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Die Anordnung von Rufbereitschaft als mitbestimmungs - rehmnetz.de

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AUFSÄTZE<br />

Wahlers, <strong>Die</strong> <strong>Anordnung</strong> <strong>de</strong>r <strong>Rufbereitschaft</strong> <strong>als</strong> <strong>mitbestimmungs</strong>pflichtige Maßnahme<br />

chen Erfor<strong>de</strong>rnissen gebracht wer<strong>de</strong>n, hervorgehoben, 60 und<br />

auch in <strong>de</strong>r in jüngster Zeit zu § 72 Abs. 4 Nr. 2 Alternative 1<br />

NWPersVG ergangenen Überstun<strong>de</strong>nentscheidung vom<br />

betont das BVerwG unter Hinweis auf die gesetzliche<br />

Beschränkung entsprechen<strong>de</strong>r <strong>Anordnung</strong>en auf „dringen<strong>de</strong><br />

Fälle“ und das Erfor<strong>de</strong>rnis „zwingen<strong>de</strong>r dienstlicher<br />

Verhältnisse“ die Schutzfunktion <strong>als</strong> Zweck <strong>de</strong>s Mitbestimmungsrechts.<br />

Es erscheint inkonsequent, diese Erwägungen<br />

für die im Rahmen einer <strong>Rufbereitschaft</strong> auch nur vorsorglich<br />

angeordneten Überstun<strong>de</strong>n nicht gelten zu lassen.<br />

3. Folgerungen<br />

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass, wenn das<br />

BVerwG für die <strong>Anordnung</strong> <strong>von</strong> Bereitschaftsdienst, <strong>als</strong> dieser<br />

noch <strong>als</strong> Ruhezeit galt und sich <strong>von</strong> <strong>de</strong>r <strong>Rufbereitschaft</strong><br />

nur durch die Vorgabe <strong>de</strong>s Aufenthaltsortes seitens <strong>de</strong>s<br />

<strong>Die</strong>nststellenleiters/Arbeitgebers unterschied,<br />

– nicht mehr nur das „Wie“, son<strong>de</strong>rn auch ausdrücklich<br />

das „Ob“ <strong>de</strong>r <strong>Anordnung</strong> <strong>von</strong> Überstun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Mitbestimmung<br />

<strong>de</strong>s Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 1<br />

BPersVG unterworfen hatte,<br />

– eine <strong>de</strong>rartige <strong>Anordnung</strong> nicht notwendigerweise<br />

voraussetzt, dass Lage und Zahl <strong>de</strong>r Überstun<strong>de</strong>n im<br />

Voraus festgelegt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn es genügt, dass ein<br />

Arbeitsauftrag ohne Rücksicht auf die regelmäßige<br />

Arbeitszeit auszuführen ist,<br />

– es daher auch keinen Unterschied macht, ob eine <strong>de</strong>rartige<br />

<strong>Anordnung</strong> „vorsorglich“ <strong>als</strong> „antizipierte Überstun<strong>de</strong>nanordnung“<br />

o<strong>de</strong>r „direkt“ getroffen wird und es letztlich<br />

– die verschie<strong>de</strong>nen Mitbestimmungstatbestän<strong>de</strong> rechtssystematisch<br />

<strong>als</strong> gleichberechtigt nebeneinan<strong>de</strong>r stehend<br />

gewichtet,<br />

sich die Frage stellt, warum diese Erwägungen nicht vollen<br />

Umfangs auch für die <strong>Anordnung</strong> einer <strong>Rufbereitschaft</strong> zu<br />

gelten haben und damit die <strong>Anordnung</strong> einer <strong>Rufbereitschaft</strong><br />

<strong>als</strong> vorsorgliche <strong>Anordnung</strong> <strong>von</strong> – ggfs. bedingten – Überstun<strong>de</strong>n<br />

neben <strong>de</strong>r Aufstellung <strong>von</strong> <strong>Rufbereitschaft</strong>splänen<br />

<strong>als</strong> <strong>mitbestimmungs</strong>pflichtige Maßnahmen gem. § 75 Abs. 3<br />

Nr. 1, Abs. 4 BPersVG anerkannt wer<strong>de</strong>n muss. Das gilt umso<br />

mehr, <strong>als</strong> das BVerwG da<strong>von</strong> ausgeht, dass <strong>de</strong>r Gesetzgeber<br />

bei <strong>de</strong>r Neufassung <strong>de</strong>s BPersVG 1974 eine Rechtslage habe<br />

schaffen wollen, die mit <strong>de</strong>rjenigen <strong>de</strong>s § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3<br />

BetrVG gleichartig sei. 62 <strong>Die</strong> Entscheidung <strong>de</strong>s BAG vom<br />

29.2.2000 zum Bereitschaftsdienst, auf die <strong>de</strong>r Beschluss <strong>de</strong>s<br />

BVerwG zu §86 Abs.1 Nr.1 HmbPersVG wie<strong>de</strong>rholt Bezug<br />

nimmt, ist zu einer Zeit ergangen, <strong>als</strong> dieser, wie in <strong>de</strong>m<br />

Beschluss ausdrücklich ausgeführt wird, arbeitszeitrechtlich<br />

„<strong>als</strong> solcher“ noch zur Ruhezeit, <strong>als</strong>o nicht zur Arbeitszeit/<br />

<strong>Die</strong>nstzeit gehörte. Es ist erscheint daher inkonsequent, wenn<br />

die für <strong>de</strong>n Bereitschaftsdienst allgemein maßgeben<strong>de</strong>n<br />

Erwägungen <strong>de</strong>s BVerwG für die <strong>Rufbereitschaft</strong> nicht (mehr)<br />

gelten sollen und diese <strong>de</strong>r Mitbestimmung entzogen bleibt.<br />

Obwohl die <strong>Rufbereitschaft</strong> „<strong>als</strong> solche“ we<strong>de</strong>r nach Art. 2<br />

ArbZR noch nach § 2 ArbZG arbeitszeitrechtlich Arbeitszeit,<br />

son<strong>de</strong>rn Ruhezeit ist, wird die Beachtung <strong>de</strong>r Interessen <strong>de</strong>r<br />

Beschäftigten an <strong>de</strong>r Lage ihrer Arbeitszeit und an <strong>de</strong>r Wahrung<br />

<strong>de</strong>r Möglichkeit einer unbeeinträchtigten Gestaltung<br />

ihrer Freizeit durch das BAG <strong>de</strong>r Sachlage weit eher gerecht<br />

<strong>als</strong> die „objektive Beurteilung“ <strong>de</strong>s BVerwG, das in <strong>de</strong>r<br />

<strong>Anordnung</strong> einer <strong>Rufbereitschaft</strong> „einen nur sehr geringen<br />

Eingriff in die individuelle Lebensführung und die Privatsphäre<br />

<strong>de</strong>s Beschäftigten“ sehen will. Es wird nicht in Frage<br />

gestellt wer<strong>de</strong>n können, dass die <strong>Anordnung</strong> einer <strong>Rufbereitschaft</strong><br />

einem Beschäftigten <strong>von</strong> vornherein <strong>de</strong>n Besuch<br />

kultureller o<strong>de</strong>r kirchlicher Veranstaltungen (Oper, Konzert,<br />

Theater, Gottesdienst) wegen <strong>de</strong>s für eine kurzfristige<br />

Arbeitsaufnahme notwendigen telefonischen Abrufs und<br />

<strong>de</strong>r dadurch bedingten Störungen <strong>de</strong>r übrigen Besucher<br />

nahezu unmöglich macht. Ähnliches gilt für einen Restaurantbesuch,<br />

<strong>de</strong>r gleichfalls unter <strong>de</strong>m Risiko <strong>de</strong>s Abrufs<br />

nicht ratsam erscheint, 63 und auch die Beteiligung am Mannschaftssport<br />

dürfte wegen eines drohen<strong>de</strong>n Abrufs bei <strong>de</strong>n<br />

Mannschaftskamera<strong>de</strong>n ohnehin kaum auf Gegenliebe stoßen<br />

und zur Isolierung <strong>de</strong>s Betroffenen führen. Insoweit ist<br />

auch die immer wie<strong>de</strong>r beschworene Aussage <strong>von</strong> <strong>de</strong>m<br />

„während einer <strong>Rufbereitschaft</strong> frei wähl- und wechselbaren<br />

Aufenthaltsort“ angesichts <strong>de</strong>r Verpflichtung zur <strong>als</strong>baldigen<br />

Arbeitsaufnahme und <strong>de</strong>r dadurch bedingten Eingrenzung<br />

<strong>de</strong> Bewegungsfreiheit nicht mehr <strong>als</strong> eine eher euphemistische<br />

Leerformel. 64 Es sind <strong>als</strong>o keineswegs geringfügige,<br />

son<strong>de</strong>rn schon gewichtige, die Möglichkeiten zur sinnvollen<br />

und selbstbestimmten Freizeitgestaltung einengen<strong>de</strong><br />

Eingriffe in die private Lebensführung, die die <strong>Anordnung</strong><br />

einer <strong>Rufbereitschaft</strong> zur Folge haben und die nicht zuletzt<br />

auch <strong>de</strong>swegen eine Mitbestimmung <strong>de</strong>s Personalrats <strong>als</strong><br />

notwendig erscheinen lassen, weil es zu seinen Aufgaben<br />

gehört, auf die Wahrung <strong>de</strong>s Grundsatzes <strong>de</strong>r Gleichbehandlung<br />

zu achten, um für eine gerechte Verteilung <strong>de</strong>r mit<br />

Mehrarbeit und Überstun<strong>de</strong>n verbun<strong>de</strong>nen Belastungen<br />

und Vorteile Sorge zu tragen und damit Bevor- o<strong>de</strong>r Benachteiligungen<br />

einzelner Beschäftigter bei entsprechen<strong>de</strong>n<br />

<strong>Anordnung</strong>en zu verhin<strong>de</strong>rn. Gleichwohl kann auch aufgrund<br />

dieser nicht unwesentlichen persönlichen Einschränkungen,<br />

für die die Tarifvertragsparteien in § 8 Abs. 3<br />

TVöD/§ 8 Abs. 5 TV-L 65 allerdings eine finanzielle Ausgleichsregelung<br />

vereinbart haben, 66 die <strong>Rufbereitschaft</strong> „<strong>als</strong><br />

solche“ nicht <strong>de</strong>r Arbeitszeit zugeordnet wer<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>r<br />

Beschäftigte erfüllt nicht auf Dauer angelegte vertraglich<br />

geschul<strong>de</strong>te Leistungspflichten. <strong>Die</strong> <strong>Rufbereitschaft</strong> be<strong>de</strong>utet<br />

unter diesem Aspekt keine Bestimmung über „Beginn<br />

und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r täglichen Arbeitszeit“.<br />

<strong>Die</strong>se Feststellung führt jedoch nicht zum Ausschluss <strong>de</strong>s<br />

Mitbestimmungsrechts nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG.<br />

Nach<strong>de</strong>m auch das BVerwG entschie<strong>de</strong>n hat, dass die<br />

<strong>Anordnung</strong> einer <strong>Rufbereitschaft</strong> materiellrechtlich eine vorsorgliche,<br />

bedingte <strong>Anordnung</strong> <strong>von</strong> Überstun<strong>de</strong>n be<strong>de</strong>utet,<br />

kann die Konsequenz nur sein, dass sie insoweit auch <strong>de</strong>r<br />

Mitbestimmung unterliegt, weil ihre Konkretisierung die<br />

Verän<strong>de</strong>rung <strong>von</strong> Beginn und En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Arbeitszeit zur<br />

Folge hat. Übereinstimmend haben sowohl das BAG 67 <strong>als</strong><br />

auch das BVerwG 68 für <strong>de</strong>n seinerzeit <strong>als</strong> Ruhezeit gelten<strong>de</strong>n<br />

Bereitschaftsdienst aus <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>ssen <strong>Anordnung</strong> liegen<strong>de</strong>n<br />

vorsorglichen <strong>Anordnung</strong> <strong>von</strong> Überstun<strong>de</strong>n das Mitbestimmungsrecht<br />

<strong>de</strong>s Personalrats hergeleitet. Obwohl <strong>de</strong>r Bereitschaftsdienst<br />

mit <strong>de</strong>r Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s ArbZG <strong>de</strong>r Arbeitszeit<br />

zugeordnet wur<strong>de</strong>, hat dadurch die materiellrechtliche<br />

60 Beschlüsse vom 9.10.1991 – 6 P 12.90 – ZTR 1992, 171 und 6 P 21.89 – ZTR<br />

1992, 126 = PersR 1992, 16 ff. m. krit. Anm. Sabottig, PersR 1992, 19 f.<br />

62 Beschlussvom30.6.2005–6P9.04–ZTR2005,661=NZA-RR2005,665(vgl.<br />

Fn.47).<br />

63 Vgl. Pieper, ZTR 2001, 292 ff., 297.<br />

64 Vgl. zu <strong>de</strong>n unterschiedlichen Formulierungen die Nachw. in Fn. 51.<br />

65 Für die Bun<strong>de</strong>sbeamten gelten die §§ 87 BBG, 48 BBesG sowie die aufgrund<br />

dieser Bestimmung erlassenen beson<strong>de</strong>ren Verordnungen (vgl. auch Fn. 3).<br />

66 Unzutreffend daher Orth/Welkoborsky, Lan<strong>de</strong>spersonalvertretungsgesetz<br />

Nordrhein-Westfalen, 5. Aufl. 1993, § 75 Rn. 133, die aus <strong>de</strong>r Vergütungsregelung<br />

folgern, dass es sich bei <strong>de</strong>r <strong>Rufbereitschaft</strong> um Arbeitszeit han<strong>de</strong>le.<br />

Vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 2.9.1988 – 6 P 23.86 – ZfPR 1989, 44,<br />

wonach diese Zahlungen auf <strong>de</strong>m Grundsatz beruhen, dass die Zeit <strong>de</strong>r<br />

<strong>Rufbereitschaft</strong> <strong>als</strong> solche keine Arbeitszeit ist.<br />

67 Beschluss vom 29.2.2000 – 1 ABR 15/99 – BAGE 25, 419 ff., 422.<br />

68 Beschluss vom 23.3.2001 – 6 P 4.00 – ZTR 2001, 370 = PersR 2002, 43 (vgl.<br />

Fn. 54).<br />

12.9.2005 61 61 Beschlussvom12.9.2005–6P1.05–ZTR2005,661.<br />

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