Römische Rechtsgeschichte – Fragen - Michael Poropatich
Römische Rechtsgeschichte – Fragen - Michael Poropatich
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<strong>Michael</strong> <strong>Poropatich</strong> <strong>Römische</strong> <strong>Rechtsgeschichte</strong> WiSe 2012<br />
Das ABGB folgt dem System der Gaius-Institutionen. Es gliedert das Privatrecht in<br />
vernunftbegabte Rechtssubjekte und vernunftlose Rechtsobjekte. Es enthält Regelungen<br />
über Personen und Sachen (vergleichbar mit personae und res) sowie<br />
wenige für diese beiden Bereiche gleichermaßen geltenden Vorschriften. Es umfasst<br />
nicht Zivilprozessrecht.<br />
(19) Charakterisieren Sie die Institutionen Justinians!<br />
Die Institutionen Justinians sind ein autorisiertes Lehrbuch für Studienanfänger. Sie<br />
geben den Inhalt der Digesten Justinians ( Frage 14) in vereinfachter und stark<br />
gekürzter Form wieder. Sie lehren personae, res und actiones. Personae umfasst<br />
Personen- und Familienrecht, res Sachen-, Schuld- und Erbrecht und actiones<br />
Zivilprozessrecht.<br />
(20) Inwiefern kann man das römische Kaiser-Reskript mit dem Vorabentscheidungsverfahren<br />
des EuGH vergleichen?<br />
Per Reskript entscheidet der Kaiser einen streitigen Rechtsfall auf Ersuchen eines<br />
Privaten. Reskripte gelten nur für den Anlassfall. Unter den Richtern besteht allerdings<br />
eine starke Tendenz, sie als generelle Norm zu behandeln.<br />
Das Vorabentscheidungsverfahren ermöglicht einem nationalen Gericht, den EuGH<br />
zur Auslegung oder zur Gültigkeit des Unionsrechts in einer laufenden Rechtssache<br />
anzurufen. Das Urteil des EuGH bindet nicht nur das nationale Vorlagegericht,<br />
sondern alle Gerichte in den Mitgliedstaaten.<br />
Reskript und Vorabentscheidung entfalten über den Anlassfall hinaus Bindungswirkung.<br />
Die jeweilige Autorität (Kaiser bzw EuGH) interpretiert nicht nur, sie schafft<br />
auch neues Recht.<br />
(FÜM 06/2010) a) Nennen und erläutern Sie die wichtigsten Tätigkeiten eines republikanischen<br />
römischen Juristen. b) Inwiefern ist das Tätigkeitsprofil der Juristen<br />
in der Hoch- und Spätklassik gleich dem der republikanischen Juristen, inwiefern<br />
unterscheidet es sich?<br />
a) Der republikanische römische Jurist leistet Beistand im Prozess (agere), fasst<br />
Verträge, Testamente und andere Rechtsgeschäfte ab (cavere) und erteilt Rechtsgutachten<br />
in Zivilprozessen (respondere). Er berät den Prätor, den Iudex und die<br />
Prozessparteien im Zivilprozess.<br />
b) Der klassische römische Jurist zieht sich aus Prozessbeistand (agere) und Kautelarjurisprudenz<br />
(cavere) zurück. Er erteilt Rechtsgutachten in Zivilprozessen (respondere).<br />
Er berät Magistrate und Richter. Er erteilt zeitweise Rechtsunterricht und<br />
verfasst wissenschaftliche Werke für Lehre und Praxis.<br />
(21) Inwiefern kann man das römische Recht mit dem angloamerikanischen Case<br />
Law vergleichen? Worin unterscheiden sie sich?<br />
Das römisches Recht ist weitgehend Juristenrecht. Juristen bilden es über Rechtsgutachten<br />
in Zivilprozessen weiter. Die Rechtsgutachten sind zwar Fallrecht ohne<br />
präjudizielle Wirkung. Sie wirken aber aufgrund ihrer Überzeugungskraft.<br />
Das angloamerikanische Case Law ist Richterrecht. Die Urteile schaffen nicht nur<br />
Recht für den Einzelfall. Sie stellen auch die Rechtsordnung punktuell fest, weil die<br />
Gerichte an Präjudizien gebunden sind.<br />
(22, FÜM 10/2010) Was versteht man unter der Glossa Ordinaria? Welche Bedeutung<br />
kam ihr in der mittelalterlichen Rechtspraxis zu?<br />
Die Legistik setzte mit Beginn des 12. Jh ein. Untersuchter Gegenstand war das<br />
Corpus Iuris Civilis. Die Glossatoren erläuterten seinen Text durch Wort- und Sacherklärungen<br />
(Glossen). Sie stellten den Text in Summen systematisch dar.<br />
Einen gewissen Abschluss bildete Mitte des 13. Jh die Glossa Ordinaria von Accursius.<br />
Sie fasste die gesamte vorhandene Glossenliteratur zusammen. Sie galt faktisch<br />
als eine selbständige Rechtsquelle des römischen Rechts. Sie verdrängte den<br />
13.10.2013 5