandenen<br />

zugesagt. Unter einem sy stema tis<strong>ch</strong>en Gesi<strong>ch</strong>tspunkt<br />

kann man diese Beoba<strong>ch</strong>tung von Paulus her verstehen: Im Wehen<br />

des hei ligen Geistes ist eben niemand anders als der Kyrios selbst<br />

wirksam. Im Johannes evangelium wird die Situation des Abs<strong>ch</strong>ieds<br />

am ausführli<strong>ch</strong>sten beda<strong>ch</strong>t. Es geht um die Frage: »Wie ist der Ab wesende<br />

an wesend?« 18 Im Kontext der Abs<strong>ch</strong>iedsreden verheißt Jesus<br />

den Seinen »einen anderen Bei stand«; der wird »bei eu<strong>ch</strong>« sein »in<br />

Ewigkeit (gr. Aion)« (Joh 14,16). Die Nähe zur matthäis<strong>ch</strong>en Zu sage<br />

ist unübersehbar. In beiden Fällen ist vom Mitsein (»bei eu<strong>ch</strong>«) und<br />

einer zeitli<strong>ch</strong>en Er streckung unter Verwendung des Wortes »Aion«<br />

die Rede. Im Matthäusevangelium ist diese Zu sage aber mit Jesus<br />

verbunden. Im Johannesevangelium ist sie dagegen mit dem an deren<br />

Beistand ver bun den. Do<strong>ch</strong> der wird soglei<strong>ch</strong> mit Jesus identifiziert.<br />

Jesus sagt nämli<strong>ch</strong>: »I<strong>ch</strong> werde eu<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ver waist zurücklassen; i<strong>ch</strong><br />

komme zu eu<strong>ch</strong>.« (Joh 14,18; siehe au<strong>ch</strong> 14,19). Wir kommen also wieder<br />

zu dem sel ben Ergebnis: Der heilige Geist ist die Anwesenheit des<br />

Kyrios. 19 Die Andersartigkeit des na<strong>ch</strong>öster li<strong>ch</strong>en Beistandes erklärt<br />

si<strong>ch</strong> aus der Verherrli<strong>ch</strong>ung (vgl. Joh 7,39 mit 16,7). Vor seiner Verherrli<strong>ch</strong>ung<br />

war Jesus als das fleis<strong>ch</strong>gewordene Wort gewissermaßen der<br />

Leib der Wahrheit (Joh 14,6); na<strong>ch</strong> seiner Verherrli<strong>ch</strong>ung ist er hingegen<br />

als »Geist der Wahrheit« (Joh 14,17; 15,26; 16,13) und insofern<br />

als ein anderer Beistand anwesend. Denn der Auferstandene darf<br />

ni<strong>ch</strong>t als eine wunder bar wiederbelebte Lei<strong>ch</strong>e an gesehen werden.<br />

Der dur<strong>ch</strong> das Konzept der Verherrli<strong>ch</strong>ung gegebene Ans<strong>ch</strong>luss an<br />

die alttesta ment li<strong>ch</strong>e Kabodvorstellung deutet in eine ganz andere<br />

18 Jean Zumstein, Kreative Erinnerung: Relecture und Auslegung im Johannes evangelium,<br />

Züri<strong>ch</strong> 1999, 116.<br />

19 Peter Stuhlma<strong>ch</strong>er: »Der Paraklet ist der als Geist vor Gott und unter den Mens<strong>ch</strong>en<br />

wirkende Christus.« (Biblis<strong>ch</strong>e Theologie des Neuen Testaments, Bd. 2, Göttingen<br />

1999, 261f). Jean Zumstein: »Der na<strong>ch</strong>österli<strong>ch</strong>e Paraklet ist in gewisser Weise der<br />

Doppelgänger des vor österli<strong>ch</strong>en Jesus.« (Kreative Erinnerung, Züri<strong>ch</strong> 1999, 56).<br />

82 OFFENE TORE 2/07


Ri<strong>ch</strong>tung. Der Verherrli<strong>ch</strong>te ist der in die Herrli<strong>ch</strong>keit Jahwes Aufgenommene:<br />

der Kyrios. Als sol<strong>ch</strong>er kann er den Sei nen na<strong>ch</strong> Ostern<br />

wahrli<strong>ch</strong> ein anderer Beistand sein als vor seiner Verherr li<strong>ch</strong>ung.<br />

Der hei lige Geist ist also die Sphäre der Wirksamkeit des Kyrios. 20<br />

Einige Äußerungen Swedenborgs zur Identität von Kyrios und<br />

Pneuma: »Der heilige Geist ist das vom Herrn ausgehende Göttli<strong>ch</strong>e<br />

(Divinum Procedens a Domino), und dieses ist der Herr selbst.« (LH<br />

46). »Dur<strong>ch</strong> den heiligen Geist wird eigentli<strong>ch</strong> das gött li <strong>ch</strong>e Wahre<br />

bezei<strong>ch</strong>net, somit au<strong>ch</strong> das Wort. In diesem Sinne ist der Herr selbst<br />

sogar der heilige Geist.« (WCR 139). »Unter dem Paraklet wird das<br />

göttli<strong>ch</strong>e Wahre verstan den, das der Herr war, als er in der Welt war,<br />

und das (nun) vom Herrn ausgeht, na<strong>ch</strong>dem er sein Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es<br />

verherrli<strong>ch</strong>t hat und aus der Welt gegangen ist. Darum sagt er, dass<br />

er den Paraklet senden und (glei<strong>ch</strong>zeitig) dass er selbst kommen<br />

werde.« (HG 9199). Biblis<strong>ch</strong>e Begründungen für die Identität von Kyrios<br />

und Pneuma sieht Swedenborg in Joh 14,16-18 (HG 9199, WCR<br />

139) und Mt 28,18-20 (LH 46, WCR 139).<br />

3.3.2. Die pneumatologis<strong>ch</strong>e Grundlage der Kir<strong>ch</strong>e<br />

Die Lehre von der Kir<strong>ch</strong>e und die vom heiligen Geist sind seit je her<br />

eng miteinander verknüpft. Na<strong>ch</strong> der lukanis<strong>ch</strong>en Pfingstges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te<br />

20 Wilfried Joest wehrt si<strong>ch</strong> dagegen, die Wirkli<strong>ch</strong>keit des heiligen Geistes »unpersönli<strong>ch</strong>,<br />

als blo ße von Gott ausgehende Kraft zu verstehen« (Dogmatik, Bd. 1, Göttingen<br />

1995, 337). Zwar werde vom heiligen Geist so gespro<strong>ch</strong>en, als sei er eine Kraft, ein<br />

Raum oder Kraftfeld und eine Gabe, aber glei<strong>ch</strong>zeitig wird von ihm au<strong>ch</strong> in personhafter<br />

Weise gespro<strong>ch</strong>en, so dass man sagen muss: In dem, »was von Gott ausgeht«,<br />

ist »Gott selbst »in Person« gegenwärtig« (a.a.O., 1,308f). Diese Gegen wehr von<br />

Joest ermögli<strong>ch</strong>t uns die Verdeutli<strong>ch</strong>ung der eigenen Aussage: Der heilige Geist ist<br />

keine unpersönli<strong>ch</strong>e Kraft. Allerdings ist er au<strong>ch</strong> keine dritte Person. Vielmehr ist<br />

er die An wesen heit und Wirksamkeit der einen göttli<strong>ch</strong>en Person des Kyrios. Zwar<br />

muss man den Geist des Ky rios vom Kyrios selbst als der persönli<strong>ch</strong>en Mitte seiner<br />

Allwirksamkeit unters<strong>ch</strong>eiden, denno<strong>ch</strong> gilt: Überall, wo der heilige Geist erfahren<br />

wird, da wird niemand anders als der Kyrios selbst erfahren. Daher ist der Geist<br />

keine unper sönli<strong>ch</strong>e Auswirkung eines im übrigen »in Distanz bleibenden Gottes«<br />

(a.a.O., 1,309). Viel mehr ist er die wirksame An wesenheit des Christengottes; und<br />

daher wird dieses im Glauben erfahrbare Sein im Kraftfeld des Geistes als das Aufgehobensein<br />

in der warmher zigen Nähe Jesu erlebt.<br />

OFFENE TORE 2/07 83


(Apg 2,1ff.) begründet der heilige Geist die Gemeins<strong>ch</strong>aft der Glaubenden,<br />

»denn diese Erzählung verans<strong>ch</strong>auli<strong>ch</strong>t jedenfalls, daß der<br />

Geist allen Jüngern gemeinsam gegeben wurde und damit die Kir<strong>ch</strong>e<br />

ihren Anfang genommen hat.« (STh 3,25). »In den altkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Glaubensbekenntnissen wurde seit dem 2. Jahrhun dert die Kir<strong>ch</strong>e<br />

in enger Verbindung mit dem heiligen Geist genannt, sozusagen<br />

als ›Ort seines Wirkens‹.« (STh 3,33). Vor diesem Hintergrund ist<br />

es verwunderli<strong>ch</strong>, dass Swe den borg den heiligen Geist ni<strong>ch</strong>t im<br />

Zusammenhang seiner Lehre von der Kir<strong>ch</strong>e nennt. Das Ers<strong>ch</strong>einungsbild<br />

beherrs<strong>ch</strong>end ist vielmehr die Aussage, dass das Gute und<br />

Wahre das Kir<strong>ch</strong>enbildende im Mens<strong>ch</strong>en ist (siehe oben EL 72, NJ<br />

24, 241). Do<strong>ch</strong> genau hinter dieser Bes<strong>ch</strong>reibung verbirgt si<strong>ch</strong> der<br />

heilige Geist, denn Swedenborg s<strong>ch</strong>reibt: »Die göttli<strong>ch</strong>e Liebe und<br />

Weisheit, die aus dem Herrn als Sonne hervorgehen und im Himmel<br />

Wärme und Li<strong>ch</strong>t spenden, sind das hervorgehende Göttli<strong>ch</strong>e; dies<br />

ist der heilige Geist.« (GLW 146) 21 . Au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Swedenborg wird die<br />

Kir<strong>ch</strong>e demna<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> das Pneuma konstituiert. Dieses Wehen des<br />

heiligen Geistes ist die »divina operatio« (die göttli<strong>ch</strong>e Wirksamkeit,<br />

WCR 138ff.), die auf das Engste mit dem Kyrios verbunden ist (WCR<br />

139). Die Identifikation des heiligen Geistes mit der Wirksamkeit<br />

des erhöhten Herrn ist wohl au<strong>ch</strong> der Grund dafür, dass die Kir<strong>ch</strong>e<br />

bei Swedenborg vorder gründig betra<strong>ch</strong>tet <strong>ch</strong>ristologis<strong>ch</strong> begründet<br />

ist. Aber das s<strong>ch</strong>ließt eben ni<strong>ch</strong>t aus, sondern vielmehr ein, dass<br />

die »divina operatio« des Kyrios, also sein Geist, das na<strong>ch</strong> österli<strong>ch</strong><br />

Kir<strong>ch</strong>enbildende in der Mens<strong>ch</strong>enwelt ist. Das belegt au<strong>ch</strong> die folgende<br />

Aufs<strong>ch</strong>lüsselung der Wirksamkeit (operatio) des Geistes: »Die<br />

göttli<strong>ch</strong>e Kraft (virtus) und Wirksamkeit (operatio), die unter dem<br />

heiligen Geist verstanden wird, ist im all gemeinen die Umbildung<br />

und Wiedergeburt, und diesen gemäß die Erneuerung, Bele bung,<br />

Heiligung und Re<strong>ch</strong>tfertigung, und diesen gemäß die Reinigung<br />

21 Bea<strong>ch</strong>tenswert ist au<strong>ch</strong> die folgende Verbindung des einfl ießenden Lebens mit dem<br />

heiligen Geist: »Das Leben, das einfl ießt, ist Leben, das vom Herrn ausgeht, das au<strong>ch</strong><br />

Geist Gottes heißt, im Wort der heilige Geist, von dem gesagt wird, dass er erleu<strong>ch</strong>tet<br />

und lebendig ma<strong>ch</strong>t, ja dass er im Mens<strong>ch</strong>en wirkt.« (EO 875).<br />

84 OFFENE TORE 2/07


vom Bösen und die Vergebung der Sünden, und zuletzt die Seligma<strong>ch</strong>ung.«<br />

(WCR 142).<br />

Au<strong>ch</strong> in der Neuoffenbarung dur<strong>ch</strong> Jakob Lorber ist der Anfang<br />

der Kir<strong>ch</strong>e im Mens<strong>ch</strong>en der heilige Geist: »Auf der Erde gibt es nur<br />

eine wahre Kir<strong>ch</strong>e, und diese ist die Liebe zu Mir in Meinem Sohne,<br />

wel<strong>ch</strong>e aber ist der heilige Geist in eu<strong>ch</strong> und gibt si<strong>ch</strong> eu<strong>ch</strong> kund<br />

dur<strong>ch</strong> Mein lebendiges Wort, und dieses Wort ist der Sohn, und der<br />

Sohn ist Meine Liebe und ist in Mir und I<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong>dringe Ihn ganz,<br />

und Wir sind eins, und so bin I<strong>ch</strong> in eu<strong>ch</strong>, und eure Seele, deren Herz<br />

Meine Wohnstätte ist, ist die alleinige wahre Kir<strong>ch</strong>e auf der Erde.<br />

In ihr allein ist ewiges Leben, und sie ist die alleinseligma<strong>ch</strong>ende.«<br />

(HGt 1,4,9). Die Liebe zwis<strong>ch</strong>en Sohn und Vater überträgt si<strong>ch</strong> in die<br />

Seele als heiliger Geist. Er ist in der Seele gewissermaßen die ecclesia<br />

in principio, das heißt die erste und grundlegende Äußerung der<br />

Kir<strong>ch</strong>e oder des Kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en in der Seele.<br />

4. Wort und Sakrament:<br />

Das si<strong>ch</strong>tbare Göttli<strong>ch</strong>e der Kir<strong>ch</strong>e<br />

4.1. Anknüpfung an die Reformation<br />

In der Augsburgis<strong>ch</strong>en Konfession von 1530 lesen wir: »Es wird<br />

au<strong>ch</strong> gelehret, daß alle Zeit musse ein heilige <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e sein<br />

und bleiben, wel<strong>ch</strong>e ist die Versammlung aller Glaubigen (congregatio<br />

sanctorum), bei wel<strong>ch</strong>en das Evangelium rein gepredigt und<br />

die heiligen Sakrament lauts des Evangelii gerei<strong>ch</strong>t werden (in qua<br />

evangelium pure docetur et recte administrantur sacramenta).« (CA<br />

VII). Wort und Sakrament gelten von daher in der evangelis<strong>ch</strong>-lutheris<strong>ch</strong>en<br />

Kir<strong>ch</strong>e als »notae ecclesiae«, das heißt als Kennzei<strong>ch</strong>en der<br />

Kir<strong>ch</strong>e. 22 Au<strong>ch</strong> Swedenborg als Mitglied der lutheris<strong>ch</strong>en Rei<strong>ch</strong>skir<strong>ch</strong>e<br />

S<strong>ch</strong>we dens stand in dieser Tradition. Wort und Sakrament sind<br />

für ihn die si<strong>ch</strong>t baren Quellen des spirituellen Lebens. Er s<strong>ch</strong>rieb:<br />

»Die Kir<strong>ch</strong>e, sagt man (dicitur), ist da, wo der Herr anerkannt wird<br />

22 In der reformierten Tradition gilt vielerorts die Kir<strong>ch</strong>enzu<strong>ch</strong>t neben Wort und Sakrament<br />

als dritte »nota ecclesiae«.<br />

OFFENE TORE 2/07 85


und wo das Wort ist« (NJ 242). Daraus geht hervor, dass das Wort<br />

ein Kennzei<strong>ch</strong>en der Kir<strong>ch</strong>e ist. Nimmt man no<strong>ch</strong> die ausführli<strong>ch</strong>en<br />

Würdigungen von Taufe und Abendmahl in der »Wahre[n] Christli<strong>ch</strong>en<br />

Religion« hinzu, dann ist man bei den beiden »notae ecclesiae«<br />

von CA VII.<br />

4.2. Das Wort Gottes<br />

Die Würdigung des Wortes als A und O des geistli<strong>ch</strong>en Lebens weist<br />

Swedenborg als einen Sohn der Refor ma tion aus, deren ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Bedeutung er in der Wiederentdeckung des Wortes sah: »Als<br />

das Wort von den Papisten fast vollständig verworfen worden war,<br />

kam es daher infolge einer Fügung der göttli<strong>ch</strong>en Vorsehung des<br />

Herrn zur Reformation, die das Wort glei<strong>ch</strong>sam aus dem Versteck<br />

hervorzog und wieder dem Gebrau<strong>ch</strong> über gab.« (WCR 270; siehe au<strong>ch</strong><br />

Invitatio 24). Die Heraushebung des Wortes verbindet Swedenborg<br />

mit Luther, was die beiden Reformatoren jedo<strong>ch</strong> trennt ist ihre Einstellung<br />

zur geistigen S<strong>ch</strong>riftdeutung. Luther verwarf sie »in geradezu<br />

tragis<strong>ch</strong>er Verkennung der wahren Zusammenhänge« 23 , er<br />

sagte: »Weil i<strong>ch</strong> jung war, da war i<strong>ch</strong> gelehrt. (…) Da ging i<strong>ch</strong> mit Allegorie,<br />

Tropologie und Analogie um und ma<strong>ch</strong>te lauter Kunst. (…) I<strong>ch</strong><br />

weiß, daß das ein lauter Dreck ist, den i<strong>ch</strong> nun habe fahren lassen.<br />

(…) Der Literalsinn, der tut‘s. Da ist Leben, Trost, Kraft, Lehr und<br />

Kunst inne. Das andere ist Narrenwer k, wiewohl es ho<strong>ch</strong> gleißt«. 24<br />

Allein der Bu<strong>ch</strong> sta ben sinn zählt, alles andere ist na<strong>ch</strong> Luther »lauter<br />

Dreck« und »Narrenwerk«. Demgegenüber hat die katholis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e<br />

jedenfalls im Grundsatz nie die Existenz eines geistli<strong>ch</strong>en Sinnes<br />

geleugnet (DH 3792, 3828) 25 . Henri de Lubac (1896 – 1991) und<br />

im Ans<strong>ch</strong>lus an ihm Rudolf Voderholzer (geb. 1959) haben sehr auf-<br />

23 Rudolf Voderholzer, Die Einheit der S<strong>ch</strong>rift und ihr geistiger Sinn, 1998, Seite 45.<br />

24 WA TR 5,45,10 Nr. 5285. Zitiert na<strong>ch</strong>: Rudolf Voderholzer, Die Einheit der S<strong>ch</strong>rift und<br />

ihr geistiger Sinn, 1998, Seite 82.<br />

25 Heinri<strong>ch</strong> Denzinger, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Lehrents<strong>ch</strong>eidungen,<br />

38. Auflage 1999, Sigel: DH.<br />

86 OFFENE TORE 2/07


s<strong>ch</strong>lussrei<strong>ch</strong>e Studien zum Verständnis der alten, s<strong>ch</strong>on im Christusereignis<br />

wurzelnden geistigen S<strong>ch</strong>rift aus legung vorgelegt.<br />

Das Wort der heiligen S<strong>ch</strong>riften des alten und des neuen Bundes<br />

ist die si<strong>ch</strong>tbare Gegenwart des unsi<strong>ch</strong>tbaren Kyrios. Das ist johanneis<strong>ch</strong>e<br />

Theologie: Der Kyrios ist das Wort, und das Wort ist der Kyrios<br />

(Joh 1,1.14). Deswegen konnte in der Mens<strong>ch</strong>heitsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te ein<br />

äußeres Wort auf S<strong>ch</strong>riftrollen und Codices entstehen, dur<strong>ch</strong> das der<br />

Kyrios in der physis<strong>ch</strong>en Welt anwesend ist. Das ist ein Mysterium,<br />

besonders im Horizont der aus s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> historis<strong>ch</strong>en Bibelwissens<strong>ch</strong>aft.<br />

Glei<strong>ch</strong>wohl bezeugt Swedenborg: »Der Herr in der Kir<strong>ch</strong>e ist<br />

das Wort« (OE 790). »Wenn daher das Wort geöffnet wird, ers<strong>ch</strong>eint<br />

der Herr« (OE 612). Ni<strong>ch</strong>t ohne Grund entfaltet Swedenborg in der<br />

wahren <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Religion seine Theologie des Wortes unmittelbar<br />

im Ans<strong>ch</strong>luss an die Gotteslehre. Denn das Wort ist der für die<br />

Kir<strong>ch</strong>e auf Erden si<strong>ch</strong>tbare Kyrios.<br />

Mehr no<strong>ch</strong>: Das Wort vergegenwärtigt den Kyrios ni<strong>ch</strong>t nur,<br />

es dient au<strong>ch</strong> der Vereinigung mit ihm. Die heilige S<strong>ch</strong>rift ist das<br />

für uns als äußerli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong>en greif bare Mittel, das uns mit den<br />

himmlis<strong>ch</strong>en Hierar<strong>ch</strong>ien und ihrem König verbindet. Lebendige,<br />

spirituelle Erfahrungen führten Swedenborg zu der Erkenntnis,<br />

»dass das Wort hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>es des Sinnes seiner s<strong>ch</strong>riftli<strong>ch</strong>en Ers<strong>ch</strong>einungsform<br />

(quoad Sensum literae ejus) das göttli<strong>ch</strong>e Mittel der<br />

Verbindung (medium conjunctionis) 26 mit dem Kyrios und der Eingliederung<br />

in die Gesells<strong>ch</strong>aften der Engel des Himmels ist (consociationis<br />

cum Angelis Caeli).« (WCR 235). Das äußere Wort ist dem<br />

äußeren Mens<strong>ch</strong>en als die fundamentale Heilsgabe s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin in<br />

seine Hände gegeben worden, über die er Tag und Na<strong>ch</strong>t (in allen<br />

Zuständen seines Lebens) na<strong>ch</strong>sinnen soll, um am Ende eine Fru<strong>ch</strong>t<br />

zu brin gen, die bleibt (Psalm 1; Joh 15,16). Als »medium conjunctionis«<br />

verbindet das si<strong>ch</strong>tbare Wort die pilgernde Kir<strong>ch</strong>e mit dem unsi<strong>ch</strong>tbaren<br />

Kyrios und seinen Engeln.<br />

26 Zum Wort als »medium conjunctionis« äußert si<strong>ch</strong> Swedenborg ausführli<strong>ch</strong> in HH<br />

303-310.<br />

OFFENE TORE 2/07 87


Aufgrund des Gesagten können wir die Formulierung wagen:<br />

Das Wort ist das Sakrament der Gegenwart des Kyrios. Denn konstitutiv<br />

für den Begriff des Sakraments ist erstens der Ursprung bei<br />

Jesus Christus und zweitens seine »Funktion als zei<strong>ch</strong>enhafter Ausdruck<br />

des Christusmysteriums, das Jesus Christus und seine Kir<strong>ch</strong>e<br />

vereint« (STh 3,402). Beide Kriterien treffen auf die heilige S<strong>ch</strong>rift<br />

zu. Sie entspringt wie ein Strom lebendigen Wassers dem göttli<strong>ch</strong>en<br />

Logos und dient als zei<strong>ch</strong>enhafter Ausdruck seiner Gegenwart der<br />

Vereinigung mit ihm.<br />

Das Wort steht in einer inneren Verbindung mit dem heiligen<br />

Geist. Darauf deutet s<strong>ch</strong>on die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass unter dem heiligen Geist<br />

eigentli<strong>ch</strong> »das göttli<strong>ch</strong>e Wahre« zu verstehen ist (WCR 139). Das äußere<br />

Wort der Bibel ist ein Bedeutungsfeld, innerhalb dessen Göttli<strong>ch</strong>es<br />

gesu<strong>ch</strong>t und gefunden werden kann. Das Göttli<strong>ch</strong>e des Wortes<br />

ist das innere Sinnverständnis, das in der Korrespondenz (im we<strong>ch</strong>selseitigen<br />

Gesprä<strong>ch</strong>) zwis<strong>ch</strong>en dem heiligen Geist im Mens<strong>ch</strong>en<br />

und dem äußeren S<strong>ch</strong>riftwort vor ihm empfangen werden kann. Der<br />

»sensus internus« ist das Bewusstsein des göttli<strong>ch</strong>en Wahren, das<br />

im Spannungsfeld zwis<strong>ch</strong>en dem inneren Pol der Wirksamkeit des<br />

heiligen Geistes und dem äußeren Pol der Erfors<strong>ch</strong>ung der heiligen<br />

S<strong>ch</strong>rift entsteht. Dieses innere Sinnerwa<strong>ch</strong>en ist die kir<strong>ch</strong>enbildende<br />

Wirkung, die vom heiligen Geist hervorgebra<strong>ch</strong>t wird.<br />

Vor diesem Hintergrund kann man mit Luther sagen, dass die<br />

Kir<strong>ch</strong>e »creatura verbi« (WA 6,560) ist. Das ist au<strong>ch</strong> ein zentraler Gedanke<br />

Swedenborgs, denn er s<strong>ch</strong>reibt: »Die Kir<strong>ch</strong>e ist aus dem Wort<br />

abgeleitet (ecclesia est ex Verbo)« (LH 15). »Die Kir<strong>ch</strong>e entsteht dur<strong>ch</strong><br />

das Wort, und ihre Bes<strong>ch</strong>affenheit beim Mens<strong>ch</strong>en ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

seinem Verständnis des Wortes.« (WCR 243ff.). Aus dem Wort als der<br />

Quelle der Kir<strong>ch</strong>e entwickelt si<strong>ch</strong> als nä<strong>ch</strong>ste Stufe die Lehre. Man<br />

muss zwis<strong>ch</strong>en Wort und Lehre unters<strong>ch</strong>eiden. Denn das Wort ist<br />

no<strong>ch</strong> keine systematis<strong>ch</strong>e Dar stellung der kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Lehre, aber<br />

es ist der Grund, aus dem jede Generation immer wieder neu, ihren<br />

Fähigkeiten gemäß die Lehre entwickeln muss: »Die Lehre aus dem<br />

Wort konstituiert die Kir<strong>ch</strong>e (doctrina ex Verbo facit ecclesiam)« (OE<br />

88 OFFENE TORE 2/07


786). 27 Der »fons vitae« (Lebensquell) aller Spiritualität aber ist das<br />

Wort, dort begegnet die Braut ihrem Bräutigam.<br />

4.3. Die Sakramente: Taufe und Abendmahl<br />

4.3.1. Zu den Sakramenten im allgemeinen<br />

Im Neuen Testament kommt der Begriff »Geheimnis« (to mys te ri on)<br />

mehrfa<strong>ch</strong> und zwar sowohl im Singular als au<strong>ch</strong> im Plural vor.<br />

Christus ist »das Geheimnis Gottes« (Kol 2,2; vgl. au<strong>ch</strong> Eph 3,4). »In<br />

ihm sind alle S<strong>ch</strong>ätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen.« (Kol<br />

2,3). Seit der Wende vom zweiten zum dritten Jahr hundert werden<br />

au<strong>ch</strong> die Taufe und das Abendmahl als Mysterien oder Sakramente<br />

bezei<strong>ch</strong>net (STh 3,381). Augustin führte die wirkungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong><br />

wi<strong>ch</strong>tige Deutung der Sakramente als Zei <strong>ch</strong>en ein: »sacramentum,<br />

id est sacrum signum (Sakrament, das heißt heiliges Zei<strong>ch</strong>en)« 28<br />

Seine berühmte Sakra ments definition lautet: »Das Wort tritt zum<br />

Element hinzu, und das Sakrament entsteht; so ist es glei<strong>ch</strong> sam ein<br />

si<strong>ch</strong>tbares Wort (Accedit verbum ad elementum et fit sacramentum,<br />

etiam ipsum tanquam visibile verbum)«. 29 Swedenborg hat diese<br />

Definition zur Kenntnis genommen: »Die s<strong>ch</strong>arfsinnigsten Denker<br />

der Kir<strong>ch</strong>e haben des halb gelehrt, es werde erst dadur<strong>ch</strong> zum Sakrament,<br />

daß das Wort zu den Elementen hinzutritt (dum accedit<br />

Verbum ad Elementum fiat Sacramentum).« (WCR 699) 30 . Do<strong>ch</strong> obglei<strong>ch</strong><br />

er den augustinis<strong>ch</strong>en Ansatz für s<strong>ch</strong>arfsinnig hält, distanziert<br />

er si<strong>ch</strong> von ihm, indem er bemängelt, dass »dieser Ursprung<br />

der Heiligkeit des Abendmahls« »keinem Verständnis zugängli<strong>ch</strong>«<br />

ist und au<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t »in den Elementen oder Symbolen (in elementis<br />

27 Dass die Lehre die Kir<strong>ch</strong>e ist, ist ein Gedanke, der au<strong>ch</strong> bei Jakob Lorber hervortritt:<br />

»I<strong>ch</strong> habe eu<strong>ch</strong> aber au<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on sattsam gezeigt, wel<strong>ch</strong>en Verlauf in den künftigen<br />

Zeiten diese Meine Lehre, die da ist eine wahrhaft von Mir Selbst neu gegründete<br />

Kir<strong>ch</strong>e, unter den Mens<strong>ch</strong>en nehmen wird.« (GEJ 9,39,8).<br />

28 De civ. Dei X,5, zit. na<strong>ch</strong> STh 3,382.<br />

29 Tract. in Joh. 80,3; zit. na<strong>ch</strong> Wolf-Dieter Haus<strong>ch</strong>ild, Lehrbu<strong>ch</strong> der Kir<strong>ch</strong>en- und Dogmenges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te,<br />

Band 1, 1995, Seite 240.<br />

30 Siehe au<strong>ch</strong> EO Lehren der protestantis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e und Religion im Auszug VII:<br />

»nam cum accedit Verbum ad elementum, fit Sacramentum«.<br />

OFFENE TORE 2/07 89


seu symbolis ejus)« ers<strong>ch</strong>eint, sondern nur »ins Gedä<strong>ch</strong>tnis« aufgenommen<br />

wird (WCR 699). Swedenborg eigener Ansatz arbeitet mit<br />

dem Konzept der Ent spre<strong>ch</strong>ungen: »Daher kommt es, dass die zwei<br />

Sakramente Entspre<strong>ch</strong>ungen des Geistigen mit dem Natürli<strong>ch</strong>en<br />

sind, woher au<strong>ch</strong> ihre Kraft und Ma<strong>ch</strong>t kommt.« (Invitatio 45) 31 .<br />

Zum Verständnis der Sakramente gehört die Vorstellung von zwei<br />

Ebenen. Im Vordergrund stehen Elemente und Hand lungen, die der<br />

si<strong>ch</strong>tbaren Welt angehören und dem äußeren Mens<strong>ch</strong>en zugängli<strong>ch</strong><br />

sind; zuglei<strong>ch</strong> aber verweist das Si<strong>ch</strong>tbare auf das Un si<strong>ch</strong>tbare und<br />

Eigentli<strong>ch</strong>e. Diese beiden Ebenen, die si<strong>ch</strong>tbare und die unsi<strong>ch</strong>tbare,<br />

gehören zum Wesen der Sakramente. Pannenberg s<strong>ch</strong>reibt:<br />

»Im heutigen Spra<strong>ch</strong>gebrau<strong>ch</strong> bezei<strong>ch</strong>net das Wort ›Sakrament‹<br />

zu sam menfassend eine Reihe von gottesdienstli<strong>ch</strong>e Handlungen,<br />

und zwar genauer sym bolis<strong>ch</strong>e oder ›realsymbolis<strong>ch</strong>e‹ Handlungen,<br />

oder au<strong>ch</strong> – wie im Fall der Ehe – den dur<strong>ch</strong> eine sol<strong>ch</strong>e Handlung<br />

geheiligten Lebensvollzug.« (STh 3,369) 32 .<br />

31 Siehe au<strong>ch</strong> Invitatio 59: »(Es soll gezeigt werden), dass den Entspre<strong>ch</strong>ungen eine<br />

sehr große Kraft innewohnt, weil in ihnen Himmel und Erde (mundus) oder Geistiges<br />

und Natürli<strong>ch</strong>es eins sind, und dass daher das Wort in reinen Entspre<strong>ch</strong>ungen<br />

ges<strong>ch</strong>rieben ist. Deswegen ges<strong>ch</strong>ieht dur<strong>ch</strong> das Wort die Verbindung des Mens<strong>ch</strong>en<br />

mit dem Himmel und auf diese Weise mit dem Herrn, und so ist er im Ersten und<br />

zuglei<strong>ch</strong> im Letzten. Daher sind au<strong>ch</strong> die Sakramente dur<strong>ch</strong> die Entspre<strong>ch</strong>ungen<br />

eingesetzt worden, denn dadur<strong>ch</strong> wohnt ihnen göttli<strong>ch</strong>e Ma<strong>ch</strong>t inne.« Der lateinis<strong>ch</strong>e<br />

Grundtext lautet: »Quod maxima vis insit correspondentiis (ostendatur); quia in<br />

illis caelum et mundus, seu spirituale et naturale, una sunt; et quod ideo Verbum per<br />

meras correspondentias conscriptum sit; quare [per] illud est conjunctio hominis<br />

cum caelo, ita cum Domino; estque sic Dominus in primis et simul in ultimis. Ideo<br />

Sacramenta per correspondentias instituta sunt, quibus ideo Divina potentia inest.«<br />

32 Realsymbol (Karl Rahner): Die katholis<strong>ch</strong>e Theologie unters<strong>ch</strong>eidet zwis<strong>ch</strong>en Vertretungssymbol<br />

und Realsymbol. Ein Vertretungssymbol vertritt etwas Abwesendes;<br />

es weist auf etwas hin, dass unabhängig von ihm existiert (Beispiel: Baustellens<strong>ch</strong>ild).<br />

In einem Realsymbol hingegen realisiert si<strong>ch</strong> das, was symbolisiert wird; es<br />

läßt das, was es bezei<strong>ch</strong>net, zuglei<strong>ch</strong> anwesend sein. Ein Beispiel für ein Realsymbol<br />

ist der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Leib. Der Mens<strong>ch</strong> ist ni<strong>ch</strong>t sein Körper, aber dieser ist das ihn<br />

verwirkli<strong>ch</strong>ende und vergegenwärtigende Zei<strong>ch</strong>en seiner selbst; sein Geist findet<br />

Ausdruck und realisiert si<strong>ch</strong> in der Leibli<strong>ch</strong>keit, dur<strong>ch</strong> die er überhaupt erst zu si<strong>ch</strong><br />

selbst finden kann. Rahners Realsymbol kann mit Swedenborgs »repraesentatio«<br />

vergli<strong>ch</strong>en werden.<br />

90 OFFENE TORE 2/07


Konstitutiv für das Sakrament ist die Einsetzung dur<strong>ch</strong> Jesus<br />

Christus. Der theologis<strong>ch</strong>en Tradition zufolge unters<strong>ch</strong>eidet die göttli<strong>ch</strong>e<br />

Einsetzung die sogenannten Sakramente von sonstigen kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Handlungen (STh 3,306). Swedenborg geht mit den Reformatoren<br />

no<strong>ch</strong> davon aus, dass Taufe und Abendmahl dur<strong>ch</strong> Jesus<br />

Christus eingesetzt worden sind 33 : »Daß die Taufe befohlen wurde<br />

(mandatus sit), sieht man deutli<strong>ch</strong> an der Taufe des Johannes im Jordan,<br />

zu der si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Matthäus 3,5f. und Markus 1,4f. ganz Judäa<br />

und Jerusalem einfand, ebenso au<strong>ch</strong> daran, daß na<strong>ch</strong> Matthäus 3,13-<br />

17 der Herr, unser Heiland, selbst von Johannes ge tauft wurde, und<br />

überdies daran, daß er na<strong>ch</strong> Matthäus 28,19 den Jüngern befahl, alle<br />

Völker zu taufen. Wer sieht ni<strong>ch</strong>t, daß es mit dieser Einsetzung (in<br />

illa Institutione) etwas Göttli<strong>ch</strong>es auf si<strong>ch</strong> hat, …« (WCR 668). Interessanterweise<br />

argumentiert Swedenborg ni<strong>ch</strong>t vorrangig mit dem<br />

sogenannten Tauf befehl. Die göttli<strong>ch</strong>e Einsetzung des Abendmahls<br />

spri<strong>ch</strong>t Swedenborg in HG 10519, OE 376, EO 219 und NJ 210 an. »Das<br />

heilige Abendmahl wurde vom Herrn eingesetzt (a Domino instituta<br />

est), damit dur<strong>ch</strong> dasselbe eine Verbindung (conjunctio) der Kir<strong>ch</strong>e<br />

mit dem Himmel und so mit dem Herrn bestehe. Darum ist es das<br />

Hei ligste des Gottesdienstes.« (NJ 210).<br />

Die katholis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e kennt sieben Sakramente: die Taufe, die<br />

Firmung, die Eu<strong>ch</strong>aristie, die Buße, die Kran kensalbung, das Weihesakrament<br />

und die Ehe. »Die Siebenzahl der Sakramente setzte si<strong>ch</strong><br />

erst im 12. Jahrhundert als theologis<strong>ch</strong>e Lehrmeinung dur<strong>ch</strong> und<br />

wurde 1274 auf dem Konzil zu Lyon offizielle Lehre der Kir<strong>ch</strong>e.« (STh<br />

3,370). Die Reformation reduzierte diese Zahl jedo<strong>ch</strong> auf zwei, nämli<strong>ch</strong><br />

Taufe und Abendmahl, weil die geforderte Einsetzung dur<strong>ch</strong><br />

Jesus Christus nur für diese beiden Handlungen »unzweifelhaft<br />

biblis<strong>ch</strong> begründet zu sein s<strong>ch</strong>ien« (STh 3,307). »Im Hinblick auf<br />

Bei<strong>ch</strong>te und Absolution, deren Einsetzung dur<strong>ch</strong> Christus Luther<br />

33 W. Pannenberg: »In der gegenwärtigen theologis<strong>ch</strong>en Diskussions lage stößt die<br />

strenge reformatoris<strong>ch</strong>e Fassung des Sakramentsbegriffs mit ihrer Forderung des<br />

Na<strong>ch</strong>weises einer Einsetzung dur<strong>ch</strong> Jesus selbst sogar im Fall der Taufe und des<br />

Herrenmahls auf S<strong>ch</strong>wierigkeiten.« (STh 3,373).<br />

OFFENE TORE 2/07 91


wegen Mt 18,15ff. für gesi<strong>ch</strong>ert hielt (WA 6,546), ers<strong>ch</strong>ien wegen<br />

des fehlenden Zei<strong>ch</strong>ens die Zählung als Sakrament als zweifelhaft<br />

(572).« (STh 3,372). Swedenborg s<strong>ch</strong>loss si<strong>ch</strong> der Reformation an und<br />

anerkennt au<strong>ch</strong> nur »zwei Sakramente« (WCR 667), die Taufe und<br />

das Abend mahl, zu denen er si<strong>ch</strong> in NJ 202ff. und WCR 667ff. ausführli<strong>ch</strong><br />

äußert.<br />

Zwei Sakramente fassen das ganze Wesen des <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en<br />

Lebens zusammen. Denn Jesus Christus war das Ende der Vorbildungen<br />

34 oder vorbildenden Religionen mit ihren Tem peln, Altären,<br />

Opfern, Riten usw. Na<strong>ch</strong> Paulus war Christus »das telos des Gesetzes«<br />

(Röm 10,4), wobei »telos« sowohl Ende als au<strong>ch</strong> Ziel bedeutet.<br />

Die Repräsentationen oder Vergegenwärtigungen des no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

anwesenden Gottes verloren naturgemäß ih re Bedeutung als der in<br />

allen kultis<strong>ch</strong>en Handlungen nur vorläufig Dargestellte selbst leibhaftig<br />

in Ers<strong>ch</strong>einung trat. Denno<strong>ch</strong> gab der Kyrios dem in seiner<br />

Person eröffneten inneren Gottesdienst au<strong>ch</strong> eine, allerdings auf wenige<br />

Elemente bes<strong>ch</strong>ränkte äußere Form, die das Mysterium der<br />

Wiedergeburt symbolis<strong>ch</strong> darstellen sollen. Im Mittelpunkt des äußeren<br />

Gottesdienstes der <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e stehen daher das Wort<br />

und die beiden Sakramente der Taufe und des Abendmahls. Das<br />

Ende der Vorbildungen dur<strong>ch</strong> Jesus Christus und die glei<strong>ch</strong>zeitige<br />

Zusammenfassung und Reduktion des Kultes auf die beiden Sakramenten<br />

bes<strong>ch</strong>reibt Swedenborg folgendermaßen: »Bekanntli<strong>ch</strong> hat<br />

der Herr die inneren Mysterien (interna) seines Rei<strong>ch</strong>es und der<br />

Kir <strong>ch</strong>e aufges<strong>ch</strong>lossen. Sie waren freili<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on den alten Weisen<br />

(antiquis) bekannt … Das alles wußten (also s<strong>ch</strong>on) die Mens<strong>ch</strong>en<br />

der alten Kir<strong>ch</strong>e, aber sie wurden dur<strong>ch</strong> äußere Dinge (externa), die<br />

kultis<strong>ch</strong>e Vergegenwärtigungen (repraesentativa) waren, zu diesen<br />

inneren Mysterien geführt (ducebantur … ad illa). Weil aber dieses<br />

Wissen bei den Juden ganz und gar verlorengegangen war, deswe-<br />

34 Swedenborgs Wort ist »repraesentativum«. Im Hinblick auf die folgenden Ausführungen<br />

zu den Sakramenten sei angemerkt, dass »repraesentativum« sowohl in die<br />

gedankli<strong>ch</strong>e Nähe von Zei<strong>ch</strong>en (»signum reprae sen ta ti vum externum«, WCR 140)<br />

als au<strong>ch</strong> von Symbol (»in repraesentativo et symbolico«, HG 3478) rücken kann.<br />

92 OFFENE TORE 2/07


gen hat der Herr es wieder gelehrt, zuglei<strong>ch</strong> aber die kultis<strong>ch</strong>en Formen<br />

(repraesentativa) abges<strong>ch</strong>afft, weil der größte Teil von ihnen<br />

auf ihn bezogen war und das Bild (imago) nun einmal vers<strong>ch</strong>windet,<br />

sobald das Abbild (des unsi<strong>ch</strong>tbaren Gottes) (effigies) selbst ers<strong>ch</strong>eint.<br />

So hat er eine neue Kir <strong>ch</strong>e gegründet, die ni<strong>ch</strong>t mehr wie<br />

die frühere dur<strong>ch</strong> Darstellungen des Mysteriums (repraesen tativa)<br />

zum Inneren geführt wird, sondern ohne sie die Geheimnisse des<br />

Got tes rei<strong>ch</strong>es (illa) weiß. Anstelle der alten Kultformen hat er nur<br />

einige äußere gottes dienstli<strong>ch</strong>e Handlungen (externa) angeordnet,<br />

nämli<strong>ch</strong> die Taufe und das Abendmahl; die Taufe, damit man dur<strong>ch</strong><br />

sie an die Wiedergeburt erinnert werden soll, und das Abend mahl,<br />

damit man dadur<strong>ch</strong> an den Herrn erinnert werden soll, und zwar an<br />

seine Liebe zum mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>t und an die erwidernde<br />

Liebe des Mens<strong>ch</strong>en zu ihm.« (HG 4904). »Ebenso wie viele andere<br />

Dinge wurden diese Was<strong>ch</strong>ungen den Kindern Israels darum aufgelegt<br />

und befohlen, weil die bei ihnen gegründete Kir<strong>ch</strong>e eine vorbildende<br />

Kir<strong>ch</strong>e war. Diese aber war von der Art, daß sie die <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e<br />

Kir<strong>ch</strong>e der Zukunft wie im Bilde darstellte. Als der Herr in die<br />

Welt kam, s<strong>ch</strong>affte er deshalb diese samt und sonders äußerli<strong>ch</strong>en<br />

Vorbildungen ab und gründete eine Kir<strong>ch</strong>e, bei der alles innerli<strong>ch</strong><br />

war. So hob der Herr die Abbilder (figuras) auf und enthüllte die Urbilder<br />

(effigies) selbst, so wie jemand einen Vorhang wegzieht oder<br />

die Tür öffnet und dadur<strong>ch</strong> das Inwendige ni<strong>ch</strong>t nur si<strong>ch</strong>tbar, sondern<br />

au<strong>ch</strong> zugängli<strong>ch</strong> ma<strong>ch</strong>t. Von all jenen Vorbildungen behielt der<br />

Herr nur zwei bei, die alles zur inneren Kir<strong>ch</strong>e Gehörige wie in<br />

einer Zusammenfassung (in uno complexu) enthalten sollten, nämli<strong>ch</strong><br />

die Taufe anstelle der Was<strong>ch</strong>ungen und das Heilige Abendmahl<br />

anstelle des Lammes, das zwar jeden Tag, mit vollständigem Ritus<br />

aber nur am Passahfest geopfert wurde.« (WCR 670). Die Sakramente<br />

sind ein Entgegenkommen Gottes an den auf Äußerli<strong>ch</strong>es fixierten<br />

Men s<strong>ch</strong>en. Der Übergang von der Kultkir<strong>ch</strong>e zur Geistkir<strong>ch</strong>e<br />

war ni<strong>ch</strong>t mit einem Mal vollziehbar. Deswegen konnte der Kult der<br />

vorbildenden Religion ni<strong>ch</strong>t gänzli<strong>ch</strong> aufgegeben werden. Er konnte<br />

aber auf zwei alles zusammenfassende Handlungen re du ziert wer-<br />

OFFENE TORE 2/07 93


den. Der gemeinsame Ort dieser beiden sakramentalen Vollzüge ist<br />

der Gottesdienst, den Swedenborg »cultus« nennt. Im Hinblick auf<br />

das Abendmahl s<strong>ch</strong>reibt er: »Dieses äußere Symbol (externum hoc<br />

symbolicum) ist ange ord net worden, weil si<strong>ch</strong> der größte Teil des<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Ges<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ts im äußeren Gottesdienst befindet und<br />

deswegen ohne etwas Äu ßeres kaum etwas Heiliges bei diesen Mens<strong>ch</strong>en<br />

wäre. Wenn sie nun also in der Liebe zum Herrn und in der<br />

tätigen Liebe gegenüber ihren Nä<strong>ch</strong>sten leben, dann haben sie Inneres<br />

bei si<strong>ch</strong> ohne allerdings zu wissen, dass es genau das Innere des<br />

Got tes dienstes ist, um das es eigentli<strong>ch</strong> geht (ipsissimum internum<br />

cultus). So werden sie in ihrem äußeren Gottesdienst in dem Gu ten<br />

bestärkt, das dur<strong>ch</strong> das Brot bezei<strong>ch</strong>net wird.« (HG 2165).<br />

4.3.2. Taufe und Abendmahl als Initiationsriten<br />

Taufe und Abendmahl können als Initiationsriten verstanden werden,<br />

das heißt als Riten, dur<strong>ch</strong> die jemand in eine Gemeins<strong>ch</strong>aft eingeführt<br />

wird (initiare = Zugang gewähren, einweihen). Der ini ti a tis<strong>ch</strong>e<br />

Charakter der Taufe ist in der <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Welt bekannt, denn<br />

überall wird sie als grund legender Akt für den Eintritt in die Kir<strong>ch</strong>e<br />

anerkannt, und au<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> Swedenborg symbolisiert sie »die Einführung<br />

(initiationem) in die Kir<strong>ch</strong>e« (HG 4255). Au<strong>ch</strong> die Eu<strong>ch</strong>aristie ist<br />

eine Initi a tion; na<strong>ch</strong> katholis<strong>ch</strong>er Darstellung ist sie na<strong>ch</strong> Taufe und<br />

Firmung der dritte und letzte S<strong>ch</strong>ritt der Ein gliederung in Christus<br />

und seine Kir<strong>ch</strong>e. Swedenborg sieht in ihr jedo<strong>ch</strong> »die Einführung<br />

(introductio) in den Himmel« (WCR 721) 35 . Während also die Taufe<br />

die grundlegende »Einführung (introductio) in die Kir <strong>ch</strong>e« (WCR<br />

721) dar stellt und au<strong>ch</strong> vollzieht und dem Getauften dadur<strong>ch</strong> ein spirituelles<br />

Zuhause gibt, ist die Mahlgemeins<strong>ch</strong>aft mit dem Kyrios die<br />

Ein weihung in die inneren Mysterien der Gemeins<strong>ch</strong>aft mit ihm. Das<br />

Abendmahl ist also die Vertiefung der Taufe, beide Sakramente aber<br />

35 Zum Abendmahl als Einführung in den Himmel siehe au<strong>ch</strong> GS 2,7f. Na<strong>ch</strong> der<br />

Speisung am Tis<strong>ch</strong> des Herrn heißt es: »Nun ist die große Installation ges<strong>ch</strong>ehen.«<br />

(GS 2,8,31).<br />

94 OFFENE TORE 2/07


sind Initiationsriten oder »zwei Pforten zum ewigen Leben (duae Portae<br />

ad vitam aeternam)« (WCR 721).<br />

4.3.3. Die Taufe<br />

Na<strong>ch</strong> Thomas von Aquin bewirken die Sakramente des neuen Bundes<br />

das, was sie darstellen (efficiunt quod figurant: 62,1 ad 1; siehe STh<br />

3,384 und 386). Das (ver)führt jedo<strong>ch</strong> zu der Ansi<strong>ch</strong>t, dass die Taufe<br />

als sol<strong>ch</strong>e bereits »das Ereignis der Wiedergeburt« (STh 3,266) sei.<br />

Pan nenberg s<strong>ch</strong>reibt: »In der Taufe ereignet si<strong>ch</strong> die Wiedergeburt<br />

des Men s<strong>ch</strong>en dur<strong>ch</strong> den Heiligen Geist.« (STh 3,264). Jeder Getaufte<br />

wäre demna<strong>ch</strong> ein Wie der ge borener. Nun ist es zwar aufgrund von<br />

Joh 3,5 ri<strong>ch</strong>tig, die Taufe mit der Wiedergeburt in Ver bin dung zu<br />

brin gen, aber diese sakramentale Handlung sollte ni<strong>ch</strong>t als Vollzug,<br />

sondern nur als »Symbol der Wie dergeburt« (HG 9032) angesehen<br />

werden. 36 Das Symbol als sol<strong>ch</strong>es bewirkt die Wiedergeburt<br />

no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t. Nur ein ihm entspre<strong>ch</strong>endes Leben führt zu diesem Ziel.<br />

Swedenborg s<strong>ch</strong>reibt: »Die Taufe ist das Symbol der Wieder geburt<br />

(symbolum rege ne rationis) des Mens<strong>ch</strong>en vom Herrn dur<strong>ch</strong> Wahres<br />

und Gu tes des Glaubens. Dur<strong>ch</strong> die Taufe ges<strong>ch</strong>ieht die Wiedergeburt<br />

ni<strong>ch</strong>t, sondern (nur) dur<strong>ch</strong> das dur<strong>ch</strong> die Taufe bezei<strong>ch</strong>nete Leben,<br />

in das die Christen, die das Glaubenswahre in Gestalt des Wortes<br />

haben, an s<strong>ch</strong>ließend eintreten.« (HG 2702).<br />

Swedenborg <strong>ch</strong>arakterisiert die Taufe häufig als »signum et memoriale«,<br />

das heißt als ein Zei<strong>ch</strong>en der beständigen Erinnerung an<br />

etwas, nämli<strong>ch</strong> an die Bestimmung des Gebo renen zur Wiedergeburt:<br />

»Niemand kommt dur<strong>ch</strong> die Taufe (als sol<strong>ch</strong>e) in den Himmel<br />

oder zum Glauben. Denn die Taufe dient nur als Zei<strong>ch</strong>en der beständigen<br />

Erinnerung (signum et memoriale) daran, dass der Mens<strong>ch</strong><br />

wiedergeboren werden soll …« (HH 329). Von »sig num« und »memoriale«<br />

ist im Zusammenhang der Taufe au<strong>ch</strong> in NJ 206, OE 356, EO<br />

36 Statt von einem Symbol der Wiedergeburt könnten wir au<strong>ch</strong> von einer Vorbildung<br />

derselben spre<strong>ch</strong>en: »Die Taufe bildete die Wiedergeburt des Mens<strong>ch</strong>en vor (repraesentabat),<br />

dur<strong>ch</strong> die der natürli<strong>ch</strong>e Mens<strong>ch</strong> in die Kir<strong>ch</strong>e eingeführt (introducitur)<br />

und ein geistiger wird.« (OE 569).<br />

OFFENE TORE 2/07 95


776 und WCR 676 die Rede. Na<strong>ch</strong> EO 776 ist die Taufe ein »Zei<strong>ch</strong>en<br />

für den Himmel (signum pro caelo)« und ein »Erinnerungsmal für<br />

den Mens<strong>ch</strong>en (memoriale pro homine)«. »Memo riale« hebt einen Aspekt<br />

hervor, der s<strong>ch</strong>on im Zei<strong>ch</strong>en selbst vorhanden ist, das heißt »signum«<br />

meint Gedenkzei<strong>ch</strong>en. Diese Bedeutung von »signum« wird<br />

in HG 8066 si<strong>ch</strong>tbar: »Das ist aus der Bedeutung von Zei<strong>ch</strong>en ersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>,<br />

insofern es eine beständige Er in nerung (perpetua recordatio)<br />

ist, denn was als Zei<strong>ch</strong>en und als Erinnerungsmal (memo riali) dient,<br />

das ist der beständigen Rückerinnerung (perpetuam reminiscentiam)<br />

wegen da.« Dur<strong>ch</strong> die Taufe ist dem Geborenen eine Bestimmung<br />

für seinen Lebensweg mit ge ge ben worden, und zwar die, no<strong>ch</strong><br />

einmal, dann aber geistig geborenen zu werden. Denn die erste Geburt<br />

endet im physis<strong>ch</strong>en Tod, sie kann aber dur<strong>ch</strong> die zweite Geburt<br />

veredelt werden, so dass sie s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> im Himmel endet.<br />

Die Taufe ist als Was<strong>ch</strong>ung eine rituelle Reinigung: »Unter jener<br />

Was<strong>ch</strong>ung (lavationem), die als Taufe bezei<strong>ch</strong>net wird, ist eine geistige<br />

Was<strong>ch</strong>ung zu verstehen, näm li<strong>ch</strong> die Reinigung (purificatio)<br />

vom Bösen und Fals<strong>ch</strong>en, somit die Wiedergeburt.« (WCR 670). Als<br />

»Reinigung (purificatio)« versteht Swedenborg die Taufe au<strong>ch</strong> in OE<br />

724 und WCR 144, na<strong>ch</strong> WCR 510 ist »die geistige Was<strong>ch</strong>ung« der<br />

Taufe »eine Abspülung der Sünden (ablutio a peccatis)«. 37 Die Reinigung<br />

ist der negative Aspekt der Taufe, dieser Si<strong>ch</strong>t zufolge nimmt<br />

sie etwas weg, und zwar die Sünden. Den positiven oder gebenden<br />

As pekt der Taufe behandelt Swedenborg in seiner Lehre vom dreifa<strong>ch</strong>en<br />

Nutzen derselben (WCR 677ff.): »Der erste Nutzen der Taufe<br />

ist die Einführung in die <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e, damit zuglei<strong>ch</strong> aber<br />

au<strong>ch</strong> die Einreihung unter die Christen in der geistigen Welt.« (WCR<br />

677). »Der zweite Nutzen der Taufe besteht darin, dass der Christ<br />

den Herrn Jesus Christus, den Erlöser und Heiland, erkennt und anerkennt<br />

und ihm na<strong>ch</strong>folgt.« (WCR 681). 38 »Der dritte als Endzweck<br />

37 Vgl. au<strong>ch</strong> Jakob Lorber: »Meine Kir<strong>ch</strong>e auf Erden ist ein Reinigungsbad« (HGt 1,2,5).<br />

38 Zum zweiten Nutzen der Taufe passt die ur<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Taufpraxis gut: »In den Anfängen<br />

der <strong>ch</strong>rist li <strong>ch</strong>en Taufpraxis dürfte dem Gebrau<strong>ch</strong> der trinitaris<strong>ch</strong>en Taufformel<br />

die Taufe auf den Namen Jesu vorausgegangen sein (Röm 6,3; Gal 3,27; vgl. 1.Kor<br />

96 OFFENE TORE 2/07


eabsi<strong>ch</strong>tigte Nutzen der Taufe besteht darin, dass der Mens<strong>ch</strong> wiedergeboren<br />

wird.« (WCR 684).<br />

Swedenborg übernimmt die erst seit Ende des zweiten Jahrhunderts<br />

na<strong>ch</strong>weisbare kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Praxis der Säuglingstaufe 39 : »Weil die<br />

Taufe (nur) zum Zei<strong>ch</strong>en und zum Gedenken (in signum et in memoriale)<br />

daran dient, deswegen kann der Mens<strong>ch</strong> (s<strong>ch</strong>on) als Kind getauft<br />

werden, und wenn ni<strong>ch</strong>t als Kind, dann eben als Erwa<strong>ch</strong>sener.«<br />

(NJ 206, vgl. au<strong>ch</strong> WCR 682). Weil Swedenborg die Taufe nur als ein<br />

Zei<strong>ch</strong>en der lebenslangen Erinnerung an die Bestimmung aller Geborenen,<br />

no<strong>ch</strong> einmal geboren zu werden, versteht, deswegen kann er<br />

die Praxis der Kindertaufe übernehmen. Der Glaube kann den Säuglingen<br />

oder kleinen Kindern selbstverständli<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong><br />

den Taufakt übertragen werden: »Eine Täus<strong>ch</strong>ung ist es, dass der<br />

Glaube dur<strong>ch</strong> die Taufe sogar den Kindern gegeben wird (quod fides<br />

per baptismum etiam sit infantibus), wo do<strong>ch</strong> der Glaube dur<strong>ch</strong> die<br />

Erkenntnisse des Wahren und Guten und ein ihnen gemäßes Leben<br />

erworben werden muss.« (OE 781). Deswegen wird man die Kindertaufe<br />

ablehnen müssen, wenn »man die Taufe nur als Ausdruck und<br />

öffentli<strong>ch</strong>e Bekundung der Hinwendung eines Mens<strong>ch</strong>en zum Glauben<br />

versteht« (STh 3,290). In den Anfängen der <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e<br />

s<strong>ch</strong>loss die Taufe die Hinwendung zum Glauben ab: »Das Verhältnis<br />

von Taufe und Glaube stellte si<strong>ch</strong> in der Missionspraxis und Theologie<br />

der alten Kir<strong>ch</strong>e zunä<strong>ch</strong>st so dar, daß der Glaube vorangeht und<br />

die Taufe folgt. Das zeigt s<strong>ch</strong>on die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te von der Taufe des<br />

äthiopis<strong>ch</strong>en Kämmerers dur<strong>ch</strong> Philippus (Apg 8,37), und das dürfte<br />

au<strong>ch</strong> der ursprüngli<strong>ch</strong>e Sinn ihrer Bezei<strong>ch</strong>nung als sacramentum<br />

fidei bei Tertullian sein: Von seiten des Täuflings war die Taufe Zeug-<br />

1,13-15). Besonders die Apostelges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te bezeugt diese Form der Taufe (Apg 2,38;<br />

8,16; 10,48; 19,3-5).« (STh 3,268f.). Au<strong>ch</strong> das Kreuzeszei<strong>ch</strong>en erinnert an den zweiten<br />

Nutzen: »… in der Taufe empfängt das Kind an Stirn und Brust das Zei<strong>ch</strong>en des Kreuzes,<br />

d. h. das Zei<strong>ch</strong>en der Einweihung (signum inaugurationis) in die Anerkennung<br />

und Verehrung des Herrn.« (WCR 682).<br />

39 »Die Säuglingstaufe wurde zwar im dritten Jahrhundert von Cyprian und Origenes<br />

s<strong>ch</strong>on als alter apostolis<strong>ch</strong>er Brau<strong>ch</strong> bezei<strong>ch</strong>net, ist aber vor Hippolyt von Rom – also<br />

vor Ende des zweiten Jahrhunderts – ni<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong>er bezeugt.« (STh 3,287f.).<br />

OFFENE TORE 2/07 97


nis und Bekenntnis seines Glaubens. Das setzte die Unterri<strong>ch</strong>tung<br />

über den Inhalt des Glaubens voraus, wie sie im altkir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Kate<strong>ch</strong>umenat<br />

stattfand.« (STh 3,287). Sein Verständnis der Taufe als »signum<br />

et me mo riale« ermögli<strong>ch</strong>t es Swedenborg, die Säuglingstaufe<br />

zu übernehmen. Niemand wä<strong>ch</strong>st in einem ideologis<strong>ch</strong>en Vakuum<br />

auf. Dur<strong>ch</strong> die Taufe ihrer Kinder kön nen <strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>e Eltern zum Ausdruck<br />

bringen, dass sie ihre Kinder im Wasser und im Geiste der<br />

<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Wahrheit aufwa<strong>ch</strong>sen lassen wollen.<br />

4.3.4. Das Abendmahl<br />

Das Abendmahl ist das Sakrament der Vereinigung. Es vereinigt vertikal<br />

mit Jesus Chris tus und horizontal untereinander. Dazu s<strong>ch</strong>reibt<br />

Pannenberg: »Dabei ist grundlegend, daß die Christen dur<strong>ch</strong> die Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

mit Jesus Christus, die ein jeder für si<strong>ch</strong> in Gestalt von<br />

Brot und Wein empfängt, zur Gemeins<strong>ch</strong>aft untereinander verbunden<br />

werden in der Einheit des Leibes Christi« (STh 3,324). Gegen<br />

seine Bedeutung als Sakrament der Vereinigung au<strong>ch</strong> untereinander<br />

ist das Abendmahl zum Zei<strong>ch</strong>en des gespaltenen Zustandes der<br />

Kir<strong>ch</strong>e geworden. Auf dem Weg zur Überwindung dieses Zustandes<br />

muss si<strong>ch</strong> die Einsi<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong>setzen: »Es ist ni<strong>ch</strong>t Mahl der Kir<strong>ch</strong>e,<br />

sondern das Mahl des Herrn seiner Kir<strong>ch</strong>e.« (STh 3,362). Swedenborg<br />

deutet das Abendmahl ebenfalls als Vereinigung, hebt aber nur den<br />

vertikalen Aspekt hervor: »Daraus geht hervor, dass der Mens<strong>ch</strong>,<br />

wenn er das Brot nimmt, das der Leib ist, mit dem Herrn dur<strong>ch</strong> das<br />

Gute der Liebe zu ihm und von ihm verbunden wird (conjungatur);<br />

und wenn er den Wein nimmt, der das Blut ist, dann wird er mit dem<br />

Herrn dur<strong>ch</strong> das Gute des Glaubens an ihn und von ihm verbunden<br />

(conjungatur). Man muss aber wissen, dass die Verbindung (conjunctio)<br />

mit dem Herrn dur<strong>ch</strong> das Sakrament des Abendmahls nur bei<br />

denen ges<strong>ch</strong>ieht, die im Guten der Liebe und des Glaubens an den<br />

Herrn und von dem Herrn sind. Das heilige Abendmahl ist das Siegel<br />

dieser Verbindung (sigillum illius conjunctionis).« (HG 10522). Dieselbe<br />

Formulierung gebrau<strong>ch</strong>t Swedenborg in NJ 213; nur der letzte<br />

98 OFFENE TORE 2/07


Satz ist dort ein anderer, er lautet: »Bei diesen erfolgt dur<strong>ch</strong> das heilige<br />

Abendmahl die Verbindung (conjunctio), bei den anderen hingegen<br />

findet (nur) eine Gegen wart (praesentia) statt, ni<strong>ch</strong>t die Verbindung<br />

(conjunctio).« Swedenborg will hier also deutli<strong>ch</strong>er als in HG<br />

10522 zum Ausdruck bringen, dass die Wirkung des Abendmahls<br />

vom Zustand dessen abhängt, der das Brot und den Wein empfängt.<br />

Das Abendmahl ist also ni<strong>ch</strong>t automatis<strong>ch</strong> das Siegel der Verbindung<br />

(HG 10522), sondern bewirkt je na<strong>ch</strong> dem inneren Zustand entweder<br />

die Vereinigung mit dem Herrn oder nur dessen Gegenwart. 40<br />

»Die Reformatoren haben die im katho lis<strong>ch</strong>en Eu<strong>ch</strong>aristieverständnis<br />

enthaltene Komponente einer Darbringung an Gott ents<strong>ch</strong>ieden<br />

abgelehnt … Sie verstehen das Abendmahl auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />

als Handeln Gottes an der Gemeinde … Die Ablehnung des Meßopfergedankens<br />

ist die dogmatis<strong>ch</strong> gewi<strong>ch</strong> tigste Differenz des reformatoris<strong>ch</strong>en<br />

Abendmahlsverständnisses gegenüber dem der katholis<strong>ch</strong>en<br />

Tradition.« 41 Au<strong>ch</strong> Swedenborg hat den katholis<strong>ch</strong>en Messopfergedanken<br />

abgelehnt. Das bedeutet freili<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t, dass man den<br />

Opfergedanken vom Abendmahl vollkommen fernhalten muss. Im<br />

Gegenteil, dieses Sakrament ist an die Stelle des vorbildenden Opferkults<br />

getreten: »Als daher die Opfer (sacrificia) abges<strong>ch</strong>afft wurden,<br />

und an ihre Stelle für den äußeren Gottesdienst etwas anderes trat,<br />

wurde verordnet, daß Brot und Wein gebrau<strong>ch</strong>t werden sollten.« (HG<br />

2165). Das heilige Abendmahl trat »an die Stelle der Altäre oder der<br />

Brandopfer und S<strong>ch</strong>la<strong>ch</strong>topfer« (HG 2811). Es »trat an die Stelle der<br />

Opfer und der Gastmähler aus dem Geheiligten« (HG 4211). 42 Na<strong>ch</strong><br />

40 Zur Verbindung mit dem Herrn dur<strong>ch</strong> das Abendmahl siehe au<strong>ch</strong> HG 4211: Das heilige<br />

Abendmahl »ist das Äußere der Kir<strong>ch</strong>e, wel<strong>ch</strong>es das Innere in si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ließt,<br />

und dur<strong>ch</strong> das Innere den Mens<strong>ch</strong>en, der in der Liebe und Liebtätigkeit ist, mit dem<br />

Himmel verbindet (conjungit), und dur<strong>ch</strong> den Himmel mit dem Herrn«. Und NJ 220:<br />

»Daher fl ießt das Heilige aus dem Himmel in die Mens<strong>ch</strong>en der Kir<strong>ch</strong>e ein, wenn<br />

sie heilig zum Sakrament des Abendmahls gehen (siehe HG 6789). Daher kommt<br />

die Verbindung (conjunctio) des Herrn (siehe HG 1519, 3464, 3735, 5915, 10521,<br />

10522).«<br />

41 Wilfried Joest, Dogmatik, Band 2, 1996, Seite 577.<br />

42 »Zudem umfaßt das Heilige Abendmahl und s<strong>ch</strong>ließt in si<strong>ch</strong> den ganzen Gottesdienst,<br />

der in der Israelitis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e eingesetzt war. Die Brandopfer und ande-<br />

OFFENE TORE 2/07 99


der Theologie des Hebräerbriefes ist Jesus Christus gewissermaßen<br />

das es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>e Opfer, das die Opfer des alten Bundes nur wie<br />

ein S<strong>ch</strong>atten darstellen konnten. Mit dem In-Ers<strong>ch</strong>einung-Treten des<br />

es<strong>ch</strong>atologis<strong>ch</strong>en Opfers war der vorbildende Opferkult notwendigerweise<br />

überwunden und das neue Symbol der Gemeins<strong>ch</strong>aft mit<br />

Gott wurde das Abendmahl. Interessanterweise kann Swedenborg<br />

den Kreuzestod trotz seiner kritis<strong>ch</strong>en Bemerkungen zur herkömmli<strong>ch</strong>en<br />

theologia crucis mit der Kategorie des Opfers erfassen: Der<br />

Herr »bra<strong>ch</strong>te si<strong>ch</strong> als Opfer (sacrificium) für die Sünden der ganzen<br />

Welt dar.« (WCR 727). Die vollständige Hingabe oder Selbstaufopferung<br />

des Herrn am Kreuz begründete die vollständige Selbstmitteilung<br />

des Herrn im Abendmahl, der si<strong>ch</strong> seiner Gemeinde in diesem<br />

Sakrament rückhaltlos mit Fleis<strong>ch</strong> und Blut gibt.<br />

Die katholis<strong>ch</strong>e Kir<strong>ch</strong>e hat die Eu<strong>ch</strong>aristie untrennbar streng<br />

mit dem Weihesakrament verbunden. Das 4. La te ran konzil von 1215<br />

wertete die Bedeutung des Priesters auf, indem es erklärte, dass nur<br />

er kraft seiner Weihewürde imstande sei, Opfer und Wandlung zu<br />

vollziehen. In den Bes<strong>ch</strong>lüssen des Konzils heißt es: »Und dieses Sakrament<br />

[das Abendmahl] kann freili<strong>ch</strong> nur ein Priester vollziehen,<br />

der gültig geweiht wurde entspre<strong>ch</strong>end den S<strong>ch</strong>lüsseln der Kir<strong>ch</strong>e,<br />

die Jesus Christus selbst den Aposteln und ihren Na<strong>ch</strong>folgern gewährte.«<br />

(DH 802). Das gilt übrigens ni<strong>ch</strong>t für die Taufe (siehe Fortgang<br />

von DH 802). Au<strong>ch</strong> Papst Johannes Paul II. insistierte auf den<br />

Zusammenhang von Weihe sakra ment und Eu<strong>ch</strong>aristie (DH 4720-<br />

4723). Diese Auffassung entmündigt ni<strong>ch</strong>t nur das Volk Gottes innerhalb<br />

der katholis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e, sondern verhindert au<strong>ch</strong> die gemeinsame<br />

Feier des Abend mahls innerhalb des vielgliedrigen Leibes<br />

Christi, so dass das kräftigste Zei<strong>ch</strong>en der Einheit, näm li<strong>ch</strong> die Versammlung<br />

aller Christen am Tis<strong>ch</strong> des Herrn, ni<strong>ch</strong>t aufgeri<strong>ch</strong>tet<br />

werden kann. Aus swedenborgs<strong>ch</strong>er Perspektive ist die exklusive<br />

Bin dung der Eu<strong>ch</strong>aristie an das geweihte Priestertum ein wesentren<br />

Opfer, aus denen der Gottesdienst dieser Kir<strong>ch</strong>e hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> bestand, wurden<br />

nämli<strong>ch</strong> mit einem Wort ›Brot‹ genannt. Darum ist au<strong>ch</strong> das Heilige Abendmahl ihre<br />

Erfüllung (complementum).« (NJ 214).<br />

100 OFFENE TORE 2/07


li<strong>ch</strong>es Instrument zur Herstellung und Aufre<strong>ch</strong>t erhaltung des Abhängigkeitsverhältnisses<br />

der Gläubigen von der katholis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>e<br />

bzw. ihrer »heiligen« Herr s<strong>ch</strong>aft (Hierar<strong>ch</strong>ie). Für die neue Kir<strong>ch</strong>e<br />

besteht kein Grund diese strenge Bindung zu übernehmen. Denn<br />

Jesus Christus hat das Abendmahl in die Hände seiner Jünger gelegt<br />

(vgl. »jedesmal wenn ihr …«, 1Kor 11,25f.). In den Jüngern sieht die<br />

neue Kir<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t die ersten Bis<strong>ch</strong>öfe, sondern die Gemeinde. Daher<br />

dürfen die Gemeinden der neuen Kir<strong>ch</strong>e, immer wenn sie si<strong>ch</strong> im<br />

Namen Christi versammeln, au<strong>ch</strong> das Herrenmahl feiern, au<strong>ch</strong> wenn<br />

kein or dinierter Priester anwesend ist. »Denn wo zwei oder drei in<br />

meinem Namen versammelt sind, da bin i<strong>ch</strong> mitten unter ihnen.«<br />

(Mt 18,20). Da ist also der »mitten unter ihnen«, der im eigentli<strong>ch</strong>en<br />

Sinne Brot und Wein austeilt.<br />

Der abs<strong>ch</strong>ließende zweite Teil wird in OT 3 / 2007 veröffentli<strong>ch</strong>t.<br />

OFFENE TORE 2/07 101


Drei Arten der Heilung<br />

von Eugene Taylor<br />

D<br />

as Bild der Krankheit, das die vers<strong>ch</strong>iedenen hinduistis<strong>ch</strong>en<br />

und buddhistis<strong>ch</strong>en Denkri<strong>ch</strong>tungen entwerfen, unters<strong>ch</strong>eidet<br />

si<strong>ch</strong> grundlegend von unseren abendländis<strong>ch</strong>en Vorstellungen über<br />

Gesundheit und Krankheit. In diesen fernöstli<strong>ch</strong>en Theorien wird<br />

weder die Auffassung vertreten, dass wir beim Tode in ein ewiges<br />

Leben übergingen, no<strong>ch</strong> dass wir am Jüngsten Tag vor den göttli<strong>ch</strong>en<br />

Ri<strong>ch</strong>ter geführt würden. Eher herrs<strong>ch</strong>t die Ans<strong>ch</strong>auung, dass wir<br />

na<strong>ch</strong> einer gewissen Zeit, je na<strong>ch</strong> Art der S<strong>ch</strong>ule, auf kurz oder lang<br />

in einer anderen Gestalt wiedergeboren würden. Dieses kommende<br />

Leben entsprä<strong>ch</strong>e dann in Gedanken, Worten und Taten unserem<br />

vorigem Leben. Unsere neue Gestalt sei um so niederer, so wir in<br />

unserem vorherigen Leben viel Fals<strong>ch</strong>es getan hätten oder um so<br />

höher, so wir einen gewissen Grad der Erleu<strong>ch</strong>tung erlangt hätten.<br />

Krankheit und Leid errei<strong>ch</strong>ten uns als Ausdruck dessen, was wir in<br />

unserem jetzigen oder einem vorherigen Leben geda<strong>ch</strong>t oder getan<br />

hätten.<br />

Diese Idee ist für jemanden aus dem westli<strong>ch</strong>en Kulturkreis<br />

nur s<strong>ch</strong>wer na<strong>ch</strong>zuvollziehen. Kritiker haben diesem Konzept vorgeworfen,<br />

dass es keine Lösung darstelle, dem Opfer zu sagen, warum<br />

wir jemanden liebten, warum wir litten oder stürben. S<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />

würde si<strong>ch</strong> in unserer te<strong>ch</strong>nologis<strong>ch</strong> ras<strong>ch</strong> vorans<strong>ch</strong>reitenden Gesells<strong>ch</strong>aft<br />

allein s<strong>ch</strong>on aufgrund des genetis<strong>ch</strong>en Codes, der krankma<strong>ch</strong>enden<br />

Umgebungen und des Mikrobenbefalls die Mögli<strong>ch</strong>keit<br />

ergeben, kommende Verläufe voraussagen. Es sei daher unmögli<strong>ch</strong>,<br />

den Einzelnen für jede Krankheit, die ihn befallen würde, verantwortli<strong>ch</strong><br />

zu ma<strong>ch</strong>en.<br />

I<strong>ch</strong> behaupte allerdings, dass dies Thema komplexer, feiner und<br />

geheimnisvoller ist, als dass wir ihm allein dur<strong>ch</strong> die oberflä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

und reduzierende Erklärung, dass die Individuen für ihre Krank-<br />

102 OFFENE TORE 2/07


heit verantwortli<strong>ch</strong> seien, beikämen. I<strong>ch</strong> gründe meine Ansi<strong>ch</strong>t auf<br />

meine Erfahrung als Fa<strong>ch</strong>arzt in einem Ärzteteam der Indo-China-<br />

Flü<strong>ch</strong>tlingsabteilung am Brighton Marine Hospital. Diese Einri<strong>ch</strong>tung<br />

war für die 18.000 Kambods<strong>ch</strong>aner in der Gegend von Boston<br />

ins Leben gerufen worden, von denen viele Opfer des Völkermords<br />

der Roten Khmer geworden waren.<br />

Viele Kambods<strong>ch</strong>aner, die diese Klinik aufsu<strong>ch</strong>ten, litten an Depressionen,<br />

post-traumatis<strong>ch</strong>em Stress und anderen seelis<strong>ch</strong>en Erkrankungen,<br />

die das Ergebnis der ständigen Folter war, die sie erlitten<br />

hatten. Wenn ein Seelenarzt versu<strong>ch</strong>te den Grund der Depression<br />

bei den Flü<strong>ch</strong>tlingen herauszufinden konnte er ni<strong>ch</strong>t wie übli<strong>ch</strong> fragen:<br />

»Fühlen Sie si<strong>ch</strong> immer traurig?«, da die Kambods<strong>ch</strong>aner mit<br />

dieser Frage ni<strong>ch</strong>ts anfangen konnten. Sie geht völlig an ihrer Weltsi<strong>ch</strong>t<br />

vorbei. Wenn sie gefragt wurden, wie sie zu ihren Folterern<br />

ständen, so haben viele geantwortet, dass sie keinen Groll hegten<br />

oder keine Vergeltung wollten. Eher fühlten sie Mitleid mit ihren Peinigern,<br />

da die Folterer nun die Konsequenzen ihrer Verbre<strong>ch</strong>en zu<br />

tragen hätten. Wenn die Opfer gefragt wurden, warum sie meinten,<br />

dass sie ihre Foltern erlitten hätten, sagten sie, dass sie die S<strong>ch</strong>uld<br />

ni<strong>ch</strong>t bei ihren Folterern su<strong>ch</strong>ten, sondern dass sie glaubten, dass es<br />

si<strong>ch</strong> um eine ungesühnte S<strong>ch</strong>uld aus einem vorherigen Leben handeln<br />

müsse, für die sie nun Buße zu tun hätten. Diese Antworten<br />

verwirrten die Seelenärzte. Sie waren völlig unvorbereitet na<strong>ch</strong> all<br />

dem Leid, dass den Patienten zugestoßen war, nun eine sol<strong>ch</strong>e Erklärung<br />

zu hören.<br />

Der springende Punkt hier ist, dass es aus Si<strong>ch</strong>t des Unwissenden<br />

die Einstellung zu unserem Leid sein dürfte, das uns erlaube<br />

dies zu ertragen. Demna<strong>ch</strong> habe unser Bewusstseinszustand sowohl<br />

etwas damit zu tun, warum wir litten als au<strong>ch</strong> damit, warum wir Genesung<br />

erführen. Es s<strong>ch</strong>eint logis<strong>ch</strong> anzunehmen, dass jede Krankheit<br />

oder jedes Trauma dur<strong>ch</strong> eine emotionale Antwort begleitet ist.<br />

Diese Antwort ermögli<strong>ch</strong>e uns, obs<strong>ch</strong>on wir selbst ni<strong>ch</strong>t die völlige<br />

Kontrolle über das besäßen, was uns zustoße, so do<strong>ch</strong> immerhin ein<br />

gewisses Maß der Kontrolle über unsere Emotionen.<br />

OFFENE TORE 2/07 103


Die buddhistis<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>t jedo<strong>ch</strong>, die si<strong>ch</strong> hier bei den Kambods<strong>ch</strong>anern<br />

zeigt, drückt weitaus mehr aus als eine bloße Einstellungsänderung.<br />

Gemäß dieser Si<strong>ch</strong>tweise wird vielmehr die Auffassung<br />

vertreten, dass das gesamte Universum anders strukturiert<br />

ist, als wir Abendländer uns dies vorstellten. Demna<strong>ch</strong> ständen alle<br />

vernünftigen Erklärungen, die wir in unserem gegenwärtigen Bewusstseinszustand<br />

vornehmen würden, im Verhältnis zu unserem<br />

Bewusstseinszustand selbst und seien nur aus unserem jetzigen Zustand<br />

heraus zu verstehen. Obwohl wir uns in unseren Ansi<strong>ch</strong>ten<br />

den Auffassungen anderer Kulturen überlegen fühlen, interpretiert<br />

unsere Wissens<strong>ch</strong>aft ihre Erkenntnisse allein aufgrund des westli<strong>ch</strong>en<br />

Standpunkts. Nehmen wir nun eine alternative Si<strong>ch</strong>tweise<br />

zur Hand, so greift die abendländis<strong>ch</strong>e Si<strong>ch</strong>t nur in bestimmten Berei<strong>ch</strong>en,<br />

erweist si<strong>ch</strong> aber keinesfalls für alle Sektoren der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Erfahrung als relevant.<br />

Aus buddhistis<strong>ch</strong>er Si<strong>ch</strong>t zum Beispiel werden sowohl die Ursa<strong>ch</strong>e<br />

als au<strong>ch</strong> die Heilung einer Krankheit rein psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong> geda<strong>ch</strong>t.<br />

Dies erklärt si<strong>ch</strong> aus der Rolle, die das Bewusstsein bei der buddhistis<strong>ch</strong>en<br />

Konstruktion von Wirkli<strong>ch</strong>keit spielt. Was immer au<strong>ch</strong> die<br />

großen Kräfte des Universums seien, so müssten sie do<strong>ch</strong> in Übereinstimmung<br />

mit der Seele des Einzelnen ges<strong>ch</strong>affen sein, um si<strong>ch</strong><br />

dort entweder wohl- oder übelwollend auszuwirken. Der swedenborgianis<strong>ch</strong>e<br />

Geistli<strong>ch</strong>e Warren Felt Evans war Pionier der US-amerikanis<strong>ch</strong>en<br />

Neu-Geist-Bewegung des 19. Jahrhunderts. Diese Stellung<br />

erwarb er si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> seine Auffassung, dass Gesundheit und Krankheit<br />

si<strong>ch</strong> allein auf den eigenen inneren und spirituellen Bewusstseinszustand<br />

bezögen. Evans glaubte, dass es si<strong>ch</strong> bei der Gesundheit<br />

um den Normalfall handele und dass die Krankheit dadur<strong>ch</strong><br />

entstünde, dass si<strong>ch</strong> ein Mens<strong>ch</strong> der natürli<strong>ch</strong>en Heilkräfte von Körper<br />

und Geist beraube. Krankheit ließe si<strong>ch</strong> oft anhand der Beziehung<br />

des Einzelnen zum Göttli<strong>ch</strong>en herleiten. Glei<strong>ch</strong>zeitig sei der<br />

Beginn von Leiden und Krankheit häufig mit dem Verlangen na<strong>ch</strong><br />

Rückkehr zum ri<strong>ch</strong>tigen Denken und Streben begleitet. So verspre<strong>ch</strong>e<br />

der oder die Erkrankte häufig, das Leben in andere Bahnen len-<br />

104 OFFENE TORE 2/07


ken zu wollen, so er oder sie nur wieder gesund würde. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong><br />

s<strong>ch</strong>ließt die s<strong>ch</strong>limmste Krankheitsphase beim Einzelnen häufig den<br />

grundlegenden Drang na<strong>ch</strong> Leben oder Tod mit ein. Die Annalen der<br />

Medizin sind voll von Fallges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten, in denen Mens<strong>ch</strong>en eigentli<strong>ch</strong><br />

sterben sollten, jedo<strong>ch</strong> dann weiterlebten, da sie die Hoffnung<br />

auf und den Willen zum Leben besaßen. Dann wiederum gibt es die,<br />

wel<strong>ch</strong>e eigentli<strong>ch</strong> weiterleben sollten und dann do<strong>ch</strong> verstarben, da<br />

ihr Wille oder Geist gebro<strong>ch</strong>en war, sie aufgehört hatten zu kämpfen<br />

und sie s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> verstarben, als es niemand mehr erwartete. Der<br />

Lebenswille einer kranken Person ist für den Genesungsverlauf also<br />

si<strong>ch</strong>er zentral. Wie es aber mögli<strong>ch</strong> ist, dass ein Mens<strong>ch</strong> die Hoffnung<br />

auf Genesung beibehält, bleibt ein großes Geheimnis.<br />

Währendessen hält die westli<strong>ch</strong>e Medizin, die si<strong>ch</strong> von allen spirituellen<br />

Traditionen gelöst hat, daran fest, dass si<strong>ch</strong> die Krankheiten<br />

aufgrund genetis<strong>ch</strong>er Veranlagung, zufälliger Vergiftung oder gefährli<strong>ch</strong>er<br />

Umweltbedingungen entwickeln würden. Diese Faktoren<br />

würden si<strong>ch</strong> uns dann als Chance oder S<strong>ch</strong>icksal darstellen. Im allgemeinen<br />

wird, mit Ausnahme der Wahl eines gewissen Lebensstils,<br />

die Krankheit ni<strong>ch</strong>t mit dem Bewusstsein glei<strong>ch</strong>gesetzt. Es wird für<br />

gewöhnli<strong>ch</strong> angenommen, dass der Geisteszustand eines Mens<strong>ch</strong>en<br />

ni<strong>ch</strong>t in direkter Verbindung zu seiner körperli<strong>ch</strong>en Erkrankung<br />

stehe. Die Krankheit wird ni<strong>ch</strong>t als Sühne betra<strong>ch</strong>tet, die jemand aufgrund<br />

gewisser Taten abzuleisten hätte. Au<strong>ch</strong> der Patient selbst su<strong>ch</strong>t<br />

im allgemeinen den Grund seiner Erkrankung ni<strong>ch</strong>t zuerst bei si<strong>ch</strong>.<br />

Im Christentum zielt die biblis<strong>ch</strong>e Idee, dass uns die Krankheit<br />

als Bestrafung unserer Sünden ereile auf ein Jahrhunderte altes<br />

theologis<strong>ch</strong>es Problem. Es geht um die Frage, wie ein gütiger Gott<br />

sol<strong>ch</strong> eine Verwüstung hinterlassen kann und wie er Leid selbst<br />

bei denen verursa<strong>ch</strong>e, die ihn anbeten. Meiner Meinung na<strong>ch</strong> leitet<br />

Swedenborg diese theologis<strong>ch</strong>e Frage auf profunde Weise auf eine<br />

psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Ebene über. Swedenborg behauptet, dass sowohl das<br />

Gute wie au<strong>ch</strong> das Böse bestehen würden. Gott sei die Quelle alles<br />

OFFENE TORE 2/07 105


Guten, während die Mens<strong>ch</strong>heit die Quelle allen Übels sei, das aus<br />

Missbrau<strong>ch</strong> der Fähigkeiten Vernunft und Freiheit stamme. 1<br />

Wir sind frei. Anders ausgedrückt: Wir können die Krankheit<br />

gemäß jeder Weise betra<strong>ch</strong>ten, wie wir es wüns<strong>ch</strong>en. Folgeri<strong>ch</strong>tig<br />

würden wir auf unseren vers<strong>ch</strong>iedenen Bewusstseinsstufen au<strong>ch</strong> annehmen,<br />

dass es vers<strong>ch</strong>iedene Arten des Leids gäbe. Ein Ergebnis,<br />

das wir daraus ziehen können ist, dass es vers<strong>ch</strong>iedene Formen der<br />

Heilung gibt: körperli<strong>ch</strong>, psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong> und spirituell.<br />

Die körperli<strong>ch</strong>e Heilung<br />

Wir gehen davon aus, dass die körperli<strong>ch</strong>e Heilung die Linderung<br />

der körperli<strong>ch</strong>en Leiden mit eins<strong>ch</strong>ließt. Weiter denken wir, körperli<strong>ch</strong>e<br />

Heilung sei z.B. das Auskurieren von Wunden. Diese Wunden<br />

können belanglos oder ernst sein wie z.B. ein Pistoleneins<strong>ch</strong>uss. Wir<br />

können den Begriff der körperli<strong>ch</strong>en Heilung au<strong>ch</strong> ausdehnen, indem<br />

wir darunter die körperli<strong>ch</strong>en Strapazen verstehen, denen wir uns<br />

freiwillig unterziehen, um ein bestimmtes Ziel zu errei<strong>ch</strong>en. Dies ist<br />

zum Beispiel dann der Fall, wenn jemand eine Zahnspange tragen<br />

muss, um seine Zähne zu begradigen, oder bei einer Gehirnoperation,<br />

bei wel<strong>ch</strong>er der S<strong>ch</strong>merz, der entsteht, wenn direkte Eingriffe<br />

am Gehirn vorgenommen werden, für gewöhnli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> Medikamente<br />

abgemildert wird. Da das Gehirngewebe über keine S<strong>ch</strong>merzrezeptoren<br />

verfügt, ist es in diesem Fall Teil der Diagnose, eine sol<strong>ch</strong>e<br />

Behandlung zu empfehlen, um größeres Leid zu verhindern,<br />

zum Beispiel den Tod infolge einer Krebserkrankung.<br />

Der Glaube, dass die körperli<strong>ch</strong>e Heilung mit direkten Eingriffen<br />

am Körper einhergehe, steht für ein bestimmte Si<strong>ch</strong>tweise auf die<br />

1 Anm. des Übersetzers: Es sollte daran erinnert werden, dass diese Auffassung<br />

innerhalb der Bewegung der humanistis<strong>ch</strong>en und transpersonalen Psy<strong>ch</strong>ologie<br />

selbst ni<strong>ch</strong>t umstritten ist. Für den Psy<strong>ch</strong>otherapeuten Eri<strong>ch</strong> Fromm zum Beispiel,<br />

der heute wegen seiner humanistis<strong>ch</strong>en Psy<strong>ch</strong>oanalyse zumeist der humanistis<strong>ch</strong>en<br />

Psy<strong>ch</strong>ologie zugere<strong>ch</strong>net wird, ist dies einer der Hauptkritikpunkte am Ansatz von<br />

William James und C.G. Jung. Fromm vertritt stattdessen die These, dass die Bündelung<br />

alles S<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>tem auf den Mens<strong>ch</strong>en den Mens<strong>ch</strong>en unfrei und zu einer autoritären<br />

Persönli<strong>ch</strong>keit werden lasse.<br />

106 OFFENE TORE 2/07


Wirkli<strong>ch</strong>keit. Es ist aber natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> das bekannteste Symbol für<br />

unsere abendländis<strong>ch</strong>e Medizin s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>thin. In Übereinstimmung<br />

mit dieser materialistis<strong>ch</strong>en Weltsi<strong>ch</strong>t werden alle Krankheiten,<br />

seien sie körperli<strong>ch</strong>er oder geistiger Natur, ihrer Ursa<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> als<br />

biologis<strong>ch</strong>e oder <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Prozesse erfahren. Ohne die Gesamtheit<br />

der Krankheitsursa<strong>ch</strong>en erfassen zu wollen, die körperli<strong>ch</strong>er, geistiger<br />

oder spiritueller Natur sein könnten, wird jede Krankheit allein<br />

auf die biologis<strong>ch</strong>en und <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en Verläufe reduziert. So hilft,<br />

ganz glei<strong>ch</strong> was die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Ursa<strong>ch</strong>e einer Krankheit ist, immer<br />

ein Aspirin. Wenn die Erkrankung s<strong>ch</strong>limmer ist tritt an dessen<br />

Stelle dann irgendein Medikamentencocktail mit hohem Morphiumanteil.<br />

Zur Behandlung eines Gehirntumors werden Medikamente,<br />

Operationen, und Bestrahlung angewandt; bei Manis<strong>ch</strong>-Depressiven<br />

wird eine Lithium-Behandlung empfohlen, und um Panik-Attacken<br />

beizukommen verwenden die Ärzte Inderal. Als eine Erklärung für<br />

den Alkoholismus wird die genetis<strong>ch</strong>e Veranlagung angeführt. Und<br />

inzwis<strong>ch</strong>en spre<strong>ch</strong>en wir sogar s<strong>ch</strong>on davon, dass es ein Gen gebe,<br />

das unsere Veranlagung für Depression, S<strong>ch</strong>izophrenie und Krebs<br />

vorherbestimme.<br />

Gestützt wird diese rein physikalis<strong>ch</strong>e Betra<strong>ch</strong>tungsweise des<br />

Heilungsverlaufs dur<strong>ch</strong> die ärztli<strong>ch</strong>e Ausbildung und die Erfahrungen,<br />

wel<strong>ch</strong>e die Ärzte selbst mit einer sol<strong>ch</strong>en Behandlungsweise<br />

gema<strong>ch</strong>t haben. In unserem Kulturkreis wird dieses Heilungsverständnis<br />

nun s<strong>ch</strong>on seit gut 100 Jahren praktiziert. Diese Denkungsart<br />

beginnt für gewöhnli<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on mit der Ausbildung an einem College,<br />

setzt si<strong>ch</strong> dann beim Besu<strong>ch</strong> einer Medizinis<strong>ch</strong>en Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule<br />

fort und findet ihre endgültige Bestätigung im übli<strong>ch</strong>en Krankenhauspraktikum.<br />

Von einem Arzt wird erwartet, dass er Logik und<br />

Mathematik beherrs<strong>ch</strong>t. Ferner sollte er, bevor er si<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>ließt<br />

eine Medizinis<strong>ch</strong>e Ho<strong>ch</strong>s<strong>ch</strong>ule zu besu<strong>ch</strong>en, seine Fähigkeiten in<br />

den Fä<strong>ch</strong>ern Chemie, Biologie und Physik s<strong>ch</strong>ulen. Na<strong>ch</strong>dem der angehende<br />

Mediziner mit den Grundpfeilern der allgemeinen Medizin<br />

der Anatomie, Physiologie, Arzneimittelkunde, Pathologie und Diagnose<br />

vertraut gema<strong>ch</strong>t worden ist, konzentriert si<strong>ch</strong> der werdende<br />

OFFENE TORE 2/07 107


Mediziner auf ein Spezialgebiet. Einige Berei<strong>ch</strong>e werden hierbei als<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er, will meinen als gefährli<strong>ch</strong>er und prestigeträ<strong>ch</strong>tiger<br />

betra<strong>ch</strong>tet als andere.<br />

Die beiden großen Ri<strong>ch</strong>tungen innerhalb der Medizin sind die<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Fors<strong>ch</strong>ung und die ärztli<strong>ch</strong>e Praxis. Die Grundlagenfors<strong>ch</strong>ung<br />

betreibt Untersu<strong>ch</strong>ungen, um greifbare und replizierbare<br />

Belege zu erbringen, die dann direkt für die Heilung von<br />

Patienten nutzbar gema<strong>ch</strong>t werden können. Liegt ein sol<strong>ch</strong>er Beweis<br />

vor, besteht in wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en und medizinis<strong>ch</strong>en Kreisen die<br />

übereinstimmende Meinung, dass si<strong>ch</strong> dies au<strong>ch</strong> in einer bestimmten<br />

Behandlungsform nieders<strong>ch</strong>lagen sollte. Diese Kreise billigen<br />

nur dasjenige, was zuvor an Patienten während ärztli<strong>ch</strong>er Untersu<strong>ch</strong>ungen,<br />

des Aufenthalts an einer Klinik oder in der ärztli<strong>ch</strong>en Praxis<br />

erprobt worden ist.<br />

Die Folge ist, dass ein Arzt unseres Kulturkreises speziell in<br />

den Werten des rationalen Denkens und einer Sinnesbetra<strong>ch</strong>tung<br />

ges<strong>ch</strong>ult wird. Das ges<strong>ch</strong>ieht mittels einer intuitiven oder gefühlsbetonten<br />

Herangehensweise. Was die zuletzt genannte Mögli<strong>ch</strong>keit<br />

der Krankheitsbetra<strong>ch</strong>tung betrifft, so besteht sie zwar, wird aber<br />

im allgemeinen heruntergespielt. Es kann au<strong>ch</strong> sein, dass sie ledigli<strong>ch</strong><br />

als Nebenprodukt einer guten wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Betra<strong>ch</strong>tungsweise<br />

verstanden wird. Die rational-empiris<strong>ch</strong>e Herangehensweise<br />

verbindet si<strong>ch</strong> mit dem anerkannten wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Beweis, der<br />

zunä<strong>ch</strong>st unter strikter Aufsi<strong>ch</strong>t, dann weiter unter Bea<strong>ch</strong>tung der<br />

na<strong>ch</strong>haltigen Heilung des Patienten und zuletzt unter dem erforderli<strong>ch</strong>en<br />

Grad medizinis<strong>ch</strong>er Sa<strong>ch</strong>kenntnis erbra<strong>ch</strong>t wird.<br />

In diesem Umfeld wird der Arzt als der ents<strong>ch</strong>eidende Vermittler<br />

betra<strong>ch</strong>tet, der die Heilung des Patienten bewirkt. Heilung und<br />

Krankheit werden hier gemäß den Begriffli<strong>ch</strong>keiten wie Manipulation<br />

der Organe, Gewebe, Zellen, <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Molekülbildung, elektris<strong>ch</strong>e,<br />

oder operative Mittel verstanden. Die Einwirkungen des<br />

Arztes vollziehen si<strong>ch</strong> hier aktiv, während der Patient ersu<strong>ch</strong>t wird<br />

eine passive Rolle einzunehmen, indem er si<strong>ch</strong> den diagnostis<strong>ch</strong>en<br />

Verläufen unterordnet und si<strong>ch</strong> in die vorgenommene Behandlungs-<br />

108 OFFENE TORE 2/07


weise fügt. Auf diese Weise ist es dem Arzt mögli<strong>ch</strong> immer eine wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Begründung der Krankheitsursa<strong>ch</strong>e zu geben. Ferner<br />

ist es ihm immer mögli<strong>ch</strong> anzunehmen, dass si<strong>ch</strong> die heilende Wirkung<br />

dur<strong>ch</strong> die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e Behandlungsmethode eingestellt<br />

habe. Die operative Anästhesie, die keimfreie Umgebung im Krankenhaus,<br />

die Theorie, dass si<strong>ch</strong> Krankheiten dur<strong>ch</strong> Keime verbreiten<br />

würden und die »magic-bullet« (Zauberkugel) Theorie, sie alle sind<br />

das Produkt wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Denkens und bestimmen den Rahmen<br />

der physis<strong>ch</strong>en Heilung.<br />

Die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Heilung<br />

Unter einer psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Heilung verstehen wir alles, was die<br />

Genesung von Bes<strong>ch</strong>werden angeht, die dur<strong>ch</strong> Ängste und Konflikte<br />

hervorgerufen werden. Sie ist die Behandlung von Ideen mittels<br />

Ideen. Ein Beispiel hierfür ist eine psy<strong>ch</strong>otherapeutis<strong>ch</strong>e Behandlung,<br />

wel<strong>ch</strong>e die Ursa<strong>ch</strong>en einer emotionalen Unruhe klären soll, die<br />

über einen langen Zeitraum hinweg das <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t im<br />

Körper verändern können. Es ist mögli<strong>ch</strong>, dass diese Ängste ausrei<strong>ch</strong>en,<br />

um Ges<strong>ch</strong>würe, Blutho<strong>ch</strong>druck oder no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>limmere Erkrankungen<br />

hervorzurufen. Die Angst ist ein psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>er Zustand,<br />

der großes Leid mit si<strong>ch</strong> bringen kann. Angst kann zu starken Hassgefühlen<br />

führen, besonders wenn sie über einen langen Zeitraum<br />

hin anhält. Psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Traumata gehen oft mit großen körperli<strong>ch</strong>en<br />

Verletzungen einher; do<strong>ch</strong> bleiben die Na<strong>ch</strong>wirkungen wie<br />

Depression, Kummer, Verlust des Selbstwertgefühls oder si<strong>ch</strong> wiederholende<br />

Ängste häufig unbehandelt.<br />

Die wi<strong>ch</strong>tigste Quelle des psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Leids ist der innerseelis<strong>ch</strong>e<br />

Konflikt. Dieser ereignet si<strong>ch</strong> dann, wenn ein langanhaltender<br />

Widerspru<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en zwei Ideen auftau<strong>ch</strong>t, die denselben Bewusstseinszustand<br />

betreffen. Es kann si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> um einen Konflikt zwis<strong>ch</strong>en<br />

Verstand und Gefühl handeln oder zwis<strong>ch</strong>en Geist und Körper.<br />

Beides kann den glei<strong>ch</strong>en Persönli<strong>ch</strong>keitsberei<strong>ch</strong> betreffen. Innerseelis<strong>ch</strong>e<br />

Konflikte können au<strong>ch</strong> entstehen, wenn es zu einer Lebens-<br />

OFFENE TORE 2/07 109


krise kommt. Dies kann dur<strong>ch</strong> den bevorstehenden Tod eines geliebten<br />

Mens<strong>ch</strong>en passieren. Es ges<strong>ch</strong>ieht des öfteren au<strong>ch</strong> dort, wo ein<br />

si<strong>ch</strong> sorgender Mens<strong>ch</strong> dazu aufgerufen wird, si<strong>ch</strong> im Zustand der<br />

Abnormalität normal zu verhalten. Hier können gefühls- und verstandesmäßige<br />

Ängste die Folge sein. Wenn si<strong>ch</strong> diese Ängste hinfort<br />

festsetzen, zeigen sie si<strong>ch</strong> als körperli<strong>ch</strong>e Symptome.<br />

Im Berei<strong>ch</strong> der Psy<strong>ch</strong>ologie und Psy<strong>ch</strong>iatrie wird die Umwandlung<br />

psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er Ideen in körperli<strong>ch</strong>e Symptome mit der These der<br />

Psy<strong>ch</strong>ogenese begründet. Psy<strong>ch</strong>ogenese meint: Im Ursprung psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er<br />

Natur. Diese Theorie verweist darauf, wie si<strong>ch</strong> unsere Wahrnehmungen<br />

unter Stress, Trauma und Leid ändern, besonders wie<br />

si<strong>ch</strong> unsere Wahrnehmungen na<strong>ch</strong> einem langen Zeitraum in körperli<strong>ch</strong>e<br />

Symptome einer allgemeinen Erkrankung oder den Wiederholungszwang<br />

des Neurotikers verwandeln können.<br />

Vor hundert Jahren wurde die psy<strong>ch</strong>ogenetis<strong>ch</strong>e Hypothese<br />

dadur<strong>ch</strong> erklärt, dass si<strong>ch</strong> Teile unserer Persönli<strong>ch</strong>keit vom Wa<strong>ch</strong>zustand<br />

gelöst hätten. Die Erfahrungen, die wir ni<strong>ch</strong>t auf gewöhnli<strong>ch</strong>e<br />

Weise in unsere Weltsi<strong>ch</strong>t einbauen könnten, hätten si<strong>ch</strong> von<br />

dem größeren Bild, das wir von unserer Wirkli<strong>ch</strong>keit entwürfen, getrennt<br />

und glitten nun ins Unterbewusste hinab, wo sie dann gemäß<br />

ihren eigenen Gesetzen wirkten. Ein sexuelles Trauma, zum Beispiel,<br />

konnte si<strong>ch</strong> an irgend einer Gegend des Unbewussten zeigen<br />

und in dieser Lage dem Wa<strong>ch</strong>bewusstsein einen Teil seiner Energie<br />

nehmen. Währenddessen könnte die verloren geglaubte Erinnerung<br />

beständig weiter ähnli<strong>ch</strong>e Erfahrungen, wennglei<strong>ch</strong> von geringerer<br />

Intensität, ans Unbewusste weiterleiten, so dass si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong><br />

eine Fülle an Erfahrungen um diese Grunderfahrung sammeln<br />

würde. Die Summe all dessen wurde als unbewusster Komplex<br />

bezei<strong>ch</strong>net.<br />

Es wurde angenommen, dass si<strong>ch</strong> die Komplexe dem Wa<strong>ch</strong>bewusstsein<br />

auf viele vers<strong>ch</strong>iedene Weisen zeigen würden. Sie könnten<br />

in Form eines kleinen Symptoms auftau<strong>ch</strong>en, wie in z.B. Gestalt<br />

eines unkontrollierten Gesi<strong>ch</strong>tszugs kurz vor einer wi<strong>ch</strong>tigen Ents<strong>ch</strong>eidung<br />

oder in Form einer Kehlkopfentzündung, wenn eine wi<strong>ch</strong>-<br />

110 OFFENE TORE 2/07


tige Rede bevorstehe; oder sie könnten si<strong>ch</strong> auf längere Zeit zeigen,<br />

was in Fällen der multiplen Persönli<strong>ch</strong>keit der Fall wäre. Hier bri<strong>ch</strong>t<br />

ein Komplex explosionsartig aus und erfasst das gesamte Bewusstsein.<br />

Er zeigt si<strong>ch</strong> dann in si<strong>ch</strong> völlig s<strong>ch</strong>lüssig und als eigenständige<br />

Ausprägung der Identität.<br />

Es wurde angenommen, dass die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Symptome<br />

der Neurose ihren Ursprung in Ideen hätten. Diese Gedanken über<br />

die Hauptsymptome der Neurose entstanden in Unkenntnis ihres<br />

biologis<strong>ch</strong>en Ursprungs. Über die letzten 100 Jahre hinweg wurde<br />

die Hypothese von der Psy<strong>ch</strong>ogenese ebenso au<strong>ch</strong> bei körperli<strong>ch</strong>en<br />

Erkrankungen angewandt. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts<br />

wurden Magenges<strong>ch</strong>würe, Blutho<strong>ch</strong>druck und Rückgratverspannungen<br />

in der Hauptsa<strong>ch</strong>e als psy<strong>ch</strong>osomatis<strong>ch</strong>e Krankheiten betra<strong>ch</strong>tet.<br />

Inzwis<strong>ch</strong>en hat si<strong>ch</strong> der Fokus, na<strong>ch</strong> psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Einflüssen<br />

bei körperli<strong>ch</strong>en Erkrankungen su<strong>ch</strong>en zu wollen, verlagert.<br />

Diese Einflüsse werden heutzutage besonders bei Herzanfällen und<br />

Krebserkrankungen vermutet.<br />

Erst kürzli<strong>ch</strong> konnte i<strong>ch</strong> eine Darlegung dieser psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en<br />

Wirkungen bei einer Konferenz über Verhaltenstherapie am Bostoner<br />

Universitätskrankenhaus miterleben. Die Darstellung ges<strong>ch</strong>ah<br />

anhand von Fallbeispielen. In einem dieser Fälle wurde von einer<br />

Krankens<strong>ch</strong>wester um die 25 Jahre erzählt, die an Herpes simplex<br />

litt. Der Herpesvirus ist nur sehr s<strong>ch</strong>wer auszumerzen, da si<strong>ch</strong> seine<br />

Symptome besonders unter Stresssituationen ausbreiten. Die Frau<br />

fuhr jeden Morgen Hunderte von Kilometern, nur um ihre Mutter<br />

zu besu<strong>ch</strong>en, mit der sie obendrein no<strong>ch</strong> eine Fülle ungelöster zwis<strong>ch</strong>enmens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er<br />

Probleme hatte. Ihre Haut war glatt und rein,<br />

als sie die Klinik verließ. In den eineinhalb Stunden aber, die sie<br />

brau<strong>ch</strong>te um zu ihrer Mutter na<strong>ch</strong> Haus zu fahren, feierten die Herpeswunden<br />

auf ihrer Haut fröhli<strong>ch</strong>e Urständ. Das ganze Wo<strong>ch</strong>enende<br />

litt sie unter diesem uns<strong>ch</strong>önen und peinli<strong>ch</strong>en Zustand. Mit<br />

einem nun völlig verunstalteten Gesi<strong>ch</strong>t setzte sie si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> dem Wo<strong>ch</strong>enende<br />

in ihren Wagen und fuhr zu ihrem Wohnort zurück. Kurz<br />

na<strong>ch</strong>dem sie losgefahren war, besserte si<strong>ch</strong> der Herpesauss<strong>ch</strong>lag,<br />

OFFENE TORE 2/07 111


und sie traf in ihrer Wohnung mit glattem und reinem Gesi<strong>ch</strong>t ein.<br />

Erst als die Frau aufhörte, ihre Mutter monatli<strong>ch</strong> zu besu<strong>ch</strong>en, vers<strong>ch</strong>wand<br />

au<strong>ch</strong> ihr Herpesauss<strong>ch</strong>lag.<br />

Die spirituelle Heilung<br />

Obs<strong>ch</strong>on wir annehmen, dass die körperli<strong>ch</strong>e Heilung des Einsatzes<br />

praktis<strong>ch</strong>er Methoden bedarf, obs<strong>ch</strong>on wir weiter davon ausgehen,<br />

dass die psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e Heilung ein klares Bewusstsein erfordere,<br />

um psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en Problemen beizukommen, die si<strong>ch</strong> aufgrund<br />

psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>er Ursa<strong>ch</strong>en ergeben hätten, ers<strong>ch</strong>eint uns die spirituelle<br />

Heilung demgegenüber do<strong>ch</strong> als etwas gänzli<strong>ch</strong> anderes. Sowohl<br />

ihrer Geisteshaltung als au<strong>ch</strong> ihrem Erfahrungsberei<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong><br />

wirkt sie auf uns wie das glatte Gegenteil der praktis<strong>ch</strong>en und psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>en<br />

Heilkunst. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> sind die Annahmen bezügli<strong>ch</strong><br />

des Wirkli<strong>ch</strong>keitsverständnisses so gänzli<strong>ch</strong> vers<strong>ch</strong>ieden, dass derjenige,<br />

der eine spirituelle Heilung praktiziert, auf den ersten Blick<br />

rein gar ni<strong>ch</strong>ts mit den anderen beiden Heilungsarten gemein zu<br />

haben s<strong>ch</strong>eint. Dies kommt daher, dass die praktis<strong>ch</strong>e und psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />

Heilkunst auf der Annahme beruhen, dass das Leid das Ergebnis<br />

natürli<strong>ch</strong>er Ursa<strong>ch</strong>en oder traumatis<strong>ch</strong>er Erfahrungen ist. Sie<br />

geht davon aus, dass sobald nur alle Ursa<strong>ch</strong>en über die Entstehung<br />

bekannt wären, eine angemessene Behandlungsmethode entwickelt<br />

werden könne, die zur Linderung dieser Ursa<strong>ch</strong>en beitrüge.<br />

Der philosophis<strong>ch</strong>e Streit zwis<strong>ch</strong>en praktis<strong>ch</strong>en Ärzten und<br />

Psy<strong>ch</strong>ologen ist der Grund, warum es heute mögli<strong>ch</strong> geworden ist<br />

glaubhaft zu versi<strong>ch</strong>ern, dass Ideen und Gefühle praktis<strong>ch</strong>e Konesequenzen<br />

na<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong> ziehen können. Ein Materialist mag viellei<strong>ch</strong>t<br />

annehmen, dass ein vager Ausdruck wie »Verstand« in Wirkli<strong>ch</strong>keit<br />

für ni<strong>ch</strong>ts anderes als für die Reaktion einer Chemikalie mit einer<br />

anderen stehe. Wenn das Bewusstsein greifbar sein soll, so müsse<br />

es, diesem Denken gemäß, zwangsläufig von den biologis<strong>ch</strong>en Funktionen<br />

des körperli<strong>ch</strong>en Organismus abhängen. Im besten Fall ist,<br />

aufgrund dieser Si<strong>ch</strong>tweise, das Bewusstsein letztli<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts ande-<br />

112 OFFENE TORE 2/07


es als ein Nebenprodukt der Physiologie. Auf der anderen Seite<br />

behauptet der Idealist, dass die ursä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Wirkung auf die Kraft<br />

des Bewusstseins zurückzuführen sei. Er urteilt anhand der Mittel<br />

des Bewusstseins in Form von Ents<strong>ch</strong>eidungen, Impulsen, Gefühlen<br />

und Handlungen, die auf den Berei<strong>ch</strong> des Körpers Einfluss nehmen<br />

könnten. In beiden Fällen aber wird das Leiden aufgrund der Beherrs<strong>ch</strong>ung<br />

der materiellen oder seelis<strong>ch</strong>en Umstände ents<strong>ch</strong>ieden. Das<br />

Leiden, so wird angenommen, beruhe auf einer verständli<strong>ch</strong>en Ursa<strong>ch</strong>e<br />

oder wenigstens einem verständli<strong>ch</strong>en Wirken.<br />

Bei der spirituellen Heilung hingegen ist die Quelle allen Verständnisses<br />

unbekannt, unergründli<strong>ch</strong> und unvorstellbar. Wir sind<br />

unfähig, dasjenige, was uns übersteigt zu beherrs<strong>ch</strong>en, außer wir<br />

nehmen an, dass es in unserem Innersten ist. Körperli<strong>ch</strong>e und psy<strong>ch</strong>ologis<strong>ch</strong>e<br />

Heilung beruhen auf der Annahme, dass die natürli<strong>ch</strong>e<br />

Welt allem übergeordnet ist und, dass es si<strong>ch</strong> beim Mens<strong>ch</strong>en um<br />

ein Objekt der Natur handelt, das studiert werden könne. Auf der<br />

anderen Seite werden die spirituellen Konzepte so betra<strong>ch</strong>tet, als<br />

seien sie bloß Einbildungen unseres Geistes, die wir als reine Gedankenspiele<br />

entwickelt hätten. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> geht die spirituelle<br />

Heilung vom genauen Gegenteil aus. Demna<strong>ch</strong> ist die Ers<strong>ch</strong>einung<br />

der natürli<strong>ch</strong>en Welt ni<strong>ch</strong>t vom Geist abgelöst, sondern die Ers<strong>ch</strong>einungen<br />

der natürli<strong>ch</strong>en Welt sind reiner Geist, der si<strong>ch</strong> in natürli<strong>ch</strong>e<br />

Formen kleidet.<br />

Bei der spirituellen Heilung ist das Geistige die erste und einzige<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit; das natürli<strong>ch</strong>e Rei<strong>ch</strong> ist eine Illusion oder bestenfalls<br />

ein inkonsequenter Denks<strong>ch</strong>ritt. Eine Heilung findet dieser<br />

Auffassung gemäß erst dann statt, wenn wir uns völlig in das<br />

unges<strong>ch</strong>affene Meer der ganzen Gottheit zu werfen beginnen. Dies<br />

ges<strong>ch</strong>ehe wenn wir uns unserer Illusionen entledigten und in den<br />

unserer Erfahrung mögli<strong>ch</strong>en weiteren Berei<strong>ch</strong> des Hö<strong>ch</strong>sten und<br />

Besten kämen. Die Natur dieses spirituellen Berei<strong>ch</strong>s sei makellos,<br />

ekstatis<strong>ch</strong>, rein, allliebend und erleu<strong>ch</strong>tend. Wenn wir in die Gegenwart<br />

des göttli<strong>ch</strong> Hö<strong>ch</strong>sten kämen, würden wir geheilt. Setzten wir<br />

uns diesem Li<strong>ch</strong>t aus, das in allem und in jedem sei, so falle alle geis-<br />

OFFENE TORE 2/07 113


tige und körperli<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>e fort. Dies ges<strong>ch</strong>ehe, wenn wir begreifen<br />

würden, wer wir in Wahrheit seien und was die wesentli<strong>ch</strong>e und<br />

wahre Natur der Wirkli<strong>ch</strong>keit sei – Liebe, Segen, Li<strong>ch</strong>t und Himmel.<br />

Wir sollten versu<strong>ch</strong>en diesen Zustand zu unserem eigenen zu<br />

ma<strong>ch</strong>en. Wir brau<strong>ch</strong>ten irgendeinen Leiter oder Verbündeten, der<br />

uns den Weg zeige und uns solange unsere Ängste nehme, bis uns<br />

endli<strong>ch</strong>, vor der inneren Vision die S<strong>ch</strong>uppen von den Augen fielen.<br />

Heilung in diesem Sinne bedeutet, Geistiges zulassen zu können.<br />

Heilung meint hier einem kranken Mens<strong>ch</strong>en den Weg zu weisen<br />

und seine fals<strong>ch</strong>en Vorstellungen über die Natur der letzten Dinge<br />

zu wandeln. Von diesem Standpunkt aus betra<strong>ch</strong>tet ist es uns mögli<strong>ch</strong><br />

zu erkennen, wie beliebig die Heilungserfolge eines klassis<strong>ch</strong>en<br />

praktis<strong>ch</strong>en Arztes sind. Der praktis<strong>ch</strong>e Arzt sagt: »Meine Behandlung<br />

hat zur Genesung des Patienten geführt.« Was der Arzt aber<br />

tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> tat war, den kranken Mens<strong>ch</strong>en Hoffnung zu geben. Der<br />

Arzt half dem Kranken dur<strong>ch</strong> seine Empathie si<strong>ch</strong> vom Leiden zu<br />

befreien. Die Erfahrung der Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>keit bedeutet immer den Weg<br />

zum inneren Li<strong>ch</strong>t. Die Heilung des Patienten vollzieht si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong><br />

ein Mysterium, die Manipulationen des Arztes haben damit herzli<strong>ch</strong><br />

wenig zu tun. Es ist die Erfahrung der unio mystica, die es<br />

dem Kranken erlaubt die Grenzen der natürli<strong>ch</strong>en Welt zu übers<strong>ch</strong>reiten<br />

und si<strong>ch</strong> den Zugang zu höheren spirituellen Berei<strong>ch</strong>en<br />

zu eröffnen.<br />

Jede Form der Heilung ist spirituell<br />

Wenn wir hier eine Weile innehalten, wird uns mittels des phänomenologis<strong>ch</strong>en<br />

Standpunkts einer Psy<strong>ch</strong>ologie der inneren Erfahrung<br />

bewusst, dass alle Formen der Heilung ihrem Wesen na<strong>ch</strong> spirituell<br />

sind. Jede einfa<strong>ch</strong>e Art der Heilung, ob wir über Gruppenhilfe und<br />

Jodine, Psy<strong>ch</strong>otherapie oder die heilenden Quellen von Lourdes spre<strong>ch</strong>en,<br />

muss Teil eines größeren Geheimnisses von Wirkli<strong>ch</strong>keit sein.<br />

Dies gilt au<strong>ch</strong> für jede andere Form von Heilung. Es ist notwendig<br />

die inneren Pforten der Wahrnehmung zu öffnen, um zu bemerken,<br />

114 OFFENE TORE 2/07


dass das Geistige alle Aspekte des materiellen Lebens beeinflusst.<br />

Wie i<strong>ch</strong> Swedenborgs Psy<strong>ch</strong>ologie in den »Himmlis<strong>ch</strong>en Geheimnissen«<br />

interpretiere, wie sie si<strong>ch</strong> in Zwis<strong>ch</strong>enkapiteln bei ihm findet,<br />

gibt es die völlige Trennung zwis<strong>ch</strong>en Natürli<strong>ch</strong>em und Geistigem<br />

nur im Zustand mangelnder Erleu<strong>ch</strong>tung. Die Umwelt im normalen<br />

Wa<strong>ch</strong>zustand vermittelt uns den Eindruck, dass es keinen höheren<br />

Zustand als die klare Vernunft gebe. Demna<strong>ch</strong> könne es für alles<br />

nur natürli<strong>ch</strong>e Lösungen geben. Wenn aber die Pforten der inneren<br />

Wahrnehmung geöffnet seien, ers<strong>ch</strong>eine uns jedes natürli<strong>ch</strong>e Ges<strong>ch</strong>ehen<br />

als Darstellung eines bestimmten Aspekts des Inneren. Die<br />

Natur wirkt ni<strong>ch</strong>t länger als vom Göttli<strong>ch</strong>en losgelöst. Nun ist es uns<br />

mögli<strong>ch</strong> zu erkennen, dass wir vom Göttli<strong>ch</strong>en umflossen sind und<br />

dass der Rest der Gesells<strong>ch</strong>aft nur zu verstockt ist, diese Tatsa<strong>ch</strong>e zu<br />

akzeptieren. Wir erleben jeden Moment als einen weiteren spirituellen<br />

Raum. Dies jedo<strong>ch</strong> erkennen nur diejenigen, die selber Bewohner<br />

dieser geistigen Welt sind, die anderen bewegen si<strong>ch</strong> allein in der<br />

»natürli<strong>ch</strong>en Welt«. Während wir, gemäß unseren Wahrnehmungen,<br />

um all das wissen, gehen wir weiter unserer Arbeit im weltli<strong>ch</strong>en<br />

Treiben na<strong>ch</strong>. Do<strong>ch</strong> sind wir uns beständig bewusst, dass wir ni<strong>ch</strong>ts<br />

Geringeres als Engel sind. Au<strong>ch</strong> wissen wir, dass jeder Mens<strong>ch</strong> um<br />

uns herum in Wirkli<strong>ch</strong>keit ein Funke des göttli<strong>ch</strong>en Li<strong>ch</strong>ts ist.<br />

¨<br />

OFFENE TORE 2/07 115


Das Lexikon der Spiritualität<br />

von Gerhard Wehr<br />

Vorbemerkung der S<strong>ch</strong>riftleitung: 2006 ist im Anaconda<br />

Verlag »Das Lexikon der Spiritualität« von Gerhard Wehr<br />

ers<strong>ch</strong>ienen. Der bekannte und auf vielen Gebieten kundige<br />

Autor legt hier ein handli<strong>ch</strong>es Lexikon vor, das unter jedem<br />

Sti<strong>ch</strong>wort die Summe seiner jahrzehntelangen Fors<strong>ch</strong>ungen<br />

erkennen lässt. Erfreuli<strong>ch</strong>erweise hat Gerhard Wehr au<strong>ch</strong><br />

jenen Mann ni<strong>ch</strong>t vergessen, der im 18. Jahrhundert ein<br />

wi<strong>ch</strong>tiger Knotenpunkt esoteris<strong>ch</strong>er Traditionen war und<br />

bis heute ein wi<strong>ch</strong>tiger Impulsgeber geblieben ist. Die Rede<br />

ist von Emanuel Swedenborg. Na<strong>ch</strong>stehend drucken wir<br />

den Artikel über ihn ab.<br />

Swedenborg, Emanuel (Stockholm 1688 – London 1772). Der<br />

»nordis<strong>ch</strong>e Geisterseher«, Sohn eines Bis<strong>ch</strong>ofs der lutheris<strong>ch</strong>en<br />

Staatskir<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>wedens, begann mit den Nieders<strong>ch</strong>riften der ihm<br />

eröffneten Geistess<strong>ch</strong>au, na<strong>ch</strong>dem er si<strong>ch</strong> als Naturwissens<strong>ch</strong>aftler<br />

bereits einen Namen gema<strong>ch</strong>t hatte, also über ein ni<strong>ch</strong>t geringes<br />

Maß an Selbstkritik verfügte. Dies belegt au<strong>ch</strong> die Tatsa<strong>ch</strong>e, daß er<br />

gea<strong>ch</strong>tetes Mitglied internationaler wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>er Institutionen<br />

war. Die ents<strong>ch</strong>eidende Vision, die für ihn zu einem Berufungserlebnis<br />

seiner Sehers<strong>ch</strong>aft wurde, empfing der Siebenundfünfzigjährige<br />

1745 in London. Das Erlebnis s<strong>ch</strong>ließt einen von ihm selbst beri<strong>ch</strong>teten<br />

Werdeprozeß ab, eingeleitet dur<strong>ch</strong> eine Art Reinigung, wie sie<br />

aus der Mystik in verglei<strong>ch</strong>barer Weise bekannt ist. Die Begebenheit<br />

empfand er so eins<strong>ch</strong>neidend, daß er sein bisheriges Tun als Gelehrter<br />

spontan abbra<strong>ch</strong>, um für den Rest seines Lebens für die Einspra<strong>ch</strong>en<br />

und visionären Wahrnehmungen uneinges<strong>ch</strong>ränkt offen<br />

sein zu können. Von da an war seine Aufmerksamkeit auf die geistige<br />

Welt geri<strong>ch</strong>tet. Er gewann Dur<strong>ch</strong>blicke dur<strong>ch</strong> den Kosmos, ni<strong>ch</strong>t<br />

am wenigsten dur<strong>ch</strong> die biblis<strong>ch</strong>en Beri<strong>ch</strong>te. Ähnli<strong>ch</strong> wie na<strong>ch</strong> ihm<br />

Jakob Lorber, und denno<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> von ihm unters<strong>ch</strong>ieden, leistete<br />

116 OFFENE TORE 2/07


Swedenborg einen eigenständigen Beitrag zur Neuoffenbarung, so<br />

groß die Klärungsbedürftigkeit seiner Aussagen von Fall zu Fall ist.<br />

Wenn in seinen Texten von einer »neuen Kir<strong>ch</strong>e« gespro<strong>ch</strong>en<br />

wird und na<strong>ch</strong> seinem Tod eine bis heute existierende »Neue Kir<strong>ch</strong>e«<br />

als international agierende (kleine) kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gemeins<strong>ch</strong>aft<br />

entstand, so hatte Swedenborg eine Bekenntnisbildung analog zu<br />

den Kir<strong>ch</strong>en offenbar gar ni<strong>ch</strong>t im Sinn, sondern eher ein spirituelles<br />

Erwa<strong>ch</strong>en der Christenheit, ein neues religiöses Bewußtsein<br />

und damit die Grundlegung für ein neues, spirituelles Zeitalter. In<br />

diesem Sinn lassen si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> seine zahlrei<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>riften lesen, die<br />

in vielen Editionen und Übersetzungen (aus dem Lateinis<strong>ch</strong>en, das<br />

Swedenborg s<strong>ch</strong>rieb) greifbar sind.<br />

Im deuts<strong>ch</strong>en Spra<strong>ch</strong>raum war es Friedri<strong>ch</strong> Christoph Oetinger,<br />

der trotz heftiger Widerstände seiner württembergis<strong>ch</strong>en Kir<strong>ch</strong>enleitung<br />

für Swedenborg eintrat und au<strong>ch</strong> kritis<strong>ch</strong> zu ihm Stellung<br />

bezog. Er hat ihn erstmals in Deuts<strong>ch</strong>land bekannt gema<strong>ch</strong>t. Es<br />

war der zeitgenössis<strong>ch</strong>e Philosoph Imanuel Kant, der mit seinen<br />

Rückfragen ebenso wenig zurückhielt, der ihm aber das Zeugnis<br />

ausstellte: »Swedenborg ist ein vernünftiger, gefälliger und offenherziger<br />

Mann.« Und Görres merkt an: »Swedenborg war kein phantastis<strong>ch</strong>er<br />

Mens<strong>ch</strong>, no<strong>ch</strong> weniger hat er je im Leben Zei<strong>ch</strong>en von Verrücktheit<br />

blicken lassen …« Ho<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ätzte ihn Goethe ein, indem er<br />

ihn genannt und ungenannt rühmte. Zu nennen wären in ähnli<strong>ch</strong>em<br />

Sinn die Romantiker, in England William Blake, der si<strong>ch</strong> zumindest<br />

zeitweilig zu Swedenborg bekannte.<br />

Sitz der mitteleuropäis<strong>ch</strong>en Sektion der Neuen Kir<strong>ch</strong>e ist Züri<strong>ch</strong>,<br />

wo au<strong>ch</strong> ein Zeitungsverlag für die Pflege des S<strong>ch</strong>rifttums sorgt<br />

und der die Zeits<strong>ch</strong>rift »<strong>Offene</strong> <strong>Tore</strong>« herausgibt.<br />

Werke: Religiöse Grundlagen des neuen Zeitalters. Das Neue Jerusalem und seine<br />

himmlis<strong>ch</strong>e Lehre. Züri<strong>ch</strong> 1993; 2000. – Lit.: F. Chr. Oetinger: Swedenborgs und anderer<br />

irdis<strong>ch</strong>e und himmlis<strong>ch</strong>e Philosophie (1858). Stuttgart 1977; E. Benz: Swedenborg.<br />

Nataurfors<strong>ch</strong>er und Seher. Mün<strong>ch</strong>en 1948; G. Gollwitzer: Die dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tige Welt. Ein<br />

Swedenborg-Brevier. Züri<strong>ch</strong> 1962; 2000.<br />

OFFENE TORE 2/07 117


Die »Himmlis<strong>ch</strong>en Geheimnisse im Worte Gottes«<br />

von Emanuel Swedenborg<br />

als Bilders<strong>ch</strong>au in zehn Bänden<br />

von Saskia Keune<br />

I<strong>ch</strong> habe mir vorgenommen, das Hauptwerk Emanuel Swedenborgs<br />

für die heutige Zeit auf wesentli<strong>ch</strong>e Aussagen komprimiert und<br />

dur<strong>ch</strong> Bilder unterstützt aufzubereiten. In Wort und Bild wird so<br />

der Zusammenhang zwis<strong>ch</strong>en innerer und äußerer Welt dargestellt.<br />

Eindringli<strong>ch</strong>e, symbolträ<strong>ch</strong>tige Bilder in kraftvollen Farben sollen<br />

den Entspre<strong>ch</strong>ungssinn der biblis<strong>ch</strong>en Texte und der Swedenborgs<strong>ch</strong>en<br />

Auslegungen unterstrei<strong>ch</strong>en. Es ist vorgesehen, Swedenborgs<br />

Gesamtwerk der »Himmlis<strong>ch</strong>en Geheimnisse im Worte Gottes«, das<br />

mehrere tausend Seiten umfasst, in insgesamt zehn Bänden von jeweils<br />

ca. 80 Bild- und Textseiten zu erstellen. Die Arbeit soll 2010<br />

abges<strong>ch</strong>lossen sein.<br />

Die ersten beiden Bände liegen vor:<br />

1. Die Genesis als Bild der Wiedergeburt – die ersten se<strong>ch</strong>s<br />

S<strong>ch</strong>öpfungstage (ers<strong>ch</strong>eint vermutli<strong>ch</strong> 2007 im Bu<strong>ch</strong>handel).<br />

2. Die zweite S<strong>ch</strong>öpfungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te als Bild der Wiedergeburt<br />

(als Farbkopie für Euro 25,– erhältli<strong>ch</strong>).<br />

Bestelladresse: Peter Keune, Am Weißen Steg 1, 14165 Berlin,<br />

030-8011684, peter.keune@web.de.<br />

Was sind Entspre<strong>ch</strong>ungen und Vorbildungen in der<br />

S<strong>ch</strong>au Swedenborgs?<br />

Das Verhältnis der Entspre<strong>ch</strong>ungen besteht zwis<strong>ch</strong>en den Dingen<br />

der geistigen und denen der natürli<strong>ch</strong>en Welt. Dana<strong>ch</strong> gliedert si<strong>ch</strong><br />

die Realität in zwei vers<strong>ch</strong>iedene, miteinander korrespondierende<br />

Berei<strong>ch</strong>e: Stoff und Geist. Vorbildungen und Entspre<strong>ch</strong>ungen sind<br />

so gesehen ni<strong>ch</strong>t bloße Allegorien oder Symbole, sie stellen vielmehr<br />

eine grundlegende Gesetzmäßigkeit der S<strong>ch</strong>öpfung dar. Daher haben<br />

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sie ihren Nieders<strong>ch</strong>lag au<strong>ch</strong> in der Offenbarung des göttli<strong>ch</strong>en Wortes<br />

gefunden, ebenso wie in den Mythen, S<strong>ch</strong>riften und religiösen Bräu<strong>ch</strong>en<br />

der Völker des Altertums. Die Auslegung Swedenborgs geht<br />

somit von der Annahme aus, dass der Wortlaut der Bibel in wesentli<strong>ch</strong>en<br />

Teilen Vorbildungen (Repräsentationen) und Entspre<strong>ch</strong>ungen<br />

(Korrespondenzen) geistiger und himmlis<strong>ch</strong>er Wahrheiten enthält.<br />

Swedenborgs Berufung<br />

Swedenborg lebte von 1688 bis 1772 und war Sohn eines Bis<strong>ch</strong>ofs. Er<br />

folgte seinem Vater aber ni<strong>ch</strong>t in das kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Amt, sondern wurde<br />

zu einem herausragenden Wissens<strong>ch</strong>aftler und Universalgelehrten<br />

seiner Zeit, der s<strong>ch</strong>on in jungen Jahren – und dann au<strong>ch</strong> bis ins hohe<br />

Alter – ein ges<strong>ch</strong>ätzter Berater der s<strong>ch</strong>wedis<strong>ch</strong>en Könige war, dazu<br />

lebenslang Mitglied des Rei<strong>ch</strong>stags und ein Verantwortli<strong>ch</strong>er für das<br />

wi<strong>ch</strong>tige Bergwerksressort. Er erkannte jedo<strong>ch</strong>, dass die wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>e<br />

Methode ni<strong>ch</strong>t die ganze Realität ers<strong>ch</strong>ließt. Ein zunehmendes<br />

Interesse an der Seele des Mens<strong>ch</strong>en erfüllte ihn und er begann in<br />

dieser Ri<strong>ch</strong>tung zu fors<strong>ch</strong>en, konnte aber das geistige Prinzip im materiellen<br />

Körper ni<strong>ch</strong>t lokalisieren. 1744 erfuhr er eine Christusvision.<br />

Deren Folge bestand darin, dass er sein ganzes bisheriges Leben<br />

aufgab und seine überragenden Fähigkeiten in den Dienst der geistigen<br />

Sa<strong>ch</strong>e stellte. In dieser Zeit wurden ihm vom Herrn die geistigen<br />

Sinne aufges<strong>ch</strong>lossen, so dass er während nahezu drei Jahrzehnten<br />

bei vollem Bewusstsein in die übersinnli<strong>ch</strong>e Welt eintreten konnte. So<br />

war es ihm mögli<strong>ch</strong>, die Zusammenhänge ni<strong>ch</strong>t allein zwis<strong>ch</strong>en den<br />

beiden S<strong>ch</strong>öpfungsebenen, sondern au<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en dem inneren und<br />

äußeren Sinn der Heiligen S<strong>ch</strong>rift deutli<strong>ch</strong> wahrzunehmen und zu<br />

bes<strong>ch</strong>reiben. Dass er dabei systematis<strong>ch</strong> vorging und alle biblis<strong>ch</strong>en<br />

Vorbildungen und Entspre<strong>ch</strong>ungen letztli<strong>ch</strong> auf ein einfa<strong>ch</strong>es Koordinatensystem<br />

bezog, dessen A<strong>ch</strong>sen dur<strong>ch</strong> die Begriffspaare gutböse,<br />

wahr-fals<strong>ch</strong> gekennzei<strong>ch</strong>net sind, ermögli<strong>ch</strong>t es uns heute, die<br />

uns historis<strong>ch</strong> oft fernliegenden Texte der Bibel als Nieders<strong>ch</strong>lag unserer<br />

eigenen inneren Erfahrungen zu verstehen. In den vorliegenden<br />

Bildbänden habe i<strong>ch</strong> gerade diesen Aspekt besonders hervorgehoben.<br />

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