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In diesem Heft - Rosa-Luxemburg-Stiftung

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27<br />

LÖTZSCH<br />

»Rechtschreibreform«<br />

Geringfügigkeit der Änderungen herauszureden. So erklärte<br />

Brandenburgs Bildungsministerin Angelika Peter (SPD) in einem<br />

<strong>In</strong>terview im Neuen Deutschland vom 19./20. Oktober 1996,<br />

es sei albern, so zu tun, »als ob mit <strong>diesem</strong> Reförmchen das<br />

deutsche Wort demontiert und apokalyptische Schriftzustände<br />

eintreten würden«. Gleichzeitig gab sie zu bedenken, ob ein Stopp<br />

der »Reform« nicht dem Bild abträglich sei, »das der deutsche<br />

Sprachraum dann im Ausland abgeben würde«.<br />

Auch Niedersachsens Kultusminister Rolf Wernstedt (SPD),<br />

derzeit Vorsitzender der KMK, fürchtet, »daß ein Rückzug aus<br />

der Rechtschreibreform Deutschland international zum Gespött<br />

machen würde«. 20<br />

Beruhigt werden soll die betroffene Öffentlichkeit auch mit der<br />

von »Zuständigen« und sonstigen Befürwortern immer wieder<br />

aufgestellten Behauptung, die »Reform« gelte ja lediglich für<br />

Schulen und Behörden. Zu dieser bewußten Irreführung erübrigt<br />

sich eigentlich jeder Kommentar. Durch das Urteil des schleswigholsteinischen<br />

Oberverwaltungsgerichts vom 13. August dieses<br />

Jahres wird diese Behauptung nunmehr auch gerichtlich Lügen<br />

gestraft. 21<br />

Eine weitere häufig zu lesende oder in Rundfunk- oder Fernsehsendungen<br />

zu hörende Ausrede der Minister lautet, die Zustimmung<br />

ihrer Landesregierungen bzw. des für die Einführung<br />

der Neuerungen in die Schreibung der Behördensprache zuständigen<br />

Bundesinnenministers liege ja bereits vor. So auch Berlins<br />

Senatorin für Schule, Jugend und Sport, <strong>In</strong>grid Stahmer, die es<br />

ansonsten nur lächerlich findet, »einen Kulturkampf um das ›h‹ in<br />

Känguruh zu veranstalten«. 22<br />

Dieser offenkundige Opportunismus dürfte jedoch zumindest<br />

bei den maßgeblichen Kommissionsmitgliedern und Politikern von<br />

einer zutiefst konservativen Grundeinstellung getragen sein, die<br />

der während der Bismarckschen und Wilhelminischen Ära in der<br />

Bildungselite herrschenden in nichts nachsteht.<br />

Ein beredtes Zeugnis legt davon ein <strong>In</strong>terview ab, das Prof. Dr.<br />

Günther Drosdowski, bis vor zwei Jahren Leiter der BRD-Dudenredaktion<br />

23 , seitdem Vorsitzender ihres Wissenschaftlichen Rates,<br />

dem Spiegel gab. 24 Darin gibt er freimütig zu, daß ihm die vorgeschlagenen<br />

halbherzigen Neuerungen eigentlich zu weit gehen.<br />

Er hätte lieber »da und dort Abstriche gemacht«. Die Begründungen,<br />

sofern welche gegeben werden, muten aus dem Munde eines<br />

Orthographieexperten seltsam an. Im Zusammenhang mit Packet<br />

beispielsweise, für das nach den neuen Regeln die von ihm abgelehnte<br />

Schreibung mit ck gilt, bemängelt er, daß es künftig anders<br />

»gesprochen als geschrieben« werden soll. »Denn es wird ja die<br />

zweite Silbe betont«. Als ob die Betonung nach der deutschen<br />

Rechtschreibung überhaupt angegeben würde. Das vom <strong>In</strong>terviewer<br />

angesprochene Verzeichnis der Fremdwörter, für die eine<br />

an die Regeln der deutschen Orthographie angenäherte Schreibung<br />

vorgeschlagen wird, bezeichnet er als »Horrorliste«. Vereinfachungen<br />

sind nach seiner Meinung nur zulässig, »wenn sich Entwicklungen<br />

in der Sprache abzeichnen«. Deshalb dürfe neben Telephon<br />

auch Telefon geschrieben werden. »Aber kennen Sie jemanden,<br />

20 Nach Berliner Zeitung<br />

vom 10. März 1997.<br />

21 »Die Rechtschreibreform<br />

zielt nicht nur auf eine<br />

Änderung der Schreibweise<br />

im Schulunterricht und in<br />

der Amtssprache. Reformiert<br />

wird zum 1. August 1998 die<br />

Schreibweise der deutschen<br />

Sprache im deutschen<br />

Sprachraum überhaupt...«<br />

(zitiert nach Der Tagesspiegel<br />

vom 14. August 1997.<br />

22 <strong>In</strong> Der Spiegel 33/1997.<br />

23 Anläßlich seines Ausscheidens<br />

aus <strong>diesem</strong> Amt<br />

wurde Prof. Drosdowski »für<br />

seine Verdienste um die<br />

deutsche Sprache« mit dem<br />

Großen Bundesverdienstkreuz<br />

dekoriert, worüber<br />

das Börsenblatt in seiner<br />

Ausgabe 58/1995 ausführlich<br />

berichtete.<br />

24 Der Spiegel 25/1995,<br />

S. 107-110.

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