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M MEDIZIN<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

Unerwünschte Arzneimittel<strong>wirkungen</strong><br />

<strong>auf</strong> <strong>die</strong> <strong>Leber</strong><br />

Klaus Mörike<br />

Fallbericht: Ein Kin<strong>de</strong>rarzt berichtet, dass er im Rahmen einer Routineuntersuchung bei sich eine<br />

Transaminasenerhöhung festgestellt hat (GPT ca. 90 U/l, GOT ca. 60 U/l). Er fragt, ob <strong>die</strong>s <strong>auf</strong> Isopropylalkohol<br />

zurückzuführen sei. Denn er müsse bei seiner Praxistätigkeit täglich viele Male ein Hän<strong>de</strong><strong>de</strong>sinfektionsmittel<br />

anwen<strong>de</strong>n. Er fühle sich gesund und eine Hepatitis o<strong>de</strong>r eine an<strong>de</strong>re virale Infektion habe er nicht durchgemacht.<br />

Alkohol konsumiere er nur gelegentlich in geringen Mengen. Isopropylalkohol (Isopropanol) wird über <strong>die</strong><br />

intakte Haut nur minimal resorbiert. Daher stellt sich <strong>die</strong> Frage, ob alternativ eine an<strong>de</strong>re Ursache in Betracht kommt.<br />

Eine häufige Ursache für Transaminasenerhöhungen ist Heparin. Deswegen <strong>die</strong> Rückfrage <strong>de</strong>s<br />

Pharmakotherapie-Beratungs<strong>die</strong>nstes: „Haben Sie Heparin verwen<strong>de</strong>t?“ Antwort: „Ja. Bis vor wenigen Tagen habe<br />

ich mir selbst zwei Wochen lang Heparin subkutan injiziert, da ich eine Venenthrombose bei mir vermutet habe.“<br />

DER AUTOR<br />

PRIV.-DOZ.<br />

DR. MED.<br />

KLAUS MÖRIKE<br />

Universitätsklinikum Tübingen<br />

Institut für Pharmakologie und<br />

Toxikologie<br />

Abteilung Klinische Pharmakologie<br />

Otfried-Müller-Straße 45<br />

72076 Tübingen<br />

E-Mail:<br />

klaus.moerike@med.uni-tuebingen.<strong>de</strong><br />

1955 geboren in Reutlingen.<br />

Medizinstudium in Tübingen und<br />

Newcastle upon Tyne.<br />

Weiterbildung und berufliche Tätigkeiten<br />

an <strong>de</strong>n Universitäten Tübingen<br />

(Toxikologie), Hei<strong>de</strong>lberg (Innere Medizin)<br />

sowie in Klinischer Pharmakologie<br />

am Dr. Margarete Fischer-<br />

Bosch-Institut für Klinische Pharmakologie,<br />

Stuttgart, und an <strong>de</strong>r Van<strong>de</strong>rbilt<br />

University, Nashville, TN (USA).<br />

Arbeitsschwerpunkte: Arzneimitteltherapieberatung,<br />

kardiovaskuläre<br />

Pharmakotherapie, Aus- und Fortbildung<br />

in Klinischer Pharmakologie<br />

und Pharmakotherapie<br />

»<br />

Arten und Schweregra<strong>de</strong> arzneimittelbedingter<br />

<strong>Leber</strong>schä<strong>de</strong>n sind<br />

vielfältig. Das Spektrum reicht einerseits<br />

von minimalen unspezifischen<br />

Verän<strong>de</strong>rungen von Laborparametern<br />

ohne klinische Konsequenz bis an<strong>de</strong>rerseits<br />

zu akuter Hepatitis, chronischer<br />

Hepatitis, akutem <strong>Leber</strong>versagen, protrahierter<br />

Cholestase, Zirrhose und <strong>Leber</strong>tumoren<br />

[Maddrey 2005]. Je<strong>de</strong> zehnte<br />

unerwünschte Arzneimittelwirkung<br />

betrifft <strong>die</strong> <strong>Leber</strong> [Russmann & Lauterburg<br />

2002]. Mit hepatischen unerwünschten<br />

Arzneimittel<strong>wirkungen</strong> ist<br />

daher je<strong>de</strong>rzeit zu rechnen.<br />

Eine Unterteilung arzneimittelbedingter<br />

<strong>Leber</strong>schä<strong>de</strong>n [Teschke 2002] wird zunächst<br />

vorgenommen in:<br />

1. eine obligate (vorhersehbare) dosisabhängige<br />

Form, <strong>die</strong> durch eine<br />

Überdosierung eines Arzneimittels<br />

verursacht wird, und<br />

2. eine fakultative (unvorhersehbare)<br />

Form, <strong>die</strong> bei üblicher therapeutischer<br />

Dosierung <strong>auf</strong>tritt.<br />

Das klinische Bild arzneimittelbedingter<br />

<strong>Leber</strong>erkrankungen ist uncharakteristisch.<br />

Es kann Appetitlosigkeit, Abgeschlagenheit,<br />

Gewichtsverlust, Übelkeit,<br />

Erbrechen, Fieber, Schmerzen im<br />

rechten Oberbauch, Arthralgien, Myalgien,<br />

Pruritus, Exanthem, Ikterus, Stuhlentfärbung<br />

und Urin-Dunkelfärbung beinhalten.<br />

Der Ikterus kann mit Hauterscheinungen<br />

wie Exanthem o<strong>de</strong>r Urtikaria<br />

verbun<strong>de</strong>n sein. Die <strong>Leber</strong> ist oft<br />

vergrößert und druckschmerzhaft<br />

[Teschke 2002]. Wegen <strong>de</strong>s uncharakteristischen<br />

klinischen Bil<strong>de</strong>s ist <strong>die</strong> Diagnose<br />

einer arzneimittelbedingten <strong>Leber</strong>schädigung<br />

schwierig und wird oft<br />

erst verzögert gestellt. Die I<strong>de</strong>ntifizierung<br />

<strong>de</strong>r auslösen<strong>de</strong>n Substanz wird oft<br />

dadurch erschwert, dass <strong>de</strong>r Patient<br />

mehrere Arzneimittel erhält.<br />

Laborchemisch fin<strong>de</strong>t man:<br />

1. eine Konstellation, <strong>die</strong> für eine <strong>Leber</strong>zellschädigung<br />

typisch ist, bestehend<br />

aus Aktivitätserhöhungen <strong>de</strong>r<br />

Transaminasen GOT (Glutamat-<br />

Oxalacetat-Transaminase) o<strong>de</strong>r Aspartataminotransferase<br />

(AST) und<br />

GPT (Glutamat-Pyruvat-Transaminase)<br />

o<strong>de</strong>r Alaninaminotransferase<br />

(ALT), wobei <strong>die</strong> gamma-Glutamyltranspeptidase<br />

(γ-GT) mäßig und <strong>die</strong><br />

alkalische Phosphatase (AP) leicht<br />

erhöht o<strong>de</strong>r normal ist,<br />

2. eine Konstellation, <strong>die</strong> für eine<br />

Cholestase typisch ist, bestehend aus<br />

Aktivitätserhöhungen <strong>de</strong>r γ-GT und<br />

<strong>de</strong>r AP sowie fakultativ <strong>de</strong>r Serumkonzentration<br />

<strong>de</strong>s direkten Bilirubins,<br />

wobei <strong>die</strong> Serumaktivitäten <strong>de</strong>r<br />

Transaminasen normal o<strong>de</strong>r nur gering<br />

erhöht sind, oft aber überlappen<strong>de</strong><br />

(gemischte) Formen (Tab. 1 und<br />

Tab. 2).<br />

Die Erkennung <strong>de</strong>s Schädigungsmusters<br />

hilft bei <strong>de</strong>r Einordnung, da Arzneimittel<br />

dazu neigen, eine Schädigung überwiegend<br />

eines bestimmten Musters zu<br />

28<br />

Der Kassenarzt


MEDIZIN<br />

M<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

ABB. 1: DIAGNOSTIK BEI LEBERSCHÄDIGUNG<br />

verursachen. Die Schädigungsmuster<br />

schließen sich gegenseitig nicht aus und<br />

ein gemischtes Muster kann in vielen<br />

Fällen einer arzneimittelassoziierten <strong>Leber</strong>schädigung<br />

vorkommen. Die Diagnose<br />

einer arzneimittelassoziierten Hepatotoxizität<br />

beruht im Wesentlichen <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m<br />

Ausschluss an<strong>de</strong>rer Ursachen (Abb. 1) in<br />

Verbindung mit zusätzlicher Information<br />

wie einer sorgfältigen Arzneimittelanamnese,<br />

<strong>die</strong> auch rezeptfreie Mittel umfasst<br />

[Navarro & Senior 2006]. <strong>Leber</strong>schä<strong>de</strong>n<br />

waren wie<strong>de</strong>rholt Grund, ein<br />

Arzneimittel vom Markt zu nehmen.<br />

Jüngstes Beispiel ist Ximelagatran<br />

[BfArM 2006]. Neben Arzneimitteln im<br />

engeren Sinne können auch an<strong>de</strong>re Xenobiotika,<br />

wie zum Beispiel pflanzliche<br />

Mittel, <strong>Leber</strong>schä<strong>de</strong>n auslösen. Da solche<br />

Mittel normalerweise nicht <strong>auf</strong> Verschreibung<br />

verwen<strong>de</strong>t bzw. vielfach<br />

nicht als Arzneimittel wahrgenommen<br />

wer<strong>de</strong>n, können sie sich <strong>de</strong>r Anamnese<br />

leicht entziehen. Dieses Problem bedarf<br />

erhöhter Aufmerksamkeit [Chitturi &<br />

Farrell 2000, Stickel et al. 2005].<br />

Arzneimittelassoziierte Hepatotoxizität<br />

kann nicht mit einer einzigen Metho<strong>de</strong><br />

(einschließlich <strong>Leber</strong>biopsie) diagnostiziert<br />

wer<strong>de</strong>n. An<strong>de</strong>re Ursachen einer <strong>Leber</strong>schädigung<br />

müssen mit einer Kombination<br />

serologischer Tests, bildgeben<strong>de</strong>r<br />

Verfahren und Anhaltspunkten aus <strong>de</strong>r<br />

Vorgeschichte <strong>de</strong>s Patienten in Betracht<br />

gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

A 1 AT – Alpha 1 -Antitrypsin<br />

Ak – Antikörper<br />

CT – Computertomographie<br />

ERCP – endoskopische retrogra<strong>de</strong> Cholangiopankreatographie<br />

GOT – Glutamat-Oxalacetat-Transaminase<br />

(o<strong>de</strong>r Aspartataminotrans<br />

ferase, AST)<br />

GPT – Glutamat-Pyruvat-Transaminase<br />

(o<strong>de</strong>r Alaninaminotransferase,<br />

ALT)<br />

MRCP – Magnetresonanzcholangiopankreatographie<br />

MRI – Magnetresonanz-Bildgebung<br />

TIBC – Gesamt-Eisenbindungskapazität<br />

[modifiziert nach Navarro & Senior 2006]<br />

Abb. 1: Diagnostik arzneimittelassoziierter Hepatotoxizität durch Ausschluss an<strong>de</strong>rer Ursachen<br />

für eine <strong>Leber</strong>schädigung<br />

BEHANDLUNG ARZNEIMITTEL-<br />

BEDINGTER HEPATOTOXIZITÄT<br />

Wenn entsprechen<strong>de</strong> Symptome, insbeson<strong>de</strong>re<br />

Ikterus, und <strong>Leber</strong>funktionsstörung<br />

o<strong>de</strong>r Zeichen akuten <strong>Leber</strong>versagens<br />

(zum Beispiel Enzephalopathie)<br />

bestehen, sollte <strong>de</strong>r Gebrauch <strong>de</strong>s Mittels,<br />

das <strong>de</strong>r Auslösung von Hepatotoxizität<br />

verdächtigt wird, gestoppt wer<strong>de</strong>n.<br />

Eine Reexposition (rechallenge) sollte<br />

normalerweise nicht durchgeführt wer<strong>de</strong>n,<br />

weil eine erneute Schädigung<br />

schwerer als das initiale Ereignis sein<br />

kann, insbeson<strong>de</strong>re wenn <strong>die</strong> Schädigung<br />

immunologischer Art ist [Navarro<br />

& Senior 2006].<br />

Nach Absetzen <strong>de</strong>s verantwortlichen<br />

Mittels tritt in <strong>de</strong>n meisten Fällen eine<br />

Besserung ein, allerdings in unterschiedlicher<br />

Häufigkeit und nicht immer<br />

unmittelbar nach En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Exposition.<br />

Nicht selten können Arzneimittel<br />

einen vorübergehen<strong>de</strong>n und asymptomatischen<br />

Transaminasenanstieg verursachen.<br />

Diese Erhöhung kann auch<br />

nicht progre<strong>die</strong>nt sein, selbst wenn <strong>die</strong><br />

Exposition andauert. Isoniazid verursacht<br />

häufig einen Anstieg <strong>de</strong>r <strong>Leber</strong>enzyme,<br />

aber solche Anstiege erfor<strong>de</strong>rn<br />

dauerhaftes Absetzen <strong>de</strong>s Arzneimittels<br />

nur bei etwa 1 von 1 000 Patienten<br />

[Navarro & Senior 2006]. Außer <strong>de</strong>m<br />

Absetzen <strong>de</strong>s verantwortlichen Arzneimittels<br />

und, sofern indiziert, allgemein-supportiver<br />

Versorgung gibt es in<br />

<strong>de</strong>n meisten Fällen keine effektive Behandlung.<br />

Ausnahmen sind <strong>die</strong><br />

möglichst rasche Gabe von N-Acetylcystein<br />

bei Paracetamol-Überdosis<br />

(siehe unten) und von Carnitin bei Valproinsäure-induzierter<br />

mitochondrialer<br />

Schädigung [Navarro & Senior 2006].<br />

HEPATOTOXIZITÄT DURCH<br />

PARACETAMOL<br />

Eine Überdosis mit Paracetamol (Acetaminophen)<br />

ist in <strong>de</strong>n USA weiterhin<br />

<strong>die</strong> wichtigste Einzelursache für akutes<br />

<strong>Leber</strong>versagen und <strong>die</strong> häufigste arzneimittelassoziierte<br />

Ursache für <strong>Leber</strong>versagen,<br />

das einer akuten <strong>Leber</strong>transplantation<br />

bedarf [Lazerow et al.<br />

2005].<br />

Unter <strong>Leber</strong>transplantationen, <strong>die</strong> zwischen<br />

1990 und 2002 <strong>auf</strong>grund einer<br />

Datenbasis durchgeführt wur<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong>n<br />

270 Patienten, <strong>die</strong> wegen eines<br />

dokumentierten arzneimittelinduzierten<br />

<strong>Leber</strong>versagens eine Transplantation<br />

erhielten, i<strong>de</strong>ntifiziert. Paracetamol,<br />

entwe<strong>de</strong>r allein o<strong>de</strong>r in Kombination<br />

mit an<strong>de</strong>ren Arzneimitteln, war in<br />

fast <strong>de</strong>r Hälfte <strong>die</strong>ser Fälle verantwortlich.<br />

Die führen<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Substanzen<br />

waren Isoniazid, Propylthiouracil,<br />

Phenytoin, Valproinsäure, giftige Pilze,<br />

Nitrofurantoin und pflanzliche Mittel<br />

[Lazerow et al. 2005].<br />

Bei Gesun<strong>de</strong>n liegt offenbar ein beträchtlicher<br />

therapeutischer Bereich<br />

zwischen harmlosen und schädlichen<br />

Dosen von Paracetamol. In therapeutischen<br />

Dosen (< 3 g/d) ist das Mittel<br />

normalerweise relativ sicher und wird<br />

gut toleriert. Die Einnahme exzessiver<br />

Mengen (> 10–15 g), oft in suizidaler<br />

Absicht, führt in vorhersehbarer Weise<br />

zu <strong>Leber</strong>schädigung und gelegentlich<br />

zum Tod. In <strong>de</strong>r Diskussion geht es um<br />

<strong>die</strong> Fragen, wie das Risiko von Patienten<br />

beurteilt wer<strong>de</strong>n soll, <strong>die</strong> 3 bis 10<br />

mg/d erhalten, und ob es Situationen<br />

gibt, bei <strong>de</strong>nen eine <strong>Leber</strong>schädigung<br />

Der Kassenarzt 29


M MEDIZIN<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

TAB. 1: IDIOSYNKRATISCHE ARZNEIMITTELREAKTIONEN UND BETROFFENE ZELLEN<br />

Reaktionstyp Wirkung <strong>auf</strong> Zellen Arzneimittel-Beispiele<br />

hepatozellulär direkte Wirkung o<strong>de</strong>r Bildung über Enzym-Arzneimittel- Isoniazid, Trazodon,<br />

Addukt führt zu Zelldysfunktion, Membrandysfunktion, Diclofenac, Nefazodon,<br />

zytotoxische T-Zell-Antwort<br />

Venlafaxin, Lovastatin<br />

Cholestase Schadwirkung <strong>auf</strong> kanalikuläre Membran und Transporter Chlorpromazin, Oestrogen,<br />

Erythromycin und Derivate<br />

immunoallergisch Enzym-Arzneimittel-Addukte <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Zelloberfläche Halothan, Phenytoin,<br />

induzieren eine IgE-Antwort<br />

Sulfamethoxazol<br />

granulomatös Makrophagen und Lymphozyten infiltrieren <strong>Leber</strong>läppchen Diltiazem, Sulfa-Mittel,<br />

Chinidin<br />

mikrovesikuläres Fett verän<strong>de</strong>rte mitochondriale Atmung, ß-Oxidation führt zu Didanosin, Tetracyclin,<br />

Laktatazidose und Triglycerid-Akkumulation<br />

Acetylsalicylsäure, Valproinsäure<br />

Steatohepatitis Multifaktoriell Amiodaron, Tamoxifen<br />

autoimmun zytotoxische Lymphozyten-Antwort gegen hepatozelluläre Nitrofurantoin, Methyldopa,<br />

Membranbestandteile<br />

Lovastatin, Minocyclin<br />

Fibrose Aktivierung von Sternzellen Methotrexat, exzessives<br />

Vitamin A<br />

Gefäßkollaps verursacht ischämische o<strong>de</strong>r hypoxische Schädigung Nicotinsäure, Cocain, Methylendioxymethamphetamin<br />

(„ecstasy“)<br />

Oncogenese för<strong>de</strong>rt Tumorbildung orale Kontrazeptiva,<br />

Androgene<br />

gemischt zytoplasmatische und kanalikuläre Schädigung, direkte Amoxicillin-Clavulansäure,<br />

Schädigung von Gallengängen<br />

Carbamazepin, pflanzliche<br />

Mittel, Ciclosporin, Methimazol,<br />

Troglitazon<br />

[modifiziert nach Lee 2003]<br />

wahrscheinlicher ist, wenn <strong>de</strong>r Patient<br />

nicht eine große Menge in suizidaler<br />

Absicht eingenommen hat (so genannte<br />

„therapeutische Missgeschicke“). Bei<br />

chronischer Alkohol<strong>auf</strong>nahme sind –<br />

zumin<strong>de</strong>st nach Meinung einiger Autoren<br />

– bereits niedrigere Paracetamol-<br />

Dosen lebertoxisch als ohne chronischen<br />

Alkoholkonsum. Mögliche Grün<strong>de</strong><br />

liegen in reduzierter intrazellulärer<br />

Glutathion-Konzentrationen und gesteigerter<br />

CYP2E1-Aktivität, wobei<br />

hierüber keine endgültige Klarheit besteht.<br />

Diskutiert wer<strong>de</strong>n ferner <strong>die</strong> Definition<br />

<strong>de</strong>r Überdosis und <strong>die</strong> Alkoholmenge,<br />

<strong>die</strong> benötigt wird, um <strong>de</strong>n Patienten<br />

zur <strong>Leber</strong>schädigung zu prädisponieren<br />

[Maddrey 2005].<br />

Ein initial guter Zustand <strong>de</strong>s Patienten<br />

nach Paracetamol-Intoxikation darf<br />

nicht über <strong>die</strong> Gefährlichkeit <strong>die</strong>ser Intoxikation<br />

hinwegtäuschen. Denn <strong>die</strong><br />

Symptomatik kann verzögert einsetzen.<br />

Eine retrospektive Analyse <strong>de</strong>r Verläufe<br />

bei Kin<strong>de</strong>rn und Jugendlichen unterstreicht<br />

<strong>die</strong> Be<strong>de</strong>utung einer ausreichend<br />

langen Beobachtungs- (mit Bestimmung<br />

von Prothrombinzeit und<br />

Transaminasen) und Behandlungszeit<br />

von min<strong>de</strong>stens 48 Stun<strong>de</strong>n nach Ingestion<br />

[James et al. 2002].<br />

Die <strong>Leber</strong>schädigung durch Paracetamol<br />

ist dosisabhängig und wird von einem<br />

hochreaktiven Metaboliten (N-Acetyl-p-<br />

Benzochinonimin, NAPQI) verursacht<br />

[Prescott 2000]. Zwei wichtige Faktoren<br />

beeinflussen <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit, ob<br />

eine Paracetamol-Aufnahme eine <strong>Leber</strong>schädigung<br />

verursacht:<br />

Der erste Faktor ist <strong>die</strong> intrazelluläre<br />

NAPQI-Konzentration; <strong>die</strong>se resultiert<br />

einerseits aus <strong>de</strong>r <strong>auf</strong>genommenen Paracetamol-Dosis<br />

und an<strong>de</strong>rerseits aus <strong>de</strong>r<br />

Aktivität von CYP2E1, <strong>de</strong>m NAPQI produzieren<strong>de</strong>n<br />

Enzym. Der zweite Faktor<br />

ist <strong>die</strong> Verfügbarkeit von Glutathion als<br />

Schutz [Maddrey 2005].<br />

Die Wirksamkeit von N-Acetylcystein<br />

zur Minimierung Paracetamol-induzierter<br />

<strong>Leber</strong>schädigung ist belegt. Die<br />

möglichst frühe Gabe ist wichtig. Bei<br />

30<br />

Der Kassenarzt


MEDIZIN<br />

M<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

fulminantem <strong>Leber</strong>versagen kann <strong>die</strong><br />

<strong>Leber</strong>transplantation lebensrettend sein.<br />

ABNORME LEBERENZYM-<br />

LABORERGEBNISSE BEI ASYM-<br />

PTOMATISCHEN PATIENTEN<br />

Im Rahmen von Routineuntersuchungen<br />

symptomfreier Personen, wie im vorliegen<strong>de</strong>n<br />

Fall, fallen immer wie<strong>de</strong>r abnorme<br />

Testergebnisse bei <strong>de</strong>r Laboruntersuchung<br />

von <strong>Leber</strong>enzymen <strong>auf</strong>.<br />

Zunächst wird man <strong>de</strong>n Test wie<strong>de</strong>rholen.<br />

Ist das Ergebnis wie<strong>de</strong>rum abnorm,<br />

wird man das Ausmaß <strong>de</strong>r Abweichung<br />

beurteilen. Eine geringfügige Erhöhung<br />

(2fach <strong>de</strong>r oberen Normgrenze) kann<br />

ohne klinische Be<strong>de</strong>utung sein, wenn<br />

<strong>die</strong> Zustän<strong>de</strong> in Tab. 4 ausgeschlossen<br />

sind. Da <strong>de</strong>r Normalbereich eines Labortests<br />

<strong>de</strong>r Mittelwert ± 2 Standardabweichungen<br />

bei Gesun<strong>de</strong>n umfasst,<br />

können 2,5 Prozent <strong>die</strong>ser Ergebnisse<br />

über <strong>de</strong>r oberen Normgrenze liegen.<br />

Außer<strong>de</strong>m existieren Umstän<strong>de</strong>, bei <strong>de</strong>nen<br />

<strong>Leber</strong>enzym-Erhöhungen physiologisch<br />

sein können; beispielsweise sind<br />

bei gesun<strong>de</strong>n Frauen im dritten Schwangerschaftstrimenon<br />

<strong>die</strong> AP-Aktivitäten<br />

erhöht [Pratt & Kaplan 2000].<br />

Transaminasen sind sensitive Indikatoren<br />

einer <strong>Leber</strong>zellschädigung und sind<br />

bei <strong>de</strong>r Erkennung hepatozellulärer Erkrankungen<br />

wie Hepatitis hilfreich.<br />

Unter 19 877 Ausgebil<strong>de</strong>ten <strong>de</strong>r US-<br />

Luftwaffe, <strong>die</strong> freiwillig Blut spen<strong>de</strong>ten,<br />

hatten 99 (0,5 Prozent) eine erhöhte<br />

GPT-Aktivität. Eine Ursache konnte nur<br />

bei zwölf gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n; davon hatten<br />

vier eine Hepatitis B, vier eine Hepatitis<br />

C, zwei eine Autoimmunhepatitis,<br />

einer eine Cholelithiasis und einer eine<br />

TAB. 2: ARZNEIMITTELASSOZIIERTE LEBERSCHÄDIGUNG UND IHRE LABORCHEMISCHEN MUSTER<br />

hepatozellulär 2 gemischt 3 cholestatisch 4<br />

(erhöhte GPT) (erhöhte AP + erhöhte GPT) (erhöhte AP + Gesamtbilirubin)<br />

Acarbose<br />

Allopurinol<br />

Amiodaron<br />

Baclofen<br />

Bupropion<br />

Fluoxetin<br />

HAART-Mittel<br />

pflanzl.: Kava kava und Gaman<strong>de</strong>r<br />

Isoniazid<br />

Ketoconazol<br />

Lisinopril<br />

Losartan<br />

Methotrexat<br />

NSAIDs<br />

Omeprazol<br />

Paracetamol<br />

Paroxetin<br />

Pyrazinamid<br />

Rifampicin<br />

Risperidon<br />

Sertralin<br />

Statine<br />

Tetracyclin<br />

Trazodon<br />

Trovafloxacin<br />

Valproinsäure<br />

Amitriptylin<br />

Azathioprin<br />

Captopril<br />

Carbamazepin<br />

Clindamycin<br />

Cyproheptadin<br />

Enalapril<br />

Flutamid<br />

Nitrofurantoin<br />

Phenobarbital<br />

Phenytoin<br />

Sulfonami<strong>de</strong> und Cotrimoxazol<br />

Amoxicillin-Clavulansäure<br />

anabole Steroi<strong>de</strong><br />

Chlorpromazin<br />

Clopidogrel<br />

orale Kontrazeptiva, Oestrogene<br />

Erythromycin<br />

Irbesartan<br />

Mirtazapin<br />

N-Propylajmalin<br />

Phenothiazine<br />

1<br />

<strong>Leber</strong>schädigung wird <strong>de</strong>finiert als > 3fache GPT-Erhöhung über <strong>die</strong> obere<br />

Normgrenze, >2fache AP-Erhöhung über <strong>die</strong> obere Normgrenze o<strong>de</strong>r als ><br />

2fache Gesamt-Bilirubin-Erhöhung über <strong>die</strong> obere Normgrenze in Verbindung<br />

mit GPT- o<strong>de</strong>r AP-Erhöhung.<br />

2<br />

Hepatozelluläre <strong>Leber</strong>schädigung wird <strong>de</strong>finiert als überwiegen<strong>de</strong> initiale GPT-<br />

Erhöhung.<br />

3<br />

Ein gemischtes Mutter umfasst sowohl GPT- als auch AP-Erhöhung. Die Schädigungsmuster<br />

schließen sich gegenseitig nicht aus, d.h. gemischte Muster<br />

kommen oft vor.<br />

4<br />

Cholestatische <strong>Leber</strong>schädigung wird <strong>de</strong>finiert als überwiegen<strong>de</strong> initiale AP-Erhöhung.<br />

AP – alkalische Phosphatase<br />

GPT – Glutamat-Pyruvat-Transaminase o<strong>de</strong>r Alaninaminotransferase<br />

(ALT)<br />

[nach Navarro & Senior 2006, modifiziert und ergänzt]<br />

Der Kassenarzt 31


M MEDIZIN<br />

Zertifizierte Fortbildung<br />

TAB. 3: SCHLÜSSELELEMENTE DER BEURTEILUNG EINER EVENTUELLEN URSACHE EINER<br />

ARZNEIMITTELASSOZIIERTEN HEPATOTOXIZITÄT UND WARNHINWEISE<br />

Die Exposition gegenüber einem Arzneimittel muss <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>r <strong>Leber</strong>schädigung vorausgehen, um als arzneimittelinduziert<br />

diagnostiziert zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Warnhinweis: Die Latenzzeit für <strong>de</strong>n Beginn <strong>de</strong>r <strong>Leber</strong>schädigung nach Arzneimittelgebrauch ist hochgradig variabel.<br />

Eine Erkrankung als Ursache <strong>de</strong>r <strong>Leber</strong>schädigung sollte ausgeschlossen wer<strong>de</strong>n, bevor <strong>die</strong> Hepatotoxizität einem Arzneimittel<br />

zugeschrieben wird.<br />

Warnhinweis: Gleichzeitig verwen<strong>de</strong>te Arzneimittel sollten ebenfalls in Betracht gezogen wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Schädigung kann sich bessern, wenn <strong>die</strong> Arzneimittelanwendung gestoppt wird (so genannte <strong>de</strong>challenge).<br />

Warnhinweis: Die <strong>Leber</strong>schädigung kann sich zunächst über Tage o<strong>de</strong>r Wochen verschlechtern. Bei schweren Fällen<br />

können fallen<strong>de</strong> Enzymaktivitäten ein bevorstehen<strong>de</strong>s <strong>Leber</strong>versagen anzeigen, beson<strong>de</strong>rs wenn eine begleiten<strong>de</strong> Funktionsstörung<br />

besteht.<br />

Eine <strong>Leber</strong>schädigung kann sich bei wie<strong>de</strong>rholter Anwendung schneller und schwerer wie<strong>de</strong>r einstellen, beson<strong>de</strong>rs wenn<br />

sie immunologischer Art ist.<br />

Warnhinweis: Die Verschlechterung bei Reexposition kann fehlen, wenn sich adaptive Toleranz eingestellt hat.<br />

[nach Navarro & Senior 2006, modifiziert und ergänzt]<br />

akute Appendizitis. In einer Gruppe von<br />

100 konsekutiven Blutspen<strong>de</strong>rn mit erhöhter<br />

GPT-Aktivität hatten 48 Prozent Verän<strong>de</strong>rungen<br />

im Zusammenhang mit Alkoholkonsum,<br />

22 Prozent eine Fettleber, 17 Prozent<br />

eine Hepatitis C, vier Prozent an<strong>de</strong>re<br />

i<strong>de</strong>ntifizierte Ursachen und bei <strong>de</strong>n übrigen<br />

neun Prozent wur<strong>de</strong> keine spezifische<br />

Diagnose gestellt [Pratt & Kaplan 2000].<br />

TRANSAMINASENERHÖHUNG<br />

UNTER HEPARIN<br />

Kontrolle <strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Parameter<br />

zu empfehlen [Dukes et al. 1984]. Die<br />

Kenntnis <strong>die</strong>ser häufigen Nebenwirkung<br />

ist wichtig, da sie sonst zu unnötigen<br />

diagnostischen Maßnahmen führen kann.<br />

FAZIT<br />

Das Spektrum arzneimittelassoziierter<br />

<strong>Leber</strong>reaktionen ist außeror<strong>de</strong>ntlich<br />

breit. Heparin ist eine häufige<br />

Ursache einer Transaminasenerhöhung.<br />

Sie ist in <strong>de</strong>r Regel harmlos.<br />

Dagegen können <strong>Leber</strong>reaktionen <strong>auf</strong><br />

an<strong>de</strong>re Arzneimittel auch schwere<br />

Ausmaße erreichen und in bestimmten<br />

Fällen tödlich en<strong>de</strong>n bzw. eine<br />

<strong>Leber</strong>transplantation erfor<strong>de</strong>rn. Ein<br />

Beispiel dafür ist <strong>die</strong> Paracetamol-<br />

Überdosis.<br />

Literatur in <strong>de</strong>r Redaktion<br />

Berichte, dass <strong>die</strong> Serumaktivitäten von<br />

GOT und GPT häufig erhöht sind, existieren<br />

bereits aus <strong>de</strong>r 80er-Jahren [Dukes et<br />

al. 1984, Minar et al. 1980]. Bei 60 bis<br />

80 Prozent <strong>de</strong>r Patienten lagen <strong>die</strong> Serumaktivitäten<br />

<strong>die</strong>ser Enzyme über <strong>de</strong>m<br />

Normbereich, wobei <strong>die</strong> GPT-Erhöhung<br />

stärker als <strong>die</strong> <strong>de</strong>r GOT ausfiel. Über<br />

Erhöhungen <strong>de</strong>r γ-GT, AP und Laktat<strong>de</strong>hydrogenase<br />

(LDH) wur<strong>de</strong> ebenfalls berichtet<br />

[Salomon 1991]. Typischerweise<br />

tritt <strong>die</strong> Transaminasenerhöhung fünf bis<br />

zehn Tage nach Therapiebeginn mit Heparin<br />

<strong>auf</strong>. Bei 20 Prozent <strong>de</strong>r Patienten kehren<br />

<strong>die</strong> Aktivitäten unter <strong>de</strong>r Behandlung<br />

bzw. bei allen Patienten nach Beendigung<br />

<strong>de</strong>r Behandlung in <strong>de</strong>n Normbereich zurück<br />

[Salomon 1991]. Der Pathomechanismus<br />

ist unklar. Dosisabhängigkeit ist<br />

möglich, aber nicht bewiesen [Dukes et<br />

al. 1984]. Die Nebenwirkung wird im<br />

Allgemeinen als benigne angesehen, da<br />

weitere Zeichen hepatischer Dysfunktion<br />

fehlen. Dennoch ist in solchen Fällen <strong>die</strong><br />

TAB. 4: URSACHEN ERHÖHTER TRANSAMINASEN-AKTIVITÄTEN<br />

Hepatische Ursachen<br />

– Alkoholabusus<br />

– Arzneimittel<br />

– Hepatitis B und C<br />

– Steatosis und nicht-alkoholische<br />

Steatohepatitis<br />

– Autoimmunhepatitis<br />

– Hämochromatose<br />

– M. Wilson (bei Patienten < 40 Jahre)<br />

– Alpha 1 -Antitrypsin-Mangel<br />

[nach Pratt & Kaplan 2000 und Novacek 2004, modifiziert<br />

und ergänzt]<br />

Nicht-hepatische Ursachen<br />

– Zöliakie<br />

– Herzmuskelerkrankungen (Myokardinfarkt,<br />

Myokarditis, tachykar<strong>de</strong><br />

Herzrhythmusstörungen,<br />

Interventionen am Herzen)<br />

– Skelettmuskelerkrankungen<br />

(Muskeldystrophie, Polymyositis,<br />

Dermatomyositis, hypothyreote<br />

Myopathie, Status epilepticus/<br />

Grand-Mal-Anfall), vererbte Störungen<br />

<strong>de</strong>s Muskelmetabolismus,<br />

erworbene Muskelerkrankungen<br />

- Schilddrüsenerkrankungen (Hyperthyreose,<br />

Hypothyreose)<br />

- M. Addison<br />

- Schwere körperliche Betätigung<br />

32<br />

Der Kassenarzt

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