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59 5. Belastungen, Fehlbeanspruchungsfolgen in der Polizeilichen ...

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<strong>5.</strong> <strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

<strong>5.</strong>1 Anfor<strong>der</strong>ungen, <strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> und Interventionen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> polizeilichen Gefahrenabwehr – Ergebnisse e<strong>in</strong>er Literaturrecherche<br />

<strong>Belastungen</strong> von E<strong>in</strong>satzkräften traten vor dem H<strong>in</strong>tergrund zurückliegen<strong>der</strong> Großschadensund<br />

Katastrophenlagen verstärkt <strong>in</strong> den Fokus <strong>der</strong> psychologischen Belastungs- und Beanspruchungsforschung<br />

im deutschsprachigen Raum. Zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen<br />

und Beiträge <strong>in</strong> Fachzeitschriften deuten auf e<strong>in</strong>e anhaltende Forschungsaktivität <strong>in</strong><br />

diesem Bereich h<strong>in</strong>. Die Arbeiten differenzieren <strong>Belastungen</strong> für verschiedene E<strong>in</strong>satzkräftegruppen<br />

<strong>der</strong> polizeilichen und nicht polizeilichen Gefahrenabwehr (Feuerwehr, Rettungsdienst,<br />

Katastrophenschutz und militärische Verteidigung (Bundeswehr)) im H<strong>in</strong>blick auf<br />

dienstespezifische Aufgaben und Anfor<strong>der</strong>ungsprofile. Aufgrund <strong>der</strong> alltäglichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

von E<strong>in</strong>satzkräften mit menschlichen Ausnahmesituationen nach Unglücken,<br />

Straftaten, Verkehrsunfällen o<strong>der</strong> Bränden werden erstens psychische Extrembelastungen<br />

angenommen, die die psychische Gesundheit von E<strong>in</strong>satzkräften bee<strong>in</strong>flussen können. Über<br />

alle E<strong>in</strong>satzkräftegruppen im Bevölkerungsschutz h<strong>in</strong>weg, d. h. Rettungsdienst, THW, Feuerwehr,<br />

Polizei, Bundesgrenzschutz/Bundespolizei wie auch <strong>der</strong> Bundeswehr f<strong>in</strong>den sich<br />

daher zahlreiche Veröffentlichungen zu traumatischem Stress. Als potenziell traumatisierende<br />

<strong>Belastungen</strong> werden beispielsweise die Konfrontation mit e<strong>in</strong>er großen Anzahl von verletzten<br />

o<strong>der</strong> getöteten Personen, E<strong>in</strong>sätze, <strong>in</strong> denen die Opfer K<strong>in</strong><strong>der</strong>, Bekannte o<strong>der</strong> Familienmitglie<strong>der</strong><br />

s<strong>in</strong>d, diskutiert, aber auch variierende Voraussetzungen auf Seiten <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzkräfte,<br />

die zunächst ke<strong>in</strong> traumatisierendes Potenzial vermuten lassen (z. B. vergleichbare<br />

Kleidung von Opfern und eigenen Familienangehörigen). Bei E<strong>in</strong>satzkräften <strong>in</strong> <strong>der</strong> polizeilichen<br />

Gefahrenabwehr kann zudem <strong>der</strong> (erwogene) Gebrauch <strong>der</strong> Schusswaffe und se<strong>in</strong>e<br />

Folgen (Tod, Verletzung von Verdächtigten) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>satz als extreme Belastung bewertet<br />

werden. Als Folge traumatischer E<strong>in</strong>satzerfahrungen wird die PTSD häufig untersucht<br />

und diskutiert.<br />

Zweitens hat aber auch die wissenschaftliche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit dem E<strong>in</strong>satz-Alltag<br />

und den Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen im E<strong>in</strong>satzwesen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei, bereits e<strong>in</strong>e längere<br />

Tradition. Über relativ seltene, hochdramatische, potenziell traumatisierende E<strong>in</strong>sätze<br />

h<strong>in</strong>aus werden auch weitere, „Alltagsstressoren“, also Arbeitsanfor<strong>der</strong>ungen bzw.<br />

-belastungen im E<strong>in</strong>satzwesen diskutiert. Dabei lassen sich auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

im E<strong>in</strong>satz und im Arbeitsalltag als Quelle beruflicher und persönlicher Weiterentwicklung<br />

werten, die das Wohlbef<strong>in</strong>den för<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> die Arbeitszufriedenheit steigern. Auf <strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>en Seite können aber auch Anfor<strong>der</strong>ungen und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen wirksam werden,<br />

die langfristig die Leistungsfähigkeit, die Leistungsbereitschaft und die Arbeitsmotivation von<br />

E<strong>in</strong>satzkräften herabsetzen. Ungünstige Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen, Zeitdruck, Konflikte <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Teams, ger<strong>in</strong>ge Aufstiegschancen, Arbeitsplatzunsicherheit usw. können ebenfalls die<br />

arbeitsbezogene Gesundheit bee<strong>in</strong>flussen. Burnout, Ermüdung, Motivationsverlust, Rückzug<br />

aus <strong>der</strong> Arbeit und <strong>in</strong>nere Kündigung werden als denkbare Folgen von (alltäglichen) Arbeitsbelastungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> polizeilichen und nicht polizeilichen Gefahrenabwehr genannt, sche<strong>in</strong>en<br />

aber <strong>in</strong> <strong>der</strong> arbeitspsychologischen (Stress)Forschung im E<strong>in</strong>satzwesen bis heute weitaus<br />

weniger zu <strong>in</strong>teressieren, als dies z. B. bei mediz<strong>in</strong>ischen, Pflege- o<strong>der</strong> Sozialberufen <strong>der</strong><br />

Fall ist. E<strong>in</strong>en dritten Aspekt stellen <strong>in</strong> diesem Zusammenhang Schlussfolgerungen und<br />

<strong>59</strong>


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Empfehlungen für die Praxis dar, die sich zunächst e<strong>in</strong>mal auf die Möglichkeiten <strong>der</strong> Entlastung<br />

von E<strong>in</strong>satzkräften durch die Reduktion von <strong>Belastungen</strong> beziehen. Die zentrale Fragestellung<br />

lautet hier, wie können <strong>Belastungen</strong> resultierend aus Anfor<strong>der</strong>ungen und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

für E<strong>in</strong>satzkräfte reduziert werden? Darüber h<strong>in</strong>aus werden Interventionen und<br />

Angebote zur Bewältigung e<strong>in</strong>getretener <strong>Belastungen</strong> beschrieben; <strong>der</strong> Fokus liegt dabei auf<br />

<strong>der</strong> Frage nach Möglichkeiten zur Erweiterung <strong>der</strong> <strong>in</strong>dividuellen Stressbewältigungs- und<br />

Stressmanagementkompetenzen.<br />

Im Folgenden steht die wissenschaftliche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit Anfor<strong>der</strong>ungen, Arbeitsbelastungen,<br />

gesundheitlichen Folgen von <strong>Belastungen</strong>, mo<strong>der</strong>ierenden Variablen sowie<br />

Angeboten zur Entlastung und Belastungsbewältigung bei E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> polizeilichen<br />

Gefahrenabwehr im Mittelpunkt <strong>der</strong> Analyse, wie sie sich <strong>in</strong> psychologischen Veröffentlichungen<br />

aus dem deutschsprachigen Raum darstellt. Dabei werden auch Geme<strong>in</strong>samkeiten<br />

und Unterschiede zwischen Publikationen herausgearbeitet, die sich e<strong>in</strong>erseits auf die polizeiliche<br />

und an<strong>der</strong>erseits auf die nicht polizeiliche Gefahrenabwehr beziehen. Die vergleichende<br />

Analyse basiert auf Vorarbeiten, bei denen die wissenschaftliche Diskussion <strong>der</strong> Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

<strong>Belastungen</strong>, (Fehl)Beanspruchungsfolgen und präventiven Interventionen im<br />

Zivil- und Katastrophenschutz im Vor<strong>der</strong>grund standen (Beerlage, Her<strong>in</strong>g & Schmidt, 2003b;<br />

Her<strong>in</strong>g & Beerlage, 2004a, d). Schon an dieser Stelle kann festgehalten werden, dass vor<br />

allem potenziell traumatisierende <strong>Belastungen</strong>, also Situationen mit e<strong>in</strong>em extremen Stresspotenzial<br />

von wissenschaftlichem Interesse s<strong>in</strong>d. Als Belastungsfolgen wurde überwiegend<br />

die PTSD untersucht. Teilweise wurden aber auch an<strong>der</strong>e psychische Belastungsfolgen mit<br />

Krankheitswert nach <strong>der</strong> International Classification of Diseases (ICD 10) o<strong>der</strong> dem Diagnostic<br />

and Statistical Manual of Mental Disor<strong>der</strong>s (DSM IV), wie z. B. Depressionen, diskutiert.<br />

<strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> unterhalb <strong>der</strong> Krankheitsschwelle (Burnout, Motivationsverlust,<br />

e<strong>in</strong>geschränkte Leistungsbereitschaft, <strong>in</strong>nere Kündigung etc.) wurden selten untersucht.<br />

Im deutschsprachigen Raum fanden sich bei Recherchen <strong>in</strong> Fachdatenbanken nur sehr wenige<br />

Veröffentlichungen zu diesem Thema vor 1996, e<strong>in</strong> deutlicher Anstieg <strong>der</strong> Anzahl konnte<br />

nach 1998 verzeichnet werden, dem Jahr des ICE-Unglücks <strong>in</strong> Eschede. Dar<strong>in</strong> kann auch<br />

e<strong>in</strong> Grund für die zunehmende Schwerpunktsetzung <strong>der</strong> Forschungsaktivitäten auf „das<br />

Trauma“ und „die Traumafolgen <strong>in</strong> <strong>der</strong> polizeilichen Gefahrenabwehr“ gesehen werden. Interventionen<br />

und Maßnahmen zur Belastungsreduktion und mit dem Ziel <strong>der</strong> Unterstützung<br />

bei <strong>der</strong> Belastungsbewältigung werden dabei i. d. R. <strong>in</strong> Maßnahmen <strong>der</strong> primären, sekundären<br />

und tertiären Prävention geglie<strong>der</strong>t. Alle Interventionsansätze werden auch für E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

<strong>der</strong> nicht polizeilichen Gefahrenabwehr diskutiert, <strong>der</strong> Fokus präventiver Ziele liegt hier<br />

hauptsächlich auf <strong>der</strong> Vorbeugung, frühzeitigen Erkennung und psychotherapeutischen Behandlung<br />

<strong>der</strong> Posttraumatischen Belastungsstörung, <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gem Maß wurden allgeme<strong>in</strong>e<br />

Outcomevariablen (Gesundheit, Wohlbef<strong>in</strong>den, Motivation, Leistungsbereitschaft usw.) <strong>in</strong><br />

präventiven Überlegungen berücksichtigt.<br />

<strong>5.</strong>1.1 Suchterme und Suchergebnisse <strong>der</strong> Literaturrecherche<br />

Die Recherche <strong>in</strong> PSYNDEX © (ZPID) wurde unter Verwendung des Suchterms: [(belast* or<br />

stress* or burnout* or occupational stress or job stress or trauma* or mental dis*) and polizei]<br />

durchgeführt. H<strong>in</strong>sichtlich des Publikationszeitraumes wurde die Suche nicht limitiert. Insgesamt<br />

ergab die Suche 219 Treffer, alle Treffer wurden gesichtet und h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Relevanz<br />

für die zugrundeliegende Fragestellung bewertet. In die nähere Analyse wurden 91<br />

Publikationen e<strong>in</strong>bezogen. Inhaltlich nicht berücksichtigt wurden erstens Veröffentlichungen,<br />

60


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

<strong>der</strong>en Schwerpunkt ausschließlich bei <strong>Belastungen</strong>, Belastungserleben und -folgen von<br />

E<strong>in</strong>satzkräften außerhalb <strong>der</strong> polizeilichen Gefahrenabwehr sowie von Opfern und <strong>der</strong>en<br />

Angehörigen lag. Zweitens fanden Lehrbücher und Unterrichtsmaterialen ke<strong>in</strong>e Berücksichtigung<br />

(z. B. Psychologie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei, Auflösung von Prüfungsfragen). Drittens s<strong>in</strong>d Veröffentlichungen<br />

ausgeschlossen worden, die ke<strong>in</strong>en thematischen Bezug zur Recherche erkennen<br />

ließen (z. B. Rechtsextremismus <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei).<br />

Abbildung 1 stellt die Entwicklung <strong>der</strong> Anzahl relevanter Veröffentlichungen <strong>in</strong> absoluten<br />

Zahlen jeweils über e<strong>in</strong>en Zeitraum von drei Jahren seit 1988 dar.<br />

Gesamttreffer (N=220)<br />

Anzahl relevanter Treffer (n=92)<br />

76<br />

5<br />

28<br />

19 17<br />

8 10 11<br />

40 35<br />

17<br />

16 28<br />

vor 1988 1988-<br />

1990<br />

1991-<br />

1993<br />

1994-<br />

1996<br />

1997-<br />

1999<br />

2000-<br />

2002<br />

2003-<br />

2005<br />

Abbildung 1: Anzahl relevanter Veröffentlichungen im Vergleich mit <strong>der</strong> Gesamttrefferanzahl an Veröffentlichungen<br />

über <strong>Belastungen</strong>, Belastungsfolgen und Interventionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei im<br />

Ergebnis e<strong>in</strong>er PSYNDEX-Recherche (ZPID) (N=219).<br />

Über die Jahre nahm die Anzahl an Veröffentlichungen deutlich zu. Die im Vergleich mit dem<br />

Zeitraum von 1988-1999 größere Zunahme relevanter Veröffentlichungen <strong>in</strong> den sechs Jahren<br />

von 2000 bis 2005, lässt zunächst auf e<strong>in</strong> gestiegenes wissenschaftliches Interesse an<br />

<strong>Belastungen</strong> und Belastungsfolgen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei schließen.<br />

E<strong>in</strong>e ähnliche Entwicklung zeichnete sich auch bei vergleichbaren Recherchen <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

E<strong>in</strong>satzkräftegruppen ab (s. Beerlage, Her<strong>in</strong>g & Nörenberg, 2006). Dieser Trend kann dabei<br />

im Zusammenhang mit zurückliegenden Schadensereignissen zum Ende <strong>der</strong> 90er Jahre des<br />

vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts gesehen werden, wobei <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e das ICE-Unglück <strong>in</strong> E-<br />

schede e<strong>in</strong>en bedeutenden Anstoß für die Zunahme an Publikationen Belastungs- und Beanspruchungsforschung<br />

im E<strong>in</strong>satzwesen gegeben haben dürfte.<br />

61


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

<strong>5.</strong>1.2 Ergebnis <strong>der</strong> Recherche<br />

<strong>5.</strong>1.2.1 Stressoren, Anfor<strong>der</strong>ungen und Risikofaktoren bei E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Polizei<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Polizei s<strong>in</strong>d aufgrund ihrer beruflichen Arbeit mit e<strong>in</strong>em dienstespezifischen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungs- und Belastungsprofil konfrontiert, das sich aus <strong>der</strong> Aufgabenstruktur und <strong>der</strong><br />

Arbeitsorganisation (z. B. Schichtdienst, Wochenend- und Nachtarbeit) zusammensetzt.<br />

Hervorgehoben wird, dass sie <strong>in</strong> beson<strong>der</strong>er Weise e<strong>in</strong>e potenzielle Risikogruppe für die<br />

Konfrontation mit teils extremen, beruflich bed<strong>in</strong>gten psychischen <strong>Belastungen</strong> darstellen, die<br />

sich z. B. aus <strong>der</strong> Konfrontation mit Schwerverletzten o<strong>der</strong> mit Menschen <strong>in</strong> psychischen<br />

Ausnahmesituationen ergeben (Alcala-Toca, 1988; Bosold, Ohlemacher, Kirchberg & Lauterbach,<br />

2002; Brown, Cooper & Kirkcaldy, 1996; Hallenberger, 2001, 2003; Hallenberger,<br />

Hei<strong>der</strong>ich & Rieger, 2003; Hallenberger & Müller, 2000; Hermanutz, Ludwig & Schmalzl,<br />

2001; Kirkcaldy, 1993; Klemisch, Keppl<strong>in</strong>ger & Muthny, 2005a, b; Ohlemacher Bosold, Fiedler,<br />

Lauterbach, Zitz, Enzmann, Kleuker, Nauck, & Pawlowski, 2002; Sennekamp & Mart<strong>in</strong><br />

2001, 2003 a, b; Teegen, 1999; Teegen, Domnick & Heerdegen, 1997; Zittlau, 1991). Es<br />

wird auf die Relevanz extremer, e<strong>in</strong>satzbezogener <strong>Belastungen</strong> für die Ausbildung von<br />

psychischen Störungen mit Krankheitswert (PTSD) h<strong>in</strong>gewiesen. Zu den relevanten<br />

Merkmalen extrem belasten<strong>der</strong> E<strong>in</strong>sätze werden <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bezogen auf E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> polizeilichen Gefahrenabwehr, E<strong>in</strong>sätze unter eigener Lebensgefahr sowie E<strong>in</strong>sätze, die<br />

die Verletzung <strong>der</strong> (eigenen) körperlichen Unversehrtheit bzw. auch den Tod von Kollegen<br />

o<strong>der</strong> von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zur Folge haben, gezählt. Darüber h<strong>in</strong>aus werden Situationen als PTSDrelevant,<br />

zum<strong>in</strong>dest aber als extreme <strong>Belastungen</strong> mit mittelfristigen Folgen für die<br />

psychische Gesundheit diskutiert, die mit extremer Handlungsunfähigkeit verbunden s<strong>in</strong>d<br />

o<strong>der</strong> den E<strong>in</strong>satz von Schusswaffen erfor<strong>der</strong>n, u. U. mit Verletzung o<strong>der</strong> Tötung verdächtigter<br />

Personen (Baer, Pahlke, Dahm, Weiss & Heuft, 2004; Hahn, 2001; Hallenberger,<br />

2001, 2003; Klemisch, Keppl<strong>in</strong>ger & Muthny, 2005 a, b; Lorei, 1999; Sennekamp & Mart<strong>in</strong>,<br />

2003 a, b; Teegen, 1999).<br />

Als subjektiv hochbelastend und potenziell PTSD-auslösend gelten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei zudem E<strong>in</strong>sätze<br />

mit Verletzung und Tod dritter Personen („Opfer“), mit Eigengefährdung sowie mit Gewaltanwendung<br />

(Eggers, 1999; Hallenberger, Hei<strong>der</strong>ich & Rieger, 2003; Hallenberger & Müller,<br />

2000; Klemisch, Keppl<strong>in</strong>ger & Muthny, 2005; Koch, Pört<strong>in</strong>g & Störzer, 1996; Teegen,<br />

1999; Teegen, Domnick & Heerdegen, 1997). Hallenberger und Müller (2000) erweitern dieses<br />

Spektrum extremer e<strong>in</strong>satzbezogener <strong>Belastungen</strong> um Aspekte des Arbeits-„Alltages“,<br />

<strong>in</strong>dem sie betonen, dass <strong>der</strong> tägliche Berufsstress auch auf die dienstespezifischen sozialen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen (z. B. <strong>in</strong>tensiver Bürgerkontakt <strong>in</strong> konfliktgeladenen Situationen) und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

zurückgeführt werden kann. Näher betrachtet wird hier speziell die Nacht- und<br />

Schichtarbeit (Beermann, 1993; Beermann & Nachre<strong>in</strong>er, 1992; Bonitz, Hedden, Grzech-<br />

Sukalo & Nachre<strong>in</strong>er, 1989; Grzech-Sukalo, Hedden & Nachre<strong>in</strong>er, 1990; Hedden, Bonitz,<br />

Grzech-Sukalo & Nachre<strong>in</strong>er, 1989; Ottmann, Karvonen, Schmidt, Knauth & Rutenfranz,<br />

1989; Zittlau, 1991) sowie auch die Arbeit im Streifendienst (Ja<strong>in</strong> & Stephan, 2000).<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Polizei arbeiten mehrheitlich <strong>in</strong> Schichten, die häufig <strong>in</strong> Zeiten außerhalb<br />

<strong>der</strong> „normalen“ Arbeitszeit liegen (Wochenende, Nachtarbeit usw.). Die Folgen des Schichtdienstes<br />

für den Biorhythmus, die zircadiane Periodik, und die Pflege <strong>der</strong> sozialen Kontakte<br />

wird als erheblich e<strong>in</strong>gestuft (Zittlau, 1991). Beermann (1993) <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Nachre<strong>in</strong>er<br />

(1992) stellen dabei fest, dass sich Männer und Frauen h<strong>in</strong>sichtlich schichtdienstspezi-<br />

62


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

fischer <strong>Belastungen</strong> nicht bedeutsam unterscheiden. Die Arbeitsgruppe Bonitz, Hedden,<br />

Grzech-Sukalo und Nachre<strong>in</strong>er (1989) untersuchten die psychosozialen Effekte unterschiedlicher<br />

Schichtsysteme. Von den Schichtsystemen werden diejenigen als tendenziell günstiger<br />

beurteilt, die zum e<strong>in</strong>en Langschichten enthalten und e<strong>in</strong>e spezifische Folge unterschiedlicher<br />

Schichten ermöglichen (sie sprechen dabei von „kurz rückwärts rotierenden Systemen“).<br />

Es zeigt sich auch, dass Schichtsysteme, <strong>der</strong>en periodische Komponente mit dem<br />

gesellschaftlichen Lebensrhythmus synchron verläuft, zu ger<strong>in</strong>geren Bee<strong>in</strong>trächtigungen führen<br />

als Schichtpläne, die sich häufig nicht mit dem gesellschaftlichen Rhythmus vere<strong>in</strong>baren<br />

lassen (hier wird <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Arbeit an normalerweise freien Tagen fokussiert, also an<br />

Wochenenden und Feiertagen).<br />

Neben den Arbeiten, die Zusammenhänge zwischen Effekten <strong>der</strong> Schichtarbeit und dem<br />

<strong>in</strong>dividuellen Biorhythmus thematisieren, wurde von dem Knesebeck, David und Siegrist<br />

(2005) <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss psychosozialer Arbeitsbelastungen auf die Ausbildung muskuloskelettaler<br />

Beschwerden bei Speziale<strong>in</strong>heiten <strong>der</strong> Polizei untersucht. Psychosoziale Arbeitsbelastungen<br />

wurden anhand des Modells beruflicher Gratifikationskrisen erhoben, welches<br />

von <strong>der</strong> Annahme ausgeht, dass e<strong>in</strong> Ungleichgewicht zwischen hoher Verausgabung und<br />

erhaltener Belohnung zu Stressreaktionen führt. Es zeigte sich, dass über e<strong>in</strong> Drittel <strong>der</strong> Beamten<br />

von e<strong>in</strong>em ausgeprägten Missverhältnis zwischen beruflicher Verausgabung und Belohnung<br />

betroffen s<strong>in</strong>d. Zusammenhänge zwischen beruflichen Gratifikationskrisen und dem<br />

Auftreten von Nacken-, Schulter- und Rückenschmerzen konnten nachgewiesen werden.<br />

Fazit und Vergleich mit <strong>der</strong> nicht polizeilichen Gefahrenabwehr<br />

Vergleicht man die wissenschaftliche Diskussion potenzieller <strong>Belastungen</strong> zwischen <strong>der</strong> polizeilichen<br />

und nicht polizeilichen Gefahrenabwehr fällt auf, dass sich <strong>der</strong> Fokus <strong>der</strong> Betrachtung<br />

bei E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Polizei nicht so deutlich nur auf Extrembelastungen richtet, son<strong>der</strong>n<br />

<strong>in</strong> hohem Maß auch ungünstige Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen als belastend diskutiert werden.<br />

Das Gesamtspektrum von <strong>Belastungen</strong> wird aus arbeitsmediz<strong>in</strong>ischer Sicht (zircadiane Periodik,<br />

Schichtarbeit usw.), arbeitspsychologischer und psychosozialer Perspektive (soziale<br />

Interaktion zwischen Kollegen) sowie bezogen auf traumatische Aspekte des E<strong>in</strong>satzdienstes<br />

umfassen<strong>der</strong> abgebildet, als dies zum Zeitpunkt <strong>der</strong> Recherche bei E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong><br />

nicht polizeilichen Gefahrenabwehr deutlich wurde. In dieser Gruppe wurden sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

theoretischen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> empirischen Forschung psychische Extrembelastungen<br />

<strong>in</strong> stärkerem Maß betont als Alltagsbelastungen (Arbeitszeit, Arbeitsorganisation<br />

usw.) (vgl. im Überblick Beerlage, Her<strong>in</strong>g & Nörenberg, 2006; Her<strong>in</strong>g & Beerlage<br />

2004b, c). Unter den <strong>Belastungen</strong> im E<strong>in</strong>satz mit hohem Risiko für die Herausbildung <strong>der</strong><br />

PTSD wird – neben vergleichbaren Variablen wie <strong>in</strong> Feuerwehr, Rettungsdienst und THW –<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>der</strong> (erwogene) Schusswaffengebrauch hervorgehoben.<br />

<strong>5.</strong>1.2.2 Belastungserleben und Belastungsfolgen<br />

von E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Polizei sowie mo<strong>der</strong>ierende Variablen<br />

Die wissenschaftlichen Aussagen h<strong>in</strong>sichtlich potenzieller Belastungsfolgen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei<br />

konzentrieren sich ungeachtet des relativ breiten betrachteten Belastungsspektrums hauptsächlich<br />

auf die PTSD. Als weitere potenzielle Folgen <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei, von e<strong>in</strong>satzund<br />

arbeitsorganisationsbezogenen <strong>Belastungen</strong> werden zudem auch Burnout (Jost, 1996),<br />

Suizid von Polizisten (Gasch, 2000; Hartwig, 1998, 2003; Hartwig & Violanti, 1999; Schmidt-<br />

63


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

ke, Fricke & Lester, 1999), Suchtverhalten (Ste<strong>in</strong>bauer, 2001; Ste<strong>in</strong>bauer, Jagsch & Krysp<strong>in</strong>-<br />

Exner, 2002; Teegen, 1999), Arbeitszufriedenheit (Bornawasser, 2003; Spohrer, 2002), <strong>in</strong>nere<br />

Kündigung (Jimenez, 2004), sowie die Bee<strong>in</strong>trächtigung des Wohlbef<strong>in</strong>dens (Sennekamp<br />

& Mart<strong>in</strong>, 2003a, b) thematisiert. Sennekamp und Mart<strong>in</strong> (2001) sowie Teegen, Domnick und<br />

Heerdegen (1997) konnten <strong>in</strong> ihren Untersuchungen nachvollziehbare H<strong>in</strong>weise darauf f<strong>in</strong>den,<br />

dass das subjektive Belastungserleben von E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Polizei mit <strong>der</strong> Häufigkeit<br />

erlebter Extrembelastungen variiert.<br />

Für die Entstehung von Belastungsfolgen konnten bei E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Polizei unterschiedliche<br />

mo<strong>der</strong>ierende Variablen identifiziert werden. Als häufig genannte Schutz- und Risikofaktoren,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e bei <strong>der</strong> Herausbildung <strong>der</strong> PTSD, werden soziodemographische und<br />

(berufs-)biographische Faktoren erörtert (Alter (Gasch, 1998), Geschlecht (Gasch, 1998;<br />

Hallenberger, Hei<strong>der</strong>ich & Rieger, 2003; Ste<strong>in</strong>bauer, Jagsch & Krysp<strong>in</strong>-Exner, 2002), Berufserfahrung<br />

sowie Erfahrung mit extremen E<strong>in</strong>sätzen (Hallenberger, Hei<strong>der</strong>ich & Rieger, 2003;<br />

Sennekamp & Mart<strong>in</strong>, 2001, 2003 a, b; Ste<strong>in</strong>bauer, 2001; Ste<strong>in</strong>bauer, Jagsch & Krysp<strong>in</strong>-<br />

Exner, 2002; Teegen, Domnick & Heerdegen, 1997), die Kumulation erlebter <strong>Belastungen</strong><br />

sowie die persönliche Lebensgeschichte (Teegen, 1999; Teegen, Domnick & Heerdegen,<br />

1997). Sennekamp und Mart<strong>in</strong> (2003a, b) arbeiteten heraus, dass sich jeweils aktuell erlebte<br />

schwierige und belastende Situationen dann deutlich ungünstiger auf das Wohlbef<strong>in</strong>den von<br />

Polizisten auswirken, je länger die Polizeikräfte bereits im Polizeidienst beschäftigt s<strong>in</strong>d.<br />

Gasch (1998) hält fest, dass die Erholungswerte bezüglich <strong>der</strong> Verarbeitung traumatisieren<strong>der</strong><br />

Erlebnisse mit dem Alter und höherem Schulabschluss zunehmen. Teegen (1999) sowie<br />

Teegen, Domnick und Heerdegen (1997) zufolge variiert die Vulnerabilität für Belastungsfolgen,<br />

<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die PTSD, auch mit <strong>der</strong> Häufigkeit traumatischer <strong>Belastungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

persönlichen Lebensgeschichte.<br />

Als mo<strong>der</strong>ierende E<strong>in</strong>flüsse auf den Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastungen und Belastungsfolgen<br />

werden Personenmerkmale wie das Typ A o<strong>der</strong> Typ B Verhalten (Kirkcaldy,<br />

Shephard & Cooper, 1993), Stressreagibilität, Ärgerverarbeitung, Aggressivität sowie psychosomatische<br />

Beschwerden diskutiert (Füllgrabe, 1997; Gasch, 1998). Betrachtet werden<br />

auch biographisch erworbene Ressourcen und ihr E<strong>in</strong>fluss auf die Entwicklungen von PTSD.<br />

Dazu werden euthyme Ressourcen, zum Beispiel Humor (Füllgrabe 1997), <strong>in</strong>ternale Kontrollüberzeugung<br />

(Cooper, Kirkcaldy & Brown, 1994; Kirkcaldy, 1993; Kirkcaldy, Brown &<br />

Cooper, 1994; Kirkcaldy, Cooper, Furnham & Brown, 1993; Kirkcaldy, Furnham & Cooper,<br />

1994; Krampl, 2003), Cop<strong>in</strong>gverhalten (Kirkcaldy, Cooper & Brown, 1995), Selbstwirksamkeitserwartung<br />

(Gasch, 1998), Erleben von S<strong>in</strong>nhaltigkeit <strong>der</strong> Arbeit (Klemisch, Keppl<strong>in</strong>ger &<br />

Muthny, 2005b), Berufszufriedenheit (Litzcke, 2004), sowie Aspekte des <strong>in</strong>dividuellen Gesundheitsverhaltens<br />

(Zittlau, 1992) gezählt.<br />

In wenigen Untersuchungen <strong>in</strong>teressierte <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss sozialer Mo<strong>der</strong>atorvariablen auf den<br />

Zusammenhang zwischen Arbeitsbelastungen und Belastungsfolgen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei. Der Fokus<br />

<strong>der</strong> wissenschaftlichen Betrachtung lag dabei auf <strong>der</strong> wahrgenommenen sozialen Unterstützung<br />

(Bock, 2003; Gasch, 1998; Kirkcaldy & Furnham, 1995). In <strong>der</strong> Untersuchung von<br />

Busch, Fel<strong>der</strong>, Wirtenberger, Pircher, Geser, Korunka, Weiss, Zauchner, Kafka-Lützow, Meier<br />

und Kirchler (1998) ergab sich e<strong>in</strong> Puffereffekt wahrgenommener sozialer Unterstützung<br />

auf gesundheitliche Auswirkungen von Arbeitsbelastungen. Je mehr Unterstützung Polizeibedienstete<br />

erfuhren, desto weniger Bee<strong>in</strong>trächtigungen konnten festgestellt werden. Wie <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> sozialen Unterstützungsforschung <strong>in</strong>sgesamt s<strong>in</strong>d die Ergebnisse h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> Wirkung<br />

sozialer Unterstützung nicht e<strong>in</strong>heitlich und weisen z. T. e<strong>in</strong>e große Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit<br />

64


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

auf. E<strong>in</strong> direkter Vergleich <strong>der</strong> Ergebnisse verschiedener Untersuchungen ist zudem wegen<br />

des une<strong>in</strong>heitlichen methodischen Vorgehens kaum möglich. Auch bei E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong><br />

Polizei f<strong>in</strong>den sich nicht immer günstige, mo<strong>der</strong>ierende E<strong>in</strong>flüsse <strong>der</strong> wahrgenommenen sozialen<br />

Unterstützung (Gasch, 1998).<br />

Bei e<strong>in</strong>er differenzierten Betrachtung unterschiedlicher Quellen sozialer Unterstützung bei<br />

E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Polizei wurde auch deutlich, dass e<strong>in</strong> hohes Maß wahrgenommener<br />

sozialer Unterstützung nicht generell günstige Auswirkungen zu haben sche<strong>in</strong>t (Busch,<br />

Fel<strong>der</strong>, Wirtenberger, Pircher, Geser, Korunka, Weiss, Zauchner, Kafka-Lützow, Meier &<br />

Kirchler, 1998). Dabei sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die Wahrnehmung sozialer Unterstützung von<br />

Vorgesetzten von eher ger<strong>in</strong>ger Bedeutung für die Gesundheit von Polizisten zu se<strong>in</strong>.<br />

Als relevante Faktoren und Strategien zur Bewältigung beruflicher Alltagsbelastungen sowie<br />

extrem belasten<strong>der</strong> E<strong>in</strong>sätze werden dennoch auch soziale Variablen und Interaktionsaspekte<br />

diskutiert. Dazu zählen Gespräche mit Kollegen (Hahn, 2001; Hallenberger, Hei<strong>der</strong>ich &<br />

Rieger, 2003; Sennekamp & Mart<strong>in</strong>, 2003a, b; Teegen, 1999; Teegen, Domnick & Heerdegen,<br />

1997), mit den eigenen Angehörigen (Hallenberger, Hei<strong>der</strong>ich & Rieger, 2003; Hallenberger<br />

& Müller, 2000; Teegen, 1999; Teegen, Domnick & Heerdegen, 1997), Bekannten<br />

(Hallenberger & Müller, 2000) und Vorgesetzten (Sennekamp & Mart<strong>in</strong>, 2003a, b).<br />

Fazit und Vergleich mit <strong>der</strong> nicht polizeilichen Gefahrenabwehr<br />

Das Spektrum von <strong>Belastungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei wird <strong>in</strong> den gesichteten Veröffentlichungen<br />

sehr differenziert diskutiert. Sowohl Extrembelastungen als auch Alltagsbelastungen wurden<br />

vergleichbar häufig untersucht bzw. thematisiert. Bei den Belastungsfolgen konnte dagegen<br />

e<strong>in</strong>e stärkere Betonung auf Krankheiten sowie extremen Folgen extremer <strong>Belastungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

psychologischen Fachdiskussion verzeichnet werden. Sehr häufig lag <strong>der</strong> Fokus auf <strong>der</strong><br />

PTSD als Belastungsfolge, daneben aber auch auf an<strong>der</strong>en psychischen Störungen o<strong>der</strong><br />

Verhaltensweisen mit Krankheitswert wie z. B. Substanzabusus (Süchte unterschiedlicher<br />

Art), aber auch Suizidversuchen und vollendeten Suiziden von Polizeibeamten. Gesundheitliche<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigungen, die zunächst ke<strong>in</strong>en Krankheitswert haben, jedoch, wie Untersuchungen<br />

<strong>in</strong> an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>satzkräftegruppen zeigten, Auswirkungen auf die Vulnerabilität bzw.<br />

Belastbarkeit haben können, wurden bei E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Polizei im deutschsprachigen<br />

Raum dagegen sehr selten untersucht.<br />

<strong>5.</strong>1.2.3 Stressoren, Anfor<strong>der</strong>ungen, Risikofaktoren<br />

und Beanspruchungsfolgen bei <strong>der</strong> Bundespolizei<br />

Im Zeitraum von 1988 bis 2005 wurde nur e<strong>in</strong>e relevante Publikation gefunden, welche Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

<strong>Belastungen</strong> und Belastungsfolgen ausschließlich für E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Bundespolizei<br />

(früher Bundesgrenzschutz (BGS)) thematisiert. Die von Spohrer (2002) veröffentlichte<br />

Studie beruht auf <strong>der</strong> Sekundäranalyse <strong>der</strong> Daten e<strong>in</strong>er Mitarbeiterbefragung bei Beamten<br />

im mittleren Dienst des BGS aus dem Jahre 1996. Untersucht wurden die Auswirkungen<br />

organisationsbezogenen Stresses auf die Arbeitszufriedenheit <strong>der</strong> Mitarbeiter. Als potenzielle<br />

Stressoren wurden die Auswirkungen <strong>der</strong> Organisationsreform II des BGS im Jahr<br />

1994 untersucht, die <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Verän<strong>der</strong>ungen des Aufgabenspektrums und des E<strong>in</strong>satzortes<br />

<strong>der</strong> Beamten erwarten ließen. Dabei <strong>in</strong>teressierten auch unterschiedliche Interpretations-<br />

und Stressbewältigungsmechanismen <strong>der</strong> Beamten im Kontext ihres Bedrohungsund<br />

Unsicherheitserlebens. Mo<strong>der</strong>ierende E<strong>in</strong>flüsse wurden von personalen Ressourcen wie<br />

65


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

z. B. Kontrollüberzeugungen erwartet. Die Annahmen <strong>der</strong> Studie basieren auf dem Arbeitszufriedenheitsmodell<br />

von Bruggemann, Groskurth und Ulich (1975) (zitiert nach Spohrer,<br />

2002) sowie auf den stresstheoretischen Modellen von Lazarus (1966) (zitiert nach Spohrer,<br />

2002) und Mc Garth (1976, 1981) (zitiert nach Spohrer, 2002). Im Ergebnis zeigten sich <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

Beamte mittleren Alters (32-44 Jahre) unzufrieden mit ihrer Arbeit. Dies zeigte<br />

sich zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er hohen Unzufriedenheit mit dem Vorgesetzten und zum an<strong>der</strong>en mit<br />

dem Beruf selbst <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>gen Kontrollüberzeugung. Auch Anzeichen<br />

psychosomatischer Beschwerden wurden deutlich.<br />

<strong>5.</strong>1.2.4 Interventionen, Prävention und psychosoziale Nachsorge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei<br />

Ansatzpunkte und Indikationen<br />

Maßnahmen zur Prävention und psychosozialen Nachsorge für Polizeibedienstete weisen <strong>in</strong><br />

(fach-)wissenschaftlichen Veröffentlichungen e<strong>in</strong>e große Vielfalt auf. Erkennbar wird, dass<br />

e<strong>in</strong> relativ breites Spektrum möglicher <strong>Belastungen</strong> als Indikation für psychosoziale Angebote<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei diskutiert wird. Über Angebote zur Nachsorge bei psychischem Extremstress<br />

h<strong>in</strong>aus (z. B. nach Schusswaffengebrauch usw.), werden häufig auch Maßnahmen beschrieben,<br />

die <strong>der</strong> primären Prävention zugeordnet werden können. Sie umfassen dabei nicht ausschließlich<br />

die Vorbereitung auf Extrembelastungen, son<strong>der</strong>n thematisieren auch potenzielle<br />

Alltagsbelastungen sowie die beruflichen Kompetenzen von Polizeibediensteten.<br />

Dazu können z. B. Maßnahmen zur Vorbeugung von Stresserleben <strong>in</strong> seltenen Situationen<br />

gezählt werden, <strong>in</strong> denen z. B. e<strong>in</strong> hohes Maß an sozialer Kompetenz erfor<strong>der</strong>lich ist.<br />

Im Kontext primärer Prävention werden auch Maßnahmen diskutiert, die es Polizisten erleichtern,<br />

ihre Aufgaben auch unter sehr schwierigen Bed<strong>in</strong>gungen zu erfüllen. Dazu zählen<br />

z. B. <strong>der</strong> Umgang mit psychisch auffälligen Personen (Buchmann & Hermanutz, 2003), aber<br />

auch Situationen mit hohem Konfliktpotenzial, die z. B. im Rahmen von Verkehrskontrollen<br />

auftreten können (Krauthan & Wagner-L<strong>in</strong>k, 2003). Primärpräventive Maßnahmen dienen<br />

zudem <strong>der</strong> Erweiterung <strong>der</strong> Kompetenzen von Polizeibediensteten beim Umgang mit Alltagsbelastungen;<br />

dazu werden Stress <strong>in</strong> polizeilichen Standardsituationen mit Handlungsunsicherheit<br />

o<strong>der</strong> Angst (Gehrmann, 2003; Mussik, 2003), <strong>der</strong> Umgang mit selbsterlebtem<br />

Stress sowie die Interaktion mit Bürgern gezählt (Krauthan & Wagner-L<strong>in</strong>k, 2003).<br />

Maßnahmen <strong>der</strong> psychosozialen Nachsorge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei haben <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fachdiskussion e<strong>in</strong>e<br />

höhere Relevanz als Angebote zum Umgang mit Alltags- und Banalbelastungen. Als Indikationen<br />

für die Durchführung dieser im engeren S<strong>in</strong>n sekundärpräventiven Angebote, die noch<br />

präzisiert werden, zählen polizeispezifische Ereignisse wie <strong>der</strong> Schusswaffengebrauch (Gill,<br />

1990; Grube, 2003; Remke, 2003; Hallenberger & Müller, 2000) u. U. mit <strong>der</strong> Tötung von<br />

Verdächtigten (Buchmann, 2000; Füllgrabe, 2003). Darüber h<strong>in</strong>aus werden als Indikation für<br />

sekundärpräventive psychosoziale Nachsorge <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei auch Extrembelastungen hervorgehoben,<br />

die nicht polizeispezifisch s<strong>in</strong>d und auch bei an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>satzberufen und -<br />

tätigkeiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe zu psychischen Extrembelastungen erörtert werden. Potenziell belastende<br />

Ereignisse und Notfallsituationen, wie z. B. schwere Verkehrsunfälle, Naturkatastrophen,<br />

<strong>der</strong> Angriff durch e<strong>in</strong>en bewaffneten Täter usw. können dazu gezählt werden (Barth,<br />

Bengel, Frommberger & Helmerichs, 2001; Eggers, 1999; Gasch & Lasogga, 2001; Grube,<br />

2003; Lasogga & Karutz 2005; Remke, 2003; Remke & Frank, 2004).<br />

66


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Welche Maßnahmen und Interventionen werden im E<strong>in</strong>zelnen diskutiert?<br />

Die <strong>in</strong> den Veröffentlichungen beschriebenen Angebote lassen sich verschiedenen Zeitfenstern<br />

und Interventionszielen zuordnen. Als Basis für e<strong>in</strong>e Systematisierung von Angeboten<br />

im Rahmen <strong>der</strong> PSNV für Polizeikräfte dienen daher Interventionsziele und die damit <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

stehenden unterschiedlichen Zeitpunkte, zu denen Maßnahmen angeboten werden.<br />

Ihre E<strong>in</strong>teilung erfolgt nach Maßnahmen im Rahmen <strong>der</strong> primären, <strong>der</strong> sekundären und tertiären<br />

Prävention (Schwartz & Walther, 2000). Über konkrete <strong>in</strong>dividuelle Angebote h<strong>in</strong>aus<br />

werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur auch Möglichkeiten zur Koord<strong>in</strong>ierung <strong>der</strong> Vielfalt psychosozialer Angebote<br />

beschrieben, die e<strong>in</strong>er bedarfsgerechten Sicherstellung psychosozialer Angebote<br />

e<strong>in</strong>erseits nach größeren Schadenslagen, an<strong>der</strong>erseits auch im Alltag dienen sollen.<br />

Primäre Prävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei<br />

Zu Maßnahmen <strong>der</strong> primären Prävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei wird e<strong>in</strong> relativ breites Spektrum von<br />

Angeboten diskutiert. Diese zielen <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf e<strong>in</strong>e angemessene Vorbereitung von<br />

Polizeibeamten auf alltägliche und auf Extrembelastungen ab. Deutlich wird e<strong>in</strong>e große begriffliche<br />

Vielfalt bei <strong>der</strong> Beschreibung primärpräventiver Angebote für die Polizei (Stressprävention,<br />

Stress- und Krisenprophylaxe, Stressimpfung, Stressmanagement usw.), wobei<br />

zugleich (teilweise große) <strong>in</strong>haltliche Ähnlichkeiten zwischen den e<strong>in</strong>zelnen Angeboten auffallen.<br />

Zu den konkreten primärpräventiven Angeboten, die <strong>der</strong> Vorbereitung auf alltägliche<br />

und extreme <strong>Belastungen</strong> dienen, zählen primäre (Trauma)Prävention zur Erweiterung <strong>der</strong><br />

Stressbewältigungskompetenz im Rahmen von Aus-, Fort- und Weiterbildung (ressourcenerweiternde<br />

Maßnahmen) (Krüsmann, 2004; Remke, 2003), Verhaltenstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g, Stressimpfung<br />

(Füllgrabe, 2003), Stressimpfungstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g (SIT) nach Meichbaum (Gasch & Lasogga,<br />

2001), Ausbildung, Angebote im Rahmen des Stressmanagements (Eggers, 1999) und die<br />

Ausbildung von Multiplikatoren und Peers als verhältnispräventive Maßnahmen im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Primär- und Sekundärprävention <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei (Bruns, Bernt & Röhrig, 1988; Buchmann,<br />

2000).<br />

Das Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g polizeilicher Standard- und Konfliktsituationen im Rahmen <strong>der</strong> Fortbildung von<br />

Polizeibeamten (Mussik, 2003) sowie die Information über Folgen von Stress und Extremstress<br />

kann auch – dem Verständnis des Netzwerkprojektes folgend – zu den primärpräventiven<br />

Maßnahmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei gezählt werden (Eggers, 1999).<br />

Erkennbar wird, dass die Angebote zunächst auf e<strong>in</strong>e Erweiterung <strong>der</strong> Stressbewältigungskompetenz<br />

und von Ressourcen Polizeibediensteter abzielen. Die vorgestellten Angebote<br />

umfassen zum e<strong>in</strong>en die Vorbereitung auf polizeispezifische, seltene aber extrem belastende<br />

Situationen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizeiarbeit, wie z. B. Schusswaffengebrauch, schwere Verkehrsunfälle<br />

usw.. Es werden zum an<strong>der</strong>en aber auch nicht-polizeispezifische Angebote beschrieben, die<br />

auf e<strong>in</strong>e allgeme<strong>in</strong>e Erweiterung <strong>der</strong> beruflichen Kompetenz abzielen. Letztere Maßnahmen<br />

können mit e<strong>in</strong>em arbeitswissenschaftlich fundierten und weniger kl<strong>in</strong>isch-psychologisch begründeten<br />

Präventionsverständnis <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung gebracht werden, wonach als e<strong>in</strong>e Voraussetzung<br />

für e<strong>in</strong>e gel<strong>in</strong>gende Bewältigung beruflicher <strong>Belastungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei auch e<strong>in</strong><br />

M<strong>in</strong>destmaß an beruflichen und sozialen Kompetenzen gesehen wird. Erkennbar wird auch,<br />

dass mit <strong>der</strong> Ausbildung von Multiplikatoren und Peers <strong>in</strong> den Polizeiteams <strong>der</strong> Versuch unternommen<br />

wird, soziale Ressourcen aus dem Kreis <strong>der</strong> Kollegen stärker zu mobilisieren, zu<br />

bündeln und zu nutzen. Speziell ausgebildete Polizeikräfte übernehmen als Peers o<strong>der</strong> Multiplikatoren<br />

dabei nicht ausschließlich Aufgaben im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Vorbereitung auf<br />

extreme <strong>Belastungen</strong>, son<strong>der</strong>n ermöglichen es auch, an<strong>der</strong>e dysfunktionale Strategien <strong>der</strong><br />

67


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Stressbewältigung von Polizeibediensteten (Suchtprobleme, Partnerschafts- und f<strong>in</strong>anzielle<br />

Probleme) aufzugreifen und niedrigschwellig <strong>in</strong> e<strong>in</strong> professionelles Unterstützungssystem zu<br />

verweisen.<br />

Sekundäre Prävention für E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Polizei<br />

Sekundärpräventive Angebote konzentrieren sich auf Maßnahmen unmittelbar nach extremen<br />

<strong>Belastungen</strong>. Sie sollen helfen, dass Belastungsausmaß von Polizeibediensteten zu<br />

erfassen und dienen <strong>der</strong> Vorbereitung auf und bei Bedarf <strong>der</strong> Weiterleitung an professionelle,<br />

langfristige Hilfen. Die häufig beschriebenen Maßnahmen im Rahmen <strong>der</strong> sekundären Prävention<br />

lassen sich e<strong>in</strong>erseits unspezifischen, nicht näher differenzierten Angeboten im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Stressprävention und des Stressmanagements nach belastenden E<strong>in</strong>sätzen<br />

zuordnen, umfassen an<strong>der</strong>erseits aber auch differenziert beschriebene, spezifisch methodisch-strukturierte<br />

Angebote wie z. B. „Krisen<strong>in</strong>tervention 10 “ und „Critical Incitent Stress Management<br />

(CISM)“.<br />

Krauthan und Wagner-L<strong>in</strong>k (2003) beschreiben e<strong>in</strong> Verhaltenstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zur Konfliktbegrenzung,<br />

das seit 1983 bei <strong>der</strong> Polizei <strong>in</strong> Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen angewendet wird (s. auch Kunisch,<br />

2000). Dieses Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g <strong>in</strong>tegriert verschiedene, auch unspezifische Methoden zur<br />

Stressbewältigung wie autogenes Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g zur Entspannung (s. auch Bruns, Bernt & Röhrig,<br />

1988, Holl<strong>in</strong>g, 1999), Stress-Desensibilisierung belasten<strong>der</strong> Ereignisse usw.. In dieses Methoden-Spektrum<br />

fließen nicht ausschließlich sekundärpräventive Maßnahmen e<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n<br />

auch primärpräventive Angebote. Krisen<strong>in</strong>tervention, notfallpsychologische und psychotraumatologische<br />

Akuthilfe sowie spezifische, strukturierte Methoden im Rahmen <strong>der</strong> sekundären<br />

Prävention speziell für E<strong>in</strong>satzkräfte (z. B. CISM), werden hauptsächlich <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />

mit extremen <strong>Belastungen</strong> des Polizeiberufs diskutiert (Schusswaffengebrauch, schwere<br />

Verkehrsunfälle Suizide: Baer, Pahlke, Dahm, Weiss & Heuft, 2005, Gasch & Lasogga,<br />

2001, Gill, 1990; Grube, 2003; Mitchell, Everly, Igl & Müller-Lange, 1998; Remke, 2003).<br />

Wenn Angebote <strong>der</strong> Krisen<strong>in</strong>tervention, des Stressmanagements und <strong>der</strong> Stressprävention<br />

als sekundärpräventive Maßnahmen nach Extrembelastungen Erwähnung f<strong>in</strong>den, werden<br />

häufig e<strong>in</strong>zelne Durchführungsschritte bzw. „Techniken“, die unter diesem Begriff zusammengefasst<br />

werden, nicht näher aufgeführt. Mitchell, Everly, Igl und Müller-Lange (1998)<br />

stellen sehr detailliert e<strong>in</strong> <strong>in</strong> direkter persönlicher Interaktion vorgehaltenes („e<strong>in</strong>s zu e<strong>in</strong>s“)<br />

E<strong>in</strong>satzbegleitungsmodell (SAFE-R) im Rahmen des CISM vor (vgl. auch Mitchell & Everly,<br />

2002). Demobilization, Debrief<strong>in</strong>g und Defus<strong>in</strong>g als weitere Methoden des CISM werden als<br />

spezifische methodische Bauste<strong>in</strong>e und eigenständige Gruppenangebote nach e<strong>in</strong>satzbed<strong>in</strong>gten<br />

Extrembelastungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei erörtert (Barth, Bengel, Frommberger & Helmerichs,<br />

2001; Buchmann, 2000; Gasch & Lasogga, 2001; Remke, 2003).<br />

Tertiäre Prävention für E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Polizei<br />

Der Bereich <strong>der</strong> tertiären Prävention und langfristigen Nachsorge nach Extrembelastungen<br />

im Polizeidienst umfasst <strong>in</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung häufig therapeutische<br />

Maßnahmen, aber auch nicht-therapeutische Angebote wie z. B. Supervision (dazu s.<br />

Weißgerber, 2001). Als spezifische psycho-(trauma-)therapeutische Maßnahmen werden z.<br />

10<br />

Der Krisen<strong>in</strong>terventionsbegriff wird hier – abweichend von den systematischen Sprachregelungen <strong>in</strong> den<br />

Empfehlungen des Netzwerkprojektes (Beerlage, Her<strong>in</strong>g & Nörenberg, 2006)– auch auf E<strong>in</strong>satzkräfte angewandt.<br />

68


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

B. die Rational Emotive Therapie (RET) nach Ellis (Röhrig, 1999) sowie, als e<strong>in</strong> traumatherapeutisches<br />

Verfahren, das Eye Movement Desensitization and Reprocess<strong>in</strong>g (EMDR) genannt<br />

(Barth, Bengel, Frommberger & Helmerichs, 2001, Grube, 2003). Psychotraumatherapie<br />

und psychotherapeutische Maßnahmen werden auch ohne Beschreibung spezifischer<br />

Methoden als Interventionen bei diagnostizierten psychischen Störungen <strong>in</strong>folge von extremem<br />

beruflichem Stresses erwähnt (Grube, 2003).<br />

Koord<strong>in</strong>ierung psychosozialer Angebote im Alltag sowie nach konkreten Lagen<br />

Für die Koord<strong>in</strong>ierung psychosozialer Angebote nach Extrembelastungen, aber auch im Alltag<br />

werden e<strong>in</strong>erseits langfristige, dauerhaft e<strong>in</strong>gerichtete Koord<strong>in</strong>ierungsstellen (im S<strong>in</strong>ne<br />

e<strong>in</strong>er „Zentralstelle“) beschrieben, die unabhängig von spezifischen Ereignissen arbeiten<br />

(Fiedler, 2001, vgl. auch Beerlage, Her<strong>in</strong>g & Nörenberg, 2006). An<strong>der</strong>erseits aber auch befristete<br />

Koord<strong>in</strong>ierungsstellen für die langfristige PSNV von E<strong>in</strong>satzkräften <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei nach<br />

def<strong>in</strong>ierten Ereignissen erwähnt (Barth, Bengel, Frommberger & Helmerichs, 2001; Koord<strong>in</strong>ierungsstelle<br />

E<strong>in</strong>satznachsorge, 2002) (im S<strong>in</strong>ne „Koord<strong>in</strong>ierungsstelle“, Beerlage, Her<strong>in</strong>g &<br />

Nörenberg, 2006).<br />

Die Arbeitsweise e<strong>in</strong>er langfristigen Koord<strong>in</strong>ierungsstelle ohne zeitliche Begrenzung wird<br />

anhand e<strong>in</strong>es Modells <strong>in</strong> Baden-Württemberg vorgestellt, das e<strong>in</strong> dauerhaftes Angebot an<br />

Polizeibeamte sowie ihre Angehörigen umfasst und e<strong>in</strong> breites Spektrum an Maßnahmen<br />

vermitteln kann. Dazu gehören z. B. Angebote zur Aus- und Fortbildung <strong>in</strong> Stress- und Krisenprävention<br />

(Fokus primäre Prävention), Sicherstellung unmittelbarer Hilfen für E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

nach hohen <strong>Belastungen</strong>, die qualifizierte und dienststellennahe Beratung und Betreuung<br />

von Polizeibeamten sowie Beratungs- und Informationsangebote, die auch über Extremstress<br />

h<strong>in</strong>ausgehen (Fiedler, 2001). Barth, Bengel, Frommberger und Helmerichs (2001)<br />

geben e<strong>in</strong>en Überblick über unmittelbare, mittel- und langfristige Maßnahmen für E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

nach dem ICE-Unglück <strong>in</strong> Eschede 1998. Die langfristige Betreuung und Vermittlung<br />

von PSNV für E<strong>in</strong>satzkräfte wurde durch die langfristig arbeitende Koord<strong>in</strong>ierungsstelle<br />

„E<strong>in</strong>satznachsorge“ sicher gestellt und koord<strong>in</strong>iert (Koord<strong>in</strong>ierungsstelle E<strong>in</strong>satznachsorge,<br />

2002).<br />

Fazit und Vergleich mit <strong>der</strong> nicht polizeilichen Gefahrenabwehr<br />

Die fachliche, theoretische und wissenschaftliche Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung mit <strong>der</strong> psychosozialen<br />

(Notfall-)Versorgung von Polizisten erfolgt sehr differenziert. Obwohl festgehalten werden<br />

kann, dass Angebote im Rahmen <strong>der</strong> sekundären Prävention, also unmittelbar e<strong>in</strong>satznaher<br />

Maßnahmen häufiger diskutiert werden, lässt sich auch e<strong>in</strong>e systematische Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung<br />

mit primär- und tertiärpräventiven Angeboten und Maßnahmen verzeichnen, die e<strong>in</strong>er<br />

langfristigen Sicherstellung psychosozialer Angebote <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizei dienen. Daraus lässt sich<br />

auch schließen, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> polizeilichen Gefahrenabwehr bereits <strong>in</strong> höherem Maß die Bedeutung<br />

e<strong>in</strong>er angemessenen Vorbereitung auf potenziell belastende Situationen und E<strong>in</strong>sätze<br />

erkannt wurde.<br />

Im Fokus <strong>der</strong> Betrachtung standen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Angebote zur Vorbereitung auf dienstspezifische<br />

Beson<strong>der</strong>heiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizeiarbeit (z. B. Schusswaffengebrauch, Interaktion mit psychisch<br />

auffälligen Personen), aber auch alltägliche Polizeisituationen (Verkehrskontrollen<br />

usw.). Für die Durchführung und E<strong>in</strong>leitung tertiärpräventiver Angebote, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e therapeutischer<br />

Interventionen wird <strong>der</strong> Rückgriff auf e<strong>in</strong>en leistungsfähigen polizeiärztlichen und<br />

69


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

polizeipsychologischen Dienst berichtet. Diese polizei<strong>in</strong>ternen Angebote vere<strong>in</strong>fachen <strong>in</strong> hohem<br />

Maß die Erreichbarkeit hochbelasteter Polizisten, erleichtern e<strong>in</strong>e langfristige Begleitung<br />

sowie die Vermittlung an qualifizierte psycho-(trauma-)therapeutische Anbieter. Neben klassischen,<br />

sekundärpräventiven Angeboten zur Nachbereitung belasten<strong>der</strong> Ereignisse (z. B.<br />

CISM) werden auch nicht näher spezifizierte Maßnahmen, wie z. B. Krisen<strong>in</strong>tervention diskutiert.<br />

Teilweise wird aus den Veröffentlichungen aber nicht ganz deutlich, was im E<strong>in</strong>zelnen<br />

als Krisen<strong>in</strong>tervention angeboten wird, bzw. welche Maßnahmen darunter zusammengefasst<br />

werden.<br />

Seelsorgerliche Angebote speziell für Polizeibedienstete werden dagegen kaum <strong>in</strong> wissenschaftlichen<br />

Veröffentlichungen diskutiert. Hier ist e<strong>in</strong> deutlicher Unterschied zu an<strong>der</strong>en<br />

E<strong>in</strong>satzkräftegruppen und zu ehrenamtlichen E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> nicht polizeilichen Gefahrenabwehr<br />

erkennbar, für die seelsorgerliche Angebote <strong>in</strong> fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen<br />

vergleichsweise häufig als Regelangebot näher beschrieben werden.<br />

<strong>5.</strong>1.3 Diskussion<br />

In dieses Review wurden nach <strong>der</strong> Bewertung <strong>der</strong> Veröffentlichungen aus <strong>in</strong>sgesamt 220<br />

Recherchetreffern 92 themenrelevante Veröffentlichungen e<strong>in</strong>bezogen. In <strong>der</strong> Mehrzahl <strong>der</strong><br />

relevanten Veröffentlichungen werden ausschließlich E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Polizei thematisiert;<br />

selten (vier Quellen) wurden E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> polizeilichen Gefahrenabwehr geme<strong>in</strong>sam<br />

mit an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>satzkräftegruppen (Feuerwehr, Rettungsdienst) betrachtet. Dies kann als<br />

H<strong>in</strong>weis auf die Annahme berufs- und dienstespezifischer Stressoren gewertet werden. Hervorzuheben<br />

ist, dass <strong>in</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen Diskussion potenzieller <strong>Belastungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

polizeilichen Gefahrenabwehr im Vergleich zur nicht polizeilichen Gefahrenabwehr neben<br />

Extrembelastungen stärker auch Alltagsbelastungen und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen Gegenstand<br />

empirischer Studien s<strong>in</strong>d. Auch werden zur Betrachtung des Gesamtspektrums von <strong>Belastungen</strong><br />

zwischen Alltags- und Extrembelastungen unterschiedliche (arbeitsmediz<strong>in</strong>ische,<br />

arbeitspsychologische, psychosoziale) Perspektiven e<strong>in</strong>bezogen.<br />

Neben <strong>der</strong> PTSD, e<strong>in</strong>er sehr häufig diskutierten Belastungsfolge, werden auch an<strong>der</strong>e psychische<br />

Störungen mit Krankheitswert, z. B. Substanzabusus und Depressivität aber auch<br />

Suizidalität von Polizeibeamten thematisiert. An<strong>der</strong>e gesundheitliche Bee<strong>in</strong>trächtigungen,<br />

zunächst ohne Krankheitswert, die, wie Untersuchungen mit an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>satzkräftegruppen<br />

zeigten, Auswirkungen auf die Vulnerabilität für die PTSD bzw. die allgeme<strong>in</strong>e Belastbarkeit<br />

haben, spielen <strong>in</strong> den vorliegenden Polizei-Studien e<strong>in</strong>e untergeordnete Rolle.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> psychosozialen (Notfall-)Versorgung von Polizeibeamten liegt das Hauptaugenmerk<br />

<strong>der</strong> analysierten Veröffentlichungen bei Angeboten im Rahmen <strong>der</strong> sekundären<br />

Prävention. Zudem werden auch primär- und tertiärpräventive Angebote diskutiert, was auf<br />

e<strong>in</strong>e erhöhte Kenntnisnahme <strong>der</strong> Bedeutung e<strong>in</strong>er angemessenen Vorbereitung auf potenziell<br />

belastende Situationen schließen lässt. Speziell wird <strong>in</strong> den Veröffentlichungen auf die<br />

polizei<strong>in</strong>ternen Angebote zur Vorbereitung auf dienstspezifische Beson<strong>der</strong>heiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Polizeiarbeit<br />

(z. B. Schusswaffengebrauch, Interaktion mit psychisch auffälligen Personen) und<br />

alltägliche Polizeisituationen (Verkehrskontrollen usw.) e<strong>in</strong>gegangen. Neben weitgehend<br />

standardisierten sekundärpräventiven Methoden <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzbegleitung und –nachsorge (aus<br />

dem methodischen Spektrum des CISM), wurden auch E<strong>in</strong>satznachsorgeangebote mit e<strong>in</strong>em<br />

weniger klar umrissenen Methodenspektrum bzw. weniger e<strong>in</strong>heitlichen Handlungsverständnis<br />

diskutiert. Im Unterschied zu an<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>satzkräftegruppen und ehrenamtlichen<br />

70


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

E<strong>in</strong>satzkräften werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> wissenschaftlichen Diskussion (polizei-)seelsorgerliche Angebote<br />

für die Beamten jedoch kaum erwähnt.<br />

<strong>5.</strong>2 Erhebung im Bundespolizeiamt Berl<strong>in</strong><br />

<strong>5.</strong>2.1 H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> Studie<br />

Im Bereich <strong>der</strong> polizeilichen Gefahrenabwehr s<strong>in</strong>d bereits unterschiedliche Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

<strong>Belastungen</strong> sowie davon ausgehend Belastungsfolgen, körperliche und psychische Gesundheitsbee<strong>in</strong>trächtigungen<br />

untersucht worden. Bei den Belastungsfolgen lässt sich festhalten,<br />

dass <strong>der</strong> Fokus hauptsächlich auf extremen Folgen extremer <strong>Belastungen</strong> gerichtet ist.<br />

Zunehmend s<strong>in</strong>d aber auch Belastungs- und <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> unterhalb <strong>der</strong><br />

Krankheitsschwelle (wie z. B. Burnout o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geschränktes Wohlbef<strong>in</strong>den) Gegenstand wissenschaftlicher<br />

Forschung <strong>in</strong> <strong>der</strong> polizeilichen Gefahrenabwehr.<br />

Insbeson<strong>der</strong>e im Bereich <strong>der</strong> Belastungs- und <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> unterhalb <strong>der</strong><br />

Krankheitsschwelle, die langfristig auch das Auftreten von körperlichen und psychischen<br />

Krankheiten begünstigen können, blieben bisher Fragen danach offen, welche Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

und <strong>Belastungen</strong> die subjektive körperliche und psychische Gesundheit von Polizisten<br />

beson<strong>der</strong>s bee<strong>in</strong>flussen. An e<strong>in</strong>er Stichprobe von Beamten aus dem Bundespolizeiamt Berl<strong>in</strong><br />

sollen im Rahmen dieser Arbeit, auch <strong>in</strong> Anknüpfung an die bisher durchgeführten Untersuchungen<br />

im Rettungsdienst und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Feuerwehr (Her<strong>in</strong>g & Beerlage, 2004b, c; Her<strong>in</strong>g,<br />

Schulze, Sonnenberg & Beerlage, 2005), e<strong>in</strong> breites Spektrum unterschiedlicher arbeits- und<br />

tätigkeitsspezifischer Anfor<strong>der</strong>ungen und <strong>Belastungen</strong> untersucht werden und darüber h<strong>in</strong>aus<br />

Belastungsfolgen unterhalb <strong>der</strong> Krankheitsschwelle (Burnout, e<strong>in</strong>geschränktes Wohlbef<strong>in</strong>den),<br />

gesundheitsrelevante Verhaltensweisen (durchschnittlicher Alkoholkonsum) sowie<br />

Symptome e<strong>in</strong>er PTSD. Die zusätzliche Betrachtung <strong>der</strong> PTSD erweitert das Spektrum <strong>der</strong><br />

Belastungs- und <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong>, das im Rahmen <strong>der</strong> bisherigen Netzwerk-<br />

Projekte <strong>in</strong> den Studien bei E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Feuerwehr und im Rettungsdienst untersucht<br />

wurde. Diese Erweiterung knüpft an Untersuchungen an, die die Annahme bekräftigen, dass<br />

Burnout als Bee<strong>in</strong>trächtigung unterhalb <strong>der</strong> Krankheitsschwelle, die Resilienz von E<strong>in</strong>satzkräften<br />

<strong>in</strong> extremen E<strong>in</strong>sätzen verm<strong>in</strong><strong>der</strong>e. Damit kann sich die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit für die<br />

Ausbildung von psychischen Traumafolgestörungen <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e e<strong>in</strong>er PTSD erhöhen<br />

(Re<strong>in</strong>hard & Maercker, 2004). Neben Bee<strong>in</strong>trächtigungen <strong>der</strong> körperlichen und psychischen<br />

Gesundheit <strong>in</strong>teressieren zugleich arbeitsbezogene personale und soziale Ressourcen wie<br />

das Engagement, die Verbundenheit mit <strong>der</strong> Organisation (organizational commitment),<br />

extr<strong>in</strong>sische Gratifikation und wahrgenommene soziale Unterstützung.<br />

Es wird erwartet, dass die Ergebnisse sowohl H<strong>in</strong>weise für den Bedarf an person- und organisationsgebundener<br />

primärer Prävention, aber auch von Maßnahmen <strong>der</strong> sekundären und<br />

tertiären Prävention liefern. In diesem Bericht werden erste Ergebnisse <strong>der</strong> Studie vorgestellt.<br />

Dabei <strong>in</strong>teressiert zunächst <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss arbeitsorganisatorischer und tätigkeitsspezifischer<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen und <strong>Belastungen</strong> auf Burnout und e<strong>in</strong>geschränktes Wohlbef<strong>in</strong>den.<br />

<strong>5.</strong>2.2 Untersuchungsgegenstände<br />

Als unabhängige Variablen werden tätigkeitsspezifische und arbeitsorganisatorische Merkmale<br />

<strong>der</strong> Polizeiarbeit untersucht (Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Merkmale <strong>der</strong> Arbeit, extreme<br />

71


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

E<strong>in</strong>satzmerkmale). Dabei <strong>in</strong>teressiert die Häufigkeit des Erlebens bestimmter Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

und <strong>Belastungen</strong>. (zum Mess<strong>in</strong>strument s. <strong>5.</strong>2.3).<br />

Als abhängige Variablen werden Belastungs- und (Fehl-) Beanspruchungsfolgen unterhalb<br />

<strong>der</strong> Krankheitsschwelle, wie e<strong>in</strong>geschränktes Wohlbef<strong>in</strong>den und Burnout, aber auch (Fehl-)<br />

Beanspruchungsfolgen mit Krankheitswert, wie beispielsweise Fehltage o<strong>der</strong> die Ausprägung<br />

von Symptomen <strong>der</strong> PTSD untersucht. Zudem <strong>in</strong>teressieren Aspekte des Engagements<br />

und gesundheitsrelevante Verhaltensweisen (z. B. erhöhter Alkoholkonsum). Mo<strong>der</strong>ierende<br />

E<strong>in</strong>flüsse werden von Merkmalen <strong>der</strong> Person und <strong>der</strong> Umwelt erwartet. Auf <strong>der</strong> Ebene<br />

<strong>der</strong> Person <strong>in</strong>teressiert dabei die Variable Organizational commitment, als „Umweltvariablen“<br />

werden die Wahrgenommene soziale Unterstützung und <strong>der</strong> Erhalt extr<strong>in</strong>sischer Gratifikation<br />

untersucht.<br />

<strong>5.</strong>2.3 Anfor<strong>der</strong>ungen, Stressoren und <strong>Belastungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei<br />

und ihre Erfassung<br />

Mit dem Ziel, den E<strong>in</strong>fluss relevanter Anfor<strong>der</strong>ungen und <strong>Belastungen</strong> auf die subjektive Gesundheit<br />

von E<strong>in</strong>satzkräften <strong>in</strong> <strong>der</strong> polizeilichen Gefahrenabwehr, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von E<strong>in</strong>satzkräften<br />

<strong>der</strong> Bundespolizei, zu erheben, wird neben extremen E<strong>in</strong>satzerfahrungen auch e<strong>in</strong><br />

breites Spektrum alltäglicher tätigkeits- und arbeitsorganisationsbezogener Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

berücksichtigt. Literaturrecherchen im Vorfeld <strong>der</strong> Studie zeigten, dass <strong>in</strong> bisherigen, vergleichbar<br />

angelegten Untersuchungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> empirischen Polizeiforschung e<strong>in</strong>e Vielzahl unterschiedlicher<br />

Mess<strong>in</strong>strumente zur Erfassung von Anfor<strong>der</strong>ungen und <strong>Belastungen</strong> verwendet<br />

wurden. In ihrem Review geben Klemisch, Keppl<strong>in</strong>ger und Muthny (2005a) e<strong>in</strong>en<br />

Überblick über häufig verwendete Instrumente zur Erfassung von <strong>Belastungen</strong> und Stressoren.<br />

Benannt werden im E<strong>in</strong>zelnen (zitiert nach Klemisch, Keppl<strong>in</strong>ger & Muthny, 2005a):<br />

• Occupational Stress Indicator (OSI, Cooper, Sloan & Williams, 1988),<br />

• Police Stress Survey (PSS, Spielberger, Grier, Greenfield & Westbury 1981),<br />

• Perceived Stress Scale (PSS, Cohen, Kamarck & Mermelste<strong>in</strong>, 1983),<br />

• Police Stress and Cop<strong>in</strong>g Questionaire (PSCQ, Patterson, 1999),<br />

• Law Enforcement Response Questionaire (LERQ, Kelly, 1993).<br />

Diese Aufzählung kann ergänzt werden durch den Traumatic Life Event Questionaire (TELQ)<br />

nach Kubany (1996), die Posttraumatic Stress Diagnostic Scale (PDS) nach Foa, Riggs,<br />

Panen und Rothbaum (1993), Posttramatic Stress Disor<strong>der</strong> Checklist (PCL-C) nach Weathers,<br />

Liz, Huska und Keane (1994), welche Teegen, Domnick und Heerdegen (1997) u. a. zur<br />

Erfassung traumatischer Ereignisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lebensgeschichte von Polizist<strong>in</strong>nen und Polizisten<br />

verwendeten. Neben re<strong>in</strong> tätigkeitsbezogenen <strong>Belastungen</strong> richtet sich <strong>der</strong> Fokus <strong>der</strong> Betrachtung<br />

polizeilicher Anfor<strong>der</strong>ungen und <strong>Belastungen</strong> auch auf organisationsgebundene<br />

und soziale Aspekte, welche bisher z. B. mit Hilfe modifizierter Formen bewährter Instrumente<br />

erhoben wurden. Beispielhaft können benannt werden:<br />

• Instrument zur stressbezogenen Tätigkeitsanalyse (ISTA) nach Semmer, Zapf und Dunckel<br />

(1995) zur Erfassung von Tätigkeiten und Ausführungsbed<strong>in</strong>gungen (Busch, Fel<strong>der</strong>,<br />

Wirtenberger, 1998),<br />

• Arbeitsbeschreibungsbogen (ABB) nach Neuberger und Allerbeck (1982) zur Erfassung<br />

von Arbeitszufriedenheit (Bornawasser, 2003),<br />

72


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

• EDEM – Skala zur Erfassung „Innerer Kündigung“ nach Jimenez und Trummer (2003)<br />

zur Erfassung von Engagement und Demotivation (Jimenez, 2004).<br />

In <strong>der</strong> überwiegenden Mehrzahl <strong>der</strong> Untersuchungen verwenden die Autoren eigens entwickelte<br />

Instrumente zur Erfassung von Anfor<strong>der</strong>ungen und <strong>Belastungen</strong>.<br />

<strong>5.</strong>2.4 Entwicklung des Mess<strong>in</strong>struments Belastende Merkmale <strong>der</strong> Arbeit<br />

im Bundespolizeidienst und ihre Auswirkungen auf die Mitarbeiter (bMAP)<br />

In dieser Untersuchung wird e<strong>in</strong> selbstentwickeltes Instrument zur Erfassung von Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

und <strong>Belastungen</strong> auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> von Her<strong>in</strong>g und Beerlage (2004a) sowie Her<strong>in</strong>g,<br />

Schulze, Sonnenberg und Beerlage (2005) entwickelten Instrumente zur Erfassung von Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

und <strong>Belastungen</strong> im Rettungsdienst und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Feuerwehr verwendet. Dieses<br />

Instrument wurde an dienstespezifische Beson<strong>der</strong>heiten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei angepasst. Es<br />

wurden Items ergänzt, die <strong>in</strong> bisherigen Untersuchungen sowie <strong>in</strong> persönlichen Gesprächen<br />

mit E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Bundespolizei als relevant e<strong>in</strong>gestuft wurden.<br />

Zur Erfassung arbeitsorganisationsbezogener <strong>Belastungen</strong> wurde die Skala E<strong>in</strong>geschränkter<br />

Handlungsspielraum des von Kleiber, Gusy, Enzmann und Beerlage (1992) entwickelten<br />

Fragebogens Merkmale <strong>der</strong> eigenen Arbeit und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen sowie <strong>der</strong> eigenen Umgehensweise<br />

verwendet. Insgesamt enthielt die Rohfassung des Instruments 73 Items.<br />

Im Ergebnis e<strong>in</strong>er Faktorenanalyse (Hauptachsen – Faktorenanalyse, Ausschlusskriterien: 1.<br />

Ladungskoeffizient 0,35) zeigte sich e<strong>in</strong>e vier-dimensionale Struktur mit <strong>in</strong>sgesamt 33 Items (s. Tabelle<br />

4):<br />

• Polizeispezifische tätigkeitsimmanente Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse (TRH), dazu zählen typische<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen, die sich aus den Aufgaben im Bundespolizeidienst ergeben. Die I-<br />

tems beschreiben überdauernde tätigkeitsspezifische Arbeitsplatzmerkmale. Diese Skala<br />

bildet Annahmen von Leitner und Gre<strong>in</strong>er (1987) (Ulich, 2001) zu Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nissen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeitstätigkeit ab.<br />

• Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse/ e<strong>in</strong>geschränkter Handlungsspielraum<br />

(ORH), dazu zählen z. B. Anfor<strong>der</strong>ungen, die sich aus e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>geschränkten E<strong>in</strong>fluss<br />

auf die eigene Arbeit o<strong>der</strong> mangeln<strong>der</strong> Teilhabe an <strong>der</strong> Entscheidungsf<strong>in</strong>dung ergeben.<br />

Dieser Faktor weist große <strong>in</strong>haltliche Ähnlichkeit mit Überlegungen von Kleiber, Gusy,<br />

Enzmann und Beerlage (1992) zum e<strong>in</strong>geschränkten Handlungsspielraum auf.<br />

• Anfor<strong>der</strong>ungen durch Tod und Verletzung Frem<strong>der</strong> (TVF), dazu zählen Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die sich aus dem Erleben von Tod und Sterben o<strong>der</strong> dem Leid an<strong>der</strong>er ergeben.<br />

• Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem persönlichen Involvement (HPI), dazu zählen Anfor<strong>der</strong>ungen,<br />

die sich aus e<strong>in</strong>er persönlichen Nähe zum Opfer o<strong>der</strong> Täter ergeben.<br />

73


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Tabelle 4: Item- und Skalenanalyse des Instruments zur Erfassung<br />

von Anfor<strong>der</strong>ungen und <strong>Belastungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei (N=562)<br />

M SD M<strong>in</strong> Max<br />

Polizeispezifische tätigkeitsimmanente Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse<br />

(TRH) α=,89<br />

1,02 0,78 0,00 3,00<br />

Item 18: Kontakt zu Gewalttätern 1,44 1,41 0 6<br />

Item 27: wurde provoziert 1,72 1,58 0 6<br />

Item 19: Verdächtige leisteten Wi<strong>der</strong>stand 0,85 1,02 0 5<br />

Item 29: stellten Täter auf frischer Tat 1,14 1,41 0 6<br />

Item 28: Kontakt zu illegalen E<strong>in</strong>wan<strong>der</strong>ern 1,61 1,<strong>59</strong> 0 6<br />

Item 42: Beteiligung an E<strong>in</strong>sätzen bei denen Kollegen verletzt wurden 0,50 0,77 0 4<br />

Item 35: Kollege aus Inspektion verletzt 0,79 0,89 0 5<br />

Item 68: E<strong>in</strong>sätze kurz vor Dienstschluss 1,35 1,27 0 6<br />

Item 72: viele aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong>folgende E<strong>in</strong>sätze 0,82 1,18 0 6<br />

Item 37: Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung durch aufdr<strong>in</strong>gliche Journalisten o<strong>der</strong> Gaffer 0,72 0,98 0 6<br />

Item 31: Infos <strong>der</strong> Leitstelle nicht e<strong>in</strong>deutig 1,41 1,46 0 6<br />

Item 40: Große<strong>in</strong>sätze 1,29 1,10 0 6<br />

Item 70: Konfrontation mit Gefahrstoffen 0,37 0,77 0 6<br />

Item 34: lebensbedrohliche E<strong>in</strong>sätze 0,32 0,78 0 6<br />

Item 55: Verantwortung für Leben/Gesundheit me<strong>in</strong>er Kollegen 1,08 1,<strong>59</strong> 0 6<br />

Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse/<br />

e<strong>in</strong>geschränkter Handlungsspielraum (ORH)<br />

1,73 1,05 0,00 5,82<br />

α=,84<br />

Item 45: unklare Anweisungen von Vorgesetzten 1,39 1,36 0 6<br />

Item 73: Abstimmungsprobleme zwischen Vorgesetzten 1,50 1,25 0 6<br />

Item 63: Vorschrift, die ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n macht 2,30 1,94 0 6<br />

Item 41: ke<strong>in</strong>e Möglichkeit zu bestimmen,<br />

wie Aufgaben erledigt werden sollen<br />

1,70 1,91 0 6<br />

Item <strong>59</strong>: ke<strong>in</strong>e Möglichkeit eigene Entscheidungen zu treffen 1,07 1,46 0 6<br />

Item 60: Konflikte mit Vorgesetzten 1,36 1,35 0 6<br />

Item 80: Mitarbeiter berücksichtigen Vorschläge nicht 0,90 1,17 0 6<br />

Item 61: ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf Aufgabenverteilung 2,34 2,13 0 6<br />

Item 78: bei wichtigen Entscheidungen übergangen 0,84 1,20 0 6<br />

Item 39: bei <strong>der</strong> Arbeit kontrolliert und überwacht werden 3,23 2,15 0 6<br />

Item 87: mehr übere<strong>in</strong>an<strong>der</strong> als mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> reden 2,39 1,94 0 6<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen durch Tod und Verletzung Frem<strong>der</strong> (TVF)<br />

α=,80<br />

0,30 0,53 0,00 2,75<br />

Item 54: E<strong>in</strong>satz mit Toten 0,44 0,80 0 5<br />

Item 38: E<strong>in</strong>satz mit Toten durch Suizid 0,42 0,84 0 6<br />

Item 83: Personen konnten trotz aller Bemühungen nicht mehr gerettet<br />

werden<br />

0,19 0,51 0 3<br />

Item 26: Kontakt zu Vergewaltigungsopfern 0,14 0,44 0 5<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen mit Hohem Persönlichen Involvement (HPI)<br />

α=,66<br />

0,07 0,26 0,00 2,33<br />

Item 79: Täter o<strong>der</strong> Familien von Tätern persönlich bekannt ,07 0,43 0 6<br />

Item 88: Kollege beg<strong>in</strong>g Suizid ,08 0,29 0 2<br />

Item 74: Opfer o<strong>der</strong> ihre Familien bekannt ,07 0,33 0 3<br />

Die vier Faktoren <strong>der</strong> endgültigen Struktur erklären zusammen 48 % <strong>der</strong> Gesamtvarianz <strong>der</strong><br />

erhobenen Merkmale. Drei <strong>der</strong> vier Skalen weisen gute <strong>in</strong>terne Konsistenzen mit Werten<br />

74


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

zwischen α = ,89 bis α = ,80 auf (Cronbachs alpha). Die Zuverlässigkeit <strong>der</strong> Skala Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

mit hohem persönlichen Involvement ist mit α = ,66 gerade noch genügend. Daher<br />

müssen die Ergebnisse auf <strong>der</strong> Grundlage dieses Faktors vor dem H<strong>in</strong>tergrund se<strong>in</strong>er möglicherweise<br />

e<strong>in</strong>geschränkten Reliabilität diskutiert werden.<br />

Zwischen allen Skalen ergeben sich signifikante Zusammenhänge im unteren und mittleren<br />

Bereich. Die Korrelationskoeffizienten <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Skalen liegen dabei zwischen 0,18 und<br />

0,57 (s. Tabelle 5). Die Skala Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem persönlichen Involvement korreliert<br />

nur auf sehr ger<strong>in</strong>gem Niveau mit den übrigen Skalen. Ebenfalls bestehen zwischen Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

durch Tod und Verletzung Frem<strong>der</strong> und Arbeitsorganisationsbezogenen Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nissen<br />

vergleichsweise niedrige Zusammenhänge.<br />

Tabelle 5: Interkorrelationen <strong>der</strong> Belastungsskalen (n= 562)<br />

TRH ORH TVF HPI<br />

TRH 1 ,40*** ,57*** ,26***<br />

ORH ,40*** 1 ,19*** ,18***<br />

TVF ,57*** ,19*** 1 ,26***<br />

HPI ,26*** ,18*** ,26*** 1<br />

Anmerkung: TRH= polizeispezifische tätigkeitsimmanente Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

ORH= arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

TVF= Anfor<strong>der</strong>ungen durch Verletzung und Tod Frem<strong>der</strong>,<br />

HPI= Anfor<strong>der</strong>ungen mit Hohem Persönlichen Involvement<br />

*p≤ 0,05; **p≤ 0,01; ***p≤ 0,001<br />

<strong>5.</strong>2.5 Kritische Bewertung des Mess<strong>in</strong>struments<br />

Das vorgestellte Mess<strong>in</strong>strument zur Erfassung belasten<strong>der</strong> Merkmale <strong>der</strong> Arbeit im Polizeidienst,<br />

basiert <strong>in</strong>haltlich auf den Mess<strong>in</strong>strumenten Belastende Merkmale <strong>der</strong> Arbeit im Rettungsdienst<br />

und Belastende Merkmale <strong>der</strong> Arbeit im Feuerwehrdienst (Her<strong>in</strong>g & Beerlage,<br />

2004d; Her<strong>in</strong>g, Schulze, Sonnenberg & Beerlage, 2005). Es erfasst Anfor<strong>der</strong>ungen und <strong>Belastungen</strong><br />

<strong>der</strong> Arbeit im Bundespolizeidienst. Obwohl das Mess<strong>in</strong>strument <strong>in</strong> vier Faktoren<br />

unterschiedliche Aspekte <strong>der</strong> bundespolizeilichen Arbeit abbildet, s<strong>in</strong>d die Faktoren nicht<br />

gänzlich vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> unabhängig. Daher kann davon ausgegangen werden, dass lediglich<br />

unterschiedliche Ausprägungen e<strong>in</strong>es Spektrums von Anfor<strong>der</strong>ungen und Merkmalen <strong>der</strong><br />

Arbeit im Bundespolizeidienst erhoben werden. Aussagen zur Validität können für das Instrument<br />

bisher nicht getroffen werden. Die Skala Polizeispezifische tätigkeitsimmanente<br />

Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse misst deutlich höhere Werte für die mittleren Altersquartile. Die Skala<br />

Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse weist Mittelwertunterschiede h<strong>in</strong>sichtlich<br />

Lebensalter und Berufserfahrung (s. Tabellen 6 und 7) auf.<br />

75


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Tabelle 6:<br />

Mittelwertvergleiche <strong>der</strong> Skalen nach Alter (Altersquartile)<br />

(e<strong>in</strong>faktorielle ANOVA) (n=535).<br />

F=4,13 (p=0,007) F=5,43 (p=0,001) F=0,93 (p=0,43) F=0,94 (p=0,42)<br />

Tabelle 7:<br />

Mittelwertvergleiche <strong>der</strong> Skalen nach Berufserfahrung (Quartile)<br />

(e<strong>in</strong>faktorielle ANOVA) (n=535).<br />

F=0,73 (p=0,54) F=4,96 (p=0,002) F=0,20 (p=0,89) F=1,15 (p=0,33)<br />

Daher erfolgt die Ergebnisdiskussion zu Zusammenhängen von Anfor<strong>der</strong>ungen, <strong>Belastungen</strong><br />

und Belastungsfolgen im Bundespolizeidienst vor dem H<strong>in</strong>tergrund:<br />

• e<strong>in</strong>er u. U. e<strong>in</strong>geschränkten alters- und berufserfahrungsübergreifenden Gültigkeit,<br />

• e<strong>in</strong>er bisher nicht erfolgten Überprüfung <strong>der</strong> konvergenten und diskrim<strong>in</strong>anten Validität,<br />

• e<strong>in</strong>er möglicherweise e<strong>in</strong>geschränkten Zuverlässigkeit <strong>der</strong> Skala Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem<br />

persönlichen Involvement (α= ,66).<br />

<strong>5.</strong>2.6 Belastungserleben und Belastungsfolgen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei<br />

<strong>5.</strong>2.6.1 Subjektiver Gesundheitszustand/Wohlbef<strong>in</strong>den<br />

In Anlehnung an Inhalte <strong>der</strong> Erhebungen bei E<strong>in</strong>satzkräften des Rettungsdienstes und <strong>der</strong><br />

Feuerwehr (Her<strong>in</strong>g & Beerlage, 2004a, d; Her<strong>in</strong>g, Schulze, Sonnenberg & Beerlage, 2005)<br />

bildet auch <strong>in</strong> dieser Studie das habituelle Wohlbef<strong>in</strong>den <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzkräfte als e<strong>in</strong> Kriterium<br />

ihrer subjektiven Gesundheit (Becker, 1994) Gegenstand <strong>der</strong> Untersuchung.<br />

Becker (1994) def<strong>in</strong>ierte Wohlbef<strong>in</strong>den als e<strong>in</strong> <strong>in</strong> mehrere Ebenen geglie<strong>der</strong>tes Konstrukt,<br />

welches <strong>in</strong> aktuelles und habituelles sowie <strong>in</strong> körperliches und psychisches Wohlbef<strong>in</strong>den<br />

(vgl. auch Frank, 1994) differenziert werden kann. In <strong>der</strong> WHO-Gesundheitsdef<strong>in</strong>ition wird<br />

diese Dimensionierung um soziales Wohlbef<strong>in</strong>den ergänzt (vgl. Franzkowiak & Sabo, 1998;<br />

WHO, 1948). Es können sowohl Faktoren und Merkmale <strong>der</strong> Person (u. a. Motivation, Temperament)<br />

als auch Aspekte <strong>der</strong> Umwelt das Wohlbef<strong>in</strong>den bee<strong>in</strong>flussen (Becker, 1994,<br />

76


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Zapf, 1994). Daher kann auch die Arbeitswelt als E<strong>in</strong>flussfaktor für das Wohlbef<strong>in</strong>den angenommen<br />

werden (Becker, 1994). Bei <strong>der</strong> Betrachtung mittel- und langfristiger Folgen von<br />

E<strong>in</strong>flüssen <strong>der</strong> Arbeitswelt ist es zweckmäßig, den Schwerpunkt eher auf e<strong>in</strong>e überdauernde<br />

Form von Wohlbef<strong>in</strong>den zu setzen (habituelles Wohlbef<strong>in</strong>den).<br />

E<strong>in</strong> potenzieller Zusammenhang zwischen Aspekten <strong>der</strong> Arbeitswelt und dem Wohlbef<strong>in</strong>den<br />

kann von bestimmten Beanspruchungsfolgen (z. B. Burnout) verstärkt o<strong>der</strong> abgeschwächt<br />

werden (Mo<strong>der</strong>ator- und/o<strong>der</strong> Mediatoreffekte). Das langfristige Wohlbef<strong>in</strong>den wäre dann<br />

eher als relativ stabile personale Eigenschaft zu werten, die solange von externen Faktoren<br />

unbee<strong>in</strong>flusst bleibt, bis diese zu langfristigen körperlichen bzw. psychischen Beanspruchungsfolgen<br />

geführt haben.<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Messung von Wohlbef<strong>in</strong>den. Mehrere Mess<strong>in</strong>strumente <strong>in</strong> deutscher<br />

Sprache bilden unterschiedliche Dimensionen des Wohlbef<strong>in</strong>dens ab:<br />

• SF 36 – Fragebogen zum Gesundheitszustand: körperliches und psychisches Wohlbef<strong>in</strong>den/Lebensqualität<br />

(Bull<strong>in</strong>ger & Kirchberger, 1998)<br />

• MHW – Marburger Fragebogen zum habituellen Wohlbef<strong>in</strong>den: habituelles psychisches<br />

Wohlbef<strong>in</strong>den (Herda, 1998)<br />

• FEW 16 – Fragebogen zur Erfassung körperlichen Wohlbef<strong>in</strong>dens: habituelles körperliches<br />

Wohlbef<strong>in</strong>den (Kolip & Schmidt, 1999)<br />

In dieser Studie wurde körperliches und psychisches Wohlbef<strong>in</strong>den mit dem Fragebogen<br />

zum Gesundheitszustand (SF 36) erhoben (Bull<strong>in</strong>ger & Kirchberger, 1998). Dieser wurde auf<br />

<strong>der</strong> Grundlage des englischen Short Form (SF) – 36 Health Survey entwickelt.<br />

<strong>5.</strong>2.6.2 Burnout<br />

Burnout wurde bisher <strong>in</strong> zahlreichen Untersuchungen aus verschiedenen Perspektiven heraus<br />

untersucht und diskutiert. Insbeson<strong>der</strong>e im Kontext e<strong>in</strong>er arbeitsorganisatorischen und<br />

arbeitspsychologischen Burnout-Perspektive entstanden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vergangenheit zahlreiche<br />

empirische Arbeiten (Demerouti & Nachre<strong>in</strong>er, 1996; Enzmann, 1996; Enzmann & Kleiber,<br />

1989; Golembiewski, Munzenrie<strong>der</strong> & Carter, 1983; Gusy, 1995). Dabei erfolgten die meisten<br />

Untersuchungen bei Interaktions- und helfenden Berufen, zunehmend aber auch bei an<strong>der</strong>en<br />

Berufsgruppen (vgl. Enzmann & Kleiber, 1989; Schaufeli & Enzmann, 1998; Maslach,<br />

Schaufeli & Leiter, 2001; Rös<strong>in</strong>g, 2003).<br />

Die bisher e<strong>in</strong>flussreichste Burnoutdef<strong>in</strong>ition unter e<strong>in</strong>er arbeitsorganisatorischen Perspektive<br />

wurde von Maslach und Jackson (1984) entwickelt. Burnout ist danach e<strong>in</strong>e Fehlbeanspruchungsfolge,<br />

die sich <strong>in</strong> (emotionaler) Erschöpfung, Depersonalisierung (Zynismus) und reduziertem<br />

Wirksamkeitserleben (reduzierter professioneller Effizienz) äußert (s. Schaufeli,<br />

Leiter & Maslach, 1996).<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Burnoutmessung. Maslach und Jackson (1981, 1986) entwickelten e<strong>in</strong><br />

Instrument, das die drei postulierten Burnoutdimensionen erfassen soll. Das Maslach Burnout<br />

Inventory-Human Services Survey (MBI-HSS) wurde bisher am häufigsten e<strong>in</strong>gesetzt<br />

und ist <strong>in</strong>ternational am weitesten verbreitet. E<strong>in</strong>e deutsche Version wurde 1989 von Enzmann<br />

und Kleiber entwickelt.<br />

In Abweichung zu vorangegangenen Erhebungen wird <strong>in</strong> dieser Studie das Maslach-<br />

Burnout-Inventory-General Survey (MBI-GS) zur Erfassung von Burnout verwendet. Dieses<br />

77


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Instrument wurde 1996 von Schaufeli, Leiter & Maslach zur Erfassung von Burnout <strong>in</strong> primär<br />

nicht helfenden Berufen entwickelt. Es versucht, das Verhältnis von Beschäftigten zu ihrer<br />

Arbeit auf e<strong>in</strong>em Kont<strong>in</strong>uum zwischen Burnout und Engagement abzubilden. Engagement<br />

wird dabei mit Tatkraft, Leistungsfähigkeit und Effektivität <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit umschrieben. Burnout<br />

wird determ<strong>in</strong>iert durch Erschöpfung, e<strong>in</strong>e zynische Haltung zur eigenen Arbeit und Zweifel<br />

h<strong>in</strong>sichtlich <strong>der</strong> eigenen Leistungsfähigkeit. Dieses Instrument lehnt sich <strong>in</strong>haltlich an das<br />

MBI-HSS an, allerd<strong>in</strong>gs wurden die Aussagen <strong>der</strong> Items verallgeme<strong>in</strong>ert und nicht mehr so<br />

stark <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungen zur Arbeit mit Menschen gebracht.<br />

<strong>5.</strong>2.7 Fragestellung<br />

Zunächst soll deskriptiv beantwortet werden, wie häufig potentiell belastende Merkmale <strong>der</strong><br />

Arbeitstätigkeit und arbeitsorganisatorischer Rahmenbed<strong>in</strong>gungen von E<strong>in</strong>satzkräften <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Bundespolizei erlebt werden. Untersucht werden tätigkeitsbezogene und arbeitsorganisatorische<br />

Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse, Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem persönlichen Involvement und mit<br />

dem Erleben von Tod und Verletzung Frem<strong>der</strong> während des E<strong>in</strong>satzes.<br />

Weiterh<strong>in</strong> soll das Ausmaß von e<strong>in</strong>geschränktem Wohlbef<strong>in</strong>den und Burnout im Bundespolizeidienst<br />

beschrieben werden.<br />

Anknüpfend an die Untersuchungen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Feuerwehr und im Rettungsdienst (Her<strong>in</strong>g &<br />

Beerlage, 2004a, d, Her<strong>in</strong>g, Schulze, Sonnenberg & Beerlage, 2005, s. auch 6). In diesem<br />

Bericht) <strong>in</strong>teressieren die E<strong>in</strong>flüsse arbeitsorganisatorischer und tätigkeitsspezifischer Merkmale<br />

auf Burnout und e<strong>in</strong>geschränktes Wohlbef<strong>in</strong>den.<br />

Es soll untersucht werden, welchen Erklärungsbeitrag Burnout für e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschränktes habituelles<br />

Wohlbef<strong>in</strong>den leistet.<br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>er Diplomarbeit werden weitere Fragestellungen bearbeitet. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

<strong>in</strong>teressiert dabei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss arbeitsorganisatorischer und tätigkeitsspezifischer Merkmale<br />

auf das Engagement <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzkräfte.<br />

Es soll untersucht werden, welchen Erklärungsbeitrag Burnout für die Ausbildung von Symptomen<br />

e<strong>in</strong>er PTBS leistet. Zusammenhänge zwischen Burnout und gesundheitsrelevanten<br />

Verhaltenweisen wie dem durchschnittlichen Alkoholkonsum sollen geklärt werden.<br />

Darüber h<strong>in</strong>aus werden von weiteren Variablen <strong>der</strong> Person (z. B. organizational commitment)<br />

und <strong>der</strong> Umwelt (u. a. wahrgenommene soziale Unterstützung, extr<strong>in</strong>sische Gratifikation)<br />

mo<strong>der</strong>ierende E<strong>in</strong>flüsse erwartet.<br />

Diese Arbeit wird voraussichtlich im Juli 2006 abgeschlossen se<strong>in</strong> und veröffentlicht.<br />

<strong>5.</strong>2.8 Der Fragebogen<br />

Der erste Teil erfasst soziodemographische Angaben (Lebensalter, Dienstjahre, Dienstgrad).<br />

Der zweite Teil erhebt typische tätigkeitsspezifische und arbeitsorganisatorische Merkmale<br />

<strong>der</strong> Arbeit im Bundespolizeidienst. Um e<strong>in</strong> breites polizeidienstspezifisches Spektrum an Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

und <strong>Belastungen</strong> erfassen zu können, wurde das <strong>in</strong> den Untersuchungen im<br />

Rettungsdienst und <strong>der</strong> Feuerwehr (Her<strong>in</strong>g & Beerlage, 2004 a, d, Her<strong>in</strong>g, Schulze, Sonnenberg<br />

& Beerlage, 2005) verwendete Mess<strong>in</strong>strument erweitert und um dienstespezifische<br />

78


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Inhalte ergänzt. Darüber h<strong>in</strong>aus wurden Skalen des Kurzfragebogens zur Arbeitsanalyse<br />

(KZFA) nach Prümper, Hartmannsgruber & Frese (1995) verwendet.<br />

Der dritte Teil des Fragebogens erfasst <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> mittels erprobter Mess<strong>in</strong>strumente.<br />

Zur Messung von Burnout wird das Maslach Burnout Inventory-General Survey<br />

(MBI-GS) (Schaufeli, Leiter & Maslach, 1996) verwendet. Das Instrument erfasst Burnout auf<br />

den drei Skalen Erschöpfung, Zynismus und Professionelle Effizienz (Cronbachs alpha zwischen<br />

,76 und ,87). Engagement wird mit dem bei Schaufeli, Salanova, Gonzales-Roma und<br />

Bakker (2002) sowie <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Fassung bei Rös<strong>in</strong>g (2003) vorgestellten Fragebogen<br />

erhoben (Salanova, Schaufeli, Llorens, Peiro & Grau, 2000). Es glie<strong>der</strong>t sich <strong>in</strong> die Skalen<br />

H<strong>in</strong>gabe, Absorbiertheit und Vitalität (alpha zwischen ,80 und ,87). Die empirische Abbildung<br />

des körperlichen und psychischen Wohlbef<strong>in</strong>dens erfolgt mit <strong>der</strong> deutschen Version des SF-<br />

36 (Bull<strong>in</strong>ger & Kirchberger, 1998), welcher aus <strong>in</strong>sgesamt acht Skalen besteht (Körperliche<br />

Funktionsfähigkeit, Körperliche Rollenfunktion, Körperliche Schmerzen, Allgeme<strong>in</strong>e Gesundheitswahrnehmung,<br />

Vitalität, Soziale Funktionsfähigkeit, emotionale Rollenfunktion, Psychisches<br />

Wohlbef<strong>in</strong>den). Die Skala Körperliche Schmerzen wurde nicht <strong>in</strong> die Auswertung e<strong>in</strong>bezogen,<br />

da von e<strong>in</strong>er subjektiv gesunden Population ausgegangen werden kann, die aktuell<br />

ihren Dienst <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei versieht und daher mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit nicht von<br />

chronischen Schmerzen betroffen se<strong>in</strong> wird. Um dennoch e<strong>in</strong>e Vergleichbarkeit <strong>der</strong> Werte zu<br />

erreichen, wurden die dem Manual beigefügten Daten <strong>der</strong> Normstichprobe ohne Berücksichtigung<br />

<strong>der</strong> Items <strong>der</strong> Schmerzskala berechnet und diese anschließend als Vergleichswerte<br />

herangezogen. Bis auf die Skala Allgeme<strong>in</strong>e Gesundheitswahrnehmung (α= ,67) erreichten<br />

alle Skalen gute <strong>in</strong>terne Konsistenzen zwischen α= ,76 bis α= ,87. Symptome e<strong>in</strong>er PTSD<br />

werden mit <strong>der</strong> Impact of Event Scale (IES-R) (Maercker & Schützwohl, 1998) erhoben. Entsprechend<br />

<strong>der</strong> diagnostischen Kriterien e<strong>in</strong>er PTSD erfasst das Instrument die PTSD-<br />

Symptome Intrusion, Vermeidung und Hyperarousal auf eigenen Skalen (alpha zwischen ,78<br />

und ,89). Darüber h<strong>in</strong>aus wurde <strong>der</strong> durchschnittliche Alkoholkonsum <strong>der</strong> befragten E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

mit dem Index zum Alkoholkonsum von Renn und Feser (1994) (Puls, 2003) erhoben.<br />

Der vierte Teil des Fragebogens erfasst potenziell mo<strong>der</strong>ierende Variablen (Organizational<br />

commitment, Extr<strong>in</strong>sische Gratifikation, Wahrgenommene soziale Unterstützung von Kollegen<br />

und Vorgesetzten). Die Messung von Organizational commitment, als potenziell mo<strong>der</strong>ieren<strong>der</strong><br />

Variable <strong>der</strong> Person, erfolgt mit dem Commitment – Fragebogen nach Allen und<br />

Meyer (1990) (Schmidt, Hollmann & Sodenkamp, 1998). Da von wahrgenommener sozialer<br />

Unterstützung aus unterschiedlichen Quellen e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>ieren<strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss erwartet wird, wurde<br />

diese Variable mit Skalen zur Erfassung Wahrgenommener sozialer Unterstützung durch<br />

Vorgesetzte und Kollegen (Kleiber, Gusy, Enzmann & Beerlage, 1992) gemessen. Extr<strong>in</strong>sische<br />

Gratifikation wird erhoben mit Fragebogen zur Messung beruflicher Gratifikationskrisen<br />

von Siegrist, Starke, Knesebeck, Joksimovic, Dragano und Larisch (2003) (s. auch Rödel,<br />

Siegrist, Hessel & Brähler, 2004).<br />

Die Daten, die mit den Mess<strong>in</strong>strumenten zur Erfassung des Engagements, <strong>der</strong> PTSD, des<br />

Alkoholkonsums sowie <strong>der</strong> potenziell mo<strong>der</strong>ierenden Faktoren erhoben worden s<strong>in</strong>d, werden<br />

im Rahmen e<strong>in</strong>er Diplomarbeit ausgewertet, die im Juli 2006 abgeschlossen wird. Diese Variablen<br />

wurden im Folgenden nicht e<strong>in</strong>bezogen (s. <strong>5.</strong>2.7).<br />

79


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

<strong>5.</strong>2.9 Datenauswertung<br />

Nach E<strong>in</strong>gabe <strong>der</strong> Fragebögen wurden die Daten zunächst auf Vollständigkeit überprüft. Die<br />

E<strong>in</strong>gabe <strong>der</strong> Daten, die Berechnung <strong>der</strong> deskriptiven Statistik und die nachfolgenden Datenanalysen<br />

erfolgten mit <strong>der</strong> Statistiksoftware SPSS 12.0 ® . Zunächst werden Maße <strong>der</strong> zentralen<br />

Tendenz (Mittelwerte, Standardabweichung) berechnet. Anschließend erfolgt die Untersuchung<br />

<strong>der</strong> Fragestellung mittels uni- und multivariater Analysemethoden.<br />

<strong>5.</strong>2.10 Beteiligung an <strong>der</strong> Untersuchung<br />

Insgesamt wurden 2000 Fragebögen <strong>in</strong> den 12 Bundespolizei<strong>in</strong>spektionen des Bundespolizeiamtes<br />

Berl<strong>in</strong> an hauptberuflich im Polizeidienst tätige E<strong>in</strong>satzkräfte verteilt. 562 Fragebögen<br />

wurden bis Dezember 2005 zurückgesendet. Dies entspricht e<strong>in</strong>er Rücklaufquote von<br />

28,1%.<br />

<strong>5.</strong>2.11 Ergebnisse <strong>der</strong> Untersuchung<br />

<strong>5.</strong>2.11.1 Die Stichrobe<br />

Die Stichprobe setzt sich überwiegend aus männlichen E<strong>in</strong>satzkräften (85,8%) mit e<strong>in</strong>em<br />

durchschnittlichen Alter von 37,5 Jahren zusammen. Mehrheitlich leben die Stichprobenteilnehmer<br />

<strong>in</strong> festen Partnerschaften (79,7%). Im Durchschnitt pendeln 60 % täglich und 17%<br />

an den freien Tagen zwischen Wohnort und Arbeitsstelle. Dabei beträgt die Distanz <strong>der</strong> täglichen<br />

H<strong>in</strong>- und Rückfahrt zum Arbeitsort im Mittel 48,64 km, bei den Wochenendpendlern 250<br />

km.<br />

Der größte Teil <strong>der</strong> Beamten (66,7%) hat e<strong>in</strong>en Realschulabschluss. 21,9% haben Abitur<br />

o<strong>der</strong> geben e<strong>in</strong>en gleichwertigen Schulabschluss an. Mehr als die Hälfte (57,7%) <strong>der</strong> Befragten<br />

verfügt neben <strong>der</strong> polizeilichen Ausbildung über e<strong>in</strong>en weiteren Berufsabschluss, überwiegend<br />

<strong>in</strong> technischen Berufen. Im Durchschnitt s<strong>in</strong>d die Beamten seit 15 Jahren im Polizeidienst<br />

tätig und arbeiten auch aufgrund ihres Beamtenstatus mehrheitlich <strong>in</strong> unbefristeten<br />

Beschäftigungsverhältnissen (77,2%, 21% fehlend). 74,6% <strong>der</strong> Stichprobenteilnehmer arbeiten<br />

im mittleren, 22,8% im gehobenen und ca. 0,5% im höheren Polizeivollzugsdienst. Der<br />

größte Teil <strong>der</strong> Beamten (55,2%) arbeitet dabei im Streifendienst. In ihrem Arbeitsalltag verrichten<br />

39 % <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzkräfte Aufgaben des Grenzschutzes, 41% <strong>der</strong> Aufgaben <strong>der</strong> Bahnpolizei,<br />

38% Aufgaben zum Schutz <strong>der</strong> Luftsicherheit und 32% Aufgaben zum Schutz von<br />

Bundesorganen. Weitere Nennungen entfielen auf Aufgaben <strong>der</strong> Verfolgung und Ahndung<br />

von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten (63%) (Mehrfachantworten waren möglich).<br />

<strong>5.</strong>2.11.2 Anfor<strong>der</strong>ungen und <strong>Belastungen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei<br />

Häufigkeit <strong>der</strong> <strong>Belastungen</strong>. Zunächst wurde untersucht, welche arbeitsorganisatorischen<br />

und tätigkeitsspezifischen Merkmale im Bundespolizeidienst relevant s<strong>in</strong>d und wie häufig sie<br />

erlebt wurden 11 .<br />

11<br />

1-2= seltener als e<strong>in</strong>mal monatlich; 2-3= maximal e<strong>in</strong>mal im Monat; 3-4= maximal e<strong>in</strong>mal je Woche;<br />

4-5= mehrmals <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche; 5-6= nahezu täglich<br />

80


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

E<strong>in</strong>sätze mit tätigkeitsspezifischen und arbeitsorganisatorischen Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nissen<br />

werden seltener als e<strong>in</strong>mal im Monat bzw. maximal e<strong>in</strong>mal im Monat, E<strong>in</strong>sätze mit hohem<br />

persönlichen Involvement dagegen nur sehr selten (s. Tabelle 8).<br />

Tabelle 8:<br />

Mittelwerte arbeitsorganisatorischer und tätigkeitsspezifischer Merkmale<br />

<strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei (n= 556).<br />

TRH ORH TVF HPI<br />

Gesamtstichprobe 1,02 1,7 0,29 0,07<br />

Anmerkungen: TRH= Polizeispezifische tätigkeitsimmanente Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse;<br />

ORH= Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

TVF= Anfor<strong>der</strong>ungen durch Tod und Verletzung Frem<strong>der</strong>,<br />

HPI= Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem persönlichen Involvement<br />

Es fällt auf, dass die Subskalen Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse die<br />

höchsten Ausprägungen und Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem persönlichen Involvement die ger<strong>in</strong>gsten<br />

Ausprägungen zeigen.<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte, die u. a. Aufgaben <strong>der</strong> Bahnpolizei erfüllen, nehmen im Durchschnitt <strong>in</strong>sgesamt<br />

häufiger tätigkeitsimmanente und arbeitsorganisatorische Anfor<strong>der</strong>ungen, sowie Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

wahr, die mit dem Tod o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Verletzung Frem<strong>der</strong> verbunden s<strong>in</strong>d (s. Tabelle 9).<br />

Tabelle 9: Anfor<strong>der</strong>ungen im Vergleich mit dem Aufgabenspektrum<br />

Aufgabenbereich TRH ORH TVF HPI<br />

Aufgaben des Grenzschutzes n=220 1,07 1,63*↓ 0,11***↓ 0,04**↓<br />

Aufgaben <strong>der</strong> Bahnpolizei n=231 1,49***↑ 1,90***↑ 0,62***↑ 0,10**↑<br />

Aufgaben zum Schutz <strong>der</strong> Luftsicherheit n=215 1,07 1,67 0,09***↓ 0,03**↓<br />

Aufgaben zum Schutz von Bundesorganen n=181 0,<strong>59</strong>***↓ 1,73 0,09***↓ 0,03**↓<br />

Anmerkung: TRH= Dienstespezifische tätigkeitsimmanente Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse;<br />

ORH = Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

TVF = Anfor<strong>der</strong>ungen durch Tod und Verletzung Frem<strong>der</strong>,<br />

HPI = Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem persönlichen Involvement,<br />

N gibt die Anzahl <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzkräfte an, welche für diesen Aufgabenbereich<br />

mit „Ja“ antworteten (Mehrfachantworten waren möglich)<br />

*p≤ 0,05, **p=≤ 0,01, ***p≤ 0,001 bezogen auf Unterschied zwischen E<strong>in</strong>satzkräften,<br />

die für diesen Aufgabenbereich mit „Ne<strong>in</strong>“ antworteten<br />

Im Vergleich mit den Ergebnissen <strong>der</strong> Skalen Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse <strong>in</strong> den Untersuchungen<br />

bei Feuerwehr und Rettungsdienst (Her<strong>in</strong>g & Beerlage, 2004 a, b; Her<strong>in</strong>g, Schulze,<br />

Sonnenberg & Beerlage, 2005) weisen E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Bundespolizei statistisch signifikant<br />

höhere Werte auf (s. Tabelle 10)<br />

81


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Tabelle 10: Vergleich <strong>der</strong> Mittelwerte <strong>der</strong> Skala Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse<br />

zwischen den E<strong>in</strong>satzorganisationen<br />

Bundespolizei<br />

N=562<br />

Rettungsdienst<br />

N=142<br />

Feuerwehr<br />

N=361<br />

Mittelwert 1,7 1,5*** 1,6**<br />

Anmerkung: *p≤ 0,05, **p≤ 0,01, ***p≤ 0,001<br />

<strong>5.</strong>2.11.3 Wohlbef<strong>in</strong>den im Bundespolizeidienst<br />

In dieser Erhebung werden die Merkmale Körperliche Funktionsfähigkeit (KÖFU), Allgeme<strong>in</strong>er<br />

Gesundheitszustand (AGES), Körperliche Rollenfunktion (KÖRO), Emotionale Rollenfunktion<br />

(EMRO), Soziale Funktionsfähigkeit (SOFU), Vitalität (VITA) und Psychisches<br />

Wohlbef<strong>in</strong>den (PSYC) des SF 36 (Bull<strong>in</strong>ger & Kirchberger, 1998) untersucht. Zudem <strong>in</strong>teressierte<br />

die Verän<strong>der</strong>ung des Gesundheitszustandes im Vorjahreszeitraum.<br />

E<strong>in</strong>schätzung des Gesundheitszustandes. Im Mittel erleben die meisten Beamten ihren<br />

Gesundheitszustand vergleichbar gut bzw. schlecht wie vor <strong>der</strong> Untersuchung. Im E<strong>in</strong>zelnen<br />

schätzen:<br />

• 58% ihre Gesundheit gleich dem Vorjahreszeitraum e<strong>in</strong>,<br />

• 22% ihre Gesundheit schlechter,<br />

• 17% ihre Gesundheit besser e<strong>in</strong> (3% ke<strong>in</strong>e Angaben).<br />

Tabelle 11: Vergleich Mittelwerte <strong>der</strong> Gesamtdeutschen Normstichprobe und <strong>der</strong> Stichprobe des<br />

Bundespolizeiamtes Berl<strong>in</strong> (N=545)<br />

deutsche Normstichprobe Bundespolizeiamt Berl<strong>in</strong><br />

n M n M<br />

Skala 1<br />

(Körperliche Funktionsfähigkeit)<br />

2908 83,57 544 93,87***↑<br />

Skala 2<br />

(Körperliche Rollenfunktion)<br />

2900 80,56 544 84,09** ↑<br />

Skala 3<br />

(Allgeme<strong>in</strong>e Gesundheitswahrnehmung)<br />

2913 66,05 545 69,56***↑<br />

Skala 4<br />

(Vitalität)<br />

2888 61,75 544 58,02***↓<br />

Skala 5<br />

(Soziale Funktionsfähigkeit)<br />

2911 87,67 546 81,69***↓<br />

Skala 6<br />

(Emotionale Rollenfunktion)<br />

2899 87,74 543 85,69<br />

Skala 7<br />

(Psychisches Wohlbef<strong>in</strong>den)<br />

2900 72,79 543 72,79<br />

Körperliche Summenskala 2864 48,96 534 51,75***↑<br />

Psychische Summenskala 2864 51,04 534 48,46***↓<br />

Anmerkung: *p≤ 0,05, **p≤ 0,01, ***p≤ 0,001<br />

Wohlbef<strong>in</strong>den im Vergleich mit <strong>der</strong> Normstichprobe. Das körperliche Wohlbef<strong>in</strong>den stellt<br />

sich <strong>in</strong>sgesamt deutlich besser, das psychische deutlich schlechter als bei <strong>der</strong> Normstichprobe<br />

dar. Insbeson<strong>der</strong>e bei den Merkmalen Vitalität und soziale Funktionsfähigkeit, welche<br />

u.a. mit e<strong>in</strong>er höheren Gewichtung <strong>in</strong> die Berechnung <strong>der</strong> Summenskala Psychisches Wohlbef<strong>in</strong>den<br />

e<strong>in</strong>gehen, wird im Vergleich e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>geres Wohlbef<strong>in</strong>den <strong>der</strong> Stichprobe <strong>der</strong> Bun-<br />

82


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

despolizei deutlich. Tabelle 11 gibt e<strong>in</strong>en Überblick über die Maße <strong>der</strong> Stichprobe aus Beamten<br />

<strong>der</strong> Bundespolizei Berl<strong>in</strong> sowie <strong>der</strong> deutschen Normstichprobe.<br />

<strong>5.</strong>2.11.4 Burnout im Bundespolizeidienst<br />

Burnoutausprägung. Burnout wurde mit dem MBI-GS (Schaufeli, Leiter & Maslach, 1996)<br />

erhoben. Die Mittelwerte bilden sich aus Nennungen zur Häufigkeit des Erlebens <strong>der</strong> <strong>in</strong> den<br />

Items beschriebenen Situationen 12 . Sie bewegen sich im Mittel zwischen 1,69 (Zynismus)<br />

und 4,06 (Professionelle Effizienz) (s. Tabelle 12). E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Bundespolizei liegen<br />

h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Burnoutausprägung im Mittel im Bereich e<strong>in</strong>er mittleren Burnoutausprägung<br />

(Vergleichswerte s. Tabelle 13) (Schaufeli, Leiter & Maslach, 1996).<br />

Tabelle 12:<br />

Mittelwerte <strong>der</strong> Burnoutskalen für E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Bundespolizei (N= 562) im Vergleich<br />

mit den Normdaten <strong>der</strong> nordamerikanischen Stichprobe (N= 3272).<br />

ger<strong>in</strong>g (unteres Drittel) mittel (mittleres Drittel) hoch (oberes Drittel)<br />

Normwerte Bundespolizei Normwerte Bundespolizei Normwerte Bundespolizei<br />

ES ≤ 2,00 2,01-3,19 2,57 ≥ 3,20 33,6%<br />

ZY ≤ 1,00 1,01-2,19 1,69 ≥ 2,20 29,7%<br />

PE ≥ 5,00 45,0% 4,01-4,99 4,06 ≤ 4,00<br />

Anmerkung: Quelle: Schaufeli, Leiter & Maslach, 1996<br />

33,6% <strong>der</strong> Beamt<strong>in</strong>nen und Beamten zeigen auf Grundlage <strong>der</strong> Vergleichswerte hohe Erschöpfungswerte,<br />

29,7% hohe Werte bei Zynismus und ca. 45% <strong>der</strong> befragten Beamten erleben<br />

sich wenig effizient <strong>in</strong> ihrer Arbeit.<br />

12,8% <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzkräfte des Bundespolizeiamtes Berl<strong>in</strong> haben Burnoutwerte auf allen drei<br />

Skalen, die für e<strong>in</strong>e hohe Burnoutausprägung sprechen. Darüber h<strong>in</strong>aus zeigen zusätzlich<br />

9,4% <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzkräfte Werte auf m<strong>in</strong>destens zwei Skalen, die e<strong>in</strong>e hohe Burnoutausprägung<br />

annehmen lassen. Dies bedeutet, dass zum<strong>in</strong>dest etwas mehr als e<strong>in</strong> Zehntel <strong>der</strong> befragten<br />

Beamt<strong>in</strong>nen und Beamten hochgradig ausgebrannt s<strong>in</strong>d und etwas mehr als e<strong>in</strong><br />

Fünftel (12,8% + 9,4% = 22,2%) zum<strong>in</strong>dest auffällig hohe Burnoutwerte aufweist.<br />

Burnoutausprägung <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satzgruppen und Aufgabenbereiche. E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

<strong>der</strong> Bundespolizei s<strong>in</strong>d im Vergleich mit E<strong>in</strong>satzkräften des Rettungsdienstes stärker<br />

erschöpft, vergleichbar zynisch und erleben e<strong>in</strong>e ähnlich hohe professionelle Effizienz wie<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte im Rettungsdienst (s. Tabelle 13). Im Vergleich mit E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Feuerwehr,<br />

zeigen sich E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei ebenfalls deutlich erschöpfter und zynisch<br />

distanzierter im Umgang mit ihrer Arbeit. Sie nehmen <strong>in</strong> deutlich stärkerem Ausmaß als<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Feuerwehr wahr, mit ihrer Arbeit etwas zu bewirken. Allerd<strong>in</strong>gs werden hier<br />

Werte verglichen, die mit unterschiedlichen Burnout<strong>in</strong>strumenten erhoben wurden (Feuerwehr<br />

und Rettungsdienst MBI-HSS, Bundespolizei MBI-GS). Daher s<strong>in</strong>d die Ergebnisse dieses<br />

Vergleichs kritisch zu diskutieren.<br />

12<br />

1-2= maximal e<strong>in</strong>mal im Monat; 2-3= e<strong>in</strong>- bis mehrmals im Monat; 3-4= maximal e<strong>in</strong>mal je Woche;<br />

4-5= mehrmals <strong>in</strong> <strong>der</strong> Woche; 5-6= nahezu täglich<br />

83


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Tabelle 13:<br />

Mittelwerte <strong>der</strong> Burnoutskalen im Vergleich<br />

Bundespolizei Rettungsdienst<br />

N=562<br />

N=142<br />

Feuerwehr<br />

N=361<br />

freiwillig<br />

beruflich<br />

Emotionale Erschöpfung 2,57 1,49***↓ 0,34***↓ 1,21***↓<br />

Zynismus 1,69 1,<strong>59</strong> 0,52***↓ 1,26***↓<br />

Professionelle Effizienz 4,06 4,01 2,66***↓ 3,38***↓<br />

Anmerkung: *p≤ 0,05, **p≤ 0,01, ***p≤ 0,001,<br />

die Werte <strong>der</strong> Skala reduziertes Wirksamkeitserleben für Rettungsdienst und Feuerwehr<br />

wurden zurückgepolt, um e<strong>in</strong>e Vergleichbarkeit mit Werten <strong>der</strong> Skala Professionelle Effizienz<br />

zu erreichen<br />

Im Vergleich <strong>der</strong> Burnoutausprägungen nach verschiedenen Aufgabenbereichen ergeben<br />

sich ke<strong>in</strong>e bemerkenswerten Unterschiede zwischen E<strong>in</strong>satzkräften, die entsprechende Tätigkeiten<br />

<strong>in</strong> E<strong>in</strong>satzgeschehen ausüben bzw. nicht ausüben (s. Tabelle 14).<br />

Tabelle 14: Burnoutausprägung im Vergleich mit dem Aufgabenspektrum.<br />

Aufgabenbereich ES ZY PE<br />

Aufgaben des Grenzschutzes N=220 2,62 1,53 4,07<br />

Aufgaben <strong>der</strong> Bahnpolizei N=231 2,55 1,<strong>59</strong> 4,07<br />

Aufgaben zum Schutz <strong>der</strong> Luftsicherheit N=215 2,61 1,52 4,06<br />

Aufgaben zum Schutz von Bundesorganen N=181 2,49 1,87 3,97<br />

Anmerkung: ES= Erschöpfung; ZY= Zynismus, PE= Professionelle Effizienz<br />

Mittelwerte und Stichprobengröße beziehen sich auf E<strong>in</strong>satzkräfte, welche für diesen<br />

Aufgabenbereich mit „Ja“ antworteten (Mehrfachantworten waren möglich)<br />

<strong>5.</strong>2.11.5 Auswirkungen <strong>der</strong> Arbeit im Bundespolizeidienst<br />

<strong>Belastungen</strong> und Burnout. Erste Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e<br />

die Skala Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse mit den Burnoutdimensionen<br />

Erschöpfung, Zynismus und professionelle Effizienz korreliert (s. Tabelle 15). Nur<br />

schwache Zusammenhänge ergeben sich zwischen polizeispezifischen tätigkeitsimmanenten<br />

Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nissen und <strong>der</strong> Burnoutdimension Erschöpfung. Ke<strong>in</strong> direkter Zusammenhang<br />

ergibt sich zwischen Anfor<strong>der</strong>ungen mit Tod und Verletzung Frem<strong>der</strong> sowie Anfor<strong>der</strong>ungen<br />

mit hohem persönlichem Involvement und Merkmalen von Burnout.<br />

Analog theoretischer Vorüberlegungen im Burnout-Prozessmodell von Maslach und Leiter<br />

(1988) zeigen sich Zusammenhänge zwischen Erschöpfung, Zynismus und e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>geren<br />

professionellen Effizienz.<br />

84


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

Tabelle 15: Korrelationsmatrix <strong>Belastungen</strong>, Burnout, Wohlbef<strong>in</strong>den.<br />

ES ZY PE KSK PSK<br />

TRH 0,16*** 0,09* 0,00 0,04 -0,06<br />

ORH 0,29*** 0,49*** -0,25*** 0,02 -0,27***<br />

TVF 0,04 0,05 -0,02 -0,02 -0,03<br />

HPI 0,04 0,07 -0,04 0,06 -0,08<br />

KSK -0,10* 0,04 0,00<br />

PSK -0,50*** -0,39*** 0,34***<br />

ES 1 0,44*** -0,19***<br />

ZY 0,44*** 1 -0,45***<br />

PE -0,19*** -0,45*** 1<br />

Anmerkung: TRH= Polizeispezifische tätigkeitsimmanente Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

ORH= Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

TVF= Anfor<strong>der</strong>ungen durch Tod und Verletzung Frem<strong>der</strong>,<br />

HPI= Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem persönlichen Involvement,<br />

ES= Erschöpfung, ZY= Zynismus, PE= Professionelle Effizienz,<br />

KSK= Summenskala Körperliches Wohlbef<strong>in</strong>den,<br />

PSK= Summenskala Psychisches Wohlbef<strong>in</strong>den<br />

**p≤ 0,05, **p≤ 0,01, ***p≤ 0,001<br />

Im Ergebnis von Regressionsanalysen erklären die Belastungsskalen zusammen 27,6% <strong>der</strong><br />

Varianz <strong>der</strong> Werte <strong>der</strong> Skala Zynismus, jedoch lediglich 9,7% <strong>der</strong> Skala Erschöpfung und<br />

7,7% Skala Professionelle Effizienz. Sich bisher abzeichnende Zusammenhänge zwischen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen/<strong>Belastungen</strong> und Burnout können bestätigt werden. Insbeson<strong>der</strong>e die Skala<br />

Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse leistet e<strong>in</strong>en hohen Erklärungsbeitrag<br />

für die Varianz von Burnout (s. Tabelle 16).<br />

Tabelle 16: Ergebnisse <strong>der</strong> Regressionsanalysen „E<strong>in</strong>flussfaktoren auf Burnout“<br />

Prädiktor<br />

Kriterium<br />

Schritt 1<br />

Erschöpfung Zynismus Professionelle Effizienz<br />

β R 2 β R 2 β R 2<br />

TRH 0,09 0,09 -0,18*** 0,276 0,19*** 0,08<br />

ORH 0,28*** 0,56*** -0,31***<br />

TVF 0,03 0,08 -0,11*<br />

HPI 0,01<br />

0,05<br />

0,01<br />

Anmerkungen: TRH= Polizeispezifische tätigkeitsimmanente Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

ORH= Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

TVF= Anfor<strong>der</strong>ungen durch Tod und Verletzung Frem<strong>der</strong>,<br />

HPI= Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem persönlichem Involvement<br />

*p≤ 0,05, **p≤ 0,01, ***p≤ 0,001<br />

Deutlich wird, je häufiger E<strong>in</strong>satzkräfte arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

wie Abstimmungsprobleme zwischen Vorgesetzten o<strong>der</strong> E<strong>in</strong>schränkungen im Entscheidungsspielraum<br />

erleben, desto eher fühlen sie sich erschöpft, nehmen e<strong>in</strong>e zynisch distanzierte<br />

Haltung zu ihrer Arbeit e<strong>in</strong> und zweifeln h<strong>in</strong>sichtlich ihrer beruflichen Leistungsfähigkeit.<br />

Es fällt auch auf, dass je häufiger E<strong>in</strong>sätze mit polizeispezifischen tätigkeitsimmanenten Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nissen<br />

erlebt werden, sich die Beamten weniger zynisch zeigen und professionell<br />

effizienter erleben.<br />

85


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

<strong>Belastungen</strong>, Burnout und e<strong>in</strong>geschränktes Wohlbef<strong>in</strong>den. Die Zusammenhänge zwischen<br />

Arbeitsanfor<strong>der</strong>ungen und Wohlbef<strong>in</strong>den waren nur schwach. Die Skala Arbeitsorganisationsbezogene<br />

Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse steht <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Zusammenhang mit <strong>der</strong><br />

Summenskala Psychisches Wohlbef<strong>in</strong>den. Das deutet darauf h<strong>in</strong>, dass E<strong>in</strong>satzkräfte, die<br />

häufig arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse erleben, sich weniger vital fühlen<br />

und ihre allgeme<strong>in</strong>e psychische Gesundheit schlechter e<strong>in</strong>schätzen (s. Tabelle 16).<br />

Hohe Zusammenhänge werden zwischen Burnout und Merkmalen des Psychischen Wohlbef<strong>in</strong>dens<br />

deutlich (s. Tabelle 16). Demnach schätzen E<strong>in</strong>satzkräfte, die sich häufig erschöpft<br />

und zynisch distanziert im Umgang mit ihrer Arbeit erleben, ihre psychische Gesundheit<br />

schlechter e<strong>in</strong>.<br />

Im Ergebnis von Regressionsanalysen erklären Belastungsskalen und Burnoutskalen zusammen<br />

nur 3% <strong>der</strong> Ausprägungen <strong>der</strong> Körperlichen und 32% <strong>der</strong> Ausprägungen <strong>der</strong> Psychischen<br />

Summenskala. Dabei verweist lediglich die Skala Erschöpfung bei hohen Skalenwerten<br />

auf e<strong>in</strong>e schlechter e<strong>in</strong>geschätzte körperliche Gesundheit (s. Tabelle 17).<br />

Tabelle 17: Ergebnisse <strong>der</strong> Regressionsanalysen „E<strong>in</strong>flussfaktoren auf Wohlbef<strong>in</strong>den (SF-36)“<br />

Prädiktor<br />

Schritt 1<br />

Kriterium<br />

Körperliche Summenskala Psychische Summenkala<br />

β R 2 β R 2<br />

TRH 0,08 0,03<br />

0,06 0,32<br />

ORH -0,05 -0,07<br />

TVF -0,08 -0,03<br />

HPI 0,04 -0,12**<br />

ES -0,17*** -0,39***<br />

ZY 0,06 -0,11**<br />

PE -0,00<br />

0,17***<br />

Anmerkungen: TRH= Polizeispezifische tätigkeitsimmanente Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

ORH= Arbeitsorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse,<br />

TVF= Anfor<strong>der</strong>ungen durch Tod und Verletzung Frem<strong>der</strong>,<br />

HPI= Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem persönlichem Involvement;<br />

ES= Erschöpfung, ZY= Zynismus, PE= Professionelle Effizienz<br />

*p≤ 0,05, **p≤ 0,01, ***p≤ 0,001<br />

Die Psychische Summenskala <strong>der</strong> Variable Wohlbef<strong>in</strong>den steht ebenfalls stark im Zusammenhang<br />

mit dem Erleben Emotionaler Erschöpfung, Zynismus und professioneller Effizienz.<br />

Hohe Werte für die Skalen Erschöpfung und Zynismus stehen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>em reduzierten<br />

psychischen Wohlbef<strong>in</strong>den und damit verbunden, e<strong>in</strong>er schlechteren E<strong>in</strong>schätzung<br />

<strong>der</strong> eigenen psychischen Gesundheit. Das Erleben professioneller Effizienz steht im Zusammenhang<br />

mit e<strong>in</strong>er besseren E<strong>in</strong>schätzung <strong>der</strong> psychischen Gesundheit.<br />

Von den Belastungsskalen zeigt lediglich das häufige Erleben von Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem<br />

persönlichen Involvement e<strong>in</strong>e schwache B<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er schlechter e<strong>in</strong>geschätzten psychischen<br />

Gesundheit. Vergleichbare Ergebnisse zeigten sich auch <strong>in</strong> Studien bei<br />

E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Feuerwehr und des Rettungsdienstes.<br />

86


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

<strong>5.</strong>2.11.6 Diskussion und Zusammenfassung<br />

Diese Untersuchung dient zum e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> Schätzung des Bedarfs an Primärpräventionsangeboten<br />

bei <strong>der</strong> Bundespolizei, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> E<strong>in</strong>flussfaktoren durch die<br />

Arbeit (Organisation und Tätigkeit). E<strong>in</strong> Bedarf auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Arbeitsorganisation und<br />

<strong>der</strong> Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen ließe sich dann ableiten, wenn arbeitsorganisationsbezogene Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

im Zusammenhang mit Burnout o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>geschränktem Wohlbef<strong>in</strong>den<br />

stünden.<br />

Als Anfor<strong>der</strong>ungen bzw. <strong>Belastungen</strong> wurden im Rahmen dieser Studie u. a. arbeitsorganisationsbezogene<br />

Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse (ORH) erhoben. Insgesamt werden arbeitsorganisationsbezogene<br />

Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei auf relativ ger<strong>in</strong>gem Niveau erlebt,<br />

wobei sich je nach E<strong>in</strong>satzort und Tätigkeit Unterschiede ergeben. Vergleicht man diese<br />

Ergebnisse mit den Ergebnissen <strong>der</strong> Skalen Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse <strong>in</strong> den Untersuchungen<br />

bei Feuerwehr und Rettungsdienst (Her<strong>in</strong>g & Beerlage, 2004 a, d, Her<strong>in</strong>g, Schulze, Sonnenberg<br />

& Beerlage, 2005) weisen E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Bundespolizei hier zwar statistisch signifikant<br />

höhere Werte auf, allerd<strong>in</strong>gs ersche<strong>in</strong>t <strong>der</strong> absolute Unterschied relativ kle<strong>in</strong>, so dass<br />

von e<strong>in</strong>er vergleichbaren Belastung durch Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit sowohl im<br />

polizeilichen, als auch im nicht polizeilichen Bevölkerungsschutz gesprochen werden kann.<br />

E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Bundespolizei erleben sich im mittleren Drittel <strong>der</strong> Burnoutausprägungen<br />

erschöpft und zynisch <strong>in</strong> bezug auf ihre Arbeit. Im Vergleich mit E<strong>in</strong>satzkräften <strong>der</strong> Feuerwehr<br />

und des Rettungsdienstes zeigen sie sich aber deutlich erschöpfter. 33,6% <strong>der</strong> Befragten<br />

können dabei als hochgradig erschöpft und 29,7% als hochgradig zynisch im Umgang<br />

mit ihrer Arbeit e<strong>in</strong>gestuft werden. Ausgehend von Ergebnissen von Re<strong>in</strong>hard und Maercker<br />

(2004), haben <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e E<strong>in</strong>satzkräfte, die sich hochgradig erschöpft und depersonalisiert<br />

(zynisch) erleben ungünstigere Vorraussetzungen, extrem belastenden, potenziell traumatisierenden<br />

E<strong>in</strong>satzsituationen angemessen zu begegnen. Sie s<strong>in</strong>d daher offenbar eher<br />

gefährdet Symptome e<strong>in</strong>er PTSD auszubilden. Inwieweit diese Ergebnisse auch auf E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

<strong>der</strong> Bundespolizei übertragen werden können, wird im Rahmen weiterer Analysen ü-<br />

berprüft, die im Rahmen e<strong>in</strong>er Diplomarbeit durchgeführt werden. Abschließende Ergebnisse<br />

dazu s<strong>in</strong>d im Juli 2006 zu erwarten.<br />

Die Werte für das Erleben professioneller Effizienz liegen ebenfalls im mittleren Drittel <strong>der</strong><br />

Bereiche <strong>der</strong> Burnoutausprägung nach Schaufeli, Leiter und Maslach (1996). Im Vergleich zu<br />

Beschäftigten an<strong>der</strong>er E<strong>in</strong>satzorganisationen, erleben sich E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Bundespolizei<br />

im Durchschnitt ähnlich effizient wie E<strong>in</strong>satzkräfte des Rettungsdienstes <strong>in</strong> ihrer Arbeit und<br />

etwas besser als E<strong>in</strong>satzkräfte <strong>der</strong> Feuerwehr. Bei <strong>der</strong> Untersuchung <strong>der</strong> Auswirkungen von<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen und Rahmenbed<strong>in</strong>gungen <strong>der</strong> Arbeit im Bundespolizeidienst auf Burnout<br />

wurde deutlich, das ausschließlich arbeitorganisationsbezogene Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse e<strong>in</strong>en<br />

bedeutenden Erklärungsbeitrag für alle Burnoutkomponenten leisten. Je häufiger Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit erlebt werden, desto mehr „verabschieden“ sich E<strong>in</strong>satzkräfte<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei <strong>in</strong>nerlich von ihrer Arbeit. Die Ergebnisse s<strong>in</strong>d vergleichbar mit an<strong>der</strong>en<br />

Studien <strong>in</strong> denen <strong>der</strong> E<strong>in</strong>fluss von Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nissen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit auf Burnout untersucht<br />

wurde (s. Enzmann, 1996; Gusy, 1995; Her<strong>in</strong>g & Beerlage, 2004a, d; Her<strong>in</strong>g, Schulze,<br />

Sonnenberg & Beerlage, 2005).<br />

Arbeitsorganisatorische und tätigkeitsspezifische Merkmale stehen nur <strong>in</strong> sehr ger<strong>in</strong>gem Zusammenhang<br />

mit dem physischen und psychischen Wohlbef<strong>in</strong>den bzw. <strong>der</strong> subjektiven Gesundheit.<br />

Hier können lediglich Zusammenhänge zwischen Anfor<strong>der</strong>ungen mit hohem per-<br />

87


<strong>Belastungen</strong>, <strong>Fehlbeanspruchungsfolgen</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Polizeilichen</strong> Gefahrenabwehr<br />

sönlichen Involvement und e<strong>in</strong>er schlechter e<strong>in</strong>geschätzten psychischen Gesundheit nachgewiesen<br />

werden. Burnout erklärt <strong>in</strong> wesentlich stärkerem Maß Unterschiede im körperlichen<br />

und psychischen Wohlbef<strong>in</strong>den als Merkmale <strong>der</strong> Arbeit. Vergleichbar mit den Untersuchungen<br />

von Her<strong>in</strong>g und Beerlage (2004 a, d) o<strong>der</strong> Her<strong>in</strong>g, Schulze, Sonnenberg und Beerlage<br />

(2005) werden langfristige Bee<strong>in</strong>trächtigungen im Gesundheitszustand offenbar erst dann<br />

deutlich, wenn Arbeitsbelastungen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arbeit, zu<br />

Burnout geführt haben.<br />

Auf Grundlage <strong>der</strong> vorliegenden Daten lassen sich die mittleren Ausprägungen auf den drei<br />

Burnoutdimensionen nicht ausreichend erklären. Lediglich arbeitsorganisationsbezogene<br />

Regulationsh<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse leisten e<strong>in</strong>en Erklärungsbeitrag für hohe Erschöpfung, Zynismus und<br />

ger<strong>in</strong>ge professioneller Effizienz. Deutlich wurde auch, dass Zynismus hoch korreliert ist mit<br />

Erschöpfung und e<strong>in</strong>er ger<strong>in</strong>geren professionellen Effizienz.<br />

Schlussfolgernd lässt sich aufgrund <strong>der</strong> bisherigen Ergebnisse zunächst e<strong>in</strong> Bedarf an Primärprävention<br />

auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Arbeitsorganisation <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei feststellen. Insbeson<strong>der</strong>e<br />

empfiehlt sich hier die Gestaltung <strong>der</strong> Entscheidungs- und Interaktionsprozesse,<br />

sowie die Schaffung geeigneter Kommunikationsmöglichkeiten. Detailliertere Aussagen bezüglich<br />

e<strong>in</strong>es möglichen Bedarfs an psychosozialen Maßnahmen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bundespolizei können<br />

erst nach weiterer Auswertung <strong>der</strong> gewonnenen Daten erfolgen.<br />

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