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Setzen Sie die Therapie auf festen Grund! - ratgeber-fitness.de

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medizin<br />

<br />

Leitsymptom Schwin<strong>de</strong>l<br />

<strong>Setzen</strong> <strong>Sie</strong> <strong>die</strong> <strong>Therapie</strong><br />

<strong>auf</strong> <strong>festen</strong> <strong>Grund</strong>!<br />

Klagt ein Patient über „Schwin<strong>de</strong>l“, kommen viele Ursachen infrage. A und O für <strong>die</strong> diagnostische Einordnung<br />

sind eine sorgfältige Anamnese und eingehen<strong>de</strong> Befun<strong>de</strong>rhebung. In <strong>de</strong>n meisten Fällen können <strong>Sie</strong><br />

Ihren Patienten eine Erfolg versprechen<strong>de</strong> <strong>Therapie</strong> anbieten.<br />

[ von Prof. Dr. Michael Strupp ]<br />

➔<br />

Als Schwin<strong>de</strong>l bezeichnet man entwe<strong>de</strong>r eine unangenehme<br />

Störung <strong>de</strong>r räumlichen Orientierung o<strong>de</strong>r<br />

<strong>die</strong> fälschliche Wahrnehmung einer Bewegung <strong>de</strong>s Körpers<br />

(Drehen und Schwanken) und/o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Umgebung. Schwin<strong>de</strong>l<br />

stellt neben Kopfschmerz eines <strong>de</strong>r häufigsten Leitsymptome<br />

nicht nur in <strong>de</strong>r Neurologie dar. Die Prävalenz von Schwin<strong>de</strong>l<br />

als einem Symptom <strong>de</strong>s Alters liegt zwischen 20 und 30 Prozent.<br />

Gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r viel<strong>de</strong>utigen Angabe <strong>de</strong>s Patienten, unter<br />

„Schwin<strong>de</strong>l“ zu lei<strong>de</strong>n, ist <strong>die</strong> sorgfältige Erhebung <strong>de</strong>r neurootologischen<br />

Anamnese notwendig. Wichtige Unterscheidungskriterien<br />

<strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Schwin<strong>de</strong>lsyndrome sind:<br />

n Art <strong>de</strong>s Schwin<strong>de</strong>ls: Drehschwin<strong>de</strong>l wie Karussellfahren<br />

(z.B. Neuritis vestibularis) o<strong>de</strong>r Schwankschwin<strong>de</strong>l<br />

Der Autor<br />

Professor<br />

Dr. med. Michael Strupp<br />

Oberarzt <strong>de</strong>r Neurologischen Klinik<br />

<strong>de</strong>r Universität München am<br />

Klinikum Großha<strong>de</strong>rn<br />

Marchioninistraße 15<br />

81377 München<br />

E-Mail:<br />

michael.strupp@<br />

med.uni-muenchen.<strong>de</strong><br />

n 1981–1988 Studium <strong>de</strong>r Humanmedizin an <strong>de</strong>r RWTH Aachen<br />

n 1988 Assistenzarzt an <strong>de</strong>r Neurologischen Klinik <strong>de</strong>r Universität<br />

Bern (Schweiz)<br />

n 1989–1991 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Physiologischen<br />

Institut <strong>de</strong>r LMU München im Bereich Neurophysiologie<br />

n 1991 Wissenschaftlicher Assistent an <strong>de</strong>r Neurologischen<br />

Klinik <strong>de</strong>r LMU München am Klinikum Großha<strong>de</strong>rn<br />

n 2000 Oberarzt <strong>de</strong>r Neurologischen Klinik<br />

n 2003 Ernennung zum Universitätsprofessor (C3) für „Neurologie<br />

und Klinische Neurophysiologie“ <strong>de</strong>r LMU München und<br />

Leitung <strong>de</strong>r Klinischen Forschergruppe<br />

wie Bootfahren (z.B. bilaterale Vestibulopathie) o<strong>de</strong>r<br />

Benommenheitsschwin<strong>de</strong>l (z.B. Medikamentenintoxikation)<br />

n Dauer <strong>de</strong>s Schwin<strong>de</strong>ls: Schwin<strong>de</strong>lattacke über Sekun<strong>de</strong>n<br />

bis Minuten (vestibuläre Paroxysmie), über Stun<strong>de</strong>n<br />

(z.B. Morbus Menière, vestibuläre Migräne), Dauerschwin<strong>de</strong>l<br />

über Tage bis wenige Wochen (z.B. Neuritis vestibularis),<br />

Schwankschwin<strong>de</strong>lattacke von Minuten bis Stun<strong>de</strong>n (z.B.<br />

Hirnstamm-TIA)<br />

n Auslösbarkeit/Verstärkung <strong>de</strong>s Schwin<strong>de</strong>ls: Ruhe (z.B.<br />

Neuritis vestibularis), Gehen (z.B. bilaterale Vestibulothie),<br />

Kopfdrehung (z.B. Vestibularisparoxysmie), Kopflagerung<br />

(z.B. benigner peripherer paroxysmaler Lagerungsschwin<strong>de</strong>l),<br />

ferner Husten, Pressen, laute Töne<br />

bestimmter Frequenz (z.B. Perilymphfistel) o<strong>de</strong>r durch<br />

bestimmte soziale Situationen (z.B. phobischer Schwankschwin<strong>de</strong>l)<br />

n Mögliche Begleitsymptome wie „otogene“ Symptome,<br />

z.B. attackenartig verstärkter Tinnitus o<strong>de</strong>r Hypakusis,<br />

<strong>die</strong> für einen M. Menière sprechen, aber auch bei Hirnstammischämien<br />

<strong>auf</strong>treten können, an<strong>de</strong>re potenzielle<br />

Hirnstammsymptome wie Doppelbil<strong>de</strong>r, Gefühlsstörungen<br />

im Gesicht o<strong>de</strong>r an Extremitäten, Schluck- bzw.<br />

Sprechstörungen, Lähmungen o<strong>de</strong>r Feinmotorikstörungen<br />

(<strong>die</strong>se Symptome <strong>de</strong>uten <strong>auf</strong> eine zentrale, meist Hirnstammläsion<br />

hin) sowie Kopfschmerzen o<strong>de</strong>r anamne<br />

stische Hinweise für Migräne (<strong>die</strong>se <strong>de</strong>uten <strong>auf</strong> eine vestibuläre/basiläre<br />

Migräne hin) können aber auch bei<br />

einer Hirnstammischämie o<strong>de</strong>r Blutungen in <strong>die</strong> hintere<br />

Schä<strong>de</strong>lgrube <strong>auf</strong>treten.<br />

Die drei wichtigsten klinischen Untersuchungsverfahren<br />

beim Leitsymptom Schwin<strong>de</strong>l sind:<br />

1. Untersuchungen mittels Frenzelbrille mit <strong>de</strong>r Frage nach einem<br />

Spontannystagmus.<br />

2. Schneller Kopfdrehtest nach Halmagyi mit <strong>de</strong>r Frage nach<br />

einem peripher-vestibulären Defizit.<br />

3. Lagerungsmanöver mit <strong>de</strong>r Frage nach einem Lagerungs- o<strong>de</strong>r<br />

Lagenystagmus.<br />

Allgemeine <strong>Therapie</strong>prinzipien<br />

Die Behandlung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Schwin<strong>de</strong>lformen umfasst<br />

medikamentöse, physikalische, operative und psychotherapeutische<br />

Maßnahmen. Vor Beginn <strong>de</strong>r Behandlung sollte<br />

Bildnachweis: Prof. Dr. Michael Strupp (1), ABLESTOCK / Jupiterimages (1)<br />

22 Der Kassenarzt Nr. 21 | Dezember 2008


Drehschwin<strong>de</strong>l wie nach<br />

einer Karussellfahrt?<br />

Da könnte eine Neuritis <br />

vestibularis dahinterstecken.<br />

<strong>de</strong>m Patienten gegenüber <strong>auf</strong> <strong>die</strong> meist gute Prognose hingewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n, weil<br />

n viele Formen einen günstigen Spontanverl<strong>auf</strong> haben<br />

(z.B. durch Besserung <strong>de</strong>r peripheren vestibulären Funktion<br />

o<strong>de</strong>r durch <strong>die</strong> zentrale vestibuläre Kompensation <strong>de</strong>r<br />

vestibulären Tonusimbalance) und<br />

n <strong>die</strong> meisten Formen erfolgreich therapiert wer<strong>de</strong>n können.<br />

Spezifische <strong>Therapie</strong> <strong>de</strong>r häufigsten <br />

Schwin<strong>de</strong>lformen<br />

Peripher vestibulärer Schwin<strong>de</strong>l: Der benigne periphere<br />

paroxysmale Lagerungsschwin<strong>de</strong>l (BPPV) entsteht durch<br />

Phobischer Schwankschwin<strong>de</strong>l<br />

Charakteristika:<br />

Ablagerungen von Otokonien im (meist) hinteren<br />

Bogengang („Canalolithiasis“). Die Patienten<br />

klagen über durch Kopf- bzw. Körperlageän<strong>de</strong>rung<br />

ausgelöste, 20 bis 30 Sekun<strong>de</strong>n anhalten<strong>de</strong><br />

Drehschwin<strong>de</strong>lattacken, oft verbun<strong>de</strong>n mit Nausea.<br />

Die klinische Untersuchung zeigt bei <strong>de</strong>r<br />

Lagerung zum betroffenen Ohr einen mit Latenz<br />

einsetzen<strong>de</strong>n, 10 bis 30 Sekun<strong>de</strong>n anhalten<strong>de</strong>n,<br />

zum unten liegen<strong>de</strong>n Ohr schlagen<strong>de</strong>n, rotatorischen<br />

Nystagmus mit <strong>de</strong>utlicher Ermüdbarkeit<br />

nach mehrmaliger Lagerung. Der BPPV lässt sich<br />

durch einfache Befreiungsmanöver erfolgreich<br />

behan<strong>de</strong>ln (siehe Seite 25).<br />

Die Neuritis vestibularis führt zu einem akuten/<br />

subakuten einseitigen Labyrinth-Teilausfall und<br />

hat wahrscheinlich eine entzündliche Genese. Es<br />

kommt zu Dauerdrehschwin<strong>de</strong>l, Fallneigung, heftiger<br />

Übelkeit und Erbrechen. Die Untersuchung<br />

mittels Frenzel-Brille, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Augen vergrößert<br />

und mit <strong>de</strong>r sich Augenbewegungen und Nystagmus<br />

sicher beurteilen lassen, zeigt einen horizontalen<br />

rotieren<strong>de</strong>n Spontannystagmus zur gesun<strong>de</strong>n<br />

Seite.<br />

Zur symptomatischen <strong>Therapie</strong> sind Antivertiginosa nur in<br />

<strong>de</strong>n ersten drei Tagen indiziert. Der Einsatz von Corticosteroi<strong>de</strong>n<br />

führt zu einer signifikanten Verbesserung <strong>de</strong>r peripheren<br />

vestibulären Funktion. Man sollte innerhalb von drei Tagen<br />

nach Symptombeginn 100 mg 6-Methylprednisolon oral geben<br />

und <strong>die</strong> Dosis je<strong>de</strong>n vierten Tag um 20 mg reduzieren. We<strong>de</strong>r<br />

<strong>die</strong> Gabe von Valacyclovir noch <strong>die</strong> Kombinationstherapie ist<br />

<strong>de</strong>r Monotherapie mit Corticosteroi<strong>de</strong>n überlegen. Wichtig ist<br />

zusätzlich <strong>die</strong> rasche Mobilisation mit speziellem Gleichgewichtstraining,<br />

das <strong>die</strong> zentrale Kompensation verbessert.<br />

Der Morbus Menière entsteht durch einen Hydrops <strong>de</strong>s häutigen<br />

Labyrinths, wobei <strong>de</strong>ssen periodisch <strong>auf</strong>treten<strong>de</strong>n Rupturen <strong>die</strong><br />

n subjektiver Schwankschwin<strong>de</strong>l mit Gang- und Standunsicherheit bei meist normalem neurologischem Befund und un<strong>auf</strong>fälliger<br />

Zusatzdiagnostik<br />

n fluktuieren<strong>de</strong> Unsicherheit von Stand und Gang mit attackenartiger Fallangst ohne Stürze<br />

n während o<strong>de</strong>r kurz nach <strong>de</strong>n Attacken: Angst und vegetative Missempfindungen<br />

n Auslösung o<strong>de</strong>r Verstärkung <strong>de</strong>r Attacken in typischen Situationen, z.B. bei Menschenansammlungen, in leeren Räumen o<strong>de</strong>r<br />

beim Autofahren<br />

n häufig Besserung <strong>de</strong>r Symptomatik durch leichten Alkoholgenuss<br />

n meist Entwicklung eines zunehmen<strong>de</strong>n Vermeidungsverhaltens<br />

n Persönlichkeitszüge: meist zwanghaft o<strong>de</strong>r reaktiv-<strong>de</strong>pressiv<br />

n zu Beginn <strong>de</strong>r Erkrankung häufig vestibuläre Störung (z.B. Neuritis vestibularis) o<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re Belastungssituation<br />

<strong>Therapie</strong>:<br />

1. komplette Diagnostik, um <strong>de</strong>n Patienten von <strong>de</strong>r Furcht zu befreien, unter einer schweren organischen Erkrankung zu lei<strong>de</strong>n<br />

2. „Psychoedukative <strong>Therapie</strong>“: Erklärung <strong>de</strong>s Pathomechanismus und <strong>de</strong>r provozieren<strong>de</strong>n Faktoren/Situationen<br />

3. Desensitisierung durch Eigenexposition, d.h. bewusstes Aufsuchen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Schwin<strong>de</strong>l auslösen<strong>de</strong>n Situationen, zusätzlich leichter Sport<br />

4. bei Persistenz: n Pharmakotherapie, z.B. mit Paroxetin (Seroxat ® )<br />

n Verhaltenstherapie<br />

<strong>Therapie</strong>erfolg: in circa zwei Drittel <strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>lten Fälle <strong>de</strong>utliche Besserung<br />

Nr. 21 | Dezember 2008 Der Kassenarzt 23


medizin<br />

<br />

Medikamentöse Behandlung<br />

Substanzgruppe / Wirksubstanz<br />

Antivertiginosa<br />

Indikation<br />

n symptomatisch gegen Übelkeit und Erbrechen bei akuter<br />

Labyrinthläsion o<strong>de</strong>r Vestibularisnerv-/kernläsion, zentrales<br />

„Lageerbrechen“, heftige Attacken mit Erbrechen durch Befreiungsmanöver<br />

bei BPPV<br />

n Prävention <strong>de</strong>r Bewegungskrankheit<br />

Betahistin<br />

ototoxische Antibiotika<br />

Betarezeptorenblocker / Valproinsäure / Topiramat<br />

n<br />

n<br />

n<br />

n<br />

M. Menière<br />

M. Menière<br />

vestibuläre Drop-Attacks (plötzliche Stürze durch pathologische<br />

Otolithensignale)<br />

vestibuläre Migräne<br />

Antiepileptika<br />

3,4-Diaminopyridin, 4-Aminopyridin, Baclofen<br />

n vestibuläre Epilepsie (selten)<br />

n vestibuläre Paroxysmie (neurovaskuläre Kompression,<br />

klinisch: rezidivieren<strong>de</strong>, kurz dauern<strong>de</strong> Drehschwin<strong>de</strong>lattacken)<br />

n paroxysmale Dysarthrophonie und Ataxie bei MS<br />

n Obliquus-superior-Myokymie (neurovaskuläre Kompression<br />

<strong>de</strong>s 4. Hirnnerven mit nonokulären Oszillopsien)<br />

n<br />

Downbeat-Nystagmus (schnelle Phase schlägt nach unten,<br />

häufigste Form eines erworbenen bleiben<strong>de</strong>n Nystagmus)<br />

Acetazolamid, 4-Aminopyridin<br />

selektive Serotonin-Wie<strong>de</strong>r<strong>auf</strong>nahmehemmer<br />

n<br />

n<br />

episodische Ataxie Typ II (rezidivieren<strong>de</strong>, Stun<strong>de</strong>n anhalten<strong>de</strong> Episo<strong>de</strong>n<br />

mit Ataxie und Schwankschwin<strong>de</strong>l, Kalziumkanalkrankheit)<br />

phobischer Schwankschwin<strong>de</strong>l<br />

Symptome auslösen. Die Attacke ist durch abrupt einsetzen<strong>de</strong>n<br />

heftigen Drehschwin<strong>de</strong>l, Fallneigung, Übelkeit und meistens<br />

auch Hörmin<strong>de</strong>rung, Tinnitus und Druckgefühl <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m betroffenen<br />

Ohr gekennzeichnet und klingt über viele Minuten bis<br />

Stun<strong>de</strong>n allmählich ab. Die Funktionsstörung <strong>de</strong>s Labyrinths<br />

kann zu einem horizontalen, rotieren<strong>de</strong>n Nystagmus führen.<br />

Insbeson<strong>de</strong>re nach längerem Verl<strong>auf</strong> können im Intervall<br />

Tinnitus und Hörmin<strong>de</strong>rung bestehen bleiben. Therapeutisch<br />

wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Attacke Antivertiginosa, im Intervall Betahistin<br />

empfohlen, wobei <strong>die</strong>ses Medikament Attackenzahl und<br />

Gesamtverl<strong>auf</strong> günstig beeinflussen soll.<br />

Wichtig ist eine mehrmonatige Behandlung mit Betahistin<br />

in hoher Dosierung (3 x 2/d Betahistindihydrochlorid 24<br />

mg). Zur Beurteilung <strong>de</strong>s <strong>Therapie</strong>effektes sollte <strong>de</strong>r Patient<br />

gleichzeitig einen Schwin<strong>de</strong>lkalen<strong>de</strong>r führen, in <strong>de</strong>n das Auftreten<br />

<strong>de</strong>r Attacken, <strong>de</strong>ren Stärke und Dauer sowie <strong>die</strong> Begleitsymptome<br />

eingetragen wer<strong>de</strong>n. Bei <strong>auf</strong> <strong>die</strong>se Weise nicht<br />

ausreichen<strong>de</strong>r <strong>Therapie</strong>rbarkeit kommt als weiteres Behandlungsverfahren<br />

<strong>die</strong> lokale Instillation von Gentamycin in das<br />

betroffene Ohr infrage.<br />

Zentrale vestibuläre Syndrome: Zentrale vestibuläre Syndrome<br />

entstehen überwiegend durch Läsionen <strong>de</strong>r vestibulären<br />

Bahnen, <strong>die</strong> von <strong>de</strong>n Vestibulariskernen im kaudalen<br />

Hirnstamm sowohl zum Cerebellum als auch zum Thalamus<br />

und zum vestibulären Kortex ziehen o<strong>de</strong>r durch eine Schädigung<br />

<strong>de</strong>s Vestibulocerebellums, selten durch „pathologische<br />

Erregung“ (paroxysmale Hirnstammattacken mit Ataxie bei<br />

MS; vestibuläre Epilepsie).<br />

Bei <strong>de</strong>r vestibulären Migräne können Schwin<strong>de</strong>lattacken,<br />

Sehstörungen, Ataxie, an<strong>de</strong>re Hirnstammausfälle und häufig<br />

(aber nicht obligat) Kopfschmerzen <strong>auf</strong>treten. Hinweisend<br />

für <strong>die</strong> Diagnose sind ferner abrupter Beginn, kurze Dauer<br />

und Reversibilität <strong>de</strong>r Symptome bei oft positiver Familienanamnese.<br />

In manchen Fällen lässt sich <strong>die</strong> Diagnose nur ex<br />

juvantibus durch das Ansprechen <strong>auf</strong> <strong>die</strong> medikamentöse Behandlung<br />

<strong>de</strong>r Attacke bzw. <strong>die</strong> Wirksamkeit <strong>de</strong>r prophylaktischen<br />

<strong>Therapie</strong> stellen.<br />

Die <strong>Therapie</strong> <strong>de</strong>r vestibulären/basilären Migräne entspricht<br />

<strong>de</strong>r Behandlung <strong>de</strong>r Migräne mit Aura. An<strong>de</strong>re<br />

zentrale vestibuläre Störungen im Bereich <strong>de</strong>s<br />

Hirnstamms und <strong>de</strong>s Kleinhirns sind überwiegend ischämischer,<br />

hämorrhagischer, entzündlicher (MS) o<strong>de</strong>r neoplastischer<br />

Genese. Lage und Aus<strong>de</strong>hnung <strong>de</strong>r Läsion bestimmen<br />

hierbei Art und Ausmaß <strong>de</strong>r Ausfälle.<br />

Die <strong>Therapie</strong> richtet sich nach <strong>de</strong>r jeweiligen Ursache. Häufig<br />

bestehen neben persistieren<strong>de</strong>m bzw. bei TIA auch attackenhaft<br />

<strong>auf</strong>treten<strong>de</strong>m Schwin<strong>de</strong>l und Nystagmus an<strong>de</strong>re<br />

Symptome vonseiten <strong>de</strong>s Hirnstamms, vor allem zentrale<br />

Quellennachweis: Prof. Dr. Michael Strupp<br />

24 Der Kassenarzt Nr. 21 | Dezember 2008


Therapeutische Lagerungsmanöver<br />

Schematische Darstellung <strong>de</strong>s therapeutischen Lagerungsmanövers bei einem Patienten mit linksseitigem benignem<br />

paroxysmalen Lagerungsschwin<strong>de</strong>l (BPPV). In <strong>de</strong>n Spalten sind von links nach rechts angegeben: Die Position <strong>de</strong>s<br />

Kopfes und Körpers, <strong>die</strong> Position <strong>de</strong>s Labyrinths im Raum, <strong>die</strong> Position und Bewegung <strong>de</strong>r (gegenüber <strong>de</strong>r Endolymphe)<br />

spezifisch schwereren Teilchen (Pfropf) im posterioren Bogengang (<strong>die</strong> zu einer Auslenkung <strong>de</strong>r Cupula führen) sowie,<br />

ganz rechts, <strong>die</strong> Richtung <strong>de</strong>s Nystagmus. Die spezifisch schwereren Teilchen sind dargestellt als ein offener Kreis<br />

(entspricht <strong>de</strong>r Position innerhalb <strong>de</strong>s posterioren Bogengangs vor <strong>de</strong>r jeweiligen Lageän<strong>de</strong>rung) bzw. als ein schwarz<br />

gefüllter Kreis (entspricht <strong>de</strong>r Position am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r jeweiligen Lageän<strong>de</strong>rung).<br />

In sitzen<strong>de</strong>r Ausgangsposition wird <strong>de</strong>r Kopf um 45° zum nicht betroffenen („gesun<strong>de</strong>n“) Ohr gedreht. Die Teilchen<br />

befin<strong>de</strong>n sich am Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s posterioren Bogengangs.<br />

Lagerung <strong>de</strong>s Patienten nach links, d.h. zum betroffenen Ohr unter Beibehaltung <strong>de</strong>r Kopfposition: Dies löst eine Bewegung<br />

<strong>de</strong>r Teilchen im Bogengang entsprechend <strong>de</strong>r Schwerkraft aus und führt zu einem rotieren<strong>de</strong>n, erschöpflichen<br />

Nystagmus zum unten liegen<strong>de</strong>n Ohr. Diese Position sollte <strong>de</strong>r Patient ca. 1 Minute lang einnehmen.<br />

Im nächsten Schritt wird <strong>de</strong>r Patient unter Beibehaltung <strong>de</strong>r Kopfdrehung im raschen Schwung zum nicht betroffenen<br />

Ohr gekippt, wobei nun <strong>die</strong> Nase nach unten zeigt. Jetzt bewegen sich <strong>die</strong> Teilchen in Richtung <strong>de</strong>s Ausgangs <strong>de</strong>s posterioren<br />

Bogengangs. Auch <strong>die</strong>se Position soll etwa für 1 Minute beibehalten wer<strong>de</strong>n.<br />

Der Patient richtet sich langsam <strong>auf</strong> und <strong>die</strong> Teilchen gelangen in <strong>de</strong>n Utriculusraum, wo sie keinen Drehschwin<strong>de</strong>l<br />

mehr auslösen können.<br />

Abkürzungen: A, P, H = anteriorer, posteriorer bzw. horizontaler Bogengang, CUP = Cupula, UT = Utriculus<br />

Nr. 21 | Dezember 2008 Der Kassenarzt 25


medizin<br />

<br />

zu typischem Vermeidungsverhalten führt. Bei mehr als<br />

70 Prozent <strong>de</strong>r betroffenen Patienten lässt sich – auch nach<br />

langjährigem Krankheitsverl<strong>auf</strong> – eine <strong>de</strong>utliche Besserung<br />

erreichen.<br />

Zervikogener/vertebragener Schwin<strong>de</strong>l<br />

Unseres Erachtens gibt es für <strong>die</strong>se relativ häufig dianostizierte<br />

Schwin<strong>de</strong>lform keine wirkliche Rechtfertigung. Mit an<strong>de</strong>ren<br />

Worten: Diese Diagnose gehört zu <strong>de</strong>n häufigsten Fehldiagnosen<br />

beim Leitsymptom Schwin<strong>de</strong>l. Sekundäre Verspannungen<br />

<strong>de</strong>r HWS fin<strong>de</strong>n sich bei verschie<strong>de</strong>nen Schwin<strong>de</strong>lformen, <strong>die</strong>se<br />

sind aber nicht <strong>die</strong> eigentliche Ursache <strong>de</strong>r Beschwer<strong>de</strong>n.<br />

Klinische Untersuchung mittels Frenzel-Brille. Die von innen<br />

beleuchteten und vergrößern<strong>de</strong>n Linsen (+ 16 dpt) verhin<strong>de</strong>rn<br />

zum einen <strong>die</strong> visuelle Fixation, <strong>die</strong> z.B. einen Spontannystagmus<br />

unterdrücken kann; außer<strong>de</strong>m erleichtern sie <strong>die</strong><br />

Beobachtung <strong>de</strong>r Augenbewegungen <strong>de</strong>s Patienten.<br />

Okulomotorikstörungen. Die Kombination <strong>die</strong>ser Symptome,<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei akutem Beginn und Progre<strong>die</strong>nz, rechtfertigt<br />

<strong>die</strong> sofortige Klinikeinweisung allein unter <strong>de</strong>m Verdacht<br />

<strong>auf</strong> eine ischämische Hirnstammläsion. Bei <strong>de</strong>r weiteren Diagnostik<br />

sind neben <strong>de</strong>m klinischen Befund bildgeben<strong>de</strong> Verfahren<br />

(MRT) und Dopplersonographie entschei<strong>de</strong>nd.<br />

Phobischer Schwankschwin<strong>de</strong>l: Patienten mit phobischem<br />

Schwankschwin<strong>de</strong>l berichten über meist fluktuieren<strong>de</strong>n Dauerschwankschwin<strong>de</strong>l<br />

mit subjektiver Stand- und Gang-unsicherheit,<br />

<strong>die</strong> oft – aber nicht immer – von Angst begleitet<br />

und situationsabhängig ist (z.B. in Menschenansammlungen<br />

o<strong>de</strong>r beim Warten an <strong>de</strong>r Kasse im K<strong>auf</strong>haus), was häufig<br />

Fazit für <strong>die</strong> Praxis<br />

Schwin<strong>de</strong>l hat eine hohe Prävalenz von etwa 20 bis 30 Prozent.<br />

Schlüssel zur Diagnose <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen peripheren vestibulären,<br />

zentralen vestibulären, psychogenen/somatoformen sowie<br />

nicht-vestibulären Formen ist eine sorgfältige Erhebung <strong>de</strong>r<br />

Anamnese und eine klinische Untersuchung, <strong>die</strong> eine korrekte<br />

Einordnung in mehr als 90 Prozent <strong>de</strong>r Fälle auch ohne apparative<br />

Zusatzuntersuchungen erlauben.<br />

Nach korrekter Diagnosestellung lassen sich 90 Prozent <strong>de</strong>r<br />

Patienten erfolgreich behan<strong>de</strong>ln. Im Vor<strong>de</strong>rgrund stehen dabei<br />

physikalisch-medizinische Behandlungsverfahren in Form von<br />

Befreiungsmanövern beim benignen peripheren paroxysmalen<br />

Lagerungsschwin<strong>de</strong>l und Gleichgewichtstraining bei peripheren<br />

und zentralen vestibulären Störungen sowie eine jeweils<br />

spezifische medikamentöse <strong>Therapie</strong>, <strong>die</strong> jedoch eine korrekte<br />

Diagnosestellung erfor<strong>de</strong>rt.<br />

Zusammenfassung<br />

Schwin<strong>de</strong>l ist keine Krankheitseinheit, son<strong>de</strong>rn umfasst fächerübergreifen<strong>de</strong><br />

multisensorische und sensomotorische Syndrome<br />

unterschiedlicher Ätiologie und Pathogenese. Erfreulicherweise<br />

lassen sich <strong>die</strong> meisten Schwin<strong>de</strong>lformen erfolgreich<br />

therapieren. Deren Behandlung umfasst medikamentöse, physikalische,<br />

psychotherapeutische und in wenigen Fällen auch<br />

operative Maßnahmen. Da Schwin<strong>de</strong>lsyndrome einer spezifischen<br />

<strong>Therapie</strong> bedürfen, ist <strong>die</strong> richtige diagnostische Einordnung<br />

<strong>Grund</strong>voraussetzung je<strong>de</strong>r Behandlung. <br />

n<br />

Literatur in <strong>de</strong>r Redaktion<br />

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Bildnachweis: Prof. Dr. Michael Strupp<br />

26 Der Kassenarzt Nr. 21 | Dezember 2008

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