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politik <strong>orange</strong><br />

Berliner Medien<strong>de</strong>mokratie<br />

Alles nur Fassa<strong>de</strong>?<br />

Zeitung zum medienpolitischen Workshop<br />

im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag<br />

13. bis 17. Oktober 2003, Berlin<br />

»Akten auf <strong>de</strong>m Klo«<br />

Viel Liebe zum Detail in <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>stags-Bauten.<br />

3<br />

»Schrö<strong>de</strong>r, Kasse 3!«<br />

Der Kanzler sucht einen neuen<br />

Job. 8/9<br />

»Phrasendrescher«<br />

Politiker nennen die Dinge beim<br />

Namen. 16<br />

JENNY MAG LAURENZ, ANGIE MAG OTTO<br />

Junge Medienmacher erleben eine Woche lang die fast symbiotische Beziehung zwischen Journalisten und Politikern.<br />

Von Filippo Cataldo<br />

>> Wenn <strong>de</strong>r<br />

Focus einlädt:<br />

Plötzlich mögen<br />

sich selbst politische<br />

Gegner - mit<br />

je<strong>de</strong>m Glas Wein<br />

ein bisschen mehr.<br />

40 junge Journalisten<br />

haben sich<br />

das Berliner<br />

Schauspiel eine<br />

Woche lang<br />

genauer angeschaut.<br />

Wer schreibt eigentlich Angela Merkels<br />

Briefe? Manches Mal sicherlich sie<br />

selbst. Meistens lässt die viel beschäftigte<br />

Fraktions- und Parteichefin aber schreiben.<br />

Ihre persönlichen Referenten<br />

etwa o<strong>de</strong>r die Mitarbeiter <strong>de</strong>r CDU-<br />

Pressestelle. Das ist alles nicht weiter<br />

ungewöhnlich in <strong>de</strong>r Berliner Medienrepublik.<br />

Schließlich können sich die<br />

Politiker ja auf ihre Mitarbeiter verlassen.<br />

Dass aber eine junge Medienmacherin<br />

im Namen Merkels <strong>de</strong>m<br />

Heiligen Vater zum 25-jährigen<br />

Pontifikatjubiläum gratulieren darf, ist<br />

zumin<strong>de</strong>st ungewöhnlich.<br />

Beim Workshop junger Medienmacher<br />

im Bun<strong>de</strong>stag ist einer Teilnehmerin<br />

während ihrer Hospitation in<br />

<strong>de</strong>r CDU-Pressestelle genau dies wi<strong>de</strong>rfahren.<br />

Sie durfte die Glückwünsche<br />

von Angela Merkel an <strong>de</strong>n Papst schreiben.<br />

Diese wur<strong>de</strong>n dann in <strong>de</strong>r WELT<br />

veröffentlicht.<br />

40 junge Medienmacher hatten vom<br />

13. bis 17. Oktober Gelegenheit, hinter<br />

die Kulissen <strong>de</strong>r Berichterstattung über<br />

die Parlamentsarbeit zu blicken. Zur<br />

Veranstaltung eingela<strong>de</strong>n hatten <strong>de</strong>r<br />

Deutsche Bun<strong>de</strong>stag, die Bun<strong>de</strong>szentrale<br />

für politische Bildung und die<br />

Jugendpresse Deutschland. Eine Woche<br />

lang konnten die 14- bis 22-jährigen<br />

Teilnehmer hautnah miterleben, wie<br />

schwierig es sein kann, von Politikern<br />

wichtige Informationen zu bekommen<br />

o<strong>de</strong>r wie Politiker und Journalisten in<br />

<strong>de</strong>r Hauptstadt miteinan<strong>de</strong>r umgehen.<br />

Sie konnten erfahren, dass Nico<br />

Fried, Parlamentskorrespon<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r<br />

Süd<strong>de</strong>utschen Zeitung, mit einem<br />

klapprigen Damenrad in sein Büro fährt<br />

und meistens „nur in <strong>de</strong>r Gegend rum<br />

stehen muss, bis die Politiker von sich<br />

aus zu mir kommen.“ O<strong>de</strong>r sie fan<strong>de</strong>n<br />

heraus, dass Ex-Partylu<strong>de</strong>r Jenny Elvers<br />

<strong>de</strong>n CDU-Generalsekretär Laurenz<br />

Meyer „richtig gut“ fin<strong>de</strong>t, wenn dieser<br />

beim Focus-Fest versucht, kleine weiße<br />

Bälle in ein Loch zu versenken.<br />

Nach <strong>de</strong>m Umzug <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages<br />

von Bonn nach Berlin wur<strong>de</strong> viel<br />

darüber geschrieben, dass die Wege für<br />

Journalisten weiter gewor<strong>de</strong>n wären und<br />

man nicht mehr so leicht Politikern<br />

über <strong>de</strong>n Weg laufen wür<strong>de</strong>. Die Teilnehmer<br />

<strong>de</strong>s Workshops machten aber<br />

freilich ganz an<strong>de</strong>re Erfahrungen: Ob<br />

sie nun zusahen, wie Rezzo Schlauch<br />

beim hastigen und gedankenverlorenen<br />

Aussteigen aus seinem Dienstwagen auf<br />

offener Straße fast überfahren wor<strong>de</strong>n<br />

wäre, o<strong>de</strong>r beobachteten, dass Hans<br />

Eichel sich fast hüpfend fortbewegt,<br />

wenn er es eilig hat. Und selbst dann<br />

geht er noch an sein Handy.<br />

Dass Politiker zuweilen sogar<br />

fürsorglich wer<strong>de</strong>n können, wenn Ihnen<br />

auf die Pelle gerückt wird, durfte ein<br />

an<strong>de</strong>rer Teilnehmer erleben: In <strong>de</strong>n<br />

engen Aufzug hinter <strong>de</strong>r Reichstags-<br />

Aussichtsplatzform stieg plötzlich ein<br />

gut gelaunter Otto Schily ein. Nase an<br />

Nase entwickelte sich recht schnell ein<br />

Gespräch über das Wohlergehen <strong>de</strong>s<br />

jungen Teilnehmers. Auf die Antwort<br />

„gut“ zur Frage, wie es ihm gehe,<br />

erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Journalisten gegenüber<br />

sonst nicht gera<strong>de</strong> freundlich gesinnte<br />

Innenminister: „Das ist aber selten,<br />

dass es in diesen Zeiten jeman<strong>de</strong>m gut<br />

geht.“ Abgehobene Berliner Republik?<br />

Mitnichten.


02 konzentrat<br />

politik <strong>orange</strong><br />

<strong>orange</strong><br />

saftig


Berliner Medien<strong>de</strong>mokratie - Alles nur Fassa<strong>de</strong>?<br />

Zeitung zum medienpolitischen Workshop im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag<br />

13. bis 17. Oktober 2003, Berlin<br />

multivitamin<br />

03<br />

AKTENHALTER SOGAR IN DEN TOILETTEN<br />

Die Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages überraschen mit viel Liebe zum Detail. Von Michael Metzger<br />

>> Fast zu groß, um real zu sein:<br />

In <strong>de</strong>n gigantischen Ausmaßen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stags-Gebäu<strong>de</strong><br />

kann sich ein einzelner<br />

Mensch schon mal verloren fühlen.<br />

In <strong>de</strong>n Herren-Toiletten im Paul-<br />

Löbe-Haus gibt es neben <strong>de</strong>m Waschbecken<br />

Aktenhalterungen. So muss<br />

<strong>de</strong>r beschäftigte Politiker seine Aktentasche<br />

nicht mit in die Toilettenkabine<br />

nehmen. Doch wehe, wenn er dann<br />

in <strong>de</strong>n Plenarsaal <strong>de</strong>s Reichstages eilt,<br />

seine Akten im Aktenhalter vergisst und<br />

wie<strong>de</strong>r zurücklaufen muss. Der Fußweg<br />

durch die durch <strong>de</strong>n unterirdischen,<br />

lichtdurchfluteten Verbindungsflur und<br />

über unzählige Treppen kostet locker<br />

zehn Minuten Zeit - macht zwanzig<br />

Minuten für Hin- und Rückweg, und<br />

schon hat er die erste Re<strong>de</strong> verpasst. Die<br />

Bun<strong>de</strong>stagsgebäu<strong>de</strong> sind vor allem eines<br />

- Groß und unübersichtlich.<br />

Dabei haben sich die Architekten<br />

wirklich Mühe gegeben, die vielen<br />

Gänge und Zwischenebenen zu ordnen.<br />

Gelb, blau, grün, rot, grau - je<strong>de</strong> Ebene<br />

<strong>de</strong>s Reichstagsgebäu<strong>de</strong>s hat ihre eigene<br />

Kennfarbe. Eine weitere Orientierungshilfe<br />

bietet die Unterteilung in Südund<br />

Nordhälfte - bei gutem Wetter<br />

kann sich <strong>de</strong>r Abgeordnete einfach<br />

am Sonnenstand orientieren. Und<br />

während<strong>de</strong>ssen darüber nach<strong>de</strong>nken,<br />

warum hier eine historische Parallele<br />

ignoriert wur<strong>de</strong>: Wäre es nicht<br />

symbolträchtiger gewesen, <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>stag<br />

in eine Ost- und Westhälfte zu<br />

unterteilen?<br />

Abgesehen davon verfolgt einen die<br />

historische Symbolik hier Schritt für<br />

Schritt. Beeindruckend sind die Wän<strong>de</strong><br />

in <strong>de</strong>n unteren Stockwerken, die nur<br />

zum Teil verputzt wur<strong>de</strong>n. Soweit<br />

möglich, wur<strong>de</strong> das alte Gemäuer<br />

für alle sichtbar erhalten, die vielen<br />

frei liegen<strong>de</strong>n Mauerteile zwischen<br />

<strong>de</strong>m Putz zeugen von einer langen<br />

und turbulenten Geschichte. Selbst<br />

die Graffitis, die von <strong>de</strong>n russischen<br />

Soldaten am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Krieges an die<br />

Außenmauer geschmiert wur<strong>de</strong>n, sind<br />

noch immer <strong>de</strong>utlich zu erkennen.<br />

„Der Bevölkerung“, prangt ein<br />

Schriftzug in einem Blumenbeet. Was<br />

hier wächst, ist Kunst: In <strong>de</strong>m Beet<br />

befin<strong>de</strong>t sich Er<strong>de</strong> aus je<strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sland.<br />

In <strong>de</strong>n letzten Jahren hat sich ein<br />

fö<strong>de</strong>raler Unkrautgarten entwickelt. Via<br />

Webcam kann das Volk beim Wachsen<br />

zusehen - www.<strong>de</strong>rbevoelkerung.<strong>de</strong><br />

bietet ein „Fenster zum Innenhof <strong>de</strong>s<br />

Reichstagsgebäu<strong>de</strong>s“, schwärmt die<br />

Website <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stags.<br />

Die für Besucher geöffnete Reichstagskuppel<br />

ist eine beim Volk wesentlich<br />

beliebtere Attraktion. Ein spiralförmiger<br />

Gang führt bis dicht unter die gläserne<br />

Außenhaut, von wo aus das Parlament<br />

gut erkennbar ist. Praktisch: Über ein<br />

computergestütztes Sonnenspiegel-<br />

System durchflutet das Tageslicht <strong>de</strong>n<br />

gesamten Plenarsaal, das Herzstück<br />

<strong>de</strong>s Regierungsviertels. Die Stühle sind<br />

hier mit einem blauen Stoff überzogen<br />

- Bun<strong>de</strong>stagsblau, ein extra für <strong>de</strong>n<br />

Plenarsaal entwickelter Farbton.<br />

Über <strong>de</strong>m Plenarsaal, auf <strong>de</strong>r Fraktionsebene,<br />

tummeln sich lauern<strong>de</strong><br />

Fotografen, rauchen<strong>de</strong> Kameraleute<br />

und schwatzen<strong>de</strong> Print- und Radiojournalisten.<br />

Die SPD führt gera<strong>de</strong> ihre<br />

Probeabstimmung für Hartz III und<br />

IV durch. Je<strong>de</strong>s Mal, wenn sich die<br />

Tür <strong>de</strong>s Büros öffnet und ein Politiker<br />

nach draußen tritt, formiert sich ein<br />

Journalisten-Pulk um ihn, wie tausen<strong>de</strong><br />

kreischen<strong>de</strong> Teenie-Mä<strong>de</strong>ls, die Daniel<br />

Küblböck in <strong>de</strong>r Damenunterwäsche-<br />

Abteilung ent<strong>de</strong>cken. Das Ergebnis<br />

<strong>de</strong>r Probeabstimmung war zwar nicht<br />

spektakulär, doch im Reichstag wartet<br />

ein Journalist gerne auch mal vergebens.


04 ausgepresst<br />

politik <strong>orange</strong><br />

JUGENDLICHE SIND EXPERTEN<br />

Ein Gespräch mit Thomas Krüger, Präsi<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung (bpb), über neue Medien und<br />

jugendkulturelles Engagement als Chance für politische Bildung. Von Sandra Schmid und Susanne Sitzler<br />

Herr Krüger, Sie haben einmal in einem<br />

Interview gesagt, politische Bildung sei keine<br />

„Informationsvermittlungsmaschine“. Was<br />

ist sie <strong>de</strong>nn?<br />

Zur politischen Bildung gehört die Bereitstellung<br />

von politischen Informationen, aber<br />

das beson<strong>de</strong>re an unserem Ansatz ist, dass<br />

wir politische Bildung auch als Aktivierung,<br />

als Unterstützung für bürgerschaftliches und<br />

politisches Engagement verstehen. Das heißt,<br />

es geht nicht nur um Wissensvermittlung,<br />

son<strong>de</strong>rn um Ermutigung, Bekräftigung und<br />

Unterstützung zur Teilnahme am politischen<br />

Entscheidungsprozess. Also all das, was<br />

man mit <strong>de</strong>m schönen Fremdwort „empowerment“<br />

bezeichnet.<br />

Wie kann man sich das vorstellen?<br />

Die Informationsvermittlung muss durch<br />

konkrete Projekte ergänzt wer<strong>de</strong>n, die Leuten<br />

helfen, sich zu engagieren. Wenn ich mich<br />

zum Beispiel in einen kommunalen Entscheidungsprozess<br />

einmische, dann muss<br />

ich wissen, wie man Netzwerke herstellt<br />

o<strong>de</strong>r wie man einen Verein grün<strong>de</strong>t. Unsere<br />

Publikationen, Workshops, Online-Angebote<br />

und Veranstaltungen können das Rüstzeug<br />

sein, das man dazu braucht.<br />

Von Anfang an waren für Sie Jugendliche<br />

eine beson<strong>de</strong>re Zielgruppe, warum?<br />

Die bpb ist zwar eine Institution <strong>de</strong>r<br />

Erwachsenenbildung aber erstens sind<br />

Jugendliche auch Erwachsene und zweitens<br />

muß man Schwerpunkte setzen, wenn man<br />

in die Zukunft von Demokratie investieren<br />

will. Da liegt es auf <strong>de</strong>r Hand, Jugendliche<br />

zu unterstützen, die ihren eigenen Platz<br />

in <strong>de</strong>r Gesellschaft suchen. Ich glaube,<br />

wir haben es mit einem zunehmen<strong>de</strong>n<br />

Generationskonflikt zu tun, <strong>de</strong>r es jungen<br />

Menschen immer schwerer macht, sich<br />

in Entscheidungsprozesse einzumischen<br />

o<strong>de</strong>r sich in Parteien zu organisieren. Der<br />

<strong>de</strong>mografische Faktor wirkt sich zu Lasten <strong>de</strong>r<br />

Jugendlichen aus. Deshalb wollen wir ihnen<br />

so gut es geht unter die Arme greifen.<br />

Das klingt sehr abstrakt: „unter die Arme<br />

greifen“. Was sind <strong>de</strong>nn konkrete Projekte?<br />

Wenn ich Jugendliche erreichen will, muss<br />

ich akzeptieren, dass Sie ihre politischen<br />

Informationen eher aus <strong>de</strong>m Fernsehen<br />

als aus dicken, enzyklopädischen Büchern<br />

beziehen. Deswegen haben wir uns Partner<br />

aus diesem Bereich gesucht: NBC-GIGA<br />

und VIVA TV. Wir bedienen uns auch <strong>de</strong>s<br />

Mediums Kino, um bestimmte Themen zu<br />

setzen. Außer<strong>de</strong>m haben wir das Jugendmagazin<br />

fluter und das Onlineportal fluter.<strong>de</strong><br />

entwickelt und möchten mit jugendkulturellen<br />

Veranstaltungen an <strong>de</strong>n Alltag<br />

junger Leute anknüpfen. Ein Beispiel:<br />

Wir sind zusammen mit „Sisters Keepers“,<br />

einer afro-<strong>de</strong>utschen Mädchenband, in<br />

Schulen gegangen und haben Gespräche über<br />

Rassismus und Migration geführt. Und da<br />

ging es mächtig zur Sache! Die Kommentare<br />

<strong>de</strong>r Schüler und Schülerinnen waren einhellig<br />

positiv: „Endlich haben wir mal über diese<br />

politischen Themen diskutiert, die uns<br />

betreffen.“<br />

Ist Engagement im jugendkulturellen Bereich<br />

nicht eine Gratwan<strong>de</strong>rung zwischen <strong>de</strong>r<br />

Gefahr, anbie<strong>de</strong>rnd zu wirken und Interesse<br />

wecken zu wollen?<br />

Es gibt im jugendkulturellen Bereich ein<br />

beachtliches Maß an Eigenorganisation.<br />

Kooperationen müssen also sensibel angegangen<br />

wer<strong>de</strong>n. Wir wollen nichts oktroyieren,<br />

son<strong>de</strong>rn auf Selbstorganisation setzen. Man<br />

darf eben nicht belehrend daher kommen<br />

und von oben herab ein Thema vorgeben.<br />

Was wür<strong>de</strong>n Sie einem Jugendlichen sagen,<br />

wenn er fragt, was ihm politische Bildung<br />

bringt?<br />

Politische Bildung brauche ich, um meinen<br />

eigenen Weg zu fin<strong>de</strong>n und um nicht fremdbestimmt<br />

zu sein.<br />

Was Jugendliche eigentlich auch nicht<br />

wollen!<br />

Genau! Es ist ein ureigenes Bedürfnis, nicht<br />

fremdbestimmt zu sein. Nicht von Eltern,<br />

nicht von Lehrern, nicht von Pfarrern<br />

o<strong>de</strong>r Polizisten und auch nicht von <strong>de</strong>r<br />

politischen Bildung. Deshalb bieten wir<br />

zu einem Thema eine breite Palette von<br />

Angeboten. Beispiel Irak-Krieg: wir haben<br />

drei ganz unterschiedliche Publikationen<br />

herausgegeben, sowohl amerikakritische<br />

als auch proamerikanische, weil wir keine<br />

Meinung vorgeben wollen. Unser Ziel ist<br />

es, qualifi ziertes Material an die Hand zu<br />

geben, damit sich alle ihre eigene Meinung<br />

bil<strong>de</strong>n können.<br />

Im Jugendmedienbereich ist die bpb sehr<br />

engagiert: Beispielsweise bei <strong>de</strong>n Jugendmedientagen<br />

o<strong>de</strong>r bei diesem Seminar zur<br />

Berliner Medien<strong>de</strong>mokratie. Ist es für die<br />

bpb wichtig, Jugendliche zu unterstützen, die<br />

später Journalisten wer<strong>de</strong>n wollen?<br />

Ob sie Journalisten o<strong>de</strong>r Journalistinnen<br />

wer<strong>de</strong>n ist erst einmal nicht so wichtig. Aber<br />

die Leute, die Jugendmedien machen, wissen<br />

häufig ausgesprochen viel über die Alltagswelt<br />

von Jugendlichen. Sie sind Experten, was<br />

das Leben von Jugendlichen in Deutschland<br />

betrifft. Insofern ist diese Kooperation<br />

auch nicht uneigennützig - gera<strong>de</strong> für so<br />

einen Tanker wie die bpb, die schon 51<br />

Jahre alt ist. Wir können uns durch solche<br />

Zusammenarbeit selbst erneuern und so<br />

profitieren bei<strong>de</strong> Seiten.<br />

Die bpb hat in <strong>de</strong>n letzten drei Jahren ihren<br />

Online-Auftritt neu gestaltet und auch das<br />

Jugendmagazin fluter ist mit einer eigenen<br />

Website im Netz verfügbar. Warum ist <strong>de</strong>r<br />

Online-Bereich so wichtig?<br />

Das Medienrezeptionsverhalten hat sich<br />

geän<strong>de</strong>rt. Dem musste sich die bpb anpassen:<br />

Wir haben einen Schwerpunkt in diesem<br />

Bereich gesetzt und konnten kompetente<br />

Leute fin<strong>de</strong>n, die uns in kürzester Zeit<br />

auf <strong>de</strong>n neuesten Stand gebracht haben.<br />

Außer<strong>de</strong>m bietet uns das Internet ganz an<strong>de</strong>re<br />

Vermittlungsmöglichkeiten: Wir nutzen<br />

sie, in<strong>de</strong>m wir auf unserer Website Vi<strong>de</strong>ointerviews<br />

präsentieren o<strong>de</strong>r die Möglichkeit<br />

zur Interaktion geben. Beispiele dafür sind<br />

regelmäßige Diskussionsforen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Wahl-<br />

O-Mat. Hier kann man anhand von 20 bis<br />

30 Fragen seine politische Orientierung<br />

testen.<br />

Politische Bildung ist ein kontinuierlicher<br />

Prozess. Wo sehen Sie Erfolge?<br />

Die Bun<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung<br />

steht auf zwei Beinen: <strong>de</strong>m Standbein<br />

<strong>de</strong>r Kontinuität und <strong>de</strong>m Spielbein <strong>de</strong>r<br />

Innovation. Es gibt zum einen Themen<br />

und Publikationen, die die bpb durch ihre<br />

50-jährige Geschichte begleitet haben. Zum<br />

an<strong>de</strong>ren haben wir durch empirische Untersuchungen<br />

gemerkt, dass wir mit aktuellen<br />

Themen neue Zielgruppen erreichen können.<br />

Das zeigen Feedbacks und Evaluationen.<br />

Die politische Bildung hat ihr Potenzial an<br />

Interessenten noch nicht ausgeschöpft. Mit<br />

aktuellen Themen legitimiert sie sich immer<br />

wie<strong>de</strong>r neu. Gera<strong>de</strong> für junge Menschen sind<br />

aktuelle Themen extrem wichtig.<br />

Das belegen auch die Statistiken von <strong>de</strong>nen<br />

Sie gera<strong>de</strong> sprachen?<br />

Ja, absolut. Auch das Interesse an unseren<br />

Publikationen bestätigt diese Beobachtung:<br />

je aktueller, spezifischer und profilierter<br />

eine Publikation ist, <strong>de</strong>sto jünger sind die<br />

Kundinnen und Kun<strong>de</strong>n.<br />

Mit <strong>de</strong>r Ausrichtung auf Jugendliche geht die<br />

bpb neue Wege. Früher waren Lehrerinnen<br />

und Lehrer Ansprechpartner für Publikationen,<br />

die sich eigentlich an Jugendliche<br />

richteten. Warum dieser Wan<strong>de</strong>l?<br />

Die bpb hat sehr gute und langjährige<br />

Erfahrungen mit sogenannter multiplikatorischer<br />

Arbeit, das heißt wir wen<strong>de</strong>n uns<br />

an Lehren<strong>de</strong> von Schule und Hochschule<br />

o<strong>de</strong>r Sozialarbeiter und versuchen durch<br />

<strong>de</strong>ren Qualifizierung an junge Erwachsene<br />

heranzukommen und ihnen Wissen zu<br />

vermitteln. Das wollen wir auch beibehalten,<br />

aber wir haben festgestellt, dass die besten<br />

Multiplikatoren für junge Leute die jungen<br />

Leute selbst sind.


konzentrat<br />

05<br />

DIE NEUE TV-REALITÄT<br />

Kritiker bemängeln, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen <strong>de</strong>n Privaten immer<br />

mehr annähern. Von Lara Berger und Andreas Gorczok<br />

Anzeige<br />

Die Fernsehwelt ist einfach: Bei <strong>de</strong>n<br />

Privaten dreht sich alles um Jenny<br />

Elvers. Die Öffentlich-Rechtlichen<br />

berichten über die Hartz-Kommission.<br />

Bis vor einigen Jahren entsprach<br />

dieses einfache Strickmuster<br />

wohl noch <strong>de</strong>r Wirklichkeit. Doch<br />

heute ist die Medienlandschaft<br />

keinesfalls mehr so klar abgegrenzt.<br />

Doch die öffentlich-rechtlichen<br />

Sen<strong>de</strong>r versuchen, ihr seriöses<br />

Image auch heute nicht zu verlieren.<br />

„Die ARD ist <strong>de</strong>r privilegierteste<br />

Sen<strong>de</strong>r, weil er<br />

noch nicht von <strong>de</strong>r Sparwelle<br />

überflutet<br />

wor<strong>de</strong>n ist.“<br />

So meint Phoenix-Korrespon<strong>de</strong>nt<br />

Gerd. J. von Fallois, dass einzig<br />

die Öffentlich-Rechtlichen noch<br />

die Möglichkeit haben, „harten<br />

Journalismus“ zu betreiben, weil sie<br />

nicht auf Einschaltquoten schielen<br />

müssten.<br />

Die ARD sei bei <strong>de</strong>r politischen<br />

Berichterstattung <strong>de</strong>r „privilegierteste“<br />

Sen<strong>de</strong>r, meint ARD-<br />

Redakteur Joachim Wagner. Die<br />

ARD sei noch nicht von <strong>de</strong>r Sparwelle<br />

überflutet wor<strong>de</strong>n, sagt <strong>de</strong>r<br />

Redakteur. Das könne sich mittelfristig<br />

aber auch än<strong>de</strong>rn; so wie<br />

beim ZDF bereits geschehen.<br />

Bei <strong>de</strong>n Privaten ist vieles an<strong>de</strong>rs:<br />

RTL zum Beispiel versuche, durch<br />

populistisch aufgearbeitete Nachrichtensendungen<br />

möglichst viele<br />

Konsumenten zu gewinnen. Hingegen<br />

verstehe sich vor allem<br />

Phoenix als Bewahrer <strong>de</strong>r politischen<br />

Kultur, sagt <strong>de</strong>r Redakteur.<br />

Dies spiegele sich sowohl in <strong>de</strong>r<br />

Aufbereitung als auch in <strong>de</strong>r Anzahl<br />

<strong>de</strong>r ausgewählten Politikthemen<br />

wie<strong>de</strong>r. Joachim Wagner erklärt,<br />

dass sich die Öffentlich-Rechtlichen<br />

mit drei mal mehr Politikthemen<br />

befassen als die Privaten.<br />

Außer<strong>de</strong>m hätten die Öffentlich-<br />

Rechtlichen ein „dominantes Interesse<br />

an Sachfragen“ und versuchten,<br />

sich durch die „Personalisierung<br />

von Problemen“ nicht von ihren<br />

Prinzipien abbringen zu lassen.<br />

Die TV-Realität halte diesem<br />

Anspruch kaum noch stand. Trotz<br />

einer ausführlichen Recherche sei es<br />

bei <strong>de</strong>n knappen Sen<strong>de</strong>zeiten, die<br />

auch ARD und ZDF haben, schier<br />

unmöglich, schwierige Themen<br />

ausführlich zu erklären. Dortje<br />

Ferber vom ZDF nennt dies eine<br />

„grenzwertige Verfälschung“.<br />

In <strong>de</strong>n USA fin<strong>de</strong>t die gesamte<br />

politische Berichterstattung im Stile<br />

<strong>de</strong>r Privaten statt, erklärt Gerd-<br />

J. von Fallois. Er appelliert an die<br />

öffentlich- rechtlichen Sen<strong>de</strong>r, „bei<br />

ihrem Programm zu bleiben“ und<br />

ihre Grundsätze zu wahren, auch<br />

auf die Gefahr hin, einen immer<br />

geringeren Teil <strong>de</strong>r Bevölkerung<br />

damit zu erreichen. Denn es sei<br />

unabdingbar, durch guten Journalismus<br />

die Politik transparent<br />

zu machen, zu kontrollieren und<br />

damit die <strong>de</strong>mokratische Ordnung<br />

zu sichern.


06 konzentrat<br />

politik <strong>orange</strong><br />

BLAS MIR MEINE<br />

MEINUNG<br />

TAZ - ERNST SIND<br />

ALLE ANDEREN<br />

Vorurteile über das Blatt am linken Rand <strong>de</strong>s<br />

Zeitungsdschungels gibt es zuhauf. Birkenstock<br />

und Leinenhosen, fundamentalistisch durchgesetzte<br />

Anti-Autorität, Nähe zu <strong>de</strong>n Grünen und<br />

Attac. - Doch über die taz gibt es noch einige<br />

Illusionen zu zerstreuen. Von Tobias Goecke<br />

Ironie ist ein Markenzeichen <strong>de</strong>r taz. Respektlosigkeit<br />

auch. So wur<strong>de</strong> beispielsweise am 24.<br />

Mai auf <strong>de</strong>r Titelseite unter <strong>de</strong>r Überschrift<br />

„Bushs historische Re<strong>de</strong>“ eine weiße Seite<br />

gedruckt, zum Tag <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Einheit<br />

wur<strong>de</strong> eine Zeitung zum „Tag <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Heimat“ herausgegeben. Jens König, Leiter<br />

<strong>de</strong>r Parlamentsredaktion, erklärt, dass Boulevard-Elemente<br />

nur Mittel zum Zweck<br />

seien, um durch frische, ironische Schlagzeilen<br />

Interesse zu wecken, vielleicht auch<br />

für Themen, die nicht in <strong>de</strong>r Tagesschau<br />

vorkommen. Außer<strong>de</strong>m gibt es umfangreiche<br />

Hintergrundartikel und große Reportagen.<br />

Doch auch in <strong>de</strong>r taz-Redaktion sind sich<br />

Redakteurinnen und Redakteure nicht immer<br />

einig. Es gibt eine Art innere Spaltung: auf<br />

<strong>de</strong>r einen Seite die „ur-linke“ Strömung,<br />

die ihr Augenmerk auf Themen mit moralischem<br />

Anspruch wie Dritte Welt, Armut,<br />

Kapitalismus, Ungerechtigkeit etc. legt. Und<br />

es gibt an<strong>de</strong>rerseits die „Respektlosen“, die<br />

weltpolitische Geschehen ironisch karikieren.<br />

Darin liegt <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re Charme <strong>de</strong>r taz.<br />

Ähnlich gespalten sind die taz-Leser. So war<br />

das Echo zur Spezial-Ausgabe zum 25-jährigen<br />

Bestehen <strong>de</strong>s Blattes sehr geteilt. Die Redaktion<br />

hatte ein Experiment gewagt: Die so<br />

genannte „Fein<strong>de</strong>s-taz“ (27.9.‘03) wur<strong>de</strong><br />

von BILD-Chefredakteur Kai Diekmann<br />

für einen Tag „übernommen“ und gestaltet.<br />

Manche Leser sahen darin ein Zeichen <strong>de</strong>r<br />

Frische und Souveränität <strong>de</strong>r taz, an<strong>de</strong>re<br />

meinten, man habe sich an frem<strong>de</strong> Mächte<br />

verkauft. Die PR nutze eher <strong>de</strong>n „Fein<strong>de</strong>n“<br />

als <strong>de</strong>m eigenen Blatt.<br />

Doch in <strong>de</strong>n „Zeiten <strong>de</strong>r Krise“, die von<br />

vielen Medienmachern beklagt wer<strong>de</strong>n, geht<br />

es <strong>de</strong>r taz nach eigenen Angaben relativ gut.<br />

Einfach <strong>de</strong>shalb, weil die tazler genossenschaftlich<br />

organisiert seien und die Zeitung<br />

im eigenen Verlag erscheine. Das för<strong>de</strong>re die<br />

journalistische Unabhängigkeit und biete<br />

Raum für Kreativität und unkonventionellen<br />

Witz.<br />

Stefan Hochgesand über das Innenleben<br />

<strong>de</strong>r „Bild“-Zeitung.<br />

„Mit <strong>de</strong>r Wahrheit nehmen sie‘s nicht so<br />

genau!“ Diesen Ruf wer<strong>de</strong>n die Reporter <strong>de</strong>r<br />

BILD-Zeitung einfach nicht los. Die Berliner<br />

Redaktion lässt diesen Vorwurf nicht auf sich<br />

sitzen:<br />

„Hier lügen alle! Wir noch am wenigsten.<br />

Glaub ich.“, sagt ein Korrespon<strong>de</strong>nt.<br />

Nebenan hat die Kollegin die Sensation im<br />

Vorab-Exemplar einer Illustrierten von morgen<br />

ent<strong>de</strong>ckt: Ministerin Künast verheimliche<br />

<strong>de</strong>mnach seit zwei Jahren, dass sie einen<br />

festen Freund habe. Sofort wird es hektisch<br />

im Hauptstadtbüro <strong>de</strong>r BILD-Zeitung, sofort<br />

wer<strong>de</strong>n Bekannte angerufen, die was zu <strong>de</strong>r<br />

Geschichte beitragen könnten: Netzwerk-<br />

Freun<strong>de</strong>, Hintergrund-Informanten, kurz:<br />

„U-Boote“. Einer erinnert sich, dass Frau<br />

Künast ihr Buch „Masse statt Klasse“ einem<br />

Rüdiger gewidmet habe. Niemand hier besitzt<br />

das Buch, schnell wird es aus <strong>de</strong>r Buchhandlung<br />

von gegenüber besorgt. Tatsächlich fin<strong>de</strong>n sie<br />

hier einen Hinweis auf <strong>de</strong>n geheim gehaltenen<br />

Freund. Kurze Zeit später ist die bunte<br />

Geschichte im Blatt.<br />

Um 10 Uhr wird „power-konferiert“: Wie<br />

ist die Befindlichkeit bei <strong>de</strong>n Bürgern? Gibt<br />

es weitere Geschichten, die sich aufblasen<br />

o<strong>de</strong>r anpinseln lassen? Einer Redakteurin<br />

wur<strong>de</strong> von Bürgern erzählt, dass sich Reinhard<br />

Meys Schmäh-Song „Gernegroß“ auf <strong>de</strong>n<br />

Bundskanzler beziehen könne. Im Lied macht<br />

sich Mey über jeman<strong>de</strong>n lustig, <strong>de</strong>r an Zigarren<br />

nuckelt und Machtworte spricht. Gleich wird<br />

die Meldung zur Chefredaktion in Hamburg<br />

weitergegeben und Hamburg entschei<strong>de</strong>t:<br />

Das wird die Top-Schlagzeile <strong>de</strong>s nächsten<br />

Tages sein!<br />

BILD hat 32 verschie<strong>de</strong>ne Regionalausgaben,<br />

doch was hier im Hauptstadtbüro<br />

geschrieben wird, fin<strong>de</strong>t sich in allen wie<strong>de</strong>r -<br />

ganz vorne auf <strong>de</strong>n Seiten eins und zwei. Bei<br />

<strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r Themen wird genommen,<br />

was <strong>de</strong>n Durchschnittsleser direkt betrifft<br />

(Dosenpfand statt Gemein<strong>de</strong>finanzreform)<br />

o<strong>de</strong>r durch einen Mix mit Boulevard-Themen<br />

<strong>de</strong>n Spaßfaktor beim Lesen hoch schleu<strong>de</strong>rt.<br />

„Die Redakteure hier blasen so stark in die<br />

Trompete, dass es knallt“, sagt Chefreporter<br />

Rolf Kleine. Während <strong>de</strong>s Tages entschei<strong>de</strong>n<br />

die Chefredakteure, welche Geschichten ins<br />

Blatt dürfen. Wenn sie nicht schrill o<strong>de</strong>r<br />

grell genug seien, wür<strong>de</strong> die Arbeit mehrerer<br />

Stun<strong>de</strong>n nicht selten im virtuellen Papierkorb<br />

lan<strong>de</strong>n, berichtet Kleine.<br />

Manchmal scheitern Schlagzeilen aber auch<br />

an Banalitäten: Niemand in <strong>de</strong>r Redaktion hat<br />

die Telefonnummer von Reinhard Mey. Wie<strong>de</strong>r<br />

kennt Jemand jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st die<br />

Nummer <strong>de</strong>r Managerin kennt. Der Anruf<br />

allerdings ist ernüchternd: Der Song habe<br />

nichts mit Schrö<strong>de</strong>r zu tun. Weg ist die<br />

Schlagzeile!


Berliner Medien<strong>de</strong>mokratie - Alles nur Fassa<strong>de</strong>?<br />

Zeitung zum medienpolitischen Workshop im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag<br />

13. bis 17. Oktober 2003, Berlin<br />

konzentrat<br />

07<br />

MEDIEN IM BUNDESTAG<br />

DOKUMENTARISTEN UND NEUTRALE BERICHTERSTATTER<br />

Wer als Journalist wissen will, was im Bun<strong>de</strong>stag passiert, ist beim Pressezentrum richtig. Dass aber auch Medien im Bun<strong>de</strong>stag<br />

gemacht und publiziert wer<strong>de</strong>n, ist weniger bekannt. Dabei haben sie eine lange Geschichte und mit <strong>de</strong>m Umzug nach Berlin<br />

hat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stag medial aufgerüstet. Wer möchte, bekommt heute ein ganzes Paket von Presseinformationen: <strong>de</strong>n Newsletter<br />

„heute im Bun<strong>de</strong>stag“, die Wochenzeitung „Das Parlament“ und Plenar<strong>de</strong>batten im Fernsehen o<strong>de</strong>r im Web-TV.<br />

Sandra Schmid und Susanne Sitzler haben sich umgesehen.<br />

Abgeordnete live<br />

Parlamentsfernsehen<br />

und Online-Dienste<br />

Franz Müntefering steht am blauen<br />

Rednerpult. Rechts von ihm, auf <strong>de</strong>r<br />

Regierungsbank, sitzen die Minister. Es<br />

ist 10 Uhr morgens, Bun<strong>de</strong>skanzler Gerhard<br />

Schrö<strong>de</strong>r hat <strong>de</strong>n Plenarsaal noch<br />

nicht betreten. Und so bekommt er<br />

von <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong> an diesem Morgen nichts<br />

mit. Außer er schaut TV - Parlaments-TV.<br />

Acht elektronisch gesteuerte<br />

Kameras sind im Plenarsaal <strong>de</strong>s<br />

Reichstagsgebäu<strong>de</strong>s installiert. Sie<br />

verfolgen, was sich am Redner-Pult, bei<br />

<strong>de</strong>n Abgeordneten, auf <strong>de</strong>r Regierungsbank<br />

und <strong>de</strong>n Plätzen <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srats-<br />

Mitglie<strong>de</strong>r abspielt. „Live, unkommentiert<br />

und vollständig“ - das sind die drei<br />

Richtlinien <strong>de</strong>r Berichterstattung, so<br />

Hartwig Bierhoff, Referatsleiter Online-<br />

Dienste und Parlamentsfernsehen im<br />

Deutschen Bun<strong>de</strong>stag.<br />

Doch nicht nur im Plenarsaal - auch<br />

in Fraktions- und Ausschussräumen<br />

befin<strong>de</strong>n sich Kameras. Je<strong>de</strong>r Abgeordnete<br />

hat einen Fernsehapparat im Büro.<br />

Und wenn er wegen <strong>de</strong>r Aktenberge an<br />

seinem Schreibtisch sitzen muss, kann<br />

er von dort aus Sitzungen verfolgen.<br />

Aber wie kommt Lieschen Müller<br />

an die Live-Übertragung von Franz<br />

Müntefering und Co? Falls Lieschen<br />

in Berlin wohnt und mit digitalem<br />

Fernsehempfang ausgestattet ist, hat<br />

sie Glück: Sie kann die Debatten <strong>de</strong>r<br />

Parlamentarier dann hautnah verfolgen.<br />

Denn das Parlaments-TV überträgt<br />

je<strong>de</strong> Sitzung komplett. Die Bil<strong>de</strong>r<br />

wer<strong>de</strong>n allen Fernsehanstalten kostenfrei<br />

angeboten. Bei aktuellen Themen<br />

kommen die eigenen Kamerateams <strong>de</strong>r<br />

Sen<strong>de</strong>häuser: Dann bestimmen sie vor<br />

Ort die Regie <strong>de</strong>r Aufnahme.<br />

Was, wenn man aber nicht in Berlin<br />

wohnt und niemand live berichtet?<br />

Dann bleibt <strong>de</strong>r Zugang über das Internet:<br />

auf www.bun<strong>de</strong>stag.<strong>de</strong> gibt es nicht<br />

nur Informationen über Abgeordnete,<br />

Fraktionen und Ausschüsse, dort wird<br />

das Parlaments-TV per Live-Stream<br />

übertragen.<br />

Seit 1953, als die öffentlich-rechtlichen<br />

Sen<strong>de</strong>r als Erste in Schwarz-Weiß<br />

aus <strong>de</strong>r Bonner Republik berichteten,<br />

hat sich also viel getan. Mittlerweile<br />

besitzt <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stag sogar ein eigenes<br />

TV-Studio. Viele freut die neue Technik:<br />

zum Beispiel Annette Verheyen,<br />

persönliche Referentin <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stags-<br />

Vizepräsi<strong>de</strong>ntin Susanne Kastner: „Bei<br />

mir ist das Parlamentsfernsehen immer<br />

an.“<br />

Meinungsbil<strong>de</strong>nd, nicht<br />

meinungsmachend<br />

„Das Parlament“ - Wochenzeitung<br />

mit Dokumentationscharakter<br />

Unbestrittener ‚Senior‘ unter <strong>de</strong>n<br />

Medien im Bun<strong>de</strong>stag ist „Das Parlament“.<br />

Als Instrument politischer<br />

Bildung in <strong>de</strong>n 50er Jahren ins Leben<br />

gerufen, um <strong>de</strong>n Deutschen nach <strong>de</strong>r<br />

Nazi-Diktatur das öffentlich zu machen,<br />

was im Bonner Bun<strong>de</strong>stag passierte.<br />

Damals eher Dokumentarist als journalistischer<br />

Berichterstatter, hat sich<br />

„Das Parlament“ seit<strong>de</strong>m zunehmend<br />

zu einer politischen Zeitung gemausert.<br />

Trotz<strong>de</strong>m drohte im Jahr 2000 das<br />

Aus: zu langweilig, zu verstaubt, so die<br />

Kritiker. Am En<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> das in die<br />

Jahre gekommene Blatt sogar zu teuer.<br />

Seit 2001 wird die Wochenzeitung vom<br />

Bun<strong>de</strong>stag publiziert - zu wichtig war<br />

die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Blatts.<br />

„Das Parlament“ ist ein Zwitterwesen:<br />

Ein Teil ist noch heute <strong>de</strong>r<br />

Dokumentation gewidmet: akribisch,<br />

<strong>de</strong>r Vollständigkeit verpfl ichtet, aber<br />

wenig journalistisch sind die Berichte<br />

aus Plenum und Ausschüssen. Die<br />

aktuellen Themen, Interviews, Buchrezensionen<br />

o<strong>de</strong>r Glossen zeigen jedoch<br />

die Entwicklung <strong>de</strong>s „Parlaments“ zur<br />

politischen Wochenzeitung. Nur eines<br />

ist tabu: Kommentare. „Wir sind zur<br />

Neutralität verpflichtet“, sagt Alexan<strong>de</strong>r<br />

Weinlein, Chef vom Dienst. Zum<br />

Bun<strong>de</strong>stag gehören schließlich alle Parteien.<br />

Die Maxime <strong>de</strong>r Redaktion: Meinung<br />

bil<strong>de</strong>n, statt Meinung machen.<br />

Eine wöchentliche Auflage von 25.000<br />

Exemplare, jährlich rund 38 Ausgaben,<br />

vor allem von Schulen und Lehrern,<br />

Universitäten und Bibliotheken abonniert<br />

o<strong>de</strong>r an Kiosken und Buchhandlungen<br />

vertrieben.<br />

Trotz aller notwendigen Rücksicht<br />

auf die Institution <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stags,<br />

ist Alexan<strong>de</strong>r Weinlein mit seiner Arbeit<br />

zufrie<strong>de</strong>n: „Es ist ein abwechslungsreicher<br />

Job.“ Und wo fin<strong>de</strong>t ein Journalist<br />

in Zeiten von Medienkrise und<br />

schlechter Arbeitsmarktsituation noch<br />

einen solchen Arbeitsplatz? „Spannend<br />

und zugleich fast so sicher wie <strong>de</strong>r eines<br />

Beamten?“, fragt Alexan<strong>de</strong>r Weinlein<br />

und grinst. Durchs Fenster sieht man<br />

direkt auf <strong>de</strong>n Reichstag - nur wenige<br />

Schritte entfernt.


08 grapefruit<br />

politik <strong>orange</strong>


Berliner Medien<strong>de</strong>mokratie - Alles nur Fassa<strong>de</strong>?<br />

Zeitung zum medienpolitischen Workshop im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag<br />

13. bis 17. Oktober 2003, Berlin<br />

grapefruit<br />

09


10 obststand<br />

politik <strong>orange</strong><br />

SUSANNE KASTNER ERSETZT DIE VIRTUELLE WELT<br />

Für die Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r jungen Medienmacher <strong>de</strong>s Seminars im Bun<strong>de</strong>stag sorgt die Hausherrin selbst.<br />

Vize-Präsi<strong>de</strong>ntin Susanne Kastner begleitet die jungen Menschen. Von Moritz Remig<br />

Groß ist die Resonanz, die rund 40 junge<br />

Medienmacher dieser Tage im Deutschen<br />

Bun<strong>de</strong>stag erhalten. Ob die Bun<strong>de</strong>spressekonferenz<br />

durch die Jungjournalisten<br />

gefüllt, die Ausschüsse begleitet o<strong>de</strong>r im<br />

Haussen<strong>de</strong>r Interviews übertragen wer<strong>de</strong>n.<br />

Laut ist es auf <strong>de</strong>n schier Kilometer langen<br />

Gängen gewor<strong>de</strong>n, die jungen Schreiber<br />

eilen durch die Gebäu<strong>de</strong> und erregen<br />

erstaunte Blicke. Die große Aufmerksamkeit<br />

<strong>de</strong>r jungen Journalisten liegt auch<br />

am Engagement <strong>de</strong>r zweiten Hausherrin<br />

im Bun<strong>de</strong>stag. Vize-Präsi<strong>de</strong>ntin Susanne<br />

Kastner setzt sich in starker Weise für<br />

die Jugendlichen ein. „Ich arbeite gerne<br />

mit jungen Menschen zusammen. Mir<br />

ist vor allem ein unmittelbarer Bezug zu<br />

Jugendlichen sehr wichtig“, sagt Kastner.<br />

Dass ihr die Nähe zu <strong>de</strong>n Jugendlichen<br />

am Herzen liegt zeigt sich. Ob beim<br />

Aben<strong>de</strong>ssen im Paul-Löbe-Haus o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

Diskussion von Abgeordneten aus <strong>de</strong>n<br />

Wahlkreisen <strong>de</strong>r jungen Medienmacher,<br />

Kastner begleitet die Jugendlichen, wo<br />

es ihr voller Terminplan erlaubt. Denn<br />

sowohl für die Jugendpresse als auch<br />

für <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>stag ist <strong>de</strong>r Workshop für<br />

junge Medienmacher unter <strong>de</strong>m Titel<br />

„Medien<strong>de</strong>mokratie - Realität o<strong>de</strong>r Fiktion“<br />

eine Premiere: „Es ist wichtig, dass<br />

die Jugendlichen unmittelbar Politik<br />

erleben“, sagt Kastner. Außer<strong>de</strong>m wer<strong>de</strong>n<br />

die zukünftigen Journalisten so in die Arbeit<br />

<strong>de</strong>r Berliner Journallie eingeführt. „Junge<br />

haben selten eine Chance in die starre<br />

Journalisten-Szene Berlins vorzudringen.“<br />

Der Workshop will Einblicke hinter die<br />

Kulissen <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages und Hauptstadt-<br />

Redaktionen etwa ARD o<strong>de</strong>r Süd<strong>de</strong>utsche<br />

Zeitung bieten. Mit <strong>de</strong>n Journalisten bei<br />

<strong>de</strong>nen die jungen Medienmachern einen<br />

Tag hospitierten hat die Vize-Präsi<strong>de</strong>ntin<br />

immer wie<strong>de</strong>r zu tun. „Es gibt einen<br />

Stamm von Journalisten mit <strong>de</strong>nen ich<br />

stets zu tun habe. Nicht mit allen pflegt<br />

man da persönliche Kontakte“, so Kastner.<br />

Allerdings seien Gespräche mit <strong>de</strong>n<br />

Medienfachleuten wichtig.<br />

Sie hätten hin und wie<strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>re Informationsquellen<br />

für bestimmte Themen. Aufpassen<br />

müsse man in<strong>de</strong>s bei<br />

<strong>de</strong>r eigenen Sprache. Schnell<br />

hat die Abgeordnete<br />

gelernt, wie sie sich<br />

ausdrücken muss. Die<br />

erste Aufmerksamkeit<br />

in „BILD“ folgte<br />

schon kurz nach ihrer<br />

Wahl ins Abgeordnetenhaus.<br />

„Eine klare<br />

und ein<strong>de</strong>utige Sprache<br />

ist wichtig.“<br />

Angefangen hat die<br />

politische Karriere von<br />

Kastner spät, die klassische<br />

Laufbahn bei<br />

<strong>de</strong>n Jungend-Organisationen<br />

<strong>de</strong>r Partei<br />

hat sie nicht durchlaufen.<br />

„Ich habe mich oft<br />

über Straßenführung<br />

o<strong>de</strong>r fehlen<strong>de</strong> Ampelanlagen<br />

geärgert“, sagt<br />

Kastner. „Nicht mekkern,<br />

einmischen und<br />

selber machen“ ist<br />

schon auf lokaler<br />

Ebene ihr Motto gewesen.<br />

Weit hat sie das<br />

gebracht, sitzt sie doch<br />

mittlerweile in <strong>de</strong>r<br />

fünften Legislaturperio<strong>de</strong><br />

im Bun<strong>de</strong>stag.<br />

Seit Oktober 2002 gehört sie<br />

<strong>de</strong>m Sitzungsvorstand an und<br />

leitet als Stellvertreterin von<br />

Präsi<strong>de</strong>nt Thierse unter an<strong>de</strong>rem<br />

das Alltagsgeschäft. Leitet Kastner<br />

eine Sitzung ruht ihr Blick nicht<br />

starr, er schweift vielmehr ab auf<br />

die Zuschauertribünen. „Ich richte<br />

meinen Blick häufig auf die Besucher.<br />

Es ist interessant zu sehen<br />

wie sie im Vergleich zu <strong>de</strong>n Abgeordneten<br />

reagieren“, sagt Kastner.<br />

Sie sehe sofort, wo Interesse seitens<br />

<strong>de</strong>r Bevölkerung herrsche. Nicht<br />

nur bei Plenarsitzungen auch sonst<br />

gilt Kastners Interesse stets <strong>de</strong>n Besuchern.<br />

Dafür schwebt ihr noch ein Ehrgeiziges<br />

Projekt vor Augen. Kastner möchte ein<br />

Besucherzentrum im Bun<strong>de</strong>stag einrichten.<br />

„Hier sollen unter an<strong>de</strong>rem Bun<strong>de</strong>stag<br />

und Politik für Jugendliche mit Hilfe<br />

virtuellen Medien erläutert wer<strong>de</strong>n“, sagt<br />

Kastner. Wichtig ist ihr dabei, dass die<br />

Jugendlichen nicht geleitet, son<strong>de</strong>rn ihre<br />

eigenen Erfahrungen machen können.<br />

Selbständig sollen die Informationen<br />

beschafft wer<strong>de</strong>n, je<strong>de</strong>r kann sich informieren<br />

wie er will. Bis dahin muss Susanne<br />

Kastner weiter durch <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>stag eilen,<br />

Besuchergruppen informieren und die<br />

virtuelle Welt ersetzen. Nächstes Jahr wird<br />

sie vermutlich wie<strong>de</strong>r jungen Journalsiten<br />

<strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>stag erklären, <strong>de</strong>nn einmalig ist<br />

<strong>de</strong>r Blick junger Medienmacher hinter die<br />

Kulissen nicht. „Das ist ein Pilotprojekt.<br />

So etwas soll es im nächsten Jahr wie<strong>de</strong>r<br />

geben“, sagt die Kastner.<br />

Anzeige<br />

>> Aufmerksame Zuhörerin: Susanne<br />

Kastner im Gespräch mit Moritz Remig.


Berliner Medien<strong>de</strong>mokratie - Alles nur Fassa<strong>de</strong>?<br />

Zeitung zum medienpolitischen Workshop im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag<br />

13. bis 17. Oktober 2003, Berlin<br />

ZU GUT FÜRS FERNSEHEN<br />

Wer macht die besseren Nachrichten - ARD o<strong>de</strong>r RTL? Korrespon<strong>de</strong>nt Gerhard Hofmann hat<br />

für bei<strong>de</strong> gearbeitet. Von Kai Klicker und Catharina Wagner<br />

konzentrat<br />

>> RTL-Korrespon<strong>de</strong>nt Gerhard Hofmann:<br />

Mit RTL aktuell schaffen er und<br />

seine Kollegen manchmal mehr Marktanteil<br />

als die Tagesthemen.<br />

11<br />

Dienstagabend bei RTL im<br />

Schnei<strong>de</strong>raum. Hektisch wird <strong>de</strong>r<br />

Aufmacher für „RTL Aktuell“<br />

geschnitten und vertextet. Man ist auf<br />

<strong>de</strong>r Suche nach Besuchern vor <strong>de</strong>m<br />

Reichstag, die möglichst unsinnige<br />

Antworten auf die Frage „Was wird<br />

heute im Bun<strong>de</strong>stag verhan<strong>de</strong>lt?“<br />

geben. Ziel: Man will <strong>de</strong>m Publikum<br />

zeigen, dass ganz Deutschland<br />

keine Ahnung von <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeitigen<br />

Gesetzesvorlagen hat. Einige Passanten<br />

sind lei<strong>de</strong>r zu gut informiert,<br />

um ins Fernsehen zu kommen.<br />

Glücklicherweise fin<strong>de</strong>n sich zwei<br />

politisch Desinteressierte - und einer<br />

ist auch noch unter 18! Klischee<br />

erfüllt! Die Spannungskurve konnte<br />

wie<strong>de</strong>r einmal gerettet wer<strong>de</strong>n.<br />

Gleichzeitig klingelt alle fünf Minuten<br />

das Telefon: „Schrö<strong>de</strong>r, wo bleibt<br />

Schrö<strong>de</strong>r?“. Man will als ersten <strong>de</strong>n<br />

Kanzler im Beitrag zeigen. Der ist in<br />

Hamburg und gratuliert <strong>de</strong>r Stiftung<br />

für Naturschutz zum Geburtstag, ein<br />

RTL-Kamerateam soll ihn abfangen.<br />

Fünf Minuten vor Beginn tru<strong>de</strong>lt<br />

Schrö<strong>de</strong>r per Datenübertragung ein.<br />

Schnell wird <strong>de</strong>r Beitrag geschnitten,<br />

kleinere Versprecher wer<strong>de</strong>n auf Grund<br />

<strong>de</strong>s zeitlichen Drucks übergangen.<br />

Immer noch besser, als <strong>de</strong>n Text live<br />

in <strong>de</strong>r Sendung einzusprechen. Und<br />

tatsächlich: Pünktlich um 18.47 Uhr<br />

flimmert Gerhard Schrö<strong>de</strong>r über die<br />

<strong>de</strong>utschen Fernsehbildschirme, vor<br />

allen an<strong>de</strong>ren Sen<strong>de</strong>rn.<br />

Mehr als 20 Prozent Marktanteil<br />

erreicht RTL aktuell an guten<br />

Tagen - und liegt dann sogar vor<br />

<strong>de</strong>n ARD-Tagesthemen. Schlägt<br />

die Kölner Karnevalsstimmung also<br />

die hanseatische Emotionslosigkeit?<br />

Einer, <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong> Extreme kennt,<br />

ist Gerhard Hofmann, politischer<br />

Chefkorrespon<strong>de</strong>nt <strong>de</strong>s RTL -Hauptstadtstudios.<br />

Der 55-jährige Journalist hat bei<br />

<strong>de</strong>r ARD angefangen und ging<br />

1994 zu RTL. „Der Wechsel von<br />

<strong>de</strong>n Öffentlich-Rechtlichen zu <strong>de</strong>n<br />

Privaten vollzog sich recht einfach.<br />

Denn Fernsehen bleibt Fernsehen“,<br />

sagt Hofmann. „Allerdings wur<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Schriftverkehr weniger, und ab<br />

sofort ärgerte ich mich mehr über<br />

Formate als politische Inhalte.“ Will<br />

heißen: Bei <strong>de</strong>r ARD mussten mehrere<br />

Durchschläge von Briefen angefertigt<br />

und alles bürokratisch erfasst wer<strong>de</strong>n<br />

- bei RTL schreibt Hofmann „wenn<br />

es hoch kommt noch drei Briefe im<br />

Jahr“. Bei <strong>de</strong>r Auswahl <strong>de</strong>r politischen<br />

Themen hat <strong>de</strong>r Journalist auch freie<br />

Hand.<br />

Und während bei <strong>de</strong>r ARD die<br />

Inhalte mehr im Vor<strong>de</strong>rgrund stan<strong>de</strong>n<br />

als die Attraktivität <strong>de</strong>r Sendung, war<br />

und ist bei RTL die Aufmachung <strong>de</strong>r<br />

Berichte mehr auf die werbetechnische<br />

Zielgruppe zugeschnitten. Die Inhalte<br />

spielen eine untergeordnete Rolle.<br />

Doch eine Gemeinsamkeit hat die<br />

Arbeit bei bei<strong>de</strong>n großen <strong>de</strong>utschen<br />

Sen<strong>de</strong>rn: <strong>de</strong>n Zeitaufwand. „Von neun<br />

bis 19 Uhr geht ein durchschnittlicher<br />

Arbeitstag, bei <strong>de</strong>m es darauf<br />

ankommt, Non-Stop informiert zu<br />

bleiben“, so Hofmann. Egal ob RTL<br />

o<strong>de</strong>r ARD: Die Aktualität ist bei<br />

bei<strong>de</strong>n Sen<strong>de</strong>rn oberstes Gebot.<br />

FLURE, PARTYS, HINTERZIMMER...<br />

Wie politische Journalisten in Berlin an Informationen aus erster Hand kommen.<br />

Von Michaela Krause und Matthias Böhning<br />

Es ist Dienstagabend, 22.30 Uhr. Burkhard<br />

Rabe von Pappenheim von <strong>de</strong>r Focus<br />

Parlamentsredaktion steht mit einem Glas<br />

Sekt in <strong>de</strong>r Hand in einer kleinen Gruppe<br />

von vornehm angezogenen Damen und<br />

Herren. Ab und zu bietet eine Bedienstete<br />

kleine Häppchen an. Ein nettes Fest, es stört<br />

nur die etwas zu laute Musik.<br />

Was sich nach entspannter Party-<br />

Atmosphäre anhört, ist für von Pappenheim<br />

Arbeit. Der Redakteur befin<strong>de</strong>t sich auf<br />

<strong>de</strong>m Focus-Fest, einem Treffpunkt <strong>de</strong>r<br />

Berliner Medien- und Politikszene. Die<br />

Devise heißt: Sehen und gesehen wer<strong>de</strong>n. Das<br />

gilt auch für von Pappenheim. Für ihn geht<br />

es vor allem darum, Kontakte zu Ministern,<br />

Pressesprechern und an<strong>de</strong>ren Mitarbeitern<br />

<strong>de</strong>s großen Politik-Apparates zu pflegen<br />

und neue zu knüpfen. „Natürlich baut<br />

man mit <strong>de</strong>r Zeit auch freundschaftliche<br />

Bekanntschaften zu einigen Leuten auf“,<br />

meint er. „Hauptsächlich geht es aber<br />

darum, Leute zu kennen, die einem auch<br />

etwas bringen“. Für einen Journalisten im<br />

politischen Berlin ist es überlebenswichtig,<br />

in allen gesellschaftlichen, kulturellen und<br />

politischen Kreisen Bekannte zu haben,<br />

die einen mit aktuellen und brisanten<br />

Informationen versorgen. Die üblichen<br />

Meldungen <strong>de</strong>r großen Nachrichtenagenturen<br />

kann je<strong>de</strong>r lesen. Wirklich interessant<br />

wird es, wenn ein Bediensteter eines<br />

Ministeriums aus <strong>de</strong>m Nähkästchen plau<strong>de</strong>rt<br />

und eventuell schon einige Informationen<br />

o<strong>de</strong>r Gesetzestexte im Vorhinein preisgibt.<br />

Eine an<strong>de</strong>re Möglichkeit, an Informationen<br />

aus erster Hand zu kommen, sind<br />

die so genannten Hintergrundkreise.<br />

Bei diesen Treffen zwischen Politikern,<br />

Lobbyisten und Journalisten, die oft in<br />

Hinterzimmern stattfi n<strong>de</strong>n, wird meistens<br />

„unter drei“ gesprochen. Das heißt, dass alle<br />

Informationen und Namen <strong>de</strong>r Informanten<br />

im Raum bleiben, also nicht veröffentlicht<br />

wer<strong>de</strong>n. Sinn dieser Kreise ist es, <strong>de</strong>n<br />

Journalisten einen tieferen Einblick in die<br />

aktuelle Lage zu gewähren, zum persönlichen<br />

Verständnis beizutragen und dafür zu sorgen,<br />

dass die Situation von <strong>de</strong>n Medienmachern<br />

richtig bewertet wird.<br />

Fast je<strong>de</strong>r Journalist in <strong>de</strong>r Berliner<br />

Medienszene ist in min<strong>de</strong>stens einem <strong>de</strong>r<br />

zahlreichen Hintergrundkreise. Für Nico<br />

Fried von <strong>de</strong>r „Süd<strong>de</strong>utschen Zeitung“ ist<br />

es immens wichtig, schnell an aktuelle und<br />

sichere Informationen zu kommen. Denn<br />

im Gegensatz zum Wochenmagazin Focus,<br />

ist man bei <strong>de</strong>r „Süd<strong>de</strong>utschen“ darauf<br />

angewiesen, seine Leser an je<strong>de</strong>m Morgen<br />

über alle wichtigen Entwicklungen auf <strong>de</strong>m<br />

Laufen<strong>de</strong>n zu halten.<br />

Wer <strong>de</strong>shalb an einen Reporter <strong>de</strong>nkt, <strong>de</strong>r<br />

durch die Gänge hastet, Politikern nachjagt<br />

und Kollegen mit Fragen löchert, liegt bei<br />

Nico Fried falsch. Ruhig hält er sich im<br />

Hintergrund und muss nicht lange warten:<br />

Zum Korrespon<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r „Süd<strong>de</strong>utschen“<br />

kommen viele Politiker von ganz allein.<br />

Ludwig Stiegler, Vize-Fraktionsvorsitzen<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r SPD, schlen<strong>de</strong>rt mit Zigarre im Mund<br />

gemächlich auf Fried zu. Betont lässig we<strong>de</strong>lt<br />

er mit seiner Zigarre <strong>de</strong>m Journalisten Rauch<br />

ins Gesicht, zufrie<strong>de</strong>n plau<strong>de</strong>rt er aus <strong>de</strong>m<br />

„Fraktionsnähkästchen“ und sonnt sich in<br />

<strong>de</strong>r Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r Presse.<br />

„Je größer die Zeitung, umso einfacher<br />

ist es, an Informationen zu gelangen“,<br />

glaubt Fried. Abgeordnete wie Stiegler<br />

erleichtern ihm <strong>de</strong>n Job - Informationen aus<br />

<strong>de</strong>r Parteimitte sind gefragt. Sehr gesprächige<br />

Politiker fin<strong>de</strong>n sich vor allem in <strong>de</strong>n<br />

Reihen <strong>de</strong>r jeweiligen Opposition. Die<br />

Gerüchteküche bro<strong>de</strong>lt immer, falsche<br />

Fährten inklusive.<br />

Nico Frieds Taktik ist, Vertrauen zu<br />

Abgeordneten aufzubauen. „Was so einfach<br />

klingt, ist ein langer Prozess“, beschreibt <strong>de</strong>r<br />

Journalist. Die größte Gefahr bestehe darin,<br />

zur Marionette <strong>de</strong>r Politiker zu wer<strong>de</strong>n. Wer<br />

alles eins zu eins übernehme, sei schnell weg<br />

vom Fenster. Gespräche mit Abgeordneten,<br />

mit <strong>de</strong>ren Kommentaren man fest rechnen<br />

kann, reichen jedoch noch lange nicht<br />

für einen gut recherchierten Beitrag, sagt<br />

Fried. Wie und wo man an zusätzliche<br />

Informationen kommt, weiß er genau. Es gäbe<br />

immer ausreichend Kollegen, die weiterhelfen.<br />

Auch Journalisten konkurrieren<strong>de</strong>r Zeitungen<br />

arbeiten sich von Zeit zu Zeit gegenseitig<br />

Informationen zu. Für heute hat Fried<br />

genügend „Flurgespräche“ geführt. Während<br />

Kollegen ganze Schreibblöcke mit ihren<br />

Notizen füllten, ist er nur mit seinem<br />

Handy bewaffnet. Damit wer<strong>de</strong>n die<br />

gesammelten Neuigkeiten am schnellsten<br />

an die Redaktion weitergegeben, um am<br />

nächsten Tag druckfrisch auf Seite eins zu<br />

stehen.


12 obststand<br />

POLITISCHE KOCHMÜTZE<br />

Harald Kießling kocht für die Prominenz - eine Freu<strong>de</strong> für bei<strong>de</strong> Seiten. Von Sebastian Erb<br />

politik <strong>orange</strong><br />

Der Kanzler war schon bei ihm essen und<br />

auch <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>spräsi<strong>de</strong>nt. Harald Kießling<br />

kommt zwischen Küche und Esstisch mit<br />

vielen Größen aus Politik, Wirtschaft und<br />

Kultur in Kontakt. Der 44-Jährige ist Koch<br />

in <strong>de</strong>r Bremer Lan<strong>de</strong>svertretung und sorgt<br />

dafür, dass Empfänge nicht ohne die<br />

nötigen kulinarischen Höhepunkte über<br />

die Bühne gehen. Seine Gourmet-Künste<br />

haben sich herumgesprochen, viele <strong>de</strong>r<br />

gela<strong>de</strong>nen Gäste kommen immer wie<strong>de</strong>r<br />

in die Hiroshimastraße. Nicht unbedingt,<br />

weil sie <strong>de</strong>m Stadtstaat Bremen beson<strong>de</strong>rs<br />

verbun<strong>de</strong>n sind, son<strong>de</strong>rn einfach, weil das<br />

Essen gut schmeckt. „Bremen ist doch eine<br />

schöne Stadt“: Kießling hat kein Problem<br />

damit, ein Bun<strong>de</strong>sland zu repräsentieren,<br />

das nicht seine Heimat ist. Er selbst kommt<br />

ursprünglich aus Thüringen und arbeitet<br />

seit 1981 in Berlin. Seit 1999 leitet er<br />

die Küche in <strong>de</strong>r neueröffneten Bremer<br />

Lan<strong>de</strong>svertretung. Eine Arbeit, die ihm von<br />

Anfang an viel Freu<strong>de</strong> bereitet: „Der Umgang<br />

mit <strong>de</strong>n Gästen ist sehr schön“.<br />

Wer Bremen vertritt, muss auch auf Bremer<br />

Art kochen können: Fischsuppe, Kohl-und-<br />

Pinkel-Essen mit Kasseler Rippe, Kochwurst<br />

und frischem Bauchspeck. Viele Gäste<br />

mögen‘s jedoch lieber international. Die<br />

asiatische Küche ist auf <strong>de</strong>m Vormarsch,<br />

oft kombiniert mit allen möglichen<br />

Zutaten aus europäischen Vorratskammern.<br />

Gastgeber und Gäste sprechen<br />

gewöhnlich schon im Vorhinein ab,<br />

was auf <strong>de</strong>n Tisch kommen soll. Menü<br />

o<strong>de</strong>r Buffet? Kalt, warm o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>s?<br />

Probleme gibt es dabei kaum. Politiker<br />

als Suppenkasper? Kießling fällt kein<br />

Fall ein, bei <strong>de</strong>m ein Politiker mit<br />

beson<strong>de</strong>ren essenstechnischen Abneigungen<br />

auffiel. Die Politiker essen<br />

das, was auf <strong>de</strong>n Tisch kommt. Und<br />

nehmen mitunter auch vieles an<strong>de</strong>re<br />

erstaunlich locker. Empfang mit Politprominenz:<br />

Das Sicherheitspersonal<br />

steht unter Strom, <strong>de</strong>r Vorhang ist aus<br />

Sicherheitsgrün<strong>de</strong>n zugezogen. Die<br />

Politiker kommen, „lasst die Sonne<br />

rein“, Vorhang auf, die Terrasse ruft.<br />

Der Adrenalinpegel <strong>de</strong>r Personenschützer<br />

steigt ins Unermessliche. Auf <strong>de</strong>n Privatmann<br />

Kießling hat <strong>de</strong>r ständige Kontakt mit<br />

Politikern durchaus Auswirkungen. Die Leute<br />

aus <strong>de</strong>m Fernsehen sind nun live vor Ort, das<br />

macht neugierig auf Hintergrün<strong>de</strong>. „Ich bin<br />

politisch viel interessierter gewor<strong>de</strong>n“, sagt<br />

Kießling. Er will <strong>de</strong>n Job noch lange weitermachen.<br />

Hat er dabei beson<strong>de</strong>re Wünsche?<br />

Wen wür<strong>de</strong> er gerne mal verköstigen?<br />

Er überlegt nur kurz. Die diesjährige<br />

Frie<strong>de</strong>nsnobelpreisträgerin Schirin Ebadi<br />

wäre ein Traumgast für ihn o<strong>de</strong>r auch die<br />

Schriftstellerin Susan Sontag. Natürlich gibt<br />

es auch Gäste, die er nicht liebend gern<br />

bedienen wür<strong>de</strong>. Aber ob sympathisch o<strong>de</strong>r<br />

nicht, alle Gäste wer<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m gleichen<br />

Niveau betreut.<br />

SPUREN DER MACHT<br />

Wichtig ist, was hinten rauskommt. Von Daniel Köhler<br />

Das stille Örtchen fungiert im Reichstag als<br />

politischer Garten E<strong>de</strong>n. Hier kann man sein,<br />

wird inmitten kuscheliger Kacheln in Ruhe<br />

gelassen und kann ohne Gegenwehr seine Sache<br />

durchdrücken. Von <strong>de</strong>r Pressekonferenz zur<br />

Presskonferenz, das kann je<strong>de</strong>n treffen. Beim<br />

Strullen, Pullern o<strong>de</strong>r Pischern sind sie alle gleich.<br />

Die Toilette also ein politikfreier Raum? Jein,<br />

<strong>de</strong>nn selbst <strong>de</strong>r stille Ort bietet für die notorischen<br />

Geschäftsleute genügend Möglichkeiten, sich wie<br />

gewohnt zu verhalten. Dafür sorgen allein die<br />

farb- und formschönen Aktenhalter wie sie über<br />

einigen Standkeramikschüsseln <strong>de</strong>s Reichstages<br />

zu fin<strong>de</strong>n sind. Wie viele Geheimpapiere dort<br />

unter eins, zwei o<strong>de</strong>r drei Gesprächspartnern<br />

schon verhan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>n, ist natürlich reine<br />

Spekulation. Im Falle eines Scheiterns <strong>de</strong>r<br />

Verhandlungen fängt man sich allerdings für am<br />

Pissoir geäußerte „Rücktritts“-äußerungen kein<br />

großes Medienecho, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n bösen Blick<br />

<strong>de</strong>r Klofrau ein. Schlüpfrige Kommentare zum<br />

Thema Überhangmandat sind dort ähnlich gern<br />

gesehen wie Ausschuss-Sitzungen, Diskussionen<br />

über die Kanzlermehrheit, Witze über <strong>de</strong>n<br />

österreichischen Kanzler o<strong>de</strong>r Koalitionsverhandlungen.<br />

Platz für Populismus gibt dort<br />

ebenfalls nicht. We<strong>de</strong>r besteht das Klopapier aus<br />

Sei<strong>de</strong>, noch wird hier mit Schampus gespült. Ach<br />

ja, sehr sauber sind sie auch. Dafür sorgt eine<br />

Heerschar von fleißigen Engeln mit Wischmob,<br />

Wasser und Staubfänger. Letzterer ist sogar in<br />

<strong>de</strong>n Lan<strong>de</strong>sfarben schwarz, rot, gold gehalten.<br />

Gesehen im Paul Löbe Haus.<br />

fruchtfleisch<br />

Willi Carl, SPD Pressestelle<br />

„Ich bin Chefredakteur <strong>de</strong>s Artikeldiensts<br />

„Nachrichten für Zeitungsmacher“,<br />

<strong>de</strong>r politische Inhalte für<br />

Macher <strong>de</strong>r SPD Ortsvereinszeitungen<br />

aufbereitet, sowie Material<br />

für Internetauftritte und Flyer<br />

und Serviceangebote für Bürger<br />

beinhaltet. Meistens han<strong>de</strong>lt es<br />

sich dabei um abgeschlossene<br />

Vorgänge, da aktuelle Themen<br />

einem steten Wan<strong>de</strong>l unterliegen<br />

und die Zeitung auf Kommunalebene<br />

aber nur monatlich<br />

erscheint. Wie ich zum Journalismus<br />

gekommen bin? Nun ja,<br />

angefangen habe ich als freier Mitarbeiter von<br />

Lokalzeitungen, sozusagen von <strong>de</strong>r Pike auf,<br />

dann Journalistenschule später wur<strong>de</strong> ich Landtagssprecher<br />

<strong>de</strong>r SPD und dann Pressesprecher<br />

<strong>de</strong>r SPD im Europaparlament.“<br />

Jens König, taz<br />

„Als einer <strong>de</strong>r wenigen „Ossies“ spaltete mein<br />

Wechsel zur taz im Herbst 1994 fast die Redaktion.<br />

Einigen war das Blatt zu<br />

west-lastig, sie begrüßten mein<br />

Hinzukommen. An<strong>de</strong>re störte die<br />

Tatsache, dass ich nach <strong>de</strong>r<br />

Wen<strong>de</strong> fast 5 Jahre Chef-Redakteur<br />

<strong>de</strong>r Jungen Welt war. Ich<br />

liebe diesen Beruf, weil er mir die<br />

Möglichkeit bietet solch einmalig<br />

spezielle Menschen wie Hans-<br />

Jochen Vogel zu interviewen und<br />

von ihm väterlich zurecht gewiesen<br />

zu wer<strong>de</strong>n.“


Berliner Medien<strong>de</strong>mokratie - Alles nur Fassa<strong>de</strong>?<br />

Zeitung zum medienpolitischen Workshop im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag<br />

13. bis 17. Oktober 2003, Berlin<br />

FRÜHER FUHR ER RETTUNGSWAGEN<br />

- HEUTE WESTERWELLE<br />

Von Paul Prasser und Christof Rösch<br />

obststand<br />

13<br />

Schwarz schimmert <strong>de</strong>r frisch gewachste<br />

BMW in <strong>de</strong>r Abendsonne. Da steht sie,<br />

die Regierungslimousine, daneben einer<br />

<strong>de</strong>r über hun<strong>de</strong>rt Fahrer <strong>de</strong>r Abgeordneten<br />

<strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stags. A. Utofahrer (Name<br />

von <strong>de</strong>r Redaktion geän<strong>de</strong>rt) kutschiert<br />

täglich die Politiker Berlins von Termin zu<br />

Termin. Seit drei Jahren ist er Angestellter<br />

einer Firma, die im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stages<br />

chauffiert. Zu seinen prominentesten<br />

Gästen zählen Dr. Guido Westerwelle und<br />

Norbert Blüm. A. Utofahrer unterliegt <strong>de</strong>r<br />

Schweigepflicht, vom neuen Klatsch aus<br />

<strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>stag bis zu „TOP SECRET“-<br />

Dienstgesprächen bekommt er alles mit -<br />

spricht aber nicht darüber. Ein beson<strong>de</strong>res<br />

Sicherheitstraining hat er nicht gemacht.<br />

Bun<strong>de</strong>stagsvize-Präsi<strong>de</strong>ntin Susanne<br />

Kastner verrät: „Nur die allerwichtigsten<br />

Fahrzeuge sind gepanzert.“<br />

Stress kommt bei <strong>de</strong>n Fahrern selten<br />

auf, von acht Stun<strong>de</strong>n Dienst sitzen sie<br />

meistens sechs Stun<strong>de</strong>n im Auto und<br />

warten. In dieser Zeit lässt er sich fürs<br />

Zeitunglesen, mit Kollegen sprechen,<br />

o<strong>de</strong>r Autoputzen bezahlen. „Manche<br />

Abgeordnete sind richtige Labertaschen,<br />

da muss man die schon mal dran erinnern,<br />

dass sie in einem Auto sitzen und<br />

nicht in einer Talkshow.“ Das Verhältnis<br />

zu seinen „Kun<strong>de</strong>n“ ist locker, „meistens“.<br />

Der Befehlston sei zwar auch<br />

noch gebräuchlich „aber es nimmt ab“.<br />

„Die Abgeordneten sagen mir, wo‘s hingeht,<br />

ich fahre aber nur genehmigte<br />

Dienstfahrten.“ Seine Beifahrer können<br />

ihn noch so drängen, er hält sich an die<br />

Straßenverkehrsordnung. Denn selbst 218<br />

PS beschützen <strong>de</strong>n 530er BMW Diesel<br />

nicht vor Unfällen und seine Strafzettel<br />

muss er selber zahlen. „Im vergangenen<br />

Jahr überfuhr ein Auto eine rote Ampel<br />

und fuhr mir ungebremst mit 65 km/h<br />

in die Fahrertür - Berufsrisiko“ Großer<br />

Blechscha<strong>de</strong>n und tagelange Kopfschmerzen,<br />

plus Schleu<strong>de</strong>rtrauma waren die<br />

Folge. 5.500 Kilometer fährt er im Jahr,<br />

verhältnismäßig wenig, dafür dass er bis<br />

zu zehn Stun<strong>de</strong>n am Tag im schwarzen<br />

BMW verbringt. „Man muss viel warten,<br />

<strong>de</strong>nn welcher Politiker ist schon pünktlich,<br />

geschweige <strong>de</strong>nn schnell“. Wenn er nicht<br />

gera<strong>de</strong> die High-Society Berlins durch<br />

die Gegend fährt, ist er mit seinem<br />

Peugeot 307 unterwegs. „Man läuft<br />

viel mehr in seiner Freizeit, wenn man<br />

dienstlich so viel fährt.“ Bevor er die<br />

Nobelautos <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stags bewegte, fuhr<br />

er Rettungswagen und Taxi. A. Utofahrer<br />

hat Glück habt, dass er heute <strong>de</strong>n schicken<br />

BMW 5er fahren darf.<br />

Je<strong>de</strong>n Morgen wird neu gelost, abhängig<br />

von Dienstalter und Fahrgästen, die<br />

ebenfalls je<strong>de</strong>n Morgen neu gewählt<br />

wer<strong>de</strong>n, bekommen die Fahrer die Autos<br />

zugeteilt. Die Standardkarosse <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>stags<br />

ist <strong>de</strong>r Merce<strong>de</strong>s E 220 CDI<br />

für die Hinterbänkler, Minister fahren<br />

grundsätzlich im 7er BMW o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r<br />

Merce<strong>de</strong>s S-Klasse. Sollte mal was an <strong>de</strong>r<br />

„schnieken Karre“ nicht stimmen, kann er<br />

sich sofort an <strong>de</strong>n BMW-Service wen<strong>de</strong>n.<br />

„Die kommen dann vorbei und reparieren<br />

das Auto.“<br />

Anzeige<br />

mitmachen!<br />

SÄCHSISCHE JUGENDMEDIENTAGE - HINGEHÖRT!<br />

24. bis 26. Oktober 2003 im Sächsischen Landtag in Dres<strong>de</strong>n<br />

Sie sind das Forum für Nachwuchsjournalisten<br />

in Sachsen:<br />

Die Sächsischen Jugendmedientage<br />

vom 24. bis 26. Oktober<br />

2003 im Dresdner Landtag bringen<br />

300 junge Medienmacher<br />

mit gestan<strong>de</strong>nen Profijournalisten<br />

ins Gespräch. Veranstalter<br />

sind die Jugendzeitschrift SPIES-<br />

SER, <strong>de</strong>r Sächsische Landtag<br />

und die TU Dres<strong>de</strong>n. Referenten<br />

u.a. <strong>de</strong>s Radiosen<strong>de</strong>rs „Fritz“,<br />

<strong>de</strong>s ZDF, <strong>de</strong>r „taz“, <strong>de</strong>s Nachrichtenmagazins<br />

„Focus“, <strong>de</strong>r<br />

Sächsischen Zeitung und <strong>de</strong>s<br />

MDR sind mit dabei. In <strong>de</strong>r Podiumsdiskussion<br />

am Sonntag Vormittag<br />

diskutieren im Plenarsaal<br />

<strong>de</strong>s Landtages die Programmchefs<br />

sächsischer Jugendradios<br />

(MDR Jump, Energy, mephisto)<br />

mit <strong>de</strong>n Jugendredakteuren -<br />

das Thema: „Hingehört!<br />

Jugendradio in Sachsen“. Mit<br />

30 Euro ist man bei <strong>de</strong>n<br />

Sächsischen Jugendmedientagen<br />

2003 in Dres<strong>de</strong>n dabei.<br />

Infos und Anmeldung: Jugendbildungsverein<br />

Sachsen e.V.,<br />

Sächsische Jugendmedientage<br />

2003, Postfach 210 220, 01263<br />

Dres<strong>de</strong>n, Fax 0351 / 315 40<br />

40, Tel. 0351 / 315 40 37. Infos<br />

auch im Netz: www.sjmt.net.<br />

KONGRESS, DER WISSEN SCHAFFT<br />

Jugendmedienkongress, 7. bis 9. November in Bremen<br />

Scha<strong>de</strong>n genmanipulierte Tomaten<br />

auf <strong>de</strong>m Pausenbrot? Hilft<br />

das neue Medikament <strong>de</strong>inem<br />

zuckerkranken Klassenkamera<strong>de</strong>n?<br />

Wie gefährlich ist<br />

<strong>de</strong>nn Sportunterricht bei 35<br />

Grad Hitze? Je<strong>de</strong>n Tag gewinnt<br />

die Wissenschaft neue Erkenntnisse.<br />

Die Zusammenhänge<br />

veröffentlichen Fachzeitschriften<br />

häufig in einer Sprache, die<br />

nur Wissenschaftler verstehen –<br />

und manchmal nicht einmal<br />

die. Journalisten und Wissenschaftler<br />

re<strong>de</strong>n zu wenig miteinan<strong>de</strong>r.<br />

Deshalb können 150<br />

Nachwuchsjournalisten vom 7.<br />

bis zum 9. November in Bremen<br />

mit Wissenschaftlern diskutieren<br />

– und ihr Wissen aufpolieren.<br />

In Workshops können sie üben,<br />

ganz einfach über hoch komplexe<br />

Themen zu schreiben.<br />

Anmeldung bei bei <strong>de</strong>r Jungen<br />

Presse Nie<strong>de</strong>rsachsen:<br />

Borriesstraße 28, 30519 Hannover,<br />

Tel. 0511/830929,<br />

buero@jungepresse-online.<strong>de</strong>.


14 my <strong>orange</strong><br />

politik<strong>orange</strong> – frisch, fruchtig, selbstgepresst<br />

mitmachen@politik<strong>orange</strong>.<strong>de</strong><br />

Die Politiktage <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

im März 2002 wer<strong>de</strong>n niemals<br />

in Vergessenheit geraten.<br />

Weil sie so super organisiert<br />

waren? Das nicht, aber weil 20<br />

junge Medienmacher aus ganz<br />

Deutschland aus <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e, einer<br />

begleiten<strong>de</strong>n Zeitung zur Veranstaltung,<br />

eine eigene, jugendliche<br />

Beteiligungsbewegung ins<br />

Leben riefen. politik<strong>orange</strong> -<br />

von Jugendlichen für Jugendliche,<br />

politik<strong>orange</strong> - ein Netzwerk<br />

zur Demokratieoffensive mit <strong>de</strong>n<br />

Schlagworten informieren, motivieren<br />

und aktivieren.<br />

> Wer ist politik<strong>orange</strong>?<br />

Du bist politik<strong>orange</strong>! Du und<br />

viele an<strong>de</strong>re engagierte junge<br />

Menschen, die an Medien<br />

machen und mitbestimmen interessiert<br />

sind. Bisher sind die<br />

Jugendpresse Deutschland, die<br />

Servicestelle Jugendbeteiligung,<br />

das Hausaufgabenheft „Häfft“,<br />

die Kin<strong>de</strong>rRÄchTsZänker und die<br />

Bun<strong>de</strong>sschülerInnenvertretung<br />

dabei. Aber schon viele an<strong>de</strong>re<br />

Initiativen und Verbän<strong>de</strong> haben<br />

Interesse bekun<strong>de</strong>t, sich in <strong>de</strong>n<br />

Dienst <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e von politik<strong>orange</strong><br />

zu stellen. Und wenn du mitmachen<br />

willst, egal ob als Einzelperson<br />

o<strong>de</strong>r als Initiative, bist du<br />

herzlich willkommen.<br />

> Was ist politik<strong>orange</strong>?<br />

> politik<strong>orange</strong>.<strong>de</strong> - ist die<br />

Plattform für politikinteressierte,<br />

junge Menschen mit Datenbanken<br />

mit interessanten Projekten<br />

und Organisationen, Hilfen bei<br />

<strong>de</strong>r Projektorganisation,<br />

Diskussionsforen zu verschie<strong>de</strong>nen<br />

Themen.<br />

> politik<strong>orange</strong> gibt es auch<br />

als Magazinbeilage in <strong>de</strong>r Berliner<br />

Tageszeitung „taz“ - mit Artikeln<br />

aus Politik, Lifestyle, Szene,<br />

Medien und vielen wichtigen Infos<br />

zu Beteiligungsmöglichkeiten. Ihr<br />

seid dabei: Als Redakteure, Layouter<br />

o<strong>de</strong>r Fotografen.<br />

> politik<strong>orange</strong> - die Zeitung. Bei<br />

Veranstaltungen entsteht innerhalb<br />

weniger Tage eine Zeitung,<br />

die die Veranstaltung kommentiert<br />

und begleitet. Noch vor Ort<br />

erhalten die Teilnehmer die fertige<br />

Zeitung. So zum Beispiel haltet<br />

ihr gera<strong>de</strong> die Zeitung zum Workshop<br />

„Medien<strong>de</strong>mokratie - alles<br />

nur Fassa<strong>de</strong>?“ beim Deutschen<br />

Bun<strong>de</strong>stag in Hän<strong>de</strong>n. Unter<br />

www.politik<strong>orange</strong>.<strong>de</strong> und „Veranstaltungen“<br />

erfahrt ihr, wo die<br />

nächste politik<strong>orange</strong> gemacht<br />

wird. Dort könnt ihr euch auch als<br />

Redakteure anmel<strong>de</strong>n.<br />

> politik<strong>orange</strong> - die Veranstaltungen.<br />

Veranstaltungen, die<br />

von Jugendlichen selbst organisiert<br />

und konzipiert sind, sollen<br />

nicht länger nebeneinan<strong>de</strong>r<br />

stattfin<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn in einen<br />

Zusammenhang gestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

politik<strong>orange</strong> hat einen politischen<br />

Anspruch, will Jugendlichen<br />

die Möglichkeit geben, sich eine<br />

Meinung zu bil<strong>de</strong>n und diese<br />

natürlich frei zu äußern.<br />

Wenn du diese I<strong>de</strong>en spannend<br />

fin<strong>de</strong>st und Lust hast, dich mit einzuklinken,<br />

mel<strong>de</strong> dich einfach bei<br />

mitmachen@politik<strong>orange</strong>.<strong>de</strong>.<br />

Ums mitmachen geht‘s. Alle<br />

I<strong>de</strong>en sind willkommen. Bis bald.<br />

Katrin Hünemör<strong>de</strong>r<br />

impressum<br />

politik <strong>orange</strong><br />

Die Zeitung zum medienpolitischen Workshop „Berliner Medien<strong>de</strong>mokratie<br />

- alles nur Fassa<strong>de</strong>?“ ist ein Projekt <strong>de</strong>s bun<strong>de</strong>sweiten Netzwerkes<br />

„politik<strong>orange</strong>“. Die namentlich gekennzeichneten Beiträge<br />

spiegeln nicht unbedingt die Meinung <strong>de</strong>r Redaktion wie<strong>de</strong>r. Die<br />

Verantwortung für die Anzeigen obliegt unseren Anzeigenpartnern<br />

und spiegelt nicht die politische Meinung <strong>de</strong>r Redaktion wie<strong>de</strong>r.<br />

Herausgeber:<br />

poitik<strong>orange</strong> - Netzwerk Demokratieoffensive<br />

c/o Servicestelle-Jugendbeteiligung<br />

Grünberger Straße 54, 10245 Berlin<br />

www.politik<strong>orange</strong>.<strong>de</strong>, mitmachen@politik<strong>orange</strong>.<strong>de</strong><br />

Redaktion:<br />

Jugendpresse Deutschland e.V. (JPD)<br />

Grolmanstraße 52, 10623 Berlin<br />

Tel. (030) 450 865 - 51, Fax (030) 450 865 - 59<br />

www.jugendpresse.<strong>de</strong>, info@jugendpresse.<strong>de</strong><br />

Chefredaktion (V.i.S.d.P):<br />

Filippo Cataldo, Jochen Markett<br />

Organisation:<br />

Katrin Hünemör<strong>de</strong>r, Björn Richter, Maximilian Kall<br />

Redaktion:<br />

Ina Armbruster (Aachen), Tobias Baumann (Hesel), Lara Berger<br />

(Alzenau), Birte Betzendahl (Berlin), Gesa Bierwerth (Anklam), Matthias<br />

Boehning (Stuttgart), Fabian Borghardt (Mag<strong>de</strong>burg), Timo<br />

Dreger (Berlin), Daniel Drummer (Stuttgart), Robert Eberhardt (Mittelschmalkal<strong>de</strong>n),<br />

Sebastian Erb (Karlsruhe), Tobias Goecke (Berlin),<br />

Andreas Gorczok (Moers), Stefan Hochgesand (Oppenheim), Sarah<br />

Jäckel (Lübeck), Jessica Janenz (Lübeck), Sina Kaufmann (Bonn),<br />

Kai Klicker (Völklingen), Sarah Költzow (Sin<strong>de</strong>lfingen), Michaela<br />

Krause (Pinnow), Tim Kretschmer (Berlin), Lennart Krüger (Lübeck),<br />

Florian Kubsch (Wunstorf), Britta Kuck (Aachen), Claudia Kurkin<br />

(Hannover), Eva Lucke (Kaufbeuren), Michael Metzger (Würzburg),<br />

Ulrike Pauly (Göttingen), Paul Prasser (Bonn), Moritz Remig (Bonn),<br />

Christof Rösch (Fil<strong>de</strong>rstadt), Annekathrin Ruhose (Augsburg), Anne<br />

Schellin (Lübeck), Sandra Schmid (Bonn), Susanne Sitzler (Bonn),<br />

Martin Schmid (Stockdorf), Sarah Schönherr (Anklam), Esther<br />

Sczesny (Freiburg), Marcus Syring (Halle), Anke Vehmeyer (Bonn),<br />

Catharina Wagner (Köllerbach), Lorenz Wittmann (München), Daniel<br />

Köhler (München), Tamara Lux (Nie<strong>de</strong>rkassel)<br />

Layout: Maximilian Kall, Lorenz Wittmann<br />

Bildredaktion: Sina Kaufmann, Lorenz Wittmann<br />

Druck: Gruner + Jahr Berliner Zeitungsdruck GmbH<br />

Auflage: 20.000 Exemplare<br />

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Bitte schicke dieses Formular per Post o<strong>de</strong>r Fax an die Jugendpresse<br />

Deutschland, Grolmanstraße 52, 10623 Berlin, Fax 030 / 39 69 736.<br />

Infos auch unter www.jugendpresse.<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r info@jugendpresse.<strong>de</strong>.<br />

Du erreichst uns auch persönlich unter 030 / 39 69 519.


Berliner Medien<strong>de</strong>mokratie - Alles nur Fassa<strong>de</strong>?<br />

Zeitung zum medienpolitischen Workshop im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag<br />

13. bis 17. Oktober 2003, Berlin<br />

>> Im Gespräch: <strong>de</strong>r stellvertreten<strong>de</strong> Regierungssprecher<br />

auf <strong>de</strong>m Podium <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>spressekonferenz.<br />

fruchtfleisch<br />

konzentrat<br />

15<br />

Robert von Rimscha,<br />

Tagesspiegel<br />

„Seit En<strong>de</strong> 2000 bin ich Leiter <strong>de</strong>r<br />

Parlamentsredaktion <strong>de</strong>s Tagesspiegels.<br />

Vorher war ich vier Jahre<br />

lang USA-Korrespon<strong>de</strong>nt. Als Vertreter<br />

eines wichtigen Mediums in<br />

Berlin ist man unglaublich nahe<br />

dran an <strong>de</strong>n entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Akteuren.<br />

Während ich in Washington<br />

nicht einfach so einen x-beliebigen<br />

Senator anrufen konnte, bekommen<br />

wir hier in relativ kurzer Zeit je<strong>de</strong>n<br />

Minister ans Telefon. Es ist jedoch<br />

auch sehr wichtig, die nötige Distanz<br />

zu wahren, und vor allem immer im<br />

Blick zu haben, was für die Leser<br />

wirklich relevant ist. Journalismus in<br />

Berlin ist kein zurüchgelehntes Beobachten.<br />

Die Journalisten beeinflussen<br />

die Politik sehr stark, in<strong>de</strong>m<br />

sie am Inszenieren von Konflikten<br />

teilhaben. Die Pressekrise schlägt bei<br />

uns auf allen Ebenen durch: weniger<br />

Geld, weniger Seiten, weniger<br />

Recherchereisen. So ist das Tagesgeschehen<br />

knallhart, wettbewerbsorientiert,<br />

schnellebig und auch<br />

darauf ausgerichtet, in <strong>de</strong>n Agenturen<br />

beachtet zu wer<strong>de</strong>n.“<br />

KALTE ROUTINE STATT HEISSER DEBATTE:<br />

DIE BUNDESPRESSEKONFERENZ<br />

Der stickige Raum ist voll von hektischen<br />

Reportern, die ein Fragengewitter auf<br />

die kleinlauten Politiker loslassen,<br />

Kameraleute kämpfen energisch und<br />

unter Einsatz <strong>de</strong>r Ellenbogen um die<br />

besten Plätze. Doch wo ist die Hektik, wo<br />

sind die Ellenbogen? Etwas spektakulärer<br />

habe ich mir das Ganze ja schon<br />

vorgestellt.<br />

Gera<strong>de</strong> einmal 30 Reporter, teilweise<br />

in Wollpulli und Jeans, lassen sich in<br />

die Sitze <strong>de</strong>s Konferenzsaals fallen, um<br />

<strong>de</strong>n Ausführungen <strong>de</strong>r Anzugträger<br />

vorn zu lauschen. Letztere thronen<br />

hinter einem Pult länger als ein<br />

Fußballtor, das mich unweigerlich an<br />

das Bun<strong>de</strong>sverfassungsgericht <strong>de</strong>nken<br />

lässt. In <strong>de</strong>r Mitte erkenne ich wage das<br />

Namensschild eines Herrn Langguth,<br />

<strong>de</strong>r heute anscheinend Bela Anda als<br />

Regierungssprecher vertreten wird. Zu<br />

je<strong>de</strong>r Seite sitzen ihm sechs gelangweilt<br />

schauen<strong>de</strong> Sprecher aus <strong>de</strong>n Ministerien,<br />

die sich anscheinend spannen<strong>de</strong>res<br />

als diese PK, wie die Pressekonferenz<br />

im Journalistenjargon genannt wird,<br />

vorstellen können.<br />

Die Journalisten selbst sind aber<br />

anscheinend auch nicht son<strong>de</strong>rlich<br />

begeistert, je<strong>de</strong>nfalls erinnert die<br />

Sitzhaltung einiger eher an Ausspannen<br />

auf <strong>de</strong>r Terrasse.<br />

Gegen 13.30 Uhr unterbricht Langguth<br />

das allgemeine Gemurmel und erzählt<br />

mit nicht gera<strong>de</strong> viel Euphorie von <strong>de</strong>r<br />

Kabinettssitzung am Vormittag. Fragen<br />

gibt es dazu kaum.<br />

Interessanter wird es dann, als die<br />

Profis endlich auch allgemeine Fragen<br />

stellen dürfen. Als hätten sie alle nur auf<br />

diesen Moment gewartet, schnellen auch<br />

prompt überall Bleistifte umklammern<strong>de</strong><br />

Hän<strong>de</strong> in die Höhe.<br />

Während es <strong>de</strong>n meisten Redakteuren<br />

gelingt, ihre Fragen recht routiniert zu<br />

artikulieren, hat einer anscheinend <strong>de</strong>n<br />

Sinn <strong>de</strong>r Mikrofone in je<strong>de</strong>r zweiten Reihe<br />

nicht ganz durchschaut. Je<strong>de</strong>nfalls ist es<br />

ihm anscheinend unverständlich, dass<br />

diese wirklich immer zu benutzen sind<br />

und nicht zur weiteren Dekoration <strong>de</strong>s<br />

Saales beitragen sollen. Zurechtweisungen<br />

seitens <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>n führen dann<br />

rasch zu allgemeiner Erheiterung.<br />

Davon abgesehen ist es aber doch<br />

schwer, konzentriert bei <strong>de</strong>r Sache zu<br />

bleiben. Da bin ich schon auf ein<br />

wenig Abwechslung angewiesen, die<br />

beispielsweise <strong>de</strong>r starke französische<br />

Akzent eines Journalisten im mittleren<br />

Block herbeiführt. Außer<strong>de</strong>m platzt<br />

<strong>de</strong>r zweite Stenograph in die friedliche<br />

Sitzung, <strong>de</strong>r viel zu spät durch die riesigen<br />

Glastüren hereintrottet, um seine Kollegin<br />

endlich aus ihrem Schreibkrampf zu<br />

erlösen.<br />

Meine Aufmerksamkeit erregt auch<br />

ein bärtiger Reporter vorne links.<br />

Seine andauern<strong>de</strong>n Nachfragen an die<br />

Adresse <strong>de</strong>s Verteidigungssprechers lösen<br />

bei diesem eine Reihe Seufzer und<br />

Stirnrunzler aus.<br />

Der Bärtige, <strong>de</strong>r sich als Thomas<br />

Kröter von <strong>de</strong>r „Frankfurter Rundschau“<br />

herausstellt, erzählt mir nach <strong>de</strong>r PK,<br />

dass er tatsächlich nur gekommen sei, um<br />

eben diesen Sprecher zum Verhältnis <strong>de</strong>s<br />

Verteidigungsministers zu seiner Fraktion<br />

auszuquetschen.<br />

Und wie war die Ausbeute?<br />

„Erstaunlich gut,“ fin<strong>de</strong>t er. „Heute<br />

wur<strong>de</strong> so ziemlich alles hinreichend<br />

beanwortet. Normalerweise versuchen die<br />

nämlich ganz schön auszuweichen.“<br />

Mit einem breiten Lächeln fügt er<br />

hinzu: „Wie im richtigen Leben ja auch.“<br />

Florian Kubsch<br />

Ulrich Leidholdt,<br />

ARD-Hauptstadtstudio<br />

„Ich bin Ulrich Leidholdt und Korrespon<strong>de</strong>nt<br />

<strong>de</strong>s West<strong>de</strong>utschen Rundfunks<br />

in Berlin. Meine Spezialgebiete<br />

sind Außenpolitik, PDS, FDP sowie<br />

die DDR Vergangenheit. Studiert<br />

habe ich Publizistik und Politologie,<br />

über ein Volontariat kam ich zum<br />

Deutschlandfunk, später wechselte<br />

ich zum WDR. In meinem Büro im<br />

ARD-Hauptstadtstudi produziere ich<br />

meine Beiträge autonom am Computer.<br />

Bin ich damit fertig, speichere<br />

ich sie auf einem Server und schon<br />

stehen sie <strong>de</strong>n Redaktionen im<br />

Sen<strong>de</strong>gebiet zur Verfügung. Meine<br />

Arbeit begreife ich als Dienstleistung<br />

an unseren Hörern, die darin besteht<br />

komplexe Sachverhalte allgemein<br />

verständlich und <strong>de</strong>m Medium Radio<br />

angemessen zu vermitteln. Beson<strong>de</strong>rs<br />

spannend wird meine Arbeit<br />

immer dann, wenn etwas Unvorhergesehenes<br />

passiert.“<br />

Corinna Emundts,<br />

Frankfurter Rundschau<br />

„Ich schreibe seit drei Jahren für<br />

die Frankfurter Rundschau über Politik<br />

aus Berlin. Der Gang ins Parlament<br />

ist nur ein kleiner Ausschnitt<br />

<strong>de</strong>r Recherche. Was da gesagt wird,<br />

sollten wir möglichst schon einen<br />

Tag früher wissen - am besten noch<br />

früher. Aber man braucht sich das<br />

nicht so vorstellen, dass wir <strong>de</strong>n<br />

Politikern <strong>de</strong>n ganzen Tag hinterher<br />

rennen müssen. Wenn <strong>de</strong>nen ein<br />

Thema wichtig ist, rufen die auch<br />

mal von selbst an. Aber bei<strong>de</strong><br />

Seiten nehmen sich auch Zeit für<br />

Gespräche im Hintergrund, die nicht<br />

gedruckt wer<strong>de</strong>n, aber <strong>de</strong>r besseren<br />

Information dienen. Da geht es<br />

meist ziemlich fair und auch engagiert<br />

zu - insofern macht mich<br />

die Arbeit überhaupt nicht politikverdrossen.“


16 quietsch<strong>orange</strong><br />

politik <strong>orange</strong><br />

IN IST, WER PHRASEN DRISCHT<br />

>> Die hohe Kunst <strong>de</strong>r politischen Rhetorik<br />

- diese vier Herrschaften beherrschen<br />

sie: „Wir müssen ein gesun<strong>de</strong>s Maß<br />

an Eigenverantwortung for<strong>de</strong>rn. Um mehr<br />

Transparenz zu erreichen, nutzen wir Synergieeffekte<br />

effizient, was ein gewisses Risiko<br />

birgt, aber eine nachhaltige Entwicklung<br />

garantiert.“<br />

„...wir müssen die Dinge beim Namen nennen…“<br />

… sprach <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>skanzler und verirrte sich<br />

heillos im Universum <strong>de</strong>r Phrasen. Politiker<br />

sind einfallsreiche Wortdrechsler. In ist, wer<br />

Phrasen drischt. Entwe<strong>de</strong>r, um von Seiten<br />

<strong>de</strong>r Opposition die Regierung rhetorisch<br />

nie<strong>de</strong>rzuschmettern und dabei zu verbergen,<br />

dass man selbst keine besseren Vorschläge hat.<br />

O<strong>de</strong>r um sich selbst aus <strong>de</strong>r Schusslinie zu<br />

nehmen, wenn „die Ziele, die wir uns gesteckt<br />

haben, nicht erreicht wor<strong>de</strong>n sind.“ Je<strong>de</strong>s<br />

Jahr wird ein heißer Herbst angekündigt,<br />

in <strong>de</strong>r Realität weht eher ein laues Windchen.<br />

Doch wenn man „mitten in einer<br />

schwierigen Reformphase ist“, muss man<br />

„Schwerpunkte setzen“. Natürlich „im<br />

Interesse <strong>de</strong>r Bürgerinnen und Bürger“.<br />

Ob die das möglicherweise an<strong>de</strong>rs sehen,<br />

ist egal.<br />

Das interessierte Publikum bei Plenarsitzungen<br />

im Bun<strong>de</strong>stag belohnt beson<strong>de</strong>rs<br />

schöne Phrasen oft mit einem lauten Lacher,<br />

<strong>de</strong>nen verwun<strong>de</strong>rte Blicke <strong>de</strong>r Parlamentarier<br />

folgen. Vielleicht sind sie <strong>de</strong>r Meinung,<br />

die Ankündigung, dass „das unternehmerische<br />

Risiko nicht auf einzelne Verbraucher<br />

abgewälzt wer<strong>de</strong>n darf“, stelle Handlungsanleitungen<br />

dar. Mit <strong>de</strong>r Aussage „Fehler<br />

wur<strong>de</strong>n gemacht“, räumt <strong>de</strong>r Redner lobenswerterweise<br />

dieselben ein, distanziert sich<br />

aber gleichermaßen davon, in<strong>de</strong>m er we<strong>de</strong>r<br />

Akteur noch Konsequenzen benennt. Aber<br />

als Antwort auf eine kritische Frage durchaus<br />

sinnvoll, <strong>de</strong>nn was will man auf dieses<br />

Bekenntnis schon antworten? Wer Re<strong>de</strong>nschreiber<br />

für politische Entscheidungsträger<br />

ist, hat einen harten Job. Die Dinge nicht<br />

beim Namen nennen, lautet <strong>de</strong>r Auftrag.<br />

Denn „Preiskorrekturen“ hört sich netter<br />

an als „Preiserhöhung“. Und dass ein<br />

„Solidaritätszuschlag“ keine Gehalts-, son<strong>de</strong>rn<br />

eine Steuererhöhung be<strong>de</strong>utet, darauf muss<br />

man als gemeiner Zeitungsleser erstmal<br />

kommen. Wenn bei einem Terrorangriff<br />

„Distanzmittel“ eingesetzt wer<strong>de</strong>n, fin<strong>de</strong>t<br />

man erst nach eingehen<strong>de</strong>r Recherche heraus,<br />

dass es sich um Reizgas han<strong>de</strong>lt. In einer<br />

vom Krieg noch gezeichneten Gesellschaft<br />

nennt man diesen „bewaffneten Konflikt“.<br />

Ein Atomkrieg ist auf einmal ein „atomarer<br />

Austausch“, Waffen heißen „frie<strong>de</strong>nssichern<strong>de</strong><br />

Systeme“, und die ausgehen<strong>de</strong> Gefahr von<br />

einem Atomkraftwerk ist ein „theoretisches<br />

Restrisiko“. Schon fast philosophische<br />

Ausdrücke. Doch meistens geht es banaler<br />

zu.<br />

Auch wenn konkrete Handlungsanleitungen<br />

durch Phrasendrescherei ersetzt<br />

wur<strong>de</strong>n, erfuhr <strong>de</strong>r erstaunte Zuschauer am<br />

Donnerstag im Plenum während <strong>de</strong>r Debatte<br />

um Bürokratieabbau <strong>de</strong>nnoch zwei Dinge.<br />

„Herr Bun<strong>de</strong>swirtschaftsminister Clement<br />

häuft mittlerweile soviel Bürokratie an,<br />

wie Eichel Schul<strong>de</strong>n“ und „In Deutschland<br />

wer<strong>de</strong>n 70 Prozent <strong>de</strong>r Weltsteuerliteratur<br />

produziert“. Auch wenn es <strong>de</strong>r Opposition<br />

dieses Lan<strong>de</strong>s an Alternativkonzepten mangelt,<br />

bei <strong>de</strong>r Kreativität an Beschimpfungen<br />

und Phrasen schlagen sie die Regierung bei<br />

weitem. Doch die Koalition bemüht sich<br />

redlich. „Jetzt kommt die positive Botschaft“<br />

schmetterte es vom Rednerpult. Diese blieb<br />

aus, aber es gab eine Einführung in Murphys<br />

Gesetz. „Nichts ist so leicht, wie es aussieht“<br />

und „Wenn es eine Lösung gibt, gibt es<br />

immer noch Leute, die sich mit <strong>de</strong>m Problem<br />

beschäftigen“.<br />

Ein Wun<strong>de</strong>r, dass so viele Germanisten<br />

Taxifahrer wer<strong>de</strong>n. Der Betätigungsmarkt im<br />

„Schöne Worte sagen“, möglichst verschachtelt<br />

und nichts sagend, scheint momentan<br />

von mittelmäßigen Hobbyliteraten besetzt.<br />

Je<strong>de</strong>r Ottonormal<strong>de</strong>utsche freut sich,<br />

wenn er abends in <strong>de</strong>n Nachrichten zur<br />

aktuellen Situation <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s folgen<strong>de</strong><br />

Message erhält: „Wir müssen ein gesun<strong>de</strong>s<br />

Maß an Eigenverantwortung for<strong>de</strong>rn. Um<br />

mehr Transparenz zu erreichen, nutzen wir<br />

Synergieeffekte effizient, was ein gewisses<br />

Risiko birgt, aber eine nachhaltige Entwicklung<br />

garantiert.“ Richtig so, wir brauchen<br />

Männer <strong>de</strong>r Tat.<br />

Katrin Hünemör<strong>de</strong>r

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