Bildung macht reich - inpact-rlp.de
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„Bin Immigrant, biete Vielfalt“<br />
Tarek Badawia<br />
d) I<strong>de</strong>ntitätsbildung als Prozess <strong>de</strong>r Kulturmo<strong>de</strong>rnisierung<br />
Die vierte Möglichkeit von Immigrantenjugendlichen zur Auflösung<br />
<strong>de</strong>r Spannung zwischen bei<strong>de</strong>n Kulturwelten, in <strong>de</strong>nen sie aufwachsen,<br />
geht vom Leitgedanken <strong>de</strong>r Einführung neuer, kultureller Erfahrungswerte<br />
aus <strong>de</strong>r jeweils an<strong>de</strong>ren Kulturwelt aus. Immigrantenjugendliche,<br />
welche bereits etablierte Zugehörigkeitsverhältnisse<br />
zu einer Kulturwelt aufweisen und in <strong>de</strong>r späten Kindheit in Kontakt<br />
mit einer an<strong>de</strong>ren Kulturwelt kommen, machen ihre Ent<strong>de</strong>ckungen<br />
in <strong>de</strong>r Hinsicht, dass Jugendliche gemeinsame Werte in bei<strong>de</strong>n Kulturen<br />
vorfin<strong>de</strong>n, die aber im Alltagshan<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r Menschen sehr unterschiedlich<br />
ausgeprägt sind. Unter günstigen Umstän<strong>de</strong>n, d.h.<br />
wenn Jugendliche in bei<strong>de</strong>n kulturell unterschiedlichen Lebenswelten<br />
nicht auf Ablehnung stoßen, nehmen Jugendliche die Rolle <strong>de</strong>s<br />
Mo<strong>de</strong>rnisierers innerhalb <strong>de</strong>r Kulturen ein (Abb. 4).<br />
Kultur A<br />
K B<br />
Abbildung 3<br />
Mo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Kulturmo<strong>de</strong>rnisierer<br />
Implementierung<br />
neuer Erfahrungswerte,<br />
Installierung von Neuheiten<br />
Kultur B<br />
Durch die eigene Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit <strong>de</strong>n Werten bei<strong>de</strong>r Kulturen<br />
erfahren Jugendliche zunächst die Öffnung <strong>de</strong>s eigenen<br />
Orientierungssystems für neue Impulse aus <strong>de</strong>r Umwelt. Die positive<br />
Haltung zu bei<strong>de</strong>n Kulturen ermöglicht überhaupt die Herstellung<br />
von Symbiosen wie <strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong> Fall eines <strong>de</strong>utsch-iranischen<br />
Jugendlichen illustriert:<br />
„Ich bin Iraner /./ also ich bin Iraner mit <strong>de</strong>utschen Zügen, ich<br />
fühle mich als Iraner, und ich möchte halt die <strong>de</strong>utschen Tugen<strong>de</strong>n<br />
in Anführungsstrichen, die ich kennen gelernt habe, dann darin<br />
einsetzen als Iraner, das heißt, <strong>de</strong>m Deutschen in Anführungsstrichen<br />
fehlen meiner Meinung nach einige Sachen und <strong>de</strong>m Iraner in<br />
Anführungsstrichen fehlen auch einige Sachen [...] man kann das<br />
Analytische im <strong>de</strong>utschen Denken [...] das Analytische in sich, was<br />
zum Beispiel das Iranische nicht hat, das Iranische hat so gewisse<br />
Herzlichkeit, was das Deutsche, wie ich es bis jetzt erfahren habe,<br />
nicht hat, diese Wärme /betont/ /../ oh man ich hasse diese Begriffe<br />
/lacht/ na gut, arbeite jetzt mit Klischees, was soll´s /../ möchte<br />
ich halt versuchen, diese bei<strong>de</strong>n Sachen miteinan<strong>de</strong>r zu vereinbaren,<br />
aber ich fühle mich auf je<strong>de</strong>n Fall als Iraner /.../ und <strong>de</strong>r Grund,<br />
warum ich mich als Iraner fühle, ist einfach und nicht als Deutscher,<br />
weil /-/ es eigentlich die Waage halten sollte, ist einfach,<br />
weil das Iranische gefühlsbetonter ist /../ aber im Kopf <strong>de</strong>nke ich<br />
halt vielleicht mehr analytisch, mehr logisch, mehr <strong>de</strong>utsch wie auch<br />
immer, auf je<strong>de</strong>n Fall gehören bei<strong>de</strong> zu mir und trotz<strong>de</strong>m sind das<br />
K A<br />
draußen zwei Welten, in <strong>de</strong>nen ich mich<br />
mittlerweile wohl fühle“.<br />
6. Plädoyer für eine Kultur <strong>de</strong>s<br />
Optimismus<br />
„Bin Immigrant, biete Vielfalt“ ist <strong>de</strong>swegen<br />
eine tragfähige Zukunftsperspektive, weil<br />
heutzutage im Vergleich zur bisher dominanten<br />
„Gastarbeiterkultur“ immer mehr erfolg<strong>reich</strong>e<br />
Unternehmer sowie Künstler mit<br />
Migrationshintergrund in allen Be<strong>reich</strong>en von<br />
Kunst und Kultur anzutreffen sind: als erfolg<strong>reich</strong>e<br />
Schauspieler, Musiker, Schriftsteller<br />
und Regisseure. In <strong>de</strong>n größeren Städten gibt<br />
es Diskotheken, Theater und Treffpunkte,<br />
Kulturzentren, <strong>Bildung</strong>szentren, interreligiöse<br />
und interkulturelle Dialogkreise mit einem<br />
kulturell gemischten Angebot. Es fin<strong>de</strong>n sich<br />
in kleinen sowie in großen Orten und Städten<br />
Begegnungsstätten für Angehörige unterschiedlicher<br />
Sprachen und Kulturen. Diese<br />
Verlagerung von <strong>de</strong>r „Gastarbeiterkultur“<br />
zur „Kultur <strong>de</strong>r Vielfalt“ müsste Konsequenzen<br />
für die Neugestaltung <strong>de</strong>r Integrations<strong>de</strong>batte<br />
und auf je<strong>de</strong>n Fall gegen die unnötige<br />
„Konstruktion von Fremdheit in <strong>de</strong>r Jugend-<br />
und Sozialarbeit“ (Scherr 2002) haben.<br />
In allen Alternativmo<strong>de</strong>llen zum „entwe<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>utsch o<strong>de</strong>r ausländisch“ leben<br />
Immigrantenjugendliche aktiv mit, in und<br />
zwischen min<strong>de</strong>stens zwei kulturell unterschiedlich<br />
geprägten Lebenswelten, und im<br />
Sinne <strong>de</strong>s „Sowohl als auch“ treten sie mit<br />
einer positiven Denkweise gegen die<br />
Katastrophisierung von Migrationsfolgen ein.<br />
Sie realisieren für sich zunächst <strong>de</strong>n Traum<br />
von einer neuen weltlich transkulturellen<br />
Kultur mit Lebensformen, die etwas mehr als<br />
die Summe zweier Kulturen sind.<br />
Die Konstrukteure <strong>de</strong>r Metapher <strong>de</strong>s „Dritten<br />
Stuhls“ (Badawia 2002) sind Kin<strong>de</strong>r dieser<br />
Gesellschaft. Sie erheben Anspruch auf<br />
die ihnen durch Reduktion ihrer I<strong>de</strong>ntität auf<br />
die Figur <strong>de</strong>s Trägers kultureller Merkmale<br />
beraubten Individualität. Sie bieten Expertenwissen<br />
in Sachen Integration und Lebensführung<br />
unter Bedingungen <strong>de</strong>r Einwan<strong>de</strong>rung.<br />
Sie fungieren als Mediatoren zwischen <strong>de</strong>n<br />
kulturellen Standpunkten. Sie können Brücken<br />
schlagen zu Migrantenwelten, welche<br />
Repräsentanten <strong>de</strong>r Mehrheitsgesellschaft<br />
kaum zugänglich sind.<br />
Sie leisten mit ihren bikulturellen Selbstentwürfen<br />
Pionierarbeit, in<strong>de</strong>m sie uns – ich<br />
meine monokulturell geprägten Generationen<br />
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