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Mein lieber Schwan - Rondo

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als Jacobs, aber mit erstaunlich<br />

wenig Abstrich in der Beweglichkeit.<br />

Beschwingte, rhythmisch<br />

pointierte Einspielungen – und<br />

doch Antipoden: bebende, „italienische“<br />

Stimmen bei King,<br />

vibratoarme „englische“ Stimmen<br />

bei Suzuki. Welch Ironie! Suzukis<br />

Chor ist zudem doch ein paar<br />

Stufen disziplinierter. Darin überflügelt<br />

er leichtfüßig Philippe<br />

Herreweghe, dessen frühe Einspielung<br />

durch den omnipräsenten<br />

Chor zähflüssig geraten<br />

ist und im instrumentalen<br />

Klangbild leicht an die Musik<br />

tschechischer Märchenfilme erinnert.<br />

Wie überraschend aktuell<br />

hat sich im Vergleich dazu<br />

Andrew Parrots Beitrag erhalten,<br />

nach knapp dreißig Jahren – eine<br />

visionäre Aufnahme.<br />

Manche Einspielungen verfol<br />

gen mit geringer Beset zung<br />

entweder die Idee einer von<br />

Liturgie unabhängigen kon zerherum<br />

ändern. McCreesh fügt zusätzlich<br />

Orgelimprovisationen<br />

und Instrumentalwerke ein.<br />

Der alte Streit um die solistische<br />

Besetzung chorischer Werke<br />

macht auch bei der Vesper<br />

nicht halt. Inzwischen hat sich<br />

durchgesetzt, den großen Chor<br />

auf wenige Stellen zu beschränken,<br />

während Solisten die rhythmisch<br />

vertrackten Passagen der<br />

Verse weit überzeugender bewältigen.<br />

René Jacobs hingegen arbeitete<br />

mit diesem Kontrast die<br />

Vesper fast zu einem Oratorium<br />

aus, so stark ist die Rolle des<br />

Chores. Die Solisten, darunter<br />

der ungemein edel timbrierte<br />

Bariton Victor Torres kommen<br />

in dieser Klangdramaturgie zur<br />

Geltung wie Juwelen auf dem<br />

Sammetkissen. Auch Masaaki<br />

Suzuki und Robert King lassen<br />

den vollen Chor in den Psalmen<br />

von der Leine, weniger raffiniert<br />

Peter Paul<br />

Rubens’<br />

Himmelfahrt<br />

Mariä<br />

tan ten Version (Pluhar), bzw.<br />

einer Aufführung in der her zoglichen<br />

Barbara-Basilika (Savall,<br />

McCreesh), die mit weit geringeren<br />

Kräften ausgestattet war<br />

als Venedig. Jordi Savall hat sich<br />

sogar die Mühe gemacht, die<br />

Vesper in der Mantuaner Hofkapelle<br />

einzuspielen, bei unchristlichen<br />

Mi nusgraden. Das<br />

Ergebnis ist un ge mein überzeugend,<br />

vor allem weil Savall<br />

den vollen Chor nur sparsam<br />

einsetzt und so seine Solisten<br />

in den Psalmen Beinfreiheit<br />

haben für einen federnden,<br />

atmenden Vortrag. Selbiges<br />

gilt für Paul McCreesh, der den<br />

Chor unter Verweis auf Mantua<br />

komplett solistisch hält. Seine<br />

Lesart zeichnet sich durch flüssige<br />

Tempi in den Psalmen, große<br />

Innerlichkeit in den langsamen<br />

Concerti, die liturgische<br />

Um gestaltung und – nicht zu vernach<br />

lässigen – eine sehr klangschöne<br />

und präsente Con tinuoorgel<br />

aus. Einziger Wer mutstropfen:<br />

der zu säuerlicher Färbung<br />

neigende zweite Sopran.<br />

Schade. Der Sopran ist es auch,<br />

der die Einspielung von Jean-<br />

Claude Malgoire völlig verdirbt,<br />

weinerlich und wimmernd –<br />

Finger weg! Dass ein Knabenchor<br />

heute weitaus diszipliniertere<br />

Auf nahmen schaffen kann, als<br />

1981 bei Malgoire, beweist Jörg<br />

Breiding mit seinen Han nove<br />

ra nern. Der leicht unscharfe<br />

Knabenchorklang bleibt aber<br />

Geschmackssache.<br />

Eindeutig handverlesen<br />

ist das Ensemble von Rinaldo<br />

Ales san drini. Seine ebenfalls<br />

rein solis tische Vesper erreicht<br />

dadurch Momente von berührender<br />

Schön heit im Ensemble,<br />

doch wir ken manche der häufigen<br />

Tempuswechsel von zwei- auf<br />

dreitaktig oder das „Laudate<br />

Pueri“ merkwürdig durchbuchstabiert.<br />

Da geht dann schon<br />

mal der ganze Schwung flöten.<br />

Den vermisst man leider auch<br />

über weite Strecken bei Roland<br />

Wilson, der die Psalmen zuweilen<br />

hölzern auf die Schwerpunkte<br />

setzt, statt tanzen zu lassen. Ein<br />

bisschen mehr Pfeffer hätte auch<br />

Altmeister Sigiswald Kuijken<br />

gut getan. Seine rein solistische,<br />

die Extreme meidende Version<br />

krankt zudem an schwammigen,<br />

unpräzisen Einsätzen der kleinen<br />

Schar (so im „Lauda Ierusalem“).<br />

Also kein Pulsbeschleuniger.<br />

Den findet man in der Einspielung<br />

von Christina Pluhar,<br />

die sich von allen liturgischen<br />

Fesseln gelöst ganz auf die<br />

konzertante Textausdeutung und<br />

ihre Spezialität verlegt, das gesellige<br />

Harpfen und Zymbalen.<br />

Man kann sich an ihrer Überfülle<br />

an Saiteninstrumenten sonst<br />

schnell mal satthören: Hier bringt<br />

sie ihre junge Sängerschar mit<br />

rasanten Tempi und geschärften<br />

Rhythmen dazu, einfach glutvoll<br />

zu singen.<br />

Auf venezianischer Höhe:<br />

Jordi Savall, La Capella Reial,<br />

1988/rem. 2007, hm/Alia Vox<br />

René Jacobs, Concerto Vocale u.<br />

a., 1996, harmonia mundi<br />

Masaaki Suzuki, Bach Collegium<br />

Japan, 1999, Klassik Center/BIS<br />

Christina Pluhar, L’Arpeggiata,<br />

2011, EMI/Virgin<br />

Mantuaner Niveau:<br />

Andrew Parrott, Taverner Consort,<br />

Choir & Players, 1984, EMI/<br />

Virgin<br />

Konrad Junghänel, Cantus Cölln,<br />

1996, Sony/dhm<br />

Rinaldo Alessandrini, Concerto<br />

Italiano, 2004, Indigo/naïve<br />

Robert King, The King’s Consort<br />

u. a., 2006 (Codaex/hyperion)<br />

Paul McCreesh, Gabrieli Consort<br />

& Players, 2006, Universal/ DG<br />

Jörg Breiding, Knabenchor Hannover<br />

u. a., 2011, Naxos/Rondeau<br />

Po-Ebene:<br />

Jean-Claude Malgoire, La<br />

Grande Écurie et la Chambre du<br />

Roy, 1981 (Sony)<br />

Philippe Herreweghe, Collegium<br />

Vocale Gent u.a., 1987 (harmonia<br />

mundi)<br />

Sigiswald Kuijken, La Petite<br />

Bande, 2008 (Codaex/Challenge)<br />

Roland Wilson, La Capella Ducale,<br />

2011 (Note 1/Panclassics)<br />

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