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NaturaMed2108<br />

1/2009 | 24. Jahrgang<br />

Forschung und Praxis<br />

Schwerpunkt<br />

Prävention mit<br />

Naturstoffen<br />

Osteoporose: Wirkt Cimicifuga protektiv?<br />

Integrative Medizin: Universitätspräsenz wächst<br />

Vorsicht mit Ginkgo-Tees!


IMPRESSUM<br />

EDITORIAL<br />

NaturaMed<br />

NaturaMed ist das offizielle Organ <strong>de</strong>s Komitee<br />

Forschung Naturmedizin e.V. (KFN) und seiner<br />

internationalen Sektion CRNM<br />

VERLAG<br />

Medizinische Medien Informations GmbH<br />

Am Forsthaus Gravenbruch 7, 63263 Neu-Isenburg<br />

GESCHÄFTSFÜHRUNG<br />

Dr. med. Uwe A. Richter, Henry Scott Elkington<br />

HERAUSGEBER<br />

Prof. Dr. Theodor Dingermann<br />

LEITUNG JOURNALS<br />

Dr. med. Ralf Stölting<br />

REDAKTION<br />

Chefredakteurin: Dr. Marcela Ullmann (v.i.S.d.P.),<br />

Dr. med. Karola Scheffer,<br />

Redaktionsassistenz: Sylwia Förs<br />

Marienplatz 3, 80331 München<br />

Tel.: 089/294770, Fax: 089/294775<br />

E-Mail:redbuero_ull@web.<strong>de</strong><br />

STÄNDIGE AUTOREN<br />

Dr. Helga Kästner (hk), Dr. A<strong>de</strong>lheid Müller-Lissner (am),<br />

Dr. rer. biol. hum. Ina Schicker (isi), Ralf Schlenger,<br />

Apotheker (rs), Dipl. soz. Werner Stingl (wst),<br />

Dr. med. Bar-bara Weitz (we)<br />

Namentlich gezeichnete Veröffentlichungen geben in<br />

erster Linie die Auffassung <strong>de</strong>s Autors wie<strong>de</strong>r.<br />

WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT<br />

Prof. Dr. Susanne Alban, Kiel<br />

PD Dr. med. A. Balogh, Jena<br />

Prof. Dr. Dr. med. habil. Hartwig W. Bauer, München<br />

PD Dr. med. André-Michael Beer, Hattingen<br />

Prof. Dr. Theodor Dingermann, Frankfurt<br />

Prof. Dr. med. Volker Fintelmann, Hamburg<br />

Prof. Dr. Wilhelm Gaus, Ulm<br />

Prof. Dr. Gerd Glaeske, Bremen<br />

Dr. med. Leonhard Hansen, Alsdorf<br />

Dr. med. Erwin Häringer, München<br />

PD Dr. med. Klaus Lin<strong>de</strong>, München<br />

Prof. Dr. Dr. Ernst Mutschler, Frankfurt<br />

Prof. Dr. Peter Oberen<strong>de</strong>r, Bayreuth<br />

Dr. med. Benno Ostermayr, München<br />

Prof. Dr. Ivar Roots, Berlin<br />

Prof. Dr. med. Reinhard Saller, Zürich<br />

Prof. Dr. rer. nat. Hilke Winterhoff, Münster<br />

ANZEIGENDISPOSITION UND VERTRIEB<br />

Anzeigen: Annette Selzer<br />

Tel: 0 61 02 / 502-284, Fax: 0 61 02 / 502-299<br />

E-Mail: a.selzer@mmi.<strong>de</strong><br />

Zurzeit ist Anzeigenpreisliste vom 1. Januar 2008 gültig.<br />

Vertrieb: Tel: 0 61 02 / 502-244, Fax: 0 61 02 / 53779<br />

HERSTELLUNG<br />

Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG<br />

Frankfurter Straße 168, 34121 Kassel<br />

NATURAMED erscheint 6-mal im Jahr. Der Preis <strong>de</strong>s Jahresabonnements<br />

beträgt innerhalb <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

Deutschland 44,40 Euro, Einzelheft auf Nachfrage.<br />

Das Verlagsrecht für alle Sprachen und Län<strong>de</strong>r, einschließlich<br />

<strong>de</strong>s Rechts <strong>de</strong>r fotomechanischen Wie<strong>de</strong>rgabe o<strong>de</strong>r<br />

einer an<strong>de</strong>rsartigen Vervielfältigung, geht mit <strong>de</strong>r Annahme<br />

<strong>de</strong>s Manuskripts und seiner Veröffentlichung an <strong>de</strong>n Verlag<br />

über. Die veröffentlichten Vorträge wer<strong>de</strong>n Eigentum<br />

<strong>de</strong>s Verlages. Nachdruck verboten. Mit <strong>de</strong>r Annahme<br />

zur Veröffentlichung überträgt <strong>de</strong>r Autor <strong>de</strong>m Verlag das<br />

ausschließliche Verlagsrecht für die Zeit bis zum Ablauf<br />

<strong>de</strong>s Urheberrechts. Diese Rechteübertragung bezieht sich<br />

insbeson<strong>de</strong>re auf das Recht <strong>de</strong>s Verlages, das Werk zu gewerblichen<br />

Zwecken per Kopie (Mikrofilm, Fotokopie, CD-<br />

ROM o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Verfahren) zu vervielfältigen und/o<strong>de</strong>r in<br />

elektronische o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Datenbanken aufzunehmen.<br />

©<br />

natura-med Verlagsgesellschaft Neckarsulm<br />

www.natura-med.<strong>de</strong><br />

Der IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung<br />

<strong>de</strong>r Verbreitung von Werbeträgern e.V.) angeschlossen.<br />

Druckauflage: 20 501 Exemplare/Quartal 4/2008<br />

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier. ISSN 0931-1513<br />

Mehr als nur ein<br />

Jahresanfang<br />

➔<br />

Eigentlich hat am 1. Januar 2009<br />

ein neues GKV-Zeitalter begonnen.<br />

Die meisten Bun<strong>de</strong>sbürger nahmen es<br />

aber, durch die Finanzkrise abgelenkt, gar<br />

nicht bewusst zur Kenntnis. Deshalb blieb<br />

auch – an<strong>de</strong>rs als beim GMG 2004 – eine<br />

öffentliche Diskussion darüber weitgehend<br />

aus. Allerdings kann <strong>de</strong>rzeit sowieso<br />

keiner präzise voraussagen, welche Konsequenzen<br />

dieser Systemwechsel haben<br />

wird.<br />

Wir können nur mit ziemlicher Sicherheit<br />

davon ausgehen, dass es nicht so kommt,<br />

wie es die Politik geplant hat. Immerhin<br />

ist es bereits das 18. Reformgesetz für das<br />

Gesundheitswesen innerhalb von knappen<br />

20 Jahren. Und nach keiner einzigen <strong>de</strong>r<br />

vorausgegangenen Reformen ist das eingetreten,<br />

was die dafür verantwortlich zeichnen<strong>de</strong>n<br />

Politiker erwartet haben bzw. <strong>de</strong>n<br />

Bürgern versprachen: We<strong>de</strong>r eine bessere<br />

Versorgung <strong>de</strong>r Patienten o<strong>de</strong>r eine rationellere<br />

Nutzung vorhan<strong>de</strong>ner Ressourcen<br />

noch eine Senkung <strong>de</strong>r Kassenbeiträge<br />

kam zustan<strong>de</strong>. Statt<strong>de</strong>ssen bescherten die<br />

Maßnahmen <strong>de</strong>n Patienten immer höhere<br />

Kosten für immer weniger Leistungen und<br />

<strong>de</strong>n Leistungserbringern einen wachsen<strong>de</strong>n<br />

bürokratischen Aufwand. So wird es<br />

wohl auch diesmal kommen. Vor allem die<br />

Patienten müssen damit rechnen, dass sie<br />

immer mehr ihrer gesundheitlichen Probleme<br />

– wie es so schön heißt in „Eigenverantwortung“<br />

– wer<strong>de</strong>n regeln müssen.<br />

Sie sollten daher rechtzeitig dafür sorgen,<br />

dass sie über die wichtigsten gesundheitlichen<br />

Zusammenhänge wenigstens so viel<br />

wissen wie über ihren Pkw.<br />

Die Chancen <strong>de</strong>r Naturmedizin<br />

wachsen<br />

Das birgt natürlich nicht nur Nachteile,<br />

son<strong>de</strong>rn auch Chancen in sich. Zunächst<br />

mal Chancen für die Naturmedizin, <strong>de</strong>nn<br />

dort, wo Naturheilmittel und -metho<strong>de</strong>n<br />

indiziert sind, wer<strong>de</strong>n sie, wie Umfragen<br />

immer wie<strong>de</strong>r bestätigen, von Patienten<br />

auch bevorzugt.<br />

Dr. Marcela Ullmann<br />

Chefredaktion<br />

Wir sollten <strong>de</strong>swegen aber nicht voreilig<br />

jubeln, <strong>de</strong>nn diese Tatsache wird von<br />

einem prinzipiellen Problem wie<strong>de</strong>r wettgemacht<br />

– <strong>de</strong>r insuffizienten Art, mit <strong>de</strong>r<br />

die Öffentlichkeit <strong>de</strong>rzeit über Naturmedizin<br />

und Naturheilmittel informiert wird.<br />

Frau Professor Alban beschreibt es in ihrem<br />

Gastkommentar (Seite 18) sehr klar<br />

und <strong>de</strong>utlich.<br />

Nicht zuletzt war das ein Grund, warum<br />

es ab dieser Ausgabe von NATURAMED<br />

jeweils auch eine für die Patienten bestimmte<br />

Zeitschrift „naturmedizin – Gesundheit<br />

für die ganze Familie“ gibt. Sie<br />

soll dazu beitragen, dass die Betroffenen<br />

so viel Qualitätsbewusstsein entwickeln,<br />

dass sie keine leichte Beute mehr für unseriöse<br />

Werbung sind und auch nicht länger<br />

auf Billigangebote aus <strong>de</strong>m Internet reinfallen<br />

(siehe Seite 26).<br />

Ihre Marcela Ullmann<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 3


INHALT<br />

24. Jahrgang<br />

NaturaMed Februar 2009<br />

Die nächste NaturaMed erscheint am 17. April 2009.<br />

EDITORIAL/IMPRESSUM<br />

3 Mehr als nur ein Jahresanfang<br />

REVIEW<br />

6 Diabetes: Vitamin-B 1 -Mangel ist für mikrovaskuläre<br />

Schä<strong>de</strong>n verantwortlich<br />

8 Depression:<br />

Johanniskraut auch zur Rezidivprophylaxe geeignet<br />

11 Kann Brokkoli Raucher vor COPD schützen?<br />

Es gibt eine ganze Reihe von Naturheilmitteln, die zur Präven tion<br />

genutzt wer<strong>de</strong>n können. So lassen sich beispielsweise Johanniskraut-Extrakte<br />

zur Rezidivprophylaxe einsetzen (Seite 8).<br />

Cimicifuga-Extrakte scheinen, aktuellen Daten zufolge, günstige<br />

Wirkungen auf <strong>de</strong>n Knochenmetabolismus auszuüben, die in <strong>de</strong>r<br />

Osteoporoseprävention nützlich sein können (Seite 12). Weißdorn-Extrakte<br />

wie<strong>de</strong>rum zeigen einen positiven Einfl uss auf<br />

die Herzleistung, was sie zu Kandidaten für die unterstützen<strong>de</strong><br />

Anwendung bei <strong>de</strong>r Bewegungstherapie von Herzpatienten<br />

macht (Seite 20).<br />

REPORT<br />

17 Vitamin- und Mineralstoffversorgung:<br />

Alles im grünen Bereich?<br />

GASTKOMMENTAR<br />

18 Prof. Dr. Susanne Alban:<br />

Die gegenwärtigen Regularien für pfl anzliche<br />

Produkte sind insuffi zient<br />

SCHWERPUNKT<br />

12 Klimakterium:<br />

Schützt Cimicifuga-Spezialextrakt vor Osteoporose?<br />

20 Herzprävention:<br />

Weißdorn-Extrakt: Günstig für Herzkraft und Endothel<br />

25 Kasuistik: Phytotherapie zur Prävention<br />

NATURAMED AKTUELL<br />

Nach <strong>de</strong>r Nationalen Verzehrstudie II gibt es in Deutschland<br />

keine wesentlichen Defi zite bei <strong>de</strong>r Versorgung mit Vitamin- und<br />

Mineralstoffen. Dem wi<strong>de</strong>rspricht die Gesellschaft für Biofaktoren<br />

und for<strong>de</strong>rt eine differenziertere Betrachtungsweise.<br />

Seite 17<br />

Bildnachweis: jupiterimages (Titel)<br />

Auf <strong>de</strong>m 1. Europäischen Kongress für Integrative<br />

Medizin in Berlin wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r Dialog<br />

zwischen Komplementärmedizin und Schulmedizin<br />

keinen Seltenheitswert mehr hat. Inzwischen gibt es<br />

sogar an sechs <strong>de</strong>utschen Universitäten komplementärmedizinische<br />

Professuren.<br />

22 Integrative Medizin:<br />

Die Universitätspräsenz ist stark gewachsen<br />

4 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


KFN BERICHTET<br />

Ginkgo-Tee: 26<br />

Keine Alternative zu geprüften Arzneimitteln<br />

Interview mit Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz<br />

Mehrwertsteuersenkung für Arzneimittel gefor<strong>de</strong>rt 27<br />

CONSILIUM<br />

Morbus Parkinson: Kann Naturheilkun<strong>de</strong> helfen? 28<br />

Ist die Ozon-Eigenbluttherapie seriös? 31<br />

Johanniskraut-Extrakte sind auch von <strong>de</strong>r Schulmedizin anerkannt.<br />

Seite 22<br />

BIOSIMILARS<br />

Pressekonferenz in Berlin: 32<br />

Sandoz sieht Wege zur Kostensenkung<br />

KONGRESSBERICHT<br />

Fortbildung in Hattingen: 35<br />

Ärzte und Apotheker drücken gemeinsam die Schulbank<br />

PÄDIATRIE<br />

Neuro<strong>de</strong>rmitis beim Kind: 36<br />

Johanniskraut-Creme unterstützt die Basistherapie<br />

Symposium <strong>de</strong>r DPhG-Fachgruppe<br />

„Pharmazeutische Biologie“ in Bonn: 38<br />

Pädiatrie: Phytoforschung im Aufwind<br />

In <strong>de</strong>r EU gewähren nur noch drei Län<strong>de</strong>r Arzneimitteln keine<br />

Mehrwertsteuerermäßigung: Bulgarien, Dänemark und Deutschland.<br />

Seite 27<br />

RECHT<br />

Chiropraktik: Risikoaufklärung dringend notwendig 41<br />

VERANSTALTUNGEN<br />

Tagungen, Fortbildungsveranstaltungen 42<br />

Topische Zubereitungen mit Johanniskraut-Extrakt sind auch bei<br />

Säuglingen und Kleinkin<strong>de</strong>rn mit Neuro<strong>de</strong>rmitis unbe<strong>de</strong>nklich<br />

anzuwen<strong>de</strong>n. Seite 36<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 5


REVIEW<br />

Diabetes: Vitamin-B 1 -Mangel ist für<br />

mikrovaskuläre Schä<strong>de</strong>n verantwortlich<br />

➔Läsionen an Nieren, Nerven und<br />

Augen zählen zu <strong>de</strong>n gefürchteten<br />

Spätfolgen <strong>de</strong>s Diabetes. Neben<br />

chronisch erhöhten Blutzuckerwerten<br />

spielt dabei auch ein Mangel an Vitamin<br />

B 1 eine Rolle, so das Ergebnis einer<br />

britischen Studie. Aktives Thiamin ist<br />

ein zentrales Coenzym im Kohlenhydratstoffwechsel,<br />

und Diabetiker sind<br />

sichere Mangelkandidaten. Denn <strong>de</strong>r<br />

Löwenanteil <strong>de</strong>s zugeführten Vitamins<br />

geht bei ihnen über die Niere verloren.<br />

Abhilfe versprechen hoch dosierte Supplemente.<br />

Zwei aktuelle klinische Studien<br />

mit Diabetikern stellten positive<br />

Effekte hoch dosierter Vitamingaben<br />

auf eine vorhan<strong>de</strong>ne Albuminurie bzw.<br />

Polyneuropathie fest. Eine weitere Studie<br />

erklärt <strong>de</strong>n Mechanismus und warum<br />

das Labor selbst extreme Thiamin<strong>de</strong>fizite<br />

oft nicht ent<strong>de</strong>ckt.<br />

Die Diabetiker erhielten sechs Wochen<br />

lang täglich Benfotiamin in Dosen von<br />

300 mg, 600 mg o<strong>de</strong>r Placebo.<br />

Primärer Endpunkt waren Verän<strong>de</strong>rungen<br />

im Neuropathischen Symptomen<br />

Score (NSS). Der NSS besserte<br />

sich signifikant (p = 0,033) in <strong>de</strong>r Patientengruppe,<br />

die das Studienprotokoll<br />

eingehalten hatte (per-protocol-Analyse,<br />

n = 124). In <strong>de</strong>r Gesamtgruppe <strong>de</strong>r<br />

behan<strong>de</strong>lten Patienten (Intention-totreat,<br />

n = 133) wur<strong>de</strong> die Signifi kanz<br />

knapp verfehlt (p = 0,055). Keine signifikanten<br />

Verbesserungen ergaben sich<br />

im Totalen Symptomen Score (TSS),<br />

wenn auch ten<strong>de</strong>nziell Schmerzen reduziert<br />

wur<strong>de</strong>n: „Benfotiamin lin<strong>de</strong>rt<br />

auch ohne zusätzliche Gabe an<strong>de</strong>rer<br />

Wirkstoffe die Schmerzen <strong>de</strong>utlich“,<br />

meinte dazu <strong>de</strong>r Endokrinologe Prof.<br />

Reinhard Bretzel, Direktor <strong>de</strong>r Medizi-<br />

Das Vitamin wird lediglich in „physiologischen“<br />

Dosen von bis zu 1 mg vollständig<br />

resorbiert; schon 5 mg nimmt<br />

<strong>de</strong>r Körper nur zu einem Drittel auf.<br />

„Pharmakologisch“ hoch dosiertes Thiamin<br />

vermag <strong>de</strong>nnoch in experimentellen<br />

Studien <strong>de</strong>r Entwicklung einer<br />

Mikroalbuminurie vorzubeugen. Inwieweit<br />

dies klinisch zum Tragen kommt,<br />

untersuchte eine Forschergruppe <strong>de</strong>r<br />

Diabetesklinik in Lahore/Pakistan. In<br />

die Pilotstudie wur<strong>de</strong>n 40 Typ-2-Diabetiker<br />

mit erhöhter Albuminausscheidung<br />

eingeschlossen. Doppelblind und<br />

randomisiert erhielten die Patienten für<br />

drei Monate täglich 3 x 100 mg Thiamin<br />

o<strong>de</strong>r Placebo. Sie wur<strong>de</strong>n dann zwei<br />

Monate nachbeobachtet.<br />

Primärer Endpunkt dieser kleinen Studie<br />

war die Albuminausscheidung im<br />

Urin (UAE). In <strong>de</strong>r Verumgruppe sank<br />

die UAE hoch signifikant um 17,7 mg/<br />

24 h im Median, während sich unter<br />

Placebo kein signifikanter Effekt zeigte.<br />

In bei<strong>de</strong>n Gruppen nahm die UAE in <strong>de</strong>r<br />

Nachbeobachtung ten<strong>de</strong>nziell (weiter)<br />

ab. Nebenwirkungen wur<strong>de</strong>n nicht beobachtet.<br />

„Hoch dosierte Thiamingaben<br />

können die Behandlung früher Stadien<br />

diabetischer Neuropathie verbessern“,<br />

resümieren die Forscher.<br />

Diabetiker weisen in <strong>de</strong>r Regel zu niedrige Vitamin-B 1 -Spiegel auf. Eine<br />

präventive Substitution ist bei ihnen daher stets sinnvoll.<br />

Betformin verringert<br />

neuropathische Schmerzen<br />

Diabetiker mit symmetrischer, distaler<br />

Polyneuropathie wur<strong>de</strong>n in einer doppelblin<strong>de</strong>n<br />

randomisierten Studie <strong>de</strong>r<br />

Gießener Universitätsklinik mit Benfotiamin<br />

behan<strong>de</strong>lt. Benfotiamin ist ein<br />

lipidlösliches Prodrug von Vitamin B 1 ,<br />

das wesentlich besser resorbiert wird<br />

als das wasserlösliche Vitamin selbst.<br />

nischen Klinik und Poliklinik III, Gießen.<br />

Die <strong>de</strong>utlicheren Erfolge erzielte<br />

jeweils die Hochdosisbehandlung mit<br />

600 mg Benfotiamin. Die Verträglichkeit<br />

bei<strong>de</strong>r Dosierungen war gut.<br />

Thiamin bessert diabetische<br />

Neuropathie<br />

Hilft auch die Gabe von Vitamin B 1<br />

selbst gegen diabetische Folgeschä<strong>de</strong>n?<br />

Vitamin B 1 bremst Glukosetoxizität<br />

Die Plasmakonzentration <strong>de</strong>s wasserlöslichen<br />

Vitamins B 1 liegt bei Menschen<br />

mit Typ-1- und Typ-2-Diabetes rund 75<br />

Prozent niedriger als bei Gesun<strong>de</strong>n, fan<strong>de</strong>n<br />

Thornalley und seine Arbeitsgruppe<br />

in Warwick/UK bei <strong>de</strong>r Untersuchung<br />

von 26 Typ-1- und 48 Typ-2-Diabetikern.<br />

Ursache <strong>de</strong>s Thiamin<strong>de</strong>fizites sei<br />

eine pathologisch gesteigerte renale<br />

Clearance. Gegen über <strong>de</strong>n gesun<strong>de</strong>n<br />

Kontrollen war diese bei Typ-1-Diabetikern<br />

24-fach und bei Typ-2-Diabetikern<br />

16-fach erhöht. „Hohe Blutzuckerkonzentrationen<br />

unterdrücken in vitro die<br />

Expression eines Thiamintransporters<br />

im proximalen Tubulus <strong>de</strong>r Niere“,<br />

erklärte Dr. James Larkin aus <strong>de</strong>r britischen<br />

Arbeitsgruppe. „Dieses Molekül<br />

begrenzt normalerweise die Thiaminausscheidung,<br />

in<strong>de</strong>m es das Vitamin<br />

aus <strong>de</strong>m Glomerulusfiltrat rückresor-<br />

Bildnachweis: jupiterimages (1)<br />

6 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


REVIEW<br />

biert.“ Fehlen Thiamintransporter, geht<br />

das Vitamin über <strong>de</strong>n Urin verloren.<br />

Die genügen<strong>de</strong> Aktivierumg <strong>de</strong>r Transketolasen<br />

unterbleibt, somit wird das<br />

körpereigene Entgiftungssystem für<br />

Zwischen- und Abfallprodukte <strong>de</strong>s Zuckerstoffwechsels<br />

ausgebremst.<br />

Dies <strong>de</strong>utet darauf hin, dass <strong>de</strong>r Weg<br />

von einem schlecht eingestellten Zuckerstoffwechsel<br />

hin zu mikrovaskulären<br />

Komplikationen wohl über <strong>de</strong>n<br />

Verlust von Vitamin B 1 führt, meinten<br />

die Forscher. Glukotoxische Effekte<br />

auf die Gefäße wer<strong>de</strong>n gesteigert. Für<br />

diesen Zusammenhang spricht auch die<br />

inverse Korrelation <strong>de</strong>s Vitamin-B 1 -Status<br />

mit einem Marker <strong>de</strong>r endothelialen<br />

Dysfunktion und <strong>de</strong>r Arteriosklerose,<br />

<strong>de</strong>m löslichen vaskulären Adhäsionsmolekül<br />

(sVCAM-1), so Thornalley. Die<br />

therapeutische Gabe von exogenem Vitamin<br />

B 1 bzw. vitaminähnlichen Stoffen<br />

wie Benfotiamin kann die Aktivität <strong>de</strong>r<br />

Transketolase um das Drei- bis Vierfache<br />

steigern – eine aussichtsreiche Option<br />

zur Vorbeugung und Behandlung<br />

diabetischer Gefäßkomplikationen.<br />

Thiaminmangel maskiert sich<br />

selbst<br />

Eine Erklärung, warum die starken<br />

Vitamin-B 1 -Verluste bei Diabetikern<br />

bisher weithin unbekannt blieben, liefern<br />

die Wissenschaftler gleich mit: Bei<br />

<strong>de</strong>r konventionellen Bestimmung <strong>de</strong>s<br />

Thiamin: Zentral im Glukosestoffwechsel<br />

Das B-Vitamin Thiamin (Aneurin) spielt eine zentrale Rolle als Coenzym im Kohlenhydratstoffwechsel.<br />

Der Organismus phosphoryliert das Vitamin zunächst zu Thiamindiphosphat<br />

(TDP; ältere Bezeichnung Thiaminpyrophosphat, TPP). TDP ist Coenzym von<br />

Multienzymkomplexen, welche 2-Ketosäuren unter Decarboylierung in Acyl-Coenzym-<br />

A-Verbindungen umwan<strong>de</strong>ln. Thiamin ist ferner an <strong>de</strong>r Transketolasereaktion beteiligt,<br />

wobei Glykolal<strong>de</strong>hyd auf einen C5-Zucker, z.B. Ribose o<strong>de</strong>r Erythrose, übertragen wird.<br />

Zu<strong>de</strong>m ist Vitamin B 1 maßgeblich an <strong>de</strong>r Erregungsleitung im peripheren Nervensystem<br />

beteiligt. Es unterstützt die Bildung von Neurotransmittern wie Azetylcholin, GABA,<br />

Glutamat und Aspartat, die in enger Verzahnung mit <strong>de</strong>m Glukosestoffwechsel erfolgt.<br />

Normale Thiaminplasmaspiegel wer<strong>de</strong>n mit 10 bis 64 ng/ml angegeben. Doch die Verteilung<br />

von Thiamin im Vollblut ist inhomogen: Zu 15 Prozent fi n<strong>de</strong>t es sich in Leukozyten,<br />

zu 75 Prozent in Erythrozyten und zu zehn Prozent im Plasma. Durch tubuläre<br />

Rückresorption verhin<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Organismus Thiaminverluste, sofern die Zufuhr im physiologischen<br />

Bereich bleibt. Hohe Dosen jedoch, z.B. 100 mg parenteral, führen zum<br />

renalen „Überlauf“, sie wer<strong>de</strong>n vollständig eliminiert.<br />

Wegen <strong>de</strong>r begrenzten Speicherkapazität und <strong>de</strong>r hohen Umsatzrate muss Thiamin täglich<br />

in ausreichen<strong>de</strong>r Menge aufgenommen wer<strong>de</strong>n. Die empfohlene physiologische<br />

Zufuhr liegt bei täglich 1,1 bis 1,5 mg.<br />

Thiamins, <strong>de</strong>r Messung <strong>de</strong>s Thiamineffekts<br />

(Transketolase-Aktivierungskoeffizient)<br />

in <strong>de</strong>n Erythrozyten, wird <strong>de</strong>r<br />

Mangel maskiert. Denn Erythrozyten<br />

sind in <strong>de</strong>r Lage, bei Thiaminmangel<br />

die Expression von Transportproteinen<br />

zu steigern, die Thiamin in die Blutkörperchen<br />

schleusen.<br />

Über diese ausgleichen<strong>de</strong>n Mechanismen<br />

scheinen aber die gefähr<strong>de</strong>ten<br />

Quelle: Pietrzik, Golly, Loew: Handbuch Vitamine, Urban & Fischer 2008<br />

Gewebe von Diabetikern, wie beispielsweise<br />

Nieren, Augen und Nerven, nicht<br />

zu verfügen. Hier manifestiert sich Thiaminmangel<br />

auch in <strong>de</strong>n Zellen – mit<br />

komplexen metabolischen Störungen<br />

als Folge.<br />

■<br />

Apotheker Ralf Schlenger<br />

Quelle: Stracke H et al., Exp Clin Endocrinol Diabetes<br />

2008; 116: 600–605; Rabbani N et al., Diabetologie 2008;<br />

Dec.5. (Epub ahead of print): Thornalley et al., Diabetologia<br />

2007, 50: 2164–2170<br />

Depression: Johanniskraut auch zur<br />

Rezidivprophylaxe geeignet<br />

➔Depressive Erkrankungen nehmen<br />

im Praxisalltag einen wachsen<strong>de</strong>n<br />

Anteil ein. Das lässt sich vor<br />

allem auf zwei Ursachen zurückführen:<br />

Einerseits lei<strong>de</strong>n immer mehr Patienten<br />

unter <strong>de</strong>pressiven Verstimmungen, an<strong>de</strong>rerseits<br />

tritt die Erkrankung bei mehr<br />

als <strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r Betroffenen nicht<br />

nur einmal, son<strong>de</strong>rn immer wie<strong>de</strong>r auf.<br />

Die normalerweise kurzzeitig, d.h. über<br />

einen Zeitraum von sechs Wochen durchgeführte<br />

Therapie mit Anti<strong>de</strong>pressiva ist<br />

<strong>de</strong>shalb in vielen Fällen unzureichend.<br />

Um ein Rezidiv beziehungsweise das<br />

Wie<strong>de</strong>rauftreten <strong>de</strong>pressiver Symptome<br />

zu verhin<strong>de</strong>rn, muss die Behandlung<br />

längerfristig durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Dies<br />

setzt allerdings voraus, dass <strong>de</strong>r Patient<br />

we<strong>de</strong>r im Hinblick auf seine täglichen<br />

Aktivitäten noch auf seine Lebensqualität<br />

therapiebedingte Einschränkungen in<br />

Kauf nehmen muss – Bedingungen, die<br />

vor allem von pflanzlichen Medikamenten<br />

erfüllt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Wirksamkeit von mehreren Johanniskraut-Extrakten,<br />

indiziert zur Behandlung<br />

leichter bis mittelschwerer akuter<br />

Depressionen, ist durch zahlreiche Studien<br />

belegt. Was die Langzeittherapie<br />

anbetrifft, gibt es bisher allerdings nur<br />

wenige gesicherte Daten. Zwar wur<strong>de</strong><br />

im Jahr 2005 von M. Gastpar und Kollegen<br />

eine kontrollierte Doppelblindstudie<br />

publiziert, in <strong>de</strong>r Patienten mit<br />

<strong>de</strong>pressiven Störungen mit <strong>de</strong>m Johanniskraut-Extrakt<br />

STW 3 (Tagesdosis<br />

612 mg) im Vergleich zu Sertralin (50<br />

mg/Tag) zweimal zwölf Wochen lang<br />

behan<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>n. Diese Untersuchung<br />

ist allerdings kritisiert wor<strong>de</strong>n, weil die<br />

Studienteilnehmer nach <strong>de</strong>m ersten Behandlungsintervall<br />

nicht neu randomisiert<br />

wur<strong>de</strong>n. Außer<strong>de</strong>m fehlte eine mit<br />

Placebo behan<strong>de</strong>lte Kontrollgruppe. Das<br />

veranlasste S. Kasper et al., beim Design<br />

8 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


REVIEW<br />

ihrer aktuellen randomisierten<br />

und placebokontrollierten Doppelblindstudie,<br />

diese Datenlücke<br />

zu schließen.<br />

In drei Stufen zum<br />

Langzeitergebnis<br />

An <strong>de</strong>r Multicenterstudie nahmen<br />

mehr als 700 Patienten<br />

im Alter zwischen 18 und 65<br />

Jahren teil, die in 62 psychiatrischen<br />

sowie allgemeinmedizinischen<br />

Praxen in Deutschland<br />

und Schwe<strong>de</strong>n mehrmals wegen<br />

einer mittelschweren Depression<br />

ambulant behan<strong>de</strong>lt wor<strong>de</strong>n<br />

waren.<br />

Voraussetzung für die Teilnahme<br />

an <strong>de</strong>r Studie war eine <strong>de</strong>pressive<br />

Verstimmung (Score ><br />

20 auf <strong>de</strong>r Hamilton Rating Scale<br />

for Depression – HAMD), <strong>de</strong>r<br />

min<strong>de</strong>stens drei entsprechen<strong>de</strong><br />

Episo<strong>de</strong>n vorausgegangen waren.<br />

Um die Schwere <strong>de</strong>r <strong>de</strong>pressiven<br />

Störung zu ermitteln,<br />

wur<strong>de</strong>n zusätzlich zur HAMD<br />

weitere Verfahren wie Beck Depression<br />

Inventar (BDI) und die<br />

Clinical Global Impression (CGI) Score<br />

herangezogen. Nicht in die Studie aufgenommen<br />

wur<strong>de</strong>n Patienten mit einer<br />

Schizophrenie, einer akuten Angststörung,<br />

einer chronischen Psychose o<strong>de</strong>r<br />

einer bipolaren Störung.<br />

Untersucht wur<strong>de</strong>n Wirksamkeit und<br />

Verträglichkeit <strong>de</strong>s Johanniskraut-Extrakts<br />

WS ® 5570 zur Rezidivprophylaxe<br />

(als Fortführung <strong>de</strong>r akuten sechswöchigen<br />

Therapie über einen Zeitraum von<br />

sechs Monaten sowie zur Langzeittherapie<br />

über zwölf Monate) bei Patienten mit<br />

wie<strong>de</strong>rholt aufgetretenen <strong>de</strong>pressiven<br />

Verstimmungen.<br />

Die Therapie war in drei Abschnitte geglie<strong>de</strong>rt:<br />

1. Akute Therapie<br />

(Dauer: sechs Wochen)<br />

Nach einer einwöchigen Placebo- bzw.<br />

Screeningphase erhielten 703 Patienten<br />

sechs Wochen lang täglich dreimal<br />

300 mg <strong>de</strong>s Johanniskraut-Präparates<br />

WS ® 5570.<br />

2. Weiterführen<strong>de</strong> Therapie<br />

(Dauer: 26 Wochen)<br />

Bei <strong>de</strong>n 570 Patienten, die im ersten<br />

Therapieabschnitt gut auf das pflanzliche<br />

Medikament angesprochen hatten<br />

Johanniskraut-Extrakte wirken nicht nur bei akuter<br />

Depression. Sie sind auch zur Rezidivprophylaxe<br />

geeignet.<br />

(Rückgang <strong>de</strong>s HAMD um > 50 Prozent<br />

und Verbesserung auf <strong>de</strong>r CGI-Skala<br />

um min<strong>de</strong>stens zwei Scorepunkte),<br />

wur<strong>de</strong> die Behandlung fortgeführt. Ein<br />

Drittel <strong>de</strong>r Patienten (194) wur<strong>de</strong> nach<br />

<strong>de</strong>m Randomisierungsprinzip <strong>de</strong>r Placebogruppe<br />

zugeordnet, die übrigen zwei<br />

Drittel (376) erhielten weiterhin das<br />

pflanzliche Präparat in <strong>de</strong>r bisher verwen<strong>de</strong>ten<br />

Dosierung.<br />

3. Langzeittherapie<br />

(Dauer: 52 Wochen)<br />

Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s zweiten Therapieabschnitts<br />

konnten 425 Patienten (274 aus <strong>de</strong>r<br />

Verum- und 134 aus <strong>de</strong>r Placebogruppe)<br />

in die dritte und letzte Behandlungsphase<br />

eintreten. Zuvor wur<strong>de</strong>n die Patienten<br />

aus <strong>de</strong>r Verumgruppe erneut randomisiert:<br />

138 von ihnen erhielten weiterhin<br />

WS ® 5570, 136 Placebo.<br />

Kontrolluntersuchungen fan<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r<br />

akuten Therapiephase alle drei Wochen,<br />

danach alle vier bis sechs Wochen und<br />

im letzten Behandlungsabschnitt alle<br />

vier bis acht Wochen statt.<br />

Dabei wur<strong>de</strong> die Schwere <strong>de</strong>r <strong>de</strong>pressiven<br />

Störung anhand <strong>de</strong>r genannten Parameter<br />

(HAMD, BDI und CGI) jeweils<br />

erneut bestimmt.<br />

Je ausgeprägter die<br />

Störung, <strong>de</strong>sto größer die<br />

Effekte<br />

Primärer Endpunkt war die Zeit<br />

bis zum Auftreten eines Rezidivs<br />

in <strong>de</strong>r zweiten Behandlungsphase.<br />

Als sekundäre Endpunkte galten<br />

die Zeit bis zum Auftreten eines<br />

Rezidivs bzw. Wie<strong>de</strong>rauftreten <strong>de</strong>pressiver<br />

Symptome in <strong>de</strong>r dritten<br />

Therapiephase (Langzeitprophylaxe),<br />

die Rezidivrate ab Beginn <strong>de</strong>s<br />

zweiten Behandlungsabschnitts,<br />

d.h. in <strong>de</strong>r zweiten und dritten Therapiephase,<br />

sowie HAMD-, BDIund<br />

CGI-Scores. Die Auswertung<br />

ergab folgen<strong>de</strong> Ergebnisse:<br />

■ Rezidive traten in <strong>de</strong>r zweiten<br />

Behandlungsphase nicht nur<br />

seltener (18,1 Prozent in <strong>de</strong>r<br />

Verumgruppe gegenüber 25,7<br />

Prozent in <strong>de</strong>r Placebogruppe),<br />

son<strong>de</strong>rn auch später auf.<br />

In <strong>de</strong>r Verumgruppe dauerte<br />

es durchschnittlich 177 Tage<br />

bis zum Rezidiv, unter Placebo<br />

163 Tage. Der Unterschied<br />

war allerdings statistisch nicht<br />

signifikant.<br />

■ Der HAMD- Score nahm auch im<br />

zweiten Therapieabschnitt unter <strong>de</strong>m<br />

pflanzlichen Präparat weiter ab. Er sank<br />

von 8,6 Punkte auf 7,3 Punkte, während<br />

er unter Placebo unver än<strong>de</strong>rt blieb.<br />

■ Analoge Ergebnisse haben auch die<br />

bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Scores erbracht. Der<br />

CGI-Score zeigte in <strong>de</strong>r Verumgruppe<br />

eine Besserung bei 73,8 Prozent <strong>de</strong>r<br />

Patienten gegenüber 64,4 Prozent in<br />

<strong>de</strong>r Placebogruppe, <strong>de</strong>r BDI-Score<br />

wies in <strong>de</strong>r Verumgruppe einen Rückgang<br />

um 1,2 Punkte aus, im Vergleich<br />

zu 0,7 Punkten unter Placebo.<br />

■ Nach <strong>de</strong>m Ergebnis <strong>de</strong>r Untergruppenanalysen<br />

war die prophylaktische<br />

Wirkung <strong>de</strong>s pflanzlichen Extrakts<br />

umso größer, je ausgeprägter die <strong>de</strong>pressive<br />

Störung <strong>de</strong>r Patienten war.<br />

In <strong>de</strong>r Placebogruppe verhielt es sich<br />

genau umgekehrt.<br />

■ Im dritten Therapieabschnitt traten<br />

bei 17,2 Prozent <strong>de</strong>r mit Johanniskraut-Extrakt<br />

behan<strong>de</strong>lten Patienten<br />

erneut <strong>de</strong>pressive Symptome auf, in<br />

<strong>de</strong>r Placebogruppe bei 20,4 Prozent.<br />

Die häufigsten Ursachen für einen vorzeitigen<br />

Therapieabbruch waren – neben<br />

einem Rezidiv – unerwünschte Ereignisse<br />

wie etwa Infektionen, muskuläre<br />

Bildnachweis: jupiterimages (2)<br />

10 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


o<strong>de</strong>r gastrointestinale Störungen sowie Juckreiz. Insgesamt<br />

gesehen waren Sicherheit und Verträglichkeit <strong>de</strong>r Langzeittherapie<br />

mit <strong>de</strong>m Johanniskraut-Extrakt WS ® 5570 sehr gut; die<br />

Nebenwirkungsrate befand sich auf Placeboniveau.<br />

■<br />

Dr. Barbara Weitz<br />

Quelle: European Neuropsychopharmacology (2008) 18, 803–813<br />

Kann Brokkoli Raucher vor<br />

COPD schützen?<br />

➔Oxidativer Stress spielt<br />

für die Entstehung chronisch-obstruktiver<br />

Lungenerkrankungen<br />

(COPD), die durch<br />

(Zigaretten-)Rauchen verursacht<br />

wer<strong>de</strong>n, eine wesentliche<br />

Rolle. An<strong>de</strong>rerseits ist bekannt,<br />

dass antioxidativ wirksame Substanzen<br />

<strong>de</strong>n (oxidativen) Stress<br />

reduzieren und zur Stärkung <strong>de</strong>s<br />

Immunsystems beitragen können.<br />

Diese Eigenschaften besitzt<br />

Sulforaphan – ein Pflanzenstoff, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m grünen Kohlgemüse<br />

Brokkoli in hoher Konzentration enthalten ist.<br />

Wie eine kürzlich veröffentlichte Studie aus Baltimore gezeigt<br />

hat, verstärkt Sulforaphan die Aktivität <strong>de</strong>s Transkriptionsfaktors<br />

NRF2. Dieser wie<strong>de</strong>rum induziert die Ausschüttung protektiver<br />

antioxidativer und <strong>de</strong>toxifizieren<strong>de</strong>r, d.h. entgiften<strong>de</strong>r<br />

Enzyme. Somit hat NRF2 eine – wenn auch indirekte – antioxidative<br />

Wirkung. Zu diesen Erkenntnissen hat eine Untersuchung<br />

<strong>de</strong>r Arbeitsgruppe um Deepti Malhotra von <strong>de</strong>r Johns<br />

Hopkins Universität geführt. Die Wissenschaftler hatten die<br />

NRF2-Konzentration im Lungengewebe gesun<strong>de</strong>r Proban<strong>de</strong>n<br />

mit <strong>de</strong>r von Rauchern verglichen, bei <strong>de</strong>nen eine fortgeschrittene<br />

chronisch-obstruktive Lungenerkrankung bestand.<br />

Bei <strong>de</strong>n Rauchern war <strong>de</strong>mnach nicht nur die Aktivität von<br />

NRF2 im Vergleich zu <strong>de</strong>n bei gesun<strong>de</strong>n Versuchspersonen<br />

gemessenen Werten <strong>de</strong>utlich verringert, son<strong>de</strong>rn auch die Konzentration<br />

NRF2-abhängiger Antioxidantien wie etwa Glutathion.<br />

Wie Malhorta und sein Team außer<strong>de</strong>m nachgewiesen<br />

haben, konnte Sulforaphan <strong>de</strong>n Abbau von NRF2 in <strong>de</strong>n durch<br />

Zigarettenrauch geschädigten Lungenzellen verhin<strong>de</strong>rn, was zu<br />

einer vermehrten Freisetzung antioxidativ wirksamer Substanzen<br />

führt. Brokkoli gilt zwar als wichtiger Vitamin- und Mineralstofflieferant<br />

und wird als Krebsschutz und Immunverstärker<br />

gelobt, aber durchaus nicht von je<strong>de</strong>m geliebt. Zu seinen prominenten<br />

„Gegnern“ zählt u.a. <strong>de</strong>r amerikanische Ex-Präsi<strong>de</strong>nt<br />

George Bush. Welche Rolle das grüne Gemüse beim Schutz <strong>de</strong>r<br />

Raucherlungen vor einer COPD tatsächlich spielt, müssen nun<br />

weitere Untersuchungen klären.<br />

■<br />

Dr. Barbara Weitz<br />

Quelle: Am. J. Respir. Crit. Care Med. 2008; 178: 592–604<br />

Nr. 1 | Februar 2009


SCHWERPUNKT<br />

Klimakterium<br />

Schützt Cimicifuga-Spezialextrakt<br />

vor Osteoporose?<br />

Der Cimicifuga-Spezialextrakt BNO 1055 hat sich in <strong>de</strong>r Behandlung von Wechseljahresbeschwer<strong>de</strong>n<br />

bewährt. Aktuelle pharmakologische und klinische Daten weisen jetzt darauf hin, dass das Phytopharmakon<br />

nicht nur die charakteristische klimakterische Symptomatik zu lin<strong>de</strong>rn vermag, son<strong>de</strong>rn auch über<br />

osteoprotektive Effekte verfügt. [ von Dr. med. Dana Seidlová-Wuttke ]<br />

➔Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Schlafstörungen,<br />

<strong>de</strong>pressive Verstimmungen und Reizbarkeit zählen zu<br />

<strong>de</strong>n typischen Beschwer<strong>de</strong>n, über die viele Frauen während <strong>de</strong>s<br />

Klimakteriums klagen. Infolge <strong>de</strong>s Östrogenmangels kann es<br />

neben diesen neurovegetativen Symptomen jedoch auch zu somatischen<br />

Verän<strong>de</strong>rungen wie vaginaler Trockenheit o<strong>de</strong>r Gewichtszunahme<br />

kommen. Eine <strong>de</strong>r schwerwiegendsten Folgen<br />

<strong>de</strong>s postmenopausalen Östrogen<strong>de</strong>fizits stellt die Osteoporose<br />

dar. Eine Hormonsubstitution ist in <strong>de</strong>r Lage, <strong>de</strong>n Knochenabbau<br />

zu bremsen, wird aber aufgrund <strong>de</strong>r zahlreichen unerwünschten<br />

Nebenwirkungen, insbeson<strong>de</strong>re karzinogener und<br />

kardiovaskulärer Risiken, von vielen Frauen abgelehnt. Es<br />

besteht daher ein hoher Bedarf an wirksamen und gleichzeitig<br />

sicheren Behandlungsalternativen.<br />

Die in zahlreichen Nahrungsergänzungsmitteln enthaltenen<br />

Phytoöstrogene zeigen zwar östrogenartige Effekte, ihre Wirksamkeit<br />

und Sicherheit gilt jedoch nicht als ausreichend belegt.<br />

Das Bun<strong>de</strong>sinstitut für Risikobewertung (BfR-Stellungnahme<br />

Nr. 23/2007) rät daher von einem Einsatz von Produkten mit<br />

isolierten Isoflavonen auf Soja- und Rotkleebasis als Alternative<br />

zur Hormonersatztherapie ab. Zur Behandlung klimakterischer<br />

Beschwer<strong>de</strong>n haben sich dagegen Phytotherapeutika mit<br />

Extrakten aus <strong>de</strong>m getrockneten Wurzelstock <strong>de</strong>r Traubensilberkerze<br />

(Cimicifuga racemosa, syn. Actaea racemosa) in <strong>de</strong>r<br />

Alltagspraxis gut etabliert. Zu <strong>de</strong>n pharmakologisch und klinisch<br />

am besten erforschten Cimicifuga-Präparaten zählt <strong>de</strong>r<br />

standardisierte Spezialextrakt BNO 1055 (Klimadynon ® ). Die<br />

wichtigsten wirksamkeitsbestimmen<strong>de</strong>n Inhaltsstoffe sind<br />

■ Triterpenglykosi<strong>de</strong>,<br />

■ Phytosterine,<br />

■ Flavonoi<strong>de</strong>,<br />

■ Salizylsäure und<br />

■ Bitterstoffe.<br />

Die Inhaltsstoffe von Cimicifuga lin<strong>de</strong>rn nicht nur<br />

klimakterische Beschwer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn scheinen auch<br />

osteoprotektiv zu wirken.<br />

Heute geht man davon aus, dass die Lin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r typischen<br />

klimakterischen Symptomatik durch <strong>de</strong>n Cimicifuga-Extrakt<br />

nicht über eine Bindung an bekannte Östrogenrezeptoren vermittelt<br />

wird. Diskutiert wer<strong>de</strong>n vielmehr an<strong>de</strong>re Mechanismen,<br />

wie die Aktivierung <strong>de</strong>s Arylhydrokarbonrezeptors (Jarry et<br />

al. 2003, 2005). Umfangreiche klinische Daten bei postmenopausalen<br />

Patientinnen belegen die Wirksamkeit, Sicherheit<br />

und Verträglichkeit <strong>de</strong>s Cimicifuga-Spezialextrakts. BNO 1055<br />

erwies sich in <strong>de</strong>n Studien als ähnlich wirksam wie eine Hormonersatztherapie<br />

mit einem weitaus geringerem Nebenwirkungspotenzial<br />

(Wuttke et al. 2003, 2006). Den Studiendaten<br />

zufolge lassen sich mit <strong>de</strong>m Cimicifuga-Spezialextrakt klimakterische<br />

Beschwer<strong>de</strong>n insgesamt um 50 Prozent reduzieren,<br />

Hitzewallungen sogar um 80 Prozent. Zu berücksichtigen ist,<br />

dass sich die volle Wirkung erst nach etwa zwölf Wochen entfaltet.<br />

Auch bei Langzeitanwendung sind – im Gegensatz zur<br />

Hormonersatztherapie – keine proliferativen Wirkungen auf<br />

Mamma- und Endometriumgewebe zu befürchten (z.B. Wuttke<br />

et al. 2003, 2006, Raus et al. 2006).<br />

Einige Daten weisen außer<strong>de</strong>m darauf hin, dass <strong>de</strong>r Cimicifuga-Extrakt<br />

BNO 1055 über eine osteoprotektive Wirkung verfügen<br />

könnte, wie sie für die Östrogensubstitution bekannt ist.<br />

Bildnachweis: Bionorica (1)<br />

12 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


SCHWERPUNKT<br />

Das RANK/RANKL/OPG-Konzept<br />

Abbildung 1: Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Knochenmarker unter Laborbedingungen.<br />

Quelle: Lippuner, Schweiz Med Forum 8 (12-13): 229–232<br />

Bei Osteoporose gerät <strong>de</strong>r Knochenmetabolismus<br />

aus <strong>de</strong>r Balance<br />

Damit die Knochen ihre Funktionen erfüllen können, muss sich<br />

<strong>de</strong>r Auf- und Abbau von Knochensubstanz die Waage halten.<br />

Dafür sorgt ein komplexes Zusammenspiel zwischen Osteoklasten<br />

und Osteoblasten (Lippuner 2008). Die Osteoklasten<br />

sind für die resorptiven Prozesse zuständig, in<strong>de</strong>m sie durch<br />

ein saures Milieu mineralische und organische Bestandteile aus<br />

<strong>de</strong>r Knochenmatrix lösen. Danach kommt es zur Apoptose <strong>de</strong>r<br />

Osteoklasten. Während <strong>de</strong>r Knochenbildungsphase gelangen<br />

Osteoblasten an die Knochenoberfläche und lagern neu synthetisiertes<br />

Osteoid ab, das anschließend mineralisiert wird.<br />

Für die Koordination dieser Umbauvorgänge sind Kopplungsmechanismen<br />

zwischen Osteoklasten und Osteoblasten erfor<strong>de</strong>rlich,<br />

bei <strong>de</strong>nen verschie<strong>de</strong>ne Hormone, Wachstumsfaktoren,<br />

Zytokine und Sterole als Botenstoffe eine Rolle spielen. Die<br />

entsprechen<strong>de</strong>n Rezeptoren fin<strong>de</strong>n sich auf <strong>de</strong>n Osteoblasten.<br />

Die Osteoblasten bil<strong>de</strong>n auch <strong>de</strong>n Ligan<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Rezeptoraktivator<br />

von Nuclear Factor-B (RANK), <strong>de</strong>r auf Osteoklasten<br />

und <strong>de</strong>ren Vorläuferzellen exprimiert wird. Die Bindung<br />

<strong>de</strong>s RANK-Ligan<strong>de</strong>n (RANKL) an seinen spezifischen<br />

Rezeptor stimuliert die Reifung, Proliferation und Aktivierung<br />

von Osteo klasten. Dadurch erhöht sich die Knochenresorption,<br />

und die Knochenmineraldichte und -masse nimmt ab.<br />

Ebenfalls von Osteoblasten sezerniert wird <strong>de</strong>r lösliche Zytokinrezeptor<br />

Osteoprotegerin (OPG), <strong>de</strong>r als natürlicher „Decoy“-Rezeptor<br />

(Fangrezepter) <strong>de</strong>s RANKL fungiert. Über<br />

kompetitive Bindung an RANK hemmt OPG die RANKL-induzierte<br />

Osteoklastenfunktion und reduziert so die Knochenresorption<br />

(Abbildung 1).<br />

Störungen <strong>de</strong>s RANK/RANKL/OPG-Pfa<strong>de</strong>s spielen bei einer<br />

Reihe von Knochenerkrankungen eine Rolle. So gerät bei <strong>de</strong>r<br />

postmenopausalen Osteoporose <strong>de</strong>r Knochenmetabolismus aus<br />

seinem physiologischen Gleichgewicht: Aufgrund sinken<strong>de</strong>r<br />

Genexpression Knochen (Ovx-Ratten)<br />

Abbildung 2: Effekte von BNO 1055 auf die Genexpression in <strong>de</strong>r Femur-Metaphyse<br />

von ovarektomierten Ratten.<br />

Quelle: Wuttke et al.,<br />

Maturitas Supplement 2003,9–20<br />

14 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


Trabekuläre Knochendichte (Ovx-Ratten)<br />

Abbildung 3: Verluste <strong>de</strong>r Knochendichte von ovarektomierten Ratten.<br />

Quelle: Seidlovà-Wuttke et al., Maturitas Supplement 2003,39–50<br />

Östrogenspiegel kommt es zur gesteigerten RANKL-Expression,<br />

welche zu <strong>de</strong>r vermehrten Bildung von aktivierten Osteoklasten<br />

und somit zu einem erhöhten Knochenabbau führt.<br />

Das resultieren<strong>de</strong> Ungleichgewicht zwischen Knochenresorption<br />

und -neubildung führt zum Verlust an Knochenmasse und<br />

zur Beeinträchtigung <strong>de</strong>r Mikroarchitektur <strong>de</strong>s Knochens. Eine<br />

OPG-Sekretion <strong>de</strong>s Osteoblasten, verursacht durch Östrogen-<br />

Rezeptor-Agonisten, kann hingegen <strong>de</strong>n RANKL-induzierten<br />

Knochenabbau verhin<strong>de</strong>rn.<br />

Aktuelle Forschungsergebnisse (Seidlová-Wuttke et al. 2008)<br />

haben jetzt gezeigt, dass <strong>de</strong>r Cimicifuga-Extrakt BNO 1055 in<br />

<strong>de</strong>r Lage ist, die Freisetzung von RANKL aus <strong>de</strong>n Osteoblasten<br />

signifikant zu vermin<strong>de</strong>rn und so die Osteoklastengenese<br />

zu hemmen. Zu<strong>de</strong>m stimulierte <strong>de</strong>r Cimicifuga-Extrakt (CR)<br />

im Tiermo<strong>de</strong>ll die Osteokalzinproduktion in <strong>de</strong>n Osteoblasten<br />

und damit die Knochenneubildung. Auf die OPG-Sekretion<br />

blieb BNO 1055 ohne Einfluss. Östradiol senkte im Gegensatz<br />

dazu nicht nur die RANKL-Konzentration im Serum, son<strong>de</strong>rn<br />

hemmte auch die Osteokalzinproduktion und die Sekretion von<br />

OPG. Diese Befun<strong>de</strong> könnten die osteoprotektiven Effekte <strong>de</strong>s<br />

Bruchfestigkeit (Orx-Ratten)<br />

Cimicifuga-Extrakts erklären, die im Tiermo<strong>de</strong>ll sowie in klinischen<br />

Studien bei postmenopausalen Patientinnen beobachtet<br />

wur<strong>de</strong>n.<br />

Günstiger Einfluss auf <strong>de</strong>n Knochenstoffwechsel<br />

Bei ovarektomierten (Ovx) Ratten ließen sich zahlreiche positive<br />

Effekte <strong>de</strong>s Cimicifuga-Spezialextraktes auf <strong>de</strong>n Knochenstoffwechsel<br />

nachweisen. Das aus einer Ovarektomie<br />

resultieren<strong>de</strong> Östrogen<strong>de</strong>fizit führt zu einer verstärkten Knochenumbauaktivität.<br />

Der Knochenmetabolismus gerät aus <strong>de</strong>m<br />

Gleichgewicht, und schon nach wenigen Wochen entwickeln<br />

die Tiere eine schwere östrogenmangelinduzierte Osteoporose.<br />

■ Cimicifuga-Extrakt kann die Genexpression am<br />

Knochen günstig beeinflussen (Wuttke et al. 2003).<br />

Bei ovarektomierten Ratten konnte bereits nach einer einwöchigen<br />

Behandlung mit BNO 1055 ebenso wie mit Östradiol (E 2 )<br />

an <strong>de</strong>r Femur-Metaphyse eine verstärkte Expression <strong>de</strong>s IGF-<br />

1-Gens (Insulin-like Growth Factor) gemessen wer<strong>de</strong>n. IGF-1<br />

gilt als wichtiger Marker für die Osteoblastenaktivität und <strong>de</strong>n<br />

Knochenstoffwechsel (Pat.)<br />

Abbildung 4: Entwicklung <strong>de</strong>r Bruchfestigkeit <strong>de</strong>r<br />

Knochen von kastrierten (Orx) Ratten.<br />

Quelle: Seidlovà-Wuttke<br />

et al., Maturitas 2006<br />

Abbildung 5: Verän<strong>de</strong>rungen im Knochenstoffwechsel<br />

von klimakterischen Frauen.<br />

Quelle: Wuttke et al.,<br />

Maturitas Supplement 2003, 67–77<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 15


SCHWERPUNKT<br />

Knochenaufbau. Die Expression<br />

von TRAP (Tartrate Resistent<br />

Acid Phosphatase), ein Marker<br />

für die Osteoklastenaktivität und<br />

somit für die Knochenresorption,<br />

wur<strong>de</strong> dagegen vermin<strong>de</strong>rt (Abbildung<br />

2, Seite 14).<br />

Knochenmarker (Patientinnen)<br />

■ Cimicifuga-Extrakt reduziert<br />

<strong>de</strong>n postmenopausalen<br />

Verlust an Knochendichte<br />

(Seidlová-Wuttke et al. 2003)<br />

Bei ovarektomierten Ratten wur<strong>de</strong><br />

die Spongiosadichte (cancellous<br />

<strong>de</strong>nsity) an <strong>de</strong>r Tibia-Metaphyse<br />

mittels quantitativer Computertomographie<br />

gemessen. Unter<br />

einer dreimonatigen Behandlung<br />

mit BNO 1055 war <strong>de</strong>r Verlust an<br />

Spongiosadichte im Vergleich zu<br />

unbehan<strong>de</strong>lten Kontrolltieren signifikant geringer. Der Effekt<br />

unter Östradiol war <strong>de</strong>utlich ausgeprägt, trat jedoch unter Soja<br />

nicht auf (Abbildung 3, Seite 15).<br />

Abbildung 6: Entwicklung <strong>de</strong>r Knochenmarker von Patientinnen mit stark erhöhten<br />

beta-Crosslaps-Werten.<br />

Quelle: Raus et al., Menopause 2006, 13, 1–14<br />

■ Cimicifuga-Extrakt verbessert <strong>de</strong>n Knochenstoff wechsel<br />

(Wuttke et al. 2003)<br />

In einer doppelblin<strong>de</strong>n placebokontrollierten Studie, an <strong>de</strong>r 62<br />

postmenopausale Frauen im Alter zwischen 40 und 60 Jahren<br />

teilnahmen, wur<strong>de</strong>n die Verän<strong>de</strong>rungen von Knochenstoffwechselparametern<br />

im Serum unter zwölfwöchiger Behandlung<br />

mit BNO 1055 versus konjugierten Östrogenen überprüft.<br />

Als Marker für <strong>de</strong>n Knochenabbau wur<strong>de</strong>n die beta-Crosslaps<br />

bestimmt, die knochenspezifische alkalische Phosphatase wur<strong>de</strong><br />

als Parameter für <strong>de</strong>n Knochenaufbau herangezogen.<br />

Während die beta-Crosslaps-Werte unter Placebo anstiegen,<br />

kam es im Vergleich dazu unter BNO 1055 zu einer leichten<br />

und unter <strong>de</strong>r Östrogenbehandlung zu einer signifikanten Reduktion<br />

<strong>de</strong>s Knochenabbaumarkers. Die knochenspezifische<br />

alkalische Phosphatase verän<strong>de</strong>rte sich unter Placebo wie auch<br />

unter Östrogengabe kaum, war jedoch nach zwölfwöchiger Behandlung<br />

in <strong>de</strong>r Cimicifuga-Gruppe signifikant erhöht.<br />

Diese Befun<strong>de</strong> weisen darauf hin, dass <strong>de</strong>r Cimicifuga-Spezialextrakt<br />

die Aktivität <strong>de</strong>r Osteoklasten und damit <strong>de</strong>n Knochenabbau<br />

leicht zu hemmen vermag und gleichzeitig die Aktivität<br />

<strong>de</strong>r Osteoblasten und damit <strong>de</strong>n Knochenaufbau <strong>de</strong>utlich för<strong>de</strong>rt<br />

(Abbildung 5, Seite 15).<br />

■ Cimicifuga-Extrakt stärkt die Bruchfestigkeit <strong>de</strong>r<br />

Knochen (Seidlová-Wuttke et al. 2006)<br />

Wie bei weiblichen Ratten führt auch bei männlichen Tieren<br />

eine Kastration zu einem erhöhten Knochenumsatz, <strong>de</strong>r in<br />

eine Osteoporose mün<strong>de</strong>t. Bei orchi<strong>de</strong>ktomierten (Orx) Ratten<br />

konnten ähnliche osteoprotektive Effekte von BNO 1055 gezeigt<br />

wer<strong>de</strong>n wie in <strong>de</strong>n Untersuchungen mit ovarektomierten<br />

Tieren. Darüber hinaus war unter einer zwölfwöchigen Gabe<br />

von BNO 1055 die mechanische Bruchfestigkeit an <strong>de</strong>r Tibia-<br />

Metaphyse höher als bei unbehan<strong>de</strong>lten kastrierten Tieren. Dieser<br />

Effekt trat auch unter Östradiol auf, Testosteron (T) verbesserte<br />

die Stabilität dagegen nicht (Abbildung 4, Seite 15).<br />

Die im Tiermo<strong>de</strong>ll gefun<strong>de</strong>nen günstigen osteoprotektiven Effekte<br />

konnten durch Daten bei postmenopausalen Patientinnen<br />

bestätigt wer<strong>de</strong>n.<br />

■ Stark osteoporosegefähr<strong>de</strong>te Patientinnen profitieren<br />

beson<strong>de</strong>rs von einer Langzeitbehandlung mit<br />

Cimicifuga-Extrakt (Raus et al. 2006)<br />

In einer prospektiven offenen Phase-IV-Studie wur<strong>de</strong>n 375<br />

postmenopausale Frauen mit gesichertem Östrogenmangel im<br />

Alter zwischen 50 und 75 Jahren zwölf Monate lang mit BNO<br />

1055 behan<strong>de</strong>lt. Als Marker für <strong>de</strong>n Knochenabbau wur<strong>de</strong>n die<br />

beta-Crosslaps bestimmt, und als Marker für <strong>de</strong>n Knochenaufbau<br />

diente die Messung von Osteokalzin. Die Daten wur<strong>de</strong>n für<br />

drei Subgruppen separat ausgewertet, die zu Beginn <strong>de</strong>r Studie<br />

auf <strong>de</strong>r Basis <strong>de</strong>r beta-Crosslaps-Ausgangskonzentrationen gebil<strong>de</strong>t<br />

wor<strong>de</strong>n waren.<br />

In <strong>de</strong>r Gruppe <strong>de</strong>r 80 Patientinnen mit erhöhten beta-Crosslaps-Spiegeln<br />

zu Studienbeginn war <strong>de</strong>r antiresorptive Effekt<br />

<strong>de</strong>s BNO 1055 beson<strong>de</strong>rs ausgeprägt (Abbildung 6). Am En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r 52-wöchigen Behandlung war <strong>de</strong>r beta-Crosslaps-Spiegel<br />

gegenüber <strong>de</strong>r Baseline signifikant gesunken, das heißt, eine<br />

Überaktivität <strong>de</strong>r Osteoklasten konnte reduziert wer<strong>de</strong>n. Osteokalzin<br />

war gleichzeitig leicht erhöht. Bei Patientinnen, die<br />

ohnehin niedrige beta-Crosslaps-Ausgangswerte aufwiesen,<br />

stiegen dagegen sowohl beta-Crosslaps als auch Osteokalzin<br />

an. Im Teilkollektiv mit mittleren beta-Crosslaps-Ausgangskonzentrationen<br />

ließen sich nur geringfügige Verän<strong>de</strong>rungen<br />

feststellen.<br />

Diese vielversprechen<strong>de</strong>n Ergebnisse sollten in weiteren klinischen<br />

Untersuchungen überprüft wer<strong>de</strong>n, um das Potenzial<br />

<strong>de</strong>s Cimicifuga-Extraktes in <strong>de</strong>r Prävention <strong>de</strong>r postmenopausalen<br />

Osteoporose besser beurteilen zu können.<br />

■<br />

AUTOR<br />

MU Dr. Dr. med. Dana Seidlová-Wuttke<br />

Department of Endocrinology<br />

University Göttingen<br />

Robert-Koch-Straße 40 | 37075 Göttingen<br />

E-Mail: seidlova@med.uni-goettingen.<strong>de</strong><br />

Bildnachweis: fotolia (1)<br />

16 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


REPORT<br />

Vitamin- und Mineralstoffversorgung:<br />

Alles im grünen Bereich?<br />

➔<br />

Die im Januar 2008 veröffentlichte<br />

Nationale Verzehrstudie II zur<br />

Vitamin- und Mineralstoffversorgung<br />

zeichnete ein optimistisches Bild <strong>de</strong>r Versorgungssituation<br />

in Deutschland. Dem<br />

wi<strong>de</strong>rsprach die Gesellschaft für Biofaktoren<br />

e.V. (GfB) und for<strong>de</strong>rte in ihrer<br />

Stellungnahme eine differenziertere Betrachtung<br />

<strong>de</strong>r Realität.<br />

Die Gesellschaft für Biofaktoren<br />

ist ein gemeinnütziger Verein, <strong>de</strong>r das<br />

Ziel verfolgt, die wissenschaftlichen<br />

Grundlagen <strong>de</strong>r Therapie und Prophylaxe<br />

mit Biofaktoren zu för<strong>de</strong>rn. Vorsitzen<strong>de</strong>r<br />

ist Prof. Dr. med. Hans-Georg<br />

Classen, Stuttgart-Hohenheim. Dem<br />

wissenschaftlichen Beirat gehören an:<br />

Apotheker Uwe Gröber, Essen, Prof. Dr.<br />

Dr. med. Dieter Loew, Wiesba<strong>de</strong>n, Prof.<br />

Dr. med. Joachim Schmidt, Dres<strong>de</strong>n, und<br />

Prof. Dr. med. Hilmar Stracke, Gießen.<br />

berücksichtige nicht die Randgruppen.<br />

Viele Menschen erreichen aber die empfohlenen<br />

Dosen wichtiger Vitalstoffe aufgrund<br />

ungünstiger Nahrungsauswahl o<strong>de</strong>r<br />

wegen höheren Bedarfs nicht, betonen die<br />

Wissenschaftler von <strong>de</strong>r GfB. Dies gelte<br />

insbeson<strong>de</strong>re für Folsäure und Vitamin D,<br />

aber auch für die Vitamine A, E, B-Komplex,<br />

und sogar Kalzium, Magnesium,<br />

Zink und Jod wer<strong>de</strong>n nicht ausreichend<br />

zugeführt. Aufgrund <strong>de</strong>s seltenen Verzehrs<br />

von Fisch o<strong>de</strong>r Fischgerichten sei<br />

außer<strong>de</strong>m die Versorgung mit Omega-3-<br />

Fettsäuren oftmals mangelhaft.<br />

Risikogruppen sind oft keine<br />

Min<strong>de</strong>rheit mehr<br />

Dass zwischen ausgewogener Ernährung<br />

in <strong>de</strong>r Theorie und <strong>de</strong>m tatsächlichen<br />

Ernährungsverhalten Einzelner oft eine<br />

große Lücke klafft, zeigt selbst die Nationale<br />

Verzehrstudie, in<strong>de</strong>m sie feststellt,<br />

dass 79 Prozent <strong>de</strong>r befragten Männer<br />

und 86 Prozent <strong>de</strong>r Frauen nicht ausreichend<br />

mit Folsäure versorgt sind, 82<br />

Prozent <strong>de</strong>r Männer und 91 Prozent <strong>de</strong>r<br />

Frauen die Empfehlungen für die Aufnahme<br />

von Vitamin D unterschreiten und 46<br />

Prozent <strong>de</strong>r Männer und 55 Prozent <strong>de</strong>r<br />

Frauen nicht die empfohlene Kalziumzufuhr<br />

erreichen.<br />

Trotz dieser be<strong>de</strong>nklichen Daten muss<br />

man nach Meinung <strong>de</strong>r GfB davon ausgehen,<br />

dass die Metho<strong>de</strong>, mit <strong>de</strong>r die<br />

Zufuhr an Biofaktoren berechnet wur<strong>de</strong>,<br />

ein viel zu günstiges Bild vermittelt hat.<br />

Der aktuelle Lebensmittelverzehr wur<strong>de</strong><br />

nämlich mit Fragebögen erfasst und dann<br />

<strong>de</strong>r Gehalt an Biofaktoren mithilfe <strong>de</strong>s<br />

Bun<strong>de</strong>slebensmittelschlüssels berechnet.<br />

„Studien unter an<strong>de</strong>rem vom Arbeitskreis<br />

von Prof. Anke in Jena o<strong>de</strong>r von Prof.<br />

Classen in Hohenheim haben gezeigt,<br />

dass <strong>de</strong>rartige Schätzwerte z.B. für Magnesium<br />

und Zink um bis zu 25 Prozent<br />

über <strong>de</strong>n tatsächlich vorliegen<strong>de</strong>n Konzentrationen<br />

lagen. Das heißt, die Schätzwerte<br />

sind – außer beim Natrium – meist<br />

zu hoch“, erklären die Wissenschaftler<br />

von <strong>de</strong>r GfB.<br />

Die Gesellschaft für Biofaktoren appelliert<br />

daher an alle Verantwortlichen, Rand- und<br />

Risikogruppen mehr Aufmerksamkeit zu<br />

schenken. Wenn eine Umstellung <strong>de</strong>s Ernährungsverhaltens<br />

nicht möglich ist o<strong>de</strong>r<br />

ein durch Krankheit, Medikamenteneinnahme<br />

o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Umstän<strong>de</strong> bedingter<br />

Mehrbedarf vorliegt, sei <strong>de</strong>shalb eine<br />

Ergänzung durch geeignete Supplemente<br />

zu empfehlen. Detaillierte Informationen,<br />

z.B. über Risikogruppen o<strong>de</strong>r krankheitsund<br />

medikamentös bedingte Vitamin<strong>de</strong>fizite,<br />

fin<strong>de</strong>n sich auf <strong>de</strong>r Internetseite<br />

<strong>de</strong>r Gesellschaft für Biofaktoren unter<br />

www.gf-biofaktoren.<strong>de</strong>.<br />

■<br />

Dr. Marcela Ullmann<br />

Wer sich in Deutschland ausgewogen<br />

ernährt, kann sicher sein, mit <strong>de</strong>n wichtigsten<br />

Vitaminen und Nährstoffen versorgt<br />

zu sein, so die Kernaussage <strong>de</strong>r<br />

im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sministeriums für<br />

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

durchgeführten bun<strong>de</strong>sweiten,<br />

bevölkerungsrepräsentativen Querschnittstudie<br />

(siehe Kasten rechts).<br />

Ein kritischer Blick auf die Details <strong>de</strong>r Erhebung<br />

zeige aber, dass das nur die halbe<br />

Wahrheit ist, meint die in Stuttgart ansässige<br />

Gesellschaft für Biofaktoren dazu.<br />

Die positive Beurteilung beziehe sich auf<br />

die Mittelwerte <strong>de</strong>r erhobenen Daten und<br />

Nationale Verzehrstudie II<br />

Im Auftrag <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz<br />

wur<strong>de</strong>n in einer bun<strong>de</strong>sweiten, bevölkerungsrepräsentativen Querschnittsstudie von November<br />

2005 bis Januar 2007 Daten von 580 Jungen und 544 Mädchen im Alter zwischen<br />

14 und 17 Jahren sowie 6 117 Männern und 7 090 Frauen im Alter zwischen 18 und 80<br />

Jahren erfasst. Neben Körpergröße, Körpergewicht und Taillenumfang wur<strong>de</strong>n mithilfe<br />

einer ausführlichen Befragung mit standardisierten Fragebögen auch die Ernährungsgewohnheiten<br />

festgehalten. Die Zufuhr an Biofaktoren wie Vitaminen, Mengen- und Spurenelementen<br />

wur<strong>de</strong> allerdings nicht gemessen, son<strong>de</strong>rn nur geschätzt. Und zwar anhand<br />

<strong>de</strong>s Lebensmittelverzehrs von rund 1 000 Proban<strong>de</strong>n, die am Telefon über ihre Nahrungsaufnahme<br />

Auskunft gaben. Aus diesen Angaben wur<strong>de</strong>n die Inhaltsstoffe errechnet und<br />

in Beziehung zu <strong>de</strong>n Zufuhrempfehlungen <strong>de</strong>r Ernährungsgesellschaften von Deutschland,<br />

Österreich und <strong>de</strong>r Schweiz (D-A-CH-Referenzwerte) gesetzt.<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 17


GASTKOMMENTAR<br />

Die gegenwärtigen<br />

Regularien für pflanzliche<br />

Produkte sind insuffizient<br />

Prof. Dr. Susanne Alban<br />

Pharmazeutisches Institut <strong>de</strong>r Universität Kiel<br />

➔Nach Umsatzeinbrüchen pflanzlicher Arzneimittel in<br />

<strong>de</strong>n letzten Jahren infolge <strong>de</strong>s GMG von 2004 sind<br />

unsere guten alten Arzneipflanzen wie<strong>de</strong>r stark im Aufwind!<br />

In Kapsel- und Drageeform füllen sie die Regale in<br />

Drogerie- und Supermärkten und wan<strong>de</strong>rn „en passent“ in<br />

<strong>de</strong>n Einkaufswagen o<strong>de</strong>r können bequem im Internet bestellt<br />

wer<strong>de</strong>n. Der Verbraucher ist begeistert, <strong>de</strong>nn die Werbung<br />

verheißt ja so viel Gutes, und diese Mittel haben im Gegensatz<br />

zu Arzneimitteln offensichtlich keinerlei Risiken. Es<br />

han<strong>de</strong>lt sich nämlich um Lebensmittel, insbeson<strong>de</strong>re Nahrungsergänzungsmittel,<br />

die nun auch in Deutschland zunehmend<br />

auf <strong>de</strong>n Markt drängen. Während sich Hersteller<br />

pflanzlicher Arzneimittel mit gefor<strong>de</strong>rten Prüfungen zur<br />

Qualität und Stabilität, zur Unbe<strong>de</strong>nklichkeit und Wirksamkeit<br />

abmühen, lassen die Marketingstrategen im Lebensmittelbereich<br />

ihrer Phantasie freien Lauf – wobei die Juristen<br />

ihnen Kniffe und Tricks verraten, wie sich zunächst unbehelligt<br />

Umsätze erzielen lassen.<br />

Diese Schil<strong>de</strong>rung ist sicherlich eine nicht objektive Karikatur<br />

zum aktuellen Spannungsfeld zwischen pflanzlichen<br />

Arzneimitteln und Produkten mit pflanzlichen Zutaten, die<br />

<strong>de</strong>n Lebensmitteln zugeordnet wer<strong>de</strong>n. Diese oberflächlich<br />

betrachtet vor allem für <strong>de</strong>n Verbraucher vergleichbaren<br />

Produkte sorgen zurzeit für sehr viel Zündstoff.<br />

Der grundlegen<strong>de</strong> und für die Praxis relevante Unterschied<br />

zwischen Arzneimitteln und Lebensmitteln liegt<br />

auf regulatorischer Ebene. Während Arzneimittel nur nach<br />

aufwendigem Beleg <strong>de</strong>r Qualität, Wirksamkeit und Unbe<strong>de</strong>nklichkeit<br />

zugelassen wer<strong>de</strong>n, besteht bei Lebensmit teln,<br />

abgesehen von speziellen Ausnahmen wie Novel Food, lediglich<br />

eine Anzeigepflicht bei <strong>de</strong>r zuständigen Bun<strong>de</strong>soberbehör<strong>de</strong>.<br />

Infolge<strong>de</strong>ssen können Lebensmittel mit geringen<br />

Entwicklungskosten schnell in Verkehr gebracht wer<strong>de</strong>n.<br />

Bei Kritik aus <strong>de</strong>r Arzneimittel-Liga verweisen die Lebensmittelprotagonisten<br />

gerne auf die komplexen rechtlichen Anfor<strong>de</strong>rungen,<br />

<strong>de</strong>nen Lebensmittel unterliegen. Demzufolge<br />

dürfen Lebensmittel nur in Verkehr gebracht wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

sie sicher sind und nicht irreführend beworben wer<strong>de</strong>n. Das<br />

Problem ist aber, dass diesen Vorgaben <strong>de</strong> facto – bewusst<br />

o<strong>de</strong>r unbewusst – oft wenig Beachtung geschenkt wird.<br />

Wozu auch dieser Aufwand, <strong>de</strong>nn es wird ja von keinem – im<br />

Gegensatz zu Arzneimitteln – a priori überprüft!<br />

Die Konsequenzen im Bereich <strong>de</strong>r Sicherheit und Werbung<br />

sind bekannt: Zum einen eine steigen<strong>de</strong> Zahl von Meldungen<br />

und Publikationen über schädliche Wirkungen pflanzlicher<br />

Produkte, wobei auf diesem Weg auch sowohl hochwertige<br />

pflanzliche Lebensmittel als auch Phytopharmaka unberechtigt<br />

in Misskredit geraten. Deshalb wer<strong>de</strong>n nun verstärkt<br />

For<strong>de</strong>rungen nach strengeren Qualitäts- und Sicherheitsanfor<strong>de</strong>rungen<br />

bzw. -kontrollen laut.<br />

Mit <strong>de</strong>r Schaffung <strong>de</strong>r Kategorie traditioneller Arzneimittel<br />

hatte man ursprünglich auf europäischer Ebene die Intenti-<br />

Bildnachweis: privat (1)<br />

18 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


on, diesbezüglich Abhilfe zu schaffen. Aber die hohen Anfor<strong>de</strong>rungen an Qualität<br />

und Sicherheit för<strong>de</strong>rn gera<strong>de</strong>zu die „Flucht“ <strong>de</strong>r Hersteller zu <strong>de</strong>n Nahrungsergänzungsmitteln.<br />

Zum an<strong>de</strong>ren ist ein wahrer „Wildwuchs“ an Wirkversprechen<br />

zu verzeichnen. Manchmal mag eine Formulierung zwar juristisch akzeptabel<br />

sein, aber die Erwartungen, die sie beim Verbraucher auslöst, können <strong>de</strong>nnoch<br />

jenseits <strong>de</strong>r Realität liegen.<br />

Diesem Punkt möchte man auf europäischer Ebene mit <strong>de</strong>r Health-Claims-Verordnung<br />

– Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene<br />

Angaben über Lebensmittel – begegnen. Die aus Vorschlägen europäischer<br />

Hersteller erstellte „Health Claims List Draft“ liest sich wie ein Auszug aus einem<br />

alten Kräuterbuch und lässt die „Indikationslyrik“ vergangener Zeiten wie<strong>de</strong>r<br />

aufleben. Da eigene Daten zu <strong>de</strong>n Claims fehlen, beruft man sich u.a. auf die<br />

Anwendung in <strong>de</strong>r Medizin. Es wird also Erkenntnismaterial zur therapeutischen<br />

Wirksamkeit bei Patienten kritiklos auf Gesun<strong>de</strong> übertragen. Wie die EFSA <strong>de</strong><br />

facto über Health-Claims-Anträge entschei<strong>de</strong>n wird, bleibt abzuwarten.<br />

Die Problematik liegt aber nicht nur auf <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>r Produkte, son<strong>de</strong>rn auch auf<br />

<strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>r Verbraucher. Zwar möchte man, dass <strong>de</strong>r Verbraucher mehr Verantwortung<br />

für seine Gesundheit übernimmt, die jetzige Situation wird <strong>de</strong>m aber<br />

nicht gerecht. Bedingt durch das Heilmittelwerbegesetz (HWG) erhalten sie Informationen<br />

über Arzneimittel primär aus <strong>de</strong>r Gebrauchsinformation. Aufgrund<br />

<strong>de</strong>r <strong>de</strong>taillierten Angaben über potenzielle Risiken wird er eher abgeschreckt bzw.<br />

gegebenenfalls bemüht sein, das Arzneimittel richtig anzuwen<strong>de</strong>n. Nahrungsergänzungsmittel,<br />

die <strong>de</strong>m Eindruck zufolge <strong>de</strong>mgegenüber nur positive Wirkungen<br />

und keine Risiken aufweisen, erscheinen daher nachvollziehbar als die bessere<br />

Wahl.<br />

Der Verbraucher konsumiert sie eigenmächtig ohne Beratung beziehungsweise<br />

Kontrolle durch einen Arzt o<strong>de</strong>r Apotheker und ohne eine in allen Punkten korrekte<br />

Information. In bestimmten Fällen wie zum Beispiel bei Diabetikern kann<br />

eine <strong>de</strong>rartige „Selbstmedikation“ ausgesprochen inadäquat sein. Ferner können,<br />

abgesehen von einer nicht gewährleisteten Qualität, Überdosierungen o<strong>de</strong>r Interaktionen<br />

mit gleichzeitig eingenommenen Arzneimitteln eine zusätzliche Gefahr<br />

darstellen.<br />

Ein Aspekt, <strong>de</strong>r die regulatorische Diskrepanz zwischen Arzneimitteln und<br />

Lebensmitteln gera<strong>de</strong>zu grotesk wer<strong>de</strong>n lässt, ist die Tatsache, dass vergleichbare<br />

Produkte <strong>de</strong> jure sowohl als Arzneimittel wie als bilanzierte Diät o<strong>de</strong>r als<br />

Nahrungsergänzungsmittel vermarktet wer<strong>de</strong>n können. Dies kann hinsichtlich<br />

<strong>de</strong>r Wirkungen sogar gerechtfertigt sein, <strong>de</strong>r unterschiedliche Aufwand bis zum<br />

Marktzugang ist es aber sicherlich nicht. Ebenso wenig ist zu verstehen, dass<br />

beispielsweise Anistee gera<strong>de</strong>zu „gefährlich“ ist, wenn er als Arzneitee verkauft<br />

wird, als Lebensmitteltee kann er aber weiterhin ohne Be<strong>de</strong>nken auch kleinen<br />

Kin<strong>de</strong>rn verabreicht wer<strong>de</strong>n.<br />

Ähnlich absurd ist das juristische Wortspiel, dass Nahrungsergänzungsmittel<br />

das „Risiko für eine Erkrankung reduzieren“, während Arzneimittel „einer Erkrankung<br />

vorbeugen“. Es veranschaulicht die Schwierigkeit, (ernährungs)physiologische<br />

und pharmakologische Wirkungen voneinan<strong>de</strong>r abzugrenzen.<br />

Insgesamt wird <strong>de</strong>utlich, dass die gegenwärtigen Regularien für pflanzliche Produkte<br />

insuffi zient sind, und dass für ein konstruktives Vorgehen eine engere<br />

Zusammenarbeit <strong>de</strong>r zuständigen Behör<strong>de</strong>n wünschenswert wäre. Aus pharmazeutisch-wissenschaftlicher<br />

Sicht sollten alle Produkte, die eingesetzt wer<strong>de</strong>n,<br />

um das hohe und sensible Gut <strong>de</strong>r Gesundheit zu beeinflussen, mit <strong>de</strong>r gleichen<br />

Vorsicht und Seriosität behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Demzufolge sollte vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n,<br />

dass <strong>de</strong>r mühsam erarbeitete Standard pflanzlicher Arzneimittel zugunsten von<br />

Lebensmitteln aufgegeben wird.<br />

Ihre Susanne Alban<br />

Nr. 1 | Februar 2009


SCHWERPUNKT<br />

Herzprävention<br />

Weißdorn-Extrakt: Günstig<br />

für Herzkraft und Endothel<br />

Weißdorn-Extrakt ist ein pflanzliches Kardiakum, <strong>de</strong>m positiv inotrope Effekte zugeschrieben wer<strong>de</strong>n.<br />

Seine Wirksamkeit bei <strong>de</strong>r Behandlung leichterer Stadien <strong>de</strong>r Herzinsuffi zienz (NYHA I und II) ist klinisch<br />

gut dokumentiert. Die Ergebnisse einer experimentellen Studie geben jetzt Aufschluss über die zugrun<strong>de</strong><br />

liegen<strong>de</strong>n Wirkmechanismen. [ von Dr. rer. nat. Klara Brixius ]<br />

➔Körperliche Aktivität geht stets mit einer verstärkten<br />

Kontraktion <strong>de</strong>r Skelettmuskulatur einher, was dazu<br />

führt, dass die beanspruchten Muskeln besser mit Sauerstoff<br />

und Nährstoffen versorgt wer<strong>de</strong>n als im Ruhezustand. Das ist<br />

allerdings nur dann <strong>de</strong>r Fall, wenn sich das Herz-Kreislauf-<br />

Sys tem an die erhöhte Belastung anpasst und durch Weitstellung<br />

<strong>de</strong>r entsprechen<strong>de</strong>n Blutgefäße und Erhöhung <strong>de</strong>s Schlagvolumens<br />

<strong>de</strong>s Herzens eine verstärkte Durchblutung <strong>de</strong>r<br />

Muskeln ermöglicht. Letztlich be<strong>de</strong>utet es, dass die Fähigkeit<br />

<strong>de</strong>s Herz-Kreislauf-Systems, seine Leistung zu steigern, eine<br />

Vor aussetzung für die körperliche Aktivität darstellt. Diese ist<br />

aber wie<strong>de</strong>rum für das Herz-Kreislauf-System im Sinne eines<br />

Trainingseffektes unentbehrlich. Diese enge Wechselwirkung<br />

zwischen Herzleistung und körperlicher Aktivität kann therapeutisch<br />

genutzt wer<strong>de</strong>n.<br />

Die rein physikalische Funktionsweise <strong>de</strong>s Herz-Kreislauf-<br />

Sys tems hat bekanntlich Ähnlichkeiten mit einer „Hau-<strong>de</strong>n-<br />

Lukas“-Apparatur. Die Herzkontraktion stellt <strong>de</strong>n Hammerschlag<br />

dar, und <strong>de</strong>r im Körper aufgebaute (systolische)<br />

Blutdruck entspricht <strong>de</strong>r Höhe <strong>de</strong>r Säule, die durch <strong>de</strong>n Hammerschlag<br />

erreicht wird. Die physikalische Definition von<br />

Druck ist <strong>de</strong>r Quotient aus Kraft – bzw. <strong>de</strong>m Produkt aus<br />

Masse und Beschleunigung – und Fläche.<br />

Kraft<br />

Druck = =<br />

Fläche<br />

Masse x Beschleunigung<br />

Fläche<br />

In medizinischer Hinsicht versteht man unter Blutdruck <strong>de</strong>n<br />

Druck, <strong>de</strong>n das Blut auf die Gefäßwand ausübt. Er entsteht<br />

dadurch, dass die Masse <strong>de</strong>r Blutkörperchen durch <strong>de</strong>n Herzschlag<br />

beschleunigt wird. Die Blutdruckregulation ist dabei<br />

im Wesentlichen von drei Faktoren abhängig:<br />

■ <strong>de</strong>r Blutviskosität,<br />

■ <strong>de</strong>r Herzkontraktilität,<br />

■ <strong>de</strong>r Fläche <strong>de</strong>r Gefäßwän<strong>de</strong>.<br />

Gefäßelastizität<br />

Abbildung 1: Entwicklung <strong>de</strong>r Gefäßelastizität<br />

im Alter.<br />

Modifi ziert nach Grandi et al., Cardiology (1992) 81: 8–13 (links),<br />

modifi ziert nach Celermajer et al., J Am Coll Cardiol (1994) 24: 471–476 (rechts)<br />

Das Endothel stellt die Weichen<br />

Für die Weitstellung <strong>de</strong>r Blutgefäße unter körperlicher Belastung<br />

– und damit für eine Zunahme <strong>de</strong>r Gefäßfläche bzw.<br />

eine Abnahme <strong>de</strong>s Blutdrucks – ist das Endothel zuständig.<br />

In <strong>de</strong>r Medizin wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Endothel lange Zeit keine beson<strong>de</strong>re<br />

Be<strong>de</strong>utung zugemessen. Es wur<strong>de</strong> lediglich als Barriere<br />

zwischen <strong>de</strong>m Blut in <strong>de</strong>n Gefäßen und <strong>de</strong>r darunter liegen<strong>de</strong>n<br />

glatten Muskulatur angesehen. Dieses Verständnis vom<br />

Endothel wur<strong>de</strong> 1980 durch eine Publikation aus <strong>de</strong>m Labor<br />

von Prof. Furchgott grundlegend verän<strong>de</strong>rt.<br />

Dem Assistenten von Prof. Robert F. Furchgott war aufgefallen,<br />

dass sich die isolierten Aortenringe in seiner Präparationsschale<br />

in Reaktion auf Acetylcholin manchmal kontrahierten<br />

und manchmal relaxierten. Für die Aufklärung <strong>de</strong>r darin<br />

zugrun<strong>de</strong> liegen<strong>de</strong>n Mechanismen erhielt Prof. Furchgott zusammen<br />

mit Prof. Murad und Prof. Ignarro <strong>de</strong>n Nobelpreis.<br />

Unter Belastung wird aus <strong>de</strong>m Endothel Stickstoffmon oxid<br />

(engl. „nitric oxi<strong>de</strong>“, NO) freigesetzt. NO ist ein relativ<br />

kleines Molekül, das ungehin<strong>de</strong>rt durch die Zellmembranen<br />

diffundieren kann und somit von <strong>de</strong>r Endothelzelle in die<br />

Bildnachweis: KFN (3)<br />

20 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


Erhöhung <strong>de</strong>r Herzkraft<br />

Gefäßerweitern<strong>de</strong> Wirkung<br />

Abbildung 2: Erhöhung <strong>de</strong>r Herzkraft und Steigerung<br />

<strong>de</strong>r Calciumkonzentration nach Gabe von WS ® 1442 im<br />

Vergleich zur Kontrolle.<br />

Quelle: Brixius et al.,<br />

J Cardiovasc Ther (2000) 35: 700–707<br />

Abbildung 3: Gefäßerweitern<strong>de</strong> Wirkung von WS ® 1442<br />

und seiner Fraktionen.<br />

Quelle: Brixius et al.,<br />

Cardiovasc Drugs Ther (2006) 20: 177–184<br />

Gefäßmuskelzelle gelangt. Hier bewirkt NO durch ein Absenken<br />

<strong>de</strong>r intrazellulären Calciumkonzentration eine Relaxation<br />

<strong>de</strong>r Gefäßmuskelzellen. Durch die Gefäßweitstellung<br />

verbessert sich die Durchblutung und damit auch die Sauerstoff-<br />

und Nährstoffversorgung <strong>de</strong>s betreffen<strong>de</strong>n Organs, z.B.<br />

<strong>de</strong>s Herzmuskels.<br />

Für die Erhöhung <strong>de</strong>s Schlagvolumens unter körperlicher Belastung<br />

ist es notwendig, dass sich die Muskelzellen <strong>de</strong>s Herzens<br />

stärker kontrahieren. Im Gegensatz zur Gefäßmuskulatur<br />

muss <strong>de</strong>shalb die intrazelluläre Calciumkonzentration in<br />

<strong>de</strong>n Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) durch körperliche<br />

Aktivität gesteigert wer<strong>de</strong>n. Parallel hierzu kommt es durch<br />

eine verstärkte Sympathikusaktivität zu einer Steigerung <strong>de</strong>r<br />

Herzfrequenz. Der Zusammenhang zwischen einem Anstieg<br />

<strong>de</strong>r Herzfrequenz und <strong>de</strong>r Zunahme <strong>de</strong>r Kontraktionskraft <strong>de</strong>s<br />

Herzens wird als „positive Treppe“ o<strong>de</strong>r „Bowditch-Effekt“<br />

bezeichnet. Dieser Effekt trägt mit dazu bei, dass sich unter<br />

körperlicher Belastung die Durchblutung verbessert.<br />

Studie untersucht Wirkprinzip von Crataegus-Extrakt<br />

Mit zunehmen<strong>de</strong>m Alter verschlechtern sich bei<strong>de</strong> Faktoren –<br />

die Endothelfunktion und die Herzkraft. Das beeinträchtigt<br />

neben verschie<strong>de</strong>nen an<strong>de</strong>ren Faktoren auch die körperliche<br />

Belastungsfähigkeit, ein Effekt, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Regel bereits ab<br />

<strong>de</strong>n mittleren Lebensjahren eintritt (Abbildung 1). Um das<br />

auszugleichen bzw. die Progression dieses Prozesses abzubremsen,<br />

wer<strong>de</strong>n unterschiedliche Strategien diskutiert, u.a.<br />

körperliches Training und die Gabe von Extrakten aus Weißdorn.<br />

Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r positive Einfluss von standardisierten Crataegus-Extrakten<br />

auf leichtere Formen <strong>de</strong>r Herzinsuffizienz und<br />

die typischen Symptome nachlassen<strong>de</strong>r Herzkraft bereits in<br />

einer Reihe von klinischen Studien dokumentiert wer<strong>de</strong>n<br />

konnte, wollten wir experimentell <strong>de</strong>n Wirkmechanismus<br />

klären, <strong>de</strong>r diesen Effekten zugrun<strong>de</strong> liegt. In unseren Untersuchungen<br />

interessierte uns vor allem, welche Wirkungen <strong>de</strong>r<br />

Gesamtextrakt auf die Endothelfunktion und die Herzkraft<br />

ausübt und welche Fraktionen <strong>de</strong>s Extrakts hierzu in welcher<br />

Weise beitragen. Als Prüfsubstanz diente WS ® 1442, ein Spezialextrakt<br />

aus Weißdornblättern mit -blüten, <strong>de</strong>r auf einen<br />

gleichbleibend hohen Gehalt oligomerer Procyanidine (Herz-<br />

OPCs) quantifiziert ist. Gleichzeitig untersucht wur<strong>de</strong>n drei<br />

seiner Fraktionen:<br />

■ Fraktion A, reich an Flavon<strong>de</strong>rivaten,<br />

■ Fraktion B, die nie<strong>de</strong>rmolekulare Fraktion,<br />

■ Fraktion C, reich an oligomeren Procyanidinen.<br />

In Abbildung 2 und 3 sind die Ergebnisse unserer Untersuchungen<br />

an isolierten Papillarmuskelstreifen aus menschlichem<br />

nicht insuffi zientem Myokard dargestellt. Aus <strong>de</strong>n<br />

Daten lassen sich folgen<strong>de</strong> Schlussfolgerungen ziehen:<br />

■ WS ® 1442 steigert konzentrationsabhängig die Herzkraft.<br />

■ Die Erhöhung <strong>de</strong>r Konzentrationskraft beruht auf einer<br />

Steigerung <strong>de</strong>r intrazellulären Calciumkonzentration in<br />

<strong>de</strong>n Kardiomyozyten.<br />

■ Der Spezialextrakt verbessert auch die Kraft-Frequenz-<br />

Beziehung.<br />

■ Die Steigerung <strong>de</strong>r Kontraktionskraft beruht vor allem<br />

auf <strong>de</strong>n Inhaltsstoffen <strong>de</strong>r Fraktion A (reich an Flavon<strong>de</strong>rivaten),<br />

wobei jedoch <strong>de</strong>r Gesamtextrakt die stärkste<br />

Wirkung zeigt.<br />

■ Die vasodilatatorischen Eigenschaften <strong>de</strong>s Extrakts sind<br />

endothelabhängig.<br />

■ Sie beruhen auf einer Aktivierung <strong>de</strong>r endothelialen NO-<br />

Synthase und <strong>de</strong>r Freisetzung von Stickstoffmonoxid.<br />

■ Diese endothelialen Effekte wer<strong>de</strong>n vor allem durch<br />

die Wirkstoffe <strong>de</strong>r Fraktion C (reich an Herz-OPCs)<br />

vermittelt, die in diesem Fall sogar stärker sind als <strong>de</strong>r<br />

Gesamtextrakt.<br />

■<br />

AUTOR<br />

PD Dr. rer. nat. Klara Brixius<br />

Abteilung für Molekulare und Zelluläre Sportmedizin<br />

Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin<br />

Deutsche Sporthochschule Köln<br />

50933 Köln<br />

E-Mail: Brixius@dshs-koeln.<strong>de</strong><br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 21


AKTUELL<br />

Integrative Medizin<br />

Die Universitätspräsenz<br />

ist stark gewachsen<br />

Schulmediziner und Vertreter komplementärmedizinischer Ansätze (CAM) wollen künftig enger zusammenarbeiten.<br />

Unter diesem Leitgedanken stand <strong>de</strong>r 1. Europäische Kongress für Integrative Medizin, <strong>de</strong>r im<br />

November in Berlin stattfand. Die Veranstaltung ermöglichte einen konstruktiven Austausch zwischen<br />

Vertretern unterschiedlicher medizinischer Weltbil<strong>de</strong>r, die sich bislang oft noch skeptisch gegenüberstehen.<br />

Die Abstracts <strong>de</strong>r Kongressbeiträge erschienen in <strong>de</strong>r ersten Ausgabe <strong>de</strong>s ebenfalls neu gegrün<strong>de</strong>ten<br />

European Journal of Integrative Medicine. NATURAMED sprach mit <strong>de</strong>m Initiator <strong>de</strong>s Kongresses,<br />

Prof. Dr. med. Stefan Willich vom Institut für Sozialmedizin <strong>de</strong>r Charité Berlin.<br />

[ von Dr. Ina Schicker ]<br />

Johanniskraut-Extrakte sind auch von<br />

<strong>de</strong>r Schulmedizin anerkannt.<br />

NATURAMED: Was ist „Integrative<br />

Medizin“?<br />

PROF. WILLICH: Unter „Integrativer Medizin“<br />

verstehen wir die Kooperation von Schulmedizin<br />

und Komplementärmedizin inklusive<br />

<strong>de</strong>r etablierten alternativmedizinischen<br />

Richtungen. Wir halten dies für dringend<br />

notwendig im Sinne einer bestmöglichen<br />

Behandlung <strong>de</strong>s Patienten. Bisher sitzt er<br />

oft zwischen <strong>de</strong>n Stühlen und geht entwe<strong>de</strong>r<br />

zum Schulmediziner, <strong>de</strong>r nichts von <strong>de</strong>r<br />

alternativen Medizin wissen will, o<strong>de</strong>r zum<br />

Alternativmediziner, <strong>de</strong>r ihm wie<strong>de</strong>rum von<br />

<strong>de</strong>r Schulmedizin abrät. Und dieser Dualismus<br />

– so sind wir überzeugt – ist bei vielen<br />

Krankheitsbil<strong>de</strong>rn ungünstig. Die Schulmedizin<br />

hat ihre Stärken vor allem in <strong>de</strong>r Akutmedizin,<br />

und die Komplementärmedizin erscheint<br />

bei vielen chronischen Erkrankungen<br />

sinnvoll. Man sollte daher <strong>de</strong>n Patienten je<br />

nach Stadium seiner Erkrankung die jeweils<br />

optimale Kombination anbieten.<br />

NATURAMED: Welche komplementärmedizinischen<br />

Maßnahmen beziehen<br />

Sie da mit ein?<br />

PROF. WILLICH: Es geht um medizinische Metho<strong>de</strong>n,<br />

die sich in wissenschaftlichen Studien<br />

als sinnvoll und wirkungsvoll erwiesen<br />

haben. So haben wir an unserem Institut in<br />

<strong>de</strong>n Bereichen Akupunktur, Naturheilverfahren<br />

und Homöopathie viele Studien durchgeführt<br />

mit vielversprechen<strong>de</strong>n Ergebnissen.<br />

Es gibt an<strong>de</strong>re alternativmedizinische Richtungen,<br />

für die bisher weitaus weniger o<strong>de</strong>r<br />

überhaupt keine soli<strong>de</strong>n Daten vorliegen. Da<br />

muss man natürlich vorsichtig sein. Es geht<br />

darum, dass die integrative Zusammenarbeit<br />

und entsprechen<strong>de</strong> Patientenangebote<br />

auf <strong>de</strong>r Basis guter Forschungsergebnisse<br />

erfolgen.<br />

NATURAMED: Was ist Ihr Hintergrund<br />

und was sind Ihre Beweggrün<strong>de</strong>?<br />

PROF. WILLICH: Ich selbst bin Schulmediziner<br />

und habe zehn Jahre in <strong>de</strong>r Kardiologie<br />

gearbeitet – teils in Deutschland, teils in<br />

<strong>de</strong>n USA. Dabei habe ich die großen Stärken<br />

<strong>de</strong>r Schulmedizin kennengelernt und in<br />

<strong>de</strong>r Patientenversorgung genutzt. Ich habe<br />

Prof. Dr. med. Stefan Willich<br />

Berlin<br />

aber auch ihre Limitationen erlebt, gera<strong>de</strong><br />

bei vielen chronischen Krankheiten wie<br />

etwa bei Bluthochdruck o<strong>de</strong>r bei lebensbedrohlichen<br />

Krebserkrankungen. Aber auch<br />

bei akuten Erkrankungen, wie zum Beispiel<br />

<strong>de</strong>m Herzinfarkt, muss man längerfristig für<br />

erfolgreiche Rehabilitation auch Fragen <strong>de</strong>s<br />

Lebensstils und <strong>de</strong>r Lebenseinstellung <strong>de</strong>r<br />

Patienten mit berücksichtigen. Da sollte es<br />

nicht nur um Medikation gehen.<br />

Was die ganzheitliche Betrachtung und<br />

Beratung <strong>de</strong>s Patienten betrifft, könnte die<br />

Schulmedizin einiges von <strong>de</strong>r Komplementärmedizin<br />

lernen. Als ich dann Mitte <strong>de</strong>r<br />

90er-Jahre an die Charité berufen wur<strong>de</strong>,<br />

haben wir von Anfang an neben schulmedi-<br />

Bildnachweis: Schwabe (1), privat (1)<br />

22 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


zinischen Themen zunehmend auch komplementärmedizinische<br />

Projekte durchgeführt,<br />

<strong>de</strong>ren Ergebnisse zum großen Teil überraschend<br />

positiv und sehr ermutigend waren.<br />

Vor zwei Jahren haben wir die Charité-Ambulanz<br />

für Prävention und Integrative Medizin<br />

(CHAMP) eröffnet, in <strong>de</strong>r wir Konzepte<br />

einer kombinierten Herangehensweise entwickeln,<br />

wissenschaftlich überprüfen und<br />

<strong>de</strong>n Patienten anbieten.<br />

klinische Studien, was mit diesen Therapien<br />

zu erreichen ist. Und die Komplementärmediziner<br />

kritisieren das „fragmentarische“<br />

Menschenbild <strong>de</strong>r Schulmedizin.<br />

NATURAMED: Wie ge<strong>de</strong>nken Sie diese<br />

Hin<strong>de</strong>rnisse zu überbrücken? Sind die<br />

herkömmlichen wissenschaftlichen<br />

Metho<strong>de</strong>n auf die komplementärmedizinischen<br />

Ansätze anwendbar?<br />

NATURAMED: Sind das die Brücken,<br />

die Sie nutzen wollen, um die Lager<br />

einan<strong>de</strong>r näher zu bringen und skeptische<br />

Kollegen mit ins Boot <strong>de</strong>r Integrativen<br />

Medizin zu holen?<br />

PROF. WILLICH: Ja genau. Da braucht man<br />

sich gar nicht bis in die letzten Details zu<br />

akzeptieren. Das übergeordnete Ziel sollte<br />

für alle Beteiligten sein, für die Patienten die<br />

beste Therapieoption anzubieten. Dafür sind<br />

NATURAMED: An welche Patienten<br />

richtet sich dieses Angebot?<br />

PROF. WILLICH: Wir haben uns zunächst auf<br />

die Erkrankungen beschränkt, für die wir<br />

hier am Institut fachliche Kompetenz haben,<br />

zum Beispiel Herz-Kreislauf-Erkrankungen,<br />

Magen-Darm-Erkrankungen, chronische<br />

Schmerzen, chronische rheumatische Beschwer<strong>de</strong>n.<br />

Aber wir weiten das Behandlungsspektrum<br />

kontinuierlich in Zusammenarbeit<br />

mit an<strong>de</strong>ren Charité-Abteilungen aus<br />

und beabsichtigen, <strong>de</strong>mnächst auch zum<br />

Beispiel psychiatrische o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>rmatologische<br />

Erkrankungen zu behan<strong>de</strong>ln. Die enge<br />

Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>n Fachspezialisten<br />

wollen wir sukzessive ent wickeln.<br />

NATURAMED: Das heißt, Integrative<br />

Medizin richtet sich im Grun<strong>de</strong> genommen<br />

an alle Fachrichtungen?<br />

PROF. WILLICH: Ja, wir <strong>de</strong>nken, dass die<br />

Integrative Medizin künftig für die meisten<br />

Fachrichtungen relevant sein wird.<br />

Sechs Universitäten haben bereits Professuren für Naturheilkun<strong>de</strong> bzw.<br />

Komplementärmedizin:<br />

Universität Berlin (Charité)<br />

■ Lehrstuhl am Zentrum für Naturheilkun<strong>de</strong> Wannsee<br />

■ Professur zur Erforschung <strong>de</strong>r Komplementärmedizin<br />

Universität Bochum<br />

■ Professur für Phytotherapie und Naturstoffforschung<br />

Universität Essen<br />

■ Lehrstuhl für Naturheilkun<strong>de</strong> und Integrative Medizin<br />

Technische Universität München<br />

■ Professur für Naturheilkun<strong>de</strong> und Komplementärmedizin<br />

Universität Rostock<br />

■ Lehrstuhl für Naturheilkun<strong>de</strong><br />

Universität Witten-Her<strong>de</strong>cke<br />

■ Lehrstuhl für Medizintheorie und Komplementärmedizin<br />

NATURAMED: Wie waren die Reaktionen<br />

auf Ihre Initiative?<br />

PROF. WILLICH: Die Reaktionen waren<br />

insgesamt sehr ermutigend. Die Zeiten, in<br />

<strong>de</strong>nen sich die medizinischen Lager feindselig<br />

gegenüberstan<strong>de</strong>n, scheinen zum Glück<br />

vorbei zu sein. Wir haben viele positive<br />

Kommentare bekommen und durchaus auch<br />

Mitarbeit von schulmedizinischen und komplementärmedizinischen<br />

Kollegen. Sicherlich<br />

sind an<strong>de</strong>re noch immer skeptisch.<br />

NATURAMED: Was sind bisher die<br />

größten Hin<strong>de</strong>rnisse für die Zusammenarbeit<br />

von Schulmedizinern und Anhängern<br />

komplementärer Met ho<strong>de</strong>n?<br />

PROF. WILLICH: Schulmediziner bemängeln<br />

zu Recht die unzureichen<strong>de</strong> wissenschaftliche<br />

Basis <strong>de</strong>r Komplementärmedizin, insbeson<strong>de</strong>re,<br />

dass viele dieser Richtungen<br />

nicht mit <strong>de</strong>n mo<strong>de</strong>rnen naturwissenschaftlichen<br />

Prinzipien in Einklang zu bringen sind,<br />

z.B. fehlen für Homöopathie nach wie vor<br />

plausible Vorstellungen <strong>de</strong>r Wirkungsmechanismen.<br />

Ebenso erwarten sie zu Recht<br />

PROF. WILLICH: Wenn man genau hinschaut,<br />

haben bei<strong>de</strong> Richtungen letztlich ähnliche<br />

Fragestellungen. Nehmen wir zum Beispiel<br />

die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Arzt-Patienten-Beziehung<br />

o<strong>de</strong>r die Frage von Placeboeffekten.<br />

Diese Aspekte spielen in bei<strong>de</strong>n Richtungen<br />

<strong>de</strong>r Medizin eine außeror<strong>de</strong>ntlich wichtige<br />

Rolle, sodass es hierüber thematische Brücken<br />

gibt. Mit diesen Fragen wird sich je<strong>de</strong>r<br />

ernsthafte Arzt ohnehin beschäftigen.<br />

Methodisch ist als ein erster Schritt zum<br />

Beispiel ein Wirksamkeitsvergleich von Therapiesystemen<br />

sinnvoll und wichtig. Solche<br />

Studien kann man machen, in<strong>de</strong>m man zwei<br />

Patientengruppen vergleicht, die dieselbe<br />

Krankheit haben und entwe<strong>de</strong>r schulmedizinisch<br />

o<strong>de</strong>r komplementärmedizinisch behan<strong>de</strong>lt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Dann lassen sich Effekte im längerfristigen<br />

Krankheitsverlauf beurteilen. Zugegebenermaßen<br />

löst das noch nicht die Frage, worauf<br />

genau mögliche Wirksamkeitsunterschie<strong>de</strong><br />

beruhen.<br />

vor allem interdisziplinäre und integrative<br />

Fallkonferenzen sinnvoll. Das starten wir<br />

jetzt an <strong>de</strong>r Charité. Wir bieten integrative<br />

Fallkonferenzen an, in <strong>de</strong>nen Schulmediziner<br />

und Vertreter verschie<strong>de</strong>ner komplementärmedizinischer<br />

Richtungen über einen Patienten<br />

diskutieren, um zu sehen, welche Erfolg<br />

versprechen<strong>de</strong> Kombination man dann<br />

anbieten kann.<br />

NATURAMED: In welchen Entwicklungen<br />

sehen Sie die größten Chancen<br />

<strong>de</strong>r Integrativen Medizin? Was tut sich<br />

in diesem Bereich an <strong>de</strong>utschen Universitäten<br />

bzw. international?<br />

PROF. WILLICH: Es gibt mittlerweile an fünf<br />

medizinischen Fakultäten in Deutschland<br />

die strukturelle Etablierung von Integrativer<br />

Medizin in Form von Professuren bzw.<br />

Abteilungen. Neben Berlin sind das Essen,<br />

Rostock, Witten-Her<strong>de</strong>cke und <strong>de</strong>mnächst<br />

auch München. Diese Entwicklung ist sehr<br />

ermutigend, <strong>de</strong>nn sie zeigt, dass diese<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 23


AKTUELL<br />

Richtung inzwischen an <strong>de</strong>n medizinischen<br />

Fakultäten „angekommen“ ist. Wichtig ist<br />

auch, was operativ passiert: Es gibt viele<br />

anspruchsvolle Forschungsprojekte z.B. zur<br />

Akupunktur bei chronischen Schmerzen. In<br />

<strong>de</strong>n letzten Jahren haben mehrere Arbeitsgruppen<br />

in Deutschland große, wissenschaftlich<br />

hochrangige Studien durchgeführt<br />

und dadurch die wissenschaftliche Basis<br />

<strong>de</strong>utlich verbreitert. Die Ergebnisse zeigen<br />

gute Wirksamkeit von Akupunktur bei bestimmten<br />

chronischen Schmerzen. Ähnliche<br />

Forschungsprojekte gibt es für an<strong>de</strong>re medizinische<br />

Richtungen wie Naturheilverfahren,<br />

Homöopathie, Traditionelle Chinesische Medizin,<br />

anthroposophische Medizin.<br />

Akupunktur wird infolge <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r<br />

Charité durchgeführten Studien bei zwei<br />

Indikationen von <strong>de</strong>r GKV erstattet.<br />

Dann die Herausfor<strong>de</strong>rung einer Zusammenarbeit<br />

in <strong>de</strong>r Klinik. In <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rgelassenen<br />

medizinischen Praxis gibt es dieses Problem<br />

weniger, weil viele Ärzte bereits komplementärmedizinische<br />

Verfahren anbieten,<br />

schließlich besteht hohe Patientennachfrage<br />

für solche Angebote. Ein Problem ist, dass<br />

wir uns an <strong>de</strong>n Universitäten bisher diesen<br />

Fragen nicht gestellt haben. Wir haben hier<br />

eine „duale“ Situation in Deutschland: Die<br />

Bürger nehmen komplementärmedizinische<br />

Angebote von nie<strong>de</strong>rgelassenen Ärzten in<br />

Anspruch, aber an <strong>de</strong>n Universitätskliniken<br />

wollte man bisher mit diesen Metho<strong>de</strong>n<br />

nichts zu tun haben. Hier setzen wir mit unseren<br />

I<strong>de</strong>en und Arbeiten an: Die Universitäten<br />

sind für die wissenschaftliche Klärung<br />

dieser Fragen zuständig und verantwortlich.<br />

NATURAMED: Entspricht das Angebot<br />

<strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rgelassenen Ärzte bereits <strong>de</strong>r<br />

Nachfrage o<strong>de</strong>r muss sich hier auch<br />

noch einiges tun?<br />

PROF. WILLICH: Es gibt ca. 20 000 bis<br />

30 000 nie<strong>de</strong>rgelassene Ärzte mit Akupunkturausbildung<br />

und entsprechen<strong>de</strong>m Therapieangebot.<br />

Dazu gibt es mehrere Tausend Ärzte mit<br />

Homöopathie- o<strong>de</strong>r Naturheilverfahren-Zusatzausbildung.<br />

Somit besteht in <strong>de</strong>r Praxis<br />

ein or<strong>de</strong>ntliches Angebot, aber dass solche<br />

Behandlungen in Anspruch genommen wer<strong>de</strong>n,<br />

heißt noch längst nicht, dass sie etwas<br />

bringen.<br />

Wir sollten quasi „Spreu vom Weizen trennen“<br />

und mögliche Scharlatanerie verhin<strong>de</strong>rn.<br />

Deshalb ist es so wichtig, dass sich<br />

Forscher ernsthaft mit Integrativer Medizin<br />

auseinan<strong>de</strong>rsetzen.<br />

NATURAMED: Wo sehen Sie die Integrative<br />

Medizin in <strong>de</strong>r Zukunft?<br />

PROF. WILLICH: Wir sehen die Integrative<br />

Medizin nicht als ein neues Fachgebiet,<br />

son<strong>de</strong>rn als übergeordnete Ausrichtung<br />

in <strong>de</strong>r Medizin. Konkret heißt das, dass in<br />

allen großen Kliniken in Zukunft auch komplementärmedizinische<br />

Ärzte zumin<strong>de</strong>st<br />

konsiliarisch tätig sein sollten. Auch das<br />

erproben wir hier an <strong>de</strong>r Charité. Je<strong>de</strong>r<br />

Schulmediziner, <strong>de</strong>r Fragen zur Integrativen<br />

Medizin hat o<strong>de</strong>r mit einem Patienten nicht<br />

weiter kommt, kann unsere CHAMP-Expertise<br />

in Anspruch nehmen (www.champ-info.<br />

<strong>de</strong>). Dieses Mo<strong>de</strong>ll wird die Medizin <strong>de</strong>utlich<br />

erweitern und die Behandlungsoptionen für<br />

<strong>de</strong>n Patienten optimieren.<br />

Wir wer<strong>de</strong>n auf europäischer Ebene eine<br />

Fachgesellschaft grün<strong>de</strong>n, weil sich in verschie<strong>de</strong>nen<br />

Län<strong>de</strong>rn viele Kollegen für diese<br />

Entwicklungen interessieren, aber teilweise<br />

wenig nationalen Rückhalt haben. Wir wer<strong>de</strong>n<br />

uns auf <strong>de</strong>m jährlichen Europäischen<br />

Kongress für Integrative Medizin austauschen,<br />

das nächste Mal am 20./21. November<br />

2009 in Berlin.<br />

Die Fachgesellschaft steht natürlich allen<br />

Medizinern, Wissenschaftlern und<br />

weiteren Personen offen, die sich für die<br />

Schnittfl ächen zwischen Schul- und Komplementärmedizin<br />

interessieren. Diese neue<br />

Gesellschaft steht nicht in Konkurrenz zu<br />

Fachgesellschaften, son<strong>de</strong>rn ist Ausdruck<br />

dieser neuen Entwicklung <strong>de</strong>r Medizin hin<br />

zu einem integrierten Ansatz.<br />

NATURAMED: Wie kann sich die Integrative<br />

Medizin auf das Gesundheitssystem<br />

in Deutschland auswirken?<br />

Welche Chancen hat sie angesichts<br />

<strong>de</strong>r wirtschaftlichen Zwänge?<br />

PROF. WILLICH: Der wirtschaftliche Druck,<br />

unter <strong>de</strong>m sich das Gesundheitssystem<br />

schon seit Jahrzehnten befi n<strong>de</strong>t, ist ein<br />

weiteres Argument für Integrative Medizin.<br />

Natürlich stellt sich die Frage, inwieweit<br />

auch komplementäre Verfahren von <strong>de</strong>n<br />

Kostenträgern erstattet wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r ob die<br />

Patienten selber dafür aufkommen müssen.<br />

Im Bereich Akupunktur haben wir einen<br />

wichtigen Durchbruch erreicht: Sie wird für<br />

Rücken- und Kniegelenksschmerzen jetzt<br />

von <strong>de</strong>n Krankenkassen erstattet, basierend<br />

vor allem auf <strong>de</strong>n Ergebnissen unserer<br />

Studien.<br />

Die Politik ist aufgefor<strong>de</strong>rt, solche integrativen<br />

Mo<strong>de</strong>lle mit För<strong>de</strong>rgel<strong>de</strong>rn zu unterstützen,<br />

um bestmögliche Therapieoptionen<br />

zu gewährleisten. Denn das Problem für die<br />

Forschung ist hier, dass keine zahlungskräftige<br />

Pharmaindustrie dahinter steht und<br />

daher öffentliche Forschungsmittel erfor<strong>de</strong>rlich<br />

sind.<br />

NATURAMED: Wie sehen sie die Position<br />

<strong>de</strong>r rationalen Phytotherapie in <strong>de</strong>r<br />

Integrativen Medizin?<br />

PROF. WILLICH: Sie spielt eine wichtige<br />

Rolle. Zum einen ist Phytotherapie gut<br />

etabliert, mit ihr hat man jahrhun<strong>de</strong>rtelange<br />

klinische Erfahrungen, und für einige<br />

Substanzen ist auch die Studienlage inzwischen<br />

or<strong>de</strong>ntlich.<br />

Die Phytotherapie als einer <strong>de</strong>r Eckpfeiler<br />

<strong>de</strong>r Naturheilverfahren ist auch ein „i<strong>de</strong>ologisch“<br />

relativ unproblematischer Bereich.<br />

Hier können sich Schulmediziner und Komplementärmediziner<br />

ganz gut treffen. Viele<br />

Phytopharmaka – wie zum Beispiel Johanniskraut-Extrakte<br />

– sind in <strong>de</strong>r Schulmedizin<br />

auch anerkannt, dass man sich fast fragen<br />

kann, ob sie nicht schon zur Schulmedizin<br />

zählen.<br />

NATURAMED: Wie beurteilen Sie vor<br />

diesem Hintergrund die Tatsache, dass<br />

Phytopharmaka vom Gesetzgeber aus<br />

<strong>de</strong>r Erstattungsfähigkeit herausgenommen<br />

wur<strong>de</strong>n, weil sie aufgrund<br />

ihrer geringen Nebenwirkungen nicht<br />

unter Rezeptpflicht stehen?<br />

PROF. WILLICH: Die Argumentation, dass<br />

etwas nicht erstattet wird, weil es kaum<br />

Nebenwirkungen hat und damit nicht gefährlich<br />

ist, erscheint obskur.<br />

Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage für Kostenerstattung<br />

kann nur lauten: „Wie wirksam sind<br />

diese Präparate im Vergleich zu an<strong>de</strong>ren<br />

schulmedizinisch anerkannten Präparaten<br />

o<strong>de</strong>r im Vergleich zu Placebo?“ Wenn ein<br />

Mittel sich in einem solchen Vergleich als<br />

wirksam erweist, sollte es auch erstattet<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Bildnachweis: jupiterimages (1), Springer (1)<br />

24 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


SCHWERPUNKT<br />

Kasuistik<br />

Phytotherapie zur Prävention<br />

Gut dokumentierte Fallbeispiele sind eine bewährte Handlungshilfe für die Praxis. Kasuistiken zum Beleg<br />

<strong>de</strong>r internen Evi<strong>de</strong>nz dienen gleichzeitig auch als wichtiges Anschauungsmaterial für die Fortbildung. Sie<br />

liefern Beispiele, die zum Nachahmen anregen sollen.<br />

➔<br />

Wer tagtäglich mit Patienten zu tun hat, <strong>de</strong>r kennt die<br />

Problematik <strong>de</strong>r Behandlung rezidivieren<strong>de</strong>r Infekte.<br />

Prävention mit Naturstoffen ist gera<strong>de</strong> bei solchen Lei<strong>de</strong>n beson<strong>de</strong>rs<br />

sinnvoll.<br />

Anamnese<br />

Der 54-jährige Patient kam wegen rezidivieren<strong>de</strong>r Harnwegsinfekte<br />

in die Praxis. Er berichtete, dass er vor etwas mehr als<br />

einem Jahr wegen eines Prostatakarzinoms operiert wur<strong>de</strong>, danach<br />

habe er sich einer Bestrahlungstherapie unterziehen müssen.<br />

Seitens <strong>de</strong>r Krebserkrankung sei seit<strong>de</strong>m alles in Ordnung,<br />

es seien keine Metastasen vorhan<strong>de</strong>n, und <strong>de</strong>r PSA-Wert sei<br />

extrem niedrig. Das eigentliche Problem ist jetzt seine Harnblase.<br />

Er habe seit<strong>de</strong>m einen Harnwegsinfekt nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren,<br />

die wie<strong>de</strong>rholt mit Antibiotikum behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Der Infekt<br />

kündige sich zunächst mit dumpfer Missempfindung im Genitalbereich<br />

und gehäuftem Harndrang an, das Wasserlassen<br />

wird dann schmerzhaft, und <strong>de</strong>r Urin verfärbt sich. Er könne<br />

dann oftmals <strong>de</strong>n Urin nicht mehr halten, es träufelt auch nach.<br />

Vor <strong>de</strong>m urologischen Eingriff hatte <strong>de</strong>r Patient keine Probleme<br />

im Urogenitalbereich, auch waren keine Zystiti<strong>de</strong>n aufgetreten.<br />

Auf Nachfrage gibt <strong>de</strong>r Patient an, täglich maximal zwei Tassen<br />

Kaffee zu trinken, ansonsten stilles Wasser, geschätzt einen<br />

Liter, und am Abend ein „Viertele“ Rotwein. Ansonsten waren<br />

bei <strong>de</strong>m sportlich wirken<strong>de</strong>n und jünger aussehen<strong>de</strong>n Mann<br />

bisher keine schweren Erkrankungen aufgetreten.<br />

Befund<br />

Auf Basis <strong>de</strong>r mitgebrachten Befun<strong>de</strong> ergab sich die Diagnose<br />

„Zustand nach Prostatektomie (pT2c, pNO, MO, G2) und Radiotherapie“.<br />

RR 125/85; Puls 64. Palpatorisch Abdomen leicht<br />

gebläht, kein Druckschmerz, keine Resistenzen, reizlose OP-<br />

Narbe, äußeres Genitale unauffällig. Ein in <strong>de</strong>r Praxis durchgeführter<br />

Urin-Stix zeigt Spuren von Leukozyten, sonst OB.<br />

Therapie<br />

An Allgemeinmaßnahmen empfehle ich <strong>de</strong>m Patienten, täglich<br />

mehr zu trinken. Für <strong>de</strong>n normalgewichtigen Mann (Körperlänge<br />

177 cm) halte ich 1,75 Liter stilles Wasser für ausreichend.<br />

Ausführlich informiere ich ihn, warum er <strong>de</strong>n Nieren- und Blasentee<br />

nicht längerfristig trinken solle, son<strong>de</strong>rn nur während<br />

eines akuten Harnwegsinfekts. Dazu verordne ich als Standby-Medikation<br />

die Phytokombination Angocin ® Anti-Infekt,<br />

dreimal täglich vier Tabletten, sowie Cystinol akut ® dreimal<br />

täglich zwei Dragees, jeweils nach <strong>de</strong>m Essen, mit <strong>de</strong>m nachdrücklichen<br />

Hinweis, die bei<strong>de</strong>n Arzneimittel bei <strong>de</strong>n ersten<br />

Anzeichen eines beginnen<strong>de</strong>n Infekts zu nehmen und sich umgehend<br />

beim Urologen o<strong>de</strong>r bei mir zu mel<strong>de</strong>n. Zur Langzeitbehandlung<br />

im Sinne <strong>de</strong>r Rezidivprophylaxe erhält <strong>de</strong>r Patient<br />

die Phytokombination Canephron ® N, dreimal täglich zwei<br />

Dragees. Im Hinblick auf die Tumorerkrankung schlage ich<br />

eine supportive Therapie vor (siehe Buchtipp), in <strong>de</strong>ren Mittelpunkt<br />

eine Iscador ® -Behandlung steht. Diesbezüglich erbittet<br />

sich <strong>de</strong>r Patient eine Be<strong>de</strong>nkzeit, auf Nachfrage bei einem<br />

Folgetermin lehnt er jedoch ohne weitere Begründung dieses<br />

Therapieangebot ab.<br />

Verlauf<br />

Bei <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rvorstellung nach etwa einem Vierteljahr berichtet<br />

<strong>de</strong>r Patient, dass sich etwa drei Wochen nach <strong>de</strong>m letzten<br />

Termin übers Wochenen<strong>de</strong> ein akuter Harnwegsinfekt eingestellt<br />

hat. Der Urologe wollte ihn stationär einweisen, was er<br />

aber ablehnte. Als Folge wur<strong>de</strong> er ohne Medikation wie<strong>de</strong>r<br />

nach Hause geschickt. Deshalb habe er dann sofort mit <strong>de</strong>r von<br />

mir verordneten Medikation begonnen und viel Nieren- und<br />

Blasentee getrunken. Nach<strong>de</strong>m die Beschwer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Folgetagen<br />

immer mehr abgeklungen seien, sei er erst nach etwa<br />

zehn Tagen wie<strong>de</strong>r zur Nachkontrolle beim Urologen gewesen.<br />

Allerdings habe er dort nur <strong>de</strong>n Urin abgegeben, und nach<strong>de</strong>m<br />

<strong>de</strong>r Urin ohne Befund war, hatte ihn die Sprechstun<strong>de</strong>nhilfe darüber<br />

informiert, dass ihn <strong>de</strong>r Doktor nicht zu sehen brauche.<br />

Er habe die verordneten Naturheilmittel aufgebraucht und seither<br />

war auch nichts mehr mit seiner Harnblase. Ich empfahl<br />

ihm, nach einer zweiwöchigen Therapiepause zur Vorbeugung<br />

erneut noch drei Monate lang Canephron ® N einzunehmen.<br />

Fazit<br />

Etwa vier Monate später bat <strong>de</strong>r Patient erneut um einen Termin:<br />

Der bisherige Behandlungsverlauf habe ihn sehr beeindruckt,<br />

er habe auch das Gefühl, sein Allgemeinbefin<strong>de</strong>n sei<br />

<strong>de</strong>utlich stabiler. Anlass seines jetzigen Termins sei die Frage<br />

nach einer Misteltherapie.<br />

■<br />

Dr. med. Markus Wiesenauer<br />

LITERATURTIPP<br />

PhytoPraxis<br />

3. Auflage<br />

Springer-Verlag Hei<strong>de</strong>lberg 2008<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 25


KFN<br />

Ginkgo-Tee<br />

Keine Alternative zu<br />

geprüften Arzneimitteln<br />

Das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) hat eine<br />

Untersuchung mit Ginkgo-Tees durchgeführt, die zu alarmieren<strong>de</strong>n<br />

Ergebnissen kam (siehe Kasten). Wir fragten beim wissenschaftlichen<br />

Leiter <strong>de</strong>s ZL nach.<br />

[ von Dr. Marcela Ullmann ]<br />

Prof. Dr. Manfred Schubert-Zsilavecz<br />

Frankfurt, wissenschaftlicher Leiter <strong>de</strong>s<br />

Zentrallaboratoriums Deutscher Apotheker<br />

NATURAMED: Was hat Sie veranlasst,<br />

sich gera<strong>de</strong> Ginkgo-Tees genauer anzuschauen?<br />

PROF. SCHUBERT-ZSILAVECZ: Unsere Untersuchung<br />

war eine logische Fortsetzung<br />

einer Untersuchungsreihe, die wir bereits<br />

vor einer geraumen Zeit begonnen haben.<br />

Dabei ging es uns – vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>s<br />

Wildwuchses an Naturprodukten, die im Internet<br />

angeboten wer<strong>de</strong>n – zunächst darum,<br />

festzustellen, wie es mit <strong>de</strong>ren Qualität und<br />

Unbe<strong>de</strong>nklichkeit aussieht. Für die Pilotstudie<br />

haben wir Ginkgo-Produkte ausgewählt.<br />

Es han<strong>de</strong>lte sich allerdings ausschließlich um<br />

Extrakte, zum Teil auch um Drogenprodukte,<br />

die in Deutschland im Han<strong>de</strong>l nicht legal erhältlich<br />

waren. Tees waren keine dabei. Uns<br />

hat dabei konkret die Frage interessiert, ob<br />

und in welchem Ausmaß diese Produkte die<br />

gesundheitsschädlichen Ginkgolsäuren enthalten.<br />

Und es hat sich tatsächlich gezeigt,<br />

dass sie alle im hohen Maße Ginkgolsäuren<br />

enthalten.<br />

NATURAMED: In <strong>de</strong>r aktuellen Untersuchung<br />

haben Sie Ginkgo-Tees analysiert,<br />

die in Deutschland im Han<strong>de</strong>l<br />

legal erhältlich sind. Mit einem ähnlichen<br />

Resultat. Hat Sie das überrascht?<br />

PROF. SCHUBERT-ZSILAVECZ: Zunächst ist<br />

wichtig zu wissen, dass es keine medizinischen<br />

Tees waren, die wir analysierten,<br />

son<strong>de</strong>rn Lebensmittel. Wir haben sie auch<br />

genauso zubereitet, wie sie im Alltag von<br />

Verbrauchern zubereitet wer<strong>de</strong>n. Wir haben<br />

also nicht etwa <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r Beutel untersucht,<br />

son<strong>de</strong>rn daraus Tee gekocht. Wir<br />

wollten ja die gleichen Konzentrationen haben,<br />

wie sie unter realistischen Bedingungen<br />

zustan<strong>de</strong> kommen. Die Tatsache, dass wir<br />

darin Ginkgolsäuren gefun<strong>de</strong>n haben, hat<br />

uns nicht überrascht, davon sind wir ausgegangen.<br />

Die Höhe <strong>de</strong>r Konzentrationen dieser<br />

Stoffe hat uns aber doch erstaunt.<br />

Alarmieren<strong>de</strong> Ergebnisse<br />

NATURAMED: Was spricht überhaupt<br />

für einen Ginkgo-Tee?<br />

PROF. SCHUBERT-ZSILAVECZ: Eigentlich gar<br />

nichts. Wer in <strong>de</strong>n Wintermonaten gerne<br />

Tee konsumiert, <strong>de</strong>r hat eine große Auswahl<br />

an schmackhaften, erprobten Lebensmitteltees,<br />

die einen Genuss ohne Reue bieten.<br />

Das Problem ist allerdings, dass für Ginkgo-<br />

Tees oft in einer Art geworben wird, dass<br />

Verbraucher <strong>de</strong>n Eindruck bekommen, nach<br />

<strong>de</strong>m Genuss dieser Tees ähnliche Effekte auf<br />

die kognitive Leistung erwarten zu können,<br />

wie nach Einnahme von Ginkgo-Arzneimitteln.<br />

Und das ist natürlich nicht <strong>de</strong>r Fall. Im<br />

Gegenteil. Wie wir festgestellt haben, kann<br />

es sogar gesundheitsgefähr<strong>de</strong>nd wer<strong>de</strong>n.<br />

Warum sollte man sich aber einem solchen<br />

Alarmieren<strong>de</strong> Ergebnisse einer Untersuchung mit Ginkgo-Tees:<br />

Extrakte aus Ginkgo-Blättern haben sich bei <strong>de</strong>r Behandlung von hirnorganisch bedingten<br />

kognitiven Leistungsstörungen als wirksam und sicher erwiesen. Bei <strong>de</strong>n in<br />

letzter Zeit in Drogerien, Reformhäusern und Supermärkten zunehmend angebotenen<br />

ginkgohaltigen Teemischungen ist das nicht <strong>de</strong>r Fall. Es gibt keinerlei Wirkungsbeleg,<br />

im Gegenteil: Sie enthalten unzulässig hohe Mengen von unter Umstän<strong>de</strong>n gesundheitsschädlichen<br />

Ginkgolsäuren! Ginkgolsäuren können Allergien auslösen und Nervenzellen<br />

schädigen. Bei <strong>de</strong>r Herstellung von ginkgohaltigen Fertigarzneimitteln wird <strong>de</strong>shalb <strong>de</strong>r<br />

zulässige Gehalt an Ginkgolsäuren auf einen winzigen Anteil von 5 ppm (parts per million)<br />

reduziert. An<strong>de</strong>rs stellt sich die Situation für die Konsumenten von ginkgohaltigen<br />

Teemischungen und Lebensmitteln dar. Eine im Eschborner Zentrallaboratorium Deutscher<br />

Apotheker durchgeführte Analyse von neun verschie<strong>de</strong>nen ginkgohaltigen Teeprodukten<br />

ergab eine zum Teil enorme Belastung mit <strong>de</strong>n be<strong>de</strong>nklichen Ginkgolsäuren.<br />

Die für Arzneimittel zulässige höchste Tagesdosis wur<strong>de</strong> erheblich überschritten. Beim<br />

Genuss von nur einer Tasse solchen Tees nähme man das 40-fache bis mehr als das<br />

80-fache <strong>de</strong>r arzneilich zulässigen Ginkgolsäuren ein.<br />

Bildnachweis: privat (1), Europäische Kommission (1)<br />

26 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


unnötigen Risiko aussetzen? Wir haben bei<br />

<strong>de</strong>n pfl anzlichen Arzneimitteln die beson<strong>de</strong>re<br />

Situation, dass hier nicht ein bestimmter,<br />

genau <strong>de</strong>fi nierter Stoff <strong>de</strong>r Wirkstoff ist,<br />

son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r jeweilige Extrakt. Und <strong>de</strong>r ist<br />

durch mehrere Parameter <strong>de</strong>fi niert, unter<br />

an<strong>de</strong>rem durch das Extraktionsmittel, das<br />

Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) und oft auch<br />

durch weitere qualitative Merkmale. Monographiekonforme<br />

Ginkgo-Extrakte beispielsweise,<br />

die in Deutschland als Arzneimittel<br />

zur Anwendung kommen, müssen bestimmte<br />

Inhaltsstoffe in ganz vorgeschriebenen Konzentrationen<br />

enthalten. Dazu gehören im<br />

positiven Sinn Flavonoi<strong>de</strong> und im negativen<br />

die Ginkgolsäuren. Wer also seine kognitiven<br />

Leistungen mit Ginkgo stärken will, <strong>de</strong>r<br />

sollte nicht Tee kochen, son<strong>de</strong>rn statt<strong>de</strong>ssen<br />

ein zugelassenes Ginkgo-Arzneimittel in<br />

<strong>de</strong>r Apotheke kaufen. Diese Produkte sind<br />

geprüft und nicht nur sicher, son<strong>de</strong>rn auch<br />

nachgewiesenermaßen wirksam.<br />

NATURAMED: Wir kommen damit zu<br />

einem allgemeineren Problem, nämlich<br />

<strong>de</strong>r manchmal zu sehr fließen<strong>de</strong>n Grenze<br />

zwischen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln.<br />

Wie sehen<br />

Sie dieses grundsätzliche Problem?<br />

PROF. SCHUBERT-ZSILAVECZ: Das muss<br />

nicht grundsätzlich ein Problem sein. Wir<br />

haben in Deutschland eine relativ komfortable<br />

Situation, weil wir eine große Tradition<br />

<strong>de</strong>r Phytotherapie haben. In einigen an<strong>de</strong>ren<br />

Län<strong>de</strong>rn Europas gelten Pfl anzenprodukte<br />

grundsätzlich nur als Lebensmittel, egal<br />

wie hochwertig sie als Arzneiprodukte sind.<br />

Deutschland wür<strong>de</strong> daher gut daran tun,<br />

sich <strong>de</strong>n hohen Standard, <strong>de</strong>n es sich im<br />

Bereich <strong>de</strong>r Phytotherapie erarbeitet hat, zu<br />

erhalten. Insbeson<strong>de</strong>re was die Qualität <strong>de</strong>r<br />

pfl anzlichen Arzneimittel anbetrifft, sollten<br />

die Beteiligten alles daran setzen, sie nicht<br />

zu verwässern. Auch nicht wegen kurzfristiger<br />

wirtschaftlicher Vorteile.<br />

NATURAMED: Zum Teil wer<strong>de</strong>n fragwürdige<br />

Produkte auch in Apotheken vertrieben.<br />

Hat <strong>de</strong>r Apotheker nicht eine beson<strong>de</strong>re<br />

Pflicht <strong>de</strong>r Verbraucheraufklärung?<br />

PROF. SCHUBERT-ZSILAVECZ: Er hat eine<br />

Aufklärungspflicht und er trägt auch Verantwortung.<br />

Er ist dafür verantwortlich, sein<br />

Produktsegment nicht zu beschädigen. Die<br />

Apotheke in Deutschland steht für hochwertige,<br />

geprüfte, wirksame und sichere Produkte.<br />

Der Apotheker scha<strong>de</strong>t sich selbst,<br />

wenn er kurzsichtig <strong>de</strong>n ökonomischen Nutzen<br />

sucht und dabei langfristig seine Reputation<br />

beschädigt.<br />

Mehrwertsteuersenkung für Arzneimittel gefor<strong>de</strong>rt<br />

➔Die EU-Kommission hat bereits<br />

vor mehreren Monaten <strong>de</strong>n Mitgliedslän<strong>de</strong>rn<br />

empfohlen, für Arzneimittel<br />

EU-weit ermäßigte Mehrwertsteuersätze<br />

einzuführen. Als letztes Land ist dieser<br />

Empfehlung im Herbst 2008 Österreich<br />

gefolgt: Für erstattete Arzneimittel wird<br />

dort keine MwSt erhoben, für alle an<strong>de</strong>ren<br />

Medikamente gilt seit<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r halbe Steuersatz.<br />

Inzwischen gibt es nur noch drei<br />

EU-Län<strong>de</strong>r, die Arzneimittel mit <strong>de</strong>r vollen<br />

Mehrwertsteuer belegen: Bulgarien, Dänemark<br />

und Deutschland. Gera<strong>de</strong> angesichts<br />

<strong>de</strong>r aktuellen wirtschaftlichen Situation<br />

wür<strong>de</strong> aber eine Senkung <strong>de</strong>r Mehrwertsteuer<br />

auf Arzneimittel einen wichtigen<br />

Beitrag zur Stabilisierung darstellen. Denn<br />

sie wür<strong>de</strong>, so die Auskunft <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung<br />

im Parlament, die GKV um etwa<br />

2,8 Milliar<strong>de</strong>n Euro entlas ten, was 0,3 Prozentpunkten<br />

entspricht. Weitere Milliar<strong>de</strong>n<br />

wür<strong>de</strong>n Verbraucher beim Kauf von OTC-<br />

Arzneimitteln sparen.<br />

(Die dunkelblau gefüllten Balken beziehen<br />

sich auf alle Arzneimittel, die<br />

hellblauen auf bestimmte Medikamentengruppen.<br />

Weitere Einzelheiten sind<br />

auf <strong>de</strong>r EU-Homepage http://ec.europa.<br />

eu/taxation_customs/taxation/vat/<br />

consumers/vat_rates/in<strong>de</strong>x_<strong>de</strong>.htm abrufbar.)<br />

■<br />

Dr. Marcela Ullmann<br />

Mehrwertsteuersätze in Europa<br />

Tabelle 1: Mehrwertsteuersätze für Arzneimittel in Europa.<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 27


CONSILIUM<br />

Morbus Parkinson: Kann Naturheilkun<strong>de</strong> helfen?<br />

Frage<br />

Welche naturheilkundlichen Behandlungsmöglichkeiten bestehen<br />

bei einem M. Parkinson? Aktuelle Medikation: Stalevo,<br />

Madopar ® LT, Madopar ® Depot, Neupro ® Pflaster, Azilect ® . Trotz<br />

<strong>de</strong>r Therapie weiterhin bestehen<strong>de</strong> Belastungsschmerzen im Mittelfuß<br />

links, Schlafstörungen, Depressionen, morgens kleinschrittiges<br />

Gangbild.<br />

Antwort 1:<br />

Wie Sie beschreiben nimmt trotz <strong>de</strong>r<br />

Ausschöpfung <strong>de</strong>r konventionellen medikamentösen<br />

Möglichkeiten (Stalevo,<br />

Madopar ® LT, Madopar ® <strong>de</strong>pot, Neupro ®<br />

trans<strong>de</strong>rmales Pflaster, Azilect ® ) die Parkinsonsymptomatik<br />

weiter zu. Es besteht<br />

ein vor allem morgendliches kleinschrittiges<br />

Gangbild und belas tungsabhängige<br />

Schmerzen im linken Mittelfuß, Schlafstörungen<br />

sowie Depressionen. Grundsätzlich<br />

ist hier natürlich ein integrativer<br />

Therapieansatz zu favorisieren, d.h. dass<br />

hier <strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Neurologe und<br />

<strong>de</strong>r Naturheilkundler eng zusammenarbeiten<br />

müssen. Aus komplementärmedizinischer<br />

Sicht sind ergänzend zur<br />

konventionellen Therapie folgen<strong>de</strong> Therapieverfahren<br />

sinnvoll:<br />

■ Heilfasten (z.B. nach Buchinger,<br />

Info unter www.buchinger.<strong>de</strong> )in<br />

Abhängigkeit von Konstitution,<br />

BMI und evtl. bestehen<strong>de</strong>n Kontraindikationen.<br />

Hierunter kommt es<br />

zu einer Ausschüttung von neurotrophen<br />

und neuroproliferativen<br />

Substanzen, die die Regeneration bei<br />

neuro<strong>de</strong>generativen Erkrankungen<br />

positiv beeinflussen.<br />

■ Neue Schä<strong>de</strong>lakupunktur nach<br />

Yamamoto (YNSA). Diese Form <strong>de</strong>r<br />

Akupunktur kann sowohl die neurologischen<br />

Symptome beeinflussen<br />

als auch die beschriebene Schmerzsymptomatik.<br />

■ Des Weiteren kann in Abhängigkeit<br />

von <strong>de</strong>r chinesischen Syndromdiagnostik<br />

natürlich auch die<br />

chinesische Kräutermedizin angewen<strong>de</strong>t<br />

wer<strong>de</strong>n, vor allem um<br />

Schlafstörungen und Depression<br />

nachhaltig zu verbessern.<br />

Dr. Mike Schaar, 24534 Neumünster<br />

■ Falls Störfel<strong>de</strong>r im Sinne <strong>de</strong>r Neuraltherapie<br />

nach Huneke vorliegen,<br />

müssen diese selbstverständlich<br />

behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.<br />

■ Mind/Body-Medizin o<strong>de</strong>r Ordnungstherapie<br />

zur besseren Krankheitsbewältigung<br />

und zur Verbesserung<br />

<strong>de</strong>r Selbstwirksamkeit und <strong>de</strong>r<br />

Selbsthilfestrategien.<br />

Insgesamt han<strong>de</strong>lt es sich hier um einen<br />

Fall, an <strong>de</strong>m das Konzept einer Integrativen<br />

Medizin, bestehend aus Schulmedizin,<br />

Naturheilkun<strong>de</strong> und Mind/Body-<br />

Medizin, sinnvoll zur Anwendung<br />

kommen kann.<br />

■<br />

Dr. med. Thomas Rampp<br />

Leiter <strong>de</strong>r Ambulanz für<br />

Naturheilkun<strong>de</strong> und<br />

Traditionelle Chinesische Medizin<br />

Lehrstuhl für Naturheilkun<strong>de</strong><br />

Alfried Krupp von Bohlen und<br />

Halbach-Stiftung<br />

Universität Duisburg-Essen<br />

Kliniken Essen-Mitte<br />

Knappschafts-Krankenhaus<br />

Am Deimelsberg 34a<br />

45276 Essen<br />

E-Mail: t.rampp@kliniken-essen-mitte.<strong>de</strong><br />

Antwort 2:<br />

Im Rahmen <strong>de</strong>r anthroposophisch erweiterten<br />

Medizin (nicht gleichzusetzen<br />

mit Naturheilkun<strong>de</strong>) wird von einer<br />

über die übliche Sichtweise hinausgehen<strong>de</strong>n<br />

Anthropologie ausgegangen,<br />

die neben <strong>de</strong>n konventionell messbaren<br />

und untersuchbaren Anteilen <strong>de</strong>s Men-<br />

schen weitere funktionelle Systeme,<br />

die „Wesensglie<strong>de</strong>r“, mit einbezieht. Es<br />

han<strong>de</strong>lt sich hierbei um Funktionsebenen,<br />

<strong>de</strong>ren Erkenntnis neben <strong>de</strong>n rein<br />

physikalisch-biochemischen Gesetzmäßigkeiten<br />

auch diejenigen Anteile<br />

<strong>de</strong>s Menschen berücksichtigt, die für<br />

Aufbau- und Abbauprozesse sowie seelische<br />

und geistige Funktionen als eigenständige<br />

Entitäten wesentlich sind;<br />

auch pathophysiologische Polaritäten<br />

wie Entzündungs-/Skleroseten<strong>de</strong>nz<br />

wer<strong>de</strong>n berücksichtigt.<br />

Im Rahmen dieser erweiterten Sichtweise<br />

haben sich Therapieerfahrungen<br />

ergeben, die neben medikamentösen<br />

Ansätzen (homöopathische Präparate<br />

aus <strong>de</strong>m pflanzlichen, tierischen und<br />

mineralischen Bereich) auch und vor<br />

allem äußere Anwendungen (rhythmische<br />

Massage nach Hauschka, Organeinreibungen<br />

u.a.), künstlerische<br />

Therapien (Mal-, Musik-, Sprach- und<br />

Plastiziertherapie, Heileurythmie als<br />

beson<strong>de</strong>re Form einer das Seelische berücksichtigen<strong>de</strong>n<br />

Bewegungstherapie)<br />

mit einbeziehen.<br />

Je<strong>de</strong>r Patient erhält einen individuellen<br />

Therapieplan, <strong>de</strong>r sich aus einer gründlichen<br />

Anamnese ergibt. Insofern ist die<br />

Therapie weniger auf ein spezifisches<br />

Krankheitsbild als vielmehr auf <strong>de</strong>n individuellen<br />

Patienten mit seiner Erkrankung<br />

abgestimmt. Die pauschale Beantwortung<br />

<strong>de</strong>r Frage: „Wie behan<strong>de</strong>lt man<br />

einen M. Parkinson in <strong>de</strong>r anthroposophischen<br />

Medizin?“ ist insofern nicht<br />

möglich.<br />

Es gibt aber Erfahrungen mit bestimmten<br />

Präparaten, Anwendungen<br />

und vor allem auch künstlerischen<br />

Therapien, hier insbeson<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Heileurythmie.<br />

Eine solche Behandlung<br />

wird sich grundsätzlich immer als Erweiterung,<br />

nicht als Alternative einer<br />

konventionellen Therapie verstehen, auf<br />

die in <strong>de</strong>r Regel nicht verzichtet wer<strong>de</strong>n<br />

kann.<br />

■<br />

Dr. med. Oliver M. Czech<br />

Abteilung für Neurologie<br />

Gemeinschaftskrankenhaus<br />

Her<strong>de</strong>cke<br />

Gerhard-Kienle-Weg 4<br />

58313 Her<strong>de</strong>cke<br />

28 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


CONSILIUM<br />

✃<br />

Redaktion<br />

NaturaMed<br />

Marienplatz 3<br />

80331 München<br />

Unsere Faxnummer:<br />

089-29 47 75<br />

E-mail:<br />

redbuero_ull@web.<strong>de</strong><br />

Um die Beantwortung Ihrer Frage<br />

zu beschleunigen, bitten wir Sie,<br />

Ihre Angaben mit <strong>de</strong>r Maschine<br />

o<strong>de</strong>r in Druckschrift zu schreiben.<br />

Nachfolgend formulieren Sie bitte Ihre Frage, auf die Sie eine Expertenantwort suchen.<br />

Die Redaktion wird bei Experten, die führend auf <strong>de</strong>m jeweiligen Gebiet arbeiten, die<br />

Antwort einholen.<br />

Frage:<br />

Anschrift:<br />

Praxis- bzw. Firmenstempel<br />

■<br />

Titel, Name, Vorname<br />

■<br />

Straße/Hausnummer<br />

■<br />

PLZ/Ort<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 29


CONSILIUM<br />

Ist die Ozon-Eigenbluttherapie seriös?<br />

Frage<br />

Ist das Anbieten <strong>de</strong>r Ozon-Eigenbluttherapie seriös? Seit nunmehr 17 Jahren führe ich die große<br />

Ozon-Eigenblutbehandlung mit größter Akzeptanz durch, dies unter <strong>de</strong>n ärztlich gebotenen sterilen<br />

Anfor<strong>de</strong>rungen mit sterilem Einmalmaterial als ozoniertes Eigenblut i.v.<br />

Indikationen: Aktivierung <strong>de</strong>r Abwehrkräfte, För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Durchblutung, Besserung <strong>de</strong>s Wohlbefin<strong>de</strong>ns,<br />

insbeson<strong>de</strong>re bei Patienten mit Gefäßerkrankungen und chronischem Schwin<strong>de</strong>l.<br />

Unterstützend ebenso auf Anfrage bei palliativen Tumorerkrankungen. Komplikationen hatte ich<br />

bisher nie.<br />

Ist es trotz fehlen<strong>de</strong>r wissenschaftlicher Anerkennung ärztlich vertretbar, diese Option anzubieten?<br />

Klaus Schäffer,<br />

Facharzt für Allgemeinmedizin,<br />

48231 Warendorf<br />

Antwort:<br />

Die Angaben zur Durchführung und<br />

zu <strong>de</strong>n Indikationen <strong>de</strong>r Ozontherapie<br />

stimmen mit <strong>de</strong>m in <strong>de</strong>n Praxen nie<strong>de</strong>rgelassener<br />

Ärzte üblichen Vorgehen<br />

überein. Ozontherapie wird heute in<br />

<strong>de</strong>r Alltagspraxis vielfach erfolgreich<br />

eingesetzt.<br />

Aktuelle Recherchen zeigen allerdings,<br />

dass <strong>de</strong>r Nutzen, die Notwendigkeit<br />

und die Wirtschaftlichkeit <strong>de</strong>r Ozontherapie<br />

im Sinne <strong>de</strong>r evi<strong>de</strong>nzbasierten<br />

Medizin noch nicht als ausreichend belegt<br />

gilt. Dennoch kann die Ozon-Eigenbluttherapie<br />

<strong>de</strong>n For<strong>de</strong>rungen einer<br />

verantwortungsvollen Medizin Rechnung<br />

tragen, <strong>de</strong>nn selbst die streng<br />

evi<strong>de</strong>nzbasierte Medizin, wie sie heute<br />

international zur Qualitätssicherung<br />

gefor<strong>de</strong>rt wird, för<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n bewussten,<br />

ausdrücklichen und abwägen<strong>de</strong>n Gebrauch<br />

<strong>de</strong>r jeweils besten empirischen<br />

Evi<strong>de</strong>nz für Entscheidungen in <strong>de</strong>r<br />

Patientenversorgung. Die Praxis <strong>de</strong>r<br />

evi<strong>de</strong>nzbasierten Medizin beinhaltet<br />

die Integration von klinischer Expertise,<br />

Patientenpräferenzen und externer<br />

Evi<strong>de</strong>nz aus systematischer patientenorientierter<br />

Forschung. Studien dienen<br />

dabei nur als Grundlage und müssen<br />

auf die Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>s Patienten<br />

übertragen wer<strong>de</strong>n. Evi<strong>de</strong>nzbasierte<br />

Medizin be<strong>de</strong>utet hiernach auch, dass<br />

man aus Erfahrung heraus han<strong>de</strong>ln<br />

kann.<br />

Gera<strong>de</strong> die Ozon-Eigenbluttherapie ist<br />

ein Musterbeispiel dafür, in welchem<br />

Verhältnis interne und externe Evi<strong>de</strong>nz<br />

stehen.<br />

Die Expertenmeinung ist wichtiger,<br />

aber das individuelle Vorgehen, die<br />

individuelle Fall<strong>de</strong>utung (interne Evi<strong>de</strong>nz)<br />

spielt eine wesentliche Rolle.<br />

Vor diesem Hintergrund und <strong>de</strong>n genannten<br />

Rahmenbedingungen ist das<br />

Anbieten <strong>de</strong>r Ozon-Eigenbluttherapie<br />

durchaus als seriös zu beurteilen. ■<br />

Bildnachweis: fotolia (1)<br />

Gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Ozon-Eigenbluttherapie spielt <strong>de</strong>r Behandler eine zentrale Rolle.<br />

Er muss <strong>de</strong>n Einzelfall genau abwägen.<br />

PD Dr. med. André-Michael Beer,<br />

M.Sc<br />

Chefarzt <strong>de</strong>r Abteilung<br />

für Naturheilkun<strong>de</strong><br />

Klinik Blankenstein<br />

Leiter <strong>de</strong>s Bereiches Naturheilkun<strong>de</strong><br />

und Prävention<br />

(Abteilung Allgemeinmedizin) an <strong>de</strong>r<br />

Ruhr-Universität Bochum<br />

Im Vogelsang 5–11<br />

45527 Hattingen<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 31


BIOSIMILARS<br />

Pressekonferenz in Berlin<br />

Sandoz sieht Wege zur<br />

Kostensenkung<br />

Biosimilars spielen bisher im Arzneimittelmarkt keine große Rolle. Experten gehen aber davon aus, dass<br />

<strong>de</strong>r Anteil dieses neuen Arzneimittelsegments in <strong>de</strong>n nächsten Jahren stark wachsen wird. Ob es die<br />

Therapie preiswerter macht, ist dagegen umstritten.<br />

[ von Werner B. Hoppe ]<br />

➔<br />

Um <strong>de</strong>r Öffentlichkeit zu signalisieren, dass Biosimilars<br />

keine Kostentreiber sind, son<strong>de</strong>rn im Gegenteil<br />

zur Reduzierung von Arzneimittelausgaben beitragen können,<br />

ging Sandoz kurz vor <strong>de</strong>r Jahreswen<strong>de</strong> in Berlin mit<br />

einer Studie <strong>de</strong>s Instituts für Gesundheits- und Sozialforschung<br />

(IGES) gleich zweimal an die Öffentlichkeit: Im<br />

Rahmen einer Pressekonferenz und nachfolgend in einem<br />

Forum für Ärzte, Apotheker und Wissenschaftler.<br />

„Biosimilars – Similar Biological Medicinal Products – das<br />

steht für Folgeprodukte biopharmazeutischer Medikamente.<br />

Sie erwachsen aus kultivierten modifi zierten organischen<br />

Substanzen – Bakterien, Hefen o<strong>de</strong>r Zellen von Säugetieren“,<br />

erklärte Hannes Teissl von Sandoz <strong>de</strong>r Presse. Es ist<br />

ein kostspieliger Weg, ehe ein Biosimilar auf <strong>de</strong>n Markt gebracht<br />

wer<strong>de</strong>n könne, <strong>de</strong>nn dazu muss erst eine eigene Zucht<br />

aufgebaut wer<strong>de</strong>n. Das kennzeichne nachvollziehbar sowohl<br />

<strong>de</strong>n Aufwand als auch die Gefahren, die mit einem solchen<br />

Vorhaben verbun<strong>de</strong>n sind, fügte Hannes Teissl hinzu.<br />

Ein Biosimilar ist kein Generikum<br />

Während Biopharmazeutika, also gentechnisch hergestellte<br />

rekombinante Proteine wie zum Beispiel Insulin, Interferone<br />

o<strong>de</strong>r Epoetine, aus <strong>de</strong>r Praxis längst nicht mehr wegzu<strong>de</strong>nken<br />

sind, müssen Biosimilars auf <strong>de</strong>m Markt erst bekannt<br />

Biosimilars könnten <strong>de</strong>r GKV<br />

jährlich eine Ersparnis von bis<br />

zu einer Milliar<strong>de</strong> Euro<br />

bringen, meint Sandoz.<br />

wer<strong>de</strong>n. Schon <strong>de</strong>r Begriff bedarf einer Klarstellung: Biosimilars<br />

sind Folgepräparate meist patentierter biologischer<br />

Arzneimittel, die nach <strong>de</strong>m Ablauf <strong>de</strong>s Patentschutzes auf<br />

bio technologischem Weg nachgebaut wer<strong>de</strong>n. Sandoz gehört<br />

zu <strong>de</strong>n forschen<strong>de</strong>n Pharmaunternehmen, <strong>de</strong>r Konzern ist<br />

aber auch, vor allem durch die Marke Hexal, einer <strong>de</strong>r führen<strong>de</strong>n<br />

Generikahersteller. Bekannt ist das Unternehmen.<br />

Als einer <strong>de</strong>r weltweit Ersten hat sich Sandoz zur Weiterentwicklung<br />

von patentierten Biopharmazeutika zu neuen Biosimilars<br />

entschlossen und diese Position bisher konsequent<br />

gehalten. Ein Biosimilar ist mehr als ein Generikum. Für<br />

die Marktzulassung herkömmlicher synthetisierter Generika<br />

reicht ein einfacher I<strong>de</strong>ntitätsnachweis durch Bioäquivalenzstudien<br />

aus. Die sind aber auf biologische Folgeprodukte nicht<br />

so anwendbar. Aufgrund ihrer komplexen Molekularstruktur<br />

und <strong>de</strong>r hohen Anfor<strong>de</strong>rungen an <strong>de</strong>n Herstellungsprozess<br />

unterschei<strong>de</strong>n sie sich prinzipiell von <strong>de</strong>n gängigen<br />

Nachahmerpräparaten. Angesichts dieser Beson<strong>de</strong>rheiten<br />

müs sen in das Zulassungsdossier neben <strong>de</strong>n üblichen<br />

eingehen <strong>de</strong>n physikalisch-chemischen und biologischen<br />

Vergleichen auch vergleichen<strong>de</strong> präklinische und klinische<br />

Daten Eingang fin<strong>de</strong>n.<br />

Europa ist bei Biosimilars <strong>de</strong>r Vorreiter<br />

Alle diese Verfahrensschritte wur<strong>de</strong>n bei Sandoz das erste<br />

Mal für das Wachstumshormon Omnitrope gegangen, bis<br />

das Unternehmen für dieses Präparat, mit <strong>de</strong>ssen Entwicklung<br />

man 2001 begann, im Jahr 2006 endlich die Zulassung,<br />

die erste dieser Art in <strong>de</strong>r EU, bekam. Dadurch leistete das<br />

Unternehmen als Pionier einen wesentlichen Beitrag zur<br />

Etablierung von Qualitäts- und Sicherheitsrichtlinien gemäß<br />

<strong>de</strong>n allgemeingültigen strengen Standards von Originalpräparaten.<br />

Die betreffen<strong>de</strong> EU-Richtlinie gibt vor :<br />

„Erfüllt ein biologisches Arzneimittel, das einem<br />

biologischen Referenzarzneimittel ähnlich ist, die in<br />

<strong>de</strong>r Defi nition von Generika enthaltenen Bedingungen<br />

nicht, ... so sind die Ergebnisse geeigneter vorklinischer<br />

o<strong>de</strong>r klinischer Versuche hinsichtlich<br />

dieser Bedingungen vorzulegen.“<br />

Bildnachweis: jupiterimages (1)<br />

32 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


Biosimilars bauen auf biotechnologischem Weg<br />

biologische Originalprodukte nach.<br />

Eine angestrebte Zulassung ist also kein Selbstläufer. Die<br />

Ausarbeitung <strong>de</strong>r regulatorischen Grundlagen für die Entwicklung<br />

und Herstellung biologischer Folgeprodukte beansprucht<br />

in je<strong>de</strong>m Fall einen Zeitraum von mehreren Jahren.<br />

Alleine für die klinischen Studien sind mehrere Jahre zu veranschlagen,<br />

für die Prozessentwicklung einschließlich Präklinik<br />

ebenfalls. Weitere ein bis zwei Jahre nimmt außer<strong>de</strong>m<br />

die Zulassung durch die EMEA in Anspruch.<br />

Nach<strong>de</strong>m im Rahmen einer Musterentscheidung <strong>de</strong>r europäischen<br />

Arzneimittelagentur EMEA Sandoz für Omnitrope<br />

im Jahr 2006 die erste EU-Zulassung für Biosimilars überhaupt<br />

bekam, folgten 2007 noch die bei<strong>de</strong>n Glykoproteine<br />

Binokrit und Epoetin alfa.<br />

„Bereits um 2010 wer<strong>de</strong>n mehr als 50 Prozent <strong>de</strong>r neu zugelassenen<br />

Arzneimittel Biopharmazeutika sein“, schätzt<br />

Hannes Teissl. Bis 2020 en<strong>de</strong>t außer<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Patentschutz<br />

von weiteren 74 wichtigen Substanzen, die <strong>de</strong>rzeit weltweit<br />

ein Umsatzvolumen von rund 80 Milliar<strong>de</strong>n Dollar erzielen.<br />

Von diesen dann patentfreien Medikamenten biete sich etwa<br />

ein Drittel zur Aufwertung als Biosimilar an. Bereits heute<br />

sind die Wirkstoffe Somatropin, Epoetin alfa, Filgrastim,<br />

Interferon alfa 2a und 2b, Interferon beta 1b sowie beta 1a<br />

(lyo) für eine solche Aufarbeitung frei. Gegenwärtig habe<br />

die Sandoz-Gruppe 25 Projekte in unterschiedlichen Entwicklungsstadien<br />

in <strong>de</strong>r Pipeline. Europa hat insgesamt auf<br />

diesem Gebiet einen beträchtlichen Vorsprung gegenüber<br />

<strong>de</strong>n USA und Japan, die bei<strong>de</strong> noch in <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rschuhen<br />

stecken, betonte <strong>de</strong>r Sandoz-Vertreter. Diesen Wissens- und<br />

Zeitvorsprung gelte es nicht nur zu halten, son<strong>de</strong>rn nach<br />

Möglichkeit noch auszubauen. Das gelingt allerdings nur,<br />

wenn man die bestehen<strong>de</strong> Kostenfalle umgeht.<br />

Die Kostenproblematik ist eine Crux<br />

Was es mit <strong>de</strong>r Kostenproblematik auf sich hat, das erläuterte<br />

Prof. Dr. Bertram Häussler, Leiter <strong>de</strong>s IGES, <strong>de</strong>r Presse<br />

Anmerkung <strong>de</strong>r Redaktion:<br />

Nicht nur das Wörtchen „Bio“ zeugt von <strong>de</strong>r Nähe, die zwischen<br />

<strong>de</strong>r Problematik besteht, die Biosimilars bei <strong>de</strong>r Zulassung zu<br />

bewältigen haben und Problemen, mit <strong>de</strong>nen Arzneimittel aus<br />

Naturstoffen kämpfen. Vor allem für gut dokumentierte Phytopharmaka<br />

aus Spezialextrakten gilt, dass sie keine Generika<br />

sind.<br />

Sie wer<strong>de</strong>n ebenfalls wesentlich durch ihren Herstellungsprozess<br />

<strong>de</strong>fi niert, was durchaus plausibel macht, warum die<br />

„Nachahmerpräparate“, nämlich Produkte, die aus gleichen<br />

Drogen nach an<strong>de</strong>ren Verfahren hergestellt wur<strong>de</strong>n, ihre Äquivalenz<br />

– vor allem im Hinblick auf ihre Wirksamkeit – eigens<br />

beweisen sollten.<br />

Bei Biosimilars hat EMEA diese Zusammenhänge begriffen<br />

und daraus regulatorische Konsequenzen gezogen. Bei Phytopharmaka<br />

ist man von solchem Bewusstsein noch meilenweit<br />

entfernt.<br />

in Berlin. In seiner im Auftrag von Sandoz durchgeführten<br />

Studie „Zur Rolle <strong>de</strong>r Biosimilars im Wettbewerb auf <strong>de</strong>m<br />

GKV-Arzneimittelmarkt“ macht er folgen<strong>de</strong> Rechnung auf:<br />

Nach IGES-Prognose ist anzunehmen, dass <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r<br />

Original-Biopharmazeutika an <strong>de</strong>n GKV-Ausgaben von <strong>de</strong>rzeit<br />

vier Milliar<strong>de</strong>n Euro bis 2013 auf über sechs Milliar<strong>de</strong>n<br />

Euro anwachsen wird, und 2020 die Grenze von zehn Milliar<strong>de</strong>n<br />

Euro überschreitet.<br />

Damit wür<strong>de</strong> gleichzeitig ihr Anteil an <strong>de</strong>n GKV-Gesamtausgaben,<br />

die 2008 rund 28 Milliar<strong>de</strong>n Euro betragen haben,<br />

von 13 auf 21 Prozent ansteigen und von <strong>de</strong>n <strong>de</strong>rzeit etwa 60<br />

Millionen Euro ab 2017 auf über eine Milliar<strong>de</strong> Euro jährlich<br />

anwachsen.<br />

Diese Ausgaben ließen sich, so Prof. Häussler, mihilfe von<br />

Biosimilars verringern. Biosimilars sind zwar keine Generika,<br />

die sich weitgehend auf die Daten <strong>de</strong>s Referenzprodukts<br />

stützen können, son<strong>de</strong>rn sie müssen in eigenen klinischen<br />

Studien ihre Wirksamkeit und Unbe<strong>de</strong>nklichkeit jeweils beweisen.<br />

Trotz<strong>de</strong>m können sie billiger angeboten wer<strong>de</strong>n als<br />

die Originalpräparate. Nach Erfahrungen von Sandoz dauert<br />

die Entwicklung eines Biosimilars in <strong>de</strong>r Regel sieben bis<br />

zehn Jahre und kostet die Summe von 70 bis 100 Millionen<br />

Dollar. Trotz dieser gewaltigen Investition könnte ein Biosimilarprodukt<br />

pro Abgabedosis jeweils um etwa 15,7 Prozent<br />

billiger angeboten wer<strong>de</strong>n, als das patentgeschützte Original.<br />

Für die GKV wür<strong>de</strong> es bis 2020 eine Kostenersparnis<br />

von 8,1 Milliar<strong>de</strong>n Euro be<strong>de</strong>uten.<br />

Dieses Einsparpotenzial ist aber an Konditionen gebun<strong>de</strong>n,<br />

die wenig realistisch erscheinen. Die IGES-Rechnung<br />

wür<strong>de</strong> nämlich nur dann funktionieren, wenn die Biosimilarhersteller<br />

mit ihren Medikamenten einen Preis erzielen<br />

könnten, <strong>de</strong>r die Gesamtkosten für Entwicklung und Einführung<br />

wie<strong>de</strong>r einspielt. Darin besteht aber die von Sandoz<br />

angesprochene Kostenfalle.<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 33


BIOSIMILARS<br />

Dieses Preisniveau kann nicht sichergestellt wer<strong>de</strong>n, wenn<br />

■ die Hersteller <strong>de</strong>r Originalpräparate ihren Preis nach Auslaufen<br />

<strong>de</strong>s Patenschutzes so weit absenken wür<strong>de</strong>n, dass<br />

das Biosimilar teurer käme als das Originalpräparat,<br />

■ die Hersteller <strong>de</strong>r Originalpräparate vor Ablauf <strong>de</strong>s<br />

Patentschutzes Rabattverträge mit Krankenkassen,<br />

Apotheken o<strong>de</strong>r Kliniken abschließen wür<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>nen<br />

sie <strong>de</strong>n weiteren Absatz ihrer Produkte sichern,<br />

■ die Hersteller <strong>de</strong>r Originalpräparate Festbeträge mit<br />

Vertreibern vertraglich vereinbaren.<br />

Der IGES-Leiter schlug daher vor, Markteintrittsbarrieren,<br />

die die Einführung <strong>de</strong>r Biosimilars behin<strong>de</strong>rn, abzuschaffen<br />

und die Politik <strong>de</strong>r Exklusivverträge zu unterbin<strong>de</strong>n.<br />

Hannes Teissl unterstrich diese For<strong>de</strong>rungen zusätzlich mit<br />

<strong>de</strong>r Warnung, dass sich Deutschland sonst von <strong>de</strong>r weltweiten<br />

Entwicklung abkoppeln und die Gelegenheit, mithilfe<br />

von Biosimilars dauerhalft Kosten zu sparen, versäumen<br />

wür<strong>de</strong>. „Die Politik hat es in <strong>de</strong>r Hand, die Weichen dafür<br />

zu stellen, dass sich Biosimilars erfolgreich auf <strong>de</strong>m Markt<br />

etablieren“, stellte er fest.<br />

Staatliche Eingriffe unerwünscht<br />

Bei <strong>de</strong>n meisten an <strong>de</strong>r Pressekonferenz teilnehmen<strong>de</strong>n<br />

Journalisten hat <strong>de</strong>r Vorschlag allerdings pures Kopfschütteln<br />

hervorgerufen.<br />

Auch bei <strong>de</strong>r zweiten Veranstaltung, zu <strong>de</strong>r Fachleute eingela<strong>de</strong>n<br />

waren, fand <strong>de</strong>r Vorschlag nach Staatsintervention<br />

wenig Zustimmung. Beson<strong>de</strong>rs klar hat sich Prof. Dr. Gerd<br />

Glaeske, Bremen, dazu geäußert.<br />

Er halte die kritisierten Instrumentarien zur Kostenbegrenzung<br />

für unverzichtbar, sie verhelfen mehr Menschen zu bezahlbaren,<br />

sicheren und wirksameren Versionen bestehen<strong>de</strong>r<br />

Pharmazeutika.<br />

In Kenntnis <strong>de</strong>r permanenten Auseinan<strong>de</strong>rsetzung über die<br />

Preisfestsetzung patentierter Neuentwicklungen durch die<br />

forschen<strong>de</strong>n Pharmaunternehmen halte er außer<strong>de</strong>m die von<br />

Sandoz und IGES gefor<strong>de</strong>rten staatlichen Eingriffe für nicht<br />

verantwortbar. Bei günstigem Verhältnis von Nutzenzuwachs<br />

zu Kostenaufwand wer<strong>de</strong> sich Sandoz mit seiner Vorreiterrolle<br />

bei Biosimilars durch höhere Effektivität sicher<br />

auf <strong>de</strong>m Markt durchsetzen, stellte Prof. Glaeske abschließend<br />

fest.<br />

■<br />

AUTOR<br />

Werner B. Hoppe<br />

E-Mail: wbhoppe@aol.com<br />

Bildnachweis: Löffl er (1), PD Dr. med. André-Michael Beer (1)<br />

34 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


KONGRESSBERICHT<br />

Fortbildung in Hattingen<br />

Ärzte und Apotheker drücken<br />

gemeinsam die Schulbank<br />

Große Resonanz zum Thema Phytotherapie fand eine gemeinsame Fortbildungsveranstaltung von<br />

Apothekern und Ärzten. Hierzu haben sich Ärzte- und Apothekerkammern in Westfalen-Lippe bereits<br />

zum zweiten Mal zusammengetan und eine gemeinsame Fortbildung zum Thema Phytotherapie auf<br />

<strong>de</strong>n Weg gebracht. [ von Dr. André-Michael Beer ]<br />

➔<br />

November 2008 fand im Klinikum Blankenstein in<br />

Hattingen die Veranstaltung zum Thema „Stellenwert<br />

und evi<strong>de</strong>nzbasierter Einsatz von Phytopharmaka“ statt. Unter<br />

<strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>ration von Professor Dr. med. Falk Oppel, <strong>de</strong>m<br />

Leiter <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie für ärztliche Fort- und Weiterbildung<br />

<strong>de</strong>r Ärztekammer und KV Westfalen-Lippe, hielten Professor<br />

Dr. Theodor Dingermann, Universität Frankfurt, und PD Dr.<br />

med. André-Michael Beer, Ruhr-Universität Bochum, Vorträge<br />

zum Thema. Prof. Dingermann vermittelte die pharmakologischen<br />

und pharmazeutischen „Basics“ <strong>de</strong>r Phytotherapie.<br />

So machte er <strong>de</strong>utlich, dass die Droge nur als Rohstoff zu<br />

betrachten ist, <strong>de</strong>r eigentliche Wirkstoff ist <strong>de</strong>r jeweilige Extrakt.<br />

Das sei <strong>de</strong>shalb von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung, weil sich<br />

Extrakte, auch wenn sie aus <strong>de</strong>r gleichen Droge stammen,<br />

stark unterschei<strong>de</strong>n können. Kritisch äußerte er sich über traditionelle<br />

Präparate nach § 109 a (AMG), vor allem was <strong>de</strong>ren<br />

Wirksamkeit anbetrifft. Diese Produkte seien per <strong>de</strong>finitionem<br />

unwirksam, was er für gera<strong>de</strong>zu skandalös halte.<br />

Ein ganz beson<strong>de</strong>res Anliegen war ihm die For<strong>de</strong>rung nach<br />

einer Apothekerkommission, die <strong>de</strong>n Apotheker im Rahmen<br />

eines Qualitätsmanagements einbin<strong>de</strong>t. Darüber hinaus regte<br />

er an, dass sich Firmen, die Präparate aus gleichen Drogen<br />

herstellen, zusammenschließen, um gemeinsam die Extrakte<br />

zu beforschen. Darin wür<strong>de</strong> er für die Zukunft <strong>de</strong>r Phytotherapie<br />

einen <strong>de</strong>utlichen Vorteil sehen. Auf diese Weise könnten<br />

das optimale Drogen-Extrakt-Verhältnis, die Pharmakodynamik,<br />

die Pharmakokinetik wie auch die Wirkmechanismen<br />

dieser Phytopharmaka umfassend <strong>de</strong>finiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Die Pause ist die produktivste Zeit einer Tagung<br />

Prof. Dingermann begeisterte in seinem lebendigen Vortrag<br />

sowohl Apotheker als auch Ärzte, sodass es in <strong>de</strong>r Pause zu<br />

einer angeregten Diskussion zwischen Referenten und Teilnehmern,<br />

aber auch unter <strong>de</strong>n Teilnehmern kam.<br />

Das Wichtigste im Rahmen von Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen<br />

ist, folgt man <strong>de</strong>n Ergebnissen einer amerikanischen<br />

Untersuchung, die Pause. Dort kommt es zu einer<br />

„Kalibrierung“ (Calibration) zwischen <strong>de</strong>n Teilnehmern:<br />

Aussagen an<strong>de</strong>rer wer<strong>de</strong>n kritisch überdacht und gegebenenfalls<br />

auch zum Anlass genommen, am eigenen Meinungsbild<br />

Korrekturen vorzunehmen. Diese Form einer Kalibrierung<br />

zwischen Apothekern und Ärzten ist heute ohnehin dringend<br />

notwendig. Zunehmend wen<strong>de</strong>n sich Patienten bei leichten bis<br />

mittelschweren Erkrankungen an Apotheker. Dies wur<strong>de</strong> von<br />

<strong>de</strong>n Teilnehmern auch in <strong>de</strong>r Diskussion angesprochen, und<br />

die Apotheker machten dabei <strong>de</strong>utlich, dass sie sich bemühen,<br />

Phytopharmaka gemäß ärztlicher Indikationsstellung zu empfehlen.<br />

Die meisten sprachen sich dafür aus, in Abgrenzung<br />

zu Discountermärkten in <strong>de</strong>r Apotheke nur Phytopharmaka<br />

vorzuhalten, die nach Qualität, Wirksamkeit und Unbe<strong>de</strong>nklichkeit<br />

getestet sind und die traditionellen Präparate nach<br />

§ 109 a (AMG) bzw. Nahrungsergänzungsmittel, die diesen<br />

Qualitätskriterien nicht Rechnung tragen, eher <strong>de</strong>m Verkauf<br />

in Discountermärkten zu überlassen.<br />

Pflanzliche Gynäkologika haben gute Perspektiven<br />

Dr. Beer ging in seinem Vortrag auf <strong>de</strong>n Stellenwert <strong>de</strong>r Phytopharmaka<br />

am Beispiel <strong>de</strong>r Wechseljahresbeschwer<strong>de</strong>n ein.<br />

Er ver<strong>de</strong>utlichte, dass zwei Drittel <strong>de</strong>r Frauen in <strong>de</strong>n Wechseljahren<br />

nur leichte bis mittelschwere Beschwer<strong>de</strong>n aufweisen,<br />

die sie zunächst in die Apotheke führen. Er zeigte, dass<br />

gera<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>r Wechseljahresbeschwer<strong>de</strong>n seitens<br />

<strong>de</strong>r Phytopharmaka eine breite Evi<strong>de</strong>nz durch eine lange Erfahrung,<br />

aber auch durch eine Reihe von klinischen Studien<br />

vorliegt. Zum Stellenwert <strong>de</strong>r Isoflavone, die vor allem als<br />

Nahrungsergänzungsmittel vermarktet wer<strong>de</strong>n, äußerte er<br />

sich zurückhaltend, da we<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Wirksamkeit noch <strong>de</strong>ren<br />

Unbe<strong>de</strong>nklichkeit ausreichend belegt seien.<br />

Da die Hormonersatztherapie aber immer stärker in das<br />

Kreuzfeuer <strong>de</strong>r Kritik gerät, sehe er für die gut dokumentierten<br />

Phytopharmaka gera<strong>de</strong> bei Wechseljahrsbeschwer<strong>de</strong>n<br />

gute Perspektiven.<br />

■<br />

AUTOR<br />

PD Dr. med. André-Michael Beer, M. Sc<br />

Chefarzt <strong>de</strong>r Abteilung Naturheilkun<strong>de</strong> – Klinik Blankenstein<br />

Im Vogelsang 5–11 | 45527 Hattingen<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 35


SCHWERPUNKT<br />

Neuro<strong>de</strong>rmitis beim Kind<br />

Johanniskraut-Creme<br />

unterstützt die Basistherapie<br />

Die atopische Dermatitis (AD) gehört zu <strong>de</strong>n häufigsten Hauterkrankungen im Kin<strong>de</strong>salter. Eine gezielte, auf<br />

die Bedürfnisse <strong>de</strong>r Betroffenen abgestimmte tägliche Hautpflege ist dabei ein wichtiger Bestandteil <strong>de</strong>r<br />

Basistherapie. Wie die Ergebnisse einer aktuellen Anwendungsbeobachtung zeigen, eignen sich Produkte<br />

mit Johanniskraut-Extrakten für eine solche Basispflege beson<strong>de</strong>rs gut.<br />

➔Weltweit sind rund 10 bis 20 Prozent aller Kin<strong>de</strong>r von<br />

atopischer Dermatitis betroffen (Wüthrich et al. 1998),<br />

die Prävalenz beträgt in Deutschland 13,2 Prozent (Kamtsiuris<br />

2007). Die gestörte Hautbarriere ist eines <strong>de</strong>r Charakteristika<br />

<strong>de</strong>r atopischen Dermatitis. Symptome wie Hauttrockenheit<br />

und Rötung sind dabei typisch und in aller Regel selbst<br />

bei mil<strong>de</strong>n Formen <strong>de</strong>s atopischen Ekzems zu fin<strong>de</strong>n (Diepgen<br />

et al. 1991). Der gezielten täglichen Hautpflege kommt daher<br />

im Rahmen <strong>de</strong>r Basistherapie <strong>de</strong>r atopischen Dermatitis eine<br />

beson<strong>de</strong>re Be<strong>de</strong>utung zu. Medizinische Hautpflegeprodukte<br />

können bei regelmäßiger Anwendung zu einer Stabilisierung<br />

<strong>de</strong>r Barrierefunktion und zur Abnahme <strong>de</strong>r Xerosis führen<br />

(Abels et al. 2006).<br />

Noch relativ neu ist hierbei <strong>de</strong>r Einsatz von Zubereitungen<br />

mit Johanniskraut-Extrakten zur topischen Anwendung. Ein<br />

Johanniskraut-Spezialextrakt, für <strong>de</strong>ssen Inhaltsstoffe antiinflammatorische<br />

und antibakterielle Wirkungen nachgewiesen<br />

wer<strong>de</strong>n konnten (Schempp et al. 1999, 2003), zeigte bei erwachsenen<br />

Proban<strong>de</strong>n eine gute Verträglichkeit<br />

sowie eine klinische Verbesserung<br />

<strong>de</strong>s atopischen Ekzems (Schempp et al.<br />

2003, Heinrich et al. 2003).<br />

Mithilfe <strong>de</strong>r In-vitro-Laser-Scan-Mikroskopie<br />

konnte bei <strong>de</strong>r Verwendung einer<br />

Gesichtscreme mit diesem Johanniskraut-<br />

Spezialextrakt eine Verbesserung <strong>de</strong>r<br />

Barriereeigenschaften <strong>de</strong>r Haut und <strong>de</strong>r<br />

Hauttrockenheit (Teichmann et al. 2006) dokumentiert<br />

wer<strong>de</strong>n. Das Beson<strong>de</strong>re an <strong>de</strong>m<br />

hier besprochenen Johanniskraut-Spezialextrakt<br />

ist sein hoher Hyperforinanteil und das<br />

Fehlen <strong>de</strong>s normalerweise in Johanniskraut<br />

vorkommen<strong>de</strong>n Hypericins, <strong>de</strong>m photosensibilisieren<strong>de</strong><br />

Effekte zugeschrieben wer<strong>de</strong>n.<br />

Studie prüft Anwendung bei Kin<strong>de</strong>rn<br />

Kin<strong>de</strong>r sind keine „kleinen Erwachsenen“.<br />

Daher ist es auch im Bereich <strong>de</strong>r medizinischen<br />

Hautpflege wichtig, die Verträglichkeit<br />

entsprechen<strong>de</strong>r Produkte bei <strong>de</strong>r<br />

[ von Dr. med. Swarna Ekanayake und Anke Kleemann ]<br />

Anwendung auf <strong>de</strong>r kindlichen Haut zu überprüfen. In drei<br />

Anwendungsbeobachtungen wur<strong>de</strong> jeweils <strong>de</strong>r Einsatz <strong>de</strong>s<br />

Johanniskraut-Spezialextraktes in drei unterschiedlichen<br />

topischen Formen (Bedan ® Creme, Lotion und Gesichtscreme)<br />

speziell bei Babys und Kleinkin<strong>de</strong>rn im Alter von sechs Monaten<br />

bis zwei Jahren untersucht. Aufnahmekriterium für die<br />

kleinen Patienten war eine anamnestisch festgestellte empfindliche<br />

und/o<strong>de</strong>r trockene Haut mit Rötungen als Minimalform<br />

<strong>de</strong>r atopischen Hautdiathese, die dann durch einen Dermatologen<br />

objektiviert wur<strong>de</strong>.<br />

■ In je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r drei unabhängigen Studien wur<strong>de</strong> eine<br />

an<strong>de</strong>re Produktform untersucht. Insgesamt wur<strong>de</strong>n<br />

42 Kin<strong>de</strong>r eingeschlossen.<br />

■ In <strong>de</strong>n Studien I und II musste das jeweilige Testprodukt<br />

(Creme und Lotion) min<strong>de</strong>stens zweimal täglich am<br />

Körper <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.<br />

■ In <strong>de</strong>r Studie III war die Gesichtscreme min<strong>de</strong>stens<br />

einmal pro Tag aufzutragen.<br />

Mittelwerte <strong>de</strong>r Scores<br />

Abbildung 1: Dermatologische Bewertung <strong>de</strong>r Haut zu Beginn und nach<br />

Abschluss <strong>de</strong>r Studie.<br />

Bildnachweis: Dr. Michael Ploch (1), proDerm (1)<br />

36 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


Die Eltern <strong>de</strong>r teilnehmen<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n gebeten, während<br />

<strong>de</strong>r Anwendungsbeobachtung die bisherigen Wasch- und<br />

Reinigungsgewohnheiten nicht zu verän<strong>de</strong>rn, jedoch auf die<br />

Verwendung eigener Körperpflegeprodukte (in Studie I und II)<br />

bzw. eigener Gesichtscreme (in Studie III) zu verzichten.<br />

Bei Aufnahme und nach zweiwöchiger Anwendung von Bedan<br />

® erfolgte zur Bestimmung <strong>de</strong>r objektiven klinischen Parameter<br />

jeweils eine Untersuchung <strong>de</strong>s Hautorgans durch einen<br />

Dermatologen. Als klinische Parameter dienten die Symptome<br />

■ Erythem,<br />

■ Xerosis,<br />

■ Schuppung,<br />

■ Papeln.<br />

Sie wur<strong>de</strong>n einzeln entsprechend ihrer Intensität mithilfe eines<br />

Scores bewertet. Die Eltern wur<strong>de</strong>n zu Studienen<strong>de</strong> mithilfe<br />

eines Fragebogens zu <strong>de</strong>n kosmetischen Eigenschaften <strong>de</strong>s<br />

Prüfproduktes befragt.<br />

Der Hautzustand verbessert sich<br />

Die Auswertung hat hinsichtlich <strong>de</strong>r Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r objektiven<br />

klinischen Parameter folgen<strong>de</strong> Ergebnisse erbracht (Abbildung<br />

1):<br />

Studie I (Creme): Zu Studienbeginn wiesen alle eingeschlossenen<br />

Kin<strong>de</strong>r eine trockene Haut am Körper mit einem mittleren<br />

Score-Wert von 0,73 auf. Nach 14-tägiger Anwendung lag<br />

<strong>de</strong>r mittlere Scorewert nur noch bei 0,18. Insgesamt reduzierte<br />

sich die Anzahl <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r mit klinisch erkennbarer trockener<br />

Haut von 100 Prozent auf nur noch 25 Prozent.<br />

Eine <strong>de</strong>utliche Verän<strong>de</strong>rung während <strong>de</strong>s Testzeitraums zeigte<br />

sich auch bei <strong>de</strong>n übrigen Parametern.<br />

■ Während zu Beginn <strong>de</strong>r Studie bei 85 Prozent <strong>de</strong>r Babys<br />

und Kleinkin<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n Parameter Schuppung ein mittlerer<br />

Score-Wert von 0,55 festgestellt wur<strong>de</strong>, wiesen am En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>s Beobachtungszeitraums nur noch 20 Prozent <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r<br />

eine schuppen<strong>de</strong> Haut auf, <strong>de</strong>r Mittelwert <strong>de</strong>s Scores betrug<br />

nur noch 0,10.<br />

■ Eine Rötung <strong>de</strong>r Haut wur<strong>de</strong> bei 55 Prozent und Papeln<br />

bei 15 Prozent <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r zu Beginn <strong>de</strong>s Testzeitraumes<br />

diagnostiziert. Bei <strong>de</strong>r Abschlussuntersuchung war nur<br />

noch bei 25 Prozent <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r eine sehr leichte Rötung erkennbar,<br />

<strong>de</strong>r Mittelwert <strong>de</strong>s Scores sank von 0,48 auf<br />

0,15. Papeln waren am letzen Tag bei keinem Kind mehr<br />

vorhan<strong>de</strong>n.<br />

Studie II (Lotion): Nach zweiwöchiger täglicher Anwendung<br />

<strong>de</strong>r Johanniskraut-Lotion zeigte sich eine <strong>de</strong>utliche Verbesserung<br />

<strong>de</strong>s Hautzustan<strong>de</strong>s, insbeson<strong>de</strong>re im Bezug auf die<br />

Hauttrockenheit. Während zu Beginn <strong>de</strong>r Studie bei 53 Prozent<br />

<strong>de</strong>r Babys und Kleinkin<strong>de</strong>r Hauttrockenheit diagnostiziert<br />

wur<strong>de</strong>, war diese am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Testzeitraumes nur noch bei<br />

37 Prozent <strong>de</strong>r Teilnehmer zu beobachten. Der Mittelwert <strong>de</strong>s<br />

Scores nahm dabei von 0,53 auf 0,24 ab.<br />

■ Schuppung wur<strong>de</strong> bei 16 Prozent <strong>de</strong>r Teilnehmer zu Studienanfang<br />

festgestellt. Dieses Symptom war nach 14 Tagen<br />

bei keinem <strong>de</strong>r Teilnehmer mehr nachweisbar.<br />

■ Leichte Rötungen fan<strong>de</strong>n sich zwar noch bei zwei Kin<strong>de</strong>rn<br />

(elf Prozent), jedoch sank <strong>de</strong>r Mittelwert <strong>de</strong>s Scores von<br />

0,13 auf 0,05 (dies entspricht einem „sehr leichten“ Befund).<br />

Bei einem Kind wur<strong>de</strong> eine sehr leichte Papelbildung<br />

dokumentiert.<br />

Studie III (Gesichtscreme): Alle behan<strong>de</strong>lten Kin<strong>de</strong>r wiesen<br />

zum Studienbeginn eine trockene Gesichtshaut auf. Nach<br />

14-tägiger Anwendung <strong>de</strong>r Gesichtspflege verbesserte sich die<br />

Hauttrockenheit im Gesicht <strong>de</strong>utlich. Der Mittelwert von 1,3<br />

bei Beginn <strong>de</strong>r Studie sank um mehr als die Hälfte auf einen<br />

mittleren Score-Wert von lediglich 0,6. Immerhin 25 Prozent<br />

<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r waren bei Abschluss <strong>de</strong>r Studie völlig frei vom<br />

Symptom Hauttrockenheit. Ein Erythem wur<strong>de</strong> bei 23 Prozent<br />

und Schuppung bei 27 Prozent <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r zu Beginn <strong>de</strong>r Studie<br />

diagnostiziert. Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Studienzeitraumes war eine<br />

Schuppung nur noch bei 18 Prozent <strong>de</strong>r Teilnehmer festzustellen.<br />

Der mittlere Score für Rötung fiel während <strong>de</strong>s Beobachtungszeitraums<br />

von 0,23 auf 0,14 ab. Papeln bestan<strong>de</strong>n weiterhin<br />

bei 68 Prozent <strong>de</strong>r Teilnehmer<br />

Elternurteil bestätigt guten Pflegeeffekt<br />

Die drei Anwendungsbeobachtungen bestätigen die bereits bei<br />

Erwachsenen dokumentierte gute Verträglichkeit und Wirksamkeit<br />

<strong>de</strong>r Hautpflegeprodukte mit Johanniskraut-Spezialextrakt.<br />

So konnte für Bedan ® Creme eine „sehr gute“, für<br />

Bedan ® Lotion und Bedan ® Gesichtscreme eine „sehr gute bis<br />

gute“ Hautverträglichkeit während <strong>de</strong>r täglichen Anwendung<br />

bei Babys und Kleinkin<strong>de</strong>rn gezeigt wer<strong>de</strong>n. Bei allen drei Produkten<br />

kam es dabei zu einer Verbesserung <strong>de</strong>s Hautzustan<strong>de</strong>s<br />

vor allem durch die Min<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Hauttrockenheit. Die kosmetischen<br />

Eigenschaften wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Mehrheit <strong>de</strong>r Eltern<br />

ebenfalls mit „sehr gut“ o<strong>de</strong>r „gut“ bewertet. Die Feststellung<br />

von Abels (2006), dass kosmetische Hautpflegeprodukte bei<br />

regelmäßiger Anwendung zu einer Stabilisierung <strong>de</strong>r Barrierefunktion<br />

<strong>de</strong>r Haut und zur Reduktion <strong>de</strong>r Xerosis führen, konnte<br />

durch die drei Anwendungsbeobachtungen auch bei Kin<strong>de</strong>rn<br />

bestätigt wer<strong>de</strong>n. Die Pflege mit Johanniskraut-Spezialextrakt<br />

bietet zusätzlich zur Stabilisierung <strong>de</strong>r Hautbarriere <strong>de</strong>n Vorteil<br />

antientzündlicher und antibakterieller Effekte.<br />

■<br />

AUTOREN<br />

Dr. med. Swarna Ekanayake<br />

proDerm Institut für Angewandte Dermatologische Forschung<br />

Kiebitzweg 2 | 22869 Schenefeld<br />

Anke Kleemann<br />

Motzener Straße 41 | 12277 Berlin<br />

E-Mail: akleemann@web.<strong>de</strong><br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 37


PÄDIATRIE<br />

Symposium <strong>de</strong>r DPhG-Fachgruppe „Pharmazeutische Biologie“ in Bonn<br />

Pädiatrie: Phytoforschung<br />

im Aufwind<br />

Auf einem Symposium <strong>de</strong>r Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft e.V. (DPhG), Fachgruppe Pharmazeutische<br />

Biologie, das unter <strong>de</strong>r Leitung von Prof. Dr. Susanne Alban (Universität Kiel) und PD Dr. Werner<br />

Knöss (BfArM) am 10. Oktober 2008 in Bonn stattfand, diskutierten Experten die aktuelle Situation <strong>de</strong>r<br />

Phytotherapie in <strong>de</strong>r Pädiatrie.<br />

[ von Dr. med. Karola Scheffer ]<br />

➔<br />

Indikationen<br />

Übersicht zum Einsatz von Phytopharmaka in <strong>de</strong>r Behandlung<br />

■ von Erkältungskrankheiten<br />

■ von Bronchialerkrankungen<br />

■ <strong>de</strong>s Asthma bronchiale<br />

■ <strong>de</strong>s atopischen Ekzems<br />

■ von Hals- und Rachenentzündungen<br />

■ von Magen-Darm-Erkrankungen<br />

■ von Harnwegsinfektionen<br />

■ von Schlafstörungen u.a. (psychotrope Phytopharmaka)<br />

Tabelle 1<br />

Quelle: Prof. Dr. Walter Dorsch<br />

Traditionelle Therapie<br />

Bewährte pfl anzliche Mittel für <strong>de</strong>n Säugling mit Blähungen<br />

■ Windtee<br />

Kamillenblüten (geschn.) 30,0<br />

Pfefferminzblätter (geschn.) 15,0<br />

Kümmelfrüchte (angestoßen) 20,0<br />

Fenchelfrüchte (angestoßen) 30,0<br />

Pomeranzenschale (geschn.) 5,0<br />

■ Windsalbe<br />

Anis, Fenchel, Kümmel + Basilikumöl, Kirschlorbeeröl o<strong>de</strong>r<br />

Majoranöl (<strong>de</strong>m Dickdarmverlauf folgend im Uhrzeigersinn<br />

einmassieren, richtig aufstoßen lassen!)<br />

■ Kümmelöl<br />

pur o<strong>de</strong>r besser 1/10 verdünnt<br />

Tabelle 2<br />

Quelle: Prof. Dr. Walter Dorsch<br />

Pflanzliche Arzneimittel bieten im Vergleich zu vielen chemischen<br />

Substanzen einen entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Vorteil, <strong>de</strong>r sie<br />

für die Anwendung im Kin<strong>de</strong>salter prä<strong>de</strong>stiniert: Sie sind in aller<br />

Regel gut verträglich und weitgehend frei von unerwünschten<br />

Nebenwirkungen. Obwohl aber pflanzliche Arzneimittel in <strong>de</strong>r<br />

kin<strong>de</strong>rärztlichen Praxis einen hohen Stellenwert einnehmen,<br />

wird in <strong>de</strong>n gängigen Lehrbüchern <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rheilkun<strong>de</strong> die<br />

Phytotherapie kaum berücksichtigt. Ebenso vergessen allerdings<br />

die Lehrbücher <strong>de</strong>r Phytotherapie meist, Kin<strong>de</strong>r als eine eigenständige<br />

Patientengruppe aufzuführen, berichtete Prof. Dr. med.<br />

Walter Dorsch, München. Dabei bietet die Pflanzenheilkun<strong>de</strong><br />

ein reichhaltiges Spektrum an Arzneien, die gera<strong>de</strong> bei Kin<strong>de</strong>rn<br />

für zahlreiche Indikationen zum Einsatz kommen können. Allen<br />

voran sind Erkältungskrankheiten, Atemwegserkrankungen und<br />

Hals- bzw. Rachenentzündungen zu nennen.<br />

Wie <strong>de</strong>r in München nie<strong>de</strong>rgelassene Pädiater erläuterte, können<br />

Phytopharmaka aber auch bei vielen an<strong>de</strong>ren Erkrankungen im<br />

Kin<strong>de</strong>salter eine wirksame und gleichzeitig schonen<strong>de</strong> Behandlung<br />

gewährleisten (Tabelle 1).<br />

Als Beispiele nannte er Extrakte aus Birkenblättern und Goldrutenkraut<br />

bei Harnwegsproblemen o<strong>de</strong>r Phytosedativa (Baldrian,<br />

Melisse, Hopfenzapfen und Passionsblumenkraut) bei<br />

kindlichen Schlafstörungen. Sogar die quälen<strong>de</strong>n Symptome <strong>de</strong>s<br />

atopischen Ekzems können – unterstützend zur konventionellen<br />

Therapie – mithilfe von pflanzlichen Dermatika gelin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

Dazu gehören topische Zubereitungen aus Johanniskraut,<br />

Kamille, Stiefmütterchenkraut o<strong>de</strong>r Ringelblume, die antiinflammatorische,<br />

antiexsudative, adstringieren<strong>de</strong> und antimikrobielle<br />

Eigenschaften besitzen.<br />

Atemwegsinfekte – eine Domäne <strong>de</strong>r Phytotherapie<br />

beim Kind<br />

Allein für die Behandlung von Atemwegsinfekten steht eine Vielzahl<br />

wirksamer und gut verträglicher Phytopharmaka zur Verfügung.<br />

Zur Lin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r typischen Erkältungssymptome eignen<br />

sich Schlüsselblumenblüten, Primelwurzel o<strong>de</strong>r Thymian- und<br />

Quen<strong>de</strong>lkraut mit ihren sekretolytischen, expektorieren<strong>de</strong>n und<br />

teils antiphlogistischen Eigenschaften. Thymian verfügt zusätzlich<br />

über <strong>de</strong>utliche antivirale Effekte, die bei <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Regel<br />

viral bedingten grippalen Infekten von beson<strong>de</strong>rem Nutzen sind.<br />

Hilfreich können auch die fiebersenken<strong>de</strong>n und schweißtreiben<strong>de</strong>n<br />

Effekte von Lin<strong>de</strong>nblüten o<strong>de</strong>r Holun<strong>de</strong>rblüten sein.<br />

Bei Bronchiti<strong>de</strong>n bieten sich drei Gruppen pflanzlicher Arzneimittel<br />

an, die je nach Hustenqualität indiziert sind:<br />

■ schleimlösen<strong>de</strong> Phytopharmaka wie Anis, Fenchel, Primelwurzel<br />

und Schlüsselblumenblüten sowie Senegawurzel,<br />

38 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


Qualitätsbewertung von Phytopharmaka<br />

Arzneimittel 1 Arzneimittel 2 Arzneimittel 3<br />

Inhaltstoffe Thymian-Fluid-Extrakt (1 : 2–2,5) 9 % Thymian-Fluid-Extrakt (1 : 2–2,5) 15 % Thymian-Fluid-Extrakt (1 : 2–2,5) 5 %<br />

Thymian-Fluid-Extrakt (TFE) Efeublätter-Fluid-Extrakt (1 : 1) 1,5 % Primelwurzel-Fluid-Extrakt (1 : 2–2,5) 2,5 %<br />

Efeublätter-Fluid-Extrakt (EFE)<br />

Primelwurzel-Fluid-Extrakt (PFE)<br />

Tagesdosis Erw. 90–120 ml = 10,125 g bis 13,5 g TFE 16,4 ml = 2,43 g TFE und 0,243 g EFE 30 ml = 1,5 g TFE und 0,75 g PFE<br />

Tagesdosis 4 J. 30 ml = 3,375 g TFE 9,6 ml = 1,44 g TFE und 0,144 g EFE 15 ml = 0,75 g TFE und 0,375 g PFE<br />

Alkoholgehalt <strong>de</strong>r Formulierung 4 Vol % 7 Vol % 5,4 Vol %<br />

Gebin<strong>de</strong>/AVK/Rohertrag 200 g/6,31 €/4,26 € 100 ml/9,53 €/4,26 € 135 g/6,18 €/2,72 €<br />

E/S/C/O/P Dosis f. Thymian 1–2 g getrocknetes Kraut als Aufguss mehrere Male am Tag; Flüssigextrakte wer<strong>de</strong>n analog berechnet (Kin<strong>de</strong>r ab 1Jahr<br />

(Kin<strong>de</strong>r > 1 Jahr, Erwachsene) und Erwachsene) Keine Angabe zu Kombinationsverwendung<br />

EMEA: Monographie (2007) Erwachsene und Kin<strong>de</strong>r > 12 Jahre: 1–14 g TFE<br />

T. vulgaris und T. zygis Kin<strong>de</strong>r 4–12 Jahre: 2,4–4 ml Keine Angabe zu Kombinationsverwendung<br />

EMEA: Monographie (2007) Tagesdosis Erwachsene <strong>de</strong>r Einzeldroge: 1,5 g Flüssigextrakt Keine Angabe zu Kombinationsverwendung<br />

P. veris und P. elatior<br />

nach „Kin<strong>de</strong>rdosierungen von<br />

Phytopharmaka“, 2. Auflage 2002<br />

Erwachsene (10–16 Jahre): 1,0–2,0 g je Einzeldosis<br />

Kin<strong>de</strong>r 1–4 Jahre: 0,3–1,0 g je Einzeldosis<br />

Tabelle 3: Vergleich von drei Fertigarzneimitteln am Beispiel von Thymian-Fluid-Extrakt beziehungsweise Thymian-<br />

Fluid-Extrakt-Kombinationen.<br />

Quelle: Dr. Andreas Genau<br />

■ hustenreizlin<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Arzneipflanzen wie Eibischwurzel,<br />

Isländisch Moos o<strong>de</strong>r Spitzwegerichkraut,<br />

■ hustendämpfen<strong>de</strong> Phytopharmaka wie Efeublätter,<br />

Lin<strong>de</strong>nblüten o<strong>de</strong>r Sonnentaukraut.<br />

Für einige <strong>de</strong>r pflanzlichen Antitussiva, wie beispielsweise bestimmte<br />

Efeublätter-Extrakte, sind zusätzliche bronchospasmolytische<br />

Wirkungen belegt. Pflanzliche Arzneimittel aus diesen<br />

Drogen sind sowohl als Monopräparate als auch als fixe Phytokombinationen<br />

auf <strong>de</strong>m Markt, wobei die Wirksamkeit einiger<br />

Präparate – dazu gehören beispielsweise Bronchicum ® , Bronchipret<br />

® , Prospan ® o<strong>de</strong>r Sinupret ® – durch entsprechen<strong>de</strong> klinische<br />

Studien auch bei Kin<strong>de</strong>rn gut dokumentiert ist. Zur ärztlich gestützten<br />

Selbstmedikation eignen sich nach Meinung von Prof.<br />

Dorsch auch vom Arzt individuell zusammengestellte Teerezepturen.<br />

Allerdings ist die Wirksamkeit von Tees – im Gegensatz zu<br />

vielen Fertigarzneien – nicht wissenschaftlich untermauert. Teezubereitungen<br />

reichen jedoch meist aus, um kindliche Bauchschmerzen<br />

zu lin<strong>de</strong>rn, die durch Blähungen verursacht sind.<br />

Mögliche Kombinationen sind hier<br />

■ Angelikawurzel, Enzianwurzel und Kümmelfrüchte,<br />

■ Kamillenblüten o<strong>de</strong>r alternativ Fenchelfrüchte, Pfefferminzblätter,<br />

Melissenblätter und Calmuswurzelstock sowie<br />

■ Malven- und Kamillenblüten, kombiniert mit Gänsefingerkraut<br />

und Fenchelfrüchten.<br />

Speziell für Säuglinge empfiehlt <strong>de</strong>r Pädiater eine externe Anwendung<br />

von Kümmelöl kombiniert mit einer Teemischung (Tabelle<br />

2). Bei akuten Diarrhöen wie<strong>de</strong>rum können pflanzliche Gerbstoffe<br />

z.B. aus Hei<strong>de</strong>lbeerfrüchten, Tormentillwurzelstock o<strong>de</strong>r<br />

Brombeerblättern, die sekretionshemmend, antimikrobiell und<br />

adstringierend wirken, von Nutzen sein. In <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rheilkun<strong>de</strong><br />

lohnt es sich also – so das Fazit <strong>de</strong>s Experten – die vielfältigen<br />

phytotherapeutischen Optionen zu kennen und auch zu nutzen.<br />

Unter <strong>de</strong>r Regelungswut lei<strong>de</strong>t die Compliance<br />

Über Phytopharmakaanwendungen bei Kin<strong>de</strong>rn aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s<br />

Apothekenalltags berichtete <strong>de</strong>r Apotheker Dr. Andreas Genau,<br />

Warburg. Etwa die Hälfte aller Phytopharmakaanwendungen<br />

bei Kin<strong>de</strong>rn wird, so seine Erfahrung, durch ärztliche Empfehlung<br />

o<strong>de</strong>r Verordnung veranlasst, die an<strong>de</strong>re Hälfte erfolgt über<br />

Selbstmedikation. Etwas mehr als die Hälfte davon entfällt auf<br />

die Empfehlung durch <strong>de</strong>n Apotheker, in <strong>de</strong>n übrigen 20 Prozent<br />

<strong>de</strong>r Fälle wünschen die Eltern ein ganz bestimmtes pflanzliches<br />

Präparat. Das Ausmaß <strong>de</strong>r Akzeptanz <strong>de</strong>r Phytopharmaka ist immer<br />

noch sehr unterschiedlich. Von vielen behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Ärzten<br />

wer<strong>de</strong>n sie voll akzeptiert, es gibt aber noch einige Mediziner,<br />

die solchen Arzneimitteln gegenüber eine ablehnen<strong>de</strong> Haltung<br />

einnehmen – primär wegen vermeintlicher Wirkungslosigkeit.<br />

Für Eltern stehen dagegen pflanzliche Arzneimittel hoch im<br />

Kurs, weil sie von ihnen eine sanfte und risikolose Wirkung er-<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 39


PÄDIATRIE<br />

Gesundheitsreformen<br />

Gesundheits-Reformgesetz (GRG) 1989<br />

Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) 1993<br />

Beitrags-Entlastungsgesetz 1997<br />

1. GKV-Neuordnungsgesetz 1997<br />

2. GKV-Neuordnungsgesetz 1997<br />

GKV-Finanzstärkungsgesetz 1998<br />

GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz 1998<br />

GKV-Gesundheitsreform 2000 2000<br />

Festbetrags-Neuordnungsgesetz 2001<br />

Festbetrags-Anpassungsgesetz 2001<br />

Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz (ABAG) 2002<br />

Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz (AABG) 2002<br />

Fallpauschalen-Gesetz 2002<br />

Beitragssatzsicherungsgesetz (BSSichG) 2003<br />

GKV-Mo<strong>de</strong>rnisierungsgesetz (GKV-M) 2004<br />

Arzneimittelversorgungs-<br />

Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) 2006<br />

GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) 2007<br />

Tabelle 4: Gesundheitsreformen <strong>de</strong>r letzten Jahre.<br />

Quelle: Dr. Andreas Genau<br />

warten. Aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>s Apothekers spielen bei <strong>de</strong>r Empfehlung<br />

von Phytopharmaka gera<strong>de</strong> bei <strong>de</strong>r Anwendung an Kin<strong>de</strong>rn<br />

die Qualitätsaspekte eine wichtige Rolle.<br />

Als Grundlage für die Arzneimittelwahl dient die Qualitätsbewertung,<br />

die nicht immer leicht zu treffen ist. Wie unterschiedlich<br />

die einzelnen Arzneimittel beschaffen sein können, auch<br />

wenn sie aus <strong>de</strong>r gleichen Droge hergestellt sind, zeigte Dr.<br />

Genau am Beispiel von Thymian-Fluid-Extrakten (Tabelle 3).<br />

Die Gegenüberstellung zeigt, dass die Kenntnis <strong>de</strong>s Droge-Extrakt-Verhältnisses<br />

(DEV) und <strong>de</strong>ssen Anwendbarkeit im Alltag<br />

alleine nicht ausreicht, um einen Vergleich zu ermöglichen, weil<br />

je nach <strong>de</strong>m Herstellverfahren die Zusammensetzung und damit<br />

auch die Wirkung <strong>de</strong>r Extrakte sehr unterschiedlich ausfallen<br />

können. Ähnliches gilt für die Vergleichbarkeit <strong>de</strong>r Wirkstärke<br />

von Phytopharmaka mit chemischen Monosubstanzen. Der Apotheker<br />

empfiehlt daher, möglichst gut untersuchte Phytopharmaka<br />

zu bevorzugen, <strong>de</strong>ren Wirksamkeit und Unbe<strong>de</strong>nklichkeit<br />

durch entsprechen<strong>de</strong> Studien wissenschaftlich belegt sind. Von<br />

Be<strong>de</strong>utung für die Pädiatrie sind ferner compliancerelevante<br />

Aspekte wie speziell für Kin<strong>de</strong>r geeignete Darreichungsformen.<br />

Das Qualitätsbewusstsein wird jedoch durch die zahlreichen Gesundheitsreformen,<br />

die vor allem in <strong>de</strong>n letzten Jahren erhebliche<br />

strukturbedingte Verän<strong>de</strong>rungen mit sich brachten, nicht gera<strong>de</strong><br />

gestärkt (Tabelle 4).<br />

In erster Linie hat sich das GMG von 2004, das die Ausgrenzung<br />

<strong>de</strong>r meisten Phytopharmaka aus <strong>de</strong>r GKV bewirkte, <strong>de</strong>utlich auf<br />

das Verschreibungsverhalten von Ärzten – und damit indirekt<br />

auch auf die Selbstmedikation – ausgewirkt, wobei beim Arzt<br />

eine „Flucht“ in verschreibungspflichtige Arzneimittel mit allen<br />

absehbaren Folgen zu verzeichnen ist. Als Beispiel nannte Dr.<br />

Genau die Verschreibung von Antibiotika o<strong>de</strong>r ß-Sympathikomimetika<br />

anstelle pflanzlicher Antitussiva. Diese Entwicklung<br />

ist auch bei Pädiatern zu verzeichnen, obwohl die Verordnungseinschränkungen<br />

nicht für Kin<strong>de</strong>r unter zwölf Jahren gelten.<br />

Schließlich behan<strong>de</strong>ln sie in <strong>de</strong>r Regel auch die über Zwölfjährigen.<br />

Darüber hinaus führte die Aut-i<strong>de</strong>m-Regelung zu einem<br />

<strong>de</strong>utlichen allgemeinen Complianceverlust bei <strong>de</strong>r medikamentösen<br />

Therapie, beklagte <strong>de</strong>r Apotheker.<br />

Mehr Therapieoptionen für Kin<strong>de</strong>r gewünscht<br />

In Europa leben <strong>de</strong>rzeit 80 bis 100 Millionen Kin<strong>de</strong>r, die alle<br />

einen Anspruch auf kin<strong>de</strong>rgerechte Behandlung haben, erklärte<br />

in seinem Vortrag Prof. Dr. Hanns Häberlein, Universität Bonn.<br />

Derzeit sind aber nur wenige <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Pädiatrie angewen<strong>de</strong>ten<br />

Arzneimittel an Kin<strong>de</strong>rn geprüft wor<strong>de</strong>n bzw. zur Behandlung von<br />

Kin<strong>de</strong>rn zugelassen. Das be<strong>de</strong>utet, dass je<strong>de</strong> zweite Verordnung<br />

eine Off-label-Verordnung ist, in manchen Schätzungen wird sogar<br />

von 50 bis 90 Prozent ausgegangen. Diese Situation hat die<br />

EU-Behör<strong>de</strong>n dazu veranlasst, eine Regelung anzustreben, die<br />

für Verbesserung sorgt. Mit <strong>de</strong>r Verordnung EC 1901/2006 ist im<br />

Januar 2007 eine solche Regelung in Kraft getreten. Sie schreibt<br />

<strong>de</strong>n Herstellern verbindlich vor, für je<strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r EU neu zuzulassen<strong>de</strong><br />

Arzneimittel ein pädiatrisches Prüfkonzept vorzulegen,<br />

das Vorhaben von Forschungsaktivitäten für die Anwendung bei<br />

Kin<strong>de</strong>rn verbindlich beschreibt. Für das Fehlen guter klinischer<br />

Studien mit Kin<strong>de</strong>rn gibt es allerdings nachvollziehbare Grün<strong>de</strong>.<br />

Nicht zuletzt ist es eine Folge <strong>de</strong>r erheblichen Probleme, die sich<br />

bei <strong>de</strong>r Durchführung von Studien mit Kin<strong>de</strong>rn ergeben. So ist<br />

schon die Rekrutierung <strong>de</strong>r kleinen Proban<strong>de</strong>n ein schwieriges<br />

Unterfangen, weil nur die wenigsten Eltern bereit sind, <strong>de</strong>r Teilnahme<br />

ihres Kin<strong>de</strong>s an einer placebokontrollierten Studie zuzustimmen.<br />

Solche Probleme wird die neue Verordnung nicht<br />

lösen können, zumal sie zusätzlich jeweils eigene Prüfungen in<br />

allen fünf Altersgruppen vorschreibt – bei Frühgeborenen, Neugeborenen,<br />

Kleinkin<strong>de</strong>rn, Kin<strong>de</strong>rn und Heranwachsen<strong>de</strong>n. Die<br />

Kosten einer solchen Prüfung belaufen sich pro Wirkstoff je nach<br />

Substanz und Indikation auf ein bis sieben Millionen Euro. Das<br />

be<strong>de</strong>utet für die Hersteller aber, dass sie nur kaum damit rechnen<br />

können, diese Kosten durch die Vermarktung bei Kin<strong>de</strong>rn wie<strong>de</strong>r<br />

einzuspielen. Die EU-Verordnung versuchte dieses Problem<br />

etwas zu entschärfen, in<strong>de</strong>m sie für patentgeschützte Substanzen<br />

<strong>de</strong>n Patentschutz nach Durchführung <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>rstudien um weitere<br />

sechs Monate verlängert. Für nicht patentgeschützte Substanzen<br />

– und damit auch für die meisten Phytopharmaka – gilt<br />

statt <strong>de</strong>ssen die sogenannte PUMA (paediatric use marketing<br />

authorisation), ein zehnjähriger Unterlagenschutz, <strong>de</strong>r allerdings<br />

nur für die Anwendung bei Kin<strong>de</strong>rn gilt. Abschließend zeigte<br />

Prof. Häberlein am Beispiel <strong>de</strong>s Hustenpräparates Prospan ® , wie<br />

eine Forschung mit Kin<strong>de</strong>rn aussehen kann. Mit <strong>de</strong>m Spezialextrakt<br />

aus Efeu sind bisher elf klinische Studien und Anwendungsbeobachtungen<br />

mit insgesamt 6 000 Kin<strong>de</strong>rn durchgeführt<br />

wor<strong>de</strong>n. Der Hersteller hat außer<strong>de</strong>m eine alkoholfreie und zuckerfreie<br />

Darreichungsform für Kin<strong>de</strong>r ab <strong>de</strong>m Säuglingsalter<br />

entwickelt. Trotz aller Probleme, die mit <strong>de</strong>r neuen Regelung<br />

verbun<strong>de</strong>n sind, so Prof. Häberlein, sei es zu erwarten, dass sie<br />

zu einer größeren Auswahl an Therapieoptionen für <strong>de</strong>n Pädiater<br />

führen wird.<br />

■<br />

AUTOREN<br />

Dr. med. Karola Scheffer, Dr. Marcela Ullmann<br />

E-Mail: redbuero_ull@web.<strong>de</strong><br />

Bildnachweis: jupiterimages (1)<br />

40 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009


Chiropraktik: Risikoaufklärung dringend notwendig<br />

RECHT<br />

➔Vor einer chiropraktischen Manipulation<br />

an <strong>de</strong>r Halswirbelsäule<br />

ist <strong>de</strong>r Patient über die damit verbun<strong>de</strong>nen<br />

Risiken, etwa eine Verletzung<br />

<strong>de</strong>r Arteria vertebralis mit Hirndurchblutungsstörungen,<br />

aufzuklären, entschied<br />

das Oberlan<strong>de</strong>sgericht (OLG)<br />

Ol<strong>de</strong>nburg mit Urteil vom 25. Juni 2008<br />

(Az.: 5 U 10/08), wie die Zeitschrift<br />

„Versicherungsrecht“ (59 [2008] 1496)<br />

berichtet.<br />

Eine 24 Jahre alte Frau hatte sich wegen<br />

Kopfschmerzen und Schmerzen<br />

im Bereich <strong>de</strong>r Halswirbelsäule in die<br />

Behandlung eines nie<strong>de</strong>rgelassenen<br />

Allgemeinmediziners, mit <strong>de</strong>n Zusatzbezeichnungen<br />

Sportmedizin und Chirotherapie,<br />

begeben. Dieser diagnostizierte<br />

eine Blockierung <strong>de</strong>s vierten<br />

Halswirbels und behan<strong>de</strong>lte die Patientin<br />

mit einer chiropraktischen Manipulation<br />

<strong>de</strong>r HWS.<br />

Nach Angaben <strong>de</strong>r Patientin kam es<br />

sofort danach zu stärksten okzipitalen<br />

Kopfschmerzen. Eine Woche später<br />

traten plötzlich Sehstörungen, stärkste<br />

Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwin<strong>de</strong>l<br />

und wechseln<strong>de</strong> Taubheit <strong>de</strong>r Fingerkuppen<br />

auf. Die Patientin wur<strong>de</strong><br />

am gleichen Tag notfallmäßig in eine<br />

neurologische Klinik stationär aufgenommen,<br />

wo die Diagnose einer „Vertebralisdissektion<br />

rechts iatrogen nach<br />

HWS-Expansionsbehandlung“ gestellt<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Die Patientin verklagte daraufhin <strong>de</strong>n<br />

Arzt auf Scha<strong>de</strong>nsersatz und Schmerzensgeld.<br />

Das erstinstanzlich zuständige<br />

Landgericht sah eine fehlerhafte<br />

chiropraktische Behandlung zwar für<br />

nicht erwiesen an, wegen mangeln<strong>de</strong>r<br />

Aufklärung verurteilte es <strong>de</strong>n Arzt jedoch<br />

zu materiellem Scha<strong>de</strong>nsersatz<br />

in Höhe von 100 Euro sowie zu einem<br />

Schmerzensgeld von 7 500 Euro. Dieses<br />

Urteil wur<strong>de</strong> in zweiter Instanz vom<br />

OLG Ol<strong>de</strong>nburg bestätigt.<br />

Als Begründung führen die Richter<br />

an, dass in diesem Fall nicht nur eine<br />

Aufklärung im „Großen und Ganzen“<br />

gefehlt hatte. Darüber hinaus wäre es<br />

erfor<strong>de</strong>rlich gewesen, die Patientin<br />

speziell auf die Möglichkeit einer Verletzung<br />

<strong>de</strong>r Arteria vertebralis und das<br />

damit verbun<strong>de</strong>ne Risiko dauerhafter<br />

Folgeschä<strong>de</strong>n hinzuweisen. Denn<br />

Über alle Risiken einer chiropraktischen Manipulation muss <strong>de</strong>r Patient<br />

informiert wer<strong>de</strong>n, auch wenn sie sehr selten sind.<br />

grundsätzlich hat <strong>de</strong>r Arzt seinen Patienten<br />

auch über seltene, sogar äußerst<br />

seltene Risiken aufzuklären, wenn <strong>de</strong>ren<br />

Realisation die Lebensführung <strong>de</strong>s<br />

Patienten schwer belasten wür<strong>de</strong> und<br />

die entsprechen<strong>de</strong>n Risiken trotz ihrer<br />

Seltenheit für <strong>de</strong>n Eingriff spezifisch,<br />

für <strong>de</strong>n Laien aber überraschend sind.<br />

Die Entscheidung muss beim<br />

Patienten bleiben<br />

Nach <strong>de</strong>m Gutachten <strong>de</strong>s vom Gericht<br />

beauftragten Sachverständigen wird<br />

aus <strong>de</strong>r Fachliteratur <strong>de</strong>utlich, dass die<br />

Dissektion <strong>de</strong>r Arteria vertebralis als<br />

Folge einer chiropraktischen Manipulation<br />

<strong>de</strong>r HWS bereits vor <strong>de</strong>r zu beurteilen<strong>de</strong>n<br />

Behandlung in Fachkreisen<br />

diskutiert und überwiegend auch als<br />

Risikofaktor eingestuft wor<strong>de</strong>n war.<br />

Wenn aber in <strong>de</strong>r medizinischen Wissenschaft<br />

bereits ernsthafte Stimmen,<br />

die nicht als unbeachtliche Außenseitermeinungen<br />

abgetan wer<strong>de</strong>n können,<br />

darauf hinweisen, ist <strong>de</strong>r Patient selbst<br />

über extrem seltene Risiken aufzuklären,<br />

die für ihn von schwerwiegen<strong>de</strong>r<br />

Be<strong>de</strong>utung sein können.<br />

Selbst wenn die chiropraktische Manipulation<br />

<strong>de</strong>r HWS für die Patientin<br />

die größten Aussichten auf eine rasche<br />

und vollständige Beseitigung ihrer Beschwer<strong>de</strong>n<br />

bot, war <strong>de</strong>r Arzt nicht berechtigt,<br />

ihr die Entscheidung über die<br />

Art <strong>de</strong>r Behandlung abzunehmen und<br />

ihr die – wenn auch seltenen – Risiken<br />

dieser Therapie zu verschweigen. Denn<br />

bei <strong>de</strong>r Entscheidung für o<strong>de</strong>r gegen<br />

eine Behandlungsmaßnahme darf <strong>de</strong>r<br />

Patient sich auch von übervorsichtigen<br />

und aus medizinischer Sicht unvernünftigen<br />

Erwägungen leiten lassen; seinen<br />

Standpunkt hat <strong>de</strong>r behan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> Arzt<br />

zu respektieren, so die Ol<strong>de</strong>nburger<br />

Richter.<br />

In Ermangelung <strong>de</strong>r notwendigen Risikoaufklärung<br />

fehlte <strong>de</strong>r Einwilligung<br />

<strong>de</strong>r Patientin in die chiropraktische Behandlung<br />

die erfor<strong>de</strong>rliche Grundlage,<br />

sodass <strong>de</strong>r Eingriff <strong>de</strong>s Arztes rechtswidrig<br />

war.<br />

■<br />

Dr. Gerd-Marko Ostendorf<br />

Nr. 1 | Februar 2009 NaturaMed 41


VERANSTALTUNGEN<br />

März<br />

■ 4. bis 8. März 2009 Naturheilverfahren – Fallseminare Teil 2<br />

München<br />

Info: Aka<strong>de</strong>mie für Naturheilverfahren <strong>de</strong>r Erich Rothenfußer Stiftung und Zentrum für<br />

naturheilkundliche Forschung <strong>de</strong>r II. Medizinischen Klinik und Poliklinik Technische<br />

Universität München, Tel. 089/7 26 69 70, Fax 089/72 66 97 21, ZnF@lrz.tu-muenchen.<strong>de</strong>,<br />

http://ers.rothenfusser-stiftungen.<strong>de</strong><br />

■ 6. bis 8. März 2009 Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren (Wochenendkurs)<br />

Bonn<br />

Info: Ärztegesellschaft für Präventionsmedizin und klassische Naturheilverfahren,<br />

Kneippärztebund e.V., Bad Wörishofen, Tel. 0 82 47/9 01 10, Fax 0 82 47/9 01 11,<br />

info@kneippaerztebund.<strong>de</strong>, www.kneippaerztebund.<strong>de</strong><br />

■ 11. März 2009 Phytotherapie Ausbildung (5 Blöcke)<br />

Freiburg<br />

Info: Freiburger Heilpfl anzenschule Ursel Bühring, Zechenweg 6, 79111 Freiburg,<br />

Tel. 07 61/55 65 59 05, Fax 07 61/55 65 59 06, info@heilpfl anzenschule.<strong>de</strong>,<br />

www.heilpfl anzenschule.<strong>de</strong><br />

■ 11. bis 15. März 2009 80 Std. Fallseminare Naturheilkun<strong>de</strong> – Modul II<br />

Essen<br />

Info: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftungsprofessur für Naturheilkun<strong>de</strong>,<br />

Tel. 02 01/17 42 55 12, Fax 02 01/17 42 50 00, e.markakidou@kliniken-essen-mitte.<strong>de</strong>,<br />

www.zusatzbezeichnungnaturheilkun<strong>de</strong>.<strong>de</strong><br />

■ 13. März 2009 Zusatz-Weiterbildung Naturheilverfahren – Kurs III<br />

Bad Segeberg Info: Aka<strong>de</strong>mie für medizinische Fort- und Weiterbildung, Esmarchstr. 4–6,<br />

23795 Bad Segeberg, Tel. 0 45 51/80 31 79, Fax 0 45 51/80 31 94, aka<strong>de</strong>mie@aeksh.org,<br />

www.aeksh.<strong>de</strong>/aka<strong>de</strong>mie<br />

■ 20. bis 22. März 2009 80 Std. Fallseminare Naturheilkun<strong>de</strong> – Modul I<br />

Bonn<br />

Info: Ärztegesellschaft für Präventionsmedizin und klassische Naturheilverfahren,<br />

Kneippärztebund e.V., Bad Wörishofen, Tel. 0 82 47/9 01 10, Fax 0 82 47/9 01 11,<br />

info@kneippaerztebund.<strong>de</strong>, www.kneippaerztebund.<strong>de</strong><br />

■ 25. bis 29. März 2009 116. ZAEN-Kongress: Die Schlüsselrolle von Haut, Schleimhaut und Faszien bei<br />

Freu<strong>de</strong>nstadt Krankheit und Heilung, Info: ZAEN-Geschäftsstelle, Am Promena<strong>de</strong>nplatz 1,<br />

72250 Freu<strong>de</strong>nstadt, Tel. 0 74 41/91 85 80, www.zaen.org<br />

■ 26. März 2009 Kurs: Erkrankungen <strong>de</strong>s Bewegungsapparates und Schmerztherapie<br />

Wä<strong>de</strong>nswil (CH)<br />

Info: Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften und Schweizerische<br />

Medizinische Gesellschaft für Phytotherapie, Tel. 00 41/58/9 34 59 80,<br />

Fax 00 41/58/9 34 50 01, kurse-smgp.lsfm@zhaw.ch, www.smgp.ch<br />

■ 28. bis 29. März 2009 Phytotherapie Aufbaukurs<br />

Freiburg<br />

Info: Freiburger Heilpfl anzenschule Ursel Bühring, Zechenweg 6, 79111 Freiburg,<br />

Tel. 07 61/55 65 59 05, Fax 0761/5565 5906, info@heilpfl anzenschule.<strong>de</strong>,<br />

www.heilpfl anzenschule.<strong>de</strong><br />

April<br />

■ 1. bis 5. April 2009 Kurs I: Weiterbildung zur Erlangung <strong>de</strong>r Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“<br />

München<br />

Info: Aka<strong>de</strong>mie für Naturheilverfahren <strong>de</strong>r Erich Rothenfußer Stiftung und Zentrum für<br />

naturheilkundliche Forschung <strong>de</strong>r II. Medizinischen Klinik und Poliklinik Technische<br />

Universität München, Tel. 089/7 26 69 70, Fax 089/72 66 97 21, ZnF@lrz.tu-muenchen.<strong>de</strong>,<br />

http://ers.rothenfusser-stiftungen.<strong>de</strong><br />

■ 1. bis 5. April 2009 80 Std. Fallseminare Naturheilkun<strong>de</strong> – Modul I<br />

Bad Wörishofen<br />

Info: Ärztegesellschaft für Präventionsmedizin und klassische Naturheilverfahren,<br />

Kneippärztebund e.V., Bad Wörishofen, Tel. 0 82 47/9 01 10, Fax 0 82 47/9 01 11,<br />

info@kneippaerztebund.<strong>de</strong>, www.kneippaerztebund.<strong>de</strong><br />

42 NaturaMed Nr. 1 | Februar 2009

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