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21<br />

UTOPIE kreativ, H. 85/86 (November/Dezember) 1997, S. 21-48<br />

RONALD LÖTZSCH<br />

Die »Rechtschreibreform« und<br />

ihre »utopische« Alternative<br />

Vorbemerkung<br />

Seit einem Jahr etwa, verstärkt im Sommerloch 97, ist insbesondere<br />

in den deutschsprachigen Medien, aber auch in wissenschaftlichen,<br />

wissenschaftsnahen und politischen Kreisen und Gremien<br />

ein heftiger Streit um gewisse Änderungen der deutschen Rechtschreibung<br />

im Gange, die von einer gemeinsamen Expertenkommission<br />

aller drei Staaten, in denen Deutsch die dominierende offizielle<br />

Sprache ist, ausgearbeitet wurden. Eine entsprechende<br />

»Vorlage für die amtliche Regelung« 1 , enthaltend »Regeln und<br />

Wörterverzeichnis«, wurde unter dem Datum des 24. Mai 1995<br />

den zuständig gemachten Politikern zur Bestätigung übergeben.<br />

<strong>In</strong> Deutschland ist dies die Kultusministerkonferenz (KMK).<br />

Von dieser wurde die »Vorlage« nach einigem Hin und Her nicht<br />

nur genehmigt, sondern auch, ohne daß eine breitere Öffentlichkeit<br />

überhaupt Gelegenheit gehabt hätte, sich mit dem <strong>In</strong>halt bekannt<br />

zu machen, umgehend als Unterrichtsgrundlage in den Schulen<br />

eingeführt.<br />

Bei der kurz darauf entbrannten öffentlichen Kontroverse um<br />

die »Rechtschreibreform« 2 , soweit sie von einem einzelnen in den<br />

Medien überhaupt einigermaßen verfolgt werden kann, fällt auf,<br />

daß der Aspekt des völlig verfehlten Ansatzes allenfalls am Rande<br />

gestreift wird. Die Beantwortung dieser Frage soll den hauptsächlichen<br />

<strong>In</strong>halt der folgenden Überlegungen bilden, wobei die <strong>In</strong>terpunktion<br />

grundsätzlich ausgeklammert bleiben wird.<br />

Worum es eigentlich geht im Rechtschreibstreit<br />

Am Anfang sollen zwei Zitate stehen, in denen der Kern der Frage<br />

auf den Punkt gebracht wird. Im ersten geschieht dies mehr aus<br />

publizistischer Sicht, im zweiten vom Standpunkt des Sprachwissenschaftlers.<br />

Dieter E. Zimmer hat den Streit in Die Zeit vom 2. Dezember<br />

1994, also fast zwei Jahre vor dem Beginn der eigentlichen Kontroverse,<br />

folgendermaßen charakterisiert: »Die deutsche Orthographie<br />

ist kein hehres Kulturgut, an dem jahrhundertelang die größten<br />

Genien dieser Sprache gewirkt hätten und nun von ein paar subalternen<br />

Besserwissern verschandelt würde. Sie ist eine bloße kompromißlerische<br />

Konvention, zur Jahrhundertwende von ein paar<br />

Pädagogen ersonnen und seitdem von der Redaktion eines Buchverlages<br />

in eigenem Ermessen verwaltet, fortgeführt, ergänzt. Wir<br />

hängen an unserer Orthographie nicht, weil sie so besonders wert-<br />

Ronald Lötzsch – Jg. 1931,<br />

Prof. Dr., Sprachwissenschaftler<br />

(Arbeiten vor allem<br />

zu Sprachtypologie und<br />

Kontaktlinguistik), Minderheitenforscher<br />

(Sorabist),<br />

Berlin.<br />

1 Im weiteren mit »Vorlage«<br />

bezeichnet.<br />

2 Da die von der Politik<br />

ursprünglich angestrebte<br />

bzw. konzedierte, nunmehr<br />

gerichtlich angefochtene<br />

Neuregelung einiger Aspekte<br />

der Schreibung des Hochdeutschen<br />

allgemein als<br />

»Reform« der deutschen<br />

Rechtschreibung bezeichnet<br />

wird, <strong>diesem</strong> Anspruch jedoch,<br />

wie noch darzulegen<br />

ist, in keiner Weise gerecht<br />

wird, werde ich dieses Wort,<br />

von ihm abgeleitete Wörter<br />

und mit ihm gebildete Zusammensetzungen,<br />

soweit<br />

sie sich auf dieses Surrogat<br />

beziehen, grundsätzlich in<br />

Anführungszeichen setzen.

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