executive review - Roland Berger
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24| Einkauf in Niedriglohnländern<br />
1. Im Top-Management verankern<br />
LCC Sourcing muss als funktionsübergreifend getriebene Top-<br />
Management-Aufgabe positioniert werden – und nicht als "Einkaufsthema".<br />
Wird der Einkauf als alleiniger "Owner" der Initiative<br />
positioniert, besteht keine Instanz, die die natürlichen Konflikte<br />
zwischen den Funktionen lösen oder entscheiden kann. Funktionsinterne<br />
Ziele treten in den Vordergrund, anstatt die Initiative<br />
an den Gesamtzielen des Unternehmens auszurichten. Durch den<br />
Top-Management-Fokus erhält die gesamte Initiative naturgemäß<br />
eine höhere Priorität, Unterstützung und dadurch Umsetzungsstärke.<br />
In einer Befragung von vielen Unternehmen aus unterschiedlichsten<br />
Industrien mit langjähriger Erfahrung im LCC-Sourcing wurde<br />
dieser Punkt fast immer an oberster Stelle genannt. Ein Unternehmen<br />
aus der Pharmaindustrie, das eine LCC Initiative als Pilot in<br />
einem einzelnen Geschäftsfeld gestartet hat, ohne die anderen<br />
Geschäftsfelder frühzeitig einzubeziehen, sah sich in der weiteren<br />
Umsetzung und Ausdehnung deutlichen internen Widerständen<br />
ausgesetzt. Diese zu überwinden war für das Unternehmen mit<br />
immensem Aufwand verbunden.<br />
Bei früherer Einbindung hätte nicht nur dieser Aufwand vermieden<br />
werden können. Die Initiative wäre von mehr Personen<br />
getragen worden, hätte die gesamte Organisation stärker motiviert<br />
und mobilisiert. Zudem hätten einige Hürden wie beispielsweise<br />
grundsätzliche Fragestellungen nicht mehrfach und immer wieder<br />
von Neuem überwunden werden müssen. Diese Erfahrung deckt<br />
sich mit unseren Projekterfahrungen und ist ohne Zweifel auch auf<br />
alle anderen Industrien übertragbar.<br />
2. Alle Konsequenzen zu Beginn offen darstellen<br />
LCC-Sourcing-Aktivitäten haben weitreichende Konsequenzen für<br />
die Organisation, weil sämtliche Stufen der Wertschöpfung betroffen<br />
sind. Die Mitarbeiter sind sich darüber bewusst, dass umfassende<br />
und einschneidende Veränderungen folgen müssen. Aus<br />
ernstzunehmenden, teils existentiellen Ängsten vor Arbeitsplatzverlust<br />
oder volkswirtschaftlichen Konsequenzen sträuben sie sich<br />
gegen diese Veränderungen. Interne Widerständen entstehen.<br />
Um unbegründete Ängste erst gar nicht entstehen zu lassen,<br />
müssen die Konsequenzen von der Beginn an offen dargestellt<br />
werden. Nur so lassen sich falsche Vermutungen und der Aufbau<br />
von Widerständen vermeiden oder wenigstens in eine sachliche<br />
Diskussion überführen. Eine unter der Oberfläche brodelnde<br />
Gerüchteküche vergiftet die Atmosphäre, ohne dass dem viel<br />
entgegengesetzt werden kann. Offene Informationspolitik verhindert<br />
unbegründete Ängste und begründeten Ängsten kann sachlich<br />
begegnet werden. Die Auswirkungen können strategischer,<br />
prozessualer, organisatorischer oder persönlicher Art sein.<br />
Insbesondere negative Konsequenzen sollten nicht verschwiegen<br />
werden. Im Gegenteil: hier kann die Unternehmensführung<br />
zeigen, dass die Initiative durchdacht und gut geplant angegangen<br />
wird und sämtliche mögliche Konsequenzen berücksichtigt wurden<br />
– auch wenn negative Konsequenzen nur minimiert werden<br />
können.<br />
Bei einem von uns betreuten Unternehmen der Textilindustrie<br />
stand die Entwicklung dem Vorhaben, Teile aus China zu beziehen,<br />
äußerst skeptisch gegenüber. Sie sorgten sich vor allem<br />
darüber, dass das entscheidende technische Know-how dem<br />
Lieferanten preisgegeben wird und damit auch potenziellen<br />
Wettbewerbern. So antizipierten sie das Risiko, dass chinesische<br />
Unternehmen die Produkte kopieren und so die eigene Marktstellung<br />
gefährden könnten. Die Unternehmensführung konnte die<br />
Entwicklung von der neuen Einkaufsstrategie überzeugen, indem<br />
sie deutlich gemacht hat, dass sie diese Risiken bedacht und bei<br />
der Auswahl der Warengruppen berücksichtigt hat.<br />
Gleichzeitig muss man die Karten offen auf den Tisch legen –<br />
warum sollten mechanische Komponenten nicht kopierbar sein?<br />
Deshalb ist es sinnvoll, sich parallel Gedanken zum "Wissensschutz"<br />
von Know-how und zu den Kernkompetenzen des Unternehmens<br />
zu machen.