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politik orange<br />

Zeitung zu <strong>de</strong>n Jugend|Umwelt|Tagen<br />

02. bis 05. Oktober 2003<br />

Bad Orb<br />

Eine Veranstaltung <strong>de</strong>r<br />

> Naturschutzjugend im<br />

Naturschutzbund Deutschland<br />

e.V.<br />

> Jugend im Bund für Umwelt<br />

und Naturschutz<br />

Deutschland e.V. (BUNDjugend)<br />

Schwerer Dunst...<br />

Von Claudia Grötschel<br />

... tschüß bis zum nächsten mal, sagt euer<br />

JUT-Orgateam!<br />

500 m über Normal Null. Schwerer Dunst hängt in <strong>de</strong>n Bäumen. Eine<br />

blitzblanke Sonne blinzelt nur ab und zu durch die vorbeiziehen<strong>de</strong>n<br />

Wolkenfetzen. Es ist ziemlich still – nur Rascheln im Gebüsch neben<br />

<strong>de</strong>m breiten, rund gefahrenen Teerweg, <strong>de</strong>r durchs„Kin<strong>de</strong>rdorf<br />

Wegschei<strong>de</strong>“ führt. Doch kommt man näher an die kleinen<br />

Häuschen, die unschuldig auf <strong>de</strong>r Wiese stehen, lassen sich schon<br />

Spuren jener Kreativität erahnen, die das lange Wochenen<strong>de</strong> um<br />

<strong>de</strong>n 3. Oktober bestimmen....... Fortsetzung auf Seite 2<br />

> Aufwachen! Gegenstand Leben - Seite 7<br />

> Mitmachen! Maßgeschnei<strong>de</strong>rte Tiere – Seite 10<br />

> Weitermachen! Adressen und Termine - Seite 8


02 Politik orange frisch geerntet<br />

geschält Politik orange 19<br />

Fortsetzung von Seite 1:<br />

Bunte junge Menschen huschen zwischen<br />

<strong>de</strong>n kleinen Häuschen hin und<br />

her. Doch trotz aller Geschäftigkeit<br />

wird man in einer zum Kongressbüro<br />

umfunktionierten Häuschenhälfte<br />

schon sehnsüchtig erwartet. Und<br />

dort fin<strong>de</strong>n sich auch weitere Menschen,<br />

die <strong>de</strong>n Weg nach Bad Orb<br />

auf sich genommen haben, um sich<br />

ganz <strong>de</strong>r Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit<br />

einem vielumstrittenen Thema zu<br />

widmen: Gentechnik.<br />

Ein Schlagwort – doch hier fin<strong>de</strong>n<br />

sich in Workshops und Diskussionen<br />

viele Themen, die sich nicht auf<br />

diesen einen Begriff reduzieren lassen.<br />

Es geht um Biopiraterie, darum,<br />

wie DNA überhaupt isoliert wird, um<br />

gesetzliche Strukturen, die geschaffen<br />

wer<strong>de</strong>n, um Gentechnik in Lebensmitteln<br />

zu regulieren und darum,<br />

wie man sich und seine Position politisch<br />

einbringen kann.<br />

Und warum all das? Antwort gibt das<br />

Wort „Jugend|Umwelt|Tage“: ein<br />

Jugend-Kongress, <strong>de</strong>n BUNDjugend<br />

(<strong>de</strong>r Jugend im Bund für Umwelt und<br />

Naturschutz) und NAJU<br />

(Naturschutzjugend) organisierten<br />

und <strong>de</strong>r interessierte jungen Menschen<br />

nach Bad Orb einlädt, sich in<br />

spannen<strong>de</strong>n Workshops mit <strong>de</strong>n<br />

verschie<strong>de</strong>nsten Aspekten dieses<br />

hochbrisanten Themas aus-einan<strong>de</strong>rzusetzen.<br />

Nicht nur Gentechnik-Kritikerinnen<br />

und –Kritiker beweihräuchern sich<br />

gegenseitig – auch Jugendliche, die<br />

Gentechnik ganz o<strong>de</strong>r in Teilen befürworten,<br />

sind dabei und vertreten<br />

ihre Positionen.<br />

Durchaus also Stoff für kontroverse<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen, die ihren<br />

Höhepunkt auf <strong>de</strong>r Podiumsdiskussion<br />

mit Expertinnen und Experten<br />

aus Politik, Wirtschaft und Ethik-<br />

Verbän<strong>de</strong>n fin<strong>de</strong>t.<br />

Auf <strong>de</strong>n nächsten Seiten möchten<br />

wir einen kleinen Einblick geben,<br />

was in <strong>de</strong>n vier Tagen vom 2. bis<br />

zum 5. Oktober 2003 in Bad Orb<br />

geschehen ist und damit auch einen<br />

Eindruck von all <strong>de</strong>n kontroversen<br />

Diskussionen und <strong>de</strong>m Spaß vermitteln,<br />

<strong>de</strong>n wir 60 junge Menschen<br />

hier bei <strong>de</strong>n<br />

Jugend|Umwelt|Tagen hatten.<br />

Viel Spaß beim Lesen!<br />

<strong>de</strong>nken sich, „damit ließe sich viel<br />

Geld machen“. Also analysieren sie<br />

die Gene dieser Pflanzen und mel<strong>de</strong>n<br />

sie beim Patentamt als ihre Ent<strong>de</strong>ckung<br />

an. Nun muss je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r<br />

diese Pflanzen verwen<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

daraus hergestellte Produkte<br />

vermarkten will, Lizenzgebüren<br />

zahlen. Beispiele für dieses<br />

Absurdum sind: Das Patent <strong>de</strong>r US-<br />

Firma „RiceTec“ auf das Grundnahrungsmittel<br />

Basmati-Reis. Sie hat<br />

<strong>de</strong>n südasiatischen Bauern somit das<br />

Resultat <strong>de</strong>r Selektions- und<br />

Züchtungsarbeit<br />

ihrer<br />

Elterngenerationen gestoh-len. Auch<br />

das Grundnahrungs-mittel <strong>de</strong>r An<strong>de</strong>n<br />

,Quinoa genannt, wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r<br />

Colorado State University patentiert.<br />

Eben-so unglaublich ist das Patent<br />

auf chinesischen Weizen. Die Liste<br />

ließe sich ewig fortsetzen.<br />

Selber Schuld, warum lassen sich<br />

die Bauern nicht selbst ihr<br />

geistiges Eigentum patentieren?<br />

Dafür benötigt man lei<strong>de</strong>r eine<br />

große Finanzkraft, um die teuren<br />

Patentanwälte zu bezahlen. Zu<strong>de</strong>m<br />

haben die meisten Men-schen<br />

noch nie etwas davon gehört, dass<br />

so etwas Verrücktes möglich ist.<br />

Die Kollonialisierung von Län<strong>de</strong>rn<br />

wur<strong>de</strong> von einem Bio-Kollonialismus<br />

abgelöst. Deshalb for<strong>de</strong>rn<br />

die „Kampagne gegen Biopiraterie“,<br />

sowie viele an<strong>de</strong>re<br />

Nichtregierungsorganisationen<br />

(NGOs) und gewissenhafte<br />

„Menschliches Leben steht prinzipiell unter<br />

<strong>de</strong>m Kennzeichen <strong>de</strong>r Unsicherheit.“


18 Politik orange geschält<br />

durstlöscher Politik orange 03<br />

impressum<br />

Die Zeitung zu <strong>de</strong>n Jugend|Umwelt|Tagen<br />

2003 ist ein Projekt <strong>de</strong>s bun<strong>de</strong>sweiten<br />

Netzwerkes „politikorange“. Die namentlich<br />

gekenn-zeichneten Beiträge spiegeln nicht<br />

unbedingt die Meinung <strong>de</strong>r Redaktion wie<strong>de</strong>r.<br />

Herausgeber:<br />

politikorange-Netzwerk Demokratieoffensive<br />

c/o Servicestelle-Jugendbeteiligung<br />

Grüneberger Straße 54, 10245 Berlin<br />

www.politikorange.<strong>de</strong>;<br />

mitmachen@politikorange.<strong>de</strong><br />

Redaktionsadresse:<br />

Jugendpresse Deutschland e.V. (JPD)<br />

Perleberger Straße 31, 10245 Berlin<br />

Tel. (030) 39 69 519,<br />

Fax (030) 39 69 736<br />

www.jugendpresse.<strong>de</strong>, info@jugendpresse.<strong>de</strong><br />

Biopiraterie<br />

Die Jagt nach <strong>de</strong>m „grünen Gold“<br />

Von Miriam Boschmann<br />

Piraten? So was gibt es doch schon<br />

lange nicht mehr! Das ist lei<strong>de</strong>r ein<br />

naiver Irrglaube. Zwar fin<strong>de</strong>t man<br />

heute wahrscheinlich keine<br />

abenteuerlich aussehen<strong>de</strong>n<br />

Piratenban<strong>de</strong>n mit Augenklappe und<br />

Totenkopfflagge mehr, aber<br />

statt<strong>de</strong>ssen sind in <strong>de</strong>n 90er Jahren<br />

viel heimtückischere Pira-tenban<strong>de</strong>n<br />

entstan<strong>de</strong>n. Sie ver-stecken sich<br />

hinter harmlos klingen<strong>de</strong>n Namen wie<br />

Monsanto (Pharmacia), Syngenta<br />

o<strong>de</strong>r Du Pont.<br />

Chefredaktion (V.i.S.d.P.):<br />

Eva Majewski<br />

Die Redaktion:<br />

Peter Borchardt (Bonn), Miriam (Momo)<br />

Boschmann (Berlin),Riccarda Gleichauf,,<br />

Claudia Grötschel (Berlin), Constanze<br />

Herbst (Berlin), Anna Kern (Rostock),<br />

Elisabeth Kirschke (Schwerin), Marieke<br />

Kodweiß (Berlin), Matthias Lamerz<br />

(Mannheim), Eva Majewski (Aachen), Lena<br />

Schnei<strong>de</strong>r (Rostock), Jule Schultheiss<br />

(Potsdam), David Shelton (Mainz), Lutz<br />

Weischer (Berlin), Laura Weitze (Weimar)<br />

Layout: Nadine Braun<br />

Es han<strong>de</strong>lt sich<br />

hierbei um<br />

Transnationale<br />

Konzerne(TNCs), die sich<br />

kollektives Gemeingut und<br />

traditionelles Wissen aneig-nen,<br />

in<strong>de</strong>m sie es sich paten-tieren<br />

lassen. Das läuft etwa wie folgt ab:<br />

Indigene Gemein-schaften in<br />

„Entwicklungslän<strong>de</strong>rn“ haben<br />

jahrtausen<strong>de</strong> altes wertvolles<br />

Wissen, z.B. über Heil-pflanzen.<br />

TNCs kriegen Wind davon und<br />

Mit Gentechnologie <strong>de</strong>n Welthunger besiegen?<br />

„Gentechnikgegnern sind die Hungern<strong>de</strong>n Menschen in <strong>de</strong>n<br />

Entwicklungslän<strong>de</strong>rn egal.“ Das ist ein beliebtes Totschlagargument<br />

<strong>de</strong>r Befürworter. Bei diesem Statement han<strong>de</strong>lt es sich jedoch um<br />

billige Propaganda <strong>de</strong>r Gentechnikunternehmen.<br />

Von Miriam Boschmann<br />

Der Gentechnikkritiker vom „Forum<br />

für Umwelt und Entwicklung“<br />

versucht parallel gegen <strong>de</strong>n<br />

unverantwortlichen Einsatz von<br />

genverän<strong>de</strong>rten Organismen und<br />

<strong>de</strong>n Welthunger vorzugehen.<br />

Bekanntlich muss man die Probleme<br />

„bei <strong>de</strong>r Wurzel packen“; ansonsten<br />

kommt man nicht sehr weit. Das<br />

„Forum für Umwelt und Entwicklung“<br />

ist sich sicher, dass Gentechnik<br />

nichts zur Beseitigung <strong>de</strong>r Ursachen<br />

von Hunger beitragen kann. Diese<br />

sind:<br />

> In erster Linie die Armut bewirkt<br />

durch wirtschaftliche und<br />

soziale Ausgrenzung, fehlen<strong>de</strong>n<br />

Zugang zu Ressourcen<br />

(Nahrung, Wasser, Land,<br />

Kredite, Saatgut, Know-how,...) -<br />

> Kriege<br />

> Naturkatastrophen<br />

> Missernten<br />

> fehlen<strong>de</strong>r Absatz <strong>de</strong>r<br />

landwirtschaftlichen Produkte<br />

> Konkurrenz <strong>de</strong>r<br />

Weltmarktimporte<br />

> fehlen<strong>de</strong> Transportmittel und<br />

Logistik (Infrastruktur)<br />

> Eingriff in die traditionelle<br />

Landwirtschaft (Folgen sind<br />

ausgelaugte Bö<strong>de</strong>n,<br />

Abhängigkeit von <strong>de</strong>n Pestizidund<br />

Saatgutlieferanten,<br />

Gesundheitsschä<strong>de</strong>n durch<br />

Pestizi<strong>de</strong>,...)<br />

Fakt ist: Unser Planet hat<br />

ausreichend Nahrungsmittel, um<br />

alle Menschen satt zu machen.<br />

Sowohl in <strong>de</strong>n Industrie- als auch in<br />

<strong>de</strong>n „Entwicklungslän<strong>de</strong>rn“ wer<strong>de</strong>n<br />

täglich Unmengen an<br />

Nahrungsmitteln vernichtet, um die<br />

Preise zu halten. Das Problem liegt<br />

also nicht in einem Mangel an<br />

Nahrungsmitteln, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>n<br />

politischen und sozialen<br />

Umstän<strong>de</strong>n. Das sind zum Beispiel<br />

die Weltmarktbedingungen, welche<br />

die Interessen <strong>de</strong>r Kleinbauern in<br />

<strong>de</strong>n „Entwicklungslän<strong>de</strong>rn“<br />

ignorieren und die Durch <strong>de</strong>n<br />

Kapitalismus vorangetriebene)<br />

Polarisierung von arm und reich.


04 Politik orange durstlöscher/marmela<strong>de</strong><br />

konzentrat Politik orange 17<br />

Demnach bringt es <strong>de</strong>n Hungern<strong>de</strong>n<br />

überhaupt nichts, wenn durch<br />

genetische Optimierung noch mehr<br />

überproduziert wird.<br />

„Aber mit Gentechnik kann man die<br />

Essqualität verbessern und somit<br />

Mangelerscheinungen vorbeugen“,<br />

könnten Verfechter von Gentechnik<br />

einwen<strong>de</strong>n. Das ist Unsinn; <strong>de</strong>nn<br />

vitamin- o<strong>de</strong>r proteinangereicherte<br />

Nahrung kommt Tabletten gleich, mit<br />

<strong>de</strong>m Unterschied, dass sie ohne<br />

Rezept und Dosierungsanleitung<br />

erhältlich sind.<br />

Tomaten-Matsch aus Anti-Matsch-Tomaten<br />

Vor ein paar Jahren war sie <strong>de</strong>r Shooting-Star <strong>de</strong>r Gentechnik, das Thema<br />

in je<strong>de</strong>r Zeitung: Die Anti-Matsch-Tomate, die auch nach Wochen noch<br />

immer so frisch und knackig sein sollte, wie frisch geerntet. -<br />

Aber es ist seltsam still gewor<strong>de</strong>n um die Tomate. Was ist geschehen?<br />

Die Tomate wur<strong>de</strong> einfach nicht gekauft, selbst von <strong>de</strong>nen, die eigentlich<br />

kein Problem mit Gentechnik hatten. Sie schmeckte einfach nicht.<br />

Um die Tomaten überhaupt loszuwer<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong>n sie zu Ketchup verarbeitet.<br />

Tomaten-Matsch aus Anti-Matsch-Tomaten – ein Triumph <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen<br />

Gentechnologie.<br />

sie ihrem Sinn wi<strong>de</strong>rsprechen?<br />

Ich möchte Laurent nicht <strong>de</strong>n positiven<br />

Eindruck, <strong>de</strong>n ich von seiner<br />

Einstellung zu Gentechnik, Umweltund<br />

Naturschutz gewonnen habe,<br />

absprechen. Aber er wird an keinem<br />

run<strong>de</strong>n Tisch alleine sitzen. Und unter<br />

bestehen<strong>de</strong>m Zeitdruck sind<br />

Referent-Innen weit weniger gefragt,<br />

als eine heisse Na<strong>de</strong>l um Kompromisse<br />

und Vereinbarungen zu<br />

stricken. Laurent Lüttge wür<strong>de</strong> seine<br />

Arbeit nicht ausführen, wenn er nicht<br />

an eine sinnvolle Regelung glaubt. Es<br />

ist zwar schwer vorzustellen, dass es<br />

in einer kleinen Stadt wie Bonn mehr<br />

als einen I<strong>de</strong>alisten geben soll,<br />

(jenseits von Arne Erpenbach,<br />

BUNDjugend Orga-Team ), aber<br />

vielleicht ist dies so. Die Wirtschaft<br />

wirkt heller und wacher und die<br />

Öffentlichkeit wird aus <strong>de</strong>r<br />

Diskussion ausgeschlossen. Und<br />

das Ministerium schickt seine<br />

Arbeitsbiene auf die<br />

Jugend|UmwelTage. Um die<br />

Jugend zu beruhigen, dass es<br />

Chancen auf eine sinnvolle<br />

Regelung für die Verbreitung und<br />

Freisetzung von gentechnisch<br />

verän<strong>de</strong>rten Organismen gibt.<br />

Danach wird mit Öko-Bier<br />

angestoßen. Na dann, Prost und<br />

Party!<br />

„Gute Nacht, Bun<strong>de</strong>sregierung“,<br />

möchte ich zynisch diesen<br />

Kommentar abschliessen, „lasst<br />

Eure Referenten Hörbücher<br />

aufnehmen.“ Und alles was uns<br />

bleibt, ist Wachsamkeit.


16 Politik orange konzentrat<br />

Der Märchenonkel<br />

Workshop mit Laurent Lüttge, Jurist und Gentechnik-Referent beim<br />

Bun<strong>de</strong>sministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit<br />

Von Peter Borchardt<br />

Laurent Lüttge zeichnet sich durch<br />

seine sympathische, fast schon in<br />

jegliche Gesprächssituation<br />

einfühlen<strong>de</strong> Stimme aus. Ja, die<br />

Vorstellung einer Gute-Nacht-<br />

Geschichte in Kamin-zimmer-<br />

Atmosphäre breitet sich in meinem<br />

Kopf aus. Über 20 Teilnehmer, ein<br />

paar brennen<strong>de</strong> Holzscheite,<br />

Kerzenschein...<br />

Lei<strong>de</strong>r ist die Thematik für Gute-<br />

Nacht-Geschichten gänzlich ungeeignet,<br />

<strong>de</strong>nn es geht um die<br />

Rechtsverordnungen und Umsetzungen<br />

zu gentechnisch verän<strong>de</strong>rten<br />

Organismen auf EU- und<br />

Bun<strong>de</strong>sebene. Und statt Kamin und<br />

Kerzen ... Laptop und Beamer.<br />

Laurent spricht über die Herausfor<strong>de</strong>rungen,<br />

die die Novellierung<br />

<strong>de</strong>s „Gentechnik“- Gesetzes mit<br />

sich bringt, die langen Arbeits-tage,<br />

die Diskussionen und die ständigen<br />

Kompromisse. Ich möchte noch<br />

gerne fragen, wie sich die<br />

gegenwärtige (Bun<strong>de</strong>s-)<br />

Haushaltslage auf die Arbeit in<br />

seiner Abteilung auswirkt. Aber ich<br />

kann mir die Antwort schon<br />

vorstellen, <strong>de</strong>nn überall muss gespart<br />

wer<strong>de</strong>n. Wenn Gel<strong>de</strong>r feh-len<br />

um Monitoring (Zustandsbegutachtung<br />

über einen längeren<br />

Zeitraum) und Kontrollen zu<br />

gewährleisten, hilft <strong>de</strong>r Umwelt und<br />

uns Verbrauchern auch kei-ne<br />

ausgefeilte Rechtsverordnung weiter.<br />

Und wenn Verträglichkeitsprüfungen<br />

von Gentech-Firmen selber in Auftrag<br />

gegeben wer<strong>de</strong>n, und die Landwirte<br />

auf Ihren eigenen Fel<strong>de</strong>rn das Monitoring<br />

durchführen, wirkt dies auf<br />

mich nicht sehr beruhigend.<br />

Wenn das BMU auf <strong>de</strong>n letzten<br />

Drücker Richtlinien umsetzt, er-weckt<br />

dies wenigstens <strong>de</strong>n Anschein<br />

gewissenhafter Arbeit. O<strong>de</strong>r ist die<br />

Bun<strong>de</strong>sregierung wie<strong>de</strong>r dabei ein<br />

wichtiges Europathema zu<br />

verschlafen, bis Klagen und Strafen<br />

drohen? Dass in <strong>de</strong>n letzten Minuten<br />

vor <strong>de</strong>r<br />

Entscheidung<br />

Zeit- und<br />

Finanznot<br />

Regelungen so<br />

weich kochen,<br />

dass<br />

ausgepresst Politik orange 05<br />

„Wenn’s schief geht, ist es schon zu spät“<br />

Interview mit Martin Häusling<br />

Martin Häusling ist Bio-Landwirt aus Nordhessen. Seit 2003 ist er Mitglied <strong>de</strong>s<br />

Hessischen Landtags sowie agrar- und forstwissenschaftlicher Sprecher <strong>de</strong>r Fraktion<br />

Bündnis 90/Die Grünen.<br />

Von Lutz Weischer<br />

Herr Häusling, Sie haben sich<br />

sehr <strong>de</strong>utlich gegen Grüne<br />

Gentechnik ausgesprochen.<br />

Warum eigentlich?<br />

Wir Grünen sind ja im politischen<br />

Bereich die einzigen, die Gentechnik<br />

noch kritisch sehen. Die<br />

CDU ist immer noch völlig euphorisch<br />

und auch die SPD sieht nur,<br />

dass Gentechnik angeblich<br />

Arbeitsplätze schafft. Man macht<br />

sich viel zu wenig Gedanken über<br />

die Risiken. Aber das Problem bei<br />

dieser Technik ist: Wenn irgendwas<br />

schief geht, dann ist es schon zu<br />

spät.<br />

Sie for<strong>de</strong>rn, dass das Moratorium,<br />

also <strong>de</strong>r Zulassungsstopp<br />

<strong>de</strong>r EU, aufrechterhalten<br />

wird. Die EU hat sich aber an<strong>de</strong>rs<br />

entschie<strong>de</strong>n. Wenn strengere<br />

Regeln beschlossen sind, soll<br />

das Moratorium auf-gehoben<br />

wer<strong>de</strong>n. Wieso halten Sie das für<br />

falsch?<br />

Die I<strong>de</strong>e <strong>de</strong>r neuen EU-Richt-linien<br />

ist ja Wahlfreiheit. Es soll also parallel<br />

konventionelle und gentechnisch<br />

verän<strong>de</strong>rte Produkte geben, die<br />

strikt von einan<strong>de</strong>r getrennt sind.<br />

„Wahlfreiheit“ ist ein sehr schöner<br />

Begriff, aber das ist schwer<br />

durchführbar. Ohne erhöhte Kos-ten<br />

ist das überhaupt nicht mach-bar.<br />

Um diese neuen Vorschriften<br />

umzusetzen, müsste man alles strikt<br />

trennen. Man braucht beispielsweise<br />

bei je<strong>de</strong>m Getrei<strong>de</strong>händler<br />

drei Silos, eins für<br />

konventionellen Weizen, eins für<br />

Bio-Weizen und eins für Gen-<br />

Weizen.<br />

Und selbst wenn diese Regeln<br />

eingehalten wer<strong>de</strong>n, ist wirkliche<br />

Koexistenz nicht möglich. Es wird<br />

Verunreinigungen und Auskreuzungen<br />

geben. Dann gibt es in<br />

Deutschland kein wirklich<br />

gentechnikfreies Feld mehr.<br />

Wissen Sie, wie die neuen<br />

Regeln überwacht wer<strong>de</strong>n<br />

sollen?<br />

Das ist ein Arbeitsbeschaffungsprogramm<br />

für Kontrolleure und<br />

Rechtsanwälte. Und dazu kommen


06 Politik orange ausgepresst<br />

orangennetz Politik orange 15<br />

die ganzen Tests. Ein Test für<br />

Weizen kostet ja alleine schon 100<br />

Euro. Das ist ein riesiger finanzieller<br />

Aufwand. Man muss sich fragen: Für<br />

wen das Ganze? Der einzige Vorteil<br />

ist doch <strong>de</strong>r ökonomische für die<br />

Saatgut-Konzerne.<br />

Aber ist es <strong>de</strong>nn wirklich<br />

schlimm, wenn Sie unabsichtlich<br />

kleine gentechnische<br />

Verunreinigungen in Ihrer Ernte<br />

haben? Es geht ja um so geringe<br />

Werte wie 0,9%.<br />

Aber wir Bio-Bauern sind gesetz-lich<br />

dazu verpflichtet, ohne Gentechnik<br />

zu produzieren. Auch bei kleinen<br />

Verunreinigungen können wir unsere<br />

Produkte nicht mehr verkaufen. Der<br />

Verbraucher erwartet bei einem Bio-<br />

Produkt einfach, dass da keine Gentechnik<br />

drin ist. Stellen Sie sich mal<br />

vor, Stiftung Warentest macht mal<br />

einen Test, bei <strong>de</strong>m rauskommt: Die<br />

Hälfte <strong>de</strong>r Bioprodukte ist<br />

gentechnisch verunreinigt. Dann<br />

wäre die Biobranche kaputt. Das<br />

bedroht wirklich unsere Existenz!<br />

Vielen Dank für das Gespräch!<br />

studieren“, führen wir ein<br />

wertschätzen<strong>de</strong>s Interview durch. In<br />

<strong>de</strong>r Rolle eines Interviewers o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s Interviewten ergeben sich<br />

jeweils neue Betrachtungs-weisen.<br />

Die richtigen Fragen stel-len, auf<br />

<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren eingehen o<strong>de</strong>r einfach<br />

mal losplau<strong>de</strong>rn, bedarf einiger<br />

Überwindung.<br />

In kleinen Gruppen haben wir auch<br />

probiert auf Lösungs-möglichkeiten<br />

bei Problemen zu stoßen: Einfach<br />

mal ein Kata-strophenszenarium in<br />

einer Gruppe durch<strong>de</strong>nken und<br />

dann versuchen diesem in Zukunft<br />

durch I<strong>de</strong>en und Maßnahmen<br />

entgegen zu wirken.<br />

Doch Teamentwicklung heißt nicht<br />

nur Metho<strong>de</strong>n berat-schlagen,<br />

so<strong>de</strong>rn sie auch auzu-probieren und<br />

vor allem in <strong>de</strong>n geeigneten<br />

Situationen anzu-wen<strong>de</strong>n.<br />

Die Kunst ist es eine Brücke zu<br />

schlagen, die Theorie, Praxis und<br />

Spaß umfasst.<br />

Im Übringen gibt es mehrere Lösungen<br />

von A nach B zu kommen,<br />

aber nur mit einem Viertel Eurer<br />

Beine. Viel Spaß dabei!


14 Politik orange orangennetz<br />

Zehn Leute mit nur Fünf Beinen –<br />

Ge(h)ntechnik!?<br />

Von Laura Weitze<br />

Habt Ihr schon einmal versucht, mit<br />

zehn Leuten zusammen von A nach<br />

B zu kommen, aber nur fünf Beine<br />

zu benutzen?<br />

Im Metho<strong>de</strong>nseminar „Teamentwicklung“stellt<br />

Tobias Döppe vom<br />

Verein Sprungbrett einige Grundlagenwerkzeuge<br />

vor. Sprungbrett<br />

sind Referenten, die Gruppen und<br />

Initiativen Seminare anbie-ten. Inhalt<br />

sind Arbeitsgestaltung und<br />

Kommunikation.<br />

Ziel unseres Workshops ist es,,<br />

Einblicke in Gruppendynamik und<br />

Entwicklungsmöglichkeiten dieser<br />

zu gewinnen und umzusetzten.<br />

Zu Beginn einer Projektplanung geht<br />

es darum, Stärken und Bedürfnisse<br />

<strong>de</strong>s Einzelnen zu berücksichtigen.<br />

Tobias stellt in seinem Seminar die<br />

Praxis in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund. Nach<br />

<strong>de</strong>m Motto „Probieren geht über<br />

Ein Film über Gentechnik entfacht<br />

unser Erstaunen und unseren<br />

Unglauben. Eine Werbesen-dung,<br />

die ein Produkt anpreist,, das<br />

unsere inaktiven Gene reaktivieren<br />

soll. Der menschliche Organismus<br />

habe ein großes Po-tenzial, von<br />

<strong>de</strong>m nur 1,5% genutzt wer<strong>de</strong>. Das<br />

wür<strong>de</strong> be<strong>de</strong>uten, wir verschenkten<br />

98,5%.<br />

„Dieses Produkt intensiviert <strong>de</strong>in<br />

Leben–optimiert<strong>de</strong>n Menschen!“<br />

Fürs Erste ist das nur fiktiv, doch ist<br />

solch eine Sendung noch weit<br />

entfernt? Genprodukte per<br />

Homeshopping?<br />

Der Weg dorthin wird geebnet. Die<br />

Entwicklung ist fortschrittlich.<br />

Je<strong>de</strong>r kennt Dolly, das Schaf. Der<br />

erste gelungene Versuch nach 277<br />

fehlgeschlagenen. Sie war das<br />

erste Schaf, das nach<br />

reproduktivem Klonen etwas <strong>de</strong>m<br />

Leben Ähnlichem führte, doch wie?<br />

Das Ergebnis war nicht das<br />

erwünschte: Dolly war krank. Sie<br />

hatte Arthritis und starb.- Theorie<br />

und Praxis. Die Umsetzung <strong>de</strong>r<br />

weltbewegen<strong>de</strong>n I<strong>de</strong>en ist schwer.<br />

Häufig treten Defekte, wie Tod o<strong>de</strong>r<br />

saftla<strong>de</strong>n Politik orange 07<br />

Gegenstand Leben<br />

Workshop zur Problematik <strong>de</strong>r roten Gentechnik<br />

Von Monika Feuerlein<br />

Krankheit, auf, erklären viele<br />

Wissenschaftler.<br />

Bald ermöglicht es das therapeutische<br />

Klonen vielleicht gentechnisch<br />

hergestellte Organe zu<br />

transplantieren. Ersatzteillager<br />

Mensch!<br />

Bisher hat das nur bei Ratten<br />

funktioniert- Zukunftsvision:<br />

Ist <strong>de</strong>ine<br />

L e b e r<br />

kaputt?!-<br />

Dann kauf’<br />

dir eine<br />

neue!<br />

Natürlich<br />

sollten wir<br />

die guten<br />

Seiten <strong>de</strong>r<br />

Gentechnik<br />

n i c h t<br />

ignorieren. Sicher ist es<br />

lebensrettend, wenn man eine Leber<br />

aus <strong>de</strong>m Kühlfach nehmen und<br />

einpflanzen kann. Ist dies aber<br />

möglich, än<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Mensch das<br />

Bewusstsein gegenüber seinem<br />

Körper. Warum nicht rauchen? Es<br />

gibt doch reichliche Auswahl an<br />

Lungen.


08 Politik orange saftla<strong>de</strong>n<br />

unreif gepflückt Politik orange 13<br />

Möglicher-weise steigt die<br />

Risikobereitschaft.<br />

Auch die Gentherapie kann positive<br />

Aspekte aufweisen: Mehrere Kin<strong>de</strong>r<br />

mit einer schweren Immunschwäche<br />

sind gentherapeutisch behan<strong>de</strong>lt<br />

wor<strong>de</strong>n. VielIeicht geht es acht von<br />

ihnen gut, auf je<strong>de</strong>n Fall aber trat bei<br />

<strong>de</strong>n übrigen zwei Leukämie als<br />

Nebenwirkung auf. Kann etwas mit<br />

solchen Nebenwirkungen richtig<br />

sein?<br />

termine und kontakte<br />

Bun<strong>de</strong>sweit:<br />

>Jugend|Umwelt|Kongress JUKSS<br />

in Hei<strong>de</strong>lberg – Treffen von politisch<br />

und ökologisch<br />

interessierten jungen und<br />

junggebliebenen Menschen.<br />

28.12.2003- 04.01.2004 Infos unter<br />

www.JUKSS.<strong>de</strong><br />

In <strong>de</strong>n Län<strong>de</strong>rn:<br />

>Thüringen: Wahlfreiheit und<br />

Koexistenz- Was bringt die<br />

Gentechnik Landwirten und<br />

Verbrauchern?- Tagung <strong>de</strong>r<br />

Heinrich-Böll-Stiftung in Weimar,<br />

20.11.2003, 9.30 Uhr bis 16.30 Uhr.<br />

Infos unter: www.oekoherz.<strong>de</strong><br />

Tel: (03 61 / 555 32 54)<br />

Klar ist, dass das Leben schon<br />

versachlicht wor<strong>de</strong>n ist durch die<br />

Gentechnik. Ausdrücke wie<br />

‘menschliches Ersatzteillager’,<br />

‘technische Probleme’ und<br />

‘Ausgangsmaterial Embryo’’ lassen<br />

einem das gentechnisch<br />

unverän<strong>de</strong>rte Blut in <strong>de</strong>n A<strong>de</strong>rn<br />

gefrieren.<br />

Der Mensch verwischt die Grenzen<br />

und weiß irgendwann nicht mehr, wo<br />

er steht.<br />

>Hessen: Abenteuer ESSEN<br />

kreativ-natürlich – Für Jugendliche<br />

ab 15 & jungeErwachsene. 21.-<br />

23.11.2003 in Wirberg bei<br />

Grünberg. Anmeldung und nähere<br />

Infos:<br />

BUNDjugend Hessen, Tel: (069 / 67<br />

73 76 30) o<strong>de</strong>r<br />

www.bundjugend.hessen@bund.net<br />

>Rheinland-Pfalz/Hessen: Öko-<br />

Führerschein- die<br />

Umweltseminarreihe <strong>de</strong>r<br />

BUNDjungend; Infos unter<br />

www.bundjugendhessen.<strong>de</strong> und<br />

www.bund.rlp/jugend-htm<br />

AK Gentechniktreffen im Januar:<br />

zum El Salvadore<br />

Projekt ( konkreter Termin bei<br />

BUNDjugend erfragen)<br />

Blöd nur, dass <strong>de</strong>r genetisch<br />

verän<strong>de</strong>rte Bt-Mais eben nicht nur<br />

außen mit <strong>de</strong>m Gift beschichtet ist,<br />

son<strong>de</strong>rn in je<strong>de</strong>m Teil <strong>de</strong>r Pflanze Gift<br />

produziert. Landwirte, die<br />

Gentechnik anbauen müssen das<br />

passen<strong>de</strong> Gift kaufen,<br />

Lizenzgebühren zahlen o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>s<br />

Jahr neues Saatgut bezahlen. Aber<br />

steigen dafür wenigstens die<br />

Erträge? Naja, nicht unbedingt. In<br />

Spanien ist <strong>de</strong>r Ertrag von genetisch<br />

verän<strong>de</strong>rtem Mais um 20 Prozent<br />

geringer als von konventionellem.<br />

Gentechnik funktioniert nur mit<br />

intensiver Landwirtschaft mit<br />

Monokulturen, großen Fel<strong>de</strong>rn und<br />

viel Technik- und Chemieeinsatz. Ist<br />

das wirklich die Art von<br />

Jule (19) aus Berlin:<br />

„Die BUNDjugend<br />

Bran<strong>de</strong>nburg plant eine<br />

Gentechnik Ton-Dia-Show. Dafür<br />

brauchen wir ein fundiertes<br />

Wissen. Deshalb sind wir hier<br />

,dienstlich’. Das Thema<br />

Gentechnik interessiert mich<br />

sehr – es ist ja auch<br />

wichtig.“<br />

Landwirtschaft, die wir wollen?<br />

Verbraucher, Umwelt, selbst die<br />

Landwirte: Keiner hat was von<br />

Grüner Gentechnik. Wem nutzt also<br />

das ganze Spektakel? Im Moment<br />

nur <strong>de</strong>n Konzernen.<br />

Warum unterstützt <strong>de</strong>r Staat dann<br />

die Gentechnik? Wozu die ganze<br />

Mühe, wozu die Gesetze und<br />

Verordnungen und <strong>de</strong>r unglaubliche<br />

Verwaltungsaufwand, um die<br />

Kennzeichnung zu kontrollieren?<br />

Damit man in Zukunft auch in<br />

Europa etwas kaufen kann, was<br />

70% <strong>de</strong>r europäischen Verbraucher<br />

eh nicht kaufen wür<strong>de</strong>n?<br />

Das ist ziemlich absurd.<br />

Kristin(22) aus Berlin:<br />

„Ich bin total fertig! Nach diesen<br />

vielen Infos sieht es für mich so aus,<br />

als ob man gar nichts mehr gegen<br />

Gentechnik unternehmen kann. Aber<br />

ich habe kreative Aktionsi<strong>de</strong>en<br />

mitgenommen, wie z.B.<br />

Aufklärung über<br />

Gentechnik.“


12 Politik orange blaue orangen<br />

Gentechnik in Europa zulassen -<br />

Warum eigentlich?<br />

Von Lutz Weischer<br />

Die Grüne Gentechnik ist das<br />

Wun<strong>de</strong>rmittel, das die Menschheit zu<br />

mehr Wohlstand und mehr Gesundheit<br />

führt. Die Versprechungen <strong>de</strong>r<br />

Gentechnik-Konzerne kennen keine<br />

Grenzen: Das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Welthungers,<br />

wenig Arbeit und mehr Erträge für die<br />

Bauern, weniger Gift für die Umwelt<br />

und schönerer, gesün<strong>de</strong>re und ewig<br />

haltbare Lebensmittel für die<br />

Verbraucher. Und natürlich<br />

Arbeitsplätze. So weit die bunte<br />

Werbewun<strong>de</strong>rwelt von Monsanto<br />

und Co. Doch die Wirklichkeit sieht<br />

an<strong>de</strong>rs aus. 95 Prozent <strong>de</strong>r<br />

weltweit kommerziell angebauten<br />

gentechnisch verän<strong>de</strong>rten Pflanzen<br />

sind entwe<strong>de</strong>r gegen Herbizi<strong>de</strong><br />

resistent o<strong>de</strong>r produzieren ein Gift,<br />

das Schädlinge abtötet. Nutzen für<br />

<strong>de</strong>n Verbraucher? Keiner.<br />

Gefahren für <strong>de</strong>n Verbraucher?<br />

Einige. Antibiotikaresistenzen<br />

„Zeit für mein Projekt“<br />

Portrait über BUNDjugend-Mitglied Mirko Seffzig<br />

Von David Shelton<br />

Trockener als „Zeitkoordination und<br />

Projektplanung“ kann <strong>de</strong>r Ti-tel<br />

eines Workshops wohl kaum<br />

klingen. Der Titel ist mit Sicherheit<br />

das einzig trockene an <strong>de</strong>r Sache.<br />

Stellt euch einen 16-Jährigen<br />

übermotivierten Naturschützer vor.<br />

Dieser hat eine Vision:<br />

„Recyclingpapier an <strong>de</strong>r Schule“. Er<br />

überlegt kurz, wie er seinem<br />

Vorhaben Hand und Fuß geben soll<br />

und erreicht schließlich nach langer<br />

Zeit sein Ziel. Auf <strong>de</strong>m Weg dorthin<br />

klappt aber lei<strong>de</strong>r nicht alles.<br />

Diverse Schwierigkeiten tauchen<br />

auf, Zeitdruck dabei eines von<br />

ihnen.<br />

Weitere Projekte folgen <strong>de</strong>m<br />

ersten; bald wird <strong>de</strong>m Jungen klar:<br />

Ein Zeitplan muss her! Und sowieso<br />

muss eigentlich alles ein wenig<br />

organisierter ablaufen.<br />

Dieser Junge heißt Mirko, und diese<br />

Feststellung war <strong>de</strong>r Beginn einer<br />

Laufbahn als Freiwilligen<br />

Koordinator bei <strong>de</strong>r BUNDjugend.<br />

Für all diejenigen unter euch, die<br />

seltsamerweise nicht wissen<br />

(schlimme Bildungslücke), was ein<br />

Freiwilligen Koordinator macht, hier<br />

erntezeit Politik orange 09<br />

eine Beschreibung <strong>de</strong>s Berufes.<br />

Ein Freiwilligen Koordinator hilft<br />

völlig Planlosen ihre Projekte anzuregen<br />

und erfolgreich durchzuführen.<br />

Allerdings bloß mit<br />

theoretischer Grundlage. So notieren<br />

sich Projektplaner zuerst<br />

Wünsche, die Vision ihres Projektes;<br />

um sich daraufhin auch mit<br />

konkreten Zielen zu befassen. Ziele<br />

sind hierbei von vielfältiger Art:<br />

persönliche Ziele, gemeinsame Ziele<br />

(<strong>de</strong>s Teams), wichtigere Ziele und<br />

unwichtigere. Aber sicher muss sein,<br />

dass alle Beteiligten das gleiche Verständnis<br />

<strong>de</strong>r Ziele haben. Unklare<br />

Zielsetzung kann und wird zu Frust<br />

führen und unter Umstän<strong>de</strong>n das<br />

Projekt zum scheitern bringen.<br />

Mirko informiert schon seit 15<br />

Jahren engagiert- als Referent bei<br />

Seminaren verschie<strong>de</strong>ner Länge.<br />

Der dreistündige Work-shop erweist<br />

sich ein<strong>de</strong>utig zu kurz. Drei Tage<br />

wären besser gewesen.<br />

Literaturtipp:<br />

Knoblauch: 22 Spartipps<br />

(R. Brolkhaus Verlag)<br />

„Gentechnik schafft Arbeitsplätze für Juristen“


10 Politik orange monsterorange monsterorange Politik orange 11<br />

Gentechnik - Tiere nach Maß?<br />

von Riccarda Gleichauf und Constanze Herbst<br />

Die Gentechnik wird häufig als<br />

Schlüsseltechnologie <strong>de</strong>s 21.<br />

Jahrhun<strong>de</strong>rts bezeichnet. Genmanipulierte<br />

Tiere sollen nicht nur<br />

zur Bekämpfung von Krankheiten<br />

eingesetzt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn auch<br />

<strong>de</strong>m Welthunger abhelfen. Doch wie<br />

die Realität aussieht, fragen sich<br />

die Teilnehmer <strong>de</strong>r JUT. Die<br />

Referentin Marion Selig vom<br />

Bun<strong>de</strong>sverband für Menschen- und<br />

Tierrechte steht zu diesem Thema<br />

Frage und Antwort.<br />

Vor 20 Jahren ist es <strong>de</strong>m Menschen<br />

gelungen, Gott zu spielen. Zum<br />

ersten Mal in <strong>de</strong>r Geschichte konnte<br />

das Erbgut eines Tieres<br />

gentechnisch verän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n<br />

Dabei wur<strong>de</strong>n Gene hinzugefügt,<br />

die häufig von einer an<strong>de</strong>ren Tierart<br />

o<strong>de</strong>r vom Menschen stammen.<br />

Transgene Mäuse und Ratten sollen<br />

zum Beispiel an Krankheiten wie<br />

Krebs, Alzheimer o<strong>de</strong>r Reuma<br />

erkranken. An solchen Tieren<br />

wer<strong>de</strong>n diese Krankheiten studiert,<br />

um Therapien für <strong>de</strong>n Menschen zu<br />

entwickeln..<br />

Allein im Jahr 2001 mußten 200.776<br />

Mäuse ihr Leben für<br />

a)Grundlagenforschung<br />

(Erkenntnisgewinne)<br />

b)Medizinische Forschung<br />

c) Landwirtschaft / Aquakultur<br />

lassen. Angestrebt wird zu<strong>de</strong>m die<br />

Genmanipulation von Schwei-nen,<br />

die in Zukunft als Organspen<strong>de</strong>r für<br />

Menschen herhalten müssen.<br />

Kaninchen, Ziegen und Kühe sollen<br />

als „Bioreaktoren“ in ihrer Milch<br />

menschliche Eiweiße produzieren.<br />

Diese Eiweiße sollen zur Herstellung<br />

von Medikamenten und<br />

Nahrungsmittel-zusätzen dienen.<br />

Der Versuch, das Erbgut zu<br />

verän<strong>de</strong>rn, misslingt in <strong>de</strong>n meisten<br />

Fällen. Schon im Mutterleib sterben<br />

die meisten Tiere ab. Bei an<strong>de</strong>ren<br />

wer<strong>de</strong>n die neuen Gene gar nicht<br />

o<strong>de</strong>r falsch eingebaut. So beträgt die<br />

Effiziens <strong>de</strong>s Einbringens frem<strong>de</strong>r<br />

Gene in das Erbgut beim Schwein im<br />

Durchschnitt nur etwa zwei Prozent,<br />

beim Rind sogar lediglich ein Prozent.<br />

98 bis 99 Prozent <strong>de</strong>r Tiere, die nicht<br />

<strong>de</strong>m Ergebnis entsprechen, wer-<strong>de</strong>n<br />

sofort durch Kohlendioxod o<strong>de</strong>r<br />

Genickbruch getötet.<br />

Ist die Genmanipulation gelun-gen,<br />

be<strong>de</strong>utet dies ebenso in vielen Fällen<br />

Schmerz und Leid für die Tiere.<br />

Zusätzlich wer<strong>de</strong>n sie in Tierversuchen<br />

eingesetzt, was eine weitere Belastung<br />

darstellt.<br />

Nicht nur, dass durch Gen-manipulation<br />

in die Evolution eingegriffen wird,<br />

son<strong>de</strong>rn auch das Tier fundamental in<br />

seiner I<strong>de</strong>ntität verletzt wird, sagen<br />

Tier-versuche nur etwas über die<br />

Reaktion <strong>de</strong>r Tiere aus. Die<br />

Übertragung von Ergebnissen<br />

solcher Versuche auf <strong>de</strong>n<br />

Menschen ist sehr problematisch.<br />

Außer<strong>de</strong>m sind viele Krankheiten<br />

nicht ausschließlich genetisch bedingt.<br />

Ernährung, Umwelteinflüsse<br />

und und die persönliche<br />

Lebensweise spielen ebenfalls<br />

eine wichtige Rolle.<br />

Zur Entwicklung von Medikamenten<br />

und Therapien gibt es<br />

bereits heute zahlreiche Verfahren,<br />

wie etwa mit Zell- und Gewebekulturen<br />

o<strong>de</strong>r Mikroorganismen<br />

die ohne Tierversuche auskommen.<br />

Und das ganz ohne Schmerzen.<br />

Achtung! Achtung! Achtung!Achtung!<br />

Nach<strong>de</strong>m uns <strong>de</strong>r Workshop transgene Tiere eine gute Einführung über das Thema<br />

gab, wollen wir nun dieses Wissen und viele an<strong>de</strong>re tierschutz-bezogene Themen<br />

innerhalb eines Arbeitskreises Tierschutz mit Euch vertiefen.<br />

Deswegen haben wir einen konspirativen und höchst revolutionären genau zu diesen<br />

Themen gegrün<strong>de</strong>t. Wenn Du <strong>de</strong>mzufolge nicht gera<strong>de</strong> bei Schering arbeitest,<br />

Masttiere auseinan<strong>de</strong>r nimmst und nachts <strong>de</strong>n Königspu<strong>de</strong>l Waldi von nebenan quälst,<br />

dann mel<strong>de</strong> Dich bei uns.<br />

Themenvorschläge und Anregungen sind genauso gern gesehen, wie <strong>de</strong>r Wunsch<br />

und Wille, etwas verän<strong>de</strong>rn zu wollen.<br />

Anmeldung unter: Tierschutz@ilpostino.jpberlin.<strong>de</strong><br />

o<strong>de</strong>r 0162 77 48 946 (Constanze)<br />

Das erste Treffen wird En<strong>de</strong> November in Berlin stattfin<strong>de</strong>n: ReferentInnen wer<strong>de</strong>n Euch<br />

Einblicke in ihren Kampf gegen Massentierhaltung, Tierversuche und kulturell bedingte<br />

Tierquälerei geben. Raum für Diskussionen und Projekterarbeitungen wird ebenfalls Inhalt<br />

dieses Treffens sein.

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