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Wie Immigranten Orte und Orte Immigranten verändern

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MADRID<br />

Arquitectos sin Fronteras<br />

In einem Hinterhofzimmer im Norden Madrids tagen<br />

die Arquitectos sin Fronteras – die Architekten<br />

ohne Grenzen. Niemals würde man sie ohne Adresse<br />

finden. Steht man aber im Hof, ist die Tür in<br />

ihren ebenerdigen Raum sperrangelweit geöffnet,<br />

warmes Licht, man wird fre<strong>und</strong>lich empfangen.<br />

Stühle werden herangeholt <strong>und</strong> zu Beginn der Sitzung<br />

extra eine Vorstellungsr<strong>und</strong>e gemacht.<br />

richtenkanal France 24 spricht vom größten Slum<br />

Westeuropas. Will man hinfahren, warnen einen<br />

die Madrider es gebe Drogenhandel, Waffen, die<br />

Cañada Real sei gefährlich.<br />

Doch die Arquitectos sin Fronteras bremsen diese<br />

Panikmache: Längst nicht alle Teile der Cañada<br />

Real seien so, längst nicht alle Einwohner arm <strong>und</strong><br />

kriminell. Viele Spanier hätten sich Land genommen,<br />

ohne dafür zu bezahlen, <strong>und</strong> sich Einfamilienhäuser<br />

gebaut wie in anderen Vororten auch.<br />

Die Meldungen über einen fast ausschließlich<br />

marokkanischen Stadtteil bezögen sich auf den<br />

vierten unter den sechs Sektoren des Gebiets, von<br />

diesem Sektor sei es wiederum ein guter Kilometer,<br />

der aufgr<strong>und</strong> des Drogenhandels gefährlich<br />

sei – lediglich ein Kilometer von einer etwa 14 km<br />

langen Siedlung!<br />

Die Arquitectos sin Fronteras haben sich als<br />

Nichtregierungsorganisation zum Ziel gesetzt, das<br />

Recht auf würdigen Lebensraum zu verteidigen,<br />

sowohl in Entwicklungsländern als auch in der<br />

eigenen Gesellschaft. Es sind fast ausschließlich<br />

junge Leute, Studenten <strong>und</strong> Berufsanfänger zwischen<br />

20 <strong>und</strong> 30. Fast alle sind Architekten, aber<br />

auch eine Kunststudentin <strong>und</strong> ein Informatiker<br />

sind dabei. Die Fluktuation ist jedoch groß – kaum<br />

jemand verfolgt ein Projekt von Anfang bis Ende,<br />

weil alle viel reisen, Arbeiten beginnen, pausieren,<br />

später wieder einsteigen.<br />

Gerade entstehen zum Beispiel eine Studie über<br />

die Markthallen Madrids <strong>und</strong> ein Online-Kurs zur<br />

Einführung neuer Freiwilliger. Hinsichtlich Immigration<br />

ist das ein Projekt interessant, das sich im<br />

vierten Sektor der Cañada Real Galiana befindet,<br />

hinter den Siedlungen von Rivas Vaciamadrid.<br />

Cañada ist die Bezeichnung für Wege, auf denen<br />

traditionell Vieh getrieben wurde. Den Zusatz Real<br />

vergab Alfons X im Jahre 1273 für die Wichtigsten<br />

unter den Cañadas – wenn sie also besonders<br />

gelegen, genutzt <strong>und</strong> groß, mindestens 72 m breit<br />

<strong>und</strong> 500 km lang, waren –, um diese zu schützen.<br />

Noch heute ist die Cañada Real Galiana in öffentlicher<br />

Hand <strong>und</strong> andere Nutzungen, insbesondere<br />

für urbanistische Zwecke, sind untersagt.<br />

Alle Siedlungen, die im südlich von Madrid gelegenen<br />

Abschnitt der Cañada gebaut wurden, sind<br />

also illegal. Es begann in den 60er Jahren mit<br />

einigen Hütten. Heute sind es um die 2000 Bauten<br />

mit beinahe 40000 Bewohnern. Der Nach<br />

Nordwestlich die Autobahn M-50, südöstlich zwar<br />

illegale, aber geordnete Wohngebiete. Dazwischen<br />

der Streifen unregelmäßiger, selbstgezimmerter<br />

Hütten (Bild: Google Maps)<br />

In diesem vierten Sektor ist das Projekt der<br />

Arquitectos sin Fronteras angesiedelt. Dort, wo<br />

ein Gebäude abgerissen wurde <strong>und</strong> eine Brache<br />

entstand, bauen sie nun einen Spielplatz aus recycelten<br />

Materialien. Denn öffentliche Plätze sind im<br />

vierten Sektor der Cañada Mangelware. Jeder hat<br />

sich dort um seine eigene Bleibe bemüht, in der<br />

Illegalität gab es aber nie eine Gesamtplanung.<br />

Nun fehlen vielerlei Infrastrukturen. Im Gegensatz<br />

zu technischen Leitungen oder Straßen ist<br />

ein Spielplatz auch nachträglich gut einzurichten,<br />

sobald eben der Raum dafür frei wird. Bedingung<br />

für seine Errichtung ist, dass die Ehrenamtlichen<br />

von den Anwohnern unterstützt werden. Wenn<br />

sich keiner von den Nachbarn motiviert <strong>und</strong> mithilft,<br />

lassen auch die Arquitectos sin Fronteras die<br />

Schaufeln stehen. Sie haben sich der Bevölkerung<br />

langsam angenähert <strong>und</strong> sind in ihrem kleinen Tätigkeitsgebiet<br />

mittlerweile bekannt, werden sogar<br />

zum marokkanischen Essen eingeladen <strong>und</strong> ihre<br />

Hände mit Henna bemalt. Der Spielplatz ist nahezu<br />

fertig <strong>und</strong> wird bereits gut angenommen.

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