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Liebe und Erotik im Wandel der Zeiten - Philosophia online

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verstoßen. Als Gr<strong>und</strong> schob man in <strong>der</strong> Regel vor, man lebe mit <strong>der</strong> Frau in<br />

einem inzestuösen Verhältnis. Dazu genügte es schon, ohne allzu viele<br />

Beweise eine Verwandtschaft vierten Grades festzustellen, um die Ehe<br />

annullieren zu lassen. Die Kirche konnte dem wenig entgegensetzen, denn<br />

schließlich lehnte sie ja selbst vehement den Inzest ab. Solchen<br />

Verhältnissen <strong>und</strong> Mißbräuchen, die Anlaß zu endlosen<br />

Auseinan<strong>der</strong>setzungen waren, setzte die höfische <strong>Liebe</strong> eine Treue<br />

entgegen, die unabhängig von <strong>der</strong> legalen Ehe war <strong>und</strong> allein auf <strong>der</strong> <strong>Liebe</strong><br />

aufbaute.<br />

Neben <strong>der</strong> Wendung gegen den verengten Augustinischen <strong>Liebe</strong>sbegriff<br />

spielen bei <strong>der</strong> Entstehung <strong>der</strong> höfischen <strong>Liebe</strong> zwei weitere Faktoren eine<br />

entscheidende Rolle. Erstens: Durch die Kreuzzüge – <strong>der</strong> erste fand von<br />

1096-1099 statt – kam das Abendland in Kontakt mit dem Islam. Trotz<br />

seiner Fremdartigkeit war er viel fortgeschrittener <strong>und</strong> zivilisierter als<br />

alles, was die abendländischen Ritter kannten <strong>und</strong> sich hätten vorstellen<br />

können. Daher brachten sie neue Ideen <strong>und</strong> Eindrücke mit nach Hause, die<br />

sie für die Verän<strong>der</strong>ungen empfänglich machte, die in Europa begonnen<br />

hatten.<br />

Zweitens: Das Ideal <strong>der</strong> höfischen <strong>Liebe</strong> hat seinen Ursprung <strong>im</strong><br />

Südwesten Frankreichs. Und das wie<strong>der</strong>um hat damit zu tun, daß die<br />

maurischen <strong>Liebe</strong>slie<strong>der</strong> aus dem moslemisch beeinflußten Spanien über<br />

die Pyrenäen in den Südwesten Frankreichs gelangten. Ihre Gr<strong>und</strong>tendenz<br />

zielt auf die dichterische Anbetung <strong>der</strong> unerreichbaren Geliebten gemäß<br />

<strong>der</strong> Einstellung: „Die Einheit <strong>der</strong> Seelen ist tausendmal schöner als jene<br />

des Körpers“ (Ibn Hazm, 994 – 1064). Das führte in <strong>der</strong> Folgezeit dazu,<br />

daß <strong>Liebe</strong> <strong>und</strong> <strong>Erotik</strong> weniger als etwas Sinnliches begriffen, son<strong>der</strong>n<br />

vielmehr zu etwas Geistigem, Spirituellem, ja geradezu Mystischem <strong>und</strong><br />

Gehe<strong>im</strong>nisvollem gesteigert wurden.<br />

Um was genau handelt es sich nun bei diesem Ideal <strong>der</strong> höfischen <strong>Liebe</strong>?

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