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politikorange zur Berlinwahl 2006 - Politikorange.de

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UNABHÄNGIGE ZEITUNG ZU DEN BERLINWAHLEN <strong>2006</strong><br />

Herausgegeben von <strong>de</strong>r Jungen Presse Berlin<br />

»25 Fragen«<br />

Wowereit und Pflüger kurz und<br />

knackig im Interview. Seite 4 & 5<br />

»Qual <strong>de</strong>r Wahl«<br />

Die wichtigsten Thesen <strong>de</strong>r großen<br />

Parteien auf Seite 8 & 9<br />

»Aufgetischt«<br />

Sexy Wahlkampf-Giveaways<br />

im Test auf Seite 13<br />

POLITIK IN FARBE<br />

Bunt ist <strong>de</strong>r Himmel über Berlin in diesen Tagen. Rote, grüne, orange und gelbe Ballons fliegen über die Dächer.<br />

Es ist Wahlzeit. Bei <strong>de</strong>n BerlinWahlen<strong>2006</strong> kämpfen die Parteien um die Gunst <strong>de</strong>r Wähler.<br />

Von Tatjana Sochowski, Shirine Issa und Michael Metzger.<br />

N<br />

ach fünf Jahren rot-roter<br />

Regierung wer<strong>de</strong>n die<br />

Karten neu gemischt, die<br />

Kreuzchen neu gemacht. Bei <strong>de</strong>n BerlinWahlen<strong>2006</strong><br />

kämpfen die Parteien<br />

um die Gunst <strong>de</strong>r Wähler. Dabei sind<br />

ihnen viele Mittel recht: Außer Luftballons<br />

gibt es Kondome, Fahrradklingeln,<br />

Brotboxen o<strong>de</strong>r Frisbee-Scheiben an<br />

<strong>de</strong>n Wahlkampfstän<strong>de</strong>n abzustauben.<br />

Berlin ist farbig gewor<strong>de</strong>n. Das<br />

liegt nicht nur an <strong>de</strong>n bunten Ballons.<br />

Auch Wahlplakate schmücken die<br />

Stadt. „Konsequent Berlin“, titelt da<br />

die SPD. „Berlin kann mehr“, kontert<br />

die CDU. Die FDP han<strong>de</strong>lt „aus Liebe<br />

<strong>zur</strong> Stadt“, die PDS.Linke bewegt<br />

Berlin. Und die Grünen bringen es auf<br />

<strong>de</strong>n Punkt: Berlingrün. Viele leere Slogans.<br />

Alle angeblich die beste Lösung.<br />

Hun<strong>de</strong>rte von Köpfen stehen <strong>zur</strong> Wahl.<br />

Sie alle wollen entwe<strong>de</strong>r ins Berliner<br />

Abgeordnetenhaus (AgH) einziehen,<br />

o<strong>de</strong>r in eine <strong>de</strong>r Bezirksverordnetenversammlungen<br />

(BVV). Denn genau<br />

genommen fin<strong>de</strong>n am 17. September<br />

in Berlin gleich zwei Wahlen statt.<br />

Für das Abgeordnetenhaus hat je<strong>de</strong>r<br />

Wähler ab 18 Jahren zwei Stimmen<br />

– die Erst- und die Zweitstimme. Mit <strong>de</strong>r<br />

Erststimme entschei<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Wähler<br />

direkt für einen Kandidaten. Die Zweitstimme<br />

gilt nicht einer bestimmten<br />

Person, son<strong>de</strong>rn einer Partei. Erst- und<br />

Zweitstimme entschei<strong>de</strong>n gemeinsam<br />

über die spätere Zusammensetzung<br />

<strong>de</strong>s Berliner Senats. Und was ist jetzt<br />

mit <strong>de</strong>m Berliner Bürgermeister? Der<br />

wird gar nicht direkt von <strong>de</strong>n Bürgern<br />

gewählt, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>n Abgeordneten<br />

<strong>de</strong>s Senates – und zwar erst ein paar<br />

Wochen nach <strong>de</strong>m 17. September.<br />

Doch Berlin wird nicht allein vom<br />

Senat regiert. In je<strong>de</strong>m Bezirk gibt es<br />

außer<strong>de</strong>m eine eigene Bezirksverordnetenversammlung<br />

mit einem eigenen<br />

Bezirks-Bürgermeister. Direktkandidaten<br />

stehen hier nicht <strong>zur</strong> Wahl. Der<br />

Wähler entschei<strong>de</strong>t sich nur für eine<br />

bestimmte Partei. Neu ist: Bei <strong>de</strong>n<br />

Wahlen <strong>zur</strong> BVV dürfen bereits junge<br />

Leute ab 16 ein Kreuz machen.<br />

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Am<br />

17. September fin<strong>de</strong>t auch noch ein<br />

Volksentscheid statt. Hier genügt ein<br />

simples Ja o<strong>de</strong>r Nein <strong>zur</strong> Frage: Sollen<br />

künftig Berliner Volksentschei<strong>de</strong><br />

erleichtert wer<strong>de</strong>n? Praktisch ein Volksentscheid<br />

über <strong>de</strong>n Volksentscheid.<br />

Klingt alles wahnsinnig kompliziert,<br />

doch so funktioniert eben Demokratie.<br />

Hilfe gibt es genug: Zahlreiche Organisationen<br />

wollen die Berliner über die<br />

Wahlen aufklären. Demokratie24.<strong>de</strong>,<br />

<strong>de</strong>r Wahl-O-Mat, die Wahlgang o<strong>de</strong>r<br />

diese Zeitung bieten Orientierung im<br />

Farbenmeer <strong>de</strong>r Politik. Denn auch<br />

wenn in diesen Tagen viele bunte<br />

Luftballons in <strong>de</strong>n Himmel steigen,<br />

wer<strong>de</strong>n nicht alle im Senat ankommen.<br />

Einige wer<strong>de</strong>n platzen – doch darüber<br />

entschei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Wähler.


02<br />

editorange<br />

Anzeige<br />

Am 17. September wird in Berlin Politik gemacht. An sich ist das<br />

nichts Neues. Doch diesmal fin<strong>de</strong>n die wichtigen Abstimmungen<br />

nicht im Deutschen Bun<strong>de</strong>stag statt. Diesmal geht es auch nicht um<br />

globale Themen, son<strong>de</strong>rn um das Schicksal <strong>de</strong>r Stadt selbst. Ort <strong>de</strong>r<br />

politischen Entscheidungen sind die Wahlurnen, an <strong>de</strong>nen die Berliner<br />

Bürger ihre Stimme abgeben. Denn am 17. September fin<strong>de</strong>n die<br />

Berliner Wahlen für das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlungen<br />

statt.<br />

Doch Politik beschränkt sich nicht auf Wahlen und Abstimmungen.<br />

Politik machen, das be<strong>de</strong>utet, aktiv zu sein, selbst Hand anlegen, sich<br />

einmischen. 20 junge Medienmacher haben in <strong>de</strong>n vergangenen<br />

Wochen die Berliner Wahlen unter die Lupe genommen - frisch,<br />

fruchtig und selbst gepresst. Wir haben ein Magazin von Jugendlichen<br />

für Jugendliche produziert. Jung, aber nicht platt. Politisch, aber nicht<br />

spießig. Wir berichten über Politiker, Parteien und Parteiprogramme.<br />

Und wir werfen einen Blick hinter die Kulissen: Wie arbeitet ein<br />

Wahlhelfer? Welche bürokratische Hür<strong>de</strong>n gibt es beim Wahlkampf<br />

zu beachten? Und was sind die tollsten Giveaways? Dich erwartet<br />

eine etwas an<strong>de</strong>re politische Berichterstattung – von Jugendlichen für<br />

Jugendliche. Politik ist langweilig? Überzeug dich vom Gegenteil.


<strong>politikorange</strong> zu <strong>de</strong>n BerlinWahlen <strong>2006</strong><br />

17. August bis 17. September in Berlin<br />

obstsalat 03<br />

JA/NEIN/NEUTRAL<br />

23 Parteien stehen am 17. September in Berlin <strong>zur</strong> Wahl. Sie alle kämpfen <strong>de</strong>rzeit um je<strong>de</strong> Stimme. Nicht so einfach sich im Parteiendschungel<br />

und Plakatwirrwarr zu Recht zufin<strong>de</strong>n. Der Wahl-O-Mat schafft Abhilfe. Von Tina Bernstein<br />

Parteiprogramme zum Ankreuzen:<br />

Anhand von Multiple-Choice-Fragen errechnet <strong>de</strong>r Wahl-O-Mat die<br />

meisten Übereinstimmungen und spuckt eine Wahlempfehlung aus.<br />

Wählen gehen ist mit <strong>de</strong>m Online-Tool kin<strong>de</strong>rleicht.<br />

S<br />

icherheitspolitik, Stadtautobahn<br />

o<strong>de</strong>r Studiengebühren:<br />

30 Thesen zu ganz unterschiedlichen<br />

Themen helfen durch<br />

die Parteiprogramme von Bündnis<br />

90/Die Grünen, CDU, SPD, Die<br />

Linke.PDS und FDP. Auf www.wahlo-mat.<strong>de</strong>/berlin<br />

hat <strong>de</strong>r User die Wahl:<br />

Entwe<strong>de</strong>r stimmt er einer These zu<br />

o<strong>de</strong>r nicht. Unentschlossene verhalten<br />

sich neutral o<strong>de</strong>r überspringen<br />

eine These. Die Ergebnisse vergleicht<br />

die kleine Online-Maschine mit <strong>de</strong>n<br />

Parteiprogrammen <strong>de</strong>r Parteien, und<br />

schwupps spuckt er eine Wahlempfehlung<br />

aus. Die Ergebnisse kann<br />

<strong>de</strong>r Nutzer sich zusätzlich <strong>de</strong>tailliert<br />

anzeigen lassen. So sieht er, welche<br />

Thesen mit welcher Partei konform<br />

sind. Und nicht nur die sechs großen,<br />

auch die kleineren Parteien haben auf<br />

<strong>de</strong>r Webseite <strong>de</strong>s Wahl-O-Maten eine<br />

kleine Plattform erhalten, auf <strong>de</strong>r sie<br />

sich mit fünf Thesen vorstellen.<br />

Eingeführt wur<strong>de</strong> das Programm<br />

<strong>zur</strong> Bun<strong>de</strong>stagswahl 2002 in Deutschland.<br />

„Wir wollten damit die Motivation<br />

<strong>de</strong>r Erst- und Zweitwähler<br />

wecken“, sagt Sebastian Deterding<br />

von <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>szentrale für politische<br />

Bildung (bpb), die <strong>de</strong>n Wahl-O-Mat<br />

ins Leben gerufen hat. „Zum an<strong>de</strong>ren<br />

wollen wir helfen sich in <strong>de</strong>r<br />

Vielzahl <strong>de</strong>r Wahlthemen <strong>zur</strong>echt<br />

zu fin<strong>de</strong>n.“ Neben Experten aus <strong>de</strong>r<br />

Politik haben auch 13 Jugendliche<br />

in <strong>de</strong>r Redaktion mitgearbeitet. Sie<br />

haben die Themenschwerpunkte<br />

ausgewählt und dafür gesorgt, dass<br />

die Fragen und Antworten gera<strong>de</strong> für<br />

junge Leute interessant verständlich<br />

ausfallen. Übrigens: Den Wahl-O-<br />

Mat gibt’s auch als Offline-Variante,<br />

als Material-Paket für <strong>de</strong>n Unterricht<br />

und aufs Handy für unterwegs.<br />

Vorab getestet wur<strong>de</strong> das Tool auf<br />

<strong>de</strong>r Pressekonferenz <strong>zur</strong> Premiere <strong>de</strong>s<br />

Berliner Wahl-O-Mat. Im Abgeordnetenhaus<br />

haben prominente Politiker<br />

<strong>de</strong>n Wahl-O-Mat durchgespielt.<br />

Das Ergebnis: Alle sind bei „ihrer“<br />

eigenen Partei gelan<strong>de</strong>t. Den Wahl-O-<br />

Mat bewerteten die Polit-Promis als<br />

sinnvolles Instrument für Erstwähler.<br />

Einen Verbesserungsvorschlag hat<br />

Lucy Zimmer von <strong>de</strong>r PDS: „Lei<strong>de</strong>r<br />

sagt <strong>de</strong>r Wahl-O-Mat nichts über<br />

die tatsächliche Umsetzung <strong>de</strong>r Programme<br />

aus. Dafür müsste man noch<br />

einen Tat-O-Mat erfin<strong>de</strong>n.“<br />

EINE NEUE GANG FÜR BERLIN<br />

Manchmal stürmen sie Schulen. O<strong>de</strong>r sie starten Guerilla-Aktionen in Parks. Ab und zu feiern sie auch wil<strong>de</strong> Partys.<br />

Ja, Berlin hat eine neue Gang. O<strong>de</strong>r vielmehr eine alte, die wie<strong>de</strong>r aktiv gewor<strong>de</strong>n ist. Die WAHLGANG Berlin hat es sich zum<br />

Auftrag gemacht, Politik unters Volk zu bringen. Von Tatjana Sochowski<br />

A<br />

bgesehen haben es die Stu<strong>de</strong>nten<br />

vor allem auf Erstwähler<br />

und Jugendliche, und das ist<br />

eine große Zielgruppe: Um die 230.000<br />

Erstwähler gibt es in Berlin. „Das erste<br />

Mal sind wir zu <strong>de</strong>n Bun<strong>de</strong>stagswahlen<br />

2002 in Erscheinung getreten“, meint<br />

Gregor Scheppan. Der 28 Jahre alte<br />

Stu<strong>de</strong>nt ist Geschäftsführer <strong>de</strong>r Politikfabrik,<br />

einer stu<strong>de</strong>ntischen Agentur<br />

für politische Kommunikation. „Wir<br />

wollen die universitäre Theorie mit<br />

Praxis verbin<strong>de</strong>n, also die Inhalte aus<br />

<strong>de</strong>r Uni in Projekte verpacken“, sagt<br />

er. 2002 hat sich die Politikfabrik zum<br />

Ziel gesetzt, Jungwähler <strong>zur</strong> Wahlurne<br />

zu bringen. „Das Problem war: Für<br />

viele Jugendliche ist Politik ein eher<br />

trockenes Thema“, erinnert sich<br />

Gregor. Da musste sich die Politikfabrik<br />

also was Kreatives einfallen lassen,<br />

und so wur<strong>de</strong> die Wahl-Gang geboren.<br />

Die außergewöhnlichen Aktionen <strong>de</strong>r<br />

Wahl-Gang haben nichts mit trockener<br />

Politik zu tun, im Gegenteil: Wenn<br />

das orange Wahl-Mobil von Schule zu<br />

Schule tourt, hat die Wahl-Gang<br />

buntes, peppiges und ansprechen<strong>de</strong>s<br />

Info-Material zu <strong>de</strong>n Berliner Wahlen<br />

im Gepäck. In <strong>de</strong>r Wähl-Bar am<br />

Hackeschen Markt wer<strong>de</strong>n Diskussionsrun<strong>de</strong>n<br />

zu Themen wie Drogen<br />

o<strong>de</strong>r Integration veranstaltet. Dann<br />

diskutieren prominente Politiker<br />

mit Erstwählern auf Augenhöhe. Ein<br />

weiterer Höhepunkt <strong>de</strong>r Wahl-Gang<br />

sind so genannte Guerilla-Aktionen:<br />

In Parks und Schwimmbä<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r<br />

auf öffentlichen Plätzen wird die<br />

Werbetrommel für die Wahlen gerührt<br />

– mit Musik, Showeinlagen und pfiffigen<br />

Giveaways.<br />

Der erste Auftritt <strong>de</strong>r Wahlgang<br />

2002 war ein voller Erfolg. Eine Neuauflage<br />

hat das Projekt 2005 erfahren,<br />

und bei <strong>de</strong>n BerlinWahlen<strong>2006</strong> ist die<br />

Gang wie<strong>de</strong>r am Start. Mittlerweile<br />

ist daraus eine große Sache gewor<strong>de</strong>n:<br />

Gregor Scheppan und sein Kollege<br />

Christoph Fahle haben ein Büro<br />

gefun<strong>de</strong>n sowie zahlreiche Mitkämpfer<br />

und Sponsoren, ein eigenes Logo und<br />

einen professionellen Internetauftritt<br />

– zu fin<strong>de</strong>n unter www.wahlgangberlin.<br />

<strong>de</strong>. Das Team hat sich <strong>zur</strong> Aufgabe<br />

gemacht, eine Brücke zwischen Politikern<br />

und Jugendlichen zu schaffen,<br />

damit sie an Hand von Beweisen zeigen<br />

können, dass Politik nicht langweilig<br />

ist. Sie versuchen mit ihren Aktionen<br />

<strong>de</strong>n Jugendlichen nicht nur politisches<br />

Interesse, son<strong>de</strong>rn auch das Interesse an<br />

<strong>de</strong>n Jugendlichen selbst klar zu machen.<br />

Berlin hat eine neue Gang. Keine Angst<br />

– es sind keine Schlägertypen, die Geld<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Wertsachen wollen. Diese<br />

Gang hat ein an<strong>de</strong>res Ziel: Möglichst<br />

viele Kreuzchen.


04<br />

ausgepresst<br />

25 FRAGEN AN<br />

KLAUS WOWEREIT...<br />

Eine ganz normale Wahlkampfveranstaltung. Klaus Wowereit hält eine Re<strong>de</strong> im Lin<strong>de</strong>ncenter in Hohenschönhausen. Der nächste Termin<br />

wartet bereits. Dazwischen bleibt wenig Zeit, aber Zeit genug, um uns 25 Fragen zu beantworten – kurz und knackig.<br />

Von Shirine Issa und Johannes Nichelmann<br />

Ok. Was ist mit <strong>de</strong>n Grünen?<br />

Haben gute ökologische Ansätze,<br />

an<strong>de</strong>re Schwächen.<br />

WASG<br />

Überflüssig.<br />

PDS<br />

Ja, ist unser Koalitionspartner.<br />

Eine Bilanz nach <strong>de</strong>r rot-roten Legislaturperio<strong>de</strong>:<br />

Was hat sich <strong>de</strong>n letzten vier Jahren in<br />

Berlin verän<strong>de</strong>rt?<br />

Die Stadt ist offener, internationaler<br />

und jünger gewor<strong>de</strong>n.<br />

Und wann fühlen Sie sich jung?<br />

Wenn ich glückliche Menschen um<br />

mich sehe.<br />

Was unterschei<strong>de</strong>t Berlin von einer Stadt wie<br />

München?<br />

Wir leben.<br />

Haben Sie einen Lieblingsplatz in Berlin?<br />

Der Kollwitzplatz und <strong>de</strong>r Riemers<br />

Hofgarten.<br />

Ja, Rosenstolz.<br />

Und einen politischen Lieblings-Song?<br />

Die Internationale.<br />

Dazu haben Sie sicher schon in <strong>de</strong>n 68ern<br />

gesungen. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?<br />

Ich habe <strong>de</strong>monstriert. Für die Bürgerrechtsbewegungen<br />

im ehemaligen<br />

Ostblock.<br />

Welches Ereignis hat Sie damals politisiert?<br />

Das Mistrauensvotum gegen Willy<br />

Brandt 1972.<br />

Gab es etwas, das Sie an Politik genervt<br />

hat?<br />

Die Unverständlichkeit <strong>de</strong>r Politiker.<br />

Was be<strong>de</strong>utet Demokratie für Sie?<br />

Die beste aller möglichen Staatsformen.<br />

Was wäre Ihre erste Amtshandlung als Bun<strong>de</strong>skanzler?<br />

Theoretische Frage, bin regieren<strong>de</strong>r<br />

Bürgermeister und bleibe es.<br />

Vervollständigen Sie bitte folgen<strong>de</strong>n Satz:<br />

„Konsequent durch…“<br />

…dick und dünn.<br />

„Konsequent Berlin“ lautet Ihr Wahlkampfslogan.<br />

Wofür steht Konsequenz?<br />

Für die SPD.<br />

Was sagen Sie <strong>de</strong>nn zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Parteien?<br />

Fangen wir mit <strong>de</strong>r FDP an.<br />

Überflüssig.<br />

CDU<br />

Bemüht sich.<br />

Wie könnte dieser Satz lauten: „Ich bin bei<br />

<strong>de</strong>r CDU, weil…“<br />

(Pause)…Fällt mir gar nichts zu ein,<br />

man kann nicht bei <strong>de</strong>r CDU sein.<br />

Bei schwarz-gelb sehen Sie anscheinend<br />

schwarz. Wo noch?<br />

Bei Inkompetenz.<br />

Was sagen Sie zu Bürgern, die Sie nicht<br />

wählen?<br />

Bürger die mich nicht wählen, will ich<br />

noch überzeugen.<br />

Und falls Sie das nicht schaffen? Was ist, wenn<br />

Sie die Wahl verlieren?<br />

Dann fin<strong>de</strong> ich das nicht gut.<br />

Deswegen legen Sie sich im Wahlkampf ja<br />

auch or<strong>de</strong>ntlich ins Zeug. Wie haben Sie <strong>de</strong>n<br />

heutigen Wahlkampf-Tag begonnen?<br />

Ich habe Zeitung gelesen.<br />

Sammeln Sie Artikel über sich selbst?<br />

Habe ich aufgegeben.<br />

Was haben Sie gesehen, als Sie heute morgen<br />

in <strong>de</strong>n Spiegel gesehen haben?<br />

…einen fröhlichen Menschen.<br />

Musik macht ja auch fröhlich. Haben Sie eine<br />

Lieblingsband?<br />

Klaus Wowereit<br />

Klaus Wowereit ist ein waschechter Berliner.<br />

Der 52 Jahre alte SPD-Politiker leitet seit<br />

Januar 2002 als Regieren<strong>de</strong>r Bürgermeister<br />

<strong>de</strong>n Berliner Senat. Seine Partei wird dabei<br />

durch die PDS-Fraktion unterstützt. Klaus<br />

Wowereit wur<strong>de</strong> unter an<strong>de</strong>rem bekannt<br />

durch sein Zitat „Ich bin schwul und das ist<br />

auch gut so“.


<strong>politikorange</strong> zu <strong>de</strong>n BerlinWahlen <strong>2006</strong><br />

17. August bis 17. September in Berlin<br />

ausgepresst 05<br />

...UND<br />

FRIEDBERT PFLÜGER<br />

Wahlkampf – das be<strong>de</strong>utet Stress pur. Friedbert Pflüger, Spitzenkandidat <strong>de</strong>r CDU, hetzt von einem Termin zum an<strong>de</strong>ren.<br />

Viel Zeit zwischendurch bleibt nicht. Wir haben ihm 25 Fragen gestellt. Kurz und knackig – ein Interview im Auto zwischen Neukölln<br />

und <strong>de</strong>m Konrad-A<strong>de</strong>nauer-Haus. Von Shirine Issa und Johannes Nichelmann<br />

Wie geht es Ihnen?<br />

Mir geht´s sehr gut. Ich komme gera<strong>de</strong><br />

vom Lipschitzplatz in Neukölln. Dort<br />

war ich auf einer Großveranstaltung<br />

mit Angela Merkel.<br />

Und was ist Ihr Lieblingsplatz in Berlin?<br />

Gibt es eine ganze Menge, zum Beispiel<br />

<strong>de</strong>r Tierpark Friedrichsfel<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r<br />

Schlachtensee, <strong>de</strong>n Tiergarten. Ich bin<br />

auch furchtbar gerne auf <strong>de</strong>m heimischen<br />

Balkon mit meiner Familie.<br />

Anscheinend fühlen Sie sich in Berlin sehr wohl.<br />

Aber was ist Ihr Lieblingsurlaubsort?<br />

Wun<strong>de</strong>rschön ist die Ägäis. Wun<strong>de</strong>rschön<br />

ist aber auch die Ostsee.<br />

Han<strong>de</strong>lte davon auch ihr letzter Traum?<br />

Nein, da ging es um die absolute<br />

Mehrheit in Berlin.<br />

Ok, aber was wenn Sie verlieren?<br />

Die Wahl wer<strong>de</strong> ich nicht verlieren,<br />

aber sonst: stecke ich es weg und<br />

kämpfe erneut 2011.<br />

Vervollständigen Sie bitte folgen<strong>de</strong>n Satz:<br />

„Als ich heute morgen in <strong>de</strong>n Spiegel gesehen<br />

habe, sah ich...“<br />

… dass ich letzte Nacht ein bisschen zu<br />

wenig geschlafen habe.<br />

Friedbert Pflüger<br />

Ursprünglich stammt Friedbert Pflüger aus<br />

Hannover. Der 51 Jahre alte CDU-Politiker ist<br />

Mitglied <strong>de</strong>s Deutschen Bun<strong>de</strong>stages. Bei <strong>de</strong>n<br />

BerlinWahlen<strong>2006</strong> tritt er als Kandidat für<br />

das Abgeordnetenhaus im Bezirk Neukölln<br />

an. Friedbert Pflüger ist <strong>de</strong>r Spitzenkandidat<br />

<strong>de</strong>r CDU für das Amt <strong>de</strong>s Regieren<strong>de</strong>n<br />

Bürgermeisters.<br />

Was war das Erste, was Sie heute nach <strong>de</strong>m<br />

Aufstehen getan haben?<br />

Mit meiner Familie zu frühstücken,<br />

wie je<strong>de</strong>n Tag .<br />

Welche Tageszeitungen lesen Sie?<br />

Zu viele: Morgenpost , Tagesspiegel,<br />

FAZ, BZ, Bild, Berliner Zeitung,<br />

Süd<strong>de</strong>utsche. Also viel lesen, das<br />

muss man.<br />

Sammeln Sie Artikel über sich selbst?<br />

Nein, aber meine Mutter macht das.<br />

Bleibt bei <strong>de</strong>m vielen Zeitung lesen und<br />

neben <strong>de</strong>r Politik überhaupt noch Zeit für<br />

an<strong>de</strong>re Hobbys? Haben Sie beispielsweise<br />

Lieblingsbands?<br />

Ja, das philharmonische Orchester<br />

Berlin und die Beatles.<br />

Und was ist Ihr politischer Lieblings-Song?<br />

Die dritte Strophe unserer Nationalhymne.<br />

Kommen wir <strong>zur</strong> harten Politik. Was halten Sie<br />

<strong>de</strong>nn von <strong>de</strong>r FDP?<br />

Mit <strong>de</strong>r FDP hat die CDU sehr viele<br />

Gemeinsamkeiten.<br />

Die SPD?<br />

Die waren mal besser, unter Reuter<br />

und Willy Brandt.<br />

Und weitert nach links. Wie steht’s mit <strong>de</strong>r<br />

PDS?<br />

Die PDS hat sich bis heute nicht<br />

ein<strong>de</strong>utig von <strong>de</strong>r Vergangenheit<br />

distanziert. Es gibt noch zu viele alte<br />

Kommunisten.<br />

Immerhin regieren diese bei<strong>de</strong>n Parteien aber<br />

die Hauptstadt. Was hat sich <strong>de</strong>nn unter rot-rot<br />

positiv in Berlin verän<strong>de</strong>rt?<br />

Da muss ich sehr, sehr lange nach<strong>de</strong>nken.<br />

Aha. Stellen Sie sich vor, Sie wären SPD-Mitglied.<br />

Wie wür<strong>de</strong>n Sie das rechtfertigen?<br />

Weil ich <strong>de</strong>r Illusion nachhänge, dass<br />

sie etwas für die kleinen Leute tut<br />

Was sagen Sie zu folgen<strong>de</strong>m Satz: „Ich sehe<br />

nicht nur rot, bei rot-rot, son<strong>de</strong>rn auch bei…“<br />

Rot-rot-grün<br />

Wieso?<br />

Bei <strong>de</strong>n Grünen sind viele Leute, mit<br />

<strong>de</strong>nen ich viel gemeinsam habe, aber<br />

lei<strong>de</strong>r auch immer noch viele neomarxistische<br />

I<strong>de</strong>ologen.<br />

Und die neuen Linken von <strong>de</strong>r WASG?<br />

Wenn die WASG irgen<strong>de</strong>twas zu sagen<br />

hätte, dann wür<strong>de</strong> in Berlin überhaupt<br />

keiner mehr investieren und die hiesigen<br />

Unternehmen schnell das Weite<br />

suchen. Für all die Sozialleistungen,<br />

die sie versprechen, braucht man erst<br />

einmal die wirtschaftliche Kraft.<br />

Wie war Ihre erste Wahl?<br />

Ich bin zum Schülersprecher gewählt<br />

wor<strong>de</strong>n, da war ich brandstolz.<br />

Was haben Sie 1968 gemacht?<br />

An meiner Schule eine Gegenbewegung<br />

gegrün<strong>de</strong>t, eine Reformgruppe.<br />

Das ist lange her. Wann fühlen Sie sich heute<br />

beson<strong>de</strong>rs jugendlich?<br />

Wenn meine Frau mich küsst.<br />

Wir sind fast am En<strong>de</strong>. Nur noch drei Fragen.<br />

Was be<strong>de</strong>utet orange für Sie?<br />

Farbe <strong>de</strong>r CDU und eine Winner<br />

Colour, also Gewinnerfarbe.<br />

Vervollständigen Sie <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Satz: „<br />

Bürger, die mich nicht wählen, sind…“<br />

…völlig okay, solange sie sich beim<br />

nächsten Mal überzeugen lassen.<br />

Was wäre Ihre erste Amtshandlung als<br />

Bun<strong>de</strong>skanzler?<br />

Jetzt wer<strong>de</strong> ich erstmal Regieren<strong>de</strong>r<br />

Bürgermeister.


06<br />

ausgepresst<br />

„POLITIK IST OFT ABTÖRNEND“<br />

Er kandidiert zwar nicht für das Abgeordnetenhaus, doch wenn es um die Berliner Grünen geht, ist er <strong>de</strong>r richtige<br />

Ansprechpartner. Kaum jemand kennt seine Partei besser als Grünen-Papa Christian Ströbele. Je<strong>de</strong>n Tag ra<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>r Wahl-Kreuzberger<br />

vorbildlich mit seinem Drahtesel zum Bun<strong>de</strong>stag. Shirine Issa und Nina Dietrich haben mit <strong>de</strong>m Berliner Urgestein gesprochen.<br />

Bereits vor 16 Jahren haben Sie an <strong>de</strong>r Gründung<br />

<strong>de</strong>r Alternativen Liste für Demokratie<br />

und Umweltschutz, AL, mitgewirkt. Später<br />

entwickelte sich daraus <strong>de</strong>r Berliner Lan<strong>de</strong>sverband<br />

<strong>de</strong>r Grünen. Wie wür<strong>de</strong>n Sie heute einen<br />

jungen Berliner davon überzeugen, bei <strong>de</strong>r<br />

anstehen<strong>de</strong>n Wahl Grün zu wählen?<br />

Erstens: Die neue Energiepolitik.<br />

Weg vom Öl und <strong>de</strong>r Atomkraft,<br />

hin zu erneuerbaren Energiequellen.<br />

Zweitens: Die Grünen setzten sich<br />

dafür ein, dass die Bürgerrechte, eingehalten<br />

wer<strong>de</strong>n. Die Leute dürfen<br />

nicht übermäßig beobachtet und<br />

kontrolliert wer<strong>de</strong>n. Die Privatsphäre<br />

muss erhalten bleiben. Drittens: Die<br />

Grünen sind die Partei, die schon<br />

immer für Migration stan<strong>de</strong>n und <strong>zur</strong><br />

Kenntnis genommen haben, dass wir<br />

ein Einwan<strong>de</strong>rungsland sind. Wir sind<br />

am ehesten in <strong>de</strong>r Lage, die Probleme<br />

unserer Stadt zu lösen.<br />

Mit <strong>de</strong>m Fahrrad <strong>zur</strong> Arbeit:<br />

Alt-Grüner Christian Ströbele verkörpert die Grünen wie kein an<strong>de</strong>rer. Er hat bei <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>s Berliner<br />

Lan<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s mitgewirkt. Täglich ra<strong>de</strong>lt er von Kreuzberg zum Bun<strong>de</strong>stag.<br />

Apropos Integration: Bei <strong>de</strong>n anstehen<strong>de</strong>n<br />

BerlinWahlen<strong>2006</strong> ist das ja ein zentrales<br />

Thema. Wie wollen die Grünen die Problematik<br />

lösen?<br />

Akzeptanz. Wir müssen je<strong>de</strong> Kultur,<br />

je<strong>de</strong> Religion ernst nehmen, dann hat<br />

Integration Chancen. Unendlich viel ist<br />

in <strong>de</strong>r Vergangenheit versäumt wor<strong>de</strong>n.<br />

Wir sollten darauf drängen, dass je<strong>de</strong>r,<br />

<strong>de</strong>r sich in diesem Land länger aufhält,<br />

die <strong>de</strong>utsche Sprache spricht, sich<br />

wenigstens verständigen kann. Migration<br />

ist eine Bereicherung für unsere<br />

Gesellschaft, eine Überlebensfrage.<br />

Wofür wollen sich die Grünen im Berliner<br />

Abgeordnetenhaus sonst noch einsetzten?<br />

Wir haben als Grüne natürlich eine<br />

ganze Menge Schwerpunkte im<br />

Bereich <strong>de</strong>r Ökologie. Wir wollen<br />

<strong>de</strong>n öffentlichen Nahverkehr för<strong>de</strong>rn.<br />

So wie ich, sollten auch mehr Leute<br />

mit <strong>de</strong>m Fahrrad fahren. Alternative<br />

Ökonomie soll angesie<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

Es sollte die Entwicklung von Solarzellen,<br />

Biogasanlagen, Windkraftwerke<br />

und <strong>de</strong>ren Produktion geför<strong>de</strong>rt<br />

wer<strong>de</strong>n. Auch im Bereich <strong>de</strong>r<br />

Bildung muss einiges geschehen: Die<br />

Zahl <strong>de</strong>r Studienplätze in Berlin ist zu<br />

niedrig. Bildung ist die Zukunft <strong>de</strong>r<br />

Stadt. Das dümmste ist, in diesem<br />

Bereich zu sparen. Ich könnte mich<br />

ohne Pause darüber aufregen, dass die<br />

Studienplätze in Berlin auf 80.000<br />

und weniger gesenkt wur<strong>de</strong>n. Es<br />

war immer <strong>de</strong>r Stolz Berlins, drei<br />

Großuniversitäten zu haben.<br />

Regenerative Energien, Bildung, Integration:<br />

Alles spannen<strong>de</strong> Themen. Dennoch halten viele<br />

junge Leute Politik für langweilig. Woher kommt<br />

die „Angst vor Politik“ vieler Jugendlicher?<br />

Ich kann das voll verstehen. Ich habe<br />

auch lange etwas dagegen gehabt, in<br />

eine Partei einzutreten. So, wie die<br />

heute sind, ist es eher abtörnend,<br />

lei<strong>de</strong>r. Aber unsere Gesellschaft bietet<br />

wenigstens die Möglichkeit, etwas<br />

zu verän<strong>de</strong>rn. Ich will das nicht<br />

i<strong>de</strong>alisieren. Ich weiß, dass die Demokratie,<br />

so, wie wir sie in <strong>de</strong>r Schule<br />

lernen, nicht funktioniert. Aber die<br />

Möglichkeit <strong>de</strong>s Einmischens gibt es<br />

und die sollte man nutzen. Es wür<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Politik gut tun, wenn das mehr<br />

machen wür<strong>de</strong>n.<br />

fruchtfleisch | Was ist Demokratie?<br />

„Kaum Ahnung“<br />

„Frei sein“<br />

„Gemeinschaft“<br />

Yannick, 26<br />

Industriekaufmann aus Berlin<br />

Es ist das am Wenigsten<br />

Schlechte: Je<strong>de</strong>r kann mitbestimmen.<br />

Dazu gehören lei<strong>de</strong>r aber<br />

auch viele Menschen die kaum<br />

Ahnung haben.<br />

Robert, 26<br />

Stu<strong>de</strong>nt aus Potsdam<br />

Frei sein im weitesten Sinne,<br />

dass man sich entfalten kann.<br />

Meinungsfreiheit, Re<strong>de</strong>freiheit.<br />

Und meistens ist Demokratie<br />

etwas, was oft unterschätzt wird<br />

und erst erkennt, wenn man es<br />

nicht mehr hat.<br />

Andrea, 17<br />

Kin<strong>de</strong>rpflegerin aus Bayern<br />

Demokratie be<strong>de</strong>utet für mich,<br />

dass alle in einer Gemeinschaft<br />

zusammenleben, je<strong>de</strong>r sich<br />

gegenseitig hilft und alle die<br />

gleichen Rechte haben.


<strong>politikorange</strong> zu <strong>de</strong>n BerlinWahlen <strong>2006</strong><br />

17. August bis 17. September in Berlin<br />

kernig 07<br />

„FÜR DIESEN WAHLKAMPF<br />

MUSSTEN WIR FÜNF JAHRE SPAREN“<br />

Der Wähler ist wählerisch. Plakate und Infostän<strong>de</strong>, Giveaways und Podiumsdiskussionen: So ein Wahlkampf<br />

muss gut organisiert sein. Nicht zu viel Informationen, aber auch nicht zu wenig. Und die richtige Verpackung ist wichtig.<br />

Bei <strong>de</strong>n Parteien kümmert sich ein ganzes Team um die Koordination. Horst Krumpen ist für <strong>de</strong>n Berliner<br />

Wahlkampf <strong>de</strong>r FDP verantwortlich. Von Matin Tirmizi<br />

A<br />

ufstehen vor sechs Uhr<br />

morgens. Und dann, um<br />

halb sieben, zehn Kilometer<br />

joggen. Klingt nicht gera<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>m<br />

Tagesbeginn eines Politikers. Horst<br />

Krumpen startet immer so in <strong>de</strong>n Tag.<br />

Der 40 Jahre alte Lan<strong>de</strong>sgeschäftsführer<br />

<strong>de</strong>r Berliner FDP ist sportlich. Um<br />

zehn Uhr beginnt dann aber auch sein<br />

Büroalltag, und ab dann arbeitet er<br />

meist am Schreibtisch – in Extremphasen<br />

sogar bis nach Mitternacht. Denn<br />

Horst Krumpen ist nicht nur Lan<strong>de</strong>sgeschäftsführer,<br />

er arbeitet gleichzeitig<br />

als Pressesprecher für die FDP. In<br />

Anzeige<br />

Wir bieten Seminare und Projekte an für<br />

Jugendliche und junge Erwachsene zu <strong>de</strong>n<br />

Themen Gewalt, Rassismus, Lebensperspektiven,<br />

Berufsorientierung, Mediation und<br />

Partizipation.<br />

Jugendbildungsstätte Kaubstraße e.V.<br />

Kaubstraße 9-10<br />

10713 Berlin-Wilmersdorf<br />

Tel.: 873 42 14<br />

www.kaubstrasse.<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>n letzten Monaten ist er außer<strong>de</strong>m<br />

gleichermaßen das Gehirn <strong>de</strong>r FDP-<br />

Wahlkampfzentrale, und angesichts<br />

<strong>de</strong>r anstehen<strong>de</strong>n BerlinWahlen<strong>2006</strong><br />

hat er hier allerhand zu tun.<br />

EIN MEER AUS GELB-BLAU<br />

Das Büro ist ein Meer aus gelb-blau.<br />

Die Wän<strong>de</strong> sind tapeziert mit <strong>de</strong>n aktuellen<br />

Wahlplakaten <strong>de</strong>r FDP. Ständig<br />

blickt man in das grinsen<strong>de</strong> Gesicht<br />

<strong>de</strong>s Spitzenkandidaten Martin Lindner.<br />

Auch die Servietten auf <strong>de</strong>m Tisch<br />

o<strong>de</strong>r die Handtücher auf <strong>de</strong>n Toiletten<br />

tragen die gleiche Farbkombination.<br />

„Meine Tätigkeit ist vom Prinzip her<br />

die gleiche wie die eines Offiziers im<br />

Somalia“, schmunzelt er. „Auch ich<br />

muss dafür sorgen, dass ein bestimmtes<br />

Material zu einer bestimmten Zeit an<br />

einer bestimmten Stelle ist.“ Natürlich<br />

schmeißt Horst Krumpen <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>n<br />

nicht alleine. Er wird von einem Wahlkampfteam<br />

unterstützt. Dies aber ist<br />

kleiner, als man zunächst annehmen<br />

mag: Insgesamt nur vier Leute übernehmen<br />

die komplette Organisation und<br />

Koordination. „Mit <strong>de</strong>r Planung haben<br />

wir bereits einen Tag nach <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>stagswahl<br />

angefangen“, sagt Krumpen<br />

und macht <strong>de</strong>utlich, welchen Vorlauf<br />

so ein Vorhaben hat. Und auch wenn<br />

natürlich die meisten Plakate schon<br />

hingen und die ersten Veranstaltungen<br />

gelaufen seien, beginne die heiße Phase<br />

erst kurz vor <strong>de</strong>r Wahl. „Die letzten<br />

zehn Tage sind die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n.<br />

Aus Umfragen wissen wir, dass sich<br />

70 Prozent unserer Wähler sogar erst<br />

in <strong>de</strong>n letzten drei Tagen entschei<strong>de</strong>n.<br />

Daher starten wir in diesem Zeitraum<br />

die meisten Aktionen.“<br />

HUNDEKOT UND STUDIENGEBÜHREN<br />

Große Differenzen bei <strong>de</strong>r Gestaltung<br />

<strong>de</strong>s Wahlkampfes gab es offenbar<br />

nicht: In <strong>de</strong>n grundsätzlichen Parteiprogrammpunkten,<br />

so Krumpen,<br />

seien sich alle einige. Es seien die<br />

kleinen Punkte, über die am längsten<br />

diskutiert wird. „So verbringen wir viel<br />

mehr Zeit damit, über Hun<strong>de</strong>kotbeutel<br />

zu diskutieren als beispielsweise über<br />

Studiengebühren.“ Ob nun auf Diskussionsrun<strong>de</strong>n<br />

in Oberstufenzentren,<br />

beim liberalen Bürgerfest o<strong>de</strong>r auf<br />

einem Wagen auf <strong>de</strong>m Christopher<br />

Street Day- Horst Horst Krumpen und<br />

sein Team versuchen je<strong>de</strong> Chance zu<br />

nutzen, um die I<strong>de</strong>en und I<strong>de</strong>ale <strong>de</strong>r<br />

FDP publik zu machen.<br />

FÜNF JAHRE SPAREN<br />

Als Koordinator <strong>de</strong>s Wahlkampfes weiß<br />

Krumpen aber auch: „Ohne die Hun<strong>de</strong>rte<br />

von Helfern, die sich ehrenamtlich<br />

in ihrer Freizeit engagieren, könnten<br />

wir nichts <strong>de</strong>rgleichen auf die Beine<br />

Die Fä<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Hand:<br />

Horst Krumpen managt <strong>de</strong>n Wahlkampf <strong>de</strong>r Berliner<br />

FDP. Ein Team von vor allem ehrenamtlichen Helfern<br />

hilft ihm dabei. Für Honorarkräfte ist kein Geld übrig.<br />

stellen.“ Schlicht und einfach <strong>de</strong>shalb,<br />

weil das Geld für Honorarkräfte fehlt:<br />

„Ich möchte endlich <strong>de</strong>m Gerücht<br />

ein En<strong>de</strong> setzen, dass wir durch <strong>de</strong>n<br />

Wahlkampf die Steuergel<strong>de</strong>r verpulvern<br />

wür<strong>de</strong>n“, meint Horst Krumpen. Den<br />

Wahlkampf finanzieren wir komplett<br />

selbst. Und wir tasten nicht einmal<br />

die Gel<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s FDP-Bun<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s<br />

an.“ Um aus <strong>de</strong>n Mitgliedbeiträgen<br />

genug Finanzmittel für <strong>de</strong>n Wahlkampf<br />

zusammenzutragen, muss die<br />

Berliner FDP fünf Jahre lang sparen.<br />

„Mit unserem Budget können wir keine<br />

Wun<strong>de</strong>r vollbringen“, sieht da auch<br />

Horst Krumpen ein. „Wir können<br />

nur bestehen<strong>de</strong> Trends unterstützen,<br />

nicht welche umdrehen.“ Was ist <strong>de</strong>nn<br />

nun entschei<strong>de</strong>nd für eine erfolgreiche<br />

Kampagne? „Das kann man nicht so<br />

einfach sagen, da kommen zu viele<br />

Faktoren zusammen.“


08<br />

plantage<br />

SPD<br />

- Schaffung von Arbeitsplätzen<br />

- soziale Gerechtigkeit und Zusammenhalt aller Bürgerinnen und Bürger in Berlin<br />

- konsequente Umsetzung unserer Entscheidungen <strong>zur</strong> Mo<strong>de</strong>rnisierung <strong>de</strong>s Berliner<br />

Bildungssystems<br />

DIE QUAL<br />

Linkspartei.PDS<br />

Sechs große und unzählige kleine Parteien stehen am<br />

fällt nicht leicht. Ehe man sein Kreuzchen macht, soll<br />

Unterschie<strong>de</strong> sind. Was sind die wichtigsten Ziele <strong>de</strong>r<br />

SPD und CDU, Grüne, FDP, Linkspartei.PDS und WAS<br />

- Die Linkspartei.PDS will existenzsichern<strong>de</strong> Arbeitsplätze schaffen.<br />

- Statt Arbeitslosigkeit und 1-€-Jobs wollen wir einen öffentlich geför<strong>de</strong>rten<br />

Beschäftigungssektor. Die Linke strebt eine Gemeinschaftsschule an, in <strong>de</strong>r alle<br />

Kin<strong>de</strong>r länger gemeinsam lernen.<br />

- Berlin ist Schmelztiegel <strong>de</strong>r Kulturen und Lebensweisen. Wir wollen eine solida<br />

rische Stadtgesellschaft ohne Ausgrenzung, Zwang und Rechthaberei. Mit gleichen<br />

Rechten für alle. Die Linke will wichtige städtische Unternehmen, wie BVG, BSR,<br />

Vivantes und Wohnungsbaugesellschaften in öffentlicher Hand erhalten.<br />

WASG<br />

Unsere zentralen Ziele sind: Soziale Sicherheit für Arbeitnehmer/innen, Rentner/<br />

innen und alle vom Sozialabbau in <strong>de</strong>r Stadt Betroffenen. Wir wollen eine Umverteilung<br />

von oben nach unten und die Bekämpfung von Armut und Arbeitslosigkeit<br />

durch Arbeitszeitverkürzung und ein Grun<strong>de</strong>inkommen statt Hartz IV. Wir wollen,<br />

dass die öffentlichen Investitionen in <strong>de</strong>r Stadt wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Stand von 1995<br />

– verdoppelt – wer<strong>de</strong>n. Der Kürzungskurs aller im Abgeordnetenhaus vertretenen<br />

Parteien ist gescheitert und zerstört die Infrastruktur und <strong>de</strong>n sozialen Zusammenhalt<br />

Berlins.<br />

<strong>politikorange</strong> online<br />

Demokratie24.<strong>de</strong><br />

U18<br />

frisch, fruchtig, selbst gepresst. Junge Medienmacher blicken hinter die<br />

Kulissen <strong>de</strong>r BerlinWahlen<strong>2006</strong>. In diesem Moment hältst du unsere<br />

<strong>politikorange</strong>-Zeitung in <strong>de</strong>r Hand – doch damit hört unsere Berichterstattung<br />

zu <strong>de</strong>n Wahlen nicht auf. Unter berlinwahlen<strong>2006</strong>.<strong>politikorange</strong>.<strong>de</strong><br />

fin<strong>de</strong>st du bis über <strong>de</strong>n Wahltag hinaus stets aktuelle und neue Artikel über<br />

die Wahlen.<br />

Zahlreiche Verbän<strong>de</strong> und Initiativen haben sich vorgenommen, gera<strong>de</strong><br />

Jungwähler über die anstehen<strong>de</strong>n Wahlen zu informieren. Online-Magazine,<br />

Blogs, Galerien und Kampagnen wer<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>mokratie24.<strong>de</strong><br />

gesammelt und vernetzt. Aktuelle Artikel und News sowie eine Übersicht<br />

aller beteiligten Partner bieten einen guten Einstieg, um sich über die<br />

Wahlen zu informieren.<br />

Noch nicht 18, und trotz<strong>de</strong>m wählen gehen? Bei <strong>de</strong>n Wahlen zu <strong>de</strong>n<br />

Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) ist das erstmal möglich. Hier<br />

dürfen junge Leute ab 16 ihr Kreuz machen. Bei <strong>de</strong>n Abgeordnetenhauswahlen<br />

geht das noch nicht. Doch das Netzwerk U18 simuliert Wahlen für<br />

junge Leute unter 18 Jahren, informiert und klärt auf. Und wer nicht weiß,<br />

wie die BVV funktioniert, fin<strong>de</strong>t hier ebenfalls Hilfe. Mehr Informationen<br />

und Termine gibt’s unter www.u18.org.


<strong>politikorange</strong> zu <strong>de</strong>n BerlinWahlen <strong>2006</strong><br />

17. August bis 17. September in Berlin<br />

plantage 09<br />

DER WAHL<br />

17. September in Berlin <strong>zur</strong> Wahl. Die Entscheidung<br />

te man wissen, wofür die einzelnen Parteien stehen – und wo die<br />

großen Parteien? Wir haben nachgehakt.<br />

G geben hier Auskunft.<br />

CDU<br />

Angesichts von 300.000 Arbeitslosen, jährlich 600.000 Stun<strong>de</strong>n Unterrichtsausfall<br />

und 500.000 Straftaten, lauten die Ziele <strong>de</strong>r CDU: ABS – Arbeit, Bildung, Sicherheit.<br />

Arbeitsplätze sollen durch gezielte Stärkung <strong>de</strong>s Wirtschaftsstandortes Berlin<br />

geschaffen wer<strong>de</strong>n. Im Bildungsbereich setzen wir uns für ein leistungsfähiges<br />

Schulsystem und Wertevermittlung im Unterricht ein. Bei <strong>de</strong>r Sicherheit gilt ‚Null<br />

Toleranz bei Kriminalität‘: Kein Wegschauen bei vermeintlichen Bagatell<strong>de</strong>likten,<br />

mehr Polizeipräsenz und Vi<strong>de</strong>oüberwachung von Kriminalitätsbrennpunkten.<br />

Bündnis90/Grüne<br />

- Berlin <strong>zur</strong> Stadt <strong>de</strong>r Bildung, <strong>de</strong>s Wissens und <strong>de</strong>r Kreativität machen!<br />

- Die Zukunft <strong>de</strong>r Arbeit durch innovative und ökologische Wirtschaftspolitik<br />

sichern!<br />

- Mehr Lebens- und Umweltqualität für Berlin – Vielfalt nutzen, Integration<br />

gestalten!“<br />

FDP<br />

Die Bekämpfung <strong>de</strong>r Massenarbeitslosigkeit in Berlin ist unser oberstes Ziel. Fast<br />

300.000 Bürger sind in dieser Stadt ohne Arbeit und die Armut in Berlin ist auch<br />

unter <strong>de</strong>m rot-roten Senat weiter gewachsen. Zweitens stehen wir für eine neue<br />

Bildungspolitik, die auf Innovation und eine Sanierung von Berlins maro<strong>de</strong>m Schulsystem<br />

setzt. Und drittens wollen wir <strong>de</strong>n Haushalt sanieren, damit Berlin wie<strong>de</strong>r in<br />

seine Zukunft, in Bildung und Forschung investieren kann. Der rot-rote Senat hat 20<br />

Milliar<strong>de</strong>n neue Schul<strong>de</strong>n in 5 Jahren gemacht. So kann es nicht weitergehen.<br />

Die Bun<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung<br />

Die Thesen <strong>de</strong>r Parteien wur<strong>de</strong>n zitiert nach „Welche Parteien stehen <strong>zur</strong> Wahl?“, einem Angebot <strong>de</strong>r<br />

Bun<strong>de</strong>szentrale für politische Bildung/bpb. Alle Antworten aller Parteien, die an <strong>de</strong>r Wahl zum Berliner<br />

Abgeordnetenhaus teilnehmen, fin<strong>de</strong>n Sie unter www.bpb.<strong>de</strong>.<br />

WahlGang<br />

Wahl-O-Mat<br />

Kandidatenwatch.<strong>de</strong><br />

Berlin hat eine neue Gang. Mit Schul-Touren, Guerilla-Aktionen und<br />

Partys machen die Stun<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r WahlGang auf die anstehen<strong>de</strong>n Wahlen<br />

aufmerksam. In ihrer Zentrale am Hackeschen Markt fin<strong>de</strong>n regelmäßig<br />

Diskussionsrun<strong>de</strong>n mit Politikern und Jugendlichen statt. Die WahlGang ist<br />

ein Projekt <strong>de</strong>r Politikfabrik. Mehr Informationen gibt’s unter<br />

wahlgang-berlin.<strong>de</strong>.<br />

Politk ist kompliziert. Parteiprogramme sind oft über 100 Seiten dick.<br />

Wer soll sich da <strong>zur</strong>echt fin<strong>de</strong>n? Der Wahl-O-Mat <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>szentrale für<br />

politische Bildung (bpb) schafft Abhilfe. Unter www.wahl-o-mat.<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n<br />

komplexe politische Thesen zu Multiple-Choice-Fragen zusammengefasst.<br />

Der User hat die Wahl: Ja, Nein, o<strong>de</strong>r Neutral. Und am En<strong>de</strong> errechnet das<br />

hilfreiche Online-Tool, welche Partei mit <strong>de</strong>r eigenen Position die meiste<br />

Übereinstimmung hat – und spuckt eine Wahlempfehlung aus.<br />

555 Direktkandidaten in 78 Wahlkreisen bewerben sich in Berlin um ein<br />

Direktmandat für das Abgeordnetenhaus. Doch welches Gesicht steht für<br />

welche Partei? Und überhaupt: Wer hat welche Ansichten? Bei so vielen<br />

Köpfen ist es kaum möglich, <strong>de</strong>n Überblick zu behalten.<br />

Auf kandidatenwatch.<strong>de</strong> kann man je<strong>de</strong>m Kandidaten direkt Fragen zu<br />

seiner Politik stellen. Die Antworten sind öffentlich einsehbar – <strong>de</strong>shalb<br />

wird auch nahezu je<strong>de</strong> Frage von <strong>de</strong>n Politikern beantwortet.


10<br />

frisch gepresst<br />

COLDPLAY UND POLITIK<br />

19 Jahre, die meisten sind gera<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r bald mit <strong>de</strong>r Schule fertig. Der eine fängt an zu studieren.<br />

Der An<strong>de</strong>re macht ein Auslandsjahr. Doreen Kobelt kandidiert als Direktkandidatin für <strong>de</strong>n Bezirk Charlottenburg- Wilmersdorf.<br />

Shirine Issa hat sie in einem Café am Ernst-Reuter-Platz getroffen.<br />

W<br />

ie alle Direktkandidaten<br />

in Berlin ist auch Doreen<br />

Kobelt im Moment im<br />

Wahlkampf. Auch sie hetzt von einem<br />

Termin zum an<strong>de</strong>ren. Auch sie schläft<br />

kaum, auch sie hat wenig Zeit für<br />

an<strong>de</strong>res. Mit 19 Jahren ist sie eine <strong>de</strong>r<br />

jüngsten Kandidaten <strong>de</strong>r <strong>Berlinwahl</strong>en<strong>2006</strong>.<br />

Für die Linkspartei.PDS tritt<br />

sie als Direktkandidatin im Wahlkreis<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf an.<br />

In einem Alter, in <strong>de</strong>m die Meisten<br />

gera<strong>de</strong> ihr Abitur o<strong>de</strong>r eine Ausbildung<br />

gemacht haben, verteilt Doreen<br />

Wahlkampf-Giveaways, klebt Plakate<br />

und spricht mit potentiellen Wählern.<br />

Ganz nebenbei studiert sie außer<strong>de</strong>m<br />

Geschichte und absolviert ein Praktikum<br />

am Zentrum für Antisemitismusforschung<br />

an <strong>de</strong>r TU-Berlin. Hat sie für<br />

so was überhaupt noch Zeit? „Die Zeit<br />

nehme ich mir einfach“, sagt sie. „Wenn<br />

ich 24 Stun<strong>de</strong>n am Tag Wahlkampf<br />

machen wür<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> ich ja verrückt.“<br />

Trotz alle<strong>de</strong>m hat Doreen allerdings<br />

auch ganz normale Hobbys – wie man<br />

es von einer 19jährigen ja auch erwarten<br />

wür<strong>de</strong>. In ihrer Freizeit liest sie<br />

gerne historische Romane, trinkt Kaffee<br />

o<strong>de</strong>r trifft sich mit privaten Freun<strong>de</strong>n.<br />

„Klar habe ich auch Freun<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r<br />

Partei“, erklärt Doreen. „Aber ich achte<br />

sehr darauf, dass ich auch mit an<strong>de</strong>ren<br />

Leuten zusammen bin.“<br />

POLITISCHE SPÄTZÜNDERIN<br />

Interessiert man sich für Doreens<br />

Motivation, in <strong>de</strong>n Wahlkampf zu<br />

ziehen, muss man vielleicht in <strong>de</strong>n<br />

Songtexten ihrer Liebligsband stöbern.<br />

„And open up your eyes, open<br />

up your eyes“, singen Coldplay im<br />

Refrain zu „Politiks“ immer wie<strong>de</strong>r.<br />

Was Politik angeht, hat Doreen erst<br />

spät ihre Augen geöffnet, gibt sie zu.<br />

„Meine Eltern sind eher apolitisch.<br />

Ich glaube ich bin, was die Politik<br />

angeht auch eher ein Spätzün<strong>de</strong>r.“<br />

Ihr eigenes Umfeld bezeichnet sie<br />

als links, und auch sie selbst hat<br />

irgendwann gemerkt, dass sie sich<br />

einmischen will.<br />

„Give me peace“, singen Coldplay<br />

in ihrem Chart-Hit „Politiks“ weiter.<br />

Kein Wun<strong>de</strong>r, dass Doreen die Texte<br />

<strong>de</strong>r britischen Rockband so gerne mag.<br />

Schließlich war <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>n auch ein<br />

wichtiger Aspekt für ihre politische<br />

Ausrichtung. „Für mich ist es wichtig,<br />

dass meine Partei eine Frie<strong>de</strong>nspartei<br />

ist“, meint sie. „Parteien wie die SPD<br />

o<strong>de</strong>r die CDU spielten außer<strong>de</strong>m nie<br />

eine Rolle in meiner Familie.“<br />

FINANZIELL UNABHÄNGIG<br />

In <strong>de</strong>r Zukunft wür<strong>de</strong> Doreen gerne<br />

im Bildungswesen arbeiten. Eine<br />

Berufspolitikerin zu sein, kann sie<br />

sich jetzt noch nicht vorstellen. „Um<br />

wirklich gute Politik machen zu<br />

können, muss man erst mal unabhängig<br />

von ihr sein“, ist die Direktkandidatin<br />

überzeugt. „Ich wäre je<strong>de</strong>nfalls<br />

nicht in <strong>de</strong>r Lage, <strong>de</strong>n Bürger so<br />

unabhängig zu vertreten, wie es sein<br />

sollte, wenn ich finanziell von <strong>de</strong>r<br />

Politik abhängig wäre.“<br />

Der Weg <strong>zur</strong> Berufspolitikerin<br />

jedoch ist lang, und <strong>de</strong>shalb fängt<br />

Anzeige<br />

Doreen schon jetzt an ihn zu beschreiten<br />

– möglicherweise bald mit einem<br />

Abgeordnetenhaus-Mandat. Ihre<br />

Schwerpunkte sind Bürgerrechte,<br />

Chancengleichheit und Demokratie.<br />

Demokratie - wenn Doreen dieses<br />

Wort in <strong>de</strong>n Mund nimmt, hat es<br />

einen beson<strong>de</strong>ren Beigeschmack.<br />

Etwas Aktives, etwas, was Möglichkeiten<br />

<strong>zur</strong> gemeinsamen Verbesserung<br />

gibt. Irgendwie das, was viele<br />

Wähler sich wünschen.<br />

Uns was be<strong>de</strong>utet Demokratie nun<br />

für Doreen genau? Einen Moment<br />

<strong>de</strong>nkt sie nach. „Demokratie ist die<br />

Möglichkeit, sich politisch zu engagieren<br />

und artikulieren zu können“,<br />

sagt sie dann. So gesehen ist das, was<br />

Doreen jetzt gra<strong>de</strong> tut, die Umsetzung<br />

von Demokratie. „Everyone<br />

must find a place“, singen Coldplay<br />

ein paar Zeilen später. Doreen hat<br />

ihren Platz schon gefun<strong>de</strong>n.<br />

19 Jahre und schon in <strong>de</strong>r Politik:<br />

Doreen Kobelt ist Direktkandidatin bei <strong>de</strong>r Linkspartei. In ihrer Freizeit hört die<br />

Nachwuchspolitikerin gerne Coldplay. Einige Songtexte passen perfekt.


<strong>politikorange</strong> zu <strong>de</strong>n BerlinWahlen <strong>2006</strong><br />

17. August bis 17. September in Berlin<br />

frisch gepresst 11<br />

DAS LEBEN: SCHÖÖÖÖN!<br />

Anzeige<br />

Hauke Stiewe ist Spitzenkandidat <strong>de</strong>r Bergpartei. Alles nur Spaß?<br />

Nicht ganz. Von Isabelle Abbasi<br />

W<br />

ie muss das Leben sein?<br />

Bitte kreuzen Sie an: Aufregend.<br />

Hart. Wirtschaftlich.<br />

O<strong>de</strong>r einfach nur „schöööön“. Auf<br />

<strong>de</strong>n Plakaten von Hauke Stiewe hat<br />

<strong>de</strong>r Wähler noch eine große Auswahl.<br />

Hauke ist Spitzenkandidat <strong>de</strong>r Bergpartei<br />

in Friedrichshain. Bei seinem<br />

Wahlkampf geht es um fundamentale<br />

Dinge. Das Leben. Die Bildung. O<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r Arzt. Zusätzlich lächelt von <strong>de</strong>n<br />

Plakaten ein süßes Häschengesicht.<br />

Der ganze Wahlkampf sieht nach<br />

Spaßpartei aus. Einen Mangel an<br />

Spaßparteien braucht Berlin bekanntlich<br />

nicht zu beklagen. Da wäre zum<br />

Beispiel noch DIE PARTEI, welche<br />

die Dresdner Frauenkirche einreißen<br />

will um aus <strong>de</strong>n Trümmern die Berliner<br />

Mauer wie<strong>de</strong>r aufzubauen. O<strong>de</strong>r<br />

die APPD, die Anarchistische Pogo-<br />

Partei Deutschland, die sich für Ein-<br />

Euro-Shoppen statt Ein-Euro-Jobben<br />

einsetzt. Doch die Bergpartei ist an<strong>de</strong>rs<br />

– sagt zumin<strong>de</strong>st Hauke. „Uns geht es<br />

nicht ausschließlich um Spaß. Wir<br />

wollen Berlins Probleme mit Kreativität<br />

lösen.“ Außer<strong>de</strong>m möchten Hauke<br />

und seine Mitstreiter <strong>de</strong>n Wähler<br />

zum Um<strong>de</strong>nken auffor<strong>de</strong>rn. Mit <strong>de</strong>m<br />

bisherigen politischen System ist die<br />

Bergpartei alles an<strong>de</strong>re als zufrie<strong>de</strong>n.<br />

„Viele Politiker beschränken ihre Arbeit<br />

darauf, ihre Parteien zu unterstützen“,<br />

kritisiert Hauke. Dabei vergessen sie,<br />

dass es im Wesentlichen um die Möglichkeiten<br />

<strong>de</strong>r Menschen geht.“<br />

Die Bergpartei hingegen sieht in<br />

Berlin ganze „Berge von Möglichkeiten“.<br />

Diese wollen sie auch nutzen<br />

um ihre Ziele nach einer lebendigen<br />

Stadt zu verwirklichen. Die Einführung<br />

<strong>de</strong>r bezahlten Reisepflicht ist<br />

nur einer ihrer Vorschläge. „Reisen<br />

bil<strong>de</strong>t“, so das Argument für die<br />

ungewöhnliche I<strong>de</strong>e, und Bildung<br />

kann ein Mensch nie genug haben.<br />

„Für je<strong>de</strong>n gefällten Baum ein eingeschmolzenes<br />

Auto“ ist <strong>de</strong>r Beitrag <strong>de</strong>r<br />

Bergpartei zum Umweltschutz.<br />

Mit Parteien hatte Hauke<br />

ursprünglich wenig am Hut. Der<br />

35 Jahre alte gebürtige Bremer ist<br />

gelernter Decksmann. In Berlin hat<br />

er einige Häuser besetzt, ist in <strong>de</strong>r<br />

linken Szene bekannt. Momentan<br />

hat er keinen festen Job. Seine<br />

gesamte Freizeit verbringt er mit <strong>de</strong>m<br />

Wahlkampf für die Bergpartei, in<br />

die er vor einigen Jahren eingetreten<br />

ist. „Wir haben keine Agenturen die<br />

für uns arbeiten. Wir machen alles<br />

selber“, berichtet er stolz. Etwa 150<br />

Leute zählt seine Partei, größtenteils<br />

Bekannte und Freun<strong>de</strong>. „Die Plakate<br />

haben wir im Siebdruckverfahren<br />

selbst produziert, <strong>de</strong>r Wahlkampf<br />

wird durch Einnahmen von Partys<br />

und Flomarkt-Verkäufen finanziert.“<br />

Wahlkampf selfma<strong>de</strong> – auch das<br />

gehört zum Konzept <strong>de</strong>r Bergpartei.<br />

Denn: Kunst und Politik gehören<br />

zusammen, ganz klar, und ohne Spaß<br />

geht gar nichts.<br />

Mehr als nur Fun:<br />

Mit <strong>de</strong>m Häschen und <strong>de</strong>n lustigen Werbeslogans wirkt Haukes Bergpartei wie<br />

eine Spaßpartei. Doch <strong>de</strong>r Spitzenkandidaten meint es durchaus ernst.


12<br />

gewächshaus<br />

fruchtfleisch |<br />

Was be<strong>de</strong>utet Demokratie<br />

für dich?<br />

KRITISCH BEI DER EIGENEN ZIELGRUPPE<br />

Manchmal stimmen Klischees. Am Eingang <strong>de</strong>r taz-Redaktion wer<strong>de</strong>n wir von einem<br />

freundlichen Herrn, En<strong>de</strong> dreißig begrüßt. In <strong>de</strong>r taz-Redaktion wird sofort geduzt. Gereon Asmuth<br />

ist Chef <strong>de</strong>r Berlin-Redaktion. Wie in <strong>de</strong>n meisten Lokalredaktionen lautet das vorherrschen<strong>de</strong><br />

Thema seit Wochen auch hier: BerlinWahlen<strong>2006</strong>. Von Matin Tirmizi<br />

„Einfluss haben“<br />

„Keine Angst haben“<br />

„Das Volk“<br />

Quang, 23<br />

Gastronom aus Wedding<br />

Das ist eine Sache, bei <strong>de</strong>r Leute<br />

Einfluss darauf haben, wie ihr<br />

Leben aussehen soll.<br />

Behboud, 46<br />

Technischer Angestellter aus<br />

Berlin-Wilmersdorf<br />

Wenn ich in einem Land leben<br />

kann, in <strong>de</strong>m ich nicht daran<br />

<strong>de</strong>nken muss, wo ich überall<br />

hingehen und alles sagen kann,<br />

dann ist das für mich Demokratie.<br />

Dazu gehört vor allem auch:<br />

Keine Angst haben zu müssen.<br />

Rock, 23<br />

Gastronom aus Charlottenburg<br />

A<br />

uf <strong>de</strong>n ersten Blick unterschei<strong>de</strong>t<br />

sich das Geschehen<br />

kaum von an<strong>de</strong>ren Redaktionen.<br />

Beschäftigt sitzen Autoren und<br />

Grafiker an Rechnern, telefonieren<br />

o<strong>de</strong>r befin<strong>de</strong>n sich in einem Gespräch.<br />

Zwei o<strong>de</strong>r drei Wahlplakate <strong>de</strong>r<br />

Grünen weisen darauf hin, dass die taz<br />

irgendwo eine beson<strong>de</strong>re Redaktion<br />

ist. Daneben <strong>de</strong>r Spruch „taz muss<br />

sein!“. Die unabhängige Tageszeitung<br />

ist bun<strong>de</strong>sweit das einzige Blatt, das<br />

seinen Lesern gehört. Sie wird von<br />

einer Genossenschaft getragen, die<br />

momentan aus über 6.900 Lesern,<br />

Mitarbeitern und Freun<strong>de</strong>n besteht.<br />

So sichern sie die wirtschaftliche und<br />

publizistische Unabhängigkeit „ihrer“<br />

Zeitung. Die taz erscheint weitgehend<br />

unabhängig von Anzeigeneinnahmen,<br />

über <strong>de</strong>n Inhalt bestimmt ausschließlich<br />

die Redaktion. Und die ist seit <strong>de</strong>r<br />

taz-Gründung 1979 weitgehend links<br />

und kritisch.<br />

DAS LIEST DOCH KEINER<br />

Es ist halb elf, für die Berlin-Redaktion<br />

beginnt ein internes Redaktionstreffen.<br />

Wer schreibt welchen Artikel<br />

in welcher Länge? Sofort fällt das niedrige<br />

Durchschnittsalter <strong>de</strong>r Redaktion<br />

auf: vier Praktikanten sitzen fünf<br />

Mitt<strong>de</strong>ißiger-Redakteuren gegenüber.<br />

Atmosphäre und Umgangston untereinan<strong>de</strong>r<br />

sind entspannt - es erinnert<br />

mehr an ein freundschaftliches, <strong>de</strong>nn<br />

an ein berufliches Treffen. Erst bei <strong>de</strong>r<br />

Diskussion über die Inhalte, wird <strong>de</strong>r<br />

Ton teilweise schärfer. Ein Satz, <strong>de</strong>r<br />

häufiger fällt: „kann man machen,<br />

muss man nicht“, gefolgt von: „das<br />

liest doch keiner“.<br />

Thema ist <strong>de</strong>r Wahlkampf. Auch in<br />

<strong>de</strong>r taz gibt es „normale“ Berichterstattung:<br />

Was wollen wir von <strong>de</strong>r Wahl?<br />

Wo sind die Knackpunkte? Und: Wie<br />

wird eigentlich gewählt? „Außer<strong>de</strong>m“,<br />

meint Gereon Asmuth, „versuchen<br />

wir die Unterschie<strong>de</strong> <strong>de</strong>r einzelnen<br />

Parteien herauszukitzeln“ Das sei bei<br />

diesem Wahlkampf aber schwierig.<br />

„Berlin hat <strong>de</strong>rzeit ein<strong>de</strong>utig zwei Probleme:<br />

Wir sind pleite. Und wir haben<br />

zu viele Arbeitslose. Aber da keine<br />

Partei dafür ein Lösungskonzept hat,<br />

bleibt <strong>de</strong>r Wahlkampf flach.“<br />

AUF DIE CDU HAUEN<br />

Die taz ist links, vor allem aber auch<br />

unabhängig und kritisch – darauf<br />

je<strong>de</strong>nfalls legt Gereon Asmuth<br />

großen Wert. „Natürlich gibt es bei<br />

uns eine gewisse politische Nähe zum<br />

linken Spektrum“, erklärt er, „und<br />

daher interessieren uns in diesem<br />

Wahlkampf auch explizit die vier<br />

linken Parteien.“ Das be<strong>de</strong>ute aber<br />

nicht, dass über SPD, Grüne, Linke<br />

und WASG ausschließlich positiv<br />

berichtet wird. „Ja, wir hauen oft auf<br />

die CDU“, gibt Asmuth zu, „aber die<br />

linken Parteien nehmen wir ten<strong>de</strong>nziell<br />

noch kritischer ins Visier. Dafür<br />

wer<strong>de</strong>n wir dann oft vom linken<br />

Lager gerügt.“ Die Leser <strong>de</strong>r taz sind<br />

selbst links und haben <strong>de</strong>shalb ein<br />

fundiertes Hintergrundwissen über<br />

linke Parteien. Umso stärker wer<strong>de</strong>n<br />

Artikel hinterfragt, umso mehr<br />

müssen sich die Autoren bemühen,<br />

kritisch zu berichten.<br />

PEINLICH IST DAS<br />

Mit ihrer linken Berichterstattung<br />

bil<strong>de</strong>t die taz einen Gegenpol zum<br />

Axel-Springer-Verlag. Im Springer-<br />

Hochhaus gegenüber wer<strong>de</strong>n unter<br />

an<strong>de</strong>rem die Bild-Zeitung, die Berliner<br />

Morgenpost und die BZ produziert.<br />

Nach Asmuths Geschmack<br />

bie<strong>de</strong>rt sich <strong>de</strong>r Springer-Verlag <strong>de</strong>n<br />

konservativen Parteien manchmal<br />

zu stark an. „Als Herr Pflüger als<br />

Spitzenkandidat <strong>de</strong>r CDU fest stand,<br />

tauchte er in solchen Zeitungen<br />

täglich mit großen Artikeln und<br />

eigenen Beiträgen auf“, stellt <strong>de</strong>r taz-<br />

Redakteur fest. „Das war schon sehr,<br />

sehr auffällig – und dann wur<strong>de</strong> noch<br />

nicht mal objektiv berichtet, son<strong>de</strong>rn<br />

richtiggehend für Pflüger geworben.<br />

Peinlich ist das. Wir wür<strong>de</strong>n linke<br />

Kandidaten nie so behan<strong>de</strong>ln.“<br />

Glaubt man Asmuth, ist es nicht<br />

Ziel <strong>de</strong>r taz, <strong>de</strong>n Leser <strong>zur</strong> Wahl einer<br />

linken Partei zu bewegen – son<strong>de</strong>rn<br />

ihn überhaupt an die Wahlurne zu<br />

bringen. „Ein Großteil <strong>de</strong>r Wähler<br />

ist unschlüssig, welcher Partei er seine<br />

Stimme geben soll.“, weiß Gereon<br />

Asmuth. Dem Leser rät er daher:<br />

„Schaut genau hin, informiert euch<br />

und geht wählen! Noch ist nichts<br />

entschie<strong>de</strong>n.“<br />

Eine fast normale Tageszeitung:<br />

Auch in <strong>de</strong>r Berliner taz sind die Wahlen vorherrschen<strong>de</strong>s Thema. Die Herangehensweise aber ist an<strong>de</strong>rs.<br />

Das leitet sich ab von Demos,<br />

das Volk, und be<strong>de</strong>utet: Mitbestimmung.<br />

Also die Regierung<br />

<strong>de</strong>s Volkes.


<strong>politikorange</strong> zu <strong>de</strong>n BerlinWahlen <strong>2006</strong><br />

17. August bis 17. September in Berlin<br />

erntezeit 13<br />

WOHL BEKOMM‘S!<br />

DIE PARTEIEN TISCHEN AUF<br />

Heißt es „Gratis!“, greift <strong>de</strong>r Mensch zu. Das gilt auch für die Giveaways an<br />

<strong>de</strong>n Wahlkampfstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Parteien. Ohne einen Gedanken an Nutzen o<strong>de</strong>r Wirkung<br />

seiner Tat zu verschwen<strong>de</strong>n, verwan<strong>de</strong>lt sich <strong>de</strong>r Bürger liebend gerne zum<br />

Aushängeschild <strong>de</strong>r großen Parteien. Von Daniela Uhrich und Nemezjusz Kasztelan.<br />

J<br />

ung, frech und sexy, dass wollen<br />

die Parteien <strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rs<br />

sein. Und dabei setzen sie alles<br />

daran, die „craziness“ ihrer Konkurrenten<br />

zu übertreffen. Das politische<br />

Merchandising gehört seit Jahren<br />

<strong>zur</strong> Tradition und entwickelt sich<br />

immer mehr <strong>zur</strong> I<strong>de</strong>ntitätsgrundlage<br />

einer je<strong>de</strong>n Partei. Zum unfreiwilligen<br />

Werbeträger wer<strong>de</strong>n häufig die<br />

Anzeige<br />

Kleinsten: Mit <strong>de</strong>m Politikkuli in <strong>de</strong>r<br />

Hand verwan<strong>de</strong>lt sich ein Schüler<br />

<strong>zur</strong> Reklametafel, mit einem roten<br />

SPD-Ballon ein Kind zum tollen<strong>de</strong>n<br />

Parteimaskottchen.<br />

Ein warmer Sommertag im Park<br />

- das ist die spontane Vision beim Blick<br />

auf <strong>de</strong>n Wahlkampftisch <strong>de</strong>r Grünen.<br />

Locker-flockig kommen sie daher, mit<br />

Fahrradklingel, Frisbee und einem<br />

Gras-Tütchen. Damit die Jeans beim<br />

Fahrradfahren im Grünen nicht in die<br />

Speichen gerät, verspricht ein Klettband<br />

mit <strong>de</strong>r Aufschrift „Mobil Grün<br />

– wo ich bin, ist Verkehrsknotenpunkt“<br />

Abhilfe. Wenn die Grüne Jugend<br />

gera<strong>de</strong> nicht kifft o<strong>de</strong>r schwarzfährt,<br />

ist sie auch für ein Späßchen gerne<br />

zu haben. So kann man auf einer<br />

CD-ROM mit Kandidatengesichtern<br />

Memory o<strong>de</strong>r Atomtennis spielen.<br />

Die SPD setzt eher auf Bürgertum<br />

meets Kin<strong>de</strong>rfreundlichkeit. Die<br />

klassische Mischung mit Sicherheitsreflektor,<br />

Brotbox und Wowi-Falt-<br />

Spiel soll <strong>de</strong>n Familienmenschen<br />

ansprechen. Per Internetspiel gibt es<br />

sogar einen Wowi-Bären zu gewinnen,<br />

SPD-Glück für die ganze Familie.<br />

Vor wenigen Jahren wollten CDU-<br />

Politiker die Steuerklärung eines je<strong>de</strong>n<br />

Bürgers auf einen Bier<strong>de</strong>ckel packen,<br />

heute reicht es zumin<strong>de</strong>st noch für kreative<br />

Wahlkampfslogans: „Helle trinken<br />

und schwarz wählen“ steht es weiß<br />

auf orange auf <strong>de</strong>m Pappquadrat.<br />

Gelb-blaue Faust am Schlüsselanhänger:<br />

Die FDP haut rein. Zielpublikum<br />

ist wohl <strong>de</strong>r „bo<strong>de</strong>nständige<br />

Freak“. Schlüsselbän<strong>de</strong>r,<br />

Erfrischungstücher und Einkaufswagenchips.<br />

Nützliches für zuhause und<br />

unterwegs soll täglich an die lieben<br />

Liberalen erinnern.<br />

Ganz unverblümt treibt es hingegen<br />

die PDS: Die Sozis setzen auf Sex.<br />

Süße Gummitierherzchen animieren<br />

dazu, Kondome schützen dabei, das<br />

Feuerzeug ist für die Zigarette danach.<br />

Jung, frech und sexy, das wollen die<br />

Parteien <strong>de</strong>s 21. Jahrhun<strong>de</strong>rs sein.<br />

Bislang sind es nur die Giveaways.


14<br />

<strong>politikorange</strong><br />

<strong>politikorange</strong> – frisch, fruchtig, selbstgepresst<br />

mitmachen@<strong>politikorange</strong>.<strong>de</strong><br />

Als Veranstaltungszeitung, Magazin,<br />

Onlinedienst und Radioprogramm erreicht<br />

das Mediennetzwerk <strong>politikorange</strong> seine<br />

jungen Hörer und Leser. Krieg, Fortschritt,<br />

Kongresse, Partei- und Jugendmedientage –<br />

<strong>politikorange</strong> berichtet jung und frech zu<br />

Schwerpunkten und Veran staltungen. Junge<br />

Autoren zeigen die große und die kleine<br />

Politik aus einer frischen, fruchtigen, an<strong>de</strong>ren<br />

Perspektive.<br />

> POLITIKORANGE – DAS MULTIMEDIUM<br />

<strong>politikorange</strong> wur<strong>de</strong> 2002 als Veranstaltungsmagazin<br />

ins Leben gerufen. Seit <strong>de</strong>n<br />

Politiktagen gehören Kongresse, Festivals<br />

und Jugendmedienevents zum Print und<br />

Online-Programm. 2004 erschienen die ersten<br />

Themenmagazine: staeffi* und ortschritt*.<br />

Während <strong>de</strong>r Jugendmedientage 2005 in<br />

Hamburg wur<strong>de</strong>n erstmals Infos rund um die<br />

Veranstaltung live im Radio ausgestrahlt und<br />

eine 60-minütige Sendung produziert.<br />

> WER MACHT POLITIKORANGE?<br />

Junge Journalisten – sie recherchieren,<br />

berichten und kommentieren. Wer neugierig<br />

und engagiert in Richtung Journalismus<br />

gehen will, <strong>de</strong>m stehen hier alle Türen<br />

offen. Genauso willkommen sind begeisterte<br />

Knipser und kreative Köpfe fürs Layout.<br />

Den Rahmen für Organisation und Vertrieb<br />

stellt die Jugendpresse Deutschland. Ständig<br />

wechseln<strong>de</strong> Redaktionsteams sorgen<br />

dafür, dass <strong>politikorange</strong> immer frisch und<br />

fruchtig bleibt, erfahrene Jungjournalisten<br />

<strong>de</strong>r Jugendpresse stehen mit Rat und Tat <strong>zur</strong><br />

Seite. Wer heiß aufs schreiben, fotografieren,<br />

mitschnei<strong>de</strong>n ist, fin<strong>de</strong>t Infos zum Mitmachen<br />

und zu aktuellen Veranstaltungen unter www.<br />

<strong>politikorange</strong>.<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r wen<strong>de</strong>t sich per E-Mail<br />

an mitmachen@<strong>politikorange</strong>.<strong>de</strong>.<br />

Mehr Artikel und unser ganzes Archiv unter www.<strong>politikorange</strong>.<strong>de</strong><br />

Weitere Informationen <strong>zur</strong> Jugendpresse Deutschland und über die<br />

einzelnen Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong> unter www.jugendpresse.<strong>de</strong><br />

Mehr Infos <strong>zur</strong> Jungen Presse Berlin unter www.jpb.<strong>de</strong><br />

> WIE KOMM ICH DA RAN?<br />

Gedruckte Ausgaben wer<strong>de</strong>n direkt auf Veranstaltungen,<br />

über die Lan<strong>de</strong>sverbän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Jugendpresse Deutschland und als Beilagen<br />

in Tageszeitungen verteilt. Radiosendungen<br />

strahlen wir mit wechseln<strong>de</strong>n Sen<strong>de</strong>partnern<br />

aus. Auf www.<strong>politikorange</strong>.<strong>de</strong> berichten wir<br />

live von Kongressen und Großveranstaltungen.<br />

Dort stehen bereits über 50 <strong>politikorange</strong>-Ausgaben<br />

und unseren Radiosendungen im Archiv<br />

zum Download bereit.<br />

> WARUM EIGENTLICH POLITIKORANGE?<br />

In einer Gesellschaft, in <strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r<br />

über das fehlen<strong>de</strong> Engagement von Jugendlichen<br />

diskutiert wird, begeistern wir Jugendliche<br />

für eigenständiges Denken und Han<strong>de</strong>ln.<br />

<strong>politikorange</strong> informiert über das Engagement<br />

an<strong>de</strong>rer und motiviert <strong>zur</strong> Eigeninitiative.<br />

Und <strong>politikorange</strong> selbst ist Engagement –<br />

<strong>de</strong>nn <strong>politikorange</strong> ist frisch, fruchtig und<br />

selbstgepresst.<br />

impressum<br />

Diese <strong>politikorange</strong> und die Online-Berichterstattung auf<br />

www.berlinwahlen<strong>2006</strong>.<strong>politikorange</strong>.<strong>de</strong> entstan<strong>de</strong>n zu <strong>de</strong>n<br />

BerlinWahlen<strong>2006</strong> vom 17. August bis zum 20. September<br />

<strong>2006</strong> mit freundlicher finanzieller Unterstützung <strong>de</strong>r Kreuzberger<br />

Kin<strong>de</strong>rstiftung. Alle namentlich gekennzeichneten Beiträge spiegeln<br />

nicht unbedingt die Meinung <strong>de</strong>r Redaktion wi<strong>de</strong>r.<br />

Herausgeber und Redaktion<br />

<strong>politikorange</strong> – Netzwerk Demokratieoffensive<br />

c/o Junge Presse Berlin e. V.<br />

Grolmanstraße 52, 10623 Berlin<br />

Tel. (030) 450 865 50, Fax (030) 450 865 59<br />

www.jugendpresse.<strong>de</strong>, info@jugendpresse.<strong>de</strong><br />

Chefredaktion (V.i.S.d.P.)<br />

Michael Metzger (michael@jpb.<strong>de</strong>)<br />

Shirine Issa (shirine@jpb.<strong>de</strong>)<br />

Redaktion<br />

Isabelle Abbasi, Tina Bernstein, Nina Dietrich, Ali Gumusay,<br />

Tamara Inashvili, Shirine Issa, Nemezjusz Kasztelan, Michael<br />

Metzger, Johannes Nichelmann, Tatjana Sochowski, Philipp Steiner,<br />

Laurence Thio, Matin Tirmizi, Daniela Uhrich, Alina Ullmann<br />

Redaktionelle Unterstützung<br />

Charlott Ebert, Daniela Uhrich<br />

Fotos dieser Ausgabe<br />

Sebastian Wischowski, Keynan Dietrich, Daniela Uhrich,<br />

SPD Berlin, photocase.com<br />

Gestaltung<br />

Marian Zange (mzange@bberry.<strong>de</strong>)<br />

Organisation<br />

Shirine Issa, Michael Metzger<br />

Druck<br />

BVZ Berliner Zeitungsdruck GmbH<br />

Auflage: 21.000<br />

www.<strong>politikorange</strong>.<strong>de</strong>


<strong>politikorange</strong> zu <strong>de</strong>n BerlinWahlen <strong>2006</strong><br />

17. August bis 17. September in Berlin<br />

frühernte 15<br />

WARUM SO ÄNGSTLICH?<br />

„Was machen die <strong>de</strong>nn da in <strong>de</strong>r Politik? Ich wür<strong>de</strong> das an<strong>de</strong>rs<br />

machen!“ Der Gedanke ist vielleicht gewöhnungsbedürftig, aber:<br />

Warum nicht selbst Hand anlegen? Von Nina Dietrich<br />

N<br />

icht nur meckern, son<strong>de</strong>rn<br />

selber anpacken – das<br />

wollen viele junge Menschen.<br />

So ging es auch Ruppert<br />

Stüwe. Der 28 Jahre alte Stu<strong>de</strong>nt<br />

ist bereits seit Jahren politisch aktiv.<br />

Nicht in einer Partei, son<strong>de</strong>rn bei <strong>de</strong>n<br />

Jusos – <strong>de</strong>m Jugendverband <strong>de</strong>r SPD.<br />

„Wenn junge Leute zusammen sitzen<br />

ist es einfacher zu diskutieren“, meint<br />

er. „Viele Leute in <strong>de</strong>r Partei haben<br />

über manche Sachen vielleicht schon<br />

20 Jahre gere<strong>de</strong>t, die versuchen wir<br />

uns erstmal neu zu erarbeiten.“<br />

Vielen Jugendlichen geht es ähnlich.<br />

Sie sind an Politik interessiert,<br />

doch Parteien sind ihnen zu spießig,<br />

haben zu festgefahrene Strukturen<br />

o<strong>de</strong>r einen zu hohen Altersdurchschnitt.<br />

Sie treten lieber in die<br />

Partei-Jugendverbän<strong>de</strong> ein. Und<br />

von <strong>de</strong>nen gibt es viele: Die Grüne<br />

Jugend, die Jungen Liberalen, die<br />

Junge Union, die PDS-Jugend o<strong>de</strong>r<br />

eben die Jusos.<br />

Diskutiert wird überall viel, egal<br />

für welche Partei man sich entschei<strong>de</strong>t.<br />

Dabei wer<strong>de</strong>n Sachreferenten<br />

eingela<strong>de</strong>n, Meinungen ausgetauscht<br />

und Positionen gefestigt. Trotz ihrer<br />

Nähe <strong>zur</strong> jeweiligen Partei legen die<br />

Jugendverbän<strong>de</strong> großen Wert auf<br />

ihre Eigenständigkeit. „Wir sind<br />

radikaler“, meint Julia Löffler. Die<br />

18jährige ist Vorstandsmitglied <strong>de</strong>r<br />

Grünen Jugend Berlin. „Wer<strong>de</strong>n<br />

bei <strong>de</strong>n Altgrünen Entscheidungen<br />

getroffen, die uns nicht gefallen,<br />

dann sagen wir das auch“, betont sie.<br />

Dass die Grüne Jugend ihre eigenen<br />

Positionen vertritt, zeigt sich auch<br />

daran, dass sie ein eigenes Jugendwahlprogramm<br />

geschrieben hat.<br />

Trotz allem bieten die Jugendorganisationen<br />

<strong>de</strong>r Parteien ihren<br />

junge Mitglie<strong>de</strong>rn vor allem eines:<br />

Selber besser machen:<br />

In <strong>de</strong>n Jugendverbän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Parteien machen junge Leute Politik.<br />

Ein Sprungbrett in die Partei und<br />

damit die spätere politische Karriere.<br />

So war es auch bei Philipp Fest. Der<br />

24 Jahre Stu<strong>de</strong>nt ist vor vier Jahren<br />

in die Junge Union eingetreten.<br />

Heute arbeitet er ehrenamtlich im<br />

Vorstand <strong>de</strong>s JU-Lan<strong>de</strong>sverban<strong>de</strong>s<br />

Berlin, außer<strong>de</strong>m ist er bereits stellvertreten<strong>de</strong>r<br />

Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r CDU<br />

Berlin-Sü<strong>de</strong>n<strong>de</strong>. „Das Einbringen<br />

in die Partei war viel einfacher, als<br />

ich gedacht hatte“, stellt auch Hendrik<br />

Schlutt fest. Der 19jährige ist<br />

in <strong>de</strong>r PDS Jugend aktiv. „Ich bin<br />

sofort aufgenommen wor<strong>de</strong>n“, meint<br />

er. „Man stellt sich eine Partei von<br />

außen immer viel verkrusteter vor,<br />

als sie ist.“<br />

Anzeige<br />

SO FUNKTIONIERT DEMOKRATIE<br />

Kin<strong>de</strong>r- und Jugendbeteiligung in <strong>de</strong>n Bezirken stärken – Das Programm<br />

Mitbestimmung För<strong>de</strong>rn!<br />

Kin<strong>de</strong>r- und Jugendbüros führen mit kind- und jugendgerechten Metho<strong>de</strong>n<br />

Beteiligungsprojekte durch, z.B. Planungsworkshops mit Mo<strong>de</strong>llbau,<br />

Kiez<strong>de</strong>tektive, Kin<strong>de</strong>r- und Jugendforen, Kin<strong>de</strong>rstadtteilpläne, Anhörungen<br />

in <strong>de</strong>n Ausschüssen <strong>de</strong>r Bezirksverordnetenversammlungen, Patenschaften<br />

zwischen Bezirksverordneten und aktiven Kin<strong>de</strong>rgruppen, Verkehrsplanungsprojekte.<br />

Sie wirken als Schnittstelle zwischen Kin<strong>de</strong>rn/Jugendlichen<br />

und Verwaltung und Politik. Sie sollen ein Teil o<strong>de</strong>r nahe bei <strong>de</strong>r Verwaltung<br />

sein und gleichzeitig die ‚Sprache’ <strong>de</strong>r Jugendlichen sprechen. Die Kin<strong>de</strong>rund<br />

Jugendbüros sollen die Beteiligung eines breiten Spektrums von unterschiedlichen<br />

Jugendlichen erreichen und Kontinuität absichern.<br />

Die Jugend- und Familienstiftung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s Berlin hat <strong>de</strong>shalb in Kooperation<br />

mit <strong>de</strong>r Kreuzberger Kin<strong>de</strong>rstiftung und <strong>de</strong>r Stiftung SPI- Drehscheibe<br />

Kin<strong>de</strong>r- und Jugendpolitik Berlin ein Programm aufgelegt, das zunächst auf<br />

drei Jahre befristet ist mit <strong>de</strong>m Ziel die strukturelle Verankerung von Kin<strong>de</strong>rund<br />

Jugendbeteiligung in <strong>de</strong>n Bezirken zu stärken.<br />

Voraussetzung für eine För<strong>de</strong>rung ist die Finanzierung einer festen Vollzeitstelle,<br />

geeigneter Räume und Büroausstattung durch <strong>de</strong>n jeweiligen Bezirk.<br />

Weitere Informationen auf <strong>de</strong>r Internetseite:<br />

www.mitbestimmen-in-berlin.<strong>de</strong><br />

Von Michael Metzger<br />

A<br />

ndreas Gürtler ist Projektleiter<br />

von JUGEND HILFT!. Ab<br />

Herbst wird er als Generalsekretär<br />

<strong>de</strong>r Kreuzberger Kin<strong>de</strong>rstiftung<br />

arbeiten. Im Interview spricht er über<br />

Stiftungen, Jugend und Demokratie.<br />

Wenn Jugendliche Projekte auf die Beine<br />

stellen, sollten sich Erwachsene doch besser<br />

raushalten – o<strong>de</strong>r?<br />

Klar ist es wichtig, dass wir als Erwachsene<br />

Kin<strong>de</strong>r in ihren I<strong>de</strong>en und Projekten<br />

nicht bevormun<strong>de</strong>n. Auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite fehlt es Kin<strong>de</strong>rn oft an<br />

Erfahrung – da stehen Mitarbeiter von<br />

Stiftungen wie <strong>de</strong>r Kreuzberger Kin<strong>de</strong>rstiftung<br />

gerne mit Rat und Tat <strong>zur</strong> Seite,<br />

wenn das erwünscht ist. Und außer<strong>de</strong>m<br />

ist es häufig einfach so, dass junge Menschen<br />

zwar sehr gute I<strong>de</strong>en aber lei<strong>de</strong>r<br />

nicht die nötigen finanziellen Mittel <strong>zur</strong><br />

Verfügung haben, um große Projekte<br />

umzusetzen. Wenn dann eine Stiftung<br />

als starker Partner <strong>zur</strong> Seite steht, hilft<br />

das natürlich weiter.<br />

Haben Sie ein Beispiel?<br />

Eins <strong>de</strong>r zehn Siegerprojekte bei<br />

JUGEND HILFT! <strong>2006</strong> ist <strong>de</strong>r<br />

Kin<strong>de</strong>r und Jugendbeirat in Ahrensburg.<br />

Dort haben Kin<strong>de</strong>r und Jugendliche<br />

eine Testreihe für Spielplätze<br />

organisiert. Ihre Testergebnisse sind<br />

jetzt Grundlage für die Renovierung<br />

<strong>de</strong>r Spielplätze in ganz Ahrensburg.<br />

Ein gutes Beispiel für Selbstbestimmung:<br />

Zwar wer<strong>de</strong>n die Plätze von<br />

Erwachsenen renoviert, aber nach<br />

welchen Kriterien das passiert, entschei<strong>de</strong>n<br />

die Kin<strong>de</strong>r selbst. Sie haben<br />

sich diese Mitsprache hart erkämpft<br />

und nehmen so Einfluss auf ihre<br />

direkte Umwelt. Die Initiative für <strong>de</strong>n<br />

besten Spielplatz haben wir mit <strong>de</strong>m<br />

JUGEND HILFT!-Fonds geför<strong>de</strong>rt.<br />

Mit politischem Engagement hat das aber<br />

wenig zu tun.<br />

Doch, aber klar! Es ist die Grundlage<br />

für <strong>de</strong>mokratisches Engagement, zu<br />

sagen: Hier bin ich betroffen, das<br />

mache ich selbst bzw. hier mische<br />

ich mich ein und mel<strong>de</strong> mich zu<br />

Wort. Je<strong>de</strong>r Wahlberechtigte hat eine<br />

Stimme. Früher o<strong>de</strong>r später und in<br />

diesem Falle eben schon sehr früh,<br />

erfahren die jungen Menschen, dass es<br />

von <strong>de</strong>n regieren<strong>de</strong>n Parteien und ihren<br />

Interessen abhängt, ob beispielsweise<br />

Geld für eine Spielplatzrenovierung<br />

da ist o<strong>de</strong>r nicht. Und als Konsequenz<br />

wer<strong>de</strong>n sich diese jungen Leute dann<br />

über Politik und die Parteiprogramme<br />

informieren und die Partei wählen, die<br />

ihre Interessen am besten vertritt. So<br />

funktioniert Demokratie.


16<br />

orangenhaut<br />

WAHLZEIT<br />

AUF LEEREN MAGEN<br />

Am 17. September ist Wahlzeit.<br />

Mahlzeit - manchmal fühlt man sich wie im Supermarkt.<br />

Eine Glosse von Ali Aslan Gümüsay<br />

JA ZUM VOLKSENTSCHEID!<br />

DER VOLKSENTSCHEID ÜBER DEN VOLKSENTSCHEID.<br />

Neben <strong>de</strong>n Parteien steht am Tag <strong>de</strong>r Wahl noch etwas<br />

an<strong>de</strong>res <strong>zur</strong> Abstimmung: Ein Volksentscheid,<br />

<strong>de</strong>r die Zukunft aller Volksentschei<strong>de</strong> verän<strong>de</strong>rn könnte.<br />

Eine Glosse von Daniela Uhrich<br />

W<br />

ahlzeit ist Mahlzeit. An<br />

<strong>de</strong>n Stän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Parteien<br />

gibt es gut zu essen. Das<br />

war schon immer so. Das wird so bleiben.<br />

Konservatismus pur. Es ist aber<br />

auch Zeit <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rungen. Alles, so<br />

scheint es, wird sich än<strong>de</strong>rn. So heißt<br />

es. So sagt man. So hört man. Politik<br />

wird zum Angebotsdienstleister. Auf<br />

<strong>de</strong>r Suche nach Nachfrage. Ein-Tag-<br />

Kapitalismus am 17. September in<br />

Berlin. Oligopolstellung <strong>de</strong>r Parteien.<br />

Wenig Angebote. Kaum Produktunterschie<strong>de</strong>.<br />

Unschärfe. Im Schlussverkauf<br />

vor 18.00 Uhr muss man spätestens<br />

einkaufen, ansonsten verfällt<br />

<strong>de</strong>r Gutschein. Und Gutscheine, die<br />

nimmt man mit. Da kennt man nichts.<br />

Und nach <strong>de</strong>r Wahl? Der Markt löst<br />

sich auf. Ausverkauft. Geschlossen.<br />

Die Produkte unterstehen keiner<br />

Marktkontrolle mehr. Marktversagen<br />

ohne Markt – nicht möglich. Dagegen<br />

erhält die Regierungspartei eine<br />

Monopolstellung. Kein Kartellamt.<br />

Keine zwei- o<strong>de</strong>r einjährige Garantie<br />

wie üblich. Dafür eine auf 4 Jahre<br />

befristete Monopolstellung und<br />

Wettbewerbsflaute. Da hungert man.<br />

Wird bei Brot und Wasser gehalten,<br />

obwohl man doch die schönen roten,<br />

grünen, gelben und schwarzen Gummibärchen<br />

so gerne aß. Ganz auf seine<br />

Geschmacksnerven hat man sich beim<br />

Griff nach <strong>de</strong>m Süßen gerichtet. Nun<br />

gähnen<strong>de</strong> Leere – im Magen. Und<br />

nach <strong>de</strong>r Flaute kommt die zyklische<br />

Hochzeit <strong>de</strong>r nächsten Wahl. Auf<br />

leerem Magen. Wie ein Rad <strong>de</strong>r Zeit.<br />

Unaufhaltbar. Nur mitlebbar.<br />

D<br />

er Begriff ist selbsterklärend:<br />

das Volk entschei<strong>de</strong>t.<br />

Bei <strong>de</strong>r Volksabstimmung<br />

am 17. September entschei<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r<br />

Wähler, ob er in Zukunft bei Volksentschei<strong>de</strong>n<br />

entschei<strong>de</strong>n möchte.<br />

Bei <strong>de</strong>m Volksentscheid über <strong>de</strong>n<br />

Volksentscheid hat <strong>de</strong>r geneigte Bürger<br />

die Chance sich selbst mehr Mitbestimmungsrechte<br />

zu geben. Heißt:<br />

gibt er <strong>de</strong>m Volksentscheid jetzt seine<br />

Stimme, wird er in Zukunft die Gelegenheit<br />

haben direkte Demokratie auszuüben.<br />

Und wir wünschen sie uns alle,<br />

die direkte Demokratie, die wirkliche<br />

Herrschaft <strong>de</strong>s Volkes. Wozu Politiker<br />

– einfache Sachentscheidungen treffen<br />

die Bürger am Besten alleine. Zum<br />

Beispiel <strong>de</strong>n Einstieg in eine teilweise<br />

Steuerfinanzierung von gesamtgesellschaftlichen<br />

Aufgaben <strong>de</strong>r gesetzlichen<br />

Krankenversicherung. O<strong>de</strong>r die<br />

zukunftsfähigen Rahmenbedingungen<br />

für ein wirksames Umweltrecht im<br />

fö<strong>de</strong>ralen Deutschland. Um wirklich<br />

überall teilnehmen, überall mitmachen<br />

zu können, wird sich <strong>de</strong>r bun<strong>de</strong>s<strong>de</strong>utsche<br />

Durchschnitt lernbeflissen mit<br />

Politiklektüre versorgen müssen. Lediglich<br />

einen negative Aspekt birgt dieser<br />

Entscheid <strong>de</strong>s Volkes: Einkaufen bei<br />

Aldi kann man nicht mehr, <strong>de</strong>nn die<br />

Kasse ist unbesetzt, das neue Gebäu<strong>de</strong><br />

gegenüber vom Supermarkt bleibt<br />

Fundament und <strong>de</strong>n Wasserscha<strong>de</strong>n<br />

im Ba<strong>de</strong>zimmer muss man alleine<br />

beheben. Ehemalige Kassiererinnen,<br />

Ärzte o<strong>de</strong>r Beamte verbringen ihren<br />

Tag jetzt zu Hause, lesend, sich bil<strong>de</strong>nd.<br />

Die Deutschen auf <strong>de</strong>m Weg zu einem<br />

mündigen, selbst bestimmen<strong>de</strong>n Volk.<br />

Die Arbeit müssen an<strong>de</strong>re erledigen.<br />

frisch. fruchtig. selbstgepresst.<br />

Mehr Artikel zu <strong>de</strong>n BerlinWahlen<strong>2006</strong> im Internet auf berlinwahlen<strong>2006</strong>.<strong>politikorange</strong>.<strong>de</strong>

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