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Teil 2. Schweiz Arch Neurol Psychiatr. 1925 - Sanp.ch

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3. Über die We<strong>ch</strong>selbeziehungen<br />

zwis<strong>ch</strong>en psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en und vegetativen Funktionen.<br />

Von W. R HESS.<br />

(Fortsetzung aus Band XV, <strong>2.</strong>)<br />

II<br />

In einem ersten Abs<strong>ch</strong>nitt haben wir die Absi<strong>ch</strong>t verfolgt, na<strong>ch</strong> den<br />

allgemein physiologis<strong>ch</strong>en Grundlagen unseres Themas zu su<strong>ch</strong>en.<br />

Wir glaubten, diese Grundlagen darin zu erkennen, dass zwis<strong>ch</strong>en dem animalen<br />

und dem vegetativen Nervensystem innige We<strong>ch</strong>selbeziehungen bestehen<br />

auf Grund deren jedes der beiden. Regulationssysteme in den<br />

Funktionsberei<strong>ch</strong> des andern eingreift, mit demErfolg, dass die<br />

Gegensätze in den Zielen der animalen und der vegetativen Funktionen<br />

zum Ausglei<strong>ch</strong> kommen. Auf Grund dieses Ausglei<strong>ch</strong>es werden die beiden<br />

Funktionsqualitäten. zu einem Einheitsges<strong>ch</strong>ehen verbunden und in<br />

den Dienst, der, Lebenserhaltung des Individuums gestellt.<br />

Die psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen sind Glieder aus der Kette animaler<br />

Leistungen. Au<strong>ch</strong> sie müssten also — wie jedes andere Funktionsglied<br />

des animalen Systemes — dem Einfluss des vegetativen Nervensystemes<br />

unterworfen sein. Die Ers<strong>ch</strong>einung des S<strong>ch</strong>lafes glauben wir als Beispiel<br />

eines sol<strong>ch</strong>en Einflusses deuten zu dürfen und zwar in dem Sinne, dass im<br />

S<strong>ch</strong>laf das vegetative Nervensystem die Anspre<strong>ch</strong>barkeit der Elemente<br />

des animalen Systemes so stark herabsetzt, dass der Erregungsaustaus<strong>ch</strong><br />

unterbro<strong>ch</strong>en wird. Es wurde dem allgemeinen Bau- und Funktionsplan<br />

des vegetativen Nervensystems entspre<strong>ch</strong>en, wenn die von ihm erwirkte<br />

Umstimmung des animalen Systemes die Folge einer Vers<strong>ch</strong>iebung des<br />

Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>tes zwis<strong>ch</strong>en Sympathikus und Parasympathikus. zugunsten<br />

des letztem darstellt.<br />

Wir stehen nun vor der Aufgabe, zu prüfen, inwieweit diese Auffassung<br />

vom Wesen des S<strong>ch</strong>lafes dur<strong>ch</strong> Beoba<strong>ch</strong>tungen und Experimentegestützt<br />

werden kann. Dabei geht, entspre<strong>ch</strong>end dem Motiv, das uns auf die S<strong>ch</strong>lafers<strong>ch</strong>ei<br />

geführt hat, unser Interesse ni<strong>ch</strong>t nur auf das Spezielle dieses<br />

Problemes, sondern vor allem auf das Prinzipielle dieser tief greifenden<br />

Umstellung der animalen Funktionen im allgemeinen und der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Vorgänge im besondern.<br />

In den zusammenhängenden Ketten animaler Funktionen lassen si<strong>ch</strong>


drei Hauptphasen unters<strong>ch</strong>eiden: Reizaufnahme, Reizverarbeitung und<br />

Reizbeantwortung. In den Reflexen tritt jededieserdrei Funktionsphasen<br />

in relativ einfa<strong>ch</strong>er Form im Ers<strong>ch</strong>einung; sie werden dabei zu kurzen und<br />

zeitli<strong>ch</strong> zusammengedrängten "Funktionsketten" zusammengefügt. Bei<br />

sog. Reaktionen weisen die Einzelphasen eine komplexere Struktur auf<br />

Sowohl in die rezeptoris<strong>ch</strong>en als au<strong>ch</strong> in die effektoris<strong>ch</strong>en Phasen sind<br />

Reflexketten als Hülfsfunktionen eingebaut. in der Phase der Reizverarbeitung<br />

hat eine Entfaltung der die Erregungen vom afferenten auf den efferenten<br />

S<strong>ch</strong>enkel übermittelnden Bahnen na<strong>ch</strong> der Breite und na<strong>ch</strong> der<br />

Tiefe hin Platz gegriffen. Das Spiel der Erregungen, wel<strong>ch</strong>e diese Bahnen<br />

benützen, kommen uns als psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Vorgänge zum Bewusstsein.<br />

Au<strong>ch</strong> dort, wo psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Tätigkeit selbständig aufzutreten s<strong>ch</strong>eint, besitzt<br />

sie nur den Wert eines Gliedes einer abges<strong>ch</strong>lossenenphysiologis<strong>ch</strong>en<br />

Funktion; dabei kann allerdings die zeitli<strong>ch</strong>e Bindung mit der rezeptoris<strong>ch</strong>en<br />

und :der effektoris<strong>ch</strong>en Phase stark gelockert sein. Wir tragen den<br />

bestehenden physiologis<strong>ch</strong>en Zusammenhängen Re<strong>ch</strong>nung, wenn wir unsere<br />

Analyse des S<strong>ch</strong>lafzustandes ni<strong>ch</strong>t auf die psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen bes<strong>ch</strong>ränken,<br />

sondern, wenn wir allen drei Phasen einer vollständigen animalen Funktionskette<br />

unsere Aufmerksamkeit s<strong>ch</strong>enken:<br />

Die enge Pupille des S<strong>ch</strong>lafenden.<br />

Die Verengerung der Pupille während des S<strong>ch</strong>lafes ist s<strong>ch</strong>on von Brown-Séquard 1)<br />

zur Deutung des Wesens des S<strong>ch</strong>lafzustandes herangezogen<br />

worden. Er führt diese Ers<strong>ch</strong>einung als eines der Symptome an, wel<strong>ch</strong>e<br />

den S<strong>ch</strong>laf als sine Inhibition dokumentieren. Die Verengerung der Pupille<br />

wie au<strong>ch</strong> der Kontraktionszustand des musculusorbicularis oculi bedeuten<br />

Reizzustände, wel<strong>ch</strong>e einer einfa<strong>ch</strong>en Suspension der Funktionen<br />

widerspre<strong>ch</strong>en.<br />

In bezug auf den speziellen Me<strong>ch</strong>anismus der S<strong>ch</strong>lafverengerung der<br />

Pupille des S<strong>ch</strong>lafenden hat Braunstein 2) eine Theorie aufgestellt; na<strong>ch</strong><br />

dieser soll im Wa<strong>ch</strong>zustand vom Kortex ein hemmender Einfluss auf das<br />

Occummulotoriuszentrum ausgeübt werden. Im S<strong>ch</strong>laf fällt diese Hemmung<br />

dahin. Der Occummulotoriustonus kann si<strong>ch</strong> nun mit voller Intensität<br />

entfalten. Es ers<strong>ch</strong>eint also die enge Pupille als ein Folgezustand des<br />

Cortexs<strong>ch</strong>lafes. Dieser Me<strong>ch</strong>anismus ist au<strong>ch</strong> für die Deutung der Pupillenver<br />

bei Morphinwirkung und anderen pupillomotoris<strong>ch</strong>en<br />

Pharmaka mit s<strong>ch</strong>laffördernder Wirkung übernommen worden. 3)<br />

Die Hypothese Braunstein's hat für uns besonders deshalb Interesse,<br />

1) Brown-Séquard: Le sommeil normal, comme le sommeil hypnotique, est le résultat d'une<br />

inhibition de l'activité intellectuelle. <strong>Ar<strong>ch</strong></strong>. de physiologie 21, 739, 1889<br />

2) Braunstein: Zur Lehre der Innervation der Pupillenbewegung. Wiesbaden 1894.<br />

3) Meyer und Gottlieb: Experimentelle Pharmakologie, S. 143. Urban & S<strong>ch</strong>warzenberg,<br />

Berlin 1914


weil sie das Kristallisationsprodukt der heute herrs<strong>ch</strong>enden kortikozentris<strong>ch</strong>en<br />

Betra<strong>ch</strong>tungsweise des S<strong>ch</strong>lafs darstellt und diese klar zum Ausdruck<br />

bringt. Bei näherem Zusehen müssen wir feststellen, dass sie nur in geringem<br />

Masse zu befriedigen vermag. Es bleibt unklar, wel<strong>ch</strong>e physiologis<strong>ch</strong>e<br />

Bedeutung der Enthemmung des Occummulotoriuszentrums zukommt.<br />

Man kann diesen Vorgang hö<strong>ch</strong>stens in die Formel einfügen, dass der Kortex<br />

im Allgemeinen auf tiefer gelegene Zentren einen hemmenden Einfluss<br />

ausübt, wobei dann in der Theorie Braunstein's der S<strong>ch</strong>laf einer funktionellen<br />

Auss<strong>ch</strong>altung des Kortex glei<strong>ch</strong> zu setzen wäre. Dass hievon aber keine<br />

Rede sein kann, zeigt das Verhalten der Reflexe im S<strong>ch</strong>laf. Wir werden<br />

darauf no<strong>ch</strong> zu spre<strong>ch</strong>en kommen.<br />

In neuerer Zeit finden wir von H. Wieland und R. S<strong>ch</strong>oen1) die Auffassung<br />

vertreten, dass die enge Pupille im S<strong>ch</strong>laf (und bei Morphinwirkung<br />

und bei Narkose) auf eine Vermehrung der Blutkohlensäure zurückzuführen<br />

sei, in dem Sinne, dass das Zentrum des Iriss<strong>ch</strong>liessmuskels auf die<br />

Vermehrung der Kohlensäure mit einer über die Norm hinaus gehenden<br />

Erregung antwortet.<br />

Die Steigerung der Kohlensäurespannung im Blut während des S<strong>ch</strong>lafes<br />

ist na<strong>ch</strong> den Feststellungen von H. Straub und Mitarbeitern 2)3)4)5) ni<strong>ch</strong>t<br />

zu bezweifeln. Die zahlrei<strong>ch</strong>en Beoba<strong>ch</strong>tungen, wel<strong>ch</strong>e H. Wieland und<br />

R. S<strong>ch</strong>oen aufführen, beweisen ferner einen Parallelismus zwis<strong>ch</strong>en Pupillenwe<br />

und Faktoren, wel<strong>ch</strong>e die Kohlensäurespannung im Blute vers<strong>ch</strong>ieben.<br />

Glei<strong>ch</strong>wohl halten wir die S<strong>ch</strong>lussfolgerung, dass das Eine<br />

(die enge Pupille) dur<strong>ch</strong> das Andere (die Kohlensäurespannung) bedingt<br />

sei, ni<strong>ch</strong>t für erwiesen. S<strong>ch</strong>on aus prinzipiellen Gründen muss die Mögli<strong>ch</strong>keit<br />

ins Auge gefasst werden, dass es si<strong>ch</strong> um einen Parallelismus von Symptomen<br />

handelt, wel<strong>ch</strong>e alle die Folge einer synergistis<strong>ch</strong>enUmstimmung<br />

der massgebenden Regulationszentren sind. Für die ri<strong>ch</strong>tige Deutung des<br />

Me<strong>ch</strong>anismus der S<strong>ch</strong>lafpupille ist nun die Tatsa<strong>ch</strong>e von Bedeutung, dass<br />

ein Weckreiz die Verengerung sozusagen mit einem S<strong>ch</strong>lag aufhebt. In<br />

wenigen Sekunden greift eine abnorme Pupillenerweiterung Platz. Die<br />

Reaktionsvers<strong>ch</strong>iebung des Blutes verläuft viel träger. Sie greift zeitli<strong>ch</strong><br />

über die Phase der überwerten Pupille hinweg in die Wa<strong>ch</strong>periode hinein.<br />

Ein sol<strong>ch</strong>es Auseinanderwei<strong>ch</strong>en der zeitli<strong>ch</strong>en Konturen widerspri<strong>ch</strong>t der<br />

Auffassung von Wieland und S<strong>ch</strong>oen.<br />

1) H. Wieland und R. S<strong>ch</strong>oen: Die Beziehungen zwis<strong>ch</strong>en Pupillenweite und Kohlensäurespannung.<br />

<strong>Ar<strong>ch</strong></strong>iv für experimentelle Pathologie und Pharmakologie 100, 190, 1923.<br />

2) H. Straub: Über S<strong>ch</strong>wankungen in der Tätigkeit des Atemzentrums speziell im S<strong>ch</strong>laf.<br />

<strong>Ar<strong>ch</strong></strong>iv für klinis<strong>ch</strong>e Medizin 117, S. 397, 1915.<br />

3) K. Gollwitzer-Meier und Chr. Kroetz: Über den Blut<strong>ch</strong>emismus im S<strong>ch</strong>laf. Bio<strong>ch</strong>em.<br />

Zeits<strong>ch</strong>rift 150, H. 1 und 2, S. 82, 1924.<br />

4) G. Endres: Bio<strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Zeits<strong>ch</strong>rift 140, S. 53, 1924.<br />

5) E. Bass und K. Herr: Untersu<strong>ch</strong>ungen über die Erregbarkeit des Atemzentrums im<br />

S<strong>ch</strong>laf (gemessen an der Alveolarspannung der Kohlensäure). Zeits<strong>ch</strong>rift für Biologie 75, H. 5/6.


Die Ges<strong>ch</strong>windigkeit, mit wel<strong>ch</strong>er die Pupillenverengerung auf einen<br />

Weckreiz wei<strong>ch</strong>t, lässt au<strong>ch</strong> die Vermutung eines hormonalen Einflusses<br />

oder der Wirkung eines sog. "Hypnotoxines" (Piéron) 1) ni<strong>ch</strong>t aufkommen,<br />

wenigstens ni<strong>ch</strong>t im Sinne eines ents<strong>ch</strong>eidenden Faktors. Das prompte<br />

Anspre<strong>ch</strong>en der S<strong>ch</strong>lafpupille auf Weckreize, ja sogar auf Reize, die unter<br />

der Wecks<strong>ch</strong>welle bleiben, mahnt an einen Me<strong>ch</strong>anismusanalog demjenigen<br />

des normalen Pupillenspieles im Wa<strong>ch</strong>zustand.<br />

Wenn wir dieser Spurfolgen und versu<strong>ch</strong>en, die enge Pupille des S<strong>ch</strong>lafenden<br />

mit der Rolle in Beziehung zu bringen, wel<strong>ch</strong>e dieIris als Apparat<br />

zur Abblendung allzu intensiver Li<strong>ch</strong>treize spielt, so ers<strong>ch</strong>eint uns auf den<br />

ersten Blick das ganze Phaenomen ni<strong>ch</strong>t nur unerklärli<strong>ch</strong>, sondern geradezu<br />

paradox. Denn während des S<strong>ch</strong>lafes sind die Lider ges<strong>ch</strong>lossen,sodass<br />

s<strong>ch</strong>on dadur<strong>ch</strong> die eintretende Li<strong>ch</strong>tmenge bedeutend herabgesetzt wird.<br />

Ausserdem ist die enge Pupille au<strong>ch</strong> dann festzustellen, wenn si<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>lafende<br />

in vollständig verdunkeltem Raume befindet. Hier fehlt jeder Li<strong>ch</strong>treiz,<br />

wel<strong>ch</strong>er als auslösende Ursa<strong>ch</strong>e in Frage kommen könnte.<br />

Man mö<strong>ch</strong>te daran denken, dass viellei<strong>ch</strong>t die. S<strong>ch</strong>lafverengerung der<br />

Pupille mit dem Reflex bei Akkommodation und Convergenz etwas zu tun<br />

hat. Tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> hatte Johannes Müller diese Erklärung gesu<strong>ch</strong>t. Es ist<br />

indessen festgestellt worden — und die eingehenden Untersu<strong>ch</strong>ungen von<br />

Pietrusky 2) haben es erneut bestätigt — dass die Pupillen im S<strong>ch</strong>laf vollkomme<br />

unabhängig von der Stellung der Augeneng sind Au<strong>ch</strong><br />

ist das Auge im S<strong>ch</strong>laf si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t im aktiven Akkommodationszustand.<br />

Die erholende Wirkung des S<strong>ch</strong>lafes auf das ermüdete Auge weist auf Akkommod<br />

hin.<br />

Wenn wir so ohne Erfolg na<strong>ch</strong> einer befriedigenden Erklärung und Deutung<br />

der engen Pupille im S<strong>ch</strong>laf su<strong>ch</strong>en, können wir s<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> dazu kommen,<br />

einen Fehler in unseren Fragestellungen anzunehmen. Dies ist in der<br />

Tat der Fall, wenn wir unsere Erklärungsversu<strong>ch</strong>e für das Verhalten der<br />

Pupille im S<strong>ch</strong>laf na<strong>ch</strong> Gesi<strong>ch</strong>tspunkten orientieren, wie sie für den<br />

Wa<strong>ch</strong>zustand<br />

gelten.<br />

Die Sa<strong>ch</strong>lage ändert si<strong>ch</strong>, wenn wir das spezielle Symptom mit der<br />

physiologis<strong>ch</strong>en Bedeutung des S<strong>ch</strong>lafes in Beziehung bringen. Wir haben im<br />

ersten Abs<strong>ch</strong>nitt auf Gegensätze zwis<strong>ch</strong>en animalen und vegetativen Funktionszi<br />

hingewiesen. Animale Leistungen spannen die Zelleistungen<br />

an. Hemmung der animalen Funktion bedeutet Entlastung im Funktionsmilieu<br />

der Zellen. Dies ist ein S<strong>ch</strong>ritt zur Erlei<strong>ch</strong>terung vegetativer Restituierung<br />

In bezug auf das Auge ist nun festzustellen, dass die Verengerung<br />

der Pupille einen Akt darstellt, wel<strong>ch</strong>er die Intensität der funktionellen<br />

1) Piéron: Le problème physiologique du sommeil. Paris 1913.<br />

2) Pietrusky: Das Verhalten der Augen im S<strong>ch</strong>laf. Monatsblätter für Augenheilkunde<br />

1922, Bd. LXVIII, S. 355.


Beanspru<strong>ch</strong>ung der Retinalelemente und der Nervenelemente, in wel<strong>ch</strong>e die<br />

retinalen Erregungen abfliessen, dämpft. Im Wa<strong>ch</strong>zustand wird dur<strong>ch</strong> das<br />

Pupillenspiel die zur Retina gelangende Li<strong>ch</strong>tmengeso dosiert, dass das Auge<br />

seine Aufgabe als optis<strong>ch</strong>er Orientierungsapparat erfüllen kann, ohne dass<br />

dabei aber die Reizrezeptoren und die mit ihr im Zusammenhang stehenden<br />

Nervenelemente einer überdosierten Erregung exponiert werden. Dieser<br />

selbe Me<strong>ch</strong>anismus, wel<strong>ch</strong>er die Intensität des Li<strong>ch</strong>treizes im Wa<strong>ch</strong>en reguliert,<br />

ist nun offenkundig geeignet, der Retina funktionelle Ruhe zu vers<strong>ch</strong>affen,<br />

wenn eine sol<strong>ch</strong>e aus vegetativen Gründen geboten ist.<br />

Dies ist der Fall, wenn unser Ruhebedürfnis zum S<strong>ch</strong>laf führt. Die<br />

S<strong>ch</strong>lafstellung der Pupille bezweckt also ein Analoges zu dem, was wir<br />

zu errei<strong>ch</strong>en su<strong>ch</strong>en, wenn wir das Ohr verstopfen, um uns akustis<strong>ch</strong>e<br />

Ruhe .an vers<strong>ch</strong>affen. Es ist ein Akt der Reizdämpfung. Es .ers<strong>ch</strong>eint uns<br />

ni<strong>ch</strong>t unwahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>, dass au<strong>ch</strong> der Übertragungsapparatder akustis<strong>ch</strong>en<br />

Reize im S<strong>ch</strong>laf eine Dämpfung eins<strong>ch</strong>altet. ,Die Anstraffung des<br />

Trommelfells dur<strong>ch</strong> verstärkte Tonisierung des m. tensor tympani wäre<br />

eine zweckentspre<strong>ch</strong>ende Massnahme. Leider liegen die Verhältnisse zur<br />

Beoba<strong>ch</strong>tung hier ni<strong>ch</strong>t so günstig wie beim Auge. Erfahrungen über diesen<br />

Punkt sind mir zu<strong>ch</strong>t bekannt.<br />

Die Wirksamkeit des pupillomotoris<strong>ch</strong>en Apparates auf die Anspre<strong>ch</strong>barkei<br />

des Auges dürfen wir nickt unters<strong>ch</strong>ätzen. Aus der Pupillenflä<strong>ch</strong>e<br />

lässt si<strong>ch</strong> bere<strong>ch</strong>nen, wie breit die Skala ist, auf wel<strong>ch</strong>er die Reizintensitäten<br />

gestuft werden können. Die im tiefen S<strong>ch</strong>laf bis zu Stecknadelkopfgrösse<br />

verengerte Pupille lässt kaum 1/10bis 1/20.der dur<strong>ch</strong> die voll geöffnete<br />

Pupille eintretenden Li<strong>ch</strong>tmenge zur Retina gelangen.<br />

Es bedarf deshalb für einen bestimmten Empfindli<strong>ch</strong>keitszustand der<br />

Retina eines 10 bis 20 mal stärkeren Li<strong>ch</strong>treizes, um die Reizs<strong>ch</strong>welle zu<br />

errei<strong>ch</strong>en. Es kommt nus aber no<strong>ch</strong> hinzu, dass im S<strong>ch</strong>laf die Lider ges<strong>ch</strong>loss<br />

sind. Wir haben hierin zweifellos einen S<strong>ch</strong>utzme<strong>ch</strong>anismus<br />

gegen me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>e Insulte, wel<strong>ch</strong>e die Cornea treffen könnten, vor uns.<br />

Aber au<strong>ch</strong> der optis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>utz kommt zur Geltung. Im Wa<strong>ch</strong>zustand<br />

tritt reflektoris<strong>ch</strong> Lids<strong>ch</strong>luss aus optis<strong>ch</strong>en Gründen nur dann auf, wenn<br />

unser Auge von zu grellem Li<strong>ch</strong>t getroffen wird. Im S<strong>ch</strong>lafzustand soll<br />

der Li<strong>ch</strong>treiz überhaupt ausges<strong>ch</strong>altet sein. In diesem, Sinne finden wir<br />

im S<strong>ch</strong>laf denselben Synergismus zwis<strong>ch</strong>en Iris und Lid, wie im Wa<strong>ch</strong>zustand<br />

Für den Wa<strong>ch</strong>zustand kennen wir no<strong>ch</strong> einen dritten Me<strong>ch</strong>anismus,<br />

wel<strong>ch</strong>er die dur<strong>ch</strong> Li<strong>ch</strong>treize ausgelöste Erregungsintensität zu dämpfen vermag.<br />

Dieser Me<strong>ch</strong>anismus liegt in der Retina. Er drückt si<strong>ch</strong> als Umstimmu<br />

der Erregbarkeit der Retina aus. Die helladaptierte Retina<br />

besitzt gegenüber der dunkel adaptierten eine ausserordentli<strong>ch</strong> stark herabgesetzte<br />

Anspre<strong>ch</strong>barkeit.


Es ist unseres Wissens no<strong>ch</strong> nie die Frage gestellt worden, in wel<strong>ch</strong>em<br />

Adaptionszustand si<strong>ch</strong> die Retina des S<strong>ch</strong>lafenden befindet. Hier wird<br />

uns diese Frage aufgedrängt. Wenn Lid, Iris und retinale Umstimmungen<br />

Me<strong>ch</strong>anismen sind, die si<strong>ch</strong> im Wa<strong>ch</strong>zustand synergistis<strong>ch</strong> als Regulatoren<br />

der dur<strong>ch</strong> den Li<strong>ch</strong>treiz gesetzten Erregung betätigen, so liegt es nahe, dass<br />

die retinale Umstimmung au<strong>ch</strong> im S<strong>ch</strong>lafzustand den Lids<strong>ch</strong>luss und<br />

die Pupillenverengerung unterstützt und si<strong>ch</strong> an der Dämpfung der optis<strong>ch</strong>en<br />

Reize beteiligt.<br />

So interessant diese Frage ist, so s<strong>ch</strong>wer fällt es, sie zu beantworten.<br />

Die übli<strong>ch</strong>e Bestimmung der Reizs<strong>ch</strong>welle der Retina stützt si<strong>ch</strong> auf Angaben<br />

des Untersu<strong>ch</strong>ten. Sol<strong>ch</strong>e Angaben können wir vom S<strong>ch</strong>lafenden<br />

ni<strong>ch</strong>t erhalten.. Es käme event. eine sofortige Prüfung na<strong>ch</strong> dem Wecken<br />

in Frage. Die Resultate wären aber ni<strong>ch</strong>t sti<strong>ch</strong>haltig, da die Umstimmung<br />

der Retina beim Erwa<strong>ch</strong>en sehr ras<strong>ch</strong> vor si<strong>ch</strong> gehen kann. Allerdings<br />

beanspru<strong>ch</strong>t die Umstimmung der Retina na<strong>ch</strong> erfolgter Beleu<strong>ch</strong>tung eine<br />

geraume Zeit. Diese Adaptierungszeit ist aber ni<strong>ch</strong>t massgebend für die<br />

event. Umstimmungszeit beim Erwa<strong>ch</strong>en. Denn im Falle der s<strong>ch</strong>lafadaptierten<br />

Retina fehlen die Stoffwe<strong>ch</strong>selprodukte, wel<strong>ch</strong>e in der beli<strong>ch</strong>tet gewesene<br />

Retina als Folge ihrer Tätigkeit vorhanden sind. Es geht deshalb<br />

bei Umstimmung der s<strong>ch</strong>lafadaptierten Retina keine Zeit für die Beseitigung<br />

der erwähnten Produkte verloren. — Trotz der Unmögli<strong>ch</strong>keit; bei<br />

S<strong>ch</strong>lafenden eigentli<strong>ch</strong>e Adaptationsuntersu<strong>ch</strong>ungen anzustellen, sind wir<br />

aber do<strong>ch</strong> -ni<strong>ch</strong>t ganz ohne Anhaltspunkte in der Beurteilung des Empfindli<strong>ch</strong><br />

der Retina. Es ist bekannt, dass die Weite der Pupille<br />

ni<strong>ch</strong>t in einer festen Beziehung zu der auf die Retina fallenden Li<strong>ch</strong>tintensitä<br />

steht. Für eine bestimmte Beli<strong>ch</strong>tung des Auges finden wir die<br />

Pupille um so weiter, auf einen je höheren Grad von Helligkeit die Retina<br />

adaptiert ist.<br />

Nun ist bereits erwähnt worden, dass die Pupille unmittelbar na<strong>ch</strong> dem<br />

Erwa<strong>ch</strong>en trotz Beleu<strong>ch</strong>tung des Auges abnorm weit ist. Erst sekundär<br />

reagiert sie auf die Beli<strong>ch</strong>tung im Sinne des normalen Beli<strong>ch</strong>tungsreflexes.<br />

Ein sol<strong>ch</strong>es sonst ni<strong>ch</strong>t erklärtes Verhalten erweckt dur<strong>ch</strong>aus den Eindruck,<br />

dass unmittelbar na<strong>ch</strong> dem Erwa<strong>ch</strong>en die Empfindli<strong>ch</strong>keit der Retina<br />

no<strong>ch</strong> herabgesetzt ist. - -<br />

Das Verhalten der Iris im S<strong>ch</strong>laf verdient nun no<strong>ch</strong> mit Rücksi<strong>ch</strong>t auf<br />

die Innervation unser Interesse. Wie das Pupillenspiel im Wa<strong>ch</strong>zustand,<br />

so ist natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> die enge Pupille im S<strong>ch</strong>laf eine Funktionsäusserung<br />

vegetativer Innervation. Man nimmt dies als Tatsa<strong>ch</strong>e hin, ohne daran<br />

etwas Auffälliges zu erblicken. Und do<strong>ch</strong> ist etwas an ihr, das besonderer<br />

Bea<strong>ch</strong>tung wert ist. Es liegt hier ein Me<strong>ch</strong>anismus offen zutage, wo das<br />

vegetative Nervensystem in sehr akzentuiertem Ausmass ins<br />

- animale System eingreift. Der Me<strong>ch</strong>anismus besteht darin, dass das


vegetative Nervensystem ein Diaphragma beherrs<strong>ch</strong>t, wel<strong>ch</strong>es in die Bahn<br />

des animalen Reizes einges<strong>ch</strong>altet ist. Enge Pupille bedeutet Hemmung<br />

des animalen Reizes auf seiner Bahn. Weite Pupillen erhöhen den optis<strong>ch</strong>en<br />

Reizerfolg; Pupillenerweiterung bedeutet Reizbahnung. Eine Besonderheit<br />

dieser Hemmung und Bahnung liegt allerdings darin, dass sie si<strong>ch</strong> primär<br />

am Reiz und ni<strong>ch</strong>t an dem dur<strong>ch</strong> den Reiz ausgelöstenErregungsprozess<br />

auswirkt. Diese Besonderheit hat jedo<strong>ch</strong> keine Bedeutung. Im Effekt<br />

kommt beides auf dasselbe heraus: Es zeigt si<strong>ch</strong> im pupillomotoris<strong>ch</strong>en<br />

Me<strong>ch</strong>anismus das vegetative Nervensystem als Regulator<br />

der Funktionsbereits<strong>ch</strong>aft des animalen Systemes.<br />

Wir glauben, dass unsere Ausführungen im ersten Abs<strong>ch</strong>nitt geeignet<br />

sind, diese Tatsa<strong>ch</strong>en ins ri<strong>ch</strong>tige Li<strong>ch</strong>t zu setzen. Die enge Pupille im<br />

S<strong>ch</strong>lafzustand lässt uns den Zweck einer sol<strong>ch</strong>en Ordnung besonders lei<strong>ch</strong>t<br />

fassen: Die Ruhe des S<strong>ch</strong>lafenden ist ein <strong>Teil</strong>akt zur Restituierung der Leistungsfäh<br />

des Organismus. Sie dokumentiert si<strong>ch</strong> dadur<strong>ch</strong> als eine<br />

Äusserung vegetativer Regulationsvorgänge. Die Dämpfung des Li<strong>ch</strong>teinfalles<br />

infolge Verengerung der Pupillen ist ein Mittel zum Zwecke der<br />

Ruhigstellung wi<strong>ch</strong>tiger <strong>Teil</strong>e des animalen Systemes. Im Me<strong>ch</strong>anismus<br />

der Regulierung der Anspre<strong>ch</strong>barkeit ist das Auge als animaler Apparat<br />

Erfolgsorgan des vegetativen Nervensystemes. Wir verdanken<br />

es der Dur<strong>ch</strong>si<strong>ch</strong>tigkeit des optis<strong>ch</strong>en Apparates, dass wir an einem<br />

Punkte wenigstens die Abhängigkeit animaler Leistungen vom vegetativen<br />

Regulationssystem klar erkennen. Es bleibt uns nur no<strong>ch</strong> übrig, darauf<br />

hinzuweisen, dass diese Abhängigkeit au<strong>ch</strong> im Wa<strong>ch</strong>zustand besteht. Nur<br />

kommt unter diesen Verhältnissen ni<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> das vegetative<br />

Funktionsziel zur Geltung; dieses muss vielmehr seinen Einfluss mit den<br />

Aufgaben des animalen Apparates in Einklang bringen. Die Erfüllung<br />

dieser letztem setzt einen ausrei<strong>ch</strong>enden optis<strong>ch</strong>en Kontakt mit der Umwelt<br />

voraus. Die Pupillenerweiterung beim Erwa<strong>ch</strong>en ist der Ausdruck der<br />

Bereitstellung des Auges zur Reizaufnahme. Dass si<strong>ch</strong> dieser Akt dur<strong>ch</strong><br />

Vermittlung sympathis<strong>ch</strong>er Innervation vollzieht, entspri<strong>ch</strong>t dem Gesetz,<br />

dass dieser <strong>Teil</strong> des vegetativen Nervensystemes die Mittel zur Leistungssteigerung<br />

des animalen Apparates in Aktion setzt. Im Me<strong>ch</strong>anismus<br />

dieser Bereitstellung wird das parasympathis<strong>ch</strong>e Prinzip, das im S<strong>ch</strong>laf<br />

Alleinherrs<strong>ch</strong>aft geniesst, vom sympathis<strong>ch</strong>en Prinzip überwunden. Das<br />

Übergewi<strong>ch</strong>t ist aber nur ein bedingtes. Sobald die eintretende Liedteile<br />

so gross wird, dass eine unnötig intensive Belastung der nervösen Elemente<br />

zustande kommt oder gar eine Überlastung droht, tritt das parasympathis<strong>ch</strong>e<br />

Prinzip wieder in den Vordergrund in der Form der reflektoris<strong>ch</strong>en<br />

Pupillenverengerung.<br />

Die Frage ist naheliegend, ob der pupillomotoris<strong>ch</strong>e Apparat der einzige<br />

oder nur der einzig si<strong>ch</strong>tbare Angriffspunkt vegetativer Regulierung


animaler Funktion darstellt. Die oben gepflogene Erörterung der Frage<br />

na<strong>ch</strong> dem Adaptierungszustand der Retina im S<strong>ch</strong>laf gibt Anlass, den<br />

Me<strong>ch</strong>anismus der retinalen Umstimmung in Diskussion zu ziehen. Es<br />

lag bis heute kein Grund vor, diese Umstimmung als eine Leistung des<br />

vegetativen Nervensystemes (mit der Retina als Erfolgsorgan) zu vermuten.<br />

Dur<strong>ch</strong> unsere analysierenden Betra<strong>ch</strong>tungen werden wir aber unmittelbar<br />

dazu geführt, diese Mögli<strong>ch</strong>keit ins Auge zu fassen. Die Bahnen, wel<strong>ch</strong>e<br />

diese adaptierenden Einflüsse vermitteln, könnten si<strong>ch</strong> — z. T. wenigstens<br />

— s<strong>ch</strong>on innerhalb der Retina zu Reflexbogen s<strong>ch</strong>liessen, z.B. auf dem Boden<br />

einer "intramuralen" S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>t vegetativer Zugehörigkeit, wel<strong>ch</strong>e in die<br />

Retina eingelagert ist. Daneben können die adaptierenden Umstimmungen<br />

au<strong>ch</strong> vom zentralen Nervensystem aus der Retina zugeleitet werden. Dieser<br />

Me<strong>ch</strong>anismus käme speziell für die S<strong>ch</strong>lafadaptierung in Frage.<br />

Bei der Beurteilung dieses Gedankens müssen wir die Tatsa<strong>ch</strong>e wohl<br />

einzus<strong>ch</strong>ätzen wissen, dass die Regulierung der Reizaufnahme dur<strong>ch</strong> die<br />

retinale Adaptierung und die Regulierung des Reizeinfalles dur<strong>ch</strong> das Pupillenspie<br />

unter si<strong>ch</strong> in engster funktioneller Beziehung stehen. Beide Me<strong>ch</strong>anismen<br />

gelten einer mögli<strong>ch</strong>st ausgiebigen Erfassung des zum Auge gelangend<br />

Li<strong>ch</strong>tes unter glei<strong>ch</strong>zeitiger Si<strong>ch</strong>erung des nervösen Apparates gegen<br />

überdosierte Erregungen. Wer einer rein dissektoris<strong>ch</strong>en Physiologie<br />

abgeneigt ist und si<strong>ch</strong> dementspre<strong>ch</strong>end ni<strong>ch</strong>t begnügt, die Funktionseinheit<br />

des Organismus in <strong>Teil</strong>funktionen zu zergliedern, ohne dana<strong>ch</strong> zu fragen,<br />

wie diese <strong>Teil</strong>funktionen im Organismus zusammengefügt sind, wird si<strong>ch</strong><br />

dur<strong>ch</strong> das ungewohnte der zur Diskussion gestellten Vorstellung ni<strong>ch</strong>t allzusehr<br />

befremden lassen. Denn im konkreten Fall handelt es si<strong>ch</strong> um ni<strong>ch</strong>ts<br />

anderes, als zwis<strong>ch</strong>en zwei Me<strong>ch</strong>anismen eine Verbindung zu su<strong>ch</strong>en, wel<strong>ch</strong>e<br />

sie als Glieder eines Me<strong>ch</strong>anismus erkennen lassen. Diese Motivierung<br />

unserer Fragestellung wird dur<strong>ch</strong> die Tatsa<strong>ch</strong>e gestützt, dass der pupillenmotorisc<br />

Apparat entwicklungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zur Retina<br />

gehört 1). Na<strong>ch</strong> Seefelder differenziert si<strong>ch</strong> der Sphinkter iridis aus den Anlagen<br />

des Retinalbe<strong>ch</strong>ers dort, wo si<strong>ch</strong> an ihrem .vordern Rand das innere<br />

zum äussern Retinalblatt ums<strong>ch</strong>lägt. Au<strong>ch</strong> für den Dilatator ist die retinale<br />

Abkunft fast mit Si<strong>ch</strong>erheit na<strong>ch</strong>gewiesen. Sein Mutterboden sind Zellen<br />

des äussern Retinalblattes. Leider fehlen heute die entwicklungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tlic<br />

Kenntnisse, wel<strong>ch</strong>e uns darüber Auskunft geben, wie<br />

diese Abkömmlinge der Retina zu ihrer vegetativen Innervation kommen.<br />

Der Gedanke liegt ni<strong>ch</strong>t fern, dass sie das vegetative Innervationsprinzip<br />

vom Mutterboden mitgenommen haben.<br />

S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> sind wir no<strong>ch</strong> in der Lage, auf Versu<strong>ch</strong>e hinzuweisen,<br />

deren Resultate eindringli<strong>ch</strong> dafür spre<strong>ch</strong>en, dass die Regulierung der<br />

1) Ludw. Ba<strong>ch</strong> und R. Seefelder: Atlas zur Entwicklungsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Auges. W. Engelmann, Leipzig-Berlin 1914.


Empfindli<strong>ch</strong>keit der Retina unter Einfluss des vegetativen Nervensytems<br />

steht.<br />

Vor einigen Jahren beri<strong>ch</strong>tete C. v. Hess 1)über auffälligeBeoba<strong>ch</strong>tungen<br />

in bezug auf die Beeinflussung der Retinafunktion dur<strong>ch</strong> Pilokarpin und<br />

Physostigmin. Es 'handelt si<strong>ch</strong> dabei um Störungen der Sehs<strong>ch</strong>ärfe, wel<strong>ch</strong>e<br />

v. Hess mit Si<strong>ch</strong>erheit als retinal bedingt na<strong>ch</strong>weist, ferner um gewisse<br />

entoptis<strong>ch</strong>e Ers<strong>ch</strong>einungen. Selbstverständli<strong>ch</strong> wurde von C. v. Hess der<br />

Einfluss der Miotika auf Pupille und Akkommodationsapparat als Ursa<strong>ch</strong>en<br />

der in 'Frage stehenden Ers<strong>ch</strong>einungen ausges<strong>ch</strong>lossen. Als einzige Erklärung<br />

kommt C. v. Hess 1) zur Annahme einer direkten "Giftwirkung<br />

der Miotika auf die Retina. Hess wundert si<strong>ch</strong> nur darüber, wie<br />

sol<strong>ch</strong>e Spuren, die bei Instillation in den Bindehautsack zum Augenhintergrund<br />

gelangen können, no<strong>ch</strong> imstande sind, einen Effekt auszulösen und<br />

dass man diese retinale Wirkung der Miotika so lange übersehen konnte.<br />

Na<strong>ch</strong> den Beoba<strong>ch</strong>tungen von C. v. Hess besteht offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> eine<br />

ausserordentli<strong>ch</strong>e Empfindli<strong>ch</strong>keit der Retinafunktion auf die genannten<br />

parasympathis<strong>ch</strong>en Reizstoffe. Die Art der Sehstörungen gestattet<br />

allerdings ni<strong>ch</strong>t, in unserer S<strong>ch</strong>lussfolgerungüber diese Feststellung hinauszugeh<br />

Es ist ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, eine direkte Beziehung der Beoba<strong>ch</strong>tung<br />

von Hess zum Me<strong>ch</strong>anismus der retinalen Umstimmung herzustellen. Deshalb<br />

haben wir Versu<strong>ch</strong>e mit den parasympathis<strong>ch</strong>en Reizstoffen in der<br />

Ri<strong>ch</strong>tung dur<strong>ch</strong>geführt, dass wir ihren Einfluss auf den Adaptierungszustand<br />

der Retina kontrollierten. 2) Das Resultat ist eindeutig. Die unter<br />

dem Einfluss von Pilokarpin und Physostogmin stehende Retina ist in ihrer<br />

Empfindli<strong>ch</strong>keit gegenüber dem Verglei<strong>ch</strong>sauge ganz erhebli<strong>ch</strong> herabgesetzt.<br />

Der Grad der Dämpfung entspri<strong>ch</strong>t auf glei<strong>ch</strong>e Pupillenweite bere<strong>ch</strong>ne<br />

annähernd dem Verhältnis von 1/2 bis 1/3. Dies bedeutet in der<br />

Skala der Retinalen Empfindli<strong>ch</strong>keitsvers<strong>ch</strong>iebung allerdings ni<strong>ch</strong>t sehr viel,<br />

aber es bedeutet do<strong>ch</strong> etwas, wenn man bedenkt, dass si<strong>ch</strong>er mir minimale<br />

Quantitäten der Reizstoffe, wel<strong>ch</strong>e auf dem langen Diffusionsweg dur<strong>ch</strong><br />

Sklera und Glaskörper zur Retina gelangen können, diesen Effekt hervorrufen.<br />

Die grosse Summe von Arbeit, wel<strong>ch</strong>e s<strong>ch</strong>on auf das Studium der Umstimmung<br />

der Retina verwendet worden ist, und die prinzipielle<br />

Bedeutung unserer Frage auferlegt uns grösste Vorsi<strong>ch</strong>t in den S<strong>ch</strong>lussfolgerung<br />

Wir werden<br />

deshalb ni<strong>ch</strong>t versäumen, weitere Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />

zu unternehmen, um das Verhältnis des vegetativen Nervensystemes zur<br />

Empfindli<strong>ch</strong>keitsregulierung der Retina — als eines wi<strong>ch</strong>tigsten animalen<br />

Apparates — klar zu stellen. Wir sehen uns um, so eher hiezu veranlasst,<br />

weil die Kenntnisse über die Retina eine Etappe in der Erfors<strong>ch</strong>ung<br />

1) C. v. Hess: Eine merkwürdige S<strong>ch</strong>ädigung der normalen Fovea dur<strong>ch</strong> Miotika. <strong>Ar<strong>ch</strong></strong>iv<br />

für Augenheilkunde 86, S. 89, 1920.<br />

2) W. R. Hess und F. Lehmann: Pflügers <strong>Ar<strong>ch</strong></strong>iv für die gesamte Physiologie <strong>1925</strong> (z. Z.<br />

im Druck).


der Verhältnisse darstellt, wie sie im Gehirn obwalten. Stellt do<strong>ch</strong> die Retina<br />

ein in der Ri<strong>ch</strong>tung des Reizes vorges<strong>ch</strong>obener <strong>Teil</strong> des Gehirnes dar.<br />

Fassen wir das über das Auge Gesagte zusammen, und sehen wir dabei<br />

von allem ab, was no<strong>ch</strong>. problematis<strong>ch</strong> ist oder nur dadur<strong>ch</strong> Bedeutung gewinnt,<br />

dass es das Problem. zwis<strong>ch</strong>en vegetativem und animalem. Nervensystem<br />

auf konkrete Fragen konzentriert, so bleiben .folgende wi<strong>ch</strong>tige<br />

Tatsa<strong>ch</strong>en festzustellen:<br />

Der Me<strong>ch</strong>anismus, wel<strong>ch</strong>er si<strong>ch</strong> in. der S<strong>ch</strong>laffunktion auswirkt, greift<br />

bis zur Eintrittspforte der optis<strong>ch</strong>en. Reize aus. Er legt einen Widerstand<br />

in die Reizaufnahme hinein. Er. bewirkt. eine Herabsetzung. der Funktionsbereits<strong>ch</strong>aft<br />

Diese Umstimmung wird dem Auge dur<strong>ch</strong><br />

auferlegt.<br />

vegetative Innervation<br />

Die Herabsetzung der Reflexerregbarkeit im S<strong>ch</strong>laf.<br />

Die vers<strong>ch</strong>iedensten Autoren stimmen darin überein, dass im S<strong>ch</strong>laf<br />

eine Herabsetzung der Reflexerregbarkeit besteht, d. h. in bezug auf bestimmt<br />

Spinalreflexe. Wir verweisen auf' Verworn 1), Trömner 2), Pietrusky 3),<br />

Mac William4). Diese Herabsetzung s<strong>ch</strong>eint allerdings ni<strong>ch</strong>t derart<br />

zu sein, dass. sie graduell immer im glei<strong>ch</strong>en Masse ausgespro<strong>ch</strong>en wäre.<br />

Hieraus erklären si<strong>ch</strong> gewisse Widersprü<strong>ch</strong>e in den Befunden einzelner Autoren.<br />

So fand Rosenba<strong>ch</strong> eine bis zum Vers<strong>ch</strong>winden führende Herabsetzung<br />

des Patellarreflexes, des Kremaster- und. des Bau<strong>ch</strong>deckenreflexes.<br />

Die Beoba<strong>ch</strong>tungen von Kuttner s<strong>ch</strong>einen, zum <strong>Teil</strong> wenigstens, den Befunden<br />

von Rosenba<strong>ch</strong> zu widerspre<strong>ch</strong>en. Eine Herabsetzung der Reflexe<br />

wurde dagegen wieder von Trömner bestätigt. Eindeutig sind die Befunde<br />

von Lee Mary5) und Nathaniel Kleitman 6). Sie haben besonderes Gewi<strong>ch</strong>t,<br />

da sie mit quantitativer Methodik erhoben wurden und infolge graphis<strong>ch</strong>en<br />

Registrierung objektiv belegt sind. Die genannten Autoren. hatten si<strong>ch</strong> zur<br />

Aufgabe gestellt, den Einfluss der experimentellen S<strong>ch</strong>laflosigkeit auf<br />

vers<strong>ch</strong>iedene Reflexe zu prüfen. Kontrolliert wurde u. a. der Patellarreflex.<br />

Die Auslösung ges<strong>ch</strong>ah zur Si<strong>ch</strong>erung eines glei<strong>ch</strong>mässigen Reizes auf<br />

me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>em Wege. Der Reizerfolg wurde — wie erwähnt — graphis<strong>ch</strong><br />

registriert. Bei den Experimenten, wel<strong>ch</strong>e dem künstli<strong>ch</strong> verlängerten<br />

Wa<strong>ch</strong>zustand galten, kam es nun vor, dass die Versu<strong>ch</strong>sperson, während sie<br />

1) M. Verworn: S<strong>ch</strong>laf, Handwörterbu<strong>ch</strong> der Naturwissens<strong>ch</strong>aften,. Bd. 8, S. 906,. 1913.<br />

Fis<strong>ch</strong>er, Jena.<br />

2) E. Trömner: Das Problem des S<strong>ch</strong>lafes. Bergmann, Wiesbaden 191<strong>2.</strong><br />

3) Pietrusky, loc. cit. S. 4.<br />

4) Mac William: Blood pressure and heartaction in sleep and dreams. Brit. medic. journ.<br />

Decembre 1923.<br />

5) Nathaniel Kleitman.: Studies. on the physiology of sleep. The American Journal of<br />

Physiology, Vol. 66, S. 67, 1923.<br />

6) Mary A. M. Lee and Nathaniel Kleitmann: Studies on the physiology oh sleep.. The<br />

American Journal of Physiology, Vol. 67, S. 141, 1923.


si<strong>ch</strong> auf dem Untersu<strong>ch</strong>ungsstuhl befand, vom S<strong>ch</strong>laf übernommen wurde.<br />

Jedesmal, wenn dies ges<strong>ch</strong>ah, war der Patellarreflex gegenüber derselben<br />

Reizintensität, die im Wa<strong>ch</strong>zustand reflexauslösend wirkte, refraktär.<br />

Wurde dem Reflexreiz ein Weckreiz vorges<strong>ch</strong>altet, so trat der Patellarreflex<br />

in normaler Stärke in Ers<strong>ch</strong>einung. Dies konnte in einer Sitzung öfters<br />

wiederholt<br />

werden.<br />

Um die Bedeutung der Herabsetzung der Reflexerregbarkeit im S<strong>ch</strong>laf<br />

eins<strong>ch</strong>ätzen zu können, müssen wir in erster Linie wissen, wel<strong>ch</strong>e physiologis<strong>ch</strong>e<br />

Funktionen die in Frage kommenden Reflexe erfüllen. Bei der<br />

Orientierung hierüber greifen wir den konkreten Fall des Patellarreflexes<br />

heraus.<br />

Der physiologis<strong>ch</strong>e Reiz für die Auslösung dieses Reflexes ist wie bei<br />

allen sog. Eigenreflexen der Muskeln (P. Hoffmann 1), Längszerrung der<br />

zugehörigen Muskulatur. Dies tritt dann ein, wenn der in Ruhe oder in<br />

Bewegung befindli<strong>ch</strong>e Unters<strong>ch</strong>enkel von einer ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> Willkürinnervation<br />

parierten flektierenden Kraft getroffen wird. Bei der klinis<strong>ch</strong>en<br />

Untersu<strong>ch</strong>ungsmethode dur<strong>ch</strong> S<strong>ch</strong>lag auf die Sehne wird die Längszerrung<br />

auf ungewöhnli<strong>ch</strong>em Wege erwirkt. Der gewöhnli<strong>ch</strong>e Weg ist der, dass der<br />

Unters<strong>ch</strong>enkel im Verlaufe einer aktiv geführten Bewegung plötzli<strong>ch</strong> auf<br />

einen unvermuteten Widerstand stösst. Der Reflex wird nun in die bereits<br />

vorhandene Bewegung hineingelegt, wobei er die dur<strong>ch</strong> den äussern Widerstand<br />

bedingte Discontinuität der Bewegung dur<strong>ch</strong> eine entspre<strong>ch</strong>ende<br />

Zusatzkraft wieder ausglei<strong>ch</strong>t. In dieser Funktion ist der Patellarreflex —<br />

wieder wie andere Eigenreflexe der Muskeln — ein dynamis<strong>ch</strong>es Element<br />

im Aufbau einer dur<strong>ch</strong> psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Funktionen inszenierten und dirigierten<br />

Zweckhandlung. Der primitive Charakter dieses dynamis<strong>ch</strong>en Elementes<br />

ist dadur<strong>ch</strong> dokumentiert, dass die Reflexerregung nur in den vom Dehnungsreiz<br />

getroffenen Muskel zurückgeworfen wird (P. Hoffmann), viellei<strong>ch</strong>t<br />

no<strong>ch</strong> in die Antagonisten (Wa<strong>ch</strong>holder und Altenburger). Dabei besorgen<br />

relativ sehr tiefe Abs<strong>ch</strong>nitte des Zentralnervensystemes die Vermittlung<br />

zwis<strong>ch</strong>en afferenten und efferenten S<strong>ch</strong>enkel des Reflexbogens.<br />

Im hierar<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong> gegliederten Aufbau einer Zweckhandlung ist der Patellarreflex<br />

ein Aussenglied effektoris<strong>ch</strong>er Funktion. Diese Feststellung<br />

hat für uns Interesse. Sie besagt, dass wir im Patellarreflex ein Funktionselement<br />

vor uns haben, wel<strong>ch</strong>es genau am entgegengesetzten Ende<br />

wie der Pupillarreflex in die Hauptkette animaler Funktionen eingegliedert<br />

ist. Den Pupillarreflex finden wir, wie bereits betont, an der Eintrittspforte<br />

eines zum Bewusstsein geleiteten Sinnesreizes; den Patellarreflex treffen<br />

wir dagegen dort, wo im Aufbau einer motoris<strong>ch</strong>en Zweckhandlung die letzte<br />

Hand an das dur<strong>ch</strong> psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Funktionen und höhere Reflexe ges<strong>ch</strong>affene<br />

1) P. Hoffmann: Untersu<strong>ch</strong>ungen über die Eigenreflexe (Sehnenreflexe) mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er<br />

Muskeln. Jul. Springer, Berlin 192<strong>2.</strong>


dynamis<strong>ch</strong>en Gebilde angelegt wird, wo dieses die Ausglättung und den Feins<strong>ch</strong>liff<br />

erhält, bevor es als energetis<strong>ch</strong>es Fertigprodukt abgegeben wird.<br />

Der Pupillarreflex ist ein Anfangsglied der rezeptoris<strong>ch</strong>en Phase, der<br />

Patellarreflex ein Endglied der effektoris<strong>ch</strong>en Phase derselben Funktionsket<br />

Mit dieser Einsi<strong>ch</strong>t haben wir eine Basis gefunden, auf wel<strong>ch</strong>er<br />

die Herabsetzung der Erregbarkeit von Skelettmuskelreflexen in direkter<br />

Beziehung zur S<strong>ch</strong>lafverengerung der Pupille tritt. Wir erkennen, dass es<br />

si<strong>ch</strong> im Prinzip um ein und denselben Vorgang handelt, nämli<strong>ch</strong> um eine<br />

Herabsetzung der Leistungsbereits<strong>ch</strong>aft im animalen System. Und zwar<br />

stellen wir fest, dass der S<strong>ch</strong>laf seine Hemmungen au<strong>ch</strong> in der effektoris<strong>ch</strong>en<br />

Phase bis zu den Endgliedern hinauslegt. Dass sie aber ni<strong>ch</strong>t auf die äussersten<br />

Glieder bes<strong>ch</strong>ränkt werden, beweist die Tatsa<strong>ch</strong>e, dass im S<strong>ch</strong>laf au<strong>ch</strong><br />

Fremdreflexe, wel<strong>ch</strong>e im motoris<strong>ch</strong>en Syntheseprozess über den Eigenreflexe<br />

stehen, herabgesetzt gefunden werden.<br />

Bei einer sol<strong>ch</strong>en Sa<strong>ch</strong>lage ist es uns ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, Trömner zu folgen,<br />

wenn er zur Erklärung des S<strong>ch</strong>lafes ein Organ fordert, dessen Funktion<br />

darin besteht, dass es das Bewusstwerden sensibler Reize hemmt.<br />

Im Besondern können wir ni<strong>ch</strong>t der Motivierung Trömner's beistimmen,<br />

dur<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>e die Lokalisation dieses Organes in den Thalamus opticus erfolgt.<br />

Die S<strong>ch</strong>laffunktion ist überhaupt keine in ein relativ eng ums<strong>ch</strong>riebenes<br />

Gebiet lokalisierte Unterbre<strong>ch</strong>ung. Der Hemmungsfaktor, wel<strong>ch</strong>er<br />

Art er sei, greift bis in die Peripherie hinaus, wo er animale <strong>Teil</strong>leistungen<br />

mit Hemmungen belegt. In diesem Punkt, d. h. in der Annahme einer<br />

breiten Entfaltung der S<strong>ch</strong>laffunktion gehen wir mit Küppers1) einig, so<br />

sehr wir im Übrigen von seiner Vorstellung vom Wesen des S<strong>ch</strong>lafes abwei<strong>ch</strong>en<br />

Wenn wir nun versu<strong>ch</strong>en, uns ein Bild vom Me<strong>ch</strong>anismus zu ma<strong>ch</strong>en,<br />

wel<strong>ch</strong>er die Herabsetzung der spinalen Reflexerregbarkeit herbeiführt, so<br />

müssen wir leider feststellen, dass die Verhältnisse einer Erfors<strong>ch</strong>ung ni<strong>ch</strong>t<br />

so günstig liegen, wie bei der Pupille. Immerhin können einige Anhaltspunkte<br />

namhaft gema<strong>ch</strong>t werden, wel<strong>ch</strong>e geeignet sind, auf das Wesen der<br />

Vorgänge, wel<strong>ch</strong>e die Reflexerregbarkeit herabsetzen, ein Li<strong>ch</strong>t zu werfen.<br />

Fürs erste können wir sagen, dass es si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t um eine Ausfallsers<strong>ch</strong>einung<br />

kortikaler Funktionen handeln kann, wie man in Analogie<br />

zur Hypothese Braunstein's betreffend den Me<strong>ch</strong>anismus der S<strong>ch</strong>lafverenge<br />

der Pupille viellei<strong>ch</strong>t annehmen mö<strong>ch</strong>te. Ein Wegfall des<br />

kortikalen Einflusses als Primärakt müsste zu einer Steigerung der Spinalreflexe<br />

führen. ' '<br />

Im weitern s<strong>ch</strong>liesst das prompte Wiederers<strong>ch</strong>einen des Patellarreflexes<br />

na<strong>ch</strong> einem Weckreiz eine Deutung aus, wel<strong>ch</strong>e die Ursa<strong>ch</strong>e für das Erlös<strong>ch</strong>en<br />

des Reflexes im S<strong>ch</strong>laf in einer Ers<strong>ch</strong>öpfung der reflexvermittelnden<br />

1) Küppers: loc. cit. S. 14. Bd. 15, <strong>2.</strong>


Elemente erblickt. Wenn es si<strong>ch</strong> wirkli<strong>ch</strong> um eine im Chemismus des Erregungs<br />

eingetretene Insuffizienz handeln würde; so wäre<br />

ni<strong>ch</strong>t zu verstehen, dass im S<strong>ch</strong>laf na<strong>ch</strong> einer beispielsweise16-stündigen<br />

Wa<strong>ch</strong>periode der Patellarreflex vers<strong>ch</strong>wunden ist, während er no<strong>ch</strong> am<br />

Ende einer 80-stündigen Wa<strong>ch</strong>periode in kaum beeinträ<strong>ch</strong>tigten Stärke<br />

auftritt. S<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong> ers<strong>ch</strong>eint uns die Tatsa<strong>ch</strong>e von besonderer Bedeutung<br />

zu sein, dass die Herabsetzung der Reflexerregbarkeit unter Umständen<br />

im S<strong>ch</strong>laf ausbleiben, ja sogar einer Reflexsteigerung Platz ma<strong>ch</strong>en kann.<br />

Mac William 1) führt des für den Kniereflex von s<strong>ch</strong>lafenden Hunden<br />

an, deren Verhalten Träume mit motoris<strong>ch</strong>em Inhalt vermuten lässt. Er<br />

bestätigt dadur<strong>ch</strong> eine Beoba<strong>ch</strong>tung von. Lombard in bezug auf den träumenden<br />

Mens<strong>ch</strong>en. Ein sol<strong>ch</strong>es Verhalten bedeutet, dass einzelne Funktionen<br />

von der allgemeinen: S<strong>ch</strong>lafhemmung ausgespart sein<br />

können. Wir werden diese Ers<strong>ch</strong>einung in erhöhtem Massebei der Hemmung<br />

der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen ausgeprägt finden. Sie widerspri<strong>ch</strong>t der Annahme,<br />

dass der Faktor, wel<strong>ch</strong>er während des S<strong>ch</strong>lafzustandes seine Widerstände<br />

in die Bahnen des Reflexbogens einges<strong>ch</strong>altet hat, hormonaler oder<br />

toxis<strong>ch</strong>er Natur sei. Dagegen lässt si<strong>ch</strong> die. Mögli<strong>ch</strong>keit einer Aussparung<br />

von Einzelfunktionen aus dem allgemeinen Hemmungszustände des S<strong>ch</strong>lafes<br />

verstehen, wenn die Hemmungsfunktionen dur<strong>ch</strong> den differenzierenden<br />

Me<strong>ch</strong>anismus der Nervenübertragung in den Reflexbogen hinein gelegt<br />

werden.<br />

Hemmung: als Innervationserfolg bietet ni<strong>ch</strong>ts Besonderes. Wir treffen:<br />

sie sowohl im animalen als au<strong>ch</strong> im vegetativen Nervensystem. Für den<br />

vorliegenden Fall erhebt si<strong>ch</strong> die Frage, wel<strong>ch</strong>es der beiden Systeme in<br />

Frage kommt. Der unzweideutig vegetative Charakter der S<strong>ch</strong>laffunktion<br />

weist auf das vegetative Nervensystem als den eventuellen Vermittler der<br />

S<strong>ch</strong>lafhemmungen hin. Der Hinweis wird dadur<strong>ch</strong> unterstri<strong>ch</strong>en, dass der<br />

S<strong>ch</strong>lafhemmung eine Eigentümli<strong>ch</strong>keit fehlt, die wir bei animalen Hemmungsfun<br />

vorfinden. Sol<strong>ch</strong>e haben wir z. B. bei. der reziprok antagonistis<br />

Innervation vor uns. Hier ist die Hemmung offenkundig<br />

an der Gestaltung der animalen Zweckhandlung mitbeteiligt.<br />

Denn die: Entspannung der Antagonisten ist eine Unterstützung der Spannung<br />

der Agonisten. Die Hemmung: ist ein Hilfsakt, wel<strong>ch</strong>er die Vollkommenheit<br />

und die Ökonomie der animalen Zweckhandlung erhöht.<br />

Au<strong>ch</strong> dort, wo es si<strong>ch</strong> um die Unterdrückung eines ganzen Reflexes<br />

handelt, ist die Unterordnung dieser Hemmungsfunktion unter ein animales<br />

Funktionsziel ni<strong>ch</strong>t zu verkennen. Der konkrete Fall liegt vor wenn zwei<br />

Reize ausgeübt werden, von wel<strong>ch</strong>en jeder für si<strong>ch</strong> einen Reflex auslösen<br />

würde, dessen Vollzug mit dein andern aus me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong>en Gründen in Kollisionsg<br />

Dieser Kollision wird dadur<strong>ch</strong> vorgebeugt, dass einer der beiden<br />

1) Mac William: loc. cit. Seite 10.


Reflexe unterdrückt wird; es siegt der lebenswi<strong>ch</strong>tigere. Die Hemmung<br />

ist unter diesen Umständen keine Verweigerung animaler Leistung. Sie<br />

kommt vielmehr zustande im Interesse eines vollwertigen animalen Funktionserfo<br />

In dieser Beziehung leistet zweifellos ein ungestörter Reflex<br />

mehr als das Interferenzprodukt zweier me<strong>ch</strong>anis<strong>ch</strong> kollidierender Reflexe.<br />

Wenn wir diese positive Anteilnahme animaler Hemmungsfunktionen<br />

an der Verwirkli<strong>ch</strong>ung animaler Funktionsziele der <strong>Teil</strong>nahmslosigkeit<br />

und der Hilfslosigkeit des S<strong>ch</strong>lafenden gegenüber stellen, so tritt<br />

der Gegensatz der Hemmungen im S<strong>ch</strong>laf zu den dur<strong>ch</strong> das animals Nervensystem<br />

vermittelten Hemmungsfunktionen besonders markant hervor.<br />

Das Erlös<strong>ch</strong>en der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen im S<strong>ch</strong>laf.<br />

Mit der Frage na<strong>ch</strong> dem Verhalten der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen im S<strong>ch</strong>laf<br />

konzentrieren wir unser Interesse auf den enger ums<strong>ch</strong>riebenen Inhalt<br />

unseres Titelthemas. Es ist dur<strong>ch</strong> die bestehenden physiologis<strong>ch</strong>en Zusamme<br />

begründet worden, dass wir dies erst tun, na<strong>ch</strong>dem wir sowohl<br />

der rezeptoris<strong>ch</strong>en als au<strong>ch</strong> der effektoris<strong>ch</strong>en Phase animaler Funktionen<br />

unsere Aufmerksamkeit ges<strong>ch</strong>enkt haben.<br />

Das Erlös<strong>ch</strong>en des Bewusstseins ist das augenfälligste Symptom des<br />

S<strong>ch</strong>lafzustandes. Die s<strong>ch</strong>arfe Akzentuirung, mit wel<strong>ch</strong>er si<strong>ch</strong> der Ablauf<br />

der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen im Wa<strong>ch</strong>- und. S<strong>ch</strong>lafzustand unters<strong>ch</strong>eidet, ist<br />

ja der Grund gewesen, weshalb wir uns am S<strong>ch</strong>lafproblem verankert haben.<br />

Als Ursa<strong>ch</strong>e für die physiologis<strong>ch</strong>en Vorgänge beim Eins<strong>ch</strong>lafen spielt<br />

na<strong>ch</strong> Trömner eine sensoris<strong>ch</strong>e Hemmung eine ents<strong>ch</strong>eidende Rolle, wel<strong>ch</strong>e<br />

das Bewusstwerden sensibler Reize dämpft oder unterdrückt. — Im<br />

Ans<strong>ch</strong>luss an unsere Ausführungen über das Verhalten des Auges im S<strong>ch</strong>laf<br />

ist no<strong>ch</strong> in Erwägung zu ziehen, dass die Verweigerung der Reizaufnahme<br />

dur<strong>ch</strong> die "s<strong>ch</strong>lafenden" Sinnesapparate das Zuströmen von Erregungen<br />

zum Grosshirn weitgehend unterdrückt und dass aus diesem Grunde die<br />

psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen erlös<strong>ch</strong>en müssen. Dagegen ist zu sagen, dass selbst<br />

strengste Abhaltung äusserer Reize ni<strong>ch</strong>t zu der Bewusstlosigkeitführt,<br />

wie wir sie im S<strong>ch</strong>lafe treffen. Die Engramme früherer Reize lassen au<strong>ch</strong><br />

ohne andauerndes Eintreffen neuer Sinnesreize die psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen<br />

weitergehen. Abgesehen von alltägli<strong>ch</strong>en Erfahrungen beweisen die<br />

Untersu<strong>ch</strong>ungen von Kreidl und Herz an Mindersinnigen, dass den äusseren<br />

Reizen ni<strong>ch</strong>t jene ents<strong>ch</strong>eidende Bedeutung für das Eintreten des S<strong>ch</strong>lafes<br />

zukommt, wel<strong>ch</strong>e ihnen einzelne Autoren im Ans<strong>ch</strong>luss an eine Beoba<strong>ch</strong>tung<br />

von Strümpel beigemessen haben. Sinnesruhe ist eine der Bedingungen<br />

für die Entwicklung der zentralen S<strong>ch</strong>lafhemmungen: Sie ist aber ni<strong>ch</strong>t<br />

der S<strong>ch</strong>lafzustand selbst. Es geht dies au<strong>ch</strong> daraus hervor, dass der S<strong>ch</strong>laf<br />

ni<strong>ch</strong>t in jedem Fall unterbro<strong>ch</strong>en wird, wenn Erregungen in den Kortex


einlaufen. Wer neben einer Bahnlinie wohnt, wird ni<strong>ch</strong>t aufgeweckt, wenn<br />

der vorbeifahrende Zug no<strong>ch</strong> so laut poltert und das Haus erzittern ma<strong>ch</strong>t.<br />

Wer ni<strong>ch</strong>t daran gewöhnt ist, fährt im S<strong>ch</strong>lafe auf. Die Sinneserregungen<br />

gelangen also, wenn au<strong>ch</strong> viellei<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> den S<strong>ch</strong>lafzustand der vermittelnden<br />

Neurone gedämpft, in den Kortex. Ja sie werden sogar so<br />

weit verarbeitet, dass sie auf Grund vorhandener Engramme erkannt werden.<br />

Die zugeströmten Erregungen versiegen na<strong>ch</strong> dem kurzen Spiel, das mit<br />

der Identifizierung des Reizes verbunden ist. Dass sie das tun, beweist,<br />

dass au<strong>ch</strong> die Phase der Reizverarbeitung im S<strong>ch</strong>laf mit Hemmungen<br />

belegt ist. Nur intrazentral angreifende Hemmungen vermögen<br />

das Systieren jeder gedankli<strong>ch</strong>en Tätigkeit im S<strong>ch</strong>laf zu erklären. Indessen<br />

kann eine Beziehung zu Hemmungen der Sinnesfunktionen insofern bestehen,<br />

als der Erfolg der zentralen Hemmungen dur<strong>ch</strong> eine koordinierte<br />

Dämpfung peripherer Sinnesfunktionen unterstützt wird.<br />

Was nun die Frage na<strong>ch</strong> dem Wesen und dem Me<strong>ch</strong>anismus dieser zentralen<br />

Hemmungen betrifft, können wir im Princip wiederholen, was wir<br />

über Pupille und Patellarreflex gesagt haben: Um eine Insuffizienz im Sinne<br />

einer Ers<strong>ch</strong>öpfung kann es si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t handeln. Herz 1)hat Untersu<strong>ch</strong>ungen<br />

über die Reaktionsfähigkeit und Merkfähigkeit im Zustand freiwilliger<br />

S<strong>ch</strong>lafentziehung gema<strong>ch</strong>t. Diese S<strong>ch</strong>lafentziehung dauerte im einen Fall<br />

84, im andern Fall 90 Stunden. Dabei wurden die genanntenpsy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en<br />

Funktionen unverändert gefunden, abgesehen von Zeiten der Krise plötzli<strong>ch</strong><br />

eintretender intensiver S<strong>ch</strong>lafsu<strong>ch</strong>t. Es steht dieser Befund in voller übereinstimm<br />

mit den Feststellungen, wel<strong>ch</strong>e Mary Lee und Nathaniel<br />

Kleitman 2) in den bereits erwähnten Versu<strong>ch</strong>en ma<strong>ch</strong>ten. In Wa<strong>ch</strong>perioden<br />

von 40 bis 115 Stunden war die Fähigkeit, auf Gehörs- und Gesi<strong>ch</strong>tsreize<br />

zu reagieren, ni<strong>ch</strong>t merkli<strong>ch</strong> beeinträ<strong>ch</strong>tigt. Au<strong>ch</strong> blieb die Fähigkeit<br />

assoziativer Funktionen auffallend gut erhalten. Nur bei Aufgaben, wel<strong>ch</strong>e<br />

eine feiner dosierte Leistung verlangten, wurde mehr Zeit gebrau<strong>ch</strong>t und es<br />

traten häufiger Fehler in Ers<strong>ch</strong>einung, als dieses in einer normalen Wa<strong>ch</strong>periode<br />

gefunden wurde.<br />

Dieses Ausharren der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen weit über das<br />

Mass der normalen Wa<strong>ch</strong>zeit hinaus beweist, dass zu einer Zeit, wo wir<br />

uns physiologis<strong>ch</strong>erweise dem S<strong>ch</strong>lafe hingeben, die Zustandsbedingungen<br />

innerhalb der animalen Nervenelemente ni<strong>ch</strong>t derart sind, dass sie ni<strong>ch</strong>t<br />

no<strong>ch</strong> reagieren könnten. Wenn am S<strong>ch</strong>lusse einer z. B. 16-stündigen Wa<strong>ch</strong>periode<br />

trotzdem die psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen suspendiert werden, indem<br />

wir eins<strong>ch</strong>lafen, so bedeutet dies, dass irgendwie Widerstände einges<strong>ch</strong>altet<br />

werden, wel<strong>ch</strong>e den Erregungsaustaus<strong>ch</strong> hemmen.<br />

1) Franz Herz: Selbstbeoba<strong>ch</strong>tung über freiwillige S<strong>ch</strong>lafentziehung. Pflügers <strong>Ar<strong>ch</strong></strong>iv 200,<br />

H. 5/6, .S. 429.<br />

2) loc. cit. S. 10.


Die Befunde von Straub 1) und Mitarbeitern. betreffend Zunahme der<br />

Kohlensäurespannung im Blut und in den Geweben der S<strong>ch</strong>lafenden sind<br />

geeignet, dem Gedanken Nahrung zu geben, es könnte si<strong>ch</strong> bei der Unterbre<strong>ch</strong>un<br />

der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen um eine Kohlensäurewirkung handeln<br />

Ein sol<strong>ch</strong>er Me<strong>ch</strong>anismus kommt aber ebensowenig in Frage, wie für<br />

die Erklärung der S<strong>ch</strong>lafverengerung der Pupille. Die Zeitgesetze dieses<br />

Faktors sind andere als die Zeitgesetze der S<strong>ch</strong>lafhemmung. Der Unters<strong>ch</strong>ied<br />

kommt speziell beim Aufwa<strong>ch</strong>en dur<strong>ch</strong> Weckreiz zur Geltung. Die<br />

Restituierung der für den Wa<strong>ch</strong>zustand normalen Blutreaktion ist an einen<br />

sehr trägen Me<strong>ch</strong>anismus gebunden, s<strong>ch</strong>on wegen der Pufferung des Blutes<br />

und der Gewebe. Im Gegensatz dazu erweisen si<strong>ch</strong> die Widerstände,<br />

wel<strong>ch</strong>e die Aufhebung der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen im S<strong>ch</strong>lafe bewirken,<br />

als lei<strong>ch</strong>t bewegli<strong>ch</strong>. Wenn wir einen S<strong>ch</strong>lafenden wecken, so dauert<br />

es nur wenige Sekunden und das Spiel der Erregungen ist wieder im vollen<br />

Gang, ohne dass die früheren Widerstände eine Spur zurückgelassen haben,<br />

es sei denn in günstigem Sinne. In diesem Punkt besteht ein prinzipieller<br />

Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en Bewusstlosigkeit im S<strong>ch</strong>laf und Bewusstlosigkeit in<br />

der Narkose. Au<strong>ch</strong> beim Narkotisierten sind die psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen<br />

gedämpft oder aufgehoben. Der <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>e Hemmungsfaktor hat aber eine<br />

viel grössere Beharrung im Substrat der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen, sodass<br />

es längere Zeit dauert, bis er beseitigt ist.<br />

Wir können für die Ablehnung der Kohlensäurewirkung als ursä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>es<br />

Moment irgend einer der von uns in Diskussion gezogenen S<strong>ch</strong>lafsympto<br />

um so na<strong>ch</strong>drückli<strong>ch</strong>er eintreten, als si<strong>ch</strong> die Herabsetzung der<br />

Ausventilierung des Blutes im S<strong>ch</strong>laf in anderer Weise vollkommen in den<br />

Me<strong>ch</strong>anismus der S<strong>ch</strong>laffunktionen einfügt: Die Atmungstätigkeit steht in<br />

engster Beziehung zur Funktion des Skelettmuskelapparates. Sie ist in<br />

gewissem Umfang eine Hülfsfunktion animaler Leistung und zwar sehr eng<br />

an diese gekoppelt. Unter sol<strong>ch</strong>en Verhältnissen ist es begreifli<strong>ch</strong>, dass die<br />

Fluktuationen in der Anspre<strong>ch</strong>barkeit, wie wir sie im Berei<strong>ch</strong>e animaler<br />

Funktion als Unters<strong>ch</strong>ied zwis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>laf- und Wa<strong>ch</strong>zustand kennen gelernt<br />

haben, au<strong>ch</strong> das Atmungszentrum mitergreifen. Offenkundig ist die<br />

Absenkung des systolis<strong>ch</strong>en Blutdruckes im S<strong>ch</strong>laf ebenfalls Ausdruck<br />

eines Ausstrahlens der S<strong>ch</strong>lafhemmungen. Die Steigerung der Ventilation,<br />

das Anheben des Blutdruckes beim Erwa<strong>ch</strong>en des animalen Apparates<br />

signalisieren das Miterwa<strong>ch</strong>en der mit dem animalen Apparat besonders<br />

eng gebundenen vegetativen Funktionen. Zu dieser Deutung stimmt vollkommen<br />

der jüngst von .K. L. Gollwitzer-Meier 2) geführte Na<strong>ch</strong>weis, dass<br />

die Reaktionsvers<strong>ch</strong>iebung in Blut und Gewebe während Wa<strong>ch</strong>- und S<strong>ch</strong>lafzustand<br />

auf einen Unters<strong>ch</strong>ied in der Erregbarkeit des Atmungszentrums<br />

1) loc. cit. S. 3.<br />

2) loc. cit. S. 3.


zu beziehen ist. Die Herabsetzung der Anspre<strong>ch</strong>barkeit des Atmungszentru<br />

ist ein Parallelsymptom zu andern Umstimmungen, wie wir sie<br />

bereits bespro<strong>ch</strong>en haben.<br />

An Stelle der Kohlensäure könnte eventuell ein anderer <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>er<br />

Faktor die Hemmung der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen bewirken, ein Hormon<br />

oder ein Hypnotoxin, z. B. im Sinne von Piéron. 1) Die lei<strong>ch</strong>te Bewegli<strong>ch</strong>keit<br />

des Hemmungsfaktors, die wir gegen die Kohlensäuretheorie geltend gema<strong>ch</strong>t<br />

haben, spri<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> gegen Hormon und Hypnotoxin, wenigstens in<br />

der Form eines ents<strong>ch</strong>eidenden Faktors. Damit soll eine eventuelle Mitwirkung<br />

einer träg verlaufenden Umstimmung der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen<br />

dur<strong>ch</strong> einen <strong>ch</strong>emis<strong>ch</strong>en (hormonalen) Faktor ni<strong>ch</strong>t ausges<strong>ch</strong>lossensein.<br />

Gegen eine ents<strong>ch</strong>eidende Rolle eines dur<strong>ch</strong> Blut und Zerebrospinalflüssig<br />

verbreiteten Hemmungsprinzipes spri<strong>ch</strong>t au<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> die Tatsa<strong>ch</strong>e,<br />

dass Einzelfunktionen aus der S<strong>ch</strong>lafhemmung ausgespart<br />

werden können. Ein allgemein bekanntes Beispiel ist die Mutter,<br />

die au<strong>ch</strong> im S<strong>ch</strong>lafe die Aufmerksamkeit ihrem Pflegebefohlenenzugewendet<br />

hat. Eine kleine Unruhe von dessen Seite wirkt als sofortiger Weckreiz.<br />

Daneben gehen selbst intensive Geräus<strong>ch</strong>e, wie sie z. B. von der Strasse<br />

herkommen, vorüber, ohne dass dadur<strong>ch</strong> die Mutter im S<strong>ch</strong>laf gestörtwird.<br />

Au<strong>ch</strong> die Traumvorgänge beweisen, dass in der Ausbreitung der S<strong>ch</strong>lafhemmun<br />

ein differenzierender Me<strong>ch</strong>anismus am Werke ist. Es<br />

können Vorstellungen über ausgeführte motoris<strong>ch</strong>e Funktionen im Traume<br />

sehr intensiv dur<strong>ch</strong>lebt werden, ohne dass si<strong>ch</strong> am motoris<strong>ch</strong>en Apparat<br />

irgend eine Funktionsäusserung zeigt. Dies lässt erkennen, dass si<strong>ch</strong>. in<br />

einzelnen S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten des Zentralnervensystemes der Erregungsaustaus<strong>ch</strong><br />

abspielen kann, während andere <strong>Teil</strong>e s<strong>ch</strong>lafen. Somnambulismus ist ein<br />

weiteres Beispiel hiefür, das Spre<strong>ch</strong>en im S<strong>ch</strong>laf ein anderes.<br />

Eine sol<strong>ch</strong>e selektive Ausbreitung der S<strong>ch</strong>lafhemmung sowie ihre lei<strong>ch</strong>te<br />

Bewegli<strong>ch</strong>keit in zeitli<strong>ch</strong>er Hinsi<strong>ch</strong>t können wir mit unsern sonstigen Erfahrun<br />

über den Me<strong>ch</strong>anismus von Regulationsvorgängen nur in Einklang<br />

bringen, wenn die S<strong>ch</strong>lafhemmungen der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen<br />

einen Innervationseffekt darstellen. Damit bestätigen wir die S<strong>ch</strong>lussfolgeru<br />

zu denen wir s<strong>ch</strong>on bei der Bespre<strong>ch</strong>ung der Reflexerregbarkeit<br />

gekommen sind: Wir wiederholen au<strong>ch</strong> die Begründung, dass für die Übertragung<br />

dieser Hemmung nur <strong>Teil</strong>e des vegetativen Nervensystems in<br />

Frage kommen. Die Bewusstlosigkeitim S<strong>ch</strong>lafe trägt vegetative Tendenzen<br />

und den Widerspru<strong>ch</strong> zu den Funktionszielen des animalen Systemes so<br />

offen zur S<strong>ch</strong>au, dass wir Zweifel über ihre Zugehörigkeit zu den Funktionsäusserun<br />

des vegetativen Regulationsapparates ni<strong>ch</strong>t hegen können.<br />

Wenn es uns no<strong>ch</strong> widerstreben mag, das Kortexsubstrat als Erfolgsorgan<br />

einer vegetativen Innervation anzusehen, so können wir für den Zustand<br />

1) loc. cit. S. 4.


des S<strong>ch</strong>lafes do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bestreiten, dass die Kortexfunktion von<br />

einem Regulationsakt vegetativer Qualität beherrs<strong>ch</strong>t ist. Das Letztere<br />

hat indessen das Erstere zur Voraussetzung.<br />

Vor kurzem hat Pawlow 1)die Auffassung ausgespro<strong>ch</strong>en, dass "innere<br />

Hemmung" der bedingten Reflexe und der S<strong>ch</strong>laf ein und derselbe Prozess<br />

seien. Er begründet dies u. a. dur<strong>ch</strong> die bei Versu<strong>ch</strong>en, über bedingte Reflexe<br />

gema<strong>ch</strong>ten Beoba<strong>ch</strong>tungen, dass das Versu<strong>ch</strong>stier lei<strong>ch</strong>t in S<strong>ch</strong>laf<br />

verfällt, wenn der Intervall zwis<strong>ch</strong>en bedingtem und unbedingtem Reiz<br />

über die eingeübte Dauer erstreckt wird. Ein konkreter Fall liegt vor, wenn<br />

der unbedingte Reiz ni<strong>ch</strong>t wie bei der Einübung z. B. 10 Sekunden na<strong>ch</strong><br />

dem bedingten, sondern erst na<strong>ch</strong> 30 oder 60 Sekunden angewendet wird.<br />

Die bereits in Ers<strong>ch</strong>einung getretenen bedingten Reaktionen vers<strong>ch</strong>winden<br />

wieder innerhalb der Verspätungsperiode. Mit dieser Hemmung vegetativer<br />

Funktionen tritt nun auffallend häufig au<strong>ch</strong> eine Hemmung<br />

psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er Tätigkeit in Ers<strong>ch</strong>einung, wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> darin äussert, dass<br />

das Versu<strong>ch</strong>stier in S<strong>ch</strong>laf verfällt. Diese Beoba<strong>ch</strong>tung spri<strong>ch</strong>t sehr positiv<br />

für einen neurodynamis<strong>ch</strong>en Charakter der S<strong>ch</strong>lafhemmungen. Dabei<br />

s<strong>ch</strong>eint Pawlow allerdings der Analyse der von ihm in Diskussion gezogenen<br />

Ers<strong>ch</strong>einung eine kortikozentris<strong>ch</strong>e Betra<strong>ch</strong>tungsweise der S<strong>ch</strong>laffunktion<br />

zugrunde zu legen und au<strong>ch</strong> nur mit Bahnen des animalen Systemes zu<br />

re<strong>ch</strong>nen. Weitere Untersu<strong>ch</strong>ungen müssen hier Aufklärung bringen.<br />

Eine weitergehende Auswertung gestatten Beoba<strong>ch</strong>tungen, wel<strong>ch</strong>e aus<br />

der mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Pathologie stammen. S<strong>ch</strong>on Cayet und Mauntner haben<br />

auf eine Beziehung der Gehirnabs<strong>ch</strong>nitte in der Umgebung der Augenmuskelker<br />

zur S<strong>ch</strong>laffunktion hingewiesen. Sie zogen diesen S<strong>ch</strong>luss auf<br />

Grund der Häufigkeit des Zusammentreffens abnormer S<strong>ch</strong>lafsu<strong>ch</strong>t mit<br />

Innervationsstörungen der Augenmuskeln. Au<strong>ch</strong> die bei der Encephalitis<br />

lethargica gema<strong>ch</strong>ten Erfahrungen deuten auf eine topis<strong>ch</strong>e Bedingtheit<br />

des s<strong>ch</strong>lafähnli<strong>ch</strong>en Zustandes hin, wie er bei dieser Krankheit als häufiges<br />

Symptom in Ers<strong>ch</strong>einung tritt. Im Einklang mit der si<strong>ch</strong> aus den pathologis<strong>ch</strong><br />

Befunden bei Encephalitis lethargica ergebenden<br />

Lokalisation begrenzt Lucks<strong>ch</strong>2) auf Grund von zwei Fällen von Embolie,<br />

das zur pathologis<strong>ch</strong>en S<strong>ch</strong>lafsu<strong>ch</strong>t in Beziehung stehende Gebiet auf das<br />

zentrale Höhlengrau im hintern Abs<strong>ch</strong>nitt des dritten Ventrikels und im<br />

Anfang des Aquaeductus silvii und dessen Umgebung. Unter dem Einfluss<br />

sol<strong>ch</strong>er klinis<strong>ch</strong>er Erfahrungen sehen si<strong>ch</strong> dann au<strong>ch</strong>. vers<strong>ch</strong>iedene Autoren<br />

zur Annahme eines S<strong>ch</strong>lafzentrums gedrängt, wennglei<strong>ch</strong> wieder andere<br />

Fors<strong>ch</strong>er z. B. Lucks<strong>ch</strong> zur Vorsi<strong>ch</strong>t mahnen. Ein bes<strong>ch</strong>ränkender Hinweis<br />

ist wohl begründet, denn es darf ni<strong>ch</strong>t übersehen werden, dass eine weite<br />

1) J Pawlow: "Innere Hemmung" der bedingten Reflexe und der S<strong>ch</strong>laf — ein und<br />

derselbe Prozess. Skand. <strong>Ar<strong>ch</strong></strong>iv für Physiologie Bd. XLIV, 1923.<br />

2) F. R. Lucks<strong>ch</strong>: "S<strong>ch</strong>lafzentrum". Zeits<strong>ch</strong>rift für die gesamte <strong>Neurol</strong>ogie und <strong>Psy<strong>ch</strong>iatr</strong>ie<br />

93, S. 83, 1924.


Lücke klafft zwis<strong>ch</strong>en der Annahme eines S<strong>ch</strong>lafzentrums an der in Frage<br />

kommenden Stelle des Gehirnes und einer klaren Vorstellung betreffend des<br />

Me<strong>ch</strong>anismus, dur<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>en das s<strong>ch</strong>lafähnli<strong>ch</strong>e psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Verhalten herbeigefü<br />

wird. Es ist ni<strong>ch</strong>t mögli<strong>ch</strong>, zu einer Erklärung der kortikalen<br />

Hemmungen zu kommen, wenn man dem Erklärungsversu<strong>ch</strong>ein Abhängigkeitsve<br />

der vers<strong>ch</strong>iedenen S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten des Gehirnes zugrundelegt,<br />

wie es im Ablauf animaler Funktionen zur Auswirkung gelangt. Hier<br />

gilt es zu erkennen, dass die Rangordnung der S<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>ten in der Synthese<br />

animaler Leistungen ni<strong>ch</strong>t glei<strong>ch</strong>zeitig au<strong>ch</strong> die Ordnung ihrer gegenseitigen<br />

Beziehung im vegetativen Regulationsme<strong>ch</strong>anismus ist. Der Kortex, wel<strong>ch</strong>er<br />

in der animalen Funktion die Führung hat, ist im vegetativen<br />

Leben ein Glied unter Gliedern, dessen Verhalten in den Me<strong>ch</strong>anismus,<br />

wel<strong>ch</strong>er die Innenbedingungen des Organismus reguliert, mit eingefügt sein<br />

muss, d.. h. in die Akte vegetativer Regulierung. Es ist u. a. eine Aufgabe<br />

vegetativer Regulation, den Organismus vor Ers<strong>ch</strong>öpfung zu s<strong>ch</strong>ützen.<br />

Die Ruhigstellung des animalen Apparates im S<strong>ch</strong>laf ist ein wi<strong>ch</strong>tiges<br />

Hilfsmittel zur Errei<strong>ch</strong>ung dieses Zieles.. Wenn, um diese Ruhe herbeizuführen,<br />

die einzelnen Funktionen des animalen Systemes mit Hemmungen<br />

belegt werden, so sind die animalen Organe die Angriffspunkte vegetativer<br />

Innervation. Es bedeutet eine wi<strong>ch</strong>tige Bestätigung dieser Folgerungen,<br />

dass jene <strong>Teil</strong>e des Zentralnervensystemes, wel<strong>ch</strong>e auf Grund pathologis<strong>ch</strong>-anato<br />

Befunde in topis<strong>ch</strong>er Beziehung zur S<strong>ch</strong>laffunktion stehen,<br />

dur<strong>ch</strong> ihre histologis<strong>ch</strong>e Struktur ihre Zugehörigkeit zum vegetativen<br />

Nervensystem dokumentieren. Dies ergibt si<strong>ch</strong> na<strong>ch</strong> R.<br />

Greving1) aus dem Verglei<strong>ch</strong> des morphologis<strong>ch</strong>en Bildes der in Frage<br />

kommenden Zollgebiete mit den bekannten histologis<strong>ch</strong>en Formen der<br />

vegetativen Zellen in der Medulla oblongata und im Rückenmark.<br />

Dur<strong>ch</strong> die Ums<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tung, wel<strong>ch</strong>e wir in bezug auf die gegenseitige Abhängig<br />

der einzelnen <strong>Teil</strong>e des Zentralnervensystemes hinsi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> vegetativer<br />

Regulationsvorgänge vornehmen, haben wir nun au<strong>ch</strong> die Gesi<strong>ch</strong>tspunkte<br />

gewonnen, dur<strong>ch</strong> wel<strong>ch</strong>e si<strong>ch</strong> die Lücke zwis<strong>ch</strong>en dem supponierten<br />

S<strong>ch</strong>lafzentrum und dem Kortex überbrücken lässt. Wenn die Funktionsbereits<strong>ch</strong><br />

des Kortex die Resultante der antagonisierendensympathis<strong>ch</strong>e<br />

und parasympathis<strong>ch</strong>en Einflüsse ist, so bedarf es nur einer Läsion im<br />

zugehörigen Regulierungszentrum, um das Glei<strong>ch</strong>gewi<strong>ch</strong>t zu vers<strong>ch</strong>ieben.<br />

Übertönt der parasympathis<strong>ch</strong>e Effekt, so kommt es zur Dämpfung der<br />

Anspre<strong>ch</strong>barkeit — bei s<strong>ch</strong>ärfster Akzentuierung zu S<strong>ch</strong>laf. Ein Übergewi<strong>ch</strong>t<br />

der Sympathikuseffekte auf den Kortex s<strong>ch</strong>afft den Boden für S<strong>ch</strong>lafverdrängun<br />

und für Aufregungszustände. In dieser Erklärung verstehen wir<br />

1) R. Greving: Zur Anatomie, Physiologie und Pathologie der vegetativen Zentren im<br />

Zwis<strong>ch</strong>enhirn. Zeits<strong>ch</strong>rift für die gesamte Anatom.-Abteilung, III. Bd. 24, ferner L. R.<br />

Müller: Die Lebensnerven. S. 54 u. ff. Springer, Berlin 1924.


au<strong>ch</strong> das We<strong>ch</strong>selhafte, wel<strong>ch</strong>esviele Symptome der Encephalitislethargica,<br />

zeigen; i<strong>ch</strong> denke z. B. an die Augenmuskelsymptome. Au<strong>ch</strong> die Vergesells<strong>ch</strong>aft<br />

von Störungen rein vegetativer Funktionen, z. B. aer Spei<strong>ch</strong>elsekre<br />

oder S<strong>ch</strong>weißsekretion mit den Störungen der psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Funktionen<br />

sind lei<strong>ch</strong>t verständli<strong>ch</strong>, wenn Kortex (in bezug auf die Regulierung<br />

seines Erregbarkeitszustandes) und vegetative Organe in der Pathogenese<br />

der Symptome koordinierte Glieder sind.<br />

Den aus der Physiologie und Pathologie ges<strong>ch</strong>öpften Erfahrungen<br />

können wir nun no<strong>ch</strong> pharmakologis<strong>ch</strong>e Beoba<strong>ch</strong>tungen zur Seite stellen,<br />

wel<strong>ch</strong>e ni<strong>ch</strong>t weniger eindringli<strong>ch</strong> für die vegetativ-innervatoris<strong>ch</strong>e Bedingth<br />

psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>er Funktionen spre<strong>ch</strong>en. Anhaltspunkte sind dadur<strong>ch</strong><br />

gegeben, dass die Organe mit vegetativer Innervation auf bestimmte Reizstoffe<br />

elektiv anspre<strong>ch</strong>en, dass sie dur<strong>ch</strong> andere Pharmaka elektiv ausges<strong>ch</strong>altet<br />

werden. Einer Heranziehung sol<strong>ch</strong>er Versu<strong>ch</strong>e bietet allerdings der<br />

Umstand S<strong>ch</strong>wierigkeit, dass diese Reiz- und Hemmungsstoffe au<strong>ch</strong> direkt<br />

an den Elementen des animalen Nervensystemes angreifen können im Sinne<br />

einer sog. zentralen Wirkung. Hier zeigt die Frage der zentralen Wirkungen<br />

vegetativer Reizstoffe eine neue Seite, indem die Frage aufgeworfenwird,<br />

was an diesen "zentralen Wirkungen" wirkli<strong>ch</strong> zentral ist und was si<strong>ch</strong> infolge<br />

der We<strong>ch</strong>selwirkung zwis<strong>ch</strong>en vegetativem und animalem Nervensystem<br />

si<strong>ch</strong> nur im Bilde zentraler Wirkung zeigt. Wir denken dabei<br />

speziell an das Cocain, dessen psy<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Symptome eindringli<strong>ch</strong> an Beziehung<br />

zu den sympatikotropen Eigens<strong>ch</strong>aften dieses Reizstoffes mahnen.<br />

Das Gegenstück bilden unsere Beoba<strong>ch</strong>tungen mit Ergotamin, wel<strong>ch</strong>es den<br />

Sympathikusreiz auss<strong>ch</strong>altet. Ein nä<strong>ch</strong>ster Abs<strong>ch</strong>nitt soll dazu dienen, auf<br />

diese pharmakologis<strong>ch</strong>en und experimentellphysiologis<strong>ch</strong>enBeoba<strong>ch</strong>tungen<br />

näher einzugehen. (Fortsetzung folgt.)

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