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Wie Immigranten Orte und Orte Immigranten verändern

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Einzug in die Stadtkerne hielt, auf die Ränder der<br />

Städte konzentrieren.<br />

Der Öffentliche Raum<br />

Doch inwiefern wird das Stadtbild überhaupt von<br />

<strong>Immigranten</strong> geprägt, wenn keine nennenswerten<br />

baulichen Veränderungen auftreten? In allen<br />

bereisten Städten viel auf, dass Migranten<br />

den öffentlichen Raum beleben: durch eine<br />

kleinteilige Ladennutzung der Erdgeschosse <strong>und</strong><br />

ihre starke Präsenz auf den Straßen. Diese ist<br />

jedoch keineswegs nur auf eine andere Mentalität<br />

zurückzuführen. Vielmehr, so lässt sich vermuten,<br />

führt die dichte Belegung der Wohnungen dazu.<br />

Aufgr<strong>und</strong> geringer finanzieller Ressourcen leben<br />

afrikanische, asiatische sowie lateinamerikanische<br />

<strong>Immigranten</strong> mit mehr Menschen auf weniger<br />

Raum zusammen, als die meisten Europäer. So<br />

entsteht eher das Bedürfnis, herauszugehen<br />

<strong>und</strong> den Wohnraum in den öffentlichen Raum<br />

auszudehnen (siehe La Paz in Granada oder El<br />

Puche in Almería).<br />

Von Spanien zur EU<br />

andererseits. <strong>Wie</strong> können wir uns miteinander<br />

arrangieren <strong>und</strong> nachhaltige Umgangsformen<br />

finden?<br />

Das Beispiel Spanien zeigt zweitens die<br />

historische Verwurzelung des Islam in Europa.<br />

Dass dieser aktuell als bedrohender Eindringling<br />

wahrgenommen wird, scheint demnach absurd.<br />

Dass <strong>Immigranten</strong> meist in Länder ziehen, mit<br />

deren Sprache sie groß geworden sind, macht<br />

zudem die immerwährende Barrierewirkung von<br />

Sprachen deutlich. Sie zeigt sich nicht nur an<br />

Europas Vielzahl von National-, sondern bereits<br />

an Regionalgrenzen. Allein auf meiner Reise habe<br />

ich nach Valencia <strong>und</strong> ins Baskenland zwei davon<br />

überschritten. Wenn über „Vereinigte Staaten von<br />

Europa“, wie sie B<strong>und</strong>esarbeitsministerin Ursula<br />

von der Leyen kürzlich forderte, nachgedacht<br />

wird, stellen diese sprachlichen Hürden eine<br />

besondere Herausforderung dar.<br />

Als Viertes zeigte die Studie nochmals in aller<br />

Deutlichkeit, dass soziale Segregation mehr<br />

als kulturell finanziell bedingt ist. Die viel<br />

beschworene Integration, das Voneinander-lernen<br />

<strong>und</strong> Sich-gegenseitig-verstehen, setzen also vor<br />

allem soziale Gerechtigkeit voraus.<br />

Die Beschäftigung mit <strong>Immigranten</strong> in Spaniens<br />

Städten macht so auf zahlreiche Phänomene<br />

aufmerksam, die zum Einen die Rolle Europas<br />

in der Welt sowie zum Anderen die Beziehung<br />

europäischer Staaten untereinander prägen.<br />

Erstens <strong>und</strong> nahe liegend ist die Fragestellung,<br />

wie wir Grenzen gestalten <strong>und</strong> mit Migration<br />

umgehen. Eine gänzliche Überwachung der<br />

EU-Außengrenzen ist kaum möglich <strong>und</strong> ihre<br />

teilweise Überwachung führt im Wesentlichen<br />

zur Verschiebung, nicht aber zur Vermeidung der<br />

Migration. Das bedeutet meist eine Verlängerung<br />

der Wege <strong>und</strong> eine Erhöhung der Gefahr für die<br />

<strong>Immigranten</strong>. Über die Überwachung <strong>und</strong> ihre<br />

Methoden lässt sich also streiten.<br />

Einmal im Zielland, können so genannte illegale<br />

Einwanderer kaum mehr ins Herkunftsland<br />

zurückgeführt werden, auch wenn dies der Wille<br />

des Ankunftslandes ist, da viele Ursprungsländer<br />

eine <strong>Wie</strong>deraufnahme verweigern. Sie werden also<br />

geduldet <strong>und</strong> gehören längst zum europäischen<br />

Alltag, Arbeit bleibt ihnen offiziell jedoch verwährt.<br />

Dies führt im besten Falle zu Schwarzarbeit,<br />

ansonsten zu Armut, Obdachlosigkeit <strong>und</strong><br />

Kriminalität. Unter diesen Bedingungen muss<br />

man sich fragen, ob die Kriminalisierung der<br />

<strong>Immigranten</strong> tatsächlich sinnvoll ist. Wenn der<br />

Schriftsteller <strong>und</strong> Orientalist Navid Kermani<br />

die europäische Kardinalfrage „Wer ist Wir?“<br />

stellt, bezieht er sich damit zwar erstrangig auf<br />

die Eingliederung von Muslimen, benennt aber<br />

insgesamt das Problem der fälschlicherweise<br />

vorgenommenen Gegenüberstellung von<br />

Europäern einerseits <strong>und</strong> <strong>Immigranten</strong>

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