25.06.2014 Aufrufe

Entwicklung des Wahrschauerdienstes im Gebirge

Entwicklung des Wahrschauerdienstes im Gebirge

Entwicklung des Wahrschauerdienstes im Gebirge

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Peter Haas<br />

Die <strong>Entwicklung</strong> <strong>des</strong> Wahrschaudienstes<br />

in der Gebirgsstrecke <strong>des</strong> Rheins<br />

zwischen Bingen und St. Goar (1984)<br />

von U l r i c h K n o b l o c h<br />

1. Vorbemerkung<br />

Wahrschauen ist der schiffahrtsübliche Begriff für eine Tätigkeit, die darauf gerichtet<br />

ist, die Schiffahrt vor Gefahren zu warnen, sie auf schwierige, gefahrbringende Verkehrssituationen<br />

hinzuweisen. Dieses erfolgte und erfolgt in der Regel durch Setzen<br />

von Zeichen in Form von Flaggen, Tafeln oder Lichtern an den für die Schiffahrt besonders<br />

unübersichtlichen, strömungsmässig problematischen Flussstellen. Hierzu<br />

zählte schon <strong>im</strong>mer die Rheinstrecke zwischen Bingen und St. Goar. Über die <strong>Entwicklung</strong><br />

der Wahrschauregelung reden heißt, die <strong>Entwicklung</strong> der Polizeivorschriften<br />

für die Schiffahrt auf dem Rhein gedanklich nachzuvollziehen, da der Wahrschaudienst<br />

als verkehrsbeobachtende Einrichtung in diesen Vorschriften verankert war<br />

und ist.<br />

Zwei historisch bedeutende Ereignisse waren es, die das Prinzip <strong>des</strong> teilweise in seinen<br />

Grundzügen heute noch gültigen Wahrschausystems in der rheinischen Gebirgsstrecke<br />

entstehen ließen:<br />

1. die Veränderung der politischen und territorialen Verhältnisse am Rhein<br />

nach der französischen Revolution,<br />

2. die Einführung und <strong>Entwicklung</strong> der Dampfschiffahrt auf dem Rhein.<br />

2. Die Verhältnisse am Rhein zu Beginn <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

2.1 Die politische Situation<br />

Jahrhunderte lange Kleinstaaterei, während der an den Ufern <strong>des</strong> Rheins eine Vielzahl<br />

von Fürsten und Herren saßen, die jeder für sich aus dem Wasser nur Nutzen<br />

für ihr Land ziehen wollten, ohne das Wohl der Gesamtheit dabei <strong>im</strong> Auge zu behalten,<br />

hat die Rheinschiffahrt bis zum Beginn <strong>des</strong> 19. Jhd. in ruinöse, wirtschaftliche<br />

Verhältnisse gebracht. Willkürlich erhobene Zölle und die Stapelrechte der Städte<br />

(hier Mainz und Köln) lähmten die freie Entfaltung der Rheinschiffahrt.<br />

In diese Situation hinein stößt Ende <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts der freiheitliche Gedanke<br />

der französischen Revolution. Durch die Revolutionskriege und die wenig erfolgreiche<br />

Abwehr der französischen Heere durch die Armeen der Koalition gelangt Frankreich<br />

über den Frieden von Luneville (1801) in den Besitz der linksrheinischen Länder<br />

und fasst damit für das nächste Jahrzehnt festen Fuß am Rhein.<br />

Nur eine einseitige Betrachtungsweise dieser geschichtlichen <strong>Entwicklung</strong> sieht in<br />

dem Verlust der deutschen Souveränität am Rhein etwas absolut Negatives. Sie ü-<br />

bersieht dabei den Fortschritt, der durch den Einfluss einer auf vielen Gebieten mustergültigen<br />

Gesetzgebung an den Rhein - und dort insbesondere für die Schiffahrt<br />

herangetragen wurde. Zur Erleichterung der Schiffahrt sollten unter dem Einfluss<br />

Frankreichs bald einschneidende Maßnahmen in Angriff genommen werden.<br />

1


Die ersten Vorstellungen in dieser Richtung wurden in dem Reichsdeputationshauptschluss<br />

von 1803 verwirklicht, in dem die Abschaffung aller Rheinzölle und die Einführung<br />

eines neuen, vereinfachten Erhebungsprinzips vereinbart wurde.<br />

Konkrete Gestalt erhielt diese Vorstellung in der sogenannten Oktroikonvention von<br />

1804. Sie gilt als der entschiedene Anfang einer besseren Ordnung der Schiffahrtsverhältnisse.<br />

Diese Vereinbarung enthält neben der genauen Regelung der internationalen<br />

Verhältnisse eine Vielzahl staatsrechtlicher und polizeilicher Vorschriften und<br />

Grundsätze von besonderer Tragweite. Neben der Beseitigung der Zölle war der<br />

Hauptvorzug dieser Vereinbarung die Schaffung einer einheitlichen, zentralen Verwaltung.<br />

Die Uferstaaten mit ihren örtlich beschränkten Interessen verloren ihren Einfluss<br />

am Wasserweg Rhein.<br />

Mit der Besiegung Napoleons 1813 wird Frankreich, was jedenfalls den mittleren Teil<br />

<strong>des</strong> Stromes anbelangt, wieder vom Rhein verdrängt.<br />

Die von Frankreich angebahnte Befreiung wird jedoch beibehalten und später sogar<br />

erweitert.<br />

Der auf den Pariser Frieden 1814 folgende Wiener Kongress schafft durch Einfügung<br />

entsprechender Artikel in die Kongressakte die unverrückbare Voraussetzung für die<br />

freie Schiffahrt auf den Flüssen, die mehrere Länder durchströmen.<br />

Zur Überwachung dieses Grundsatzes wurde eine Zentralkommission gebildet, über<br />

die auch gleichzeitig der amtliche Austausch unter den Uferstaaten erfolgte.<br />

Unter ihrem Einfluss und auf der Grundlage ihrer Beschlüsse entstanden in der Folgezeit<br />

die ersten aufeinander abgest<strong>im</strong>mten Schiffahrtspolizeivorschriften für den<br />

Rhein, die anfänglich noch von den Anliegerstaaten in eigener hoheitlicher Zuständigkeit<br />

erlassen, später jedoch gemeinschaftlich herausgegeben wurden. Hier begegnen<br />

uns auch zum ersten Mal klare Anweisungen über die Wahrschauregelungen<br />

für die besonders unübersichtlichen und gefahrbringenden Abschnitte der rheinischen<br />

Gebirgsstrecke.<br />

2.2 Die Einführung der Dampfschiffahrt auf dem Rhein<br />

Noch Anfang <strong>des</strong> vorigen Jahrhunderts dienten in erster Linie Ruder und Segel der<br />

Rheinschiffahrt als Fortbewegungsmittel. Den erschwerenden Verhältnissen durch<br />

stark wechselnde Windstärken und dem Gefälle <strong>des</strong> Flusses begegnete man schon<br />

frühzeitig in der Bergfahrt durch Einsatz der Zugkraft von Mensch und Tier. Es wurde<br />

vielfach über die Leinpfade getreidelt. Daneben fuhren - und das nicht <strong>im</strong>mer nur<br />

gemächlich - gewaltige Holzflöße in den Abmessungen wie ein moderner Schubverband<br />

zu Tal.<br />

Den ersten Schritt zur Einführung der Dampfschiffahrt <strong>im</strong> Rheingebiet unternahmen<br />

die Holländer. Nachdem bereits 1816 das erste Dampfboot, ein englischer Raddampfer,<br />

den Rhein von Rotterdam nach Köln befahren hatte, setzten die Holländer ein<br />

Jahr später einen eigenen Dampfer zu gelegentlichen Fahrten auf der gleichen Strecke<br />

ein. 1825 befuhr dann das erste Dampfschiff den Mittelrhein von Köln bis Mainz.<br />

Diese Erfolge regten allerorts zur Gründung von kapitalkräftigen Dampfschiffahrtsgesellschaften<br />

an, um die neue Erfindung rationell auszunutzen. Anfang der 40er Jahre<br />

gestaltete sich der Schiffsverkehr mit Dampfschiffen bereits so rege, dass sich die<br />

Uferstaaten auf Beschluss der Rheinschiffahrts-Central-Commission genötigt sahen,<br />

etwa gleichlautende Vorschriften über das Vorbeifahren vom Dampf- und Segelschiffen<br />

aneinander auf dem Rhein zu erlassen. Diese Verordnungen waren die ersten e<br />

i n h e i t I i c h e n Polizeiverordnungen auf dem Rhein. In ihnen sind auch zum ersten<br />

Mal umfassende Vorschriften über die Wahrschauregelungen in der rheinischen<br />

2


Gebirgsstrecke enthalten. Die Geschichte dieser Vorschriften spiegelt die <strong>Entwicklung</strong><br />

<strong>des</strong> Wahrschaudienstes wieder.<br />

3. Die Wahrschauregelungen seit Beginn <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts<br />

3.1 Die wandernden Wahrschauer<br />

Klammern wir einmal das Wahrschauen der Flöße, das in der Form erfolgte, dass jedem<br />

Floß in einem zeitlichen Abstand von einer Stunde ein Nachen vorausfahren<br />

musste, der das Nachfolgen <strong>des</strong> Floßes durch eine schwarz/rot karierte Fahne anzeigte,<br />

als sicher einer der ältesten, räumlich jedoch nicht beschränkten Form eines<br />

Wahrschaudienstes aus, so waren es in der hier behandelten rheinischen Gebirgsstrecke<br />

drei markante Streckenabschnitte, auf denen nach Einführung der<br />

Dampfschiffahrt ein Wahrschaudienst vorgeschrieben und später eingerichtet wurde:<br />

a) Aßmannshausen - Bingen (Binger Loch)<br />

b) Oberhalb Kaub - Lorchhausen (Wirbelley)<br />

c) St. Goar - Loreley (später bis Oberwesel).<br />

Zu Anfang dieser Regelungen, wo der Schiffsverkehr doch noch gemächlicher einherging<br />

und die Zahl der Dampfschiffe noch sehr gering war, konnte man sich damit<br />

begnügen, den an vorgenannten Stellen zu Berg kommenden Schiffen einen Boten<br />

(den sogenannten wandernden Wahrschauer) auf dem Leinpfad vorauszusenden,<br />

der durch Zeichengebung mit Hilfe einer weit sichtbaren Signalflagge - <strong>im</strong> Bereich<br />

der Loreley einer roten, sonst einer schwarzen - das Begegnen von Schiffen an den<br />

gefährlichen Engstellen und Krümmungen zu verhindern hatte. Dazu legten die etwa<br />

gleichlautenden Polizeiverordnungen der Länder Hessen, Nassau und Preußen von<br />

1840/41 folgen<strong>des</strong> fest:<br />

- Dampfschiffe und Segelschiffe, die ab St. Goar bergwärts fahren wollten, hatten bis<br />

zur Einsicht der Strecke um das Bankeck (das waren in diesem Fall nur einige<br />

hundert Meter) einen Wahrschauer vorauszuschicken, der mit einer roten Flagge<br />

anzeigte, ob Schiffe zu Tal kamen. Die bergfahrende Schiffahrt hatte gegebenenfalls<br />

so lange dann in St. Goar zu warten.<br />

- Bei der Umfahrung der Wirbelley gegenüber Bacharach hatten nur die Dampfschiffe,<br />

die wegen niedriger Wasserstände durchs Wilde Gefähr Vorspannpferde nehmen<br />

mussten, einen Wahrschauer bis Lorchhausen (das waren <strong>im</strong>merhin schon<br />

2,5 - 3 km) vorauszuschicken, da durch das Vorspannseil der Talweg für die Schiffahrt<br />

gänzlich gesperrt wurde. In diesem Fall musste in der Regel die Talschiffahrt<br />

vor der Wirbelley vor Anker gehen; es sei denn, der Talfahrer hatte bei Ankunft <strong>des</strong><br />

Wahrschauers Lorchhausen bereits passiert. Dann musste das Dampfschiff informiert<br />

werden und unterhalb <strong>des</strong> Wilden Gefährs liegen bleiben.<br />

Ähnlich, jedoch die Gesamtschiffahrt betreffend und damit problematischer, gestaltete<br />

sich die Wahrschauregelung am Binger Loch. Hier hatten alle Schiffe von Aßmannshausen<br />

aus einen Wahrschauer bis auf die Höhe von Bingen (ca. 3,5 km) vorauszusenden,<br />

der eine weit sichtbare Signalflagge so lange zu zeigen hatte, bis das<br />

zu Berg gehende Schiff die sogenannte Fiddel - einen markanten Stein oberhalb der<br />

Mäuseturminsel - passiert hatte. So lange durften von Bingen keine Schiffe abfahren<br />

und die oberhalb Bingen zu Tal kommenden Schiffe mussten vor Anker gehen. War<br />

jedoch vor Ankunft <strong>des</strong> Wahrschauers bereits ein Schiff von Bingen abgefahren, so<br />

musste der Wahrschauer, nachdem er die Signalflagge sichtbar aufgestellt hatte, sofort<br />

das zu Berg kommende Schiff davon benachrichtigen, das dann unterhalb <strong>des</strong><br />

Binger Loches bis zur Vorbeifahrt <strong>des</strong> Talschiffes anhalten musste.<br />

Auch die aus Bingen talwärts abfahrenden Dampfschiffe mussten sich eines Wahrschauers<br />

bedienen, der ihnen vom rechten Rheinufer aus mit einer schwarzen Flag-<br />

3


ge zu erkennen gab, ob ein Bergschiff <strong>im</strong> Begriff war, das Binger Loch zu passieren.<br />

In diesem Fall musste das Talschiff halten, bis der Wahrschauer seine Flagge niedergelegt<br />

hatte.<br />

3.2 Einrichtung fester Wahrschaustationen<br />

Die aufwärts strebende <strong>Entwicklung</strong> <strong>des</strong> Schiffsverkehrs nach Einführung der<br />

Dampfschiffahrt macht es rund 10 Jahre später - also 1850 - erforderlich, zur Sicherheit<br />

<strong>des</strong> Schiffsverkehrs den noch wohl umständlichen, wie sicher auch nicht so wirkungsvollen<br />

Wahrschaudienst "zu Fuß" durch feste Wahrschaustationen zu ersetzen.<br />

Kurz vor Erscheinen der ersten gemeinschaftlichen Polizeiverordnung über das Befahren<br />

<strong>des</strong> Rheinstromes durch die Zentralkommission für die Rheinschiffahrt wurde<br />

Mitte <strong>des</strong> vorigen Jahrhunderts die Einrichtung stehender Wahrschauer bekannt gegeben.<br />

Es waren die bereits genannten Gefahrenbereiche, an denen in der Gebirgsstrecke<br />

feste Wahrschaustationen errichtet wurden. So entstand eine Station am Binger Loch<br />

auf dem Mäuseturm, an der Wirbelley bei Bacharach und auf der Strecke Oberwesel<br />

bis St. Goar am Ochsenturm in Oberwesel, gegenüber dem Kammereck und an der<br />

Bank bei St. Goar. In welcher Form zu wahrschauen und was von der vorbeifahrenden<br />

Schiffahrt zur Deckung der durch diese Art von Wahrschaudienst entstehenden<br />

Unkosten an Entgelten zu zahlen war - eine Kostenart für die Schiffahrt, die bis in<br />

unser Jahrhundert hinein Bestand hatte - wurde durch besondere Best<strong>im</strong>mungen geregelt.<br />

Ab 1864 finden wir dann die Regelungsanweisungen für die Wahrschauer in die Polizeivorschriften<br />

eingearbeitet. Danach hatten die an den vorstehend genannten Stellen<br />

stationierten Wahrschauer die jeweils gleiche Verpflichtung, das Annähern aller<br />

zu Tal gehenden Fahrzeuge durch Aufziehen von Flaggen bemerkbar zu machen,<br />

und zwar in folgender Weise:<br />

a) wenn ein einzelnes Schiff zu Tal kommt, durch Aufziehen der r o t e n<br />

b) wenn ein S c h I e p p z u g zu Tal fährt, durch Aufziehen der w e i ß e n<br />

c) wenn ein Floß antreibt, durch Aufziehen der r o t e n und w e i ß e n Flagge.<br />

Durch diese Zeichen wurde ganz allgemein gleichzeitig angezeigt, dass die Talschiffahrt<br />

frei ist, während das Fehlen dieser Zeichen andeutete, dass die Bergfahrt frei ist<br />

(Abb. 1). Neben den neu eingerichteten festen Wahrschaustationen bestand noch bis<br />

1910 eine wandernde Wahrschau zwischen St. Goar und Oberwesel, die jedoch nur<br />

<strong>im</strong> Einzelfall bei zu Berg gehenden D a m p f s c h l e p p z ü g e n diesen vorauszugehen<br />

und mittels einer r o t e n Flagge zu Tal kommende Fahrzeuge anzuzeigen<br />

hatte.<br />

Abb. 1 Wahrschaustation am Bankeck bei St.<br />

Goar um 1953<br />

In dieser Form bestand die Wahrschauregelung<br />

etwa 60 Jahre, ergänzt nur<br />

noch durch eine zusätzliche Station gegenüber<br />

der Loreley zu Ausgang <strong>des</strong> vorigen<br />

Jahrhunderts.<br />

Der ständig zunehmende Schiffsverkehr<br />

machte es dann zu Beginn unseres Jahrhunderts<br />

erforderlich, den Wahrschaudienst<br />

zur Sicherheit <strong>des</strong> Schiffsverkehrs zu verbessern und zu intensivieren. So entstanden<br />

nach 1910 drei zusätzliche Wahrschaustationen, zwei davon <strong>im</strong> Bereich <strong>des</strong><br />

4


Binger Loches, und zwar am rechten Ufer einmal kurz unterhalb Rü<strong>des</strong>he<strong>im</strong> (gegenüber<br />

der Krausaue) und zum andern unterhalb <strong>des</strong> Binger Loches (sog. Nebelposten).<br />

Beide dienten dazu, die Schifffahrt frühzeitig durch Wiederholung verschiedener<br />

Signale über die Zeichengebung auf dem Mäuseturm selbst zu informieren. Der sog.<br />

Nebelposten (offiziell Station 3) wurde dabei nur bei unsichtigem Wetter besetzt.<br />

Eine dritte Station wurde auf der Strecke zwischen Oberwesel und St. Goar am sog.<br />

Betteck (zwischen Kammereck und Loreley) errichtet. Die Verbesserung <strong>des</strong> Wahrschaudienstes<br />

bestand aber nicht nur darin, dass die Zahl der Stationen vergrößert<br />

wurde, sondern auch die Informationsmöglichkeiten der einzelnen Stationen wurden<br />

teilweise erheblich erweitert. Bedeutsam in dieser Hinsicht war insbesondere, dass<br />

durch die Möglichkeit <strong>des</strong> Wechselns von Flaggenzeichen auf gleichfarbige Körbe<br />

(später Bälle und Scheiben) <strong>im</strong> Bereich <strong>des</strong> Binger Loches und <strong>des</strong> Kammerecks<br />

angezeigt werden konnte, für welches der bei den jeweils dort vorhandenen zwei<br />

Fahrwasser die gezeigten Wahrschausignale galten. Daneben konnten durch das<br />

Setzen zusätzlicher Flaggen an den Wahrschaustationen der Schiffahrt zu ihrer Sicherheit<br />

weitere Informationen gegeben werden. So bedeutete z. B. das Aufziehen<br />

einer blau-weißen-Flagge an den Stationen zwischen Lorchhausen und St. Goar,<br />

dass das Fahrwasser durch das Sinken oder Festfahren eines Schiffes gesperrt ist.<br />

Bis Ende der 60er Jahre wurde diese Art <strong>des</strong> Wahrschaudienstes aufrechterhalten.<br />

Hinzu kamen <strong>im</strong> laufe der Zeit noch eine Anzahl zusätzlicher Zeichen, z. B. kleine<br />

Flaggen zur Angabe der Position, in der sich der durch Hauptzeichen angekündigte<br />

Talfahrer befand, oder zusätzliche weiße oder rote Blinklichter, so dass sich einem<br />

weniger kundigen Schiffsführer bald eine Fülle von nautischen Informationen an den<br />

einzelnen Wahrschaustationen bot, ,die von ihm gar nicht mehr so leicht und schnell<br />

- da nicht in jedem Fall gleich gut sichtbar - überblickt und gelesen werden konnten.<br />

Auch für den Wahrschauer selbst wurde die Bedienung<br />

der Stationen - man stelle sich insbesondere mal den<br />

Mäuseturm mit seinen vielen verteilten Masten und<br />

Stangen vor (Abb. 2) - bei der Vielzahl der Signale und<br />

dem ständig wachsenden Verkehrsaufkommen kein so<br />

leichtes Geschäft mehr.<br />

Abb. 2 Wahrschauen vom Mäuseturm,<br />

3.3 Umstellung von Flaggen auf Lichttagessignale<br />

Es war also nur zu verständlich, dass nach einem Weg<br />

gesucht wurde, die Signalgebung an den Wahrschaustationen<br />

deutlicher sichtbar, rascher lesbar und bedienungsfreundlicher<br />

zu gestalten. Zu diesem Zweck wurden<br />

in den 60er Jahren an einigen Stellen bei den<br />

Wahrschaustationen Lichttagessignale versuchsweise<br />

aufgestellt, die über Schaltpulte einfach bedient werden<br />

konnten. Sie gaben parallel zu den Flaggensignalen verschiedenartige Lichtzeichen,<br />

die jedoch <strong>im</strong> Versuchsstadium gemäß entsprechender Mitteilungen an die Schiffahrt<br />

nicht zu beachten waren.<br />

Die ersten dieser Zeichen wurden bereits schon 1961 <strong>im</strong> Bereich <strong>des</strong> Binger Loches<br />

in Betrieb genommen, und zwar eins - nach Oberstrom gerichtet direkt am Mäuseturm,<br />

das zweite am unteren Ende der Mäuseturminsel - talwärts zeigend - und das<br />

dritte am linken Ufer bei km 531,4 an der unterstromigen Einfahrt ins linksrheinische<br />

Fahrwasser. Diese Zeichen, bestehend aus einfacheren Mastkonstruktionen mit einer<br />

Vielzahl von Einzellichtern, die einzeln oder in Gruppen geschaltet werden konn-<br />

5


ten, wurden über 10 Jahre betrieben, ohne je Bedeutung erlangt zu haben. 1964<br />

wurde versuchsweise ein weiteres Lichtsignal am Wahrschauposten gegenüber der<br />

Loreley und 1968 be<strong>im</strong> Wahrschauposten am Betteck in Betrieb genommen, wobei<br />

<strong>im</strong>mer die Flaggenregelung an diesen Stationen weiterhin maßgebend blieb. Die<br />

Lichttagessignale an den Stationen Loreley und Betteck waren bereits in ihrer Formgebung<br />

und Gliederung sowie in der Darstellung <strong>des</strong> Signals (dreieckförmig angeordnete<br />

Lichtbalken) so gestaltet, wie sie einige Jahre später als hauptamtliche Zeichen<br />

bei allen weiterbetriebenen Stationen eingeführt wurden.<br />

Im Zusammenhang mit dem Ausbau <strong>des</strong> Rheins zwischen Bingen und St. Goar zur<br />

Schaffung einer 120 m breiten und 2,10 m tiefen Fahrrinne wurde ab 1970 die Umstellung<br />

aller Wahrschaustationen auf Lichttagessignale betrieben. Übernommen<br />

wurde das an den Stationen Betteck und Loreley erprobte und bewährte System der<br />

dreieckförmig angeordneten Lichtbalken.<br />

Im Bereich der Binger Loch Strecke wurden die neuen Signale an folgenden Stellen<br />

errichtet:<br />

a} Vorsignal an der Station Krausaue (nach Oberstrom),<br />

b} Hauptsignal am Mäuseturm (ebenfalls nach Oberstrom gerichtet),<br />

c} Bergfahrtsignal bei km 531,4, linkes Ufer (an der Stelle, wo der Lichtmast III gestanden<br />

hatte).<br />

Die horizontale Gliederung der Signaltafeln in 3 Felder entsprach der damaligen<br />

Ausbauplanung für das Bingerloch, wo neben den 2 bestehenden Fahrwassern noch<br />

ein drittes, mittleres Fahrwasser geschaffen werden sollte. Jeder Fahrrinne war ein<br />

Signalfeld zugeordnet. Die Aussagekraft der nach Oberstrom gerichteten Zeichen<br />

(Krausaue und Mäuseturm s. Abb. 3) war eine etwas andere als die der übrigen, die<br />

Abb. 3 Lichttagessignal am Mäuseturm 1972<br />

Bergschiffahrt wahrschauenden Signale.<br />

Diese Zeichen besaßen verkehrsregelnden<br />

Charakter. Es bedeuteten an diesen<br />

bei den Stationen das Aufleuchten entsprechender<br />

Lichtbalken oder Balkengruppen,<br />

für welche zu Tal gehende<br />

Schiffahrt welches Fahrwasser frei war.<br />

Mit zusätzlichen roten oder grünen Einzellichtern<br />

konnten Durchfahrten gesperrt<br />

oder freigegeben werden. Von einem zentralen Steuerstand <strong>im</strong> Mäuseturm aus<br />

konnte ein Mann alle 3 Signaltafeln einfach bedienen, wobei eine Vielzahl von Kontroll-Lampen<br />

ihm die sichere Rückmeldung für eine ordnungsgemäße Schaltung gaben.<br />

Am 1. März 1972 wurden diese Lichtsignale in Betrieb genommen Aber bereits<br />

zu diesem Zeitpunkt war absehbar, dass dieser Wahrschauregelung am Bingerloch<br />

kein langes Leben beschieden sein sollte. Die Ausbauplanung war nämlich inzwischen<br />

umgestellt worden mit dem Ziel, durch das Bingerloch-Fahrwasser eine durchgehende<br />

120 m breite Fahrrinne zu schaffen. Diese machte nicht nur die Dreiteiligkeit<br />

der Signale, sondern die Wahrschauregelung in diesem Bereich selbst überflüssig.<br />

Mit Eröffnung der 120 m breiten Fahrrinne durch das Bingerloch erloschen am 5.<br />

September 1974 die Wahrschaulichter am Mäuseturm. Damit ging eine rd.<br />

125jährige Geschichte <strong>des</strong> Wahrschaudienstes von dieser Warte aus für <strong>im</strong>mer zu<br />

Ende.<br />

Ebenfalls mit dem Ausbau <strong>des</strong> Rheins verschwand die Wahrschaustation an der<br />

Wirbelley.<br />

6


Erhalten geblieben und weiterbetrieben bis heute ist die Wahrschauregelung auf der<br />

Strecke Oberwesel bis St. Goar. Mit der dauerhaften Einrichtung der Lichttagessignale<br />

in diesem Bereich zwischen 1970 und 1972 wurden jedoch auch hier - technisch<br />

bedingt - wesentliche Veränderungen vorgenommen. Anstelle der Flaggenmasten<br />

traten die über lange Jahre an den Stationen Betteck und Loreley erprobten Lichtsignale<br />

mit 2 bzw. 3 talwärts gerichteten, übereinander angeordneten Signalfeldern (s.<br />

Abb. 4). Jedem dieser Signalfelder sind genau festgelegte, stromaufwärts anschließende<br />

Teilstrecken zugeordnet. Die dreieckförmig angeordneten Lichtbalken zeigen<br />

hier an welche Art von Talfahrern (Einzelfahrer, gekuppelte Fahrzeuge über 86 m<br />

Länge oder Schleppverbände, Schubverbände) sich in welchem Streckenabschnitt<br />

befindet.<br />

Abb. 4 Lichttagessignal und Wahrschaustation<br />

am Betteck 1972<br />

Die Einführung der modernen<br />

Technik ermöglichte auch eine wesentlich<br />

rationellere Gestaltung <strong>des</strong><br />

Wahrschaudienstes auf dieser<br />

Strecke. Übersichtliche Schaltpulte<br />

mit Rückmeldeanzeigen für das<br />

Schalten der Signale sowie eingebauten<br />

Kontroll-Lampen für alle<br />

Funktionen eröffneten die Möglichkeit<br />

der Fernbedienung einiger<br />

Signale, so dass nicht mehr alle fünf Stationen besetzt zu werden brauchten. Auf der<br />

Strecke installierte Fernsehkameras unterstützten die verbliebenen 3 Wahrschauer<br />

bei der Überwachung der einzelnen Streckenabschnitte (Abb. 5).<br />

Abb. 5 Mast mit 2 Fernsehkameras bei km 552,11 linkes Ufer unterhalb<br />

Oberwesel<br />

Besetzt sind heute nur noch die Station am Ochsenturm,<br />

für die am Rheinufer zur Aufnahme der notwendigen<br />

technischen Einrichtungen extra ein neues Gebäude<br />

als Ersatz für die Räumlichkeiten auf dem Ochsenturm<br />

selbst geschaffen wurde (Abb. 6), weiter die Stationen<br />

am Betteck und am Bankeck. Die Station gegenüber<br />

dem Kammereck konnte ganz aufgegeben werden.<br />

An ihre Stelle trat am linken Ufer bei km 552,80 ein<br />

einfaches, bergwärts gerichtetes Signal. Mit diesem<br />

Abb. 6 Wahrschaustation am Ochsenturm<br />

in Oberwesel<br />

lässt sich die Talschiffahrt - wie<br />

am Ochsenturm auch - durch<br />

Setzen von 2 roten Lichtern<br />

sperren. Die Station gegenüber<br />

der Loreley besteht nur noch aus<br />

7


dem ferngesteuerten Wahrschausignal und einem Notstromaggregat für den Bedarf<br />

bei Stromausfall. Die 3 verbliebenen Wahrschauposten - besetzt jeweils mit 1 Mann<br />

pro Schicht - versehen ihren verantwortungsvollen Dienst von 1/2 Stunde vor Sonnenaufgang<br />

bis 1/2 Stunde nach Sonnenuntergang. In der übrigen Nachtzeit war die<br />

Schiffahrt nur in einer Richtung und zwar in der Bergfahrt erlaubt. Die Talfahrt war<br />

gesperrt und musste in der Regel auf den Strecken vor Geisenhe<strong>im</strong> und Bingen aufdrehen<br />

(anhalten).<br />

Als Überlegungen angestellt wurden, auch in den Nachtstunden einen gewissen Begegnungsverkehr<br />

in der Gebirgsstrecke versuchsweise zuzulassen, musste nach einem<br />

Ersatz für die in dieser Zeit nicht eingesetzten Wahrschauer gesucht werden.<br />

Auch hier half wieder die Technik durch die Möglichkeit <strong>des</strong> "Selbst-Wahrschauens"<br />

mittels UKW-Sprechfunkverkehr. Die Voraussetzungen, dass in der kurvenreichen,<br />

durch hohe Bergwände abgeschatteten Gebirgsstrecke Funkverkehr von Schiff zu<br />

Schiff überhaupt möglich ist, hat die Wasser- und Schiffahrtsverwaltung durch besondere<br />

technische Installationen (Relaisstationen) in den Jahren 1976/77 geschaffen.<br />

Den nachts verkehrenden Schiffen musste nur noch die Benutzung von Funksprechgeräten<br />

entsprechend vorgeschrieben werden, um ein gefahrloses Begegnen<br />

der Schiffe durch gegenseitige Absprachen über Funk zu gewährleisten. Die Schiffahrt<br />

wahrschaut sich selbst. Ist das zukunftsweisend auch für die Tagschiffahrt?<br />

Noch steht darüber ein großes Fragezeichen. Verschiedene technische Einzelprobleme<br />

wären dazu noch zu lösen, so wie auch einige verkehrspolitische Entscheidungen<br />

zu fällen. So erstrebenswert es ist, durch Ausbaumaßnahmen am Strom sowie<br />

Einführung moderner Techniken den Schiffsverkehr auf dem Rhein <strong>im</strong>mer sicherer,<br />

reibungsloser und kostengünstiger abzuwickeln, so geht doch in vielen Fällen der<br />

Abbau althergebrachter Schiffahrtstraditionen - der Rückgang <strong>des</strong> Lotsengewerbes<br />

auf der mittelrheinischen Gebirgsstrecke zeugt auch davon - damit einher. Wird der<br />

Wahrschauer eines Tages nur noch eine Figur auf alten Lichtbildern und in den<br />

Stammtischgesprächen alter Schiffer zwischen Bingen und St. Goar sein?<br />

**************<br />

Quelle: Beiträge zur Rheinkunde 1984<br />

Rheinmuseum Koblenz<br />

Peter Haas 2009<br />

8

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!