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diagonal 2007-3 (pdf, 1Mb) - Psychiatrie Baselland PBL

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Jubiläum Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst<br />

Happy Birthday!<br />

In den zehn Jahren ihres Bestehens hat die Psychotherapiestation für weibliche Jugendliche<br />

mit schweren Essstörungen rund 150 Patientinnen begleitet.<br />

Ein Geburtstag ist Anlass, sich über die Geburt und das<br />

Gedeihen eines Lebewesens zu freuen. In diesem Fall<br />

handelt es sich um die Psychotherapiestation für Essstörungen,<br />

deren zehnjähriges Bestehen wir im August mit<br />

Kaffee und Kuchen gefeiert haben. Ein grosser Dank geht<br />

an alle, die das Projekt mit einem Beitrag in irgendeiner<br />

Weise unterstützt haben. Denn erst durch die vielen engagierten<br />

Mitarbeiterinnen und die grosse Bereitschaft zur<br />

Zusammenarbeit vieler Personen im weiteren Umfeld ist<br />

die Psychotherapiestation lebensfähig.<br />

Anfangs August 1997 wurden die ersten beiden Bewohnerinnen<br />

mit ihren Angehörigen vom damaligen Team<br />

mit einem Apéro im Hochhaus an der Weihermattstrasse<br />

begrüsst. Dort war nämlich kurzfristig eine Vierzimmerwohnung<br />

frei geworden, die die Kantonale Psychiatrische<br />

Klinik nicht mehr benötigte. Dr. Emanuel Isler, Chefarzt<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst, ergriff die<br />

Chance, eine Projektidee umzusetzen. Zu jener Zeit nahm<br />

die Anzahl der Anmeldungen von Patientinnen mit bulimischer<br />

Erkrankung zu, so dass ein adäquates stationäres<br />

Behandlungssetting nötig wurde. Praktisch von einem<br />

Monat zum nächsten konzipierten wir eine milieutherapeutische<br />

Wohngemeinschaft für Jugendliche mit Bulimie.<br />

Dieser ursprünglichen Idee sind wir treu geblieben,<br />

denn sie zeigte sich entwicklungsfähig und hat sich, wie<br />

die Erfahrung zeigt, bewährt.<br />

Inzwischen haben wir rund 150 weibliche Jugendliche mit<br />

Essstörungen in der Psychotherapiestation begleitet. Deren<br />

Krankheitsverläufe wurden seit Beginn in einer wissenschaftlichen<br />

Begleitstudie permanent erfasst.<br />

Die Arbeit war bisweilen anstrengend, jedoch keinen Moment<br />

langweilig. Jede Jugendliche, die zu uns kommt,<br />

bringt ihre einzigartige Persönlichkeitsstruktur, ihre individuelle<br />

Geschichte und ihre ganz eigene Ausprägung<br />

der Essstörungssymptomatik mit. Wir sind immer wieder<br />

von Neuem gefordert, jeder einzelnen Patientin gerecht zu<br />

werden. Die Erfahrungen mit den Jugendlichen im milieutherapeutischen<br />

Alltag haben das Konzept mitgeprägt, und<br />

manchmal ist Neues daraus entstanden. So ist die jährlich<br />

stattfindende Selbsterfahrungswoche am Thunersee einer<br />

italienischen Seconda zu verdanken. Diese weilte einen<br />

Sommer lang bei uns und vermisste das Meer schrecklich.<br />

Ihrem Wunsch, die WG (so wird die Psychotherapiestation<br />

von den Jugendlichen genannt) ans Meer zu verlegen,<br />

konnten wir nicht entsprechen. Als Alternative ziehen wir<br />

aber seither jeweils im Juli nach Gwatt bei Thun.<br />

Das aktuelle Psychologinnen-Team der Psychotherapiestation für Essstörungen v.l.n.r.:<br />

Nora Müller, PG-Psychologin; Erika von Arx Cuny, Leiterin; Rachel Schmid-Haldimann,<br />

Psychologin; Christine Baumgartner, stellvertretende Leiterin; Simone Dietschi, PG-Psychologin;<br />

Annina Bally, PG-Psychologin; Simone Glauser, PG-Psychologin.<br />

Das ambulante Nachbetreuungsangebot hat sich ebenfalls<br />

mit den Jahren entwickelt und wird in Zusammenarbeit<br />

mit den Jugendlichen geplant. Die Erfahrung, dass<br />

den volljährig gewordenen jungen Frauen der Schritt ins<br />

selbstständige Wohnen zu gross erscheint, hat dazu geführt,<br />

dass wir seit zwei Jahren im Anschluss an die stationäre<br />

Therapie eine ambulante Wohnbegleitung anbieten.<br />

Die jungen Frauen mieten sich dazu im oberen Stockwerk<br />

ein Zimmer.<br />

Eine komplett neue Beobachtung im vergangenen Jahr<br />

war, dass mehrere Jugendliche im Vorfeld der stationären<br />

Therapie ihre Bulimie zusammen mit ihren Kolleginnen<br />

ausgelebt hatten, die Essstörung somit als etwas Gemeinsames,<br />

Verbindendes in der Beziehung erlebt hatten. Dies<br />

steht im Gegensatz zu den bisherigen Erfahrungen, dass<br />

Bulimikerinnen ihre Essstörung jahrelang verbergen und<br />

sich dadurch sozial extrem isolieren.<br />

So wünsche ich, dass wir auf unserer Psychotherapiestation<br />

weiterhin lebendige, konstruktiv-kreative Prozesse<br />

erleben und den langen Atem, den es dazu benötigt, aufbringen<br />

können. ■<br />

Das Angebot des Kinder- und Jugendpsychiatrischen<br />

Dienstes (KJPD) für weibliche<br />

Jugendliche mit Bulimie oder Anorexie<br />

Unser Angebot richtet sich in der Regel an weibliche Jugendliche<br />

zwischen 15 und 20 Jahren, die an Bulimie<br />

(Ess-Brechsucht) leiden und bei denen eine ambulante<br />

Psychotherapie keine deutliche Verbesserung der Krankheitssymptomatik<br />

bewirkt hat. Das Angebot eines zweiwöchigen<br />

Aufenthalts mit dem Ziel, aus dem Teufelskreis der<br />

Essanfälle mit anschliessendem Erbrechen auszusteigen, ist<br />

für die meisten Jugendlichen eine Möglichkeit, sich mit sich<br />

selbst und ihren Schwierigkeiten auseinander zu setzen.<br />

Gleichzeitig lernen sie das Therapiekonzept und vor allem<br />

die Mitpatientinnen kennen und können sich mit den Psychologinnen<br />

des Teams vertraut machen. Die Motivation<br />

der Jugendlichen, sich mit ihrer Erkrankung/Gesundung<br />

auseinanderzusetzen und an der Lösung ihrer Problematik<br />

konstruktiv mitzuarbeiten, ist Voraussetzung und wichtigster<br />

Faktor für den Therapieerfolg. Oft entscheiden sich die<br />

Betroffenen erst im Anschluss an den Kurzaufenthalt, die<br />

stationäre Therapie zu verlängern. In diesem Fall bieten wir<br />

einen Aufenthalt von mindestens drei Monaten* an, um<br />

das Essverhalten grundlegend zu verändern.<br />

Für Jugendliche mit Anorexie (Magersucht), die aufgrund<br />

ihrer Gewichtabnahme hospitalisiert (z.B. im UKBB) werden<br />

mussten, bieten wir im Anschluss an den Spitalaufenthalt<br />

einen Aufenthalt auf der Psychotherapiestation von<br />

mindestens drei Monaten* an, zur Gewichtsstabilisierung<br />

und zur Normalisierung des Essverhaltens.<br />

Unsere Patientinnen werden durch eine Ärztin des KJPD<br />

medizinisch betreut.<br />

*Aufteilung des mehrmonatigen Aufenthaltes in Phasen<br />

Probephase<br />

2 Wochen. Bei Bulimikerinnen: Brechentzugsphase<br />

Phase 1<br />

4 Wochen. Bei erfolgreicher Stabilisierung der Essstörungssymptomatik<br />

erfolgt eine Wiederaufnahme der eigenen externen<br />

Tagesstruktur zu 50 Prozent, z.B. Besuch der Schule<br />

oder Lehre. An Sonntagen ist die Rückkehr nach Hause<br />

tagsüber möglich.<br />

Phase 2<br />

Ab 4 Wochen. Es erfolgt eine sukzessive Übernahme der Eigenverantwortung<br />

in den Bereichen Geld, Ausgang usw.<br />

Aufbau der externen Tagesstruktur bis zu 100 Prozent. Rückkehr<br />

nach Hause von Samstagnachmittag bis Sonntagabend<br />

möglich.<br />

Phase 3<br />

2 Wochen vor Austritt. Altersadäquate eigenverantwortliche<br />

Einteilung des Wochenplanes. Als Übergang für die Zeit<br />

nach dem Austritt.<br />

Ambulante Nachbetreuung<br />

Wird individuell zusammengestellt. Es ist z.B. möglich,<br />

– als Tagespatientin weiterhin die Strukturen der Station in<br />

Anspruch zu nehmen<br />

– gemeinsame Mahlzeiten einzunehmen<br />

– das Gewichtskonzept überwachen zu lassen<br />

– mittels Psychotherapie und Standortgesprächen mit der<br />

Familie oder alleine weiter an sich zu arbeiten<br />

– als volljährige junge Frau mit Tagesstruktur besteht die<br />

Möglichkeit für ambulante Wohnbegleitung (Phase 4).<br />

Ein Team aus Psychologinnen begleitet und unterstützt die<br />

Jugendlichen bei den Anforderungen des Alltags, der Schule<br />

oder Lehre sowie in der Freizeitgestaltung. Im Rahmen<br />

der Station schwächt sich in der Regel die Essstörungssymptomatik<br />

nach den ersten Wochen ab. Hinter der Störung<br />

stehende Konflikte und Adoleszenzthemen kommen zum<br />

Vorschein und werden in die Therapie miteinbezogen.<br />

Personen, die mit Menschen mit Essstörungen zu tun haben,<br />

wissen, dass es viele Rückfallschlaufen gibt, bis sich<br />

eine klare Entwicklung in Richtung normales Essverhalten<br />

abzeichnet. So sind viele der Patientinnen mehrmals bei<br />

uns eingetreten. Sie holten sich immer wieder ein Stück<br />

therapeutischer Unterstützung für ihren Weg. Wir beobachten,<br />

dass diese Patientinnen jedes Mal motivierter,<br />

selbstverantwortlicher und reifer eintreten als beim vorangegangenen<br />

Aufenthalt.<br />

Erika von Arx Cuny, dipl. Psychologin FH<br />

In der Wohngruppe: Kurz vor dem Mittagessen<br />

Leiterin der Psychotherapiestation<br />

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