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Diplomarbeit Der Berezinski˘i-Kosterlitz-Thouless - Institut für Physik ...

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<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Physik</strong><br />

Universität Augsburg<br />

<strong>Diplomarbeit</strong><br />

<strong>Der</strong> Berezinskiĭ-<strong>Kosterlitz</strong>-<strong>Thouless</strong>-Übergang<br />

mit Unordnung<br />

vorgelegt von<br />

Thomas Lück<br />

November 1997<br />

Referent<br />

Korreferent<br />

: Prof. Dr. U. Eckern<br />

: Prof. Dr. A. Kampf


2<br />

Hiermit versichere ich, die vorliegende Arbeit selbstständig verfaßt und keine anderen<br />

als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt zu haben.<br />

Augsburg, den 4. Februar 2002


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung 5<br />

1.1 <strong>Der</strong> BKT-Übergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

1.2 Unordnung in der statistischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

1.3 Das XY-Modell mit zufälligen Phasenverschiebungen . . . . . . . 8<br />

1.4 Aufbau dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

2 Vorbereitende Überlegungen 11<br />

2.1 Die Villain-Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

2.2 <strong>Der</strong> Grundzustand des Coulombgases mit externen Dipolen . . . . 16<br />

2.3 <strong>Der</strong> Replikatrick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

3 <strong>Kosterlitz</strong>-Renormierung des replizierten Systems 21<br />

3.1 Reskalierung des Gitterabstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

3.2 Ausintegrieren kleiner Ladungspaare . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

3.3 Umformulierung der RG-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

3.4 Qualitative Diskussion des RG-Flusses . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

3.5 Replika-Korrelationsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

4 <strong>Der</strong> Replika-Limes n → 0 31<br />

4.1 Die Eintyp-Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

4.2 Berücksichtigung aller Ladungstypen (Näherung I) . . . . . . . . . 35<br />

5 Die asymptotische Näherung 38<br />

5.1 Herleitung der vereinfachten RG-Gleichungen (Näherung II) . . . 38<br />

5.2 Eigenschaften des RG-Flusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

6 Vergleich von Näherung I mit Näherung II 45<br />

6.1 Berechnung der Entropiedichte in asymptotischer Näherung . . . 45<br />

6.2 Numerische Untersuchung der Flußgleichungen in Näherung I . . . 49<br />

7 Das kritische Verhalten einiger Größen 53<br />

7.1 Divergenz der Korrelationslänge am BKT-Übergang . . . . . . . . 53<br />

7.2 <strong>Physik</strong>alische Bedeutung der Replika-Korrelationsfunktionen . . . 57<br />

7.3 Die Dielektrizitätskonstante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58


4 INHALTSVERZEICHNIS<br />

7.4 Kritische Exponenten im 2D XY-Modell . . . . . . . . . . . . . . 61<br />

8 Die Monte-Carlo-Simulation 65<br />

8.1 <strong>Der</strong> MC-Algorithmus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65<br />

8.2 Ergebnisse der MC-Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68<br />

9 Zusammenfassung und Ausblick 72<br />

Danksagung 74<br />

Anhang 75<br />

A Herleitung von Gleichung (2.22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75<br />

B Die Summen aus den Gleichungen (3.29) und (3.30) . . . . . . . . 76<br />

C Berechnung von (3.26-3.28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77<br />

D Die Integrale aus den Gleichungen (4.22-4.24) . . . . . . . . . . . 78<br />

E Positive Entropie <strong>für</strong> τ > 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82


Kapitel 1<br />

Einleitung<br />

In dieser Arbeit werden wir den Berezinkiĭ-<strong>Kosterlitz</strong>-<strong>Thouless</strong>-Übergang in Anwesenheit<br />

von Unordnung anhand eines zweidimensionalen (2D) XY-Modells mit<br />

zufälligen Phasenverschiebungen untersuchen. Wir beziehen uns dabei hauptsächlich<br />

auf eine kürzlich erschienene Arbeit von Scheidl [1]. Dort wird die Unordnung<br />

durch den Replikatrick behandelt. Scheidl gibt zum einen eine Phasengrenze an,<br />

die kein ”<br />

reentrance“-Verhalten aufweist, wie es von Rubinstein et al. [2] gefunden<br />

wurde, und zum anderen begründet er die Korrektheit seiner Ergebnisse<br />

damit, daß seine Renormierungsgleichungen immer eine positive Entropie liefern.<br />

Er schließt deshalb die Relevanz von Replika-Symmetrie-Brechung <strong>für</strong> dieses System<br />

aus. Wir verwenden hier die gleichen Methoden, allerdings können wir nicht<br />

alle Resultate Scheidls bestätigen: Durch numerische Untersuchung der Renormierungsgleichungen<br />

finden wir nämlich einen Bereich (kleine Temperaturen und<br />

große Unordnungsstärken), in dem sie eine negative Entropie liefern.<br />

Zudem erhalten wir aus Monte-Carlo-Simulationen eine Phasengrenze, die gut mit<br />

der analytisch berechneten übereinstimmt. Leider konnte das System mit unserem<br />

Algorithmus nicht bei sehr tiefen Temperaturen untersucht werden. Deshalb<br />

können wir dadurch weder einer Aussage über das Auftreten von ”<br />

reentrance“-<br />

Verhalten machen, noch darüber, ob die Ergebnisse auch in diesem Bereich die<br />

analytischen Vorhersagen bestätigen.<br />

1.1 <strong>Der</strong> BKT-Übergang<br />

Zuerst werden wir sehr kurz die wichtigsten Eigenschaften des Berezinskiĭ-<strong>Kosterlitz</strong>-<strong>Thouless</strong>(BKT)-Übergangs<br />

[3–7] 1 wiederholen. Da im folgenden das 2D XY-<br />

Modell verwendet wird, werden wir dessen kritisches Verhalten kurz diskutieren.<br />

1 Ausführliche Übersichtsartikel dazu stammen von Niehnhuis [8], Minnhagen [9] und Nelson<br />

[10]; außerdem wird das Problem in einigen Lehrbüchern wie z.B. [11, 12] behandelt.


6 1 Einleitung<br />

Das Modell wird definiert durch die folgende Hamiltonfunktion:<br />

H XY [{Θ i }] = K ∑ 〈ij〉<br />

[1 − cos (Θ i − Θ j )] . (1.1)<br />

Diese Hamiltonfunktion beschreibt ein klassisches, ferromagnetisches (wir nehmen<br />

K > 0 an) Heisenberg-Modell mit planaren Spins {s i = e iΘ i<br />

} auf einem 2D<br />

Gitter; die effektiven Freiheitsgrade {Θ i } geben die Richtung der Spins bezüglich<br />

einer fest gewählten Achse an. Die Kopplungskonstante beinhaltet bereits die<br />

Temperatur (K = J/T ), und die Wechselwirkung beschränkt sich auf nächste<br />

Nachbarn; deshalb beinhaltet die Summe ∑ 〈ij〉<br />

jedes Nächste-Nachbar-Paar genau<br />

einmal. Die Bedeutung des 2D XY-Modells geht über die Beschreibung von<br />

magnetischen Systemen hinaus, da es möglich ist, eine Vielzahl anderer physikalischer<br />

Systeme wie z.B. 2D Heliumfilme oder Netzwerke von Josephson-Kontakten<br />

auf dieses Modell abzubilden.<br />

<strong>Der</strong> Grundzustand des 2D XY-Modells ist ferromagnetisch. Da die Hamiltonfunktion<br />

(1.1) allerdings eine kontinuierliche Rotationssymmetrie (U(1)-Symmetrie)<br />

aufweist, gilt das Mermin-Wagner-Hohenberg-Theorem [13, 14], das eine langreichweitige<br />

Ordnung <strong>für</strong> alle positiven Temperaturen ausschließt. Anschaulich<br />

läßt sich dies durch die Anwesenheit von Spinwellen erklären, die bei ausreichend<br />

tiefen Temperaturen zu einem algebraischen (im Gegensatz zu einem exponentiellen)<br />

Zerfall der Spin-Spin-Korrelationsfunktion führen. Man spricht deshalb<br />

auch von quasi-langreichweitiger Ordnung.<br />

Aufgrund der Periodizität der Spin-Spin-Wechselwirkung in (1.1) gibt es neben<br />

den Spinwellen noch zusätzliche, topologische Anregungen, sogenannte Vortizes“.<br />

In der Villain-Näherung [15, 16] entkoppeln Spinwellen- und Vortexanre-<br />

”<br />

gungen. Man erhält dann einen Spinwellenanteil der Zustandssumme, der analytisch<br />

in T ist, und einen Vortexanteil, der <strong>für</strong> den BKT-Übergang verantwortlich<br />

ist. Dieser Teil ist äquivalent zu einem neutralen 2D Coulombgas (CG): Bei tiefen<br />

Temperaturen sind positive und negative Ladungen zu Dipolen gebunden<br />

(BKT-Phase), bei hohen Temperaturen sind alle Ladungen frei (Plasma). Am<br />

BKT-Übergang dissoziieren die großen Ladungspaare im System. Sobald dies<br />

im XY-Modell geschieht, führen die Vortexanregungen zu einem exponentiellen<br />

Zerfall der Spin-Spin-Korrelationsfunktion; solange sie gebunden sind, haben sie<br />

keinen langreichweitigen Einfluß im System.<br />

Ein wichtiger Schritt zum Verständnis dieses Problems war dabei die Renormierungsgruppen(RG)-Behandlung<br />

durch <strong>Kosterlitz</strong> [6]. Dabei ist die grundlegende<br />

Idee, das System schrittweise auf immer größeren Längenskalen zu betrachten<br />

und die Abschirmung durch kleinere Ladungspaare in effektiven Kopplungskonstanten<br />

zu berücksichtigen.


1.2 Unordnung in der statistischen Mechanik 7<br />

1.2 Unordnung in der statistischen Mechanik<br />

Die obigen Überlegungen galten <strong>für</strong> reine Systeme wie dem durch (1.1) definierten.<br />

Wir diskutieren nun die formale Behandlung von Unordnung, die reine Systeme<br />

in zufälliger Weise stört, in der statistischen Mechanik. Man unterscheidet<br />

zwei Arten von Unordnung: Zum einen eingefrorene Unordnung ( ”<br />

quenched disorder“),<br />

deren Konfiguration sich unabhängig von den thermischen Freiheitsgraden<br />

einstellt, und auf der anderen Seite ”<br />

annealed disorder“, deren Konfiguration<br />

selbst thermisch fluktuiert. Mathematisch bedeutet dies, daß es im zweiten Fall<br />

ausreicht, die Zustandssumme über die Unordnung zu mitteln, um das Unordnungsmittel<br />

physikalischer Größen zu berechnen, während man im eingefrorenen<br />

Fall die freie Energie, also den Logarithmus der Zustandssumme, mitteln muß.<br />

Dies stellt ein erheblich größeres Problem dar, das allerdings auf Kosten neuer<br />

Schwierigkeiten durch den Replikatrick umgangen werden kann.<br />

Eine solche Mittelung ist nur sinnvoll, wenn man annimmt, daß die physikalischen<br />

Größen eines Systems mit Unordnung durch den Mittelwert gut beschrieben werden<br />

und die Abhängigkeit von der speziellen Realisierung der Unordnungskonfiguration<br />

schwach ist. Dies ist aufgrund folgender Überlegung in vielen Fällen<br />

mit genügend kurzreichweitiger Korrelation erfüllt: Ein System im thermodynamischen<br />

Limes kann in viele unkorrelierte, makroskopisch große Teilsysteme<br />

unterteilt werden; in jedem dieser Teilsysteme ist das Verhalten durch eine andere<br />

Unordnungskonfiguration bestimmt, und die Eigenschaften des Gesamtsystems<br />

sind dann durch das Mittel über alle Teilsysteme gegeben. 2<br />

Im folgenden betrachten wir den Einfluß eines bestimmten Typs von eingefrorener<br />

Unordnung auf den BKT-Übergang: Wir führen zufällig verteilte Phasenverschiebungen<br />

auf den Bindungen im XY-Modell ein.<br />

Bei tiefen Temperaturen erwarten wir sehr starken Einfluß von Unordnung, da<br />

hier keine thermischen Fluktuationen mehr auftreten, und die Freiheitsgrade aufgrund<br />

der Wechselwirkung untereinander eigentlich einen geordneten Zustand bevorzugen;<br />

durch die Unordnung wird dieser Zustand aber gestört. Eine interessante<br />

Frage ist dann, ob schon durch eine schwache, angelegte Störung die geordnete<br />

Phase zerstört wird oder weiterhin existiert. Wenn letzteres gilt, ist von Interesse,<br />

ob (und wenn ja wie) sich die Eigenschaften des Übergangs ändern; wichtig ist,<br />

ob sich die Universalitätsklasse oder nur nicht-universelle Eigenschaften wie die<br />

Übergangstemperatur ändern.<br />

Einen ersten Hinweis <strong>für</strong> die oben eingeführte Art der Unordnung erhält man<br />

durch das Harris-Kriterium [11, 17]: Da im reinen 2D XY-Modell die Bedingung<br />

2 − dν < 0 (d = 2 und ν ”<br />

unendlich“) gilt, 3 ist es trotz (schwacher) Unordnung<br />

möglich, daß der BKT-Übergang dadurch nur geringfügig verändert wird.<br />

2 Dies entspricht der gewöhnlichen Ensemble-Idee in der statistischen <strong>Physik</strong>. Ein System<br />

mit dieser Eigenschaft bezeichnet man als ”<br />

selbstmittelnd“.<br />

3 ν ist der kritische Exponent, der die Divergenz der Korrelationslänge bei Annäherung an<br />

den Übergang beschreibt.


8 1 Einleitung<br />

1.3 Das XY-Modell mit zufälligen Phasenverschiebungen<br />

In das XY-Modell kann in verschiedener Weise Unordnung eingeführt werden:<br />

Man kann das System z.B. durch ein ungeordnetes externes Magnetfeld stören<br />

( ”<br />

random field“-Modell) oder die Kopplungskonstanten zufällig wählen (Spinglas).<br />

In dieser Arbeit werden wir zu jeder Bindung eine zusätzliche Phasenverschiebung<br />

so anbringen, daß die Hamiltonfunktion folgende Form annimmt:<br />

H XY [{Θ i } , {A ij }] = ∑ 〈ij〉<br />

K [1 − cos (Θ i − Θ j − A ij )] . (1.2)<br />

Dabei sei A ij eine normalverteilte Zufallsgröße mit den Momenten [A ij ] d = 0<br />

und [A 2 ij ] d = σ; die Unordnung an verschiedenen Orten sei unkorreliert. In dieser<br />

Arbeit repräsentiert [h] d das Unordnungsmittel einer Größe h, die von der Unordnungskonfiguration<br />

abhängt.<br />

Die thermodynamischen Eigenschaften sind in der kanonischen Zustandssumme<br />

Z XY enthalten. Dabei ist zu beachten, daß hier nur die Spur über die thermischen<br />

Freiheitsgrade {Θ i } gebildet wird:<br />

Z XY = ∑ {Θ i }<br />

e −H[{Θ i},{A ij }] ,<br />

∑<br />

=<br />

{Θ i }<br />

∫ 2π<br />

0<br />

( ∏<br />

i<br />

)<br />

dΘ i<br />

. (1.3)<br />

2π<br />

Die Mittelung<br />

∑<br />

einer Größe h über die thermischen Freiheitsgrade wird dabei mit<br />

〈h〉 = Z −1<br />

XY Θ i<br />

he −H bezeichnet.<br />

Dieses Modell wurde in der Vergangenheit vielfach diskutiert. Granato und <strong>Kosterlitz</strong><br />

[18] zeigten, daß dadurch Netzwerke von Josephson-Kontakten mit geometrischer<br />

Unordnung beschrieben werden. Rubinstein et al. [2] untersuchten das<br />

2D XY-Modell, das über die Dzyaloshinskii-Moriya-Wechselwirkung an Störstellen<br />

gekoppelt ist, und fanden, daß es durch obiges Modell beschrieben werden<br />

kann. Ihre Lösung dieses Problems wies reentrance“-Verhalten auf: Wenn man<br />

”<br />

das System bei konstanter Unordnungsstärke von hohen Temperaturen abkühlt,<br />

so verhält es sich zuerst metallisch, geht dann in eine BKT-Phase über, und bei<br />

noch tieferen Temperaturen wird es wieder metallisch.<br />

Dieses reentrance“-Verhalten wurde seitdem viel diskutiert, da es weder in Experimenten<br />

[19, 20] noch in numerischen Simulationen [21–23] gefunden wurde.<br />

”<br />

Korshunov [24] behauptete, daß die BKT-Phase durch Unordnung völlig zerstört<br />

werden sollte. Ozeki und Nishimori [25] zeigten, daß kein reentrance“ auftreten<br />

”<br />

darf, wenn die BKT-Phase existiert.<br />

Daraufhin wurde dieses Problem von Nattermann et al. [26] sowie Cha und Fertig<br />

[27] erneut betrachtet, und beide stellten übereinstimmend fest, daß zum einen<br />

die BKT-Phase existiert und zum anderen kein reentrance“ auftritt. Auf diesen<br />

”<br />

Arbeiten aufbauend untersuchten zuerst Tang [28] und kurz darauf Scheidl [1]


1.4 Aufbau dieser Arbeit 9<br />

das Modell anhand einer <strong>Kosterlitz</strong>-Renormierungsprozedur genauer. Zur Behandlung<br />

der Unordnung führt Tang eine direkte Unordnungsmittelung im unreplizierten<br />

System durch. Dabei muß er gegenüber Scheidl, der den Replikatrick<br />

verwendet, zusätzliche Näherungen anwenden, auf die wir hier nicht näher eingehen.<br />

Im weiteren werden wir uns eingehend und kritisch mit der Arbeit Scheidls [1] auseinandersetzen;<br />

das heißt, wir werden die Vorgehensweise und Ergebnisse ausführlich<br />

diskutieren und durch eigene Rechnungen ergänzen und korrigieren.<br />

1.4 Aufbau dieser Arbeit<br />

Um es dem Leser zu erleichtern, die einzelnen Kapitel und Abschnitte in den<br />

Gesamtzusammenhang einzuordnen, geben wir zunächst einen kurzen Überblick<br />

über die gesamte Arbeit.<br />

In Kapitel 2 werden wir das XY-Modell durch die Villain-Näherung in eine CG-<br />

Darstellung bringen. Daran anschließend wird der Grundzustand dieses Systems<br />

untersucht. Zum Abschluß des Kapitels replizieren wir das System und mitteln<br />

dann über die Unordnung, um den Replikatrick anzuwenden; als effektives System<br />

erhält man dabei ein 2D CG mit verschiedenen Ladungstypen.<br />

Um später den Replika-Limes auszuführen, wenden wir in Kapitel 3 die <strong>Kosterlitz</strong>’sche<br />

RG-Methode an, um <strong>für</strong> das replizierte System Flußgleichungen zu erhalten.<br />

Wir stellen schon hier fest, daß der Übergang in verschiedenen Bereichen<br />

von Temperatur und Unordnungsstärke durch unterschiedliche Ladungstypen getrieben<br />

wird.<br />

Daran anschließend wird in Kapitel 4 der Replika-Limes <strong>für</strong> diese Flußgleichungen<br />

durchgeführt. Dabei folgen wir den Ideen Scheidls [1] und erhalten schließlich<br />

einen Satz von RG-Gleichungen, die das System mit Unordnung beschreiben sollen<br />

(Näherung I).<br />

Da es nicht möglich ist, diese Differentialgleichungen analytisch zu lösen, wird<br />

in Kapitel 5 eine asymptotische Näherung <strong>für</strong> den Grenzfall großer Längenskalen<br />

abgeleitet, die schon in [1] vorgeschlagen wurde (Näherung II). Die resultierenden<br />

Gleichungen stimmen in einigen Grenzfällen mit bereits bekannten Ergebnissen<br />

überein, weshalb wir die Gleichungen auch außerhalb ihres eigentlichen Gültigkeitsbereichs<br />

auf endlichen Längenskalen testen. Bei der anschließenden Untersuchung<br />

des RG-Flusses stellt man allerdings reentrance“-Verhalten fest.<br />

”<br />

In Kapitel 6 vergleichen wir die Ergebnisse der RG-Gleichungen aus Näherung I<br />

und II. Anhand der Entropie überprüfen wir zuerst den möglichen Gültigkeitsbereich<br />

(positive Entropie) der Gleichungen in Näherung II, wobei wir im Gegensatz<br />

zu Scheidls Aussagen in der BKT-Phase einen Bereich mit negativer Entropie<br />

finden. Daraufhin untersuchen wir die Gleichungen aus Näherung I durch numerische<br />

Verfahren; immerhin können wir nun feststellen, daß die Phasengrenze kein<br />

reentrance“-Verhalten mehr aufweist. Eine eindeutige Entscheidung darüber, ob<br />


10 1 Einleitung<br />

die Entropie nun immer positiv ist, können wir leider nicht treffen. Darüber hinaus<br />

stellen wir jedoch fest, daß die asymptotische Näherung <strong>für</strong> hinreichend schwache<br />

Unordnung korrekte Ergebnisse liefert.<br />

Kapitel 7 beschäftigt sich mit dem kritischen Verhalten einiger Größen, das aus<br />

den Flußgleichungen bestimmt werden kann: Wir untersuchen die Divergenz der<br />

Korrelationslänge bei Annäherung an die BKT-Phase. Zudem berechnen wir die<br />

Korrelationsfunktionen des Systems mit Unordnung ebenso wie die gemittelte<br />

Dielektrizitätskonstante. Am Ende werden die RG-Ergebnisse dazu verwendet,<br />

die relevanten Exponenten im 2D XY-Modell mit Unordnung zu bestimmen.<br />

In Kapitel 8 stellen wir Monte-Carlo(MC)-Simulationen des CG-Modells vor. Wir<br />

berechnen damit die Übergangstemperatur des Modells in Abhängigkeit von der<br />

Unordnungsstärke σ und vergleichen diese Ergebnisse mit den analytischen Vorhersagen.<br />

Abschließend werden in Kapitel 9 die wesentlichen Ergebnisse dieser Arbeit kurz<br />

zusammengefaßt und noch offene Probleme dargestellt.


Kapitel 2<br />

Vorbereitende Überlegungen<br />

Wie in der Einleitung erwähnt, sind <strong>für</strong> den Phasenübergang in diesem System<br />

die topologischen Anregungen (Vortizes) maßgeblich. Deshalb führen wir in Abschnitt<br />

2.1 das 2D XY-Modell durch die Villain-Näherung, in der Vortex- und<br />

Spinwellenanteil entkoppelt sind, in ein 2D CG über. Danach wird der Einfluß<br />

der Unordnung auf den Grundzustand dieses Systems untersucht. Um die Unordnungsmittelung<br />

durchzuführen, wird in Abschnitt 2.3 der erste Teil des Replikatricks<br />

durchgeführt, indem wir das 2D CG replizieren und über die Unordnung<br />

mitteln.<br />

2.1 Die Villain-Näherung<br />

In der Villain-Näherung [15, 16] macht man in der Zustandssumme (1.3) die folgende<br />

Ersetzung, die die Periodizität des Cosinus erhält:<br />

exp {−K (1 − cos Θ)} −→<br />

+∞∑<br />

p=−∞<br />

}<br />

exp<br />

{− K∗<br />

2 (Θ − 2πp)2 . (2.1)<br />

Im allgemeinen ist K ∗ abhängig von K; <strong>für</strong> kleine Temperaturen gilt K ∗ ≈ K.<br />

Wir nehmen im folgenden an, daß diese Abhängigkeit auf die universellen Eigenschaften<br />

des Systems keinen Einfluß hat, und wählen K ∗ = K. Mit Hilfe der<br />

Summationsformel von Poisson (siehe z.B. [12,29]) läßt sich der Villain-Term nun<br />

äquivalent umformen:<br />

+∞∑<br />

p=−∞<br />

exp<br />

{− K }<br />

2 (Θ − 2πp)2 =<br />

1<br />

√<br />

2πK<br />

∞<br />

∑<br />

n=−∞<br />

}<br />

exp<br />

{− n2<br />

2K + inΘ . (2.2)


12 2 Vorbereitende Überlegungen<br />

Somit stellt sich die ursprüngliche Zustandssumme (1.3) in der Villain-Näherung<br />

wie folgt dar:<br />

∫ 2π ( ∏<br />

Z V =<br />

0<br />

i<br />

[<br />

1<br />

√<br />

2πK<br />

)<br />

dΘ i ∏<br />

×<br />

2π<br />

〈ij〉<br />

∑ ∞ {<br />

} ]<br />

exp − n2 ij<br />

2K + in ij (Θ i − Θ j − A ij ) .<br />

n ij =−∞<br />

(2.3)<br />

Die ursprünglichen Freiheitsgrade {Θ i } sind jetzt sehr leicht auszuintegrieren,<br />

wenn man n ij = −n ji beachtet und die folgende Darstellung des Kronecker-δ<br />

verwendet; der Index µ symbolisiert dabei die Verschiebung um einen Gitterplatz<br />

{(0, ±1), (±1, 0)} (im weiteren verwenden wir ein Quadratgitter):<br />

∫ 2π<br />

0<br />

dΘ<br />

{<br />

i<br />

2π exp ∑ }<br />

iΘ i n i,i+µ = δ<br />

µ n i,i+µ,0. (2.4)<br />

µ<br />

Wenn man diese Einschränkung <strong>für</strong> die neuen Freiheitsgrade {n ij } mit (∂n) i<br />

= 0<br />

abkürzt, so erhält man folgende Zustandssumme:<br />

Z V = ∑ ∏<br />

{<br />

1<br />

√ exp − 1<br />

}<br />

{n ij } 〈ij〉 2πK 2K n2 ij − in ijA ij . (2.5)<br />

(∂n) i =0<br />

Die {n ij } liegen auf den Verbindungen zwischen je zwei der ursprünglichen Winkelfreiheitsgrade;<br />

um die Nebenbedingung (∂n) i<br />

= 0 zu erfüllen, führt man neue<br />

Freiheitsgrade {m a } mit m a ∈ Z ein, die auf einem dualen Gitter zum ursprünglichen<br />

existieren, das heißt im Fall des quadratischen Gitters auf den Plaquetten.<br />

Es ist leicht einzusehen, daß durch die Definition n ij = m a − m b die Nebenbedingung<br />

automatisch erfüllt wird, wenn a und b die an die Bindung ij grenzenden<br />

Plaquetten beschreiben; <strong>für</strong> diese Plaquetten a und b wird die entsprechende Zufallsvariable<br />

A ab = A ij definiert. Wir erhalten dann die folgende Form <strong>für</strong> die<br />

Zustandssumme:<br />

Z V = ∑ ∏<br />

{<br />

1<br />

√ exp − 1<br />

}<br />

{m a} 〈ab〉 2πK 2K (m a − m b ) 2 − i (m a − m b ) A ab . (2.6)<br />

Durch Anwendung von Poissons Summationsformel kann die Summe in ein Integral<br />

überführt werden, und wir erhalten:<br />

∫ ∞<br />

Z V = ∑ {q a}<br />

{<br />

exp<br />

−∞<br />

( ∏<br />

a<br />

− 1<br />

2K<br />

dϕ a<br />

) ∏<br />

〈ab〉<br />

∑<br />

( 1<br />

√<br />

2πK<br />

)<br />

×<br />

<br />

(ϕ a − ϕ b ) 2 + 2πi ∑ a<br />

(<br />

q a − 1<br />

2π<br />

∑<br />

µ<br />

A a,a+µ<br />

)<br />

ϕ a<br />

}.<br />

(2.7)


2.1 Die Villain-Näherung 13<br />

j<br />

a<br />

m a<br />

n ij<br />

i<br />

b<br />

m b<br />

Abbildung 2.1: Die neuen Freiheitsgrade {m a } liegen auf dem dualen Gitter; durch<br />

n ij = m a − m b wird die Bedingung (∂n) i<br />

= 0 erfüllt.<br />

Die Berechnung dieses Gauß’schen Integrals ist nun leicht möglich:<br />

Z V = Z SW<br />

∑<br />

{q a}<br />

{<br />

exp − 2π 2 K ∑ a,b<br />

(q a − Q a ) ˜G<br />

}<br />

ab (q b − Q b ) , (2.8)<br />

wobei Q a die Unordnungsgröße in dieser Darstellung ist, und ˜G ab die Gitter-<br />

Greensfunktion der Laplacegleichung (siehe unten). In einer weiteren Näherung<br />

werden nur solche Vortizitäten q i mit q i ∈ {0, ±1} zugelassen, da genau diese<br />

Ladungen bei schwacher Unordnung, wie im reinen Modell auch, den Übergang<br />

treiben. <strong>Der</strong> Spinwellenanteil Z SW besteht hier aus den bereits vorhandenen Vorfaktoren<br />

und einem q i -unabhängigen Faktor, der durch die Gauß-Integration entsteht.<br />

Im weiteren wird dieser Anteil nicht mehr berücksichtigt, da er analytisch<br />

in T ist und daher zum BKT-Übergang nicht beiträgt. <strong>Der</strong> Rest, der sogenannte<br />

Vortexanteil, wird im folgenden mit Z bezeichnet. Für die darin enthaltene<br />

Gitter-Greensfunktion ˜G ab gilt:<br />

∑<br />

(ϕ a − ϕ b ) 2 = ∑ a,b<br />

〈ab〉<br />

ϕ a ˜G−1 ab ϕ b, d.h. (2.9)<br />

˜G −1<br />

ab = 4δ ab − ∑ µ<br />

δ a,b+µ . (2.10)<br />

Das bedeutet, daß die Gitter-Greensfunktion die Laplace-Gleichung auf dem Gitter<br />

erfüllen muß (∆ → 4δ ab − ∑ µ δ a,b+µ):<br />

δ ab = ∑ c<br />

˜G −1<br />

ac ˜G cb = ∑ c<br />

(<br />

4δ ac − ∑ µ<br />

δ a,c+µ<br />

)<br />

˜Gcb . (2.11)


¡<br />

¡<br />

¡<br />

14 2 Vorbereitende Überlegungen<br />

i<br />

a<br />

−Q ij<br />

Q ij<br />

b<br />

j<br />

Abbildung 2.2: Die Phasenverschiebung A ij produziert einen Vortexdipol ±Q ij =<br />

±A ij /2π auf dem dualen Gitter; dort werden die Phasenverschiebungen durch A ab =<br />

A ij definiert.<br />

Die verbliebenen Freiheitsgrade {q a } stellen Vortizes am Ort x a (x a bezeichnet<br />

den Ortsvektor zum Gitterplatz a) mit q a ∈ {0, ±1} dar. Die neuen Unordnungsgrößen<br />

∑<br />

{Q a } in der CG-Darstellung gehen aus den alten durch die Relation<br />

Q a = 1<br />

2π µ A a,a+µ hervor. Das heißt, die extern“ in der Plaquette a induzierte“<br />

” ”<br />

Vortizität Q a berechnet sich aus der Summe der angrenzenden A iaj a<br />

: 1<br />

Q a = 1<br />

2π<br />

∑<br />

A iaj a<br />

. (2.12)<br />

a<br />

Einige Eigenschaften dieser neuen Zufallsgrößen Q a sind offensichtlich: Jedes A ij<br />

erzeugt auf den angrenzenden Plaquetten einen externen Vortexdipol, das heißt<br />

einen Vortex positiver Vortizität auf der einen Plaquette und einen negativer Vortizität<br />

auf der anderen; gemäß der Definition der Phasenverschiebungen können<br />

die Vortizitäten Q a im Gegensatz zu den ”<br />

internen“ Vortizitäten q a beliebige<br />

Werte annehmen.<br />

Da in dieser neuen Darstellung weitergearbeitet werden soll, muß die Wahrscheinlichkeitsverteilung<br />

der externen Vortizitäten Q a berechnet werden. Es genügt, die<br />

nun auftretende räumliche Korrelation der Zufallsvariablen zu ermitteln, da die<br />

Verteilung einer Linearkombination von gaußischen Zufallsgrößen gaußisch bleibt,<br />

wobei [Q a ] d = 0 der Mittelwert ist:<br />

[Q a Q b ] d<br />

= 1 ∑ ∑<br />

4π 2<br />

a<br />

b<br />

[A iaj a<br />

A ib j b<br />

] d<br />

. (2.13)<br />

Für benachbarte Plaquetten ist genau eine Bindung in beiden Summen enthalten,<br />

man erhält aufgrund der δ-Korrelation der A ij den Beitrag −σ (A ij = −A ji !); <strong>für</strong><br />

1 □ a zeigt dabei die Summation über den Rand der Plaquette a an; i a j a stellt eine Bindung<br />

dar, die an die Plaquette a grenzt.


2.1 Die Villain-Näherung 15<br />

a = b ist der Beitrag 4σ. Dies sind alle Beiträge, und daher folgt die Form<br />

[Q a Q b ] d<br />

= σ (<br />

4δ<br />

4π 2 ab − ∑ )<br />

δ a,b+µ = σ −1 ˜G<br />

4π2 ab . (2.14)<br />

µ<br />

1.BZ<br />

˜G<br />

−1<br />

ab<br />

Da die Matrix einen Eigenwert null hat, besitzt sie strenggenommen keine<br />

−1<br />

Inverse. Man wählt deshalb eine Inverse −G ab des regulären Anteils von ˜G<br />

ab<br />

so,<br />

daß G aa = 0 gilt. ˜Gab wird also durch −G ab ersetzt, wobei G(x a − x b ) = G ab<br />

durch das folgende Fourierintegral dargestellt wird:<br />

∫<br />

d 2 k 1 − e ikx<br />

G (x) =<br />

(2π) 2<br />

. (2.15)<br />

4 − 2 cos k x − 2 cos k y<br />

Dabei symbolisiert 1.BZ die erste Brillouin-Zone des Quadratgitters mit dem elementaren<br />

Gitterabstand a 0 . Dieses Integral läßt sich in guter Näherung analytisch<br />

darstellen (siehe [12]):<br />

{<br />

0 <strong>für</strong> x = 0<br />

G (x) ≈ ( )<br />

1<br />

ln | x 2π a 0<br />

| + π . (2.16)<br />

<strong>für</strong> |x| ≥ a<br />

2<br />

0<br />

Die Gitter-Greensfunktion G(x) divergiert <strong>für</strong> große Abstände logarithmisch; deshalb<br />

divergiert auch die Feldenergie eines Vortex logarithmisch mit der Systemgröße.<br />

Das bedeutet, daß nur solche Konfigurationen eine endliche Feldenergie<br />

besitzen und folglich zu Z V beitragen, <strong>für</strong> die die globale Neutralitätsbedingung<br />

erfüllt ist:<br />

∑<br />

q i = 0. (2.17)<br />

i<br />

Das Einsetzen von (2.16) in (2.8) und Gleichung (2.17) ergibt <strong>für</strong> die Zustandssumme<br />

des neutralen 2D CG den Ausdruck (i, j bezeichnen nun die Gitterplätze<br />

des dualen Gitters):<br />

Z CG = ∑ {<br />

exp πK ∑ (q i − Q i ) ln |x i − x j |<br />

(q j − Q j )<br />

a 0<br />

{q i }<br />

i≠j<br />

(2.18)<br />

− E ∑ i<br />

(q i − Q i ) 2 }.<br />

<strong>Der</strong> on-site-Term E = π2 K wird im reinen System als core-Energie eines Vortex<br />

2<br />

interpretiert. Im ungeordneten System ist diese Interpretation allerdings problematischer,<br />

da auch Terme der Form EQ i q i auftreten.<br />

In den weiteren Kapiteln wird der Sprachgebrauch dahingehend geändert, daß das<br />

System aufgrund der logarithmischen Wechselwirkung als neutrales (vgl. (2.17))<br />

Coulombgas aufgefaßt wird und folglich nicht mehr von Vortizes, sondern von<br />

Ladungen gesprochen wird; die Zufallsgrößen sind dann externe Ladungen Q i ,<br />

die als Dipole angeordnet sind.


16 2 Vorbereitende Überlegungen<br />

2.2 <strong>Der</strong> Grundzustand des Coulombgases mit<br />

externen Dipolen<br />

Es stellt sich natürlich die Frage, welchen Einfluß diese externen Ladungen auf<br />

das Verhalten des Systems haben. Dies untersuchen wir zuerst anhand des Grundzustands,<br />

weil wir erwarten, daß der Einfluß von Unordnung umso stärker wird,<br />

je geringer die Temperatur ist.<br />

Bei Betrachten des Systems (1.2) ist offensichtlich, daß <strong>für</strong> starke Unordnung<br />

(σ π) jegliche Ordnung zerstört wird; allerdings ist nicht klar, ob die BKT-<br />

Phase, in der quasi-langreichweitige Ordnung existiert, 2 schon <strong>für</strong> beliebig schwache<br />

Unordnung σ verschwindet, oder ob es einen endlichen kritischen Wert gibt,<br />

ab dem dies geschieht. Es ist bekannt, daß im reinen System der Grundzustand<br />

ladungsfrei ist. Diese Eigenschaft könnte allerdings in Anwesenheit von Unordnung<br />

verlorengehen, da sich Unordnungskonfigurationen einstellen können, so daß<br />

der Grundzustand (Zustand kleinster Energie) nicht mehr ladungsfrei ist.<br />

Um diese Vermutung zu verifizieren, wird nun die gemittelte Ladungs-Ladungs-<br />

Korrelationsfunktion<br />

[C(|x i − x j |)] d<br />

= [〈q i q j 〉] d<br />

(2.19)<br />

berechnet. Diese Größe ist, wie im reinen System, translationsinvariant, da über<br />

alle Unordnungskonfigurationen gemittelt wird. Im verdünnten System (wenige<br />

Ladungen) ist sie durch die Wahrscheinlichkeit P (r) gegeben, eine Ladung an<br />

einem gegebenen Ort vorzufinden, wenn im Abstand r bereits eine Ladung mit<br />

umgekehrtem Vorzeichen vorhanden ist. Bei T = 0 bedeutet dies, daß man die<br />

Wahrscheinlichkeit berechnen muß, mit der eine Konfiguration mit einem Ladungspaar<br />

an den beliebigen Orten i, j (r = (x i − x j ), r = |r|) negative Energie<br />

hat.<br />

Die Energie eines Ladungspaars aufgrund der Kopplung der Teilchen ist durch<br />

V (r) = V ij = 4π 2 KG ij (2.20)<br />

gegeben.<br />

Als zusätzlicher Beitrag kommt die Potentialdifferenz des Unordnungspotentials<br />

U i = −4π 2 K ∑ j Q jG ij hinzu.<br />

Es muß zuerst die Wahrscheinlichkeitsverteilung dieses Potentials ermittelt werden.<br />

Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Gaußverteilung mit Mittelwert<br />

[U i ] d = 0 und der räumlichen Korrelation<br />

[U i U j ] d<br />

= −4π 2 σK 2 G ij . (2.21)<br />

2 Quasi-langreichweitige Ordnung bedeutet im CG-Bild, daß die Ladungs-Ladungs-Korrelationsfunktion<br />

(2.19) algebraisch zerfällt.


2.2 <strong>Der</strong> Grundzustand des Coulombgases mit externen Dipolen 17<br />

Nun ist die Wahrscheinlichkeitsverteilung <strong>für</strong> {U i } bestimmt, allerdings benötigt<br />

man die Verteilung <strong>für</strong> die Potentialdifferenz (U i − U j ), wobei alle anderen U k<br />

keine Rolle spielen (siehe Anhang A):<br />

√<br />

∫<br />

| det G<br />

P [(U i − U j ) = v] =<br />

−1 ∞ (<br />

| ∏<br />

∏<br />

dU<br />

k 8π3 σK 2<br />

k<br />

)×<br />

−∞<br />

k<br />

{<br />

exp − 1 ∑<br />

(<br />

)<br />

(2.22)<br />

1<br />

U k<br />

2 −4π 2 σK 2 G− kl 1 U l<br />

}δ (U i − U j − v) .<br />

k,l<br />

Dann ist die Wahrscheinlichkeit P (r/a 0 ), daß das Unordnungspotential die Wechselwirkungsenergie<br />

eines Paares der Größe r kompensiert, also (U i − U j + V ij ) < 0<br />

gilt, durch folgenden Ausdruck gegeben:<br />

P (r) =<br />

−V<br />

∫<br />

(r)<br />

−∞<br />

dU<br />

√<br />

8π2 σK 2 G ij<br />

exp<br />

{<br />

}<br />

U 2<br />

−<br />

. (2.23)<br />

16π 2 σK 2 G ij<br />

Für r ≫ 1 gilt die Näherung G ij = G(r) ≈ 1/2π ln(r/a 0 ), und da dann nur der<br />

äußerste Teil der Verteilung beiträgt, erhält man <strong>für</strong> die gesuchte Korrelationsfunktion<br />

P (r):<br />

√ ( ) −π/2σ<br />

σ r<br />

P (r) ≈<br />

. (2.24)<br />

2π 2 ln r/a 0 a 0<br />

Im Grundzustand existieren also nicht nur Ladungspaare auf der Skala des Gitterabstands,<br />

sondern die Wahrscheinlichkeit <strong>für</strong> große Paare, die das kritische<br />

Verhalten maßgeblich bestimmen, ist ungleich null. Nun kann man die Frage beantworten,<br />

ob diese Paare schon die BKT-Phase zerstören. Dazu muß man sich<br />

an die Ergebnisse ohne Unordnung erinnern; <strong>für</strong> geringe Paardichten kann dort<br />

die Korrelationsfunktion näherungsweise <strong>für</strong> r ≫ 1 angeben werden:<br />

C (r) ∝<br />

( r<br />

a 0<br />

) −2πK<br />

. (2.25)<br />

Die Polarisierbarkeit eines Paares zeigt in führender Ordnung folgendes Verhalten,<br />

wobei aufgrund der ursprünglichen Gitterstruktur ein ”<br />

cut-off“ <strong>für</strong> kleine r<br />

eingeführt wird (R 2 → ˜R 2 ):<br />

∫<br />

χ E ∝<br />

¢<br />

˜ 2<br />

C (r)<br />

( r<br />

a 0<br />

) 2<br />

. (2.26)<br />

Im reinen System divergiert diese Größe <strong>für</strong> K ≤ 2/π (⇔ 2πK ≤ 4), dadurch<br />

wird der metallische Bereich des Phasendiagramms beschränkt. K = 2/π ist also


18 2 Vorbereitende Überlegungen<br />

die minimale Kopplung, bis zu der die BKT-Phase existieren kann.<br />

Dieses Vorgehen wollen wir jetzt <strong>für</strong> T = 0 im System mit Unordnung anwenden,<br />

um einen Wert <strong>für</strong> σ mit ähnlicher Bedeutung zu erhalten: Wir haben gezeigt,<br />

daß genügend starke Unordnung (ähnlich wie die Temperatur) Ladungspaare auf<br />

allen Längenskalen erzeugt; diese Ladungspaare können sich aufgrund einer kleinen<br />

äußeren Störung im Unordnungspotential so umordnen, daß sie diese völlig<br />

abschirmen können. Wir erhalten dann unter Berücksichtigung von<br />

∫<br />

χ E ∝<br />

¢<br />

˜ 2<br />

die Bedingung<br />

P (r)<br />

( r<br />

a 0<br />

) 2<br />

(2.27)<br />

π<br />

2σ ≤ 4 ⇔ σ ≥ π 8<br />

(2.28)<br />

und fassen deshalb σ = π/8 als maximale Unordnungsstärke auf, bis zu der<br />

die BKT-Phase reichen kann. Für hinreichend schwache Unordnung sollte also<br />

der Grundzustand dielektrisch bleiben. Wir werden feststellen, daß dies auch <strong>für</strong><br />

positive Temperaturen gilt.<br />

2.3 <strong>Der</strong> Replikatrick<br />

Um weitere Ergebnisse <strong>für</strong> das System mit Unordnung zu erhalten, muß man die<br />

freie Energie F = − ln Z über die Zufallsgrößen Q i mitteln; dabei erweist sich<br />

der Logarithmus als besonders problematisch. Viel leichter wäre es, die Zustandssumme<br />

direkt zu mitteln, was <strong>für</strong> eingefrorene Unordnung leider falsch ist. Aus<br />

diesem Dilemma kann man sich mit Hilfe des Replikatricks [30] befreien. Man<br />

verwendet die folgende Identität:<br />

ln Z = lim<br />

n→0<br />

Z n − 1<br />

n<br />

⇒<br />

[Z n ]<br />

[F] d<br />

= − lim d<br />

− 1<br />

. (2.29)<br />

n→0 n<br />

Dabei soll Z n die Zustandssumme des n-fach replizierten Ausgangssystems bezeichnen,<br />

also n nicht-gekoppelte 2D CG-Systeme mit identischer Unordnungskonfiguration.<br />

Man kann dann im replizierten System die Zustandssumme über<br />

die Unordnung mitteln und damit Berechnungen anstellen. Um die physikalisch<br />

relevanten Ergebnisse <strong>für</strong> das System mit Unordnung zu erhalten, müssen wir<br />

zuletzt den Limes n → 0 durchführen. Dieser Schritt wird uns später die größten<br />

Probleme bereiten, da die physikalische Bedeutung von nicht-ganzzahligem n unklar<br />

ist. 3<br />

3 Dieses Vorgehen wird von Cardy in [11] ausführlich behandelt.


2.3 <strong>Der</strong> Replikatrick 19<br />

Es sollte noch erwähnt werden, daß bei einigen Systemen (z.B. Sherrington-<br />

Kirkpatrick-Spinglas, vgl. [31]) diese Methode verallgemeinert werden muß (Replika-Symmetrie-Brechung<br />

[31,32]), um physikalisch richtige Ergebnisse zu erhalten.<br />

4<br />

Um das System zu replizieren, führt man <strong>für</strong> das CG-System einen zusätzlichen<br />

Index α, den sogenannten Replikaindex, ein und erhält aus (2.8) die replizierte<br />

Zustandssumme n unabhängiger Systeme:<br />

ZCG n = ∑ {<br />

exp 2π 2 K<br />

{qi α }<br />

n∑ ∑<br />

( ) }<br />

(qi α − Q i ) G ij q<br />

α<br />

j − Q j . (2.30)<br />

α=1<br />

i,j<br />

Nun läßt sich die Mittelung über die normalverteilten Zufallsvariablen Q i problemlos<br />

durchführen, wobei die räumliche Korrelation durch (2.14) gegeben ist:<br />

√<br />

[ZCG n ] d = | det G| ∏ 2π ∑<br />

{<br />

exp 2π 2 K ∑ ∑<br />

}<br />

qi α σ<br />

G ijqj<br />

α ×<br />

i<br />

α i,j<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

( ∏<br />

i<br />

{q α i }<br />

) {<br />

dQ i exp − 1 ∑<br />

(<br />

}<br />

Q i − 4π2<br />

2<br />

σ<br />

− n4π2 K<br />

)G ij Q j ×<br />

i,j<br />

{<br />

exp i ∑ Q i i4π 2 K ∑ ∑<br />

qj α G ij<br />

}.<br />

i<br />

α j<br />

Als Ergebnis erhält man dann durch einfache Gauß’sche Integration:<br />

[ZCG n ] d = 1 ∑<br />

{<br />

√∏<br />

i (1 + nσK) exp 2π 2 K ∑ ∑<br />

}<br />

qi α G ijqj<br />

α ×<br />

{qi α }<br />

α i,j<br />

{ −2π 2 σK 2 ∑ ∑<br />

}<br />

exp<br />

qi α 1 + nσK<br />

G ijq β j .<br />

α,β<br />

i,j<br />

(2.31)<br />

(2.32)<br />

Es wird deutlich, daß sich die Struktur der Zustandssumme durch die Mittelung<br />

über die Unordnung geändert hat, denn nun sind Kopplungen nicht nur innerhalb<br />

eines Replikas, sondern auch zwischen verschiedenen Replikas vorhanden; dabei<br />

ist die Wechselwirkung Replika-symmetrisch, das heißt, beim Vertauschen zweier<br />

Replikas bleibt die Zustandssumme invariant. Außerdem erkennt man, daß <strong>für</strong><br />

die untersuchte Art der Unordnung die räumliche Abhängigkeit der unordnungsinduzierten<br />

und ursprünglichen Wechselwirkung identisch ist. Dies ist später <strong>für</strong><br />

die RG-Behandlung des Problems von entscheidender Bedeutung.<br />

Wenn wir nun die Näherung (2.16) <strong>für</strong> die Gitter-Greensfunktion anwenden und<br />

die Ladungen der verschiedenen Replikas an einem Ort i zu einem Vektor<br />

q i = (q 1 i , . . . , q α i , . . . , q n i ) (2.33)<br />

4 Ein Ziel der Arbeit ist zu untersuchen, ob wir dies <strong>für</strong> unseren Fall ausschließen können.


20 2 Vorbereitende Überlegungen<br />

zusammenfassen, so erhalten wir folgende kompakte Form:<br />

[Z n CG ] d = 1<br />

√∏<br />

i (1 + nσK) ∑<br />

{q i }<br />

{<br />

exp π ∑ q i Kq j ln |x i − x j |<br />

− ∑ a<br />

i≠j<br />

i<br />

q i Eq i<br />

}.<br />

(2.34)<br />

Dabei sind die Matrizen K, E ∈ R n×n durch<br />

K αβ = Kδ αβ − ˆK mit ˆK = σK2 , und (2.35)<br />

1 + nσK<br />

E αβ = π2<br />

2 Kαβ<br />

definiert. Im weiteren gilt E = (π 2 /2)K und Ê = (π2 /2) ˆK. Die Neutralitätsbedingung<br />

(2.17) gilt getrennt <strong>für</strong> jedes Replika:<br />

∑<br />

q i = 0, mit qi α ∈ {0, ±1}. (2.36)<br />

i<br />

Man erhält also eine verallgemeinerte Form des neutralen CG ohne Unordnung;<br />

die skalaren Ladungen werden durch Ladungsvektoren (im Replikaraum) und<br />

die Kopplungskonstante durch eine Kopplungsmatrix ersetzt. Nach der Unordnungsmittelung<br />

ist das Problem wieder translationsinvariant, und aufgrund seiner<br />

Struktur läßt es sich durch die bekannten RG-Methoden behandeln; es wird<br />

deutlich, daß es einem herkömmlichen System mit verschiedenartigen Ladungstypen<br />

sehr ähnlich ist. Die größte Schwierigkeit wird der Grenzübergang n → 0<br />

darstellen.


Kapitel 3<br />

<strong>Kosterlitz</strong>-Renormierung des<br />

replizierten Systems<br />

Da es sich bei unserem Problem (2.34-2.36) aus dem vorigen Kapitel um eine Verallgemeinerung<br />

des CG-Problems ohne Unordnung handelt, wird in diesem Kapitel<br />

versucht, ein ähnliches Lösungskonzept anzuwenden, wie es von <strong>Kosterlitz</strong> [6]<br />

vorgeschlagen wurde. Es werden also RG-Gleichungen hergeleitet, und damit wird<br />

der Phasenübergang untersucht; dies geschieht, wie bei der herkömmlichen Rechnung<br />

auch, lediglich in der Näherung geringer Teilchendichten. In diesem Kapitel<br />

wird der Fall n > 0 behandelt, also ein System von n gleichen CG-Ebenen, wobei<br />

alle Ebenen untereinander gleich stark gekoppelt sind. In Kapitel 4 wird der<br />

Replika-Limes n → 0 untersucht; dort wird versucht, die hier gewonnenen Ergebnisse<br />

geeignet zu verallgemeinern.<br />

Das Problem ist durch die Zustandssumme (2.34) mit der Nebenbedingung (2.36)<br />

gegeben. Für die Behandlung durch die RG-Methode ist es bequem, zu einer Kontinuumsdarstellung<br />

überzugehen, wobei beachtet werden muß, daß der Abstand<br />

zweier Vektorladungen nicht kleiner als der Gitterabstand a 0 sein darf. Dies führt<br />

dazu, daß nicht alle Teilchenpositionen unabängig voneinander über den gesamten<br />

Raum R 2 integriert werden dürfen. In dieser Darstellung summiert man dann<br />

nicht mehr über Gitterplätze, sondern über alle vorhandenen Replika-Ladungen,<br />

wobei die Neutralitätsbedingung (2.36) erfüllt sein muß (vgl. δ<br />

ν nνqν,0 ):<br />

[ZCG n ] d = ∑ ∫<br />

1<br />

∏<br />

{n ν} ν (n ν!)<br />

( ∏<br />

ν<br />

Y nν<br />

ν<br />

)<br />

exp<br />

∫<br />

. . .<br />

∏ ∏n ν<br />

|x ν ν i=1<br />

i −xµ j |>a 0<br />

d 2 x ν i<br />

a 2 0<br />

{ n<br />

1 ∑ ∑ µ<br />

∑n ν<br />

2πq µ Kq ν ln<br />

2<br />

µ,ν i=1 j=1<br />

(µ,i)≠(ν,j)<br />

δ<br />

ν nνqν,0 ×<br />

∣ x<br />

µ<br />

∣}<br />

.<br />

a 0<br />

i − xν j<br />

(3.1)<br />

Die Indizes ν, µ numerieren die verschiedenen Typen von Vektorladungen, die<br />

dadurch bestimmt sind, an welchen Stellen des Vektors welche Einträge stehen;


22 3 <strong>Kosterlitz</strong>-Renormierung des replizierten Systems<br />

α<br />

1 2 3 4<br />

5<br />

Abbildung 3.1: Hier sind fünf verschiedene Vektorladungen dargestellt; dabei symbolisieren<br />

die waagrechten Linien die verschiedenen Replikaebenen und die Zahlen 1-5<br />

verschiedene Gitterplätze. Hier gilt m 0 = 4, 3, 3, 1, 4 und m 1 = 0, 1, 1, 1, 0. q 2 und q 3<br />

haben also die gleiche Fugazität, q 1 = −q 5 bilden zusammen einen Ladungsdipol.<br />

einige Beispiele sind in Abb. 3.1 dargestellt. Die Indizes i, j symbolisieren nicht<br />

mehr die Gitterplätze, sondern die vorhandenen Teilchen“ der verschiedenen Ladungstypen.<br />

”<br />

Wenn q ν den Vektor vom Typ ν bezeichnet, so ergibt sich die zugehörige Paarfugazität<br />

(eines Dipols) Y 2<br />

ν<br />

Y 2<br />

ν<br />

zu:<br />

{<br />

= exp {−2q νEq ν } = exp − 2E ∑ α<br />

( ∑<br />

(qν α )2 + 2Ê<br />

α<br />

q α ν<br />

) 2<br />

}<br />

. (3.2)<br />

Die Größe n ν gibt die Anzahl der Ladungen vom Typ ν in einer Konfiguration an.<br />

Ein Typ einer Vektorladung ist durch durch die Einträge {q α ν } eines Vektors im<br />

Replikaraum bestimmt; da der Nullvektor meist keine physikalische Bedeutung<br />

besitzt, wird ihm kein Typ ν zugeordnet. Es werden die folgenden Abkürzungen<br />

eingeführt, die die Paarfugazität eines Typs vollständig bestimmen:<br />

m 0,ν = ∑ (qν α )2 und (3.3)<br />

α<br />

m 1,ν = ∣ ∑ qν<br />

α ∣<br />

∣. (3.4)<br />

α<br />

Dabei gibt m 0,ν die Gesamtzahl der nicht-trivialen Einträge und m 1,ν den Unterschied<br />

zwischen positiven und negativen Einträgen im Vektortyp ν an. Diese<br />

beiden Größen charakterisieren die einzelnen Typen nicht eindeutig, sondern sie<br />

fassen all die Typen zu einer Klasse zusammen, die wegen der Replika-Symmetrie<br />

die gleiche Fugazität haben.<br />

Nach diesen Vorüberlegungen können wir die RG-Prozedur von <strong>Kosterlitz</strong> [6] anwenden,<br />

in der sukzessive Freiheitsgrade auf kleinen Längenskalen eliminiert werden,<br />

und dies zu einer Veränderung der Systemparameter führt. Dies geschieht in


3.1 Reskalierung des Gitterabstands 23<br />

zwei Schritten: Zum einen wird die Zustandssumme statt durch den minimalen<br />

Abstand a durch a + da ausgedrückt und danach reskaliert a + da → a; dies führt<br />

zu einer Verdichtung des Systems. Zum anderen werden alle Paare ausintegriert,<br />

die sich im Abstand zwischen a und a + da befinden, das heißt, kleine Paare<br />

verschwinden aus der Zustandssumme, was zu einer Ausdünnung führt. Danach<br />

wird die neue Zustandssumme durch Umdefinition der Systemparameter auf die<br />

gleiche funktionale Form gebracht wie vor dem Renormierungsschritt: Diese Prozedur<br />

liefert Differentialgleichungen <strong>für</strong> den RG-Fluß der Systemparameter. Das<br />

Verhalten dieses RG-Flusses in der Nähe von Fixpunkten bestimmt das physikalische<br />

Verhalten auf großen Längenskalen, also insbesondere das kritische Verhalten.<br />

Dies wird zum Beispiel in Abschnitt 7.1 am Beispiel der Korrelationslänge<br />

illustriert.<br />

3.1 Reskalierung des Gitterabstands<br />

In der Reskalierungsprozedur werden wir alle a’s in der Zustandssumme durch<br />

a + da ausdrücken und dann diesen Abstand wieder a nennen. Damit die Zustandssumme<br />

unter dieser Operation invariant bleibt, müssen die Parameter des<br />

Systems verändert werden.<br />

Die Größe a kommt in der Zustandssumme (3.1) in zwei Formen vor:<br />

1.<br />

(<br />

1<br />

a → 1<br />

2 (a + da) 2 1 + 2 da )<br />

a<br />

⇒ ∏ ∏n ν<br />

(<br />

1 ∏<br />

a → ∏n ν<br />

)(<br />

1 ∏ 2 (a + da) 2 ν<br />

ν<br />

ν<br />

i=1<br />

i=1<br />

(<br />

1 + 2 da ) nν<br />

)<br />

.<br />

a<br />

(3.5)<br />

2. ln 1 a → ln 1<br />

a + da<br />

⇒ 1 n<br />

∑ ∑ µ<br />

∑n ν<br />

2<br />

= 1 2<br />

µ,ν i=1 j=1<br />

(µ,i)≠(ν,j)<br />

n<br />

∑ ∑ µ<br />

∑n ν<br />

µ,ν<br />

i=1<br />

j=1<br />

(<br />

1 + da )<br />

a<br />

2π da<br />

a q µKq ν =<br />

2π da<br />

a q µKq ν<br />

} {{ }<br />

=0, wegen (2.36)<br />

− 1 2<br />

∑ ∑n ν<br />

ν<br />

i=1<br />

2π da<br />

a q νKq ν .<br />

(3.6)


24 3 <strong>Kosterlitz</strong>-Renormierung des replizierten Systems<br />

Die Beziehung (3.6) geht im Exponenten in die Zustandssumme ein; deshalb<br />

ergibt sich:<br />

{<br />

exp − π da ∑ ∑n ν<br />

}<br />

q ν Kq ν =<br />

a<br />

ν i=1<br />

{<br />

= exp − π da ∑<br />

n ν<br />

(m ˆK) }<br />

0,ν K − m 2 1,ν =<br />

(3.7)<br />

a<br />

ν<br />

= ∏ [ {<br />

exp −π da (<br />

ˆK) }] n ν<br />

m 0,ν K − m 2 1,ν .<br />

a<br />

ν<br />

Da da/a infinitesimal ist, lassen sich die Terme (3.5) und (3.7) in erster Ordnung<br />

danach entwickeln, und wir erhalten aufgrund der Reskalierung eine veränderte<br />

Fugazität:<br />

Y ν → Y ν + da<br />

a Y ν<br />

( (<br />

2 − π m 0,ν K − m 2 ˆK<br />

))<br />

1,ν . (3.8)<br />

Wenn dies in eine Differentialgleichung umgeschrieben wird, so erhält man als abschließendes<br />

Ergebnis die folgenden RG-Gleichungen <strong>für</strong> die verschiedenen Typen<br />

ν der Vektorladungen:<br />

a dY ν<br />

2<br />

da = Y ν<br />

2<br />

(<br />

4 − 2π<br />

(<br />

m 0,ν K − m 2 ˆK<br />

))<br />

1,ν . (3.9)<br />

Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet kann man dies auch als eine Änderung<br />

der Energien E und Ê interpretieren:<br />

a dE<br />

da<br />

= πK, (3.10)<br />

a dÊ<br />

da = π ˆK. (3.11)<br />

Die beiden Gleichungen ergeben dann zusammen mit<br />

{<br />

Yν 2 (a) = exp 4 ln a }<br />

− 2m 0,ν E + 2m 2<br />

a<br />

1,νÊ . (3.12)<br />

0<br />

die gleiche Information wie Gleichung (3.9). Im folgenden wird immer, außer wir<br />

erwähnen es explizit, von renormierten Größen gesprochen; alle Parameter (K, σ,<br />

E, Ê und Yν 2 ) sind also eigentlich Funktionen des renormierten Gitterabstands<br />

a, 1 wobei a = a 0 die unrenormierten Werte liefert; im folgenden werden diese<br />

Anfangswerte einer Größe h mit h 0 abgekürzt. Für die renormierten Größen (a ><br />

a 0 ) gilt die Beziehung (2.35) zwischen E und K bzw. Ê und ˆK nicht mehr. Auch<br />

die renormierten Fugazitäten Yν 2 sind dann nicht mehr durch Gleichung (3.2)<br />

bestimmt, sondern durch den Ausdruck (3.12) gegeben.<br />

1 Soweit die Bedeutung klar ist, wird in der Notation allerdings darauf verzichtet, diese<br />

Abhängigkeit ständig anzugeben.


3.2 Ausintegrieren kleiner Ladungspaare 25<br />

3.2 Ausintegrieren kleiner Ladungspaare<br />

Die Integration in der Zustandssumme über eine Ladungsposition teilen wir<br />

gemäß <strong>Kosterlitz</strong> [6] in ein Integral über den Ring zwischen a und (a + da)<br />

um alle anderen Ladungsvektoren und den Rest des Konfigurationsraums auf.<br />

Dann wird die Integration über den Ring ausgeführt. Das bedeutet, daß in allen<br />

Konfigurationen, in denen sich zwei Teilchen q p und q q auf einen Abstand<br />

a < |x p − x q | ≤ (a + da) nähern, diese Freiheitsgrade aus der Zustandssumme<br />

ausintegriert werden. Durch dieses Integral berücksichtigt man die Abschirmung<br />

der Wechselwirkung zwischen zwei weiter entfernten Teilchen durch kleine Paare.<br />

Wie man aus der Rechnung <strong>für</strong> CG-Systeme mit verschiedenen Ladungsarten<br />

weiß (vgl. Nienhuis [8]), trägt in niederster Ordnung in den Fugazitäten nur<br />

der Fall bei, daß ein Ladungsdipol ausintegriert wird, daß also q p = −q q gilt.<br />

Die Möglichkeit, daß zwei oder mehr verschiedene Ladungen eine neue effektive<br />

Ladung erzeugen, kann daher <strong>für</strong> kleine Fugazitäten vernachlässigt werden; wir<br />

beschränken uns deshalb im folgenden auf verdünnte Systeme. 2<br />

Wenn wir annehmen, daß q p vom Typ ν ist, so muß <strong>für</strong> den Beitrag solcher Dipole<br />

das Integral I ν berechnet werden:<br />

I ν =<br />

∫∫<br />

a


26 3 <strong>Kosterlitz</strong>-Renormierung des replizierten Systems<br />

Nienhuis [8] ist bekannt, daß dies zu den resultierenden RG-Gleichungen lediglich<br />

in höherer Ordnung in Yν<br />

2 beiträgt. Da wir nur verdünnte Systeme betrachten,<br />

stellt diese Näherung kein Problem dar.<br />

Da die Ladung q p schon dadurch festgelegt ist, daß man sich auf einen Vektorladungstyp<br />

ν beschränkt, wird diese nun mit q ν bezeichnet.<br />

In einem verdünnten CG sind die einzelnen Paare weit voneinander entfernt; <strong>für</strong><br />

die Ausdehnung |r| ≈ a des auszuintegrierenden Ladungspaares gilt deshalb, daß<br />

sie im allgemeinen wesentlich geringer ist als der Abstand des Paares zu allen<br />

anderen Ladungen. Das Integral kann dann nach der kleinen Größe |r|/|x µ j − R|<br />

entwickelt werden. Da die Integration der linearen Näherung wegen der Isotropie<br />

des Systems keinen Beitrag liefert, wird der Integrand bis in quadratische<br />

Ordnung von |r|/|x µ j − R| entwickelt, und man erhält:<br />

∫<br />

d 2 ∫<br />

R d 2 r<br />

I ν =<br />

1<br />

a 2 a 2<br />

∫<br />

+<br />

¢<br />

2<br />

+ 1 2<br />

¢<br />

2<br />

∫<br />

¢<br />

2<br />

d 2 R<br />

a 2<br />

a


3.3 Umformulierung der RG-Gleichungen 27<br />

gegeben. Durch Umordnen der Zustandssumme (3.1) wird deutlich, daß dieser<br />

Prozeß die Kopplungsmatrix K renormiert:<br />

K → K − da<br />

a 4π3 1 2<br />

∑<br />

ν<br />

Als Differentialgleichung stellt sich dies wie folgt dar:<br />

a dK<br />

da = −4π3 1 2<br />

∑<br />

ν<br />

R ν Y 2<br />

ν . (3.18)<br />

R ν Y 2<br />

ν . (3.19)<br />

<strong>Der</strong> erste Summand aus Gleichung (3.16) renormiert zusätzlich die Zustandssumme<br />

um einen globalen Faktor:<br />

∏<br />

{<br />

[Z n ] d<br />

→ [Z n ] d<br />

exp π da }<br />

A<br />

a a Y 2<br />

2 ν = [Z n ] d<br />

+ [Z n ] d<br />

π A da ∑<br />

Y<br />

a 2 ν 2<br />

a<br />

. (3.20)<br />

ν<br />

Deshalb erhält man eine Renormierung der freien Energiedichte pro Replikaebene<br />

f = Fa 2 /nA:<br />

a df<br />

da = −π 1 n<br />

∑<br />

ν<br />

Y 2<br />

ν . (3.21)<br />

Die Renormierung der gesamten freien Energiedichte ist durch<br />

( a0<br />

) 2<br />

f g (K 0 , σ 0 , Y 0 ) = fg (K(a), σ(a), Y (a)) + f(a) (3.22)<br />

a<br />

gegeben. Offensichtlich gilt dabei f 0 = 0.<br />

<strong>Der</strong> erste Summand aus Gleichung (3.22) kommt durch die Vergrößerung der<br />

Längenskala zustande und ist der Beitrag zur freien Energiedichte, den die renormierten<br />

Freiheitsgrade liefern. f(a) ist dagegen der Anteil, den Paare, deren<br />

Ausdehnung kleiner als a ist, beitragen. Diese Überlegung wird später bei der Berechnung<br />

der Entropiedichte (siehe Abschnitt 6.1) von entscheidender Bedeutung<br />

sein.<br />

3.3 Umformulierung der RG-Gleichungen<br />

Grundsätzlich ist der RG-Fluß durch die Differentialgleichungen (3.9) und (3.19)<br />

vollständig gegeben. Die zweite Gleichung <strong>für</strong> die Matrix K kann allerdings auf lediglich<br />

zwei Differentialgleichungen <strong>für</strong> die relevanten Parameter K und σ zurückgeführt<br />

werden. Dazu müssen wir die Matrix R = 1/2 ∑ ν Y ν 2R<br />

ν genauer untersuchen:<br />

R αβ = 1 2<br />

∑ ∑<br />

ν<br />

γ,δ<br />

Y 2<br />

ν qγ ν qδ ν Kαγ K βδ . (3.23)<br />

ν


28 3 <strong>Kosterlitz</strong>-Renormierung des replizierten Systems<br />

Es wird schnell deutlich, daß sich die Struktur der Matrix K auf die Matrix R<br />

überträgt. Deshalb sind nur zwei Werte zu berechnen, der diagonale und der<br />

nicht-diagonale Eintrag. Dabei sind viele Summanden aufgrund des Faktors q γ ν q δ ν<br />

null. Die beiden Einträge der Matrix R sind dann wie folgt gegeben:<br />

R αα = 1 ∑<br />

K αδ K ∑ αγ<br />

2<br />

γ≠δ ν<br />

R α≠β = 1 ∑<br />

K αγ K ∑ βδ<br />

2<br />

γ≠δ ν<br />

q γ ν qδ ν Y 2<br />

ν + 1 2<br />

q γ ν qδ ν Y 2<br />

ν + 1 2<br />

∑<br />

(K αγ ) ∑ 2<br />

γ<br />

ν<br />

∑<br />

K αγ K ∑ βγ<br />

γ<br />

ν<br />

Als nächstes führen wir wie in [1] die folgenden Abkürzungen ein:<br />

Y 2 = 1 2<br />

Y 2<br />

dis = 1 2<br />

∑<br />

ν<br />

∑<br />

ν<br />

(q γ ν )2 Y 2<br />

ν und (3.24)<br />

(q γ ν )2 Y 2<br />

ν . (3.25)<br />

q α ν qα ν Y 2<br />

ν , (3.26)<br />

qν α qβ≠α ν Yν 2 , (3.27)<br />

Y 2<br />

con = Y 2 − Y 2<br />

dis . (3.28)<br />

Aufgrund der Replika-Symmetrie ist klar, daß diese Paarfugazitäten nicht vom<br />

expliziten Wert von α und β abhängen. Ihre Bedeutung kann man sich wie folgt<br />

vorstellen: Y 2 ist die Fugazität <strong>für</strong> ein Paar, dessen Partner sich in einer Replikaebene<br />

befinden; Ydis 2 ( disconnected“) ist relevant <strong>für</strong> ein Paar aus Teilchen<br />

”<br />

verschiedener Replikaebenen. Ycon 2 ( connected“) gibt den Unterschied dieser beiden<br />

Werte an und ist somit der Diagonalanteil, der ohne Unordnung vorhanden<br />

”<br />

wäre. Wir werden sehen, daß im Replika-Limes Ydis 2 der Unordnungsteil der Fugazität<br />

und Ycon 2 der reine Anteil ist. Die Gesamtfugazität ist durch Y 2 = Ycon 2 + Y dis<br />

2<br />

gegeben.<br />

Mit diesen Substitutionen erhält man dann die folgenden zwei Differentialgleichungen:<br />

a dKαα<br />

da<br />

a dKα≠β<br />

da<br />

= −4π 3 Y 2 ∑ γ<br />

= −4π 3 Y 2 ∑ γ<br />

(K αγ ) 2 − 4π 3 Y 2<br />

dis<br />

∑<br />

K αγ K αδ , (3.29)<br />

γ≠δ<br />

K αγ K βγ − 4π 3 Y 2<br />

dis<br />

∑<br />

K αγ K βδ . (3.30)<br />

Die vier Summen werden in Anhang B unter Berücksichtigung der genauen Form<br />

von K (K αβ = Kδ αβ − ˆK) explizit berechnet; <strong>für</strong> die weitere Diskussion der<br />

Ergebnisse ist dies allerdings vorerst nicht notwendig. Zusammen mit (3.9) ist<br />

der RG-Fluß dann vollständig gegeben:<br />

a dY ν<br />

2 ( (<br />

da = Y ν<br />

2 4 − 2π m 0,ν K − m 2 ˆK<br />

))<br />

1,ν .<br />

γ≠δ


3.4 Qualitative Diskussion des RG-Flusses 29<br />

3.4 Qualitative Diskussion des RG-Flusses<br />

In diesem Abschnitt leiten wir einige Ergebnisse aus den RG-Gleichungen <strong>für</strong> das<br />

replizierte System ab. Da wir aber eigentlich an den Gleichungen im Replika-<br />

Limes n → 0 interessiert sind, fällt die Diskussion knapp und qualitativ aus.<br />

Für n = 1 und σ = 0 erhält man die bekannten Gleichungen <strong>für</strong> das reine System.<br />

Für den Fall n > 1 werden wir den Phasenfluß qualitativ untersuchen. Die BKT-<br />

Phase wird schon zerstört, sobald nur ein Vektorladungstyp dissoziiert; deshalb<br />

treiben die Ladungstypen mit der geringsten Kopplung den Übergang. In den RG-<br />

Gleichungen sind dies die Ladungstypen, deren Fugazität unter Renormierung am<br />

stärksten steigt bzw. am geringsten fällt. Für die entsprechenden Typen ν muß<br />

also gelten (vgl. (3.9)):<br />

(<br />

)<br />

4 − 2πK m 0,ν − m 2 σK<br />

1,ν<br />

ist maximal. (3.31)<br />

1 + nσK<br />

Man muß also m 1,ν maximal wählen, woraus folgt, daß m 1,ν = m 0,ν gilt (siehe<br />

(3.3) und (3.4)). Daraus erhält man eine nach oben geöffnete Parabel <strong>für</strong> m 0,ν ,<br />

die die maximalen Werte an den Grenzen m 0,ν = 1 oder m 0,ν = n annimmt. Im<br />

Hochtemperatur-Bereich σK < 1 sind dann die Ladungstypen mit m 0,ν = m 1,ν =<br />

1 relevant; <strong>für</strong> kleine Temperaturen σK > 1 bestimmt m 0,ν = m 1,ν = n die entscheidenden<br />

Vektorladungstypen. In zwei verschiedenen Parameterbereichen sind<br />

also verschiedene Vektorladungstypen <strong>für</strong> den Übergang verantwortlich.<br />

Dadurch ist ein weiterer Hinweis gegeben, daß es nicht gerechtfertigt ist, lediglich<br />

einen einzigen Ladungstyp wie in [2] zu betrachten. Man muß also auch im<br />

Replika-Limes mehr als nur einen Vektorladungstyp in Betracht ziehen.<br />

Davon abgesehen ist zu beachten, daß man außerhalb der BKT-Phase unphysikalische<br />

Ergebnisse erhält, da die Fugazitäten dort auf Längenskalen, die groß<br />

genug sind, beliebig anwachsen; zudem verläßt man dabei den Gültigkeitsbereich<br />

der Gleichungen. Bis auf eine Ausnahme (siehe 7.1), wo dieses Problem umgangen<br />

werden kann, werden wir die RG-Gleichungen deshalb nur innerhalb der BKT-<br />

Phase verwenden. Grundsätzlich kann man das Problem dadurch lösen, daß die<br />

Beiträge höherer Ordnung in den Fugazitäten berücksichtigt werden, die bei der<br />

Herleitung der RG-Gleichungen in dieser Arbeit vernachlässigt wurden. Bei der<br />

Untersuchung des BKT-Übergangs spielen sie allerdings keine Rolle.<br />

3.5 Replika-Korrelationsfunktionen<br />

In diesem Abschnitt werden die Ladungsdichte-Korrelationsfunktionen im replizierten<br />

System innerhalb der BKT-Phase betrachtet. Man kann dabei zwei Typen<br />

unterscheiden: Zum einen gibt es die Korrelation innerhalb einer Replikaebene<br />

und zum anderen die zwischen zwei verschieden Replikas.<br />

Die Vektorladungsdichte ρ(r) eines Systems mit den Vektorladungen {q ν i } an den


30 3 <strong>Kosterlitz</strong>-Renormierung des replizierten Systems<br />

Orten {x ν i } ist durch den folgenden Ausdruck gegeben:<br />

ρ (r) = ∑ ν<br />

∑n ν<br />

i=1<br />

q ν δ (r − x ν i ) . (3.32)<br />

Von Interesse sind nun Korrelationsfunktionen von folgendem Typ: 3<br />

C αβ (r) = 〈 ρ α (0) ρ β (r) 〉 . (3.33)<br />

Diese Funktionen lassen sich problemlos in niederster Ordnung in den Fugazitäten<br />

(entspricht geringer Teilchendichte) berechnen; dazu verwenden wir die Darstellung<br />

des Systems auf der Skala a = |r|. Wir greifen dabei also auf die renormierten<br />

Größen zurück. Mit Hilfe der Zustandssumme (3.1) erhalten wir so in niederster<br />

Ordnung in Yν 2:<br />

C αβ (r) ≈ 1 2<br />

∑<br />

ν<br />

Y 2<br />

ν<br />

∫<br />

¢<br />

˜ 2<br />

d 2 x ν 1<br />

a 2<br />

∫<br />

¢<br />

˜ 2<br />

+ O ( )<br />

Yν<br />

4 |r|=a<br />

= − 2 1<br />

a 4 2<br />

(<br />

d 2 x ν 2<br />

|x<br />

a 2 ρα (0) ρ β ν<br />

(r) 1 − x ν 2 |<br />

a<br />

∑<br />

ν<br />

) −2πqνKq ν<br />

Yν 2 qν α qν β + O ( (3.34)<br />

)<br />

Yν<br />

4 .<br />

Entsprechend den Fugazitäten (3.26-3.28) definieren wir nun die folgenden drei<br />

Korrelationsfunktionen mit |r| = a:<br />

C (a) = C αα (a) = − 2 a 4 Y 2 (a) , (3.35)<br />

C dis (a) = C α≠β (a) = − 2 a 4 Y 2<br />

dis (a) , (3.36)<br />

C con (a) = C (a) − C dis (a) = − 2 a Y 2<br />

4 con (a) . (3.37)<br />

Damit ist ein Zusammenhang zwischen den renormierten Fugazitäten und den<br />

Korrelationsfunktionen hergestellt.<br />

3 Da die Replika-Zustandssumme (2.34) bzw. (3.1) translationsinvariant ist, hängen die Korrelationsfunktionen<br />

auch nur vom Abstand ab.


Kapitel 4<br />

<strong>Der</strong> Replika-Limes n → 0<br />

In diesem Kapitel wird versucht, die Ergebnisse aus Kapitel 3 so zu verallgemeinern<br />

bzw. zu erweitern, daß man physikalisch sinnvolle RG-Gleichungen <strong>für</strong><br />

n → 0 erhält.<br />

Einige dieser Verallgemeinerungen sind einfach durchzuführen; zum Beispiel kann<br />

man in den Gleichungen (3.29) und (3.30) mit Hilfe der Überlegungen aus Anhang<br />

B leicht den Replika-Limes durchführen:<br />

dK αα<br />

dl<br />

dK α≠β<br />

dl<br />

= −4π<br />

[(K 3 2 − 2K ˆK<br />

)<br />

Y 2 + 2K ˆKY<br />

]<br />

dis<br />

2 , (4.1)<br />

]<br />

= −4π 3 [−2K ˆKY 2 +<br />

(<br />

K 2 + 2K ˆK<br />

)<br />

Y 2<br />

dis<br />

. (4.2)<br />

Für den Skalenparameter l des RG-Flusses gilt dabei a = a 0 e l , also dl = da/a. Die<br />

verschiedenen Fugazitäten sind nach wie vor durch die Gleichungen (3.26-3.28)<br />

gegeben, wobei der Limes n → 0 in vernünftiger Weise durchgeführt werden muß;<br />

dies stellt das Hauptproblem des nun folgenden Kapitels dar.<br />

Die interessanten physikalischen Größen in den Gleichungen (4.1) und (4.2) sind<br />

allerdings nicht die Komponenten von K, sondern die Kopplungskonstante K<br />

und die Unordnungsstärke σ; unter Berücksichtigung von K αβ = Kδ αβ − σK 2<br />

erhält man dann die RG-Gleichungen <strong>für</strong> K und σ:<br />

dK<br />

= −4π 3 K 2 Ycon 2<br />

dl<br />

(4.3)<br />

dσ<br />

dl = 4π3 Ydis 2 (4.4)<br />

Dabei haben wir folgende Vorstellung von den verschiedenen Fugazitäten: In Abschnitt<br />

7.2 werden wir sehen, daß die Dichte der im Unordnungspotential eingefrorenen<br />

Ladungen durch Ydis 2<br />

2<br />

bestimmt ist, und entsprechend Ycon den Beitrag<br />

der freien Ladungen zur Gesamtfugazität Y 2 = Ydis 2 + Y con 2 angibt. Deshalb gibt<br />

der Quotient Ydis 2 /Y 2 die Glasartigkeit“ des Systems an. Wir erkennen dann,<br />

”<br />

daß die eingefrorenen Ladungen nur die Unordnungsstärke renormieren und die


32 4 <strong>Der</strong> Replika-Limes n → 0<br />

freien Ladungen nur die Kopplung.<br />

In der Arbeit von Rubinstein et al. [2] wurden zur weiteren Rechnung nur solche<br />

Konfigurationen berücksichtigt, in denen ausschließlich Ladungstypen mit<br />

m 0 = m 1 = 1 vorhanden sind; wir werden später sehen, daß diese Näherung<br />

nur <strong>für</strong> große Temperaturen gerechtfertigt ist. Man muß nämlich auch feststellen,<br />

daß bei σ ≠ 0 die Anziehung zwischen den Ladungen verschiedener Replikas<br />

dazu führt, daß auch Vektorladungstypen mit m 0,ν > 1 relevant werden und die<br />

Näherung <strong>für</strong> tiefe Temperaturen zusammenbricht. 1 Deshalb ist eine vorsichtigere<br />

Annäherung an den Replika-Limes angebracht.<br />

Bisher wurde der Grenzübergang n → 0 nur an solchen Stellen durchgeführt,<br />

an denen n = 0 ein wohldefiniertes Ergebnis liefert. Wenn man allerdings eine<br />

RG-Gleichung <strong>für</strong> die Paarfugazität Y 2 aus den Gleichungen (3.9) und (3.26)<br />

herleitet, bleibt folgendes Problem:<br />

dY 2<br />

dl<br />

= ∑ ν<br />

(<br />

4 − 2π<br />

(<br />

m0,ν K − m 2 1,ν σK2)) (q α ν )2 Y 2<br />

ν . (4.5)<br />

In verschiedenen Gleichungen wie (3.21), (3.26-3.28) oder (4.5) ist der Limes von<br />

Summen der Form ∑ ν<br />

. . . zu bilden. Da es kein befriedigendes Ergebnis liefert,<br />

diese Summen durch null zu ersetzten, was Y 2 , Ycon, 2 Ydis 2 = 0 implizieren würde,<br />

muß man zuerst die Summe <strong>für</strong> endliches n berechnen und danach das Ergebnis<br />

geeignet nach n = 0 fortsetzen.<br />

In den nächsten beiden Abschnitten wird, den Überlegungen Scheidls folgend, ein<br />

auf diese Weise geschlossenes RG-Gleichungssystem <strong>für</strong> n → 0 hergeleitet.<br />

4.1 Die Eintyp-Näherung<br />

Aus dem Fall n > 1 ist bekannt, daß das Problem nicht dadurch beschrieben<br />

werden kann, daß auf dem gesamten Parameterbereich die gleichen Ladungstypen<br />

den Übergang treiben. Möglich wäre allerdings, daß zu jeder Kopplungskonstante<br />

K und Unordnungsstärke σ andere Werte m 0/1 gehören (vgl. Abschnitt 3.4).<br />

Dementsprechend sind <strong>für</strong> jedes (K, σ)-Paar die Ladungstypen ν <strong>für</strong> den Übergang<br />

entscheidend, <strong>für</strong> die m 0/1,ν = m 0/1 gilt. Wie wir in Abschnitt 3.4 gesehen<br />

haben, tragen nur die am schwächsten gekoppelten Ladungstypen bei, <strong>für</strong> die<br />

jeweils m 1,ν = m 0,ν = m 0 gilt.<br />

1 Schon <strong>für</strong> den Fall n > 0 ist diese Näherung nur in einem begrenzten Parameterraum gültig<br />

(vgl. Abschnitt 3.3).


4.1 Die Eintyp-Näherung 33<br />

Unter dieser Voraussetzung kann man die Fugazitäten einfacher ausdrücken:<br />

Y 2 = 1 2 lim<br />

∑<br />

( )<br />

′<br />

n − 1<br />

(qν α ) 2 Yν<br />

2 = lim Ym 2 n→0<br />

n→0 m<br />

ν<br />

0 − 1 0<br />

, (4.6)<br />

Ydis 2 = 1 2 lim<br />

∑<br />

( )<br />

′<br />

n − 2<br />

qν α n→0<br />

qβ≠α ν Yν<br />

2 = lim Ym 2 n→0 m 0 − 2 0<br />

, (4.7)<br />

Ycon 2 = Y 2 − Ydis 2 = lim<br />

lim<br />

n→0<br />

lim<br />

n→0<br />

Y 2<br />

con<br />

Y 2<br />

Y 2<br />

dis<br />

Y 2<br />

ν<br />

= lim<br />

n→0<br />

= lim<br />

n→0<br />

n→0<br />

( n−2<br />

m 0 −1)<br />

Y<br />

2<br />

m0<br />

(<br />

n−1<br />

m 0 −1<br />

( n−2<br />

m 0 −2)<br />

Y<br />

2<br />

m0<br />

(<br />

n−1<br />

m 0 −1<br />

( n − 2<br />

m 0 − 1<br />

)<br />

Ym 2 0<br />

, (4.8)<br />

)<br />

Y<br />

2 m0<br />

= m 0 , (4.9)<br />

)<br />

Y<br />

2 m0<br />

= 1 − m 0 . (4.10)<br />

Die Summen ∑ ′<br />

ν<br />

. . . sind dabei nur über die Vektorladungstypen zu nehmen, <strong>für</strong><br />

die m 0,ν = m 1,ν = m 0 gilt. Da Yν 2 = Ym 2 2<br />

0<br />

= exp{4l − 2m 0 E + 2m0Ê} dann unabhängig<br />

von ν ist, ergeben die Summen die angegebenen Binomialkoeffizienten.<br />

Man erhält sofort die RG-Gleichungen:<br />

dK<br />

= −4π 3 n − m 0<br />

dl n − 1 K2 Y 2 n→0<br />

−→ −4π 3 m 0 K 2 Y 2 , (4.11)<br />

dσ<br />

dl = m 4π3 0 − 1<br />

n − 1 Y 2 n→0<br />

−→ 4π 3 (1 − m 0 ) Y 2 , (4.12)<br />

dY 2<br />

= ( 4 − 2π ( m 0 K − m 2 0<br />

dl<br />

σK2)) Y 2 . (4.13)<br />

Offen bleibt bei diesen Gleichungen lediglich, welcher Wert <strong>für</strong> m 0 = m 0 (K, σ)<br />

einzusetzen ist. Dabei stellt sich die Frage, in welchem Bereich m 0 nach dem<br />

Replika-Limes überhaupt liegen muß, da die triviale Vermutung n → 0 ⇒ m 0 → 0<br />

kein physikalisches Ergebnis liefert. Deshalb verallgemeinern wir die Bedingung<br />

(n − m 0 )(m 0 − 1) ≥ 0, die <strong>für</strong> m 0 , n ∈ N mit 0 < m 0 ≤ n identisch ist, <strong>für</strong> n → 0<br />

(m 0 , n ∈ R!) und erhalten damit den erlaubten Bereich <strong>für</strong> m 0 :<br />

(n − m 0 ) (m 0 − 1) ≥ 0 n→0<br />

−→ 0 ≤ m 0 ≤ 1. (4.14)<br />

Also gilt im Replika-Limes m 0 ∈ [0, 1].<br />

Als Test wird der bekannte Fall σ = 0 untersucht. Wenn man nun, wie in Abschnitt<br />

3.3, m 0 so bestimmt, daß (4−2π(m 0 K−m 2 0σK 2 )) = (4−2πm 0 K) maximal<br />

ist, dann erhält man den unphysikalischen Wert m 0 = 0. Richtig ist aber der Wert<br />

m 0 = 1, der hier den minimalen Wert liefert.<br />

Im folgenden soll das m 0 deshalb so berechnet werden, daß es den minimalen<br />

Wert von (4 − 2π(m 0 K − m 2 0 σK2 )) liefert. 2 Dazu betrachtet man diesen Term als<br />

2 Eine ähnliche Problematik kennt man aus dem Bereich der Replika-Symmetrie-<br />

Brechung [32], wenn statt des Minimums der freien Energie das Maximum bestimmt werden<br />

muß.


34 4 <strong>Der</strong> Replika-Limes n → 0<br />

Funktion von m 0 ∈ R. Solange das Minimum dieser Parabel in [0, 1] liegt, liefert<br />

dieses Minimum den relevanten Wert <strong>für</strong> m 0 . Sobald es allerdings jenseits von 1<br />

liegt, liefert m 0 = 1 den minimalen Wert in [0, 1]. Für m 0 erhält man also durch<br />

leichte Analysis:<br />

m 0 =<br />

{<br />

1<br />

<strong>für</strong> 1<br />

< 1<br />

2σK 2σK<br />

1<br />

1 <strong>für</strong> > 1 . (4.15)<br />

2σK<br />

Mit diesem Ergebnis scheint es so, als sei das Problem gelöst: Man kann den RG-<br />

Fluß durch ein geschlossenes Differentialgleichungssystem angeben und erkennt,<br />

daß im Parameterbereich 1/2σK < 1 andere Ladungstypen als die mit m 0 = 1<br />

eine Rolle spielen. In diesem Bereich bilden sich auch eingefrorene Ladungen aus,<br />

da Ydis 2 /Y 2 = 1 − m 0 .<br />

Allerdings hat die Eintyp-Näherung“ (bei jeder Temperatur trägt jeweils nur ein<br />

”<br />

Ladungstyp bei) essentielle Schwächen: Wenn man nun z.B. die Paarfugazität Y 2<br />

(oder auch eine der anderen Fugazitäten) ausrechnen will, so erhält man hier <strong>für</strong><br />

n → 0 einen divergenten Ausdruck (vgl. [33, 34]):<br />

( ) n − 1<br />

Y 2 = Ym 2 m 0 − 1 0<br />

=<br />

n→0<br />

∼ sin πm 0<br />

πn Y 2 m 0<br />

.<br />

Γ (n)<br />

Γ (m 0 ) Γ (n − m 0 + 1) Y 2 m 0<br />

(4.16)<br />

Das gleiche Problem tritt auf, wenn man die RG-Gleichung <strong>für</strong> die freie Energiedichte<br />

(3.21) herleitet:<br />

df<br />

dl = − 2π 1 ( ) n<br />

Ym 2 n m 0<br />

= −2π 1 ( ) n − 1<br />

Ym 2<br />

0 m 0 m 0 − 1 0<br />

n→0<br />

∼ −2π sin πm 0<br />

m 0 πn Y 2 m 0<br />

.<br />

(4.17)<br />

Einige entscheidenden Größen des Systems sind demnach nicht bestimmt. Lediglich<br />

<strong>für</strong> m 0 = 1 (dies entspricht 1/2σK > 1) sind (4.16) und (4.17) definiert, und<br />

man erhält in diesem Bereich:<br />

Y 2 = Ycon 2 = Y1 2 , (4.18)<br />

df<br />

dl = −2πY 2 . (4.19)<br />

Hier ist Y 2<br />

dis<br />

= 0, und der Einfluß von Unordnung in Form von eingefrorenen<br />

Ladungen ist somit vernachlässigbar; deshalb stimmen die RG-Gleichungen hier<br />

mit denen aus [2] überein. Insgesamt stellt man fest, daß diese Näherung <strong>für</strong> unser<br />

Problem nicht ausreicht.


£<br />

©<br />

<br />

4.2 Berücksichtigung aller Ladungstypen (Näherung I) 35<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

¤¦¥¨§<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Abbildung 4.1: Anfangsbedingung <strong>für</strong> Y in Abhängigkeit von K −1 und σ nach Gleichung<br />

(4.22).<br />

4.2 Berücksichtigung aller Ladungstypen (Näherung<br />

I)<br />

Nachdem der Lösungsansatz aus dem letzten Kapitel nur bedingt zufriedenstellende<br />

Ergebnisse liefert, berücksichtigt Scheidl [1] nun alle Vektorladungstypen<br />

auf einmal: Alle zusammen sollen gleichzeitig zum Phasenübergang beitragen;<br />

d.h. die Summen ∑ ν<br />

. . . werden explizit ausgeführt. Man erhält dann analytische<br />

Funktionen von n, so daß der Replika-Limes einfach durchgeführt werden<br />

kann. Als Beispiel behandeln wir die Summe aus der RG-Gleichung <strong>für</strong> f (3.21).<br />

<strong>Der</strong> quadratische Term in m 1,ν wird dabei durch eine Gauß-Transformation linearisiert:<br />

∑<br />

ν<br />

Y 2<br />

ν<br />

= e 4l ∑ ν<br />

{<br />

}<br />

exp −2Em 0,ν + 2Êm2 1,ν =<br />

= e ∑ [ {<br />

√ }]<br />

4l exp −2Em 0,ν + 2A 2Êm 1,ν =<br />

A<br />

ν<br />

[ ∑ (<br />

)<br />

= e 4l α<br />

exp {−2E} (qα ν ) 2 ( { √<br />

exp 2A 2Ê<br />

{qν α}≠0 { √ }<br />

= e<br />

[(1 4l + exp −2E + 2A 2Ê<br />

{ √ } ) n<br />

+ exp −2E − 2A 2Ê − 1<br />

]<br />

.<br />

A<br />

})<br />

α qα ν<br />

]<br />

A<br />

=<br />

(4.20)<br />

Dabei ist A eine gauß’sche Zufallsvariable mit Mittelwert [A] A<br />

= 0 und zweitem<br />

Moment [A 2 ] A<br />

= 1; [. . . ] 2 A<br />

stellt das Mittel bezüglich der Zufallsgröße A dar. Wie


!<br />

(<br />

(<br />

&<br />

"<br />

36 4 <strong>Der</strong> Replika-Limes n → 0<br />

()# &+*<br />

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()# &<br />

()# ('-<br />

()# ('.<br />

()# (/*<br />

()# (0"<br />

()# %<br />

&'# %<br />

"$# %<br />

Abbildung 4.2: Im relevanten Bereich kleiner Fugazitäten stimmen die beiden Kurven<br />

exp{−π 2 K/2} (durchgezogen) und exp{−π 2 K/2}/ √ 1 + 2 exp{−π 2 K} (gestrichelt)<br />

sehr gut überein.<br />

<br />

bisher gilt qν α ∈ {0, ±1}. Mit der Abkürzung<br />

{ √ }<br />

z ± = exp −2E ± 2A 2Ê<br />

(4.21)<br />

lassen sich auch die anderen Summen recht einfach darstellen (siehe Anhang C):<br />

Y 2 = 1 ∑<br />

(qν α 2<br />

Yν<br />

2 2 e4l (z + + z − ) (1 + z + + z − ) n−1] A<br />

ν<br />

n→0<br />

−→ 1 [<br />

z+ + z −<br />

2 e4l ,<br />

1 + z + + z −<br />

]A<br />

(4.22)<br />

Ydis 2 ∑<br />

qν α 2<br />

ν Yν<br />

2 2 e4l (z + − z − ) 2 (1 + z + + z − ) n−2] A<br />

ν<br />

[ (<br />

n→0<br />

−→ 1 ) ] 2 z+ − z −<br />

2 e4l ,<br />

1 + z + + z −<br />

(4.23)<br />

A<br />

Ycon 2 = Y 2 − Ydis<br />

2 n→0<br />

−→ 1 [<br />

z+ + z − + 4z + z −<br />

2 e4l (1 + z + + z − )<br />

]A<br />

2 . (4.24)<br />

In diesen Termen läßt sich der Replika-Limes problemlos durchführen. Zudem<br />

kann der Fluß der freien Energie berechnet werden, wobei f 0 = 0 als Anfangsbedingung<br />

dient (vgl. Abschnitt 3.2):<br />

[<br />

df<br />

dl = −πe4l lim<br />

n→0<br />

(1 + z + + z − ) n − 1<br />

n<br />

]<br />

A<br />

[<br />

]<br />

= −πe 4l ln (1 + z + + z − ) . (4.25)<br />

A<br />

Es ist nun nicht mehr notwendig, die ν-Summen in Gleichung (4.5) zu behandeln,<br />

da man mit den Gleichungen (4.22-4.24) explizite Darstellungen der verschiedenen<br />

Paarfugazitäten als Funktionen von E und Ê gewonnen hat. Zusammen mit


4.2 Berücksichtigung aller Ladungstypen (Näherung I) 37<br />

den folgenden RG-Gleichungen haben wir nun ein abgeschlossenes System von<br />

Differentialgleichungen, das wir mit Näherung I bezeichnen:<br />

dE<br />

= πK,<br />

dl<br />

(4.26)<br />

dÊ<br />

= π<br />

dl<br />

= πσK 2 , (4.27)<br />

dK<br />

= −4π 3 K 2 Y 2<br />

dl<br />

con, (4.28)<br />

dσ<br />

dl = 4π3 Ydis. 2<br />

(4.29)<br />

<strong>Der</strong> RG-Fluß ist hierdurch in einem Raum der vier Variablen E, Ê, K und σ<br />

definiert. Dabei sind als Anfangswerte <strong>für</strong> K und σ die unrenormierten Werte zu<br />

nehmen; diese bestimmen die Anfangswerte E = (π 2 /2)K und Ê = (π2 /2)σK 2 .<br />

Durch die Gleichungen (4.22-4.24) kann man mit l = 0 die Anfangswerte der<br />

Fugazitäten in Abhängigkeit von K und σ berechnen.<br />

Die Anfangswerte <strong>für</strong> Y sind in Abb. 4.1 dargestellt. Man erkennt dabei, daß<br />

Y auch <strong>für</strong> K −1 = 0 mit steigendem σ auf endliche Werte anwächst. Dies<br />

liegt an eingefrorenen Ladungen, die durch die Unordnung erzeugt werden, und<br />

stimmt mit unseren Überlegungen aus Abschnitt 2.2 überein. Für σ = 0 sollte<br />

die Anfangsbedingung <strong>für</strong> Y 2 durch Y 2 = exp{−π 2 K} gegeben sein; aus Gleichung<br />

(4.22) folgt aber Y 2 = exp{−π 2 K}/(1 + 2 exp{−π 2 K}). Anhand von Graphik<br />

4.2 erkennt man allerdings, daß diese beiden Ausdrücke <strong>für</strong> den hier betrachteten<br />

Bereich kleiner Fugazitäten gut übereinstimmen.<br />

Man kann die Gleichungen (4.26-4.29) durch numerische Verfahren lösen; auf<br />

analytischem Weg ist dies aufgrund der komplizierten funktionalen Abhängigkeit<br />

der Fugazitäten (4.22-4.24) von E und Ê leider nicht möglich. Deshalb wird im<br />

nächsten Abschnitt versucht, durch eine weitere Näherung diese Gleichungen auf<br />

eine einfachere Form zu bringen.


Kapitel 5<br />

Die asymptotische Näherung<br />

Da die RG-Gleichungen aus dem letzten Kapitel nicht analytisch lösbar sind,<br />

schlägt Scheidl [1] eine weitere Näherung <strong>für</strong> große Längenskalen l vor, die es<br />

ermöglicht, die RG-Gleichungen in eine Form zu bringen, in der der RG-Fluß im<br />

Raum der drei Parameter Y 2 , K und σ gegeben ist. Während wir diese Gleichungen<br />

im ersten Teil des Kapitels herleiten, folgt im zweiten Teil eine ausführliche<br />

Diskussion des resultierenden RG-Flusses.<br />

5.1 Herleitung der vereinfachten RG-Gleichungen<br />

(Näherung II)<br />

<strong>Der</strong> Arbeit Scheidls [1] folgend wenden wir eine asymptotische Näherung an: Wir<br />

entwickeln die Gleichungen um den Fixpunkt <strong>für</strong> l → ∞ und berücksichtigen<br />

nur die führenden Terme bezüglich der Skala l; alle Beiträge, die schneller mit l<br />

abnehmen, werden vernachlässigt. Dabei wird angenommen, daß eine BKT-Phase<br />

existiert, in der die Paarfugazität gegen null renormiert, wobei K und σ endliche<br />

Werte K ∞ und σ ∞ erreichen; wir bezeichnen Fixpunktwerte einer Größe h mit<br />

h ∞ = lim l→∞ h. Dann kann man das Renormierungsverhalten von E und Ê aus<br />

den Gleichungen (4.26) und (4.27) explizit angeben:<br />

K ≈ K ∞ ⇒ E ≈ πKl, (5.1)<br />

σ ≈ σ ∞ ⇒ Ê ≈ πσK2 l. (5.2)<br />

Im Rahmen der Näherung werden hier auch konstante Terme, die durch die Anfangswerte<br />

auftreten, vernachlässigt. Dadurch verliert man alle Abhängigkeiten<br />

von den Startbedingungen. Man erhält dann den folgenden Ausdruck <strong>für</strong> z ± aus<br />

Gleichung (4.21):<br />

{ ( √ )}<br />

2σ<br />

z ± = exp −2πKl 1 ∓ A . (5.3)<br />

πl


5.1 Herleitung der vereinfachten RG-Gleichungen (Näherung II) 39<br />

In Anhang D werden die resultierenden Integrale (4.22-4.24) in führender Ordnung<br />

in l berechnet:<br />

Y 2 ≈<br />

Y 2<br />

{<br />

e<br />

−2πK(1−1/2τ)l+4l<br />

<strong>für</strong> τ > 1<br />

√ σ<br />

2π 2 l<br />

πτ<br />

sin(πτ) e− π<br />

2σ l+4l <strong>für</strong> τ < 1 , (5.4)<br />

√ σ πτ(1−τ)<br />

2π 2 l sin(πτ) e− π<br />

dis ≈ {<br />

e<br />

−4πK(1−1/τ)l+4l<br />

<strong>für</strong> τ > 2<br />

Y 2<br />

con ≈<br />

{<br />

e<br />

−2πK(1−1/2τ)l+4l<br />

<strong>für</strong> τ > 1<br />

√ σ<br />

2π 2 l<br />

2σ l+4l <strong>für</strong> τ < 2 , (5.5)<br />

πτ 2<br />

sin(πτ) e− π<br />

2σ l+4l <strong>für</strong> τ < 1 , (5.6)<br />

wobei τ = 1/2Kσ ist. Ebenso kann man in dieser Näherung den RG-Fluß der<br />

freien Energiedichte f aus Gleichung (4.25) bestimmen:<br />

{<br />

df e<br />

−2πK(1−1/2τ)l+4l<br />

dl = −2π <strong>für</strong> τ > 1<br />

√ σ π<br />

2σ l+4l <strong>für</strong> τ < 1 . (5.7)<br />

2π 2 l sin(πτ) e− π<br />

Man erkennt sofort, daß diese Gleichungen nur auf großen Längenskalen gelten<br />

können, da die Ausdrücke <strong>für</strong> l → 0 divergieren; die Ursache ist darin zu sehen,<br />

daß die RG-Gleichungen durch die asymptotische Näherung praktisch ihr<br />

Gedächtnis“ an die Anfangsbedingungen verloren haben.<br />

”<br />

Trotzdem lassen sich daraus einige Größen berechnen, wobei wiederum nur die<br />

führenden Terme auf großen Längenskalen berücksichtigt werden. Die Quotienten<br />

der Fugazitäten können in dieser Näherung leicht berechnet werden:<br />

{<br />

Ycon<br />

2<br />

Y ≈ 1 <strong>für</strong> τ > 1<br />

2 τ <strong>für</strong> τ < 1 , (5.8)<br />

{<br />

Ydis<br />

2<br />

Y ≈ 0 <strong>für</strong> τ > 1<br />

2 (1 − τ) <strong>für</strong> τ < 1 . (5.9)<br />

Es ist nun auch möglich, eine einfache Form der RG-Gleichungen anzugeben,<br />

indem man die Fugazität Y 2 (5.4) nach l differenziert:<br />

dY 2<br />

dl<br />

{[ ( )]<br />

4 − 2πK 1 −<br />

1<br />

2τ Y<br />

2<br />

<strong>für</strong> τ > 1<br />

= ( )<br />

4 −<br />

π<br />

2σ Y 2 − 1 Y 2 <strong>für</strong> τ > 1 . (5.10)<br />

2l


40 5 Die asymptotische Näherung<br />

Man erhält ein gekoppeltes Differentialgleichungssystem in den Größen Y 2 , K<br />

und σ, das wir im folgenden Näherung II nennen:<br />

dY 2<br />

= [4 − 2πKτ ∗ (1 − τ ∗ σK)] Y 2 ,<br />

dl<br />

(5.11)<br />

dK<br />

= −4π 3 τ ∗ K 2 Y 2 ⇔ dK−1<br />

= 4π 3 τ ∗ Y 2 ,<br />

dl<br />

dl<br />

(5.12)<br />

dσ<br />

dl = 4π3 (1 − τ ∗ ) Y 2 , (5.13)<br />

df<br />

dl = −2π 1<br />

τ Y 2 , ∗ (5.14)<br />

mit τ ∗ = min {τ, 1} , τ = 1<br />

2Kσ .<br />

Diese RG-Gleichungen stimmen exakt mit denen überein, die auch Tang [28] <strong>für</strong><br />

den Grenzfall großer Skalen herleitet.<br />

Da in diesen Gleichungen keine Probleme mehr <strong>für</strong> l → 0 auftreten, stellt sich<br />

die Frage, ob sie <strong>für</strong> kleine Fugazitäten trotz der asymptotischen Approximation<br />

auch auf endlichen Skalen gültig sind. Diese Möglichkeit wird dadurch gestützt,<br />

daß die Gleichungen <strong>für</strong> σ = 0 mit denen des reinen Systems [6] und <strong>für</strong> τ > 1 mit<br />

denen aus [2] übereinstimmen. Interessanterweise stimmen (5.11-5.13) auch mit<br />

den RG-Gleichungen (4.11-4.13) der Eintyp-Näherung aus Abschnitt 4.1 überein.<br />

Im weiteren (Kapitel 6) werden diese Gleichungen auf endlichen Renormierungsskalen<br />

l im gesamten Parameterbereich daraufhin untersucht, ob die Ergebnisse,<br />

die sie liefern, physikalisch vernünftig sind.<br />

5.2 Eigenschaften des RG-Flusses<br />

In diesem Abschnitt werden wir einige Eigenschaften der RG-Gleichungen (5.11-<br />

5.13) untersuchen. Insbesondere werden die Fixpunkte sowie der qualitative Verlauf<br />

des Flusses diskutiert.<br />

Man erkennt sofort, daß Y 2 = 0 eine Fixpunktebene der Gleichungen darstellt;<br />

wie im reinen Fall befindet sich das System in der BKT-Phase, falls die Fugazität<br />

gegen null renormiert. Dies ist der Fall, wenn das Vorzeichen in der RG-Gleichung<br />

der Fugazität negativ ist. Daher ist die Phasengrenze <strong>für</strong> die renormierten Werte<br />

bei l → ∞ durch die folgende Gleichung bestimmt:<br />

4 − 2πK ∞ τ∞ ∗ (1 − τ∞σ ∗ ∞ K ∞ ) = 0<br />

}<br />

mit τ∞ {1, ∗ = min 1<br />

τ ∞ =<br />

2K ∞ σ ∞<br />

⇔<br />

(5.15)<br />

{ ( )<br />

K∞<br />

−1 1 −<br />

2<br />

π<br />

σ ∞ =<br />

K−1 ∞ <strong>für</strong> τ ∞ > 1<br />

π<br />

<strong>für</strong> τ<br />

8 ∞ < 1 .


6<br />

M<br />

M<br />

5.2 Eigenschaften des RG-Flusses 41<br />

MNGQP<br />

MNGJR<br />

MNGLK<br />

798;:=@?BADC,E<br />

MNGF<br />

MNGQP MNGJO<br />

FHGLK FHGJI<br />

Abbildung 5.1: Analyse der Flußgleichungen (4.11-4.13) aus Näherung II. Die durchgezogenen<br />

Linien zeigen die Grenze der BKT-Phase <strong>für</strong> Y 2 → 0 sowie die Linie τ = 1.<br />

Die gestrichelte Linie ist die Phasengrenze <strong>für</strong> endliche Anfangswerte der Fugazität<br />

nach (4.22). Die gepunkteten Linien sind Projektionen von Trajektorien, die auf der<br />

kritischen Fläche laufen, in die K −1 -σ-Ebene.<br />

13254<br />

Dies ist in Abbildung 5.1 dargestellt. Man erkennt sofort, daß die Ergebnisse<br />

<strong>für</strong> den Grundzustand aus Abschnitt 2.2 im Limes K −1 → 0 mit denen aus den<br />

RG-Gleichungen gewonnenen Resultaten übereinstimmen: Die Unordnungsstärke<br />

σ = π/8 ist der maximale Wert, bei dem noch quasi-langreichweitige Ordnung<br />

existieren kann.<br />

Diese Phasengrenze <strong>für</strong> Y 2 = 0 gilt vermutlich nicht nur in asymptotischer Näherung,<br />

denn aufgrund folgender Überlegung ist plausibel, daß sie auch <strong>für</strong> die<br />

ursprünglichen Gleichungen (4.26-4.29) in Näherung I gelten sollte: Man startet<br />

mit einer Trajektorie an einem beliebigen Anfangswert innerhalb der BKT-Phase;<br />

diese läuft mit wachsendem l gegen Y 2 = 0. Irgendwann läuft diese Trajektorie<br />

dann in den Gültigkeitsbereich der asymptotischen Näherung, und das Verhalten<br />

<strong>für</strong> Y 2 ≈ 0 wird dadurch richtig beschrieben. Dies ist in den Gleichungen (4.26-<br />

4.29) leider nicht direkt erkennbar, da Y 2 selbst darin nicht vorkommt.<br />

Man erhält also eine kritische Fläche, die durch die marginalen Trajektorien gegeben<br />

ist, die gerade noch gegen Y = 0 laufen. Anhand einiger auf ihr verlaufender<br />

Trajektorien ist dies in Abb. 5.2 dargestellt.<br />

Da die inverse Kopplung K −1 und die Unordnungsstärke σ im Laufe der Renormierung<br />

steigen, sollten die kritischen Werte Kc<br />

−1 und σ c , an denen der Übergang<br />

stattfindet, immer unterhalb der Grenzlinie (5.15) liegen; insbesondere gilt:<br />

K −1<br />

c < π 2<br />

und σ c < π 8 . (5.16)


Y<br />

Y[Z]\<br />

Y[ZL^<br />

Y[Z_<br />

Y[Z]`<br />

S<br />

T<br />

Y<br />

42 5 Die asymptotische Näherung<br />

Y[Zba<br />

Y[Zba<br />

Y[Z]`<br />

Y[Z^<br />

Y[Z_<br />

Y[Ze<br />

Y[ZL^<br />

aBZ`<br />

UWVX<br />

YcZ\<br />

aBZd<br />

Abbildung 5.2: In dieser Graphik ist anhand von ausgewälten Trajektorien (gepunktete<br />

Linien) die kritische Fläche dargestellt. Außerdem sind in gestrichelten Linien die Linie<br />

τ = 1 und die Phasengrenze <strong>für</strong> Y 2 → 0 eingezeichnet.<br />

Die ”<br />

physikalische“ Phasengrenze erhalten wir durch numerische Integration der<br />

RG-Gleichungen (5.11-5.13), wobei man die Anfangsbedingung <strong>für</strong> Y 2 aus Gleichung<br />

(4.22) erhält. Die Phasengrenze ist in Abb. 5.1 dargestellt. Man erkennt,<br />

daß dieser aus der asymptotischen Näherung gewonnene RG-Fluß zu ”<br />

reentrance“-Verhalten<br />

führt, da der kritische Wert <strong>für</strong> σ mit kleinen K −1 wieder abfällt.<br />

Wie in der Einleitung bereits diskutiert, wurde dies aber noch nie experimentell<br />

oder in numerischen Simulationen beobachtet.<br />

Wenn man nun das Verhalten innerhalb der BKT-Phase betrachtet, stellt man<br />

schon anhand der RG-Gleichungen fest, daß hier zwei verschiedene Bereiche existieren,<br />

die durch τ = 1 getrennt sind. Dies ist besonders deshalb von Interesse,<br />

da eine solche Grenze in den ursprünglichen RG-Gleichungen (4.26-4.29) nicht zu<br />

erkennen ist.<br />

Wir stellen fest, daß <strong>für</strong> τ < 1 die Unordnungsstärke zu größeren Werten hin renormiert.<br />

Wie in Kapitel 3 dargelegt, kommt die Renormierung von σ nur durch<br />

das Ausintegrieren von kleinen Paaren zustande. Eigentlich würde man erwarten,<br />

daß durch thermische Ladungen die Unordnung abgeschirmt wird und dadurch<br />

dieser Prozeß ein gegenteiliges Ergebnis liefern sollte. Es muß allerdings beachtet<br />

werden, daß nicht σ selbst die relevante Größe <strong>für</strong> die Abschirmung ist, sondern<br />

wie man aus den bisherigen Rechnungen weiß, das Produkt σK 2 wegen der Abschirmung<br />

zu kleineren Werten renormiert; dies ist natürlich immer noch möglich,<br />

wenn σ unter Renormierung steigt.<br />

Innerhalb des Gebiets τ < 1 kann man nochmals einen Bereich getrennt untersuchen:<br />

Während es <strong>für</strong> Anfangswerte mit 1/2 < τ < 1 grundsätzlich möglich<br />

ist, daß die Parameter im Laufe der Renormierung die Linie τ = 1 überschreiten,<br />

bleiben <strong>für</strong> Startwerte mit τ < 1/2 auch die renormierten Parameter in diesem<br />

Bereich. Dies ist dadurch zu begünden, daß nach den RG-Gleichungen (5.12) und<br />

(5.13) die Unordnungsstärke σ in diesem Gebiet immer schneller unter Renor-


5.2 Eigenschaften des RG-Flusses 43<br />

mierung steigt als die inverse Kopplungskonstante K −1 . Quantitativ wird das<br />

anhand der folgenden Rechnung deutlich:<br />

) (− K−1 dK −1<br />

= 4π 3 τ (<br />

σ Y 2 τ − 1 + τ<br />

dτ<br />

dl = 1 2<br />

σ 2<br />

dσ<br />

dl + 1 σ<br />

= 4π 3 τ (<br />

σ Y 2 τ − 1 ) {<br />

> 0, <strong>für</strong> τ > 1 2<br />

=<br />

.<br />

2 < 0, <strong>für</strong> τ < 1 2<br />

dl<br />

σ<br />

)<br />

=<br />

} K{{ −1<br />

}<br />

1<br />

2τ<br />

(5.17)<br />

Folglich fällt der Wert <strong>für</strong> τ = K −1 /2σ im Bereich τ < 1/2 immer unter Renormierung,<br />

und somit gilt auf einer RG-Trajektorie, die dort startet, auch immer<br />

τ < 1/2.<br />

Für die verschiedenen Gebiete des Parameterbereichs lassen sich zusätzlich Konstanten<br />

der Bewegung angeben. Offensichtlich gilt <strong>für</strong> τ > 1:<br />

σ = konst. (5.18)<br />

Analog dazu erhält man <strong>für</strong> τ < 1:<br />

K − σK 2 = konst. (5.19)<br />

Durch diese Gleichungen sind die Projektionen der Trajektorien in die K-σ-Ebene<br />

schon bestimmt; dies ist in Abb. 5.1 anhand einiger Trajektorien dargestellt. Wie<br />

sich durch Einsetzen der Differentialgleichungen (5.11-5.13) einfach zeigen läßt,<br />

sind die noch fehlenden Konstanten wie folgt gegeben:<br />

(<br />

Y 2 − π −3 K −1 − π 2 σK + π )<br />

2 ln K = konst. <strong>für</strong> τ > 1, (5.20)<br />

(<br />

Y 2 − π −3 K −1 + σ + π )<br />

4 ln K = konst. <strong>für</strong> τ < 1. (5.21)<br />

Dadurch sind die Trajektorien im gesamten Gültigkeitsbereich der RG-Gleichungen<br />

bestimmt.<br />

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß <strong>für</strong> den Parameterbereich τ < 1 die<br />

RG-Gleichungen deutlich von denen des reinen Systems abweichen, wohingegen<br />

im restlichen Bereich die Eigenschaften des Systems mit Unordnung denen des<br />

reinen Systems sehr ähnlich sind, da hier σ unter Renormierung konstant bleibt.<br />

Die Unordnung hat also starken Einfluß im Bereich τ < 1, und zwar in Form<br />

von eingefrorenen Ladungen. Sobald allerdings die Linie τ = 1 überschritten<br />

wird, existieren keine großen, eingefrorenen Ladungspaare mehr, die das kritische<br />

Verhalten beeinflussen. Dies wird in Abschnitt 7.2 anhand der Korrelationsfunktionen<br />

vertieft.<br />

Nun ist es möglich, die Näherung von Rubinstein et al. [2] physikalisch zu interpretieren:<br />

Die Existenz von eingefrorenen (unordnungserzeugten) Ladungen wird


44 5 Die asymptotische Näherung<br />

dort völlig vernachlässigt, was <strong>für</strong> kleine Temperaturen (τ < 1) offensichtlich<br />

falsch ist, da in diesem Bereich auch diese Ladungen einen Teil der Abschirmung<br />

ausmachen. Insbesondere ist der Grundzustand in [2] im Gegensatz zu unseren<br />

Überlegungen aus Abschnitt 2.2 ladungsfrei.


Kapitel 6<br />

Vergleich von Näherung I mit<br />

Näherung II<br />

In diesem Kapitel werden wir die beiden Näherungen I und II vergleichen. Dazu<br />

betrachten wir die Phasengrenze und die Entropiedichte. Wir untersuchen die<br />

RG-Gleichungen besonders darauf, ob sie zu negativen Entropiedichten führen,<br />

was ihre Fehlerhaftigkeit anzeigt.<br />

Im ersten Teil wird deshalb die Entropiedichte in Näherung II bestimmt, während<br />

wir im zweiten Teil sowohl die Phasengrenze als auch die Entropiedichte, die die<br />

RG-Gleichungen aus Näherung I liefern, durch numerische Verfahren berechnen.<br />

6.1 Berechnung der Entropiedichte in asymptotischer<br />

Näherung<br />

In diesem Abschnitt wird die Entropiedichte in Näherung II berechnet, um deren<br />

Korrektheit zu überprüfen, da eine negative Entropiedichte einen deutlichen<br />

Hinweis auf fehlerhafte RG-Gleichungen liefert.<br />

Um die Entropiedichte zu bestimmen, sind zunächst einige allgemeine Vorüberlegungen<br />

durchzuführen. Wir betrachten dazu das Renormierungsverhalten der<br />

gesamten freien Energiedichte anhand von Gleichung (3.22):<br />

f a (K 0 , σ 0 , Y 0 ) f g (K 0 , σ 0 , Y 0 ) = e −2l f g (K(l), σ(l), Y (l)) + f(l) =<br />

= lim e −2l f g (K(l), σ(l), Y (l)) +f ∞ , (6.1)<br />

l→∞<br />

} {{ }<br />

=0,wegen Y ∞=0<br />

wobei vorausgesetzt wird, daß man sich innerhalb der BKT-Phase befindet, also<br />

Y ∞ = 0. Damit läßt sich grundsätzlich die freie Energie des Systems berechnen,<br />

indem man die Differentialgleichungen (5.11-5.14) bis l = ∞ aufintegriert und<br />

die Größe f ∞ erhält, die natürlich von den Startwerten K 0 , σ 0 und Y0 2 abhängt;<br />

als Anfangswert muß dabei f 0 = 0 gewählt werden.


jcpqBr<br />

j[p]q<br />

jcpsitr<br />

j[pbi<br />

jcp]j5r<br />

j<br />

j<br />

l<br />

46 6 Vergleich von Näherung I mit Näherung II<br />

fhg$iHjBj5k<br />

jcp]u<br />

j[p]q<br />

j[pLw<br />

j[psi<br />

j[pv<br />

mWno<br />

iBp]q<br />

Abbildung 6.1: Hier ist S(100) innerhalb der BKT-Phase aufgetragen.<br />

Ähnlich verhält es sich mit der Entropiedichte (die freie Energiedichte wurde mit<br />

einem zusätzlichen Faktor 1/T definiert!):<br />

S = − ∂ (<br />

)<br />

T f g (K 0 , σ 0 , Y 0 ) = − ∂<br />

∂T<br />

∂T (T f ∞) . (6.2)<br />

Wir müssen dabei beachten, daß nicht die Temperatur renormiert wird, sondern<br />

lediglich die Kopplungskonstante K(l) = J(l)/T , das heißt, es gilt dT/dl = 0. Die<br />

Temperatur ist dann durch den Anfangswert der Kopplungskonstante bestimmt:<br />

T = K0 −1 (mit J 0 = 1).<br />

Gleichung (6.2) gilt natürlich streng nur dann, wenn die RG-Gleichungen exakt<br />

sind. Unsere Gleichungen sind allerdings lediglich Näherungen, wobei zudem der<br />

Replikatrick ohne Symmetrie-Brechung verwendet wurde. Die Entropiedichte soll<br />

deshalb dazu dienen, die Korrektheit der gefundenen Gleichungen zu überprüfen.<br />

Falls die RG-Gleichungen zu einem negativen Wert führen, zeigt dies an, daß<br />

die verwendeten Näherungen nicht gut genug sind; dies ist zum Beispiel aus der<br />

Behandlung des Sherrington-Kirkpatrick-Spinglases (vgl. [31]) bekannt, wo die<br />

Replika-symmetrische Lösung nicht ausreicht, und Replika-Symmetrie-Brechung<br />

notwendig wird. Daher wird nun untersucht, ob die RG-Gleichungen zu negativen<br />

Werten der Entropiedichte führen können, oder ob sie immer positiv ist.<br />

Dazu wird die Hilfsgröße S(l) eingeführt, wobei die Entropiedichte selbst durch<br />

S = S ∞ gegeben ist:<br />

S(l) = − ∂ [ ]<br />

T f (l) . (6.3)<br />

∂T<br />

Diese Größe kann als der Beitrag zur Entropiedichte interpretiert werden, der<br />

durch Paare mit einer Ausdehnung kleiner als a 0 e l zustande kommt. Da f 0 = 0<br />

(vgl. (6.1)) unabhängig von den anderen Startwerten gilt, ist auch S 0 = 0. Im<br />

folgenden soll die erste Ableitung der Größe S(l) betrachtet werden; man erhält


†<br />

†<br />

|[ƒ]||B|„<br />

|[ƒ]||B|5…<br />

|<br />

<br />

6.1 Berechnung der Entropiedichte in asymptotischer Näherung 47<br />

xzy0{}|B|5~<br />

|cƒ]|B||5…<br />

|cƒ]|B||„<br />

|[ƒ]‡B…<br />

|cƒ]|B‡<br />

|cƒ]‡B‡<br />

|[ƒ|B‰<br />

|cƒ]|Bˆ<br />

|[ƒ‡„<br />

€W‚<br />

|[ƒb{t…<br />

Abbildung 6.2: Hier ist S(100) im Bereich sehr kleiner τ dargestellt.<br />

mit Gleichung (5.14):<br />

d<br />

dl S(l) = − ∂<br />

∂T<br />

(<br />

T df<br />

dl<br />

)<br />

= 2π ∂<br />

∂T<br />

(<br />

T 1<br />

τ ∗ Y 2 )<br />

. (6.4)<br />

Man muß also den Ausdruck (2πT Y 2 (l)/τ ∗ (l)) bei festem l als Funktion des<br />

Anfangswertes T = 1/K 0 untersuchen und entscheiden, ob diese Funktion fällt<br />

oder steigt. Falls dieser Ausdruck <strong>für</strong> alle Parameter und Skalen l positiv ist, so<br />

steigt die Hilfsgröße S(l) immer unter Renormierung und bleibt wegen S 0 = 0<br />

positiv; dann hat auch die Entropiedichte S = S ∞ einen positiven Wert. Um das<br />

zu verifizieren, wird zuerst die strenge Monotonie des Logarithmus ausgenutzt:<br />

(6.4) hat dasselbe Vorzeichen wie<br />

(<br />

∂<br />

∂T ln T 1 )<br />

τ Y 2 . (6.5)<br />

∗<br />

Die Schwierigkeit besteht nun darin, daß die Funktionen τ ∗ (l) und Y 2 (l) implizit<br />

von den Anfangswerten, also insbesondere von T = K0 −1 , abhängen. Deshalb wird<br />

der Ausdruck (6.5) zuerst nur <strong>für</strong> l = 0 betrachtet; hier ist lediglich die Fugazität<br />

von der Temperatur abhängig, wobei im allgemeinen ∂Y 0 /∂T ≥ 0 gilt. 1 Weiter<br />

ist K 0 = 1/T (J 0 = 1!), und man erhält:<br />

∂<br />

∂T ln T ∣ {<br />

∣∣∣l=0 1<br />

<strong>für</strong> τ > 1<br />

T<br />

=<br />

τ ∗ 0 <strong>für</strong> τ < 1 . (6.6)<br />

Somit läßt sich die folgende Ungleichung angeben:<br />

(<br />

∂<br />

∂T ln T 1 ) ∣<br />

∣∣∣l=0<br />

τ Y 2 = ∂ ( ) ∣ T ∣∣∣l=0<br />

+ 1<br />

∂Y 2<br />

∗ ∂T τ ∗ Y 2 ∂T ∣<br />

} {{ } } {{<br />

l=0<br />

}<br />

≥0<br />

≥0<br />

1 Die genaue Abhängigkeit Y (T ) folgt aus (4.22).<br />

≥ 0,<br />

(6.7)


48 6 Vergleich von Näherung I mit Näherung II<br />

und es gilt dS ∣<br />

dl l=0<br />

≥ 0.<br />

Falls es nun möglich ist, über das Vorzeichen von (6.5) bei endlichen l eine Aussage<br />

zu treffen, so läßt sich entscheiden, wie sich die Entropiedichte in Näherung<br />

II verhält. Deshalb wird der Ausdruck (6.5) erneut nach l abgeleitet; wir<br />

beschränken uns zunächst auf den Fall τ > 1 (⇒ τ ∗ = 1) und erhalten mit der<br />

RG-Gleichung (5.11) <strong>für</strong> Y 2 den Ausdruck<br />

∂<br />

∂T<br />

(<br />

d<br />

dl ln T 1 )<br />

τ∗ Y 2 = −2π ∂<br />

∂T<br />

(<br />

K − σK<br />

2 ) <strong>für</strong> τ > 1. (6.8)<br />

Im Bereich τ > 1 ist σ = σ 0 eine Konstante, da die Unordnungsstärke hier<br />

nicht renormiert wird; außerdem bleibt die Bedingung τ > 1 während der Renormierung<br />

bestehen, wenn sie, wie oben angenommen, <strong>für</strong> die Anfangswerte gilt.<br />

Ausdruck (6.8) wird folglich zu<br />

∂K<br />

−2π (1 − 2σK)<br />

} {{ } ∂T<br />

>0, da τ>1<br />

<strong>für</strong> τ > 1. (6.9)<br />

In Anhang E wird gezeigt, daß im Gebiet τ > 1 auf beliebiger Skala l die Ungleichung<br />

∂K < 0 gilt, woraus folgt, daß (6.9) und damit (6.4) <strong>für</strong> alle l positiv sind.<br />

∂T<br />

Leider ist kein analoges Argument <strong>für</strong> das Verhalten der Entropiedichte im Bereich<br />

τ < 1 bekannt. Scheidl [1] behauptet, analytisch zeigen zu können, daß (6.8)<br />

und damit (6.4) auch <strong>für</strong> τ < 1 positiv bleiben, und schließt daraus, daß die vorhergesagte<br />

Entropiedichte im gesamten Parameterbereich positiv ist.<br />

Deshalb versuchen wir nun, dieses Problem numerisch zu behandeln: Wir integrieren<br />

die RG-Gleichungen (5.11-5.13) zusammen mit (6.4) bis zu einer endlichen<br />

Skala numerisch auf. Dadurch berechnen wir die Größe S(l = 100); zudem überprüfen<br />

wir die Stabilität der Ergebnisse gegenüber der Variation der Renormierungsskala<br />

l. Dabei stellt sich heraus, daß die Beziehung S(50) = S(100) = S(150)<br />

numerisch exakt ist. Wir nehmen also an, daß S = S ∞ ≈ S(100) gilt. Das Ergebnis<br />

ist im Bereich der BKT-Phase in Abb. 6.1 aufgetragen.<br />

Für kleine Temperaturen und Unordnungsstärken verschwindet die Entropiedichte,<br />

da dort höchstens kleine Ladungspaare im System sind. In der Nähe der Phasengrenze<br />

ändert sich dies: Für τ > 1 nimmt die Entropiedichte positive Werte<br />

an, während wir <strong>für</strong> sehr kleine τ feststellen, daß die Entropiedichte negativ wird<br />

(siehe Abb. 6.2).<br />

Diese Eigenschaft des RG-Flusses wird bei folgender Modifikation der Anfangsbedingungen<br />

noch deutlicher: Bisher wurden die Anfangsbedingungen immer so<br />

gewählt, daß sie das 2D XY-Modell in der Villain-Näherung beschreiben. Will<br />

man dagegen ein 2D CG mit fester, mittlerer Teilchendichte durch diese RG-<br />

Gleichungen beschreiben, so muß man lediglich andere Anfangsbedingungen vorgeben.<br />

Wählt man also die Anfangsbedingung von Y 2 = konst. unabhängig von<br />

K −1 und σ, so ist die Entropie <strong>für</strong> τ > 1 positiv und <strong>für</strong> τ < 1 negativ. Daß die<br />

Verletzung der Bedingung S ≥ 0 <strong>für</strong> das Villain-Modell weniger ausgeprägt ist,


ž<br />

ž<br />

6.2 Numerische Untersuchung der Flußgleichungen in Näherung I 49<br />

žN›Q<br />

žN›J¡<br />

žN›L<br />

Ž ;‘=’”“–•B—D˜/<br />

žN›š<br />

žN›Q<br />

žN›JŸ<br />

šH›L šD›Jœ<br />

Š3‹5Œ<br />

Abbildung 6.3: Die durchgezogene Linie gibt die Phasengrenze bei Y 2 = 0 an; die<br />

untere gestrichelte Linie ist die Phasengrenze des Villain-Modells, und die gestichelte<br />

Linie dazwischen zeigt die Fixpunktwerte (l = 100) einer Linie, die ein Prozent<br />

unterhalb der Phasengrenze liegt.(Ausführliche Erklärung im Text)<br />

liegt daran, daß zum einen die unrenormierte Fugazität <strong>für</strong> kleine Temperaturen<br />

und Unordnungsstärken schon exponentiell klein ist und sie zum anderen mit der<br />

Temperatur ansteigt, wie aus Gleichung (4.22) hervorgeht.<br />

Das Auftreten einer negativen Entropiedichte weist auf die Fehlerhaftigkeit der<br />

RG-Gleichungen hin. Dabei wird die Frage nach Replika-Symmetrie-Brechung besonders<br />

deshalb interessant, da Tang [28] <strong>für</strong> große l die gleichen RG-Gleichungen<br />

wie in Näherung II ohne Verwendung des Replikatricks herleitet. Andererseits ist<br />

es auch möglich, daß die asymptotische Näherung zu diesem Fehler führt. Um dies<br />

zu überprüfen, werden wir im folgenden Abschnitt die RG-Gleichungen (4.26-<br />

4.29) zur numerischen Bestimmung der Entropiedichte verwenden.<br />

6.2 Numerische Untersuchung der Flußgleichungen<br />

in Näherung I<br />

In diesem Abschnitt werden sowohl die Phasengrenze als auch die Entropiedichte<br />

mit Hilfe der RG-Gleichungen in Näherung I bestimmt, um die Ergebnisse am Ende<br />

mit denen aus Näherung II zu vergleichen (Abschnitt 5.2 bzw. 6.1). Aufgrund<br />

der komplizierten Struktur dieser Gleichungen verwenden wir dabei numerische<br />

Hilfsmittel.<br />

Ein Ergebnis aus Abschnitt 5.2 war, daß die asymptotisch genäherten Gleichungen<br />

zu ”<br />

reentrance“-Verhalten führen. Dies gilt allerdings als unphysikalisch (Abschnitt<br />

1.3); wir untersuchen deshalb, ob es sich dabei um ein Artefakt der asym-


¥<br />

³<br />

³<br />

50 6 Vergleich von Näherung I mit Näherung II<br />

³N°Qµ<br />

³N°J<br />

³N°L²<br />

¦ §;¨=©”ª–«B¬D­/®<br />

³N°¯<br />

³N°Qµ<br />

³N°J´<br />

¯H°L² ¯D°J±<br />

Abbildung 6.4: Neben der Phasengrenze <strong>für</strong> Y 2 = 0 und Phasengrenze des Villain-<br />

Modells in Näherung I ist die Phasengrenze, die aus den asymptotischen Gleichungen<br />

(Näherung II) gefunden wurde, zum Vergleich dargestellt. Für σ < 0.3 stimmen die<br />

Ergebnisse aus Näherung I und II gut überein; <strong>für</strong> σ > 0.3 erkennt man qualitative<br />

Unterschiede (siehe Text).<br />

¢3£5¤<br />

ptotischen Näherung handelt.<br />

Dazu werden die RG-Gleichungen (4.26-4.29) bis zur Skala l = 100 numerisch<br />

integriert, 2 und anhand des renormierten Wertes Y 2 (100) entscheiden wir, ob<br />

ein Punkt innerhalb (Y 2 → 0) oder außerhalb (Y 2 → ∞) der BKT-Phase liegt.<br />

Technisch geschieht dies, indem wir einen Schwellenwert (≈ 10 −10 ) vorgeben und<br />

einen Punkt im Parameterraum zur BKT-Phase zählen, falls der renormierte<br />

Wert Y (100) darunter liegt.<br />

Dabei treten im Bereich sehr kleiner Temperaturen und größerer Unordnungsstärken<br />

Probleme auf, da die Integranden aus den Termen (4.22-4.24) mit wachsenden<br />

Werten <strong>für</strong> E und Ê singulär werden, wodurch die Integrationsroutinen die Werte<br />

nicht hinreichend genau bestimmen können.<br />

Darüber hinaus ist die numerische Lösung <strong>für</strong> Startwerte, die außerhalb der BKT-<br />

Phase, aber sehr nahe an der kritischen Fläche liegen, im Bereich σ 0.3 instabil.<br />

Dies liegt daran, daß eine solche Trajektorie bis zu sehr großen Längenskalen bei<br />

kleinen Fugazitäten verweilt und erst dann zu großen Fugazitäten läuft. Mit unserem<br />

Verfahren zählen wir solche Trajektorien also zur BKT-Phase; das hat zwar<br />

nur einen geringen Einfluß auf die gefundene Phasengrenze, aber wir können nicht<br />

erwarten, daß die renormierten Werte <strong>für</strong> K −1 und σ auf der Phasengrenze <strong>für</strong><br />

Y 2 = 0 aus Gleichung (5.15) liegen. Für σ 0.3 ist es jedoch empirisch Fall.<br />

2 Dabei werden sowohl zur Auswertung der Integrale in (4.23,4.24) als auch zur Lösung<br />

des Differentialgleichungssystems numerische Routinen verwendet, die in der NAG-Library [35]<br />

bereitgestellt werden.


ºcÀ]ºBÁ<br />

ºcÀ]ºBÂ<br />

ºcÀ]ºÃ<br />

ºcÀ]º5Ä<br />

º<br />

º<br />

¼<br />

6.2 Numerische Untersuchung der Flußgleichungen in Näherung I 51<br />

·h¸$¹HºBº5»<br />

ºcÀ]Å<br />

º[À]Ä<br />

ºcÀÃ<br />

º[Àb¹<br />

º[ÀÁ<br />

½W¾¿<br />

¹BÀ]Ä<br />

Abbildung 6.5: Hier ist die Größe S(100) ≈ S <strong>für</strong> die RG-Gleichungen aus Näherung I<br />

dargestellt; an der Phasengrenze steigt die Entropiedichte stark an.<br />

Wegen dieser Instabilität betrachten wir eine Linie von Startwerten, die ein wenig<br />

innerhalb der BKT-Phase liegen, und verfolgen deren renormierte Werte; diese<br />

Linie wird dabei erzeugt, indem wir die Punkte der Phasengrenze verwenden<br />

und sowohl die Unordnungsstärke als auch die inverse Kopplungskonstante um<br />

ein Prozent verringern. In Abb. 6.3 sind neben der Phasengrenze und der entsprechenden<br />

Linie <strong>für</strong> Y 2 = 0 (5.15) auch die renormierten Punkte zu diesen<br />

Startwerten dargestellt. Die letzteren liegen wie erwartet unterhalb der Phasengrenze<br />

<strong>für</strong> Y 2 = 0.<br />

Um diese Ergebnisse mit denen aus Näherung II zu vergleichen, sind in Abb. 6.4<br />

beide Phasengrenzen aufgetragen. Dabei erkennt man, daß bei Unordnungsstärken<br />

σ 0.3 die Übergangstemperaturen identisch sind; ein reentrance“-Verhalten<br />

”<br />

wie in Näherung II kann in Näherung I nicht festgestellt werden.<br />

Im zweiten Teil dieses Abschnitts untersuchen wir nochmals die Entropiedichte,<br />

nun unter Verwendung der RG-Gleichungen in Näherung I, darauf, ob sie immer<br />

positiv ist. Die allgemeinen Überlegungen können wir dabei aus Abschnitt 6.1<br />

übernehmen. Die Renormierung der Hilfsgöße S(l) ist nach wie vor durch den<br />

ersten Teil der Gleichung (6.4) gegeben; es ist lediglich zu beachten, daß die<br />

Renormierung von f nun durch die Gleichung (4.25) bestimmt wird:<br />

d<br />

dl S(l) = − ∂<br />

∂T<br />

(<br />

T df<br />

dl<br />

)<br />

= πe 4l ∂<br />

∂T<br />

(<br />

T<br />

[<br />

ln (1 + z + + z − )<br />

]<br />

A<br />

)<br />

. (6.10)<br />

Diese Gleichung wird zusammen mit den restlichen RG-Gleichungen aus Abschnitt<br />

4.2 numerisch integriert. Als Ergebnis ist S(100) in Abb. 6.5 dargestellt.<br />

Hier treten die gleichen numerischen Probleme bei kleinen Temperaturen und<br />

großen Unordnungsstärken auf wie vorher bei der Berechnung der Phasengrenze;<br />

leider betreffen sie genau den Bereich, in dem die asymptotisch genäherten Gleichungen<br />

die negative Entropie liefern.<br />

Es gibt aber einen anderen Hinweis darauf, daß die Entropie auch in Näherung<br />

I negativ wird: Wenn wir wie in Abschnitt 6.1 die Anfangsbedingungen so


Ñ<br />

Ñ<br />

É<br />

È<br />

Ë<br />

É<br />

52 6 Vergleich von Näherung I mit Näherung II<br />

ÆhÇ$ÈHÉBÉ5Ê<br />

ÉcÏ]ÉÐ<br />

ÉcÏ]ÉÐ<br />

ÉcÏ]ÉBÒ<br />

É[ÏbÈ<br />

ÈÏÕ<br />

É[ÏÔ<br />

ÉcÏ]Ó<br />

É[Ï]Õ<br />

ÌWÍÎ<br />

Abbildung 6.6: Hier ist S(100) aufgetragen, das sich ergibt, wenn man die Startwerte<br />

E = 5π 2 /8 und Ê = 5π2 /32 unabhängig von K und σ wählt.<br />

abändern, daß die Fugazität unabhängig von Temperatur und Unordnungsstärke<br />

einen konstanten Wert annimmt, 3 so erhält man einen Bereich, in dem die Entropie<br />

klar negativ wird. Dieser Bereich in der BKT-Phase ist zwar nicht wie in<br />

Abschnitt 6.1 genau durch τ < 1 gegeben, allerdings stimmt das qualitative<br />

Verhalten damit überein. Die entsprechende Entropiedichte ist in Abb. 6.6 dargestellt.<br />

Bei einem genaueren Vergleich der berechneten Entropiedichten mit den Werten<br />

aus der asymptotischen Näherung stellen wir fest, daß das qualitative Verhalten<br />

zwar ähnlich ist, jedoch keine quantitative Übereinstimmung vorliegt.<br />

Zusammenfassend können wir die folgenden Aussagen treffen: Durch die Verwendung<br />

der ursprünglichen RG-Gleichungen (Näherung I) ist eine Phasengrenze<br />

gegeben, die kein ”<br />

reentrance“-Verhalten aufweist. Allerdings stellt sich heraus,<br />

daß die Entropie auch hier ein unphysikalisches Verhalten zeigt; es ist aber nicht<br />

klar, woran dies liegt. Ein möglicher Grund könnte die vernachlässigte Replika-<br />

Symmetrie-Brechung sein.<br />

Die Korrektheit der RG-Gleichungen (4.26-4.29) im gesamten Parameterbereich<br />

ist also nach wie vor fraglich. Für σ 0.3 stellen wir fest, daß durch beide<br />

Näherung I und II die Phasengrenze gut beschrieben wird. Wie in Abschnitt 8.2<br />

gezeigt wird, stimmt dieses Ergebnis auch sehr gut mit numerischen Simulationen<br />

überein.<br />

3 Dies bedeutet hier, daß die Energien E und Ê konstant gehalten werden.


Kapitel 7<br />

Das kritische Verhalten einiger<br />

Größen<br />

In diesem Kapitel verwenden wir die RG-Gleichungen dazu, das Verhalten einiger<br />

Größen am Phasenübergang zu untersuchen. Dazu zählt die Divergenz der<br />

Korrelationslänge bei Annäherung an die BKT-Phase ebenso wie das Verhalten<br />

der Korrelationsfunktionen des ungeordneten Systems. Von besonderer Bedeutung<br />

<strong>für</strong> Messungen oder numerische Simulationen sind zudem die Dielektizitätskonstante,<br />

die die Polarisierbarkeit des Systems beschreibt, und die Spin-Spin-<br />

Korrelationsfunktion im 2D XY-Modell.<br />

7.1 Divergenz der Korrelationslänge am BKT-<br />

Übergang<br />

Abgesehen von grundsätzlichen Einschränkungen der Gültigkeit der RG-Gleichungen,<br />

die in den letzten Abschnitten untersucht wurden, stellen diese Gleichungen,<br />

wie in Abschnitt 3.4 diskutiert, nur eine Näherung <strong>für</strong> kleine Fugazitäten<br />

dar; da die Fugazität außerhalb der BKT-Phase stark ansteigt, werden sie dort<br />

schnell ungültig. Trotzdem können wir das System in unmittelbarer Nähe der<br />

BKT-Phase untersuchen. Dies ist analytisch nur mit den besser handhabbaren<br />

asymptotisch genäherten RG-Gleichungen möglich; wir beschränken uns zunächst<br />

auf τ > 1.<br />

Wir wollen nun untersuchen, wie sich physikalische Eigenschaften bei einer Annäherung<br />

”<br />

von außen“ an die Phasengrenze ändern; das soll bei konstanter Unordnungsstärke<br />

geschehen. Von Bedeutung ist dabei, daß RG-Trajektorien, die in<br />

der Nähe der kritischen Fläche starten, bis zu großen Skalen bei kleinen Y bleiben<br />

und erst dann zu großen Fugazitäten laufen. Das bedeutet, daß das System erst<br />

auf großen Längenskalen das metallische Verhalten zeigt, und diese Längenskala<br />

immer weiter wächst, wenn man sich der kritischen Fläche annähert.<br />

Wir geben uns dazu einen Referenzbereich in der metallischen Phase des Systems


í<br />

54 7 Das kritische Verhalten einiger Größen<br />

Û'ÜWÝÞ<br />

ßãä ßáàãâ<br />

Û/ÜWÝÞ<br />

à â èéëê ä èéëê<br />

Û/Ü<br />

ÝÞ<br />

ì<br />

à â ì ä<br />

å Ü<br />

ÝÞ<br />

æ<br />

àãâ æ ç<br />

Ö×ÙØQÚ<br />

å Ü<br />

ÝÞ<br />

àãâ ç<br />

Abbildung 7.1: Hier ist Y senkrecht zur Linie (K −1 , σ) aufgetragen. Die durchgezogene<br />

Linie stellt die kritische Fläche dar, und die gestrichelte Linie eine Trajektorie, die in<br />

deren Nähe startet. Die Startwerte <strong>für</strong> das Villain-Modell sind durch die gepunktete<br />

Linie gegeben.<br />

vor, der durch die Parameter Y ref , K −1<br />

ref<br />

und σ ref bestimmt ist. Die beiden letzteren<br />

sind sogar so gewählt, daß sie jenseits der Phasengrenze <strong>für</strong> Y 2 = 0 aus<br />

Gleichung (5.15) liegen. Zusätzlich wird mit diesem metallischen Referenzbereich<br />

eine charakteristische Länge ξ ref (z.B. die Korrelationslänge) verknüpft.<br />

Im folgenden werden wir untersuchen, bis zu welchem l die RG-Gleichungen aufintegriert<br />

werden müssen, um von einem unrenormierten Startpunkt in der metallischen<br />

Phase mit der charakteristischen Länge ξ 0 und den Parametern Y 0 , K0<br />

−1<br />

und σ 0 durch Renormierung in die Nähe dieses Referenzpunktes zu gelangen.<br />

Insbesondere werden Startpunkte betrachtet, die sich in der Nähe der kritischen<br />

Fläche befinden und somit wegen des endlichen Wertes von Y 0 innerhalb der Phasengrenze<br />

<strong>für</strong> Y 2 = 0 (5.15) liegen. Dabei wird die Abhängigkeit des notwendigen<br />

l vom Abstand zur kritischen Fläche gesucht.<br />

Ein geeignetes Maß <strong>für</strong> diesen Abstand ist der minimale Wert der Fugazität Y min ,<br />

der während der Renormierung angenommen wird. Je kleiner dieser Wert ist,<br />

desto geringer ist auch der Abstand, und Y min = 0 bedeutet dann, daß die entsprechende<br />

Trajektorie marginal ist und auf der kritischen Fläche liegt. Dieser<br />

Wert wird genau auf der Linie (5.15) angenommen; im folgenden sind die Parameterpaare<br />

(Kp<br />

−1,<br />

σ p) immer als die Elemente dieser Linie aufzufassen, an denen<br />

eine Trajektorie mit vorgegebenen Startwerten diese Linie überschreitet. Eine<br />

Trajektorie ist somit entweder durch die Startwerte oder durch die Werte Y min<br />

und (Kp<br />

−1,<br />

σ p) eindeutig bestimmt. Da hier alle Parameter in der Nähe dieser<br />

Punkte (Kp −1 , σ p ) betrachtet werden, wird die Konstante der Bewegung (5.20)


7.1 Divergenz der Korrelationslänge am BKT-Übergang 55<br />

<strong>für</strong> τ > 1 (σ = σ 0 !) dort entwickelt, und wir erhalten:<br />

Y 2 = Ymin 2 + λ ( δK −1)2 . (7.1)<br />

Dabei ist λ > 0 die Krümmung der Trajektorie bei (Kp −1 , σ p ), und δK −1 =<br />

(K −1 − Kp<br />

−1 ) ein kleiner Parameter. <strong>Der</strong> Wert λ hängt nur von K−1 p und σ p<br />

ab. Ebenso läßt sich die RG-Gleichung <strong>für</strong> die Fugazität (5.11) um (Kp −1,<br />

σ p)<br />

linearisieren, und mit σ = σ p erhält man:<br />

dY<br />

dl<br />

= [2 − πK (1 − σ p K)] Y ≈ π (1 − 2σ p K p ) Kp<br />

2 Y δK −1 . (7.2)<br />

} {{ }<br />

γ>0<br />

Die Größe γ ist dabei wie λ eine nicht-universelle Konstante. Wenn wir nun die<br />

Gleichung (7.1) in die linearisierte RG-Gleichung (7.2) einsetzen, so erhalten wir:<br />

dY<br />

dl<br />

= ±κY<br />

√<br />

Y 2 − Y 2 min , (7.3)<br />

wobei alle nicht-universellen Vorfaktoren in κ zusammengefaßt sind. Das Vorzeichen<br />

der Wurzel ist gleich dem Vorzeichen der Größe δK −1 . Dies wird in der<br />

folgenden Integration der Differentialgleichung deutlicher:<br />

Y∫<br />

min<br />

∫Y ref<br />

dY<br />

lκ =<br />

−Y √ dY<br />

+<br />

Y 2 − Ymin<br />

2 Y √ =<br />

Y 2 − Ymin<br />

2 Y 0<br />

Y min<br />

= 1 [ ( ) ( )<br />

]<br />

Y0<br />

Yref<br />

arcsec + arcsec − 2arcsec (1) .<br />

Y min Y min Y min<br />

(7.4)<br />

Da nur Trajektorien, die nahe der kritischen Fläche starten, betrachtet werden,<br />

gilt Y min ≪ Y 0 , Y ref , und man erhält mit arcsec(∞) = π/2 bzw. arcsec(1) = 0 das<br />

folgende einfache Ergebnis:<br />

l = πκ−1<br />

Y min<br />

. (7.5)<br />

Wir werden nun das Verhalten der Länge ξ 0 in Abhängigkeit von Y min untersuchen.<br />

Das Renormierungsverhalten von ξ ist wie <strong>für</strong> alle Längen durch den<br />

folgenden Ausdruck gegeben:<br />

ξ(l) = ξ 0 e −l . (7.6)<br />

Wird l so bestimmt, daß ξ (l) = ξ ref gilt, so erhält man <strong>für</strong> die unrenormierte<br />

Länge den Ausdruck:<br />

ξ 0 = ξ ref e πκ−1 /Y min<br />

. (7.7)


56 7 Das kritische Verhalten einiger Größen<br />

Die Größe ξ ref wird dabei als Korrelationslänge im metallischen Bereich interpretiert;<br />

ξ 0 gibt diese Größe in der Nähe des Übergangs an. Bei Annäherung an die<br />

kritische Fläche (Y min → 0) divergiert ξ 0 . Eine Divergenz der Korrelationslänge<br />

ist typisch <strong>für</strong> einen Phasenübergang; diese Singularität ist genau wie im reinen<br />

System wesentlich, also kein Pol wie üblich bei Phasenübergängen zweiter Ordnung.<br />

Um den physikalisch relevanten Zusammenhang zu erhalten, werden wir nun die<br />

Größe Y min durch die Abweichungen von der kritischen Fläche (K0 −1 − Kc<br />

−1 ) darstellen;<br />

wenn wir uns auf eine Annäherung bei konstanter Unordnungsstärke beschränken,<br />

gilt (σ 0 − σ c ) = 0. Dabei gibt das Parameterpaar (Kc<br />

−1 , σ c ) einen<br />

Punkt der Phasengrenze an. Wenn man die Konstante der Bewegung (5.20) <strong>für</strong><br />

die beiden Trajektorien, die am Punkt (Kc<br />

−1 , σ c , Y c ) bzw. (K0 −1 , σ 0 , Y 0 ) starten,<br />

verwendet und sie jeweils auf die Werte bei (Kp<br />

−1,<br />

σ p) bezieht, erhält man den<br />

genauen Zusammenhang:<br />

Ymin 2 = ( [<br />

Y0 2 − Y )<br />

c<br />

2 − π<br />

−3 (K )<br />

−1<br />

0 − Kc<br />

−1 π +<br />

2 σ (K 0 − K c ) − π 2 ln K ]<br />

0<br />

. (7.8)<br />

K c<br />

Diesen Ausdruck kann man nun nach den oben angegebenen Abweichungen von<br />

der kritischen Fläche entwickeln, wobei Y0/c 2 durch Gleichung (4.22) gegeben ist;<br />

man erhält dann<br />

Ymin 2 = ν ( )<br />

K0 −1 − Kc<br />

−1 . (7.9)<br />

Nun setzten wir dies in den Ausdruck <strong>für</strong> die Korrelationslänge ein und identifizieren<br />

T = K −1<br />

0 :<br />

√<br />

ξ 0 = ξ ref e πκ−1 / ν(T −T c) . (7.10)<br />

Dies entspricht genau dem kritischen Verhalten der Korrelationslänge wie im<br />

reinen System. Für τ > 1 ist der Übergang also dem BKT-Übergang ohne Unordnung<br />

sehr ähnlich, da die Singularität der freien Energie vom gleichen Typ<br />

ist; wenn man die üblichen RG-Argumente anwendet, erhält man nämlich:<br />

f g ∝ ξ −2<br />

0 ∝ e −2πκ−1√ ν(T −T c) . (7.11)<br />

Bei schwacher Unordnung ändern sich <strong>für</strong> τ > 1 die kritischen Eigenschaften gegenüber<br />

dem reinen System also nur geringfügig. Nach wie vor kann der kritische<br />

Exponent, der die Divergenz der Korrelationslänge bei Annäherung an die kritische<br />

Temperatur beschreibt, mit ν = ∞ angegeben werden. In diesem Sinne kann<br />

man bei schwacher Unordnung nach wie vor von einem BKT-Übergang sprechen.<br />

Im Rahmen von Näherung II wäre es möglich, dies auch <strong>für</strong> τ < 1 durchzuführen;<br />

da die Näherung dort allerdings keine physikalische Relevanz besitzt, verzichten<br />

wir darauf.


7.2 <strong>Physik</strong>alische Bedeutung der Replika-Korrelationsfunktionen 57<br />

7.2 <strong>Physik</strong>alische Bedeutung der Replika-Korrelationsfunktionen<br />

In diesem Abschnitt werden die Ladungsdichte-Korrelationsfunktionen des Systems<br />

mit Unordnung untersucht. Die Ladungsdichte setzt sich im Villain-Modell<br />

aus Punktladungen an den Positionen x i zusammen:<br />

ρ (r) = ∑ i<br />

q i δ (r − x i ) . (7.12)<br />

Von Interesse sind dabei die beiden Korrelationsfunktionen<br />

[〈ρ (0) ρ (r)〉] d<br />

und (7.13)<br />

[〈ρ (0)〉 〈ρ (r)〉] d<br />

. (7.14)<br />

Diese Funktionen hängen natürlich wieder nur vom Abstand r = |r| ab, da das<br />

System nach dem Unordnungsmittel wieder isotrop und homogen ist.<br />

Bisher wurden nur die Korrelationsfunktionen C αβ (r) im replizierten System berechnet.<br />

Im Replika-Limes wird deren Zusammenhang mit den oben angegebenen<br />

Größen (7.13) und (7.14) deutlich. Dazu muß man sich genau klarmachen, mit<br />

welcher Verteilung die thermischen Mittel durchgeführt werden:<br />

〈<br />

lim<br />

n→0 Cαβ (r) = lim ρ α (0) ρ β (r) 〉 =<br />

n→0<br />

= lim<br />

n→0<br />

{ 1<br />

[Z n CG ] d<br />

∑<br />

ρ α (0) ρ β (r)<br />

{q α i }<br />

[<br />

e −<br />

{ [ 1 ∑<br />

= lim<br />

n→0 [ZCG n ] ρ α (0) ρ β (r) e −<br />

d<br />

{qi α }<br />

]<br />

α H({qα i },{Q i})<br />

α H({qα i },{Q i})<br />

}<br />

=<br />

d<br />

(7.15)<br />

]<br />

Wenn man nun innerhalb des Unordnungsmittels mit der entsprechenden ungemittelten<br />

Zustandssumme ZCG n erweitert und dabei beachtet, daß die verschiedenen<br />

Replikas dort nicht gekoppelt sind, so erhält man das folgende Ergebnis:<br />

{<br />

1 [Z<br />

lim<br />

n→0 Cαβ CG n (r) = lim<br />

〈ρ (0) ρ (r)〉] d<br />

<strong>für</strong> α = β<br />

n→0 [ZCG n ] d [ZCG n 〈ρ (0)〉 〈ρ (r)〉] d<br />

<strong>für</strong> α ≠ β . (7.16)<br />

Da lim n→0 ZCG<br />

n = 1 gilt, erhält man im Replika-Limes einen Zusammenhang<br />

zwischen den bereits bekannten und den gesuchten Korrelationsfunktionen (vgl.<br />

Gleichungen (3.35-3.37)); dabei muß l = ln(r/a 0 ) gewählt werden:<br />

[〈ρ (0) ρ (r)〉] d<br />

= C (r) = − 2 r 4 Y 2 (l) , (7.17)<br />

[〈ρ (0)〉 〈ρ (r)〉] d<br />

= C dis (r) = − 2 r Y 2<br />

4 dis (l) , (7.18)<br />

C con (r) = C (r) − C dis (r) = − 2 r 4 Y 2<br />

con (l) . (7.19)<br />

d<br />

}<br />

.


58 7 Das kritische Verhalten einiger Größen<br />

Damit haben wir einen einfachen Zusammenhang zwischen den Korrelationsfunktionen,<br />

die man durch den Replikatrick berechnen kann, und physikalisch<br />

relevanten Funktionen hergestellt. C dis gibt dabei den Unordnungsanteil der Gesamtkorrelationsfunktion<br />

C an, der durch die eingefrorenen Ladungen im System<br />

zustande kommt; im reinen Fall verschwindet C dis somit. Auch unsere Vermutung<br />

aus Abschnitt 4 bestätigt sich nun: Ydis 2 enthält den Beitrag eingefrorener<br />

Ladungspaare zur Gesamtfugazität Y 2 .<br />

Von besonderem Interesse <strong>für</strong> das kritische Verhalten ist die räumliche Abhängigkeit<br />

der Korrelationsfunktionen auf großen Längenskalen r ≫ a 0 : Mit Hilfe der<br />

asymptotischen Darstellung der Fugazitäten (5.4-5.6) können wir diese angeben,<br />

wenn die Fixpunktwerte K ∞ und σ ∞ bekannt sind:<br />

⎧(<br />

C (r) ≈ −2<br />

a 4 0<br />

C dis (r) ≈ −2<br />

a 4 0<br />

C con (r) ≈ −2<br />

a 4 0<br />

⎪⎨ r<br />

√<br />

⎪⎩<br />

⎧(<br />

⎪⎨ r<br />

√<br />

⎪⎩<br />

⎧(<br />

⎪⎨<br />

√<br />

⎪⎩<br />

a 0<br />

) −2πK∞(1−1/2τ ∞)<br />

σ∞<br />

2π 2 ln r/a 0<br />

πτ ∞<br />

sin(πτ ∞)<br />

(<br />

a 0<br />

) −4πK∞(1−1/τ ∞)<br />

σ∞ πτ ∞(1−τ ∞)<br />

2π 2 ln r/a 0 sin(πτ ∞)<br />

) −2πK∞(1−1/2τ ∞)<br />

r<br />

a 0<br />

σ∞<br />

2π 2 ln r/a 0<br />

πτ 2 ∞<br />

sin(πτ ∞)<br />

) −<br />

π<br />

r 2σ∞<br />

a 0<br />

(<br />

(<br />

) −<br />

π<br />

r 2σ∞<br />

a 0<br />

) −<br />

π<br />

r 2σ∞<br />

a 0<br />

<strong>für</strong> τ ∞ > 1<br />

, (7.20)<br />

<strong>für</strong> τ ∞ < 1<br />

<strong>für</strong> τ ∞ > 2<br />

, (7.21)<br />

<strong>für</strong> τ ∞ < 2<br />

<strong>für</strong> τ ∞ > 1<br />

. (7.22)<br />

<strong>für</strong> τ ∞ < 1<br />

Wir erkennen, daß der Unordnungsbeitrag C dis <strong>für</strong> τ ∞ > 1 gegenüber C con exponentiell<br />

klein ist. Für τ ∞ < 1 allerdings sind beide Beiträge von der gleichen<br />

Größenordnung, wobei C dis mit sinkender Temperatur immer mehr Einfluß gewinnt.<br />

Für τ ∞ < 1 werden also durch die Unordnung auch auf großen Skalen<br />

eingefrorene Ladungen erzeugt, die das kritische Verhalten des Systems stark<br />

beeinflussen.<br />

7.3 Die Dielektrizitätskonstante<br />

Dieser Abschnitt ist besonders <strong>für</strong> numerische und experimentelle Untersuchungen<br />

wichtig, da die k-abhängige Dielektrizitätsfunktion ɛ(k) eine meßbare Größe<br />

ist, die den BKT-Übergang anzeigt.<br />

Wir betrachten die Abschirmung eines infinitesimalen externen Potentials V ext (k)<br />

durch im System anwesende Ladungen, so daß effektiv das Potential V sc (k) vorhanden<br />

ist. Daraus ergibt sich die folgende Definition der Dielektrizitätsfunktion:<br />

ɛ (k) = V ext (k)<br />

V sc (k) . (7.23)<br />

Man kann sich leicht überlegen, wie sich ɛ(k) in der metallischen Phase verhält:<br />

Die positiven, freien Ladungen werden sich in die Potentialmulden bewegen und


7.3 Die Dielektrizitätskonstante 59<br />

die negativen auf die Potentialberge. Dadurch wird das externe Potential auf<br />

großen Längenskalen ideal abgeschirmt, das heißt, in der metallischen Phase ist<br />

zu erwarten, daß<br />

V sc (k → 0) = 0, und folglich (7.24)<br />

ɛ(k → 0) → ∞ (7.25)<br />

gilt. In der BKT-Phase ist die Situation dadurch anders, daß sich nicht einzelne<br />

Ladungen frei bewegen können, sondern nur Dipole, die durch ein äußeres Feld<br />

lediglich ausgerichtet werden. Deshalb ist nur eine geringe Abschirmung zu erwarten<br />

und man erhält eine endliche Dielektrizitätsfunktion. Im folgenden wird<br />

dies quantitativ behandelt.<br />

Durch ein infinitesimales externes Potential V ext (r) wird gemäß der Linearen-<br />

Antwort-Theorie folgende Ladungsdichte 〈ρ ind (r)〉 induziert:<br />

〈ρ ind (r)〉 = − 1 ∫<br />

d 2 r ′ V ext (r ′ )<br />

T<br />

˜C (r, r ′ )<br />

(7.26)<br />

mit ˜C (r, r ′ ) = 〈ρ (r) ρ (r ′ )〉 − 〈ρ (r)〉 〈ρ (r ′ )〉 .<br />

¢<br />

2<br />

Da man im weiteren nur an den über die Unordnung gemittelten Größen interessiert<br />

ist, betrachtet man die gemittelte Korrelationsfunktion [ ˜C(r, r ′ )] d =<br />

C con (r − r ′ ) (siehe (7.19)), die nun nur vom Abstand (r − r ′ ) abhängt und man<br />

erhält ein Faltungsintegral:<br />

[〈ρ ind (r)〉] d<br />

= − 1 ∫<br />

d 2 r ′ V ext (r ′ ) C con (r − r ′ )<br />

T<br />

⇐⇒<br />

¢<br />

2<br />

(7.27)<br />

[〈ρ ind (k)〉] d<br />

= − 1 T V ext (k) C con (k) .<br />

Die k-abhängigen Größen sind dabei die entsprechenden Fourier-Transformierten;<br />

die Fourier-Transformation einer beliebigen Funktion h(r) ist folgendermaßen<br />

definiert:<br />

∫<br />

h (k) = d 2 r e −ikr h (r) . (7.28)<br />

Den Ausdruck <strong>für</strong> [〈ρ ind (k)〉] kann man in die fouriertransformierte Poissongleichung<br />

einsetzen, in der Potential und Ladungsdichte verknüpft sind; da man hier<br />

die gemittelten Ausdrücke betrachtet, muß beachtet werden, daß lediglich V sc (k)<br />

von der Unordnung abhängt, V ext (k) als von außen angelegtes Potential unordnungsunabhängig<br />

ist: 1<br />

¢<br />

2<br />

[V sc (k) − V ext (k)] d<br />

= 4π2<br />

k [〈ρ ind(k)〉] 2<br />

d<br />

= − 4π2<br />

T k V 2 ext (k) C con (k) . (7.29)<br />

1 Wegen der Darstellung von Z in (3.1) und T = 1/K 0 werden die Potentiale mit einem<br />

zusätzlichen Faktor 2π definiert, was zu einem 4π 2 in der Poissongleichung führt.


60 7 Das kritische Verhalten einiger Größen<br />

Mit (7.23) erhält man die unordnungsgemittelte Dielektrizitätsfunktion:<br />

[<br />

ɛ<br />

−1 ] d<br />

(k) = 1 −<br />

4π2<br />

T k 2 C con (k) . (7.30)<br />

Für kritische Phänomene ist das Verhalten auf großen Längenskalen von entscheidender<br />

Bedeutung. Deshalb wird nun [ɛ −1 ] d (k → 0) = [ɛ −1<br />

0 ] d behandelt. Wie<br />

vorher schon diskutiert, ist besonders das Verhalten am Übergang interessant,<br />

also wenn T = T c gilt.<br />

<strong>Der</strong> Grenzübergang k → 0 ist einfach durchzuführen, wenn man die Fouriertransformation<br />

von C con (k) explizit ausschreibt:<br />

{ ∫<br />

}<br />

[<br />

ɛ<br />

−1<br />

0<br />

]d = 1 − 4π2 1<br />

lim d 2 r e −ikr C<br />

T c k→0 k 2 con (r) =<br />

= 1 − 4π2<br />

T c<br />

{ ∫ 1<br />

lim<br />

k→0 k 2<br />

¢<br />

2<br />

¢<br />

2<br />

d 2 r<br />

(1 − ikr − 1 )<br />

}<br />

2 (kr)2 C con (r) + O (k) .<br />

(7.31)<br />

Die ersten beiden Summanden tragen wegen der Ladungsneutralität bzw. der Isotropie<br />

der gemittelten Korrelationsfunktionen nicht zum Integral bei; die Summanden<br />

von linearer bzw. höherer Ordnung in k verschwinden ebenfalls, und es<br />

bleibt der folgende Term übrig: 2<br />

[<br />

ɛ<br />

−1<br />

0<br />

]d = 1 + 4π3<br />

T c<br />

∫∞<br />

a 0<br />

dr r3<br />

2 C con (r) . (7.32)<br />

Nun multiplizieren wir diese Gleichung mit 1/T c und setzten den Ausdruck (7.19)<br />

ein. Wenn wir zusätzlich im Integral die Variablentransformation l = ln(r/a 0 )<br />

durchführen, erhalten wir die folgende Form:<br />

[ ]<br />

ɛ<br />

−1<br />

0 d<br />

T c<br />

= 1 T c<br />

− 4π3<br />

T 2 c<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dl Ycon 2 (l) . (7.33)<br />

Wir betrachten jetzt die RG-Gleichung (4.28) <strong>für</strong> die inverse Kopplungskonstante<br />

und integrieren sie formal auf. Dies geschieht <strong>für</strong> eine RG-Trajektorie auf der<br />

kritischen Fläche; deshalb dient als Anfangswert K0 −1 = 1/T c (J 0 = 0!). Man<br />

erhält dann:<br />

∫∞<br />

∞ = T c + 4π 3 dl Ycon 2 (l). (7.34)<br />

K −1<br />

0<br />

2 Dabei muß ein ”<br />

cut-off“ eingeführt werden, um die ursprüngliche Gitterstruktur des Problems<br />

zu berücksichtigen.


7.4 Kritische Exponenten im 2D XY-Modell 61<br />

Da die Fugazität Y 2<br />

con klein ist und mit steigendem l schnell gegen null renormiert,<br />

ist auch das Integral in Gleichung (7.34) klein. Das heißt, zur Berechnung von<br />

K ∞ können wir nach diesem Integral entwickeln und erhalten:<br />

K ∞ = 1 T c<br />

− 4π3<br />

T 2 c<br />

∫ ∞<br />

0<br />

dl Y 2<br />

con + O ( (4π 3<br />

T 2 c<br />

∫ ∞<br />

0<br />

) ) 2<br />

dl Ycon<br />

2<br />

(7.35)<br />

Im Rahmen der Näherung <strong>für</strong> kleine Fugazitäten ist dies identisch mit der rechten<br />

Seite von (7.33). 3 Demnach gilt:<br />

[ ]<br />

ɛ<br />

−1<br />

0 d<br />

= K ∞ . (7.36)<br />

T c<br />

Dies führt am Übergang zu einem Sprung in der Größe [ɛ −1<br />

0 ] d/T c , da diese außerhalb<br />

der BKT-Phase wegen (7.25) null ist. Dieser Sprung ist nun nicht mehr universell,<br />

da er wie die Übergangstemperatur von der Unordnungsstärke σ c abhängt,<br />

bei der der Übergang stattfindet. In Abschnitt 6.2 wurde begründet, daß <strong>für</strong><br />

σ c 0.3 die asymptotisch genäherten Gleichungen verwendet werden können;<br />

in diesem Bereich ist es dadurch möglich, die Sprungbedingung in Abhängigkeit<br />

der Unordnungsstärke, die hier unter Renormierung konstant bleibt, anzugeben.<br />

Dazu verwenden wir, daß der renormierte Punkt auf der Phasengrenze <strong>für</strong> Y 2 = 0<br />

aus Gleichung (5.15) liegen muß:<br />

( √ )<br />

K −1<br />

∞ = π 4<br />

1 +<br />

1 − 8σ c<br />

π<br />

<strong>für</strong> σ c 0.3. (7.37)<br />

Aufgrund dieses Sprungs ist die Dielektrizitätskonstante als Meßgröße (z.B. in<br />

den numerischen Simulationen in Kapitel 8) wichtig, da sie den Phasenübergang<br />

deutlich anzeigt.<br />

7.4 Kritische Exponenten im 2D XY-Modell<br />

In diesem Kapitel wollen wir die gefundenen Ergebnisse auf das XY-Modell anwenden<br />

und dadurch dessen kritische Eigenschaften untersuchen. Wir untersuchen<br />

dazu die Spin-Spin-Korrelationsfunktion<br />

[〈s k · s l 〉] d<br />

= [ Re 〈 e i(Θ k−Θ l ) 〉] d . (7.38)<br />

Nun nehmen wir an, daß in unserem System keine Vortizes (Ladungen) vorhanden<br />

sind, und die Temperatur klein ist. Das bedeutet, daß man die Periodizität<br />

3 Für den reinen Fall existieren RG-Gleichungen von Minnhagen [9], in denen diese Korrekturen<br />

<strong>für</strong> größere Fugazitäten in der Beziehung (7.35) nicht vorkommen; <strong>für</strong> kleine Fugazitäten<br />

stimmen diese Gleichungen natürlich mit den in dieser Arbeit berechneten überein.


62 7 Das kritische Verhalten einiger Größen<br />

in den Winkelfreiheitsgraden nicht berücksichtigen muß, und wir bei schwacher<br />

Unordnung (A ij klein) den Cosinus in der Hamiltonfunktion (1.2) entwickeln<br />

können: 4<br />

H XY [{Θ i } , {A ij }] ≈ ∑ 〈ij〉<br />

1<br />

2 K(Θ i − Θ j − A ij ) 2 . (7.39)<br />

Für die unordnungsgemittelte Korrelationsfunktion (7.38) ist der folgende Ausdruck<br />

zu berechnen:<br />

[∑{Θ<br />

[〈s k · s l 〉] d<br />

= Re<br />

i } ei(Θ k−Θ l ) e −H[{Θ i},{A ij }] ]<br />

∑<br />

{Θ i } e−H[{Θ i},{A ij<br />

. (7.40)<br />

}]<br />

d<br />

Da die Summe über die thermischen Freiheitsgrade hier gaußisch ist, kann man<br />

sie ohne Mühe ausführen und erhält die folgenden Terme <strong>für</strong> Zähler und Nenner:<br />

∑ {<br />

}<br />

exp i (Θ k − Θ l ) − H [{Θ i } , {A ij }] = (7.41)<br />

{Θ i }<br />

{<br />

= N exp − 1 ∑ (<br />

− iK ∑ )<br />

A i,i+µ + δ ki − δ li (−G ij ) ×<br />

2K<br />

i,j<br />

µ<br />

(<br />

− iK ∑ A j,j+µ + δ kj − δ lj<br />

)},<br />

µ<br />

∑ {<br />

}<br />

exp − H [{Θ i } , {A ij }] = (7.42)<br />

{Θ i }<br />

{<br />

= N exp<br />

− 1<br />

2K<br />

∑ (<br />

− iK ∑<br />

i,j<br />

µ<br />

) (<br />

A i,i+µ (−G ij ) − iK ∑ µ<br />

A j,j+µ<br />

)}.<br />

Dabei ist der Vorfaktor N wie folgt gegeben: 5<br />

N = ∑ { 1<br />

exp<br />

2 K ∑ }<br />

Θ i G −1<br />

ij Θ j . (7.43)<br />

{Θ i } i,j<br />

Die Auswertung der Kronecker-δ’s in (7.41) führt zu folgendem Ausdruck (G ii =<br />

0, G ij = G ji !):<br />

{<br />

[〈s k · s l 〉] d<br />

= exp − 1 }[ {<br />

K G kl exp −i ∑ ( ∑ )}]<br />

(G ik − G il ) A i,i+µ . (7.44)<br />

d<br />

i<br />

µ<br />

Es ist nun geschickter, das Mittel nicht über die ursprünglichen Unordnungsvariablen<br />

{A ij } auszuführen, sondern über die kombinierte Größe { ∑ µ A i,i+µ}. Dabei<br />

4 Dies bezeichnet man häufig als Spinwellennäherung.<br />

5 Zur Erinnerung: µ repräsentiert einen Verschiebungsvektor auf einen Nachbarplatz; −G ij<br />

ist die Gitter-Greensfunktion, wie sie in Abschnitt 2.1 durch Gleichung (2.15) definiert wurde<br />

(−G ij ↔ ˜G ij !).


7.4 Kritische Exponenten im 2D XY-Modell 63<br />

ist die Verteilung gaußisch mit Mittelwert null und dem zweiten Moment (vgl.<br />

Abschnitt 2.1)<br />

[( ∑ )( ∑ )] (<br />

A i,i+µ A j,j+µ = σ 4δ ij − ∑ δ i,j+µ<br />

). (7.45)<br />

d<br />

µ<br />

µ<br />

µ<br />

Damit können wir das Unordnungsmittel in (7.44) ausführen und erhalten mit<br />

Gleichung (2.11) das folgende Ergebnis:<br />

{<br />

[〈s k · s l 〉] d<br />

= exp − 1 } {<br />

K G kl exp<br />

(G ik − G il ) ×<br />

∑<br />

j<br />

= exp<br />

− 1 2 σ ∑ i<br />

) }<br />

δ i,j+µ (G jk − G jl ) =<br />

(<br />

4δ ij − ∑ µ<br />

{ ( ) }<br />

1<br />

−<br />

K + σ G kl .<br />

(7.46)<br />

Damit wurde die Spin-Spin-Korrelationsfunktion in der Spinwellennäherung berechnet;<br />

wenn wir in die Kontinuumsdarstellung wechseln, so können wir die<br />

Korrelationsfunktion <strong>für</strong> große Abstände mit Hilfe von Gleichung (2.16) durch<br />

folgenden Ausdruck angeben:<br />

( ) −(1+σK)/2πK |r|<br />

[〈s (r) · s (0)〉] d<br />

∝<br />

. (7.47)<br />

a 0<br />

Für tiefe Temperaturen und schwache Unordnung finden wir also eine algebraisch<br />

zerfallende Spin-Spin-Korrelationsfunktion. Da die Spin-Rotationssymmetrie<br />

in diesem Bereich zwar nicht gebrochen ist, aber die Korrelationsfunktion des<br />

Ordnungsparameters algebraisch (nicht exponentiell) zerfällt, spricht man von<br />

quasi-langreichweitiger Ordnung. Diese wird bei höheren Temperaturen oder Unordnungsstärken<br />

durch Vortexanregungen zerstört.<br />

Durch die Spinwellennäherung allein kann das kritische Verhalten des XY-Modells<br />

so nicht zufriedenstellend beschrieben werden, da Vortizes im System vorhanden<br />

sind, und folglich die Periodizität des Cosinus relevant wird. Aus den RG-<br />

Untersuchungen ist allerdings bekannt, daß die Vortizes innerhalb der BKT-Phase<br />

gebunden sind, und ihre Fugazität bzw. Dichte gegen null renormiert. Dadurch<br />

ist <strong>für</strong> das renormierten System wieder eine Spinwellenbeschreibung möglich, allerdings<br />

nun mit den renormierten Fixpunktparametern K∞<br />

−1 und σ ∞. Somit hat<br />

die Korrelationsfunktion <strong>für</strong> große r in der gesamten BKT-Phase folgendes Verhalten:<br />

( ) −(K |r|<br />

∞ −1 +σ ∞)/2π<br />

[〈s (r) · s (0)〉] d<br />

∝<br />

. (7.48)<br />

a 0<br />

Hieraus erhält man direkt den Exponenten η, der den räumlichen Zerfall der<br />

Korrelationsfunktion am Phasenübergang bestimmt, wenn man die Temperatur


64 7 Das kritische Verhalten einiger Größen<br />

und die Unordnungsstärke so wählt, daß der Punkt auf der Phasengrenze liegt.<br />

Die renormierten Größen liegen dann auf der Phasengrenze <strong>für</strong> Y 2 = 0 aus Gleichung<br />

(5.15), und η ergibt sich zu:<br />

η = 1 (<br />

K<br />

−1<br />

∞<br />

2π<br />

+ σ ∞)<br />

. (7.49)<br />

Für σ = 0 ist K∞<br />

−1 = π/2, und man erhält den bekannten Wert η = 1/4. Allgemein<br />

gilt <strong>für</strong> eine gegebene renormierte Übergangstemperatur K∞<br />

−1 ≤ π/2 nach<br />

Gleichung (5.15)<br />

η = 1<br />

2π<br />

{ (<br />

K∞<br />

−1 2 −<br />

2<br />

( )<br />

K<br />

−1<br />

∞ + π 8<br />

π K−1 ∞<br />

)<br />

<strong>für</strong> π ≤ 4 K−1 ∞ ≤ π 2<br />

<strong>für</strong> 0 ≤ K∞ −1 ≤ π 4<br />

. (7.50)<br />

Mit fallender kritischer Temperatur (d.h. mit steigender Unordnung) fällt auch<br />

der Exponent ab. Zwei Systeme mit verschiedenen Unordnungsstärken gehören<br />

in diesem Sinne verschiedenen Universalitätsklassen an.


Kapitel 8<br />

Die Monte-Carlo-Simulation<br />

In der bisherigen Arbeit wurden größtenteils analytische Argumente verwendet,<br />

um Ergebnisse wie z.B. die RG-Gleichungen zu erhalten. In den Herleitungen<br />

wurden zudem Näherungen verwendet, die den Gültigkeitsbereich aller Überlegungen<br />

auf den Bereich kleiner Fugazitäten beschränken. Um die Gültigkeit der<br />

so gewonnenen Vorhersagen zu prüfen, wird in diesem Kapitel das Verhalten des<br />

2D CG mit Unordnung numerisch durch eine Monte-Carlo-Simulation untersucht.<br />

Im ersten Abschnitt wird eine knappe, allgemeine Einführung in die MC-Methode<br />

gegeben und unser Algorithmus vorgestellt. Danach werden anhand der MC-<br />

Daten die Übergangstemperaturen <strong>für</strong> einige Werte der Unordnungsstärke berechnet<br />

und mit den analytischen Vorhersagen verglichen.<br />

8.1 <strong>Der</strong> MC-Algorithmus<br />

Hier werden die elementaren Ideen des numerischen Vorgehens diskutiert. Das<br />

entscheidende Problem bei der numerischen Behandlung in der statistischen Mechanik<br />

ist die enorme Anzahl an mikroskopischen Zuständen, die einen Beitrag<br />

zu den physikalischen Eigenschaften des Systems liefern. Da man in der Praxis<br />

mit Sicherheit nie alle Zustände berücksichtigen kann, wird versucht, nur die<br />

wichtigsten Zustände 1 einzubeziehen und den großen Rest zu vernachlässigen. In<br />

MC-Simulationen werden deshalb repräsentative Zustände auf stochastische Weise<br />

erzeugt. Dabei muß berücksichtigt werden, daß im thermischen Gleichgewicht<br />

detailed balance“ gilt: Die gesamte Wahrscheinlichkeit, um von einem Zustand<br />

”<br />

1 zu einem Zustand 2 zu springen, muß genauso groß sein wie die <strong>für</strong> den Sprung<br />

von 2 nach 1:<br />

P 1 P 1→2 = P 2 P 2→1 . (8.1)<br />

Dabei ist P 1(2) die Wahrscheinlichkeit, mit der sich das System (im thermischen<br />

Gleichgewicht) im Zustand 1(2) befindet. P 1(2)→2(1) gibt die bedingte Wahrschein-<br />

1 Wichtig sind die Zustände, die einen großen Beitrag zur Zustandssumme liefern.


66 8 Die Monte-Carlo-Simulation<br />

Abbildung 8.1: Durch das Hinzufügen eines Paares kann entweder ein neues Paar an<br />

bisher unbesetzten Plätzen erzeugt oder ein vorhandenes Paar vernichtet werden. Außerdem<br />

ist es möglich, ein einzelnes Teilchen auf einen einen benachbarten Gitterplatz<br />

zu bewegen.<br />

lichkeit <strong>für</strong> einen Sprung nach 2(1) an, wenn sich das System vorher im Zustand<br />

1(2) befindet.<br />

Im thermischen Gleichgewicht ist die Verteilung P i der Zustände {i} durch die<br />

Boltzmannverteilung gegeben. Dann ist die einfachste Möglichkeit, detailed balance“<br />

zu erfüllen, durch den Metropolis-Algorithmus [36] gegeben: Wenn ein<br />

”<br />

Zustand 1 mit Energie E 1 in einen Zustand 2 mit Energie E 2 übergehen soll, so<br />

geschieht dies mit der Wahrscheinlichkeit P 1→2 :<br />

{<br />

1 <strong>für</strong> E 1 ≥ E 2<br />

P 1→2 =<br />

. (8.2)<br />

e −(E 2−E 1 )/T<br />

<strong>für</strong> E 1 < E 2<br />

Dabei ist T die Temperatur des Systems. <strong>Der</strong> gesamte Algorithmus verläuft<br />

dann wie folgt: Man gibt sich einen Ausgangszustand vor, durch eine elementare<br />

Veränderung erhält man einen anderen Zustand. Mit diesen MC-Schritten<br />

muß es möglich sein, durch wiederholte Anwendung das System von einem beliebigen<br />

Zustand in jeden anderen zu bringen. Anhand obiger Wahrscheinlichkeiten<br />

wählt man jetzt den neuen oder den alten Zustand aus und startet mit diesem die<br />

Prozedur erneut. Aufgrund der ”<br />

detailed balance“ läuft das System von einem<br />

beliebigen Anfangszustand in das thermische Gleichgewicht, wenn man genügend<br />

viele MC-Schritte nacheinander ausführt; dies bezeichnet man als ”<br />

warm-up“.<br />

Nach dem ”<br />

warm-up“ kann man Messungen zu Gleichgewichtseigenschaften des<br />

Systems vornehmen. Dabei müssen zwischen zwei Messungen genügend viele MC-<br />

Schritte durchgeführt werden, um in möglichst unabhängigen Zuständen zu messen.<br />

<strong>Der</strong> Mittelwert aller Messungen liefert das Gesamtergebnis einer Meßgröße.<br />

Bei dieser Prozedur treten lediglich stochastische Fehler auf, die man jedoch im<br />

Prinzip (Rechenzeit!) beliebig klein halten kann.<br />

Hier wird der oben skizzierte Algorithmus auf ein Gittersystem <strong>für</strong> ein 2D CG<br />

angewandt, wobei gemäß der Problemstellung (siehe Zustandssumme (2.8)) großkanonisch<br />

gerechnet wird; Details des Algorithmus gehen auf eine Arbeit von Lee<br />

und Teitel [37] zurück. Als elementaren MC-Schritt fügt man ein neutrales Ladungspaar,<br />

das genau eine Gitterkonstante groß ist, an einer zufällig ausgewählte


8.1 <strong>Der</strong> MC-Algorithmus 67<br />

Abbildung 8.2: Durch den zusätzlichen MC-Schritt können einzelne Teilchen auf<br />

Nächste-Nachbar- oder Übernächste-Nachbar-Plätze geschoben werden, soweit diese<br />

frei sind.<br />

Stelle des Gitters hinzu. Wie in Abb. 8.1 graphisch dargestellt ist, können dadurch<br />

Paare erzeugt oder vernichtet werden, oder es werden einzelne Teilchen um<br />

einen Gitterplatz verschoben.<br />

Um gerade bei tiefen Temperaturen die Akzeptanzrate zu erhöhen, wurde dieser<br />

Algorithmus noch erweitert, so daß auch ein bereits vorhandenes Teilchen ausgewählt<br />

und auf einen Nächsten- oder Übernächsten-Nachbarplatz bewegt werden<br />

kann (siehe Abb. 8.2).<br />

Die Energieänderung durch einen elementaren MC-Schritt läßt sich schnell ermitteln,<br />

wenn man <strong>für</strong> jeden Gitterplatz das Potential, das durch alle vorhandenen<br />

Ladungen erzeugt wird, bereits berechnet hat; zusätzlich muß natürlich noch das<br />

chemische Potential eines Paares bei Erzeugung oder Vernichtung berücksichtigt<br />

werden. Dann läßt sich sofort entscheiden, ob der Schritt angenommen wird<br />

oder nicht. Wir müssen also die Potentialänderung an allen Plätzen nur dann<br />

neu berechnen, wenn er akzeptiert wird. Auch die Unordnung läßt sich in diesem<br />

Algorithmus gut einführen, indem man auf alle Nächste-Nachbar-Paare Ladungsdipole<br />

setzt, deren Stärken unabhängigen Gauß-Verteilungen gehorchen. Aus der<br />

resultierenden Ladungsverteilung wird das zugehörige Potential berechnet, das<br />

im Verlaufe der Simulation als konstanter Untergrund bleibt.<br />

Mit diesem Algorithmus können Systeme mit linearer Ausdehnung bis zu ca.<br />

L = 32 Gitterplätzen untersucht werden. Zwischen den einzelnen Messungen<br />

werden L 2 MC-Schritte durchgeführt; dies wird als MC-sweep“ bezeichnet. Es<br />

”<br />

stellt sich heraus, daß <strong>für</strong> den warm-up“ 10 4 MC-sweeps“ benötigt werden, und<br />

” ”<br />

daß 10 5 Messungen, die durch je einen MC-sweep“ getrennt sind, durchgeführt<br />

”<br />

werden müssen, um eine zufriedenstellende Statistik zu erhalten. Für große Unordnungsstärken<br />

bzw. tiefe Temperaturen (τ = 1/2Kσ klein) ist es zudem notwendig,<br />

über einige Unordnungskonfigurationen zu mitteln. Dies war hier bei<br />

L = 32 aufgrund der Rechenzeit nur über ca. 10 Konfigurationen möglich. Zudem<br />

ist es leider auch nicht möglich, bei sehr tiefen Temperaturen T = K −1 < 0.83<br />

zu rechnen, da die Akzeptanzrate hier zu gering ist; dies kann nur durch eine<br />

wesentliche Erhöhung der MC-Schritte (Faktor 10 2 ) pro MC-sweep“ korrigiert<br />

”<br />

werden, wodurch wir wiederum an die Grenzen des Rechenzeitaufwands stoßen.<br />

Als Meßgröße dient die inverse Dielektrizitätskonstante [ɛ −1<br />

0 ] d aus Abschnitt 7.3,<br />

wobei wir zur Berechnung die Gleichung (7.30) verwenden: Durch die MC-Simu-


68 8 Die Monte-Carlo-Simulation<br />

lation erhalten wir die ortsabhängige gemittelte Korrelationsfunktion C con , die<br />

wir dann fouriertransformieren. Da wir den Grenzwert k → 0 nicht durchführen<br />

können, verwenden wir wie von Lee und Teitel [37] vorgeschlagen den Ausdruck<br />

[ ]<br />

ɛ<br />

−1<br />

0 ≈ 1 ([ ]<br />

d ɛ<br />

−1<br />

2<br />

(2πˆx/L) + [ ɛ −1] (2πŷ/L)) , (8.3)<br />

d d<br />

wobei ˆx, ŷ die Einheitsvektoren in x- bzw. y-Richtung repräsentieren; das heißt,<br />

wir mitteln über die kleinsten Wellenvektoren k ≠ 0 in der Brillouin-Zone.<br />

8.2 Ergebnisse der MC-Simulation<br />

Im folgenden werden wir die MC-Ergebnisse dazu verwenden, die Übergangstemperatur<br />

in Abhängigkeit von σ zu bestimmen. Dazu wurde zu verschiedenen Temperaturen<br />

K −1 und Unordnungsstärken die mittlere inverse Dielektrizitätskonstante<br />

[ɛ −1<br />

0 ] d auf einem 32 × 32-Quadratgitter bestimmt. Aufgrund des Rechenzeitaufwands<br />

wurde [ɛ −1<br />

0 ] d nur über fünf Unordnungskonfigurationen gemittelt.<br />

Zu jedem Parameterpaar (K, σ) berechneten wir fünf oder sechs Datenpunkte;<br />

der Mittelwert und die Standardabweichung dieser Werte sind in Abb. 8.3 dargestellt.<br />

Aufgrund der Mittelung über nur wenige Unordnungsrealisierungen ist der<br />

Fehler hauptsächlich durch die Unordnung bestimmt; deutlich wird das dadurch,<br />

daß <strong>für</strong> steigende σ die Abweichungen wesentlich größer werden als <strong>für</strong> das reine<br />

System.<br />

Wie wir im letzten Abschnitt bereits festgestellt haben, können wir die Phasengrenze<br />

lediglich im Bereich K < 1.2 untersuchen. Deshalb reichen unsere<br />

Daten nicht aus, um eine Entscheidung über das Vorhandensein von reentrance“-Verhalten<br />

zu treffen, das erst <strong>für</strong> K > 4/π erwartet werden kann. Wir müssen ”<br />

uns also darauf beschränken zu untersuchen, ob bei gegebener Unordnung im Bereich<br />

K < 1.2 ein Phasenübergang stattfindet, und wo dieser liegt. Dabei prüfen<br />

wir die Konsistenz mit den Ergebissen aus der asymptotischen Näherung, deren<br />

Gültigkeit wir in diesem Gebiet erwarten.<br />

Um die Phasengrenze in diesem Bereich aus den MC-Daten zu bestimmen, wenden<br />

wir folgende Überlegung an: In einem unendlich ausgedehnten System erkennt<br />

man die Stelle des Übergangs dadurch, daß die inverse Dielektrizitätskonstante<br />

einen Sprung von null auf einen endlichen Wert macht (vgl. Abschnitt 7.3).<br />

Da wir allerdings unsere MC-Simulation auf einem endlichen Gitter (L = 32)<br />

durchführen, kann man den Sprung durch unsere Daten nicht lokalisieren, da bei<br />

endlichen Systemen der Phasenübergang nur verschmiert sichtbar wird. Deshalb<br />

kombinieren wir nun die numerischen Daten mit unseren analytischen Ergebnissen:<br />

Wir bestimmen den Übergang, indem wir die MC-Kurve mit der Sprungbedingung<br />

aus Gleichung (7.36) schneiden. Da unser System endlich ist, existiert<br />

eine maximale Skala l max = ln L, die hier relevant ist. Deshalb verwenden wir<br />

nicht den Fixpunktwert der Kopplungskonstante K ∞ , sondern den entsprechenden<br />

Wert auf der Skala der Systemgröße l max mit L = 32, das heißt, es ist die


ô<br />

(<br />

R<br />

ú ÿ<br />

ÿ<br />

ðúû<br />

ðúþ<br />

"<br />

N<br />

N<br />

ñ<br />

O<br />

%<br />

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<br />

m<br />

<<br />

5<br />

5<br />

5<br />

5<br />

<br />

`<br />

r<br />

C<br />

5<br />

8<br />

5<br />

r<br />

5<br />

8<br />

<br />

i<br />

9<br />

C<br />

8.2 Ergebnisse der MC-Simulation 69<br />

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<br />

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CD C<br />

58<br />

CD<br />

rs t<br />

` s v<br />

K¨W [<br />

ST<br />

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` s c<br />

UV<br />

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K¨W ]<br />

K¨W Z<br />

K¨W ZX<br />

NYX NW N NW KX<br />

NW<br />

` s g u<br />

Abbildung 8.3: Für verschiedene Unordnungsstärken sind die MC-Ergebnisse <strong>für</strong> den<br />

[ɛ −1<br />

0 ] d-K-Zusammenhang zusammen mit der entsprechenden Sprungbedingung (gestrichelte<br />

Linie) aufgetragen.<br />

folgende Gleichung als Sprungbedingung in Abb. 8.3 graphisch dargestellt:<br />

[<br />

ɛ<br />

−1<br />

0<br />

]d (K c) = K (l max)<br />

. (8.4)<br />

K c<br />

Den Wert <strong>für</strong> K(l max ) erhalten wir aus der numerischen Integration der RG-<br />

Gleichungen (5.11-5.13) aus Näherung II. Die kritische Kopplungskonstante finden<br />

wir aus dem Schnittpunkt dieser Linie mit unseren MC-Daten. Durch die<br />

statistischen Fehler erhalten wir ein minimales und maximales K c , woraus wir<br />

entsprechend T = 1/K ein minimales und maximales T c erhalten. Dadurch haben<br />

wir Intervalle bestimmt, in denen die Übergangstemperaturen liegen sollten.<br />

Diese sind zusammen mit den analytisch berechneten Werten in der folgenden


x<br />

Ž<br />

Ž<br />

w<br />

70 8 Die Monte-Carlo-Simulation<br />

Ž ‹‘<br />

Ž ‹l’<br />

Ž ‹$<br />

y{z}|~ €ƒ‚…„‡†‰ˆ<br />

Ž ‹Š<br />

Ž ‹‘<br />

Ž ‹l<br />

ŠŒ‹$<br />

Abbildung 8.4: Hier sind die aus den MC-Daten berechneten kritischen Temperaturen<br />

dargestellt; zum Vergleich ist auch die analytisch gefundene Phasengrenze aufgetragen.<br />

Tabelle eingetragen:<br />

σ T c numerisch T c analytisch<br />

0 1.32 ± 0.01 1.34<br />

0.09 1.22 ± 0.01 1.24<br />

0.16 1.13 ± 0.01 1.15<br />

0.25 1.02 ± 0.03 1.01<br />

0.31 0.88 ± 0.01 0.87<br />

0.36 < 0.83 0.58<br />

0.49 < 0.83 kein BKT-<br />

0.64 < 0.83 Übergang<br />

Im letzten Bild von Abb. 8.3 ist allerdings nicht die Sprungbedingung auf endlicher<br />

Skala aus Gleichung (8.4) aufgetragen, sondern die entsprechende Kurve mit<br />

K ∞ <strong>für</strong> σ = 0.36; wir erkennen dabei keinen Schnittpunkt mit den MC-Kurven.<br />

Wegen K ∞ < K(ln 32) schließen wir daraus, daß <strong>für</strong> σ ≥ 0.36 die kritische Kopplungskonstante<br />

im Bereich K > 1.2 (T < 0.83) liegt.<br />

Bei der Bestimmung der kritischen Temperaturen wurde auf weitere ”<br />

finite size“-Korrekturen<br />

verzichtet, da sich <strong>für</strong> den Fall σ = 0 herausstellte, daß diese<br />

wesentlich geringer als die restlichen Fehler sind. Wir nehmen an, daß dies auch<br />

<strong>für</strong> σ > 0 gilt.


8.2 Ergebnisse der MC-Simulation 71<br />

In Abb. 8.4 sind die ermittelten kritischen Punkte zusammen mit der analytisch<br />

gefundenen Phasengrenze (siehe Abschnitt 6.2) dargestellt. Man erkennt in dem<br />

hier untersuchten Bereich σ 0.3 eine sehr gute Übereinstimmung der MC-Daten<br />

mit den analytischen Ergebnissen. Darüberhinaus stimmt die Aussage, daß die<br />

Übergangstemperatur <strong>für</strong> σ ≥ 0.36 im Bereich T < 0.83 liegt, mit den analytischen<br />

Vorhersagen überein.


Kapitel 9<br />

Zusammenfassung und Ausblick<br />

Abschließend werden wir in diesem Kapitel unsere Ergebnisse zusammenfassen<br />

und die interessantesten Probleme darstellen, deren Lösung wir nicht finden konnten.<br />

Als Ausgangspunkt unserer Untersuchungen diente die Arbeit Scheidls [1], wobei<br />

dessen RG-Gleichungen erneut hergeleitet wurden. Bei deren Diskussion waren<br />

wir allerdings genauer und arbeiteten den Unterschied zwischen Näherung I<br />

(siehe 4.2) und der asymptotischen Näherung II (siehe 5.1) deutlicher heraus, indem<br />

wir jeweils den resultierenden RG-Fluß untersuchten. Besonderes Augenmerk<br />

richteten wir dabei auf die Entropiedichte in der BKT-Phase und den Verlauf der<br />

Phasengrenze selbst.<br />

Obwohl die asymptotische Näherung <strong>für</strong> den Grenzfall großer Längenskalen hergeleitet<br />

wurde, verwenden wir sie, wie Scheidl auch, auf allen Längenskalen, um<br />

daraus die Entropiedichte zu berechnen. Während Scheidl nun in seiner Arbeit<br />

argumentiert, diese sei im gesamten Parameterbereich positiv, können wir dies<br />

auf analytischem Weg nur <strong>für</strong> τ > 1 bestätigen; unsere numerische Auswertung<br />

von Näherung II liefern darüber hinaus Gebiete, in denen die Entropiedichte<br />

negativ ist. Auch die numerische Berechnungen der Entropiedichte mit den<br />

RG-Gleichungen aus Näherung I liefern qualitativ das gleiche Ergebnis. Deshalb<br />

können wir Replika-Symmetrie-Brechung in diesem Modell nicht ausschließen.<br />

Dies ist besonders deshalb interessant, da Tang [28] die gleichen RG-Gleichungen<br />

wie in Näherung II ohne den Replikatrick (aber mit zusätzlichen Näherungen)<br />

hergeleitet hat.<br />

Ein weiterer Schwerpunkt war die Bestimmung der Phasengrenze. Näherung II<br />

zeigt das schon mehrfach diskutierte ”<br />

reentrance“-Verhalten <strong>für</strong> σ 0.35, wohingegen<br />

dieses in Näherung I nicht auftritt. Beim Vergleich der beiden Näherungen<br />

im Bereich σ 0.3 stellt sich heraus, daß der RG-Fluß im kritischen Bereich in<br />

beiden Fällen sehr gut übereinstimmt; dies ist besonders deshalb wichtig, da die<br />

RG-Gleichungen in asymptotischer Näherung analytisch wesentlich einfacher zu<br />

behandeln sind.<br />

Insgesamt sind die Ergebnisse mit dem Harris-Kriterium (vgl. Abschnitt 1.2) in


dem Sinne in Einklang, daß auch bei schwacher Unordnung eine BKT-Phase mit<br />

gebundenen Ladungspaaren existiert.<br />

Unabhängig von den analytischen Untersuchungen führten wir eine MC-Simulation<br />

durch. Wir können damit im Bereich σ ≤ 0.31 eine sehr gute Übereinstimmung<br />

der numerischen und analytischen Ergebnisse <strong>für</strong> die Phasengrenze zeigen.<br />

Andererseits gibt es eine Vielzahl von Problemen, die wir nicht lösen konnten. An<br />

erster Stelle steht dabei die Frage nach der Ursache <strong>für</strong> die negative Entropie. Dazu<br />

wird eine genauere Untersuchung der vorhandenen RG-Gleichungen notwendig<br />

sein, und man muß eventuell versuchen, verallgemeinerte RG-Gleichungen unter<br />

Berücksichtigung von Replika-Symmetrie-Brechung herzuleiten.<br />

Weiter ist es wichtig, mit verbesserten MC-Algorithmen das System auch bei<br />

niedrigeren Temperaturen zu untersuchen, mit dem Ziel, dort die Phasengrenze<br />

numerisch zu bestimmen und mit den analytischen Vorhersagen zu vergleichen.<br />

Insbesondere wäre eine abschließende Aussage über das Auftreten von ”<br />

reentrance“-Verhalten<br />

wünschenswert. Besser geeignet <strong>für</strong> diese Simulation als das<br />

hier verwendete 2D CG dürfte dabei ein 2D XY-Modell sein (vgl. Maucourt und<br />

Grempel [21]), da hier nur kurzreichweitige Wechselwirkungen vorhanden sind,<br />

und zudem die Akzeptanzrate auch bei kleinen Temperaturen größer sein sollte.<br />

Abgesehen davon gibt es noch eine Vielzahl ungelöster Probleme. Insbesondere<br />

kann man andere Arten von Unordnung an das System koppeln. Dies ist dann sehr<br />

problematisch, wenn die unordnungsinduzierte Wechselwirkung nach der Mittelung<br />

zwar langreichweitig, aber nicht mehr logarithmisch ist, was entscheidend in<br />

unsere Herleitung der RG-Gleichungen eingeht (vgl. Kapitel 3).<br />

73


Danksagung<br />

Mein herzlicher Dank gilt<br />

• Herrn Prof. Dr. Ulrich Eckern <strong>für</strong> die Ausgabe und Betreuung dieser Arbeit,<br />

• Herrn Prof. Dr. Arno Kampf <strong>für</strong> die Übernahme des Korreferats,<br />

• Herrn Dr. Dierk Bormann <strong>für</strong> die geduldige und besonders engagierte Hilfe<br />

bei der Lösung von größeren und kleineren physikalischen Problemen,<br />

• Frau Dipl. Phys. Cosima Schuster und Herrn Dipl. Phys. Ralf Utermann<br />

<strong>für</strong> die allgegenwärtige Computerbetreuung,<br />

• den restlichen Mitarbeitern des Lehrstuhls <strong>für</strong> die ständige Bereitschaft,<br />

mir bei der Lösung verschiedenster physikalischer Probleme zu helfen,<br />

• meinen Eltern, die mir dieses Studium erst ermöglichten,<br />

• Frau Kerstin Becker <strong>für</strong> ihre liebevolle Hilfe in allen Lebenslagen,<br />

• Frau Claudia Schühle, den Herren Elmar Bihler und Ulrich Christ <strong>für</strong> regelmäßige<br />

(nicht-)wissenschaftliche Zerstreuung.


Anhang<br />

A Herleitung von Gleichung (2.22)<br />

In Abschnitt 2.2 wurde der Ausdruck (2.22) verwendet, der nun berechnet wird,<br />

wobei hier die Abkürzung Ĝij = −4π 2 σK 2 G ij eingeführt wird. Zuerst wird die<br />

Darstellung der δ-Funktion verwendet:<br />

δ(U i − U j − v) =<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

dλ<br />

2π exp { iλ (U i − U j − v) } . (9.1)<br />

Dadurch erhält man <strong>für</strong> den Term in (2.22) die Form, in der man die Integration<br />

über die U i ausführen kann:<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

=<br />

dλ<br />

2π exp { − iλv }√ | det G −1 | ∏<br />

∏<br />

k 8π3 σK 2 k<br />

{<br />

exp − 1 ∑<br />

2<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

k,l<br />

dλ<br />

2π exp { − iλv } exp<br />

U k Ĝ −1<br />

kl U l + iλ ∑ k<br />

{<br />

− 1 ∑ 2 λ2 k,l<br />

( ∫∞<br />

−∞<br />

dU k<br />

)×<br />

}<br />

U k (δ ki − δ kj ) =<br />

}<br />

(δ ki − δ kj ) Ĝkl (δ li − δ lj ) .<br />

(9.2)<br />

Mit der Relation Ĝii = 0 (vgl. (2.16)) gilt:<br />

∑<br />

(δ ki − δ kj ) Ĝkl (δ li − δ lj ) = −2Ĝij. (9.3)<br />

k,l<br />

Damit kann das obige Gauß-Integral auf folgende Form gebracht werden:<br />

{ }<br />

1<br />

P [(U i − U j ) = v] = √ exp −<br />

v2<br />

. (9.4)<br />

−2Ĝij<br />

−4πĜij<br />

Wenn man nun Ĝij einsetzt, so erhält man den Integranden von (2.23).


76 Anhang<br />

B<br />

Die Summen aus den Gleichungen (3.29) und<br />

(3.30)<br />

Hier sind die Summen, die in den Gleichungen (3.29) und (3.30) vorkommen,<br />

explizit ausgeführt; außerdem wird der Wert <strong>für</strong> den Replika-Limes n → 0 angegeben.<br />

∑<br />

(K αγ ) 2 = (n − 1) ˆK 2 +<br />

γ<br />

n→0<br />

−→ K 2 − 2K ˆK,<br />

(<br />

K − ˆK<br />

) 2<br />

= n ˆK2 − 2K ˆK + K 2<br />

(9.5)<br />

∑<br />

K αγ K βγ = (n − 2) ˆK 2 − 2 ˆK<br />

γ<br />

α≠β<br />

n→0<br />

−→ −2K ˆK,<br />

∑<br />

K αγ K βδ = − (n − 1) ˆK<br />

γ≠δ<br />

∑<br />

γ≠δ<br />

α≠β<br />

−<br />

(<br />

K − ˆK<br />

)<br />

(n − 1) ˆK<br />

(<br />

K − ˆK<br />

)<br />

= n ˆK 2 − 2K ˆK<br />

(<br />

− (n − 2) ˆK<br />

(<br />

+ K − ˆK<br />

))<br />

= (n − 1) 2 ˆK2 − 2 (n − 1) K ˆK + (n − 1) ˆK 2<br />

n→0<br />

−→ 2K ˆK,<br />

K αγ K βδ = − ˆK<br />

(<br />

(n − 2) − ˆK<br />

(<br />

(n − 2) + K − ˆK<br />

))<br />

+ ˆK 2 (n − 1) − ˆK<br />

(<br />

K − ˆK<br />

) (<br />

(n − 2) + K − ˆK<br />

) 2<br />

(9.6)<br />

(9.7)<br />

(9.8)<br />

n→0<br />

−→ K 2 + 2K ˆK.


C Berechnung von (3.26-3.28) 77<br />

C Berechnung von (3.26-3.28)<br />

In diesem Abschnitt werden die Summen aus den Gleichungen (3.26-3.28) auf<br />

die in Abschnitt 4.2 verwendete Form (4.22-4.24) gebracht, wobei z ± durch Gleichung<br />

(4.21) definiert sind:<br />

Y 2 = 1 2<br />

= 1 [<br />

2 e4l<br />

∑<br />

ν<br />

(q γ ν )2 Y 2<br />

ν =<br />

∑<br />

{q α ν }≠0,q γ ν ≠<br />

= 1 2 e4l [<br />

(z + + z − )<br />

(<br />

) ( { √ }) ]<br />

α<br />

exp {−2E} (qα ν )2 α<br />

exp 2A 2Ê<br />

qα ν<br />

∑<br />

{q α ν }≠0,q γ ν ≠0<br />

(<br />

exp {−2E}<br />

)<br />

α≠γ (qα ν )2 ×<br />

( { √ }) ]<br />

α≠γ<br />

exp 2A 2Ê<br />

qα ν<br />

=<br />

A<br />

= 1 [<br />

]<br />

2 e4l (z + + z − ) (1 + z + + z − ) n−1 A.<br />

A<br />

=<br />

(9.9)<br />

Genau so verhält es sich <strong>für</strong> Y 2<br />

dis :<br />

Ydis 2 = 1 2<br />

= 1 [<br />

2 e4l<br />

∑<br />

ν<br />

q γ ν qδ ν Y 2<br />

ν =<br />

∑<br />

{qν α}≠0,qγ/δ<br />

ν ≠0<br />

= 1 2 e4l [<br />

(z + + z − ) 2 (1 + z + + z − ) n−2 ] A.<br />

(<br />

) ( { √ }) ]<br />

α<br />

exp {−2E} (qα ν )2 α<br />

exp 2A 2Ê<br />

qα ν<br />

=<br />

A<br />

(9.10)<br />

Nun ist es einfach, Y 2<br />

con zu berechnen:<br />

Y 2<br />

con = Y 2 − Y 2<br />

dis = 1 2 e4l [<br />

(z + + z − + 4z + z − ) (1 + z + + z − ) n−2] A. (9.11)<br />

Damit sind alle Summen durch ein Gaußintegral über die Variable A ausgedrückt.


78 Anhang<br />

D Die Integrale aus den Gleichungen (4.22-4.24)<br />

Um die Integrale (4.22-4.24) in asymptotischer Näherung zu untersuchen, wird<br />

nur der führende Beitrag in l des Integranden berücksichtigt. Zuerst wird das<br />

Integral aus Gleichung (4.22) I = 2e −4l Y 2 berechnet; dabei wird die Symmetrie<br />

des Interganden unter A → −A verwendet:<br />

I = √ 2 ∫∞<br />

π<br />

0<br />

dAe −A2<br />

z + + z −<br />

. (9.12)<br />

1 + z + + z −<br />

Wegen Gleichung (5.3) kann man im Bereich A ≥ 0 <strong>für</strong> l ≫ 1 den Anteil z −<br />

gegenüber z + vernachlässigen, 1 und es bleibt folgendes Integral übrig:<br />

I ≈ √ 2 ∫∞<br />

dAe z −A2 +<br />

. (9.13)<br />

π 1 + z +<br />

0<br />

Zur Vereinfachung wird die Abkürzung α = (E 2 /2Ê)1/2 = √ πl/2σ eingeführt.<br />

<strong>Der</strong> Integrand wird nun als geometrische Reihe dargestellt:<br />

z + < 1 ⇐⇒ A < α<br />

z +<br />

∑ ∞<br />

= z + (−1) ν z+ ν 1 + z . (9.14)<br />

+<br />

ν=0<br />

z + > 1 ⇐⇒ A > α<br />

z +<br />

= 1<br />

1 + z + 1 + 1 =<br />

z +<br />

∞∑<br />

ν=0<br />

(−1) ν z −ν<br />

+ . (9.15)<br />

Man muß das Integral also in die beiden Bereiche A ∈ [0, α) und A ∈ (α, ∞)<br />

aufspalten und erhält:<br />

I = √ 2 ∫∞<br />

dAe z −A2 +<br />

=<br />

π 1 + z +<br />

0<br />

∞∑<br />

(−1) ν I ν+1 < +<br />

ν=0<br />

∞∑<br />

(−1) ν I ν > . (9.16)<br />

ν=0<br />

Dabei sind die Integrale I “ν wie folgt definiert (ν ≥ 0):<br />

I < ν = 2 √ π<br />

∫α<br />

0<br />

I ν > = √ 2 ∫∞<br />

π<br />

α<br />

dAe −A2 z ν + = 2 √ π<br />

e −2Eν<br />

dAe −A2 z −ν<br />

+ = 2 √ π<br />

e +2Eν<br />

∫α<br />

0<br />

∞<br />

∫<br />

α<br />

{ √2Êν }<br />

dA exp −A 2 + 2A , (9.17)<br />

{ √2Êν }<br />

dA exp −A 2 − 2A .<br />

(9.18)<br />

1 Dies gilt nur <strong>für</strong> σ > 0, denn <strong>für</strong> σ = 0 ist z − = z + ; andererseits ist das Integral dann<br />

einfach zu lösen, da z ± unabhängig von A sind.


D Die Integrale aus den Gleichungen (4.22-4.24) 79<br />

Nach der Transformation A ′ = A∓(2Ê)1/2 ν erhält man die folgenden Ausdrücke:<br />

[ ( √2Êν ) ( √ )]<br />

I ν<br />

< = Φ α − − Φ −ν 2Ê , (9.19)<br />

e−2Eν+2Êν2<br />

[ ( √2Êν )]<br />

= 1 − Φ α + . (9.20)<br />

e2Eν+2Êν2<br />

I > ν<br />

Dabei ist Φ(x) = 2π ∫ −1/2 x<br />

0 dx′ e −x′2 die Fehlerfunktion; <strong>für</strong> große Werte x gilt<br />

folgende asymptotische Abschätzung:<br />

Φ (x) ≈<br />

{<br />

1 −<br />

1<br />

√ πx<br />

e −x2 <strong>für</strong> x ≫ 1<br />

−1 − 1 √ πx<br />

e −x2 <strong>für</strong> x ≪ 1 . (9.21)<br />

Da α ∝ l, und der Limes großer l betrachtet wird, wendet man diese Näherung<br />

an. Wenn sgn(x) als Signumsfunktion das Vorzeichen von x angibt, erhält man:<br />

[ ( √ ) ]<br />

≈ sgn α − ν 2Ê + 1<br />

(9.22)<br />

e−2Eν+2Êν2<br />

I < ν<br />

) − e −ν2E √π2Êν 1<br />

,<br />

2Êν<br />

( √ )]<br />

I ν<br />

[1 > = 2Ê−ν2E − sgn α − ν 2Ê<br />

eν2<br />

− e 1<br />

−α2 √ ( √<br />

π α −<br />

+ e 1<br />

−α2 √ ( √2Êν ). (9.23)<br />

π α +<br />

In asymptotischer Näherung (l → ∞) werden in der Summe jeweils nur die<br />

Summanden berücksichtigt, die am langsamsten mit wachsendem l verschwinden,<br />

der Rest wird vernachlässigt.<br />

Es muß dann beachtet werden, daß (α − ν(2Ê)1/2 ) sein Vorzeichen ändern kann,<br />

und abhängig davon verschiedene Terme <strong>für</strong> l ≫ 1 relevant sind. Um dies zu<br />

untersuchen, bietet sich der Term τ = E/2Ê = α/(2Ê)1/2 = 1/2σK an: Für<br />

τ > 1 zerfällt der Ausdruck 2e −2E+2Ê am langsamsten; dieser Term tritt nur in<br />

I 1<br />

< auf:<br />

I ≈ 2e −2E+2Ê. (9.24)<br />

Für τ < 1 ist e −α2 der entscheidende Term, der in allen I “ν vorkommt. Dann muß<br />

der folgende Ausdruck ausgewertet werden:<br />

[ ∞<br />

1 1<br />

I ≈ √ e −α2<br />

2πÊ τ + ∑<br />

( 1<br />

(−1) ν τ + ν + 1 ) ]<br />

=<br />

τ − ν<br />

ν=1<br />

= √<br />

π [ 1<br />

e −α2<br />

2πÊ πτ + 2τ ∞∑ (−1) ν ]<br />

= ← siehe [38], 1.422.3 (9.25)<br />

π τ 2 − ν 2<br />

= √<br />

π<br />

2πÊ<br />

1<br />

sin πτ e−α2 .<br />

ν=1


80 Anhang<br />

Wenn man die explizite l-Abhängigkeit einsetzt, erhält man als Ergebnis:<br />

{<br />

2e<br />

−2πK(1−σK)l<br />

<strong>für</strong> τ > 1<br />

I ≈ √<br />

2σ πτ<br />

e π<br />

π 2 2σ l <strong>für</strong> τ < 1 . (9.26)<br />

l sin πτ<br />

Als nächstes wird das Integral aus Gleichung (4.23) I dis = 2e −4l Y 2<br />

dis untersucht:<br />

I dis = 1 π<br />

∫ ∞<br />

−∞<br />

( ) 2 z+ − z −<br />

dA<br />

≈ 2 1 + z + + z − π<br />

∫ ∞<br />

0<br />

( ) 2 z+<br />

dA<br />

. (9.27)<br />

1 + z +<br />

Zur Berechnung schreibt man z − aus Gleichung (4.21) folgendermaßen um:<br />

z − = ỹ˜z − , (9.28)<br />

wobei ỹ = exp(−2E) und ˜z − = 2A(2Ê)1/2 . Dann verwendet man die folgende<br />

Identität:<br />

( ) 2 z+<br />

= −ỹ 2 ∂ ( )<br />

ỹ −1 z +<br />

. (9.29)<br />

1 + z + ∂ỹ 1 + z +<br />

Da ỹ unabhängig von A ist, läßt sich das gesuchte Integral einfach berechnen:<br />

I dis ≈ −ỹ 2 ∂ ∂ỹ<br />

(ỹ−1 I ) = −ỹ 2 ∂E<br />

∂ỹ<br />

∂ (ỹ−1 I ) = 1 ∂ (ỹ−1 I ) . (9.30)<br />

∂E 2ỹ ∂E<br />

Für τ > 1 erkennt man, daß es nicht ausreicht, den führenden Term aus Gleichung<br />

(9.24) zu verwenden, da man sonst als Ergebnis null erhält; dies ist nicht<br />

möglich, da sonst I dis selbst identisch null wäre. Das heißt, man muß zur Berechnung<br />

von I dis auch noch den nächsten Term in I berücksichtigen. Im Bereich<br />

τ > 2 trägt (−2 exp{−4E + 8Ê}) in nächster Ordnung bei (vgl. I < 2 in Gl. (9.17)):<br />

∂<br />

(<br />

)<br />

2ỹ −1 e −4E+8Ê = ∂ ( )<br />

2e −2E+8Ê = −4e −2E+8Ê. (9.31)<br />

∂E<br />

∂E<br />

Insgesamt erhält man dann <strong>für</strong> τ > 2:<br />

I dis ≈ 2e −4E+8Ê. (9.32)<br />

Für τ < 2 sind die einzigen Terme, die nach der Ableitung erhalten bleiben, durch<br />

den Faktor exp(−α 2 ), dessen Beitrag schon in Gleichung (9.25) berechnet wurde:<br />

(<br />

)<br />

∂ −E2 /2Ê+2E π 1<br />

e √<br />

=<br />

∂E<br />

2πÊ sin πE/2Ê<br />

[ (<br />

= e −E2 /2Ê+2E π 1<br />

√<br />

2 1 − E )<br />

] (9.33)<br />

π cos πE/2Ê<br />

− .<br />

2πÊ sin πE/2Ê 2Ê 2Ê sin πE/2Ê


D Die Integrale aus den Gleichungen (4.22-4.24) 81<br />

<strong>Der</strong> zweite Summand wird dabei vernachlässigt, da er zusätzlich mit 1/Ê ∝ 1/l<br />

abfällt. Man erhält dann <strong>für</strong> I dis den folgenden Ausdruck:<br />

{<br />

2e<br />

−4πK(1−2σK)l<br />

<strong>für</strong> τ > 2<br />

I dis ≈ √<br />

2σ πτ(1−τ)<br />

π 2 l sin πτ e(π/2σ)l <strong>für</strong> τ < 2 . (9.34)<br />

Nun ist es einfach, das Integral I con = 2e −4l Ycon 2 zu berechnen; man verwendet<br />

dabei die Bedingung Y 2 = Ydis 2 + Y con, 2 die auch in dieser Näherung gelten soll.<br />

Daraus erhält man den folgenden Ausdruck, wenn man lediglich die <strong>für</strong> große l<br />

dominierenden Term berücksichtigt:<br />

I con ≈<br />

{<br />

2e<br />

−2πK(1−1/2τ)l<br />

<strong>für</strong> τ > 1<br />

√<br />

2σ<br />

π 2 l<br />

πτ 2<br />

sin πτ e(π/2σ)l <strong>für</strong> τ < 1 . (9.35)<br />

Somit sind alle drei Integrale in asymptotischer Näherung berechnet.


82 Anhang<br />

E Positive Entropie <strong>für</strong> τ > 1<br />

In diesem Abschnitt wird gezeigt, daß <strong>für</strong> τ > 1 die beiden Ableitungen ∂ T Y 2<br />

und ∂ T K nach dem Anfangswert T = K0 −1 auf allen Skalen l größer bzw. kleiner<br />

als null sind. Vorausgesetzt wird dabei wie in Abschnitt 6.1, daß ∂ T Y0 2 ≥ 0 gilt.<br />

Dazu betrachtet man die Ableitung ∂ T K −1 und zeigt, daß diese positiv ist. Die<br />

Ableitung ∂ T K0 −1 = 1 ist natürlich auch positiv. Außerdem reicht es wegen<br />

der strengen Monotonie des Logarithmus wie in Abschnitt 6.1 aus, die Größe<br />

∂ T (ln Y 2 ) zu betrachten.<br />

Man betrachtet zuerst die Steigung der zu untersuchenden Größen bezüglich der<br />

Renormierungsskala l <strong>für</strong> τ > 1:<br />

d<br />

dl ∂ (<br />

T K −1 = 4π 3 ∂ T Y 2 = 4π 3 Y 2 ∂ ) T ln Y<br />

2<br />

, (9.36)<br />

d<br />

dl ∂ ( )<br />

T ln Y<br />

2<br />

= −2π (1 − 2σK) ∂ T K = 2πK 2 (1 − 2σK) ∂ T K −1 . (9.37)<br />

Dadurch ist sichergestellt, daß die beiden Ableitungen ∂ T K −1 und ∂ T (ln Y 2 ) <strong>für</strong><br />

alle l im Bereich τ > 1 positiv sind. Dies wird nun rigoros gezeigt, indem man<br />

einen Widerspruchsbeweis anwendet.<br />

Dazu nimmt man an, daß eine der beiden Größen auf einer Skala l 0 negativ wird,<br />

<strong>für</strong> die gilt:<br />

l 0 = min { l > 0 ∣ ∣ ∂T<br />

(<br />

ln Y<br />

2 ) = 0 ∨ ∂ T K −1 = 0 } . (9.38)<br />

Wegen der stetigen Abhängigkeit der zu untersuchenden Größen von l ist sichergestellt,<br />

daß l 0 > 0 gilt, da ∂ T K −1 (0) > 0 gilt. Dies führt sofort dazu, daß auch<br />

∂ T (ln Y 2 ) in einem endlichen Bereich mit l > 0 auf positive Werte steigt, da<br />

∂ T (ln Y 2 )(0) ≥ 0 gilt. Somit gilt <strong>für</strong> alle 0 < l < l 0 , daß beide Größen positiv<br />

sind. Für die Werte der beiden zu untersuchenden Größen bei l = l 0 erhält man<br />

also:<br />

∣ ∫l 0<br />

∂ T K −1 ∣∣∣l=l0<br />

= 4π 3<br />

(<br />

∂ ) ∣ ∫ l 0<br />

T ln Y<br />

2 ∣∣l=l0 = 2π<br />

0<br />

(<br />

dl ′ Y 2 ∂ )<br />

T ln Y<br />

2<br />

+ ∂ T K −1 (0)<br />

} {{ } } {{ }<br />

>0 <strong>für</strong> 0 0.<br />

} {{ }<br />

>0 <strong>für</strong> 0≤l 1 gezeigt, daß <strong>für</strong> alle l > 0 ∂ T K < 0 und ∂ T Y 2 > 0 gilt, wenn<br />

∂ T K 0 < 0 und ∂ T Y0 2 ≥ 0 vorausgesetzt wird.


Literaturverzeichnis<br />

[1] S. Scheidl, Phys. Rev. B 55, 457 (1997).<br />

[2] M.Rubinstein, B. Shraiman and D.R. Nelson, Phys. Rev. B 27, 1800 (1983).<br />

[3] V.L. Berezinskiĭ, Sov. Phys. JETP 32, 493 (1970).<br />

[4] V.L. Berezinskiĭ, Sov. Phys. JETP 34, 601 (1971).<br />

[5] J.M. <strong>Kosterlitz</strong> and D.J. <strong>Thouless</strong>, J. Phys. C 6, 1181 (1973).<br />

[6] J.M. <strong>Kosterlitz</strong>, J. Phys. C 7, 1046 (1974).<br />

[7] J.M. <strong>Kosterlitz</strong> and D.J. <strong>Thouless</strong>, ”Two-dimensional Physics”, in Progress<br />

in Low Temperature Physics Vol. VIIB. North-Holland, Amsterdam, 1978.<br />

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in Phase Transitions and Critical Phenomena, Vol. 11 (C. Domb and<br />

J.L. Lebowitz eds.). Academic Press, London, 1987.<br />

[9] P. Minnhagen, Rev. Mod Phys. 59, 1001 (1987).<br />

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Critical Phenomena, Vol. 7 (C. Domb and J.L. Lebowitz eds.).<br />

Academic Press, London, 1983.<br />

[11] J.L. Cardy,<br />

”Scaling and Renormalization in Statistical Physics”.<br />

University Press, Cambridge, 1996.<br />

[12] C. Itzykson and J.-M.Drouffe,<br />

”Statistical Field Theory: 1 and 2”.<br />

University Press, Cambridge, 1989.<br />

[13] N.D. Mermin and H. Wagner, Phys. Rev. Lett. 17, 1133 (1966).<br />

[14] P.C. Hohenberg, Phys. Rev. 158, 383 (1967).<br />

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[19] M.G. Forrester, H.J. Lee, M. Tinkham and C.J. Lobb,<br />

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[20] S.P. Benz, M.G. Forrester, M. Tinkham and C.J. Lobb,<br />

Phys. Rev. B 38, 2869 (1988).<br />

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