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Küchenplaner Eurocucina - Pompöse Show in Mailand (Vorschau)

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Impulse/Ansichten<br />

Am Scheideweg<br />

Manchmal s<strong>in</strong>d die D<strong>in</strong>ge nicht so e<strong>in</strong>deutig, wie sie se<strong>in</strong><br />

sollten. Wie soll man sich entscheiden? So? Oder besser so? Oder<br />

vielleicht ganz anders? Auch die Literatur kennt Zwickmühlen<br />

dieser Art. E<strong>in</strong>e der populärsten setzt die Mittelerde-Trilogie<br />

„Der Herr der R<strong>in</strong>ge“ <strong>in</strong> Szene. In Teil 3: Bei der Frage, welcher<br />

Weg fix und sicher <strong>in</strong>s Herz von Mordor zum feuerspeienden<br />

Schicksalsberg führt, kommen die Hobbits Sam und Frodo <strong>in</strong>s<br />

Grübeln. Besser die Harad-Straße queren und Seite an Seite mit<br />

e<strong>in</strong>igen Horden Orks direkt nach M<strong>in</strong>as Morgul schlendern?<br />

Oder doch dem w<strong>in</strong>digen Reiseführer Gollum vertrauen, l<strong>in</strong>ks<br />

abbiegen und dem „garantiert sicheren Pass“ h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Reich<br />

der F<strong>in</strong>sternis folgen? Die Experten unter uns kennen den empfohlenen<br />

Bergpfad als „Kankras Lauer“ – benannt nach e<strong>in</strong>er betagten<br />

Riesensp<strong>in</strong>ne mit unangenehmer Be<strong>in</strong>spannbreite und<br />

üblem Mundgeruch. Nach langem H<strong>in</strong> und Her fällt e<strong>in</strong>e Entscheidung.<br />

Wie so häufig <strong>in</strong> Büchern und Filmen erweist sich<br />

diese als ebenso anspruchsvoll wie fies – aber letztlich als machbar.<br />

Es geht alles gut und die Helden lassen sich erschöpft aber<br />

zufrieden die Wunden salben.<br />

Soweit s<strong>in</strong>d wir <strong>in</strong> der Küchenbranche noch nicht. Stattdessen<br />

ahnen immer mehr Händler, dass sie vertrieblich betrachtet<br />

ebenfalls an e<strong>in</strong>er Art Scheideweg stehen und sich für e<strong>in</strong>e<br />

Richtung entscheiden müssen. Denn DER Küchenhandel entpuppt<br />

sich zusehends als e<strong>in</strong>e historisch liebgewonnene Bezeichnung<br />

für e<strong>in</strong>e objektbezogene Handelsform, die im Alltag<br />

kaum noch alle Stilrichtungen unter e<strong>in</strong>en Hut zu br<strong>in</strong>gen vermag.<br />

DER Küchen handel driftet immer weiter ause<strong>in</strong>ander mit<br />

den Eckpunkten des planenden Küchenverkäufers und des verkaufenden<br />

<strong>Küchenplaner</strong>s.<br />

Dabei handelt es sich um mehr als e<strong>in</strong>e Wortspielerei. Denn<br />

der „re<strong>in</strong>e“ Küchenverkauf hat e<strong>in</strong>e dom<strong>in</strong>ierende Kernkompetenz:<br />

möglichst billig. Daran haben sich Möbel, Geräte und Zubehör<br />

zu orientieren; koste es, was es wolle. Für hochwertige Materialien<br />

an der Front bleibt dabei ebenso wenig Raum wie für<br />

ausgefeilte Stil-Analysen im Beratungsgespräch. Das sieht man<br />

den Ergebnissen natürlich an. Was aber nicht weiter verwerflich<br />

ist, denn jeder Kunde muss mit se<strong>in</strong>em Budget ernstgenommen<br />

werden und nicht <strong>in</strong> jedem Haushalt steht der „Lebensraum<br />

Küche“ an Nr. 1 der Werteskala. So ehrlich sollten wir se<strong>in</strong>. Und<br />

doch steht fest: Der Küchenverkauf pro laufendem Meter muss<br />

auf Masse setzen, um auf se<strong>in</strong>e Rendite zu kommen. Und das<br />

bei tickender Uhr. Konzepte und Angebote für diese Spielart des<br />

Küchenhandels bietet der Markt im Dutzend – mit unterschiedlichen<br />

Erfolgsaussichten.<br />

Nun haben wir gelernt, dass sich immer mehr Kunden etwas<br />

leisten wollen beim Küchenkauf. Denn der e<strong>in</strong>stige Arbeitsesel<br />

Küche hat die Stalltür aufgeschubst und tritt als Vollblüter <strong>in</strong>s<br />

Rampenlicht. Die stetig zunehmende Zahl ambitionierter Kunden<br />

akzeptiert ke<strong>in</strong>e Allerweltsküchenzeilen mit Kunststofffronten,<br />

die wie Kunststofffronten aussehen, oder e<strong>in</strong>fache Auflagespülen<br />

und Geräte unbestimmter Herkunft. Stattdessen<br />

wollen sie mit dem Gesamtensemble Küche ihrer Persönlichkeit<br />

Ausdruck geben und das Gefühl vermittelt bekommen, dass<br />

sie für ihr Geld das Bestmöglichste und E<strong>in</strong>zigartigste bekommen.<br />

Solchen Kunden adäquat zu begegnen, benötigt e<strong>in</strong>e ausgefeilte<br />

Beratungsqualität. Und ebenso wichtig: umfangreiche Produktkenntnisse.<br />

Gut aufbereitete Informationen über das, was<br />

der Markt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er wachsenden Vielfalt zu bieten hat, s<strong>in</strong>d dafür<br />

unabd<strong>in</strong>gbar. Ebenfalls die Bereitschaft, sich Zeit zu nehmen,<br />

um sich <strong>in</strong> diese Materie e<strong>in</strong>zuarbeiten.<br />

Womit der Scheideweg se<strong>in</strong> Wesen offenbart: Im preisdom<strong>in</strong>ierten<br />

Küchenverkauf kann das Beratungsgespräch – überspitzt<br />

gesagt – vielleicht noch als lästige Pflicht zur Vorbereitung<br />

der f<strong>in</strong>alen Unterschrift abgetan werden. Die baulichen<br />

Eigenarten des Küchenraums bestimmen die Auswahl – nicht<br />

die Spleens der Bewohner. In der persönlichen Küchenplanung<br />

jedoch erhalten der mehrfache Kontakt und die damit verbundene<br />

Beziehungspflege e<strong>in</strong>en eigenen Wert. Und der will angesichts<br />

des Zeit- und Kompetenze<strong>in</strong>satzes honoriert werden. Im<br />

besten Fall als eigene Rechnungsposition unter „Küchenplanung“.<br />

Dumm nur, dass zwar immer mehr Kunden e<strong>in</strong> <strong>in</strong>dividualisiertes<br />

Produkt wünschen, aber die meisten nur den laufenden<br />

Meter bezahlen wollen. Und der planende Kollege von nebenan<br />

zieht auch nicht gerade am selben Strang.<br />

Sich als <strong>Küchenplaner</strong> mit se<strong>in</strong>er Planungskompetenz selbstbewusst<br />

zu präsentieren, ist e<strong>in</strong>e Sache der Positionierung und<br />

damit machbar. Die Planungsleistung als eigene Kostenstelle zu<br />

etablieren, ist h<strong>in</strong>gegen schon sehr viel sensibler. Die Diskussion<br />

über die Honorierung e<strong>in</strong>er zeit<strong>in</strong>tensiven und fachlich kompetenten<br />

Küchenplanung muss als Branchenthema jedoch dr<strong>in</strong>gend<br />

neu <strong>in</strong> Gang gesetzt werden. Damit DER Küchenhandel<br />

nicht an se<strong>in</strong>en unrealistischen Ansprüchen erstickt. Der Markt<br />

splittet sich deutlicher denn je <strong>in</strong> billig und <strong>in</strong> Premium. Billig<br />

umgesetztes Premium wird auf Dauer nicht funktionieren,<br />

me<strong>in</strong>t<br />

Dirk Biermann, Chefredakteur<br />

d.biermann@kuechenplaner-magaz<strong>in</strong>.de<br />

4 KÜCHENPLANER 5/6/2014

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