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Das Stadtmagazin

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44 Und was möchte er essen...?<br />

„Und was möchte er essen…?“<br />

Unsicherheiten im Umgang mit Menschen<br />

mit Behinderung gehören zum Alltag.<br />

Leider, doch haben die meisten „Normalos“<br />

eben keine Berührungspunkte<br />

mit Menschen mit Behinderung. Und da<br />

sind gerade wir Rollstuhlfahrer beispielhaft<br />

für die Thematik.<br />

Nun bin auch ich, wie der überwiegende<br />

Teil der anderen Rollifahrer „nur“ körperbehindert.<br />

Was bedeutet, dass wir nicht<br />

zwangsläufig auch im Kopf mit einem Defizit<br />

ausgestattet sind. Wir können sprechen,<br />

denken, eigene Entscheidungen<br />

treffen und sind auch sonst ganz fit – gucken<br />

Sie einfach mal hin! Und wenn Ihnen<br />

was nicht klar ist an unserem Da-Sein,<br />

dann fragen Sie doch einfach!<br />

Zwar schien mir, dass der Kellner sich ausschließlich<br />

auf meine Begleiterin zu kaprizieren<br />

schien, doch hätte das ja auch Einbildung<br />

sein können.<br />

Hätte!<br />

Hätte der Gute nicht auch noch bei der<br />

Bestellung so getan, als sei ich gar nicht<br />

da. Donnerlittchen – gerade wollte ich was<br />

sagen, doch blieb sein Blick einfach bei<br />

meiner Begleiterin und auch die Frage war<br />

an sie gerichtet: „Und was möchte er essen?“<br />

Diese Szene war Loriot-verdächtig, also<br />

spielten die Dame an meiner Seite und ich<br />

die Rollen weiter. Wir genossen den Abend,<br />

die bezaubernde Umgebung, das gute Essen<br />

und noch einen Drink vorm Abschied<br />

Diese Einmischung in das Geschehen,<br />

der Griff in die Brieftasche und meine Anmerkung,<br />

dass ich zwar die Rechnung, aber<br />

kein Trinkgeld zahlen könne, da sein Service<br />

mich ja nicht eingeschlossen hätte, das war<br />

dem armen Kellner zu und zu peinlich. Man<br />

konnte förmlich spüren, wie er sich innerlich<br />

wand, er hatte dennoch das nächste<br />

Fettnäpfchen parat. Denn selbstverständlich<br />

fragte ich ihn, warum er mich ignoriert habe,<br />

da im Rollstuhlsitzen ja nicht gleichbedeutend<br />

mit stumm sei. „Ich dachte, Sie sind an<br />

den Rollstuhl gefesselt und die Dame ist Ihre<br />

Betreuerin, deswegen habe ich nur mit ihr<br />

gesprochen.“ Nun war ich also auch noch<br />

gefesselt! Ohne dass ich es mitbekommen<br />

hatte!<br />

„Binden sie mich bitte sofort los,“<br />

rief ich, „und rufen Sie die Polizei!“ Der arme<br />

Kerl, der jetzt aber um eine Erkenntnis reicher<br />

sein wird! Wenngleich es auch der allgemeine<br />

Sprachgebrauch ist, sich von diesem<br />

und jenem gefesselt zu fühlen – Rollstuhlfahrer<br />

sind nicht an ihren Rolli gefesselt! <strong>Das</strong>,<br />

meine Lieben, sähe nämlich anders aus. Und<br />

im Übrigen reichen uns die allgegenwärtigen<br />

Hürden im Alltag!<br />

Sich das vor Augen zu halten und für den<br />

Anfang vielleicht den Sprachgebrauch sensibler<br />

zu händeln – das wäre ein großer Schritt<br />

im Aufeinanderzugehen. Denn auch ich bin<br />

an diesem Abend gereifter nach Hause gefahren.<br />

Erkennend, dass es auch unser Bestreben<br />

sein muss, Berührungsängste und<br />

Hemmschwellen abzubauen. Also lassen Sie<br />

uns bitte gemeinsam daran weiterarbeiten!<br />

Boris Guentel<br />

Wie das sicher<br />

auch der Kellner in einem idyllisch gelegenen<br />

Restaurant am Wasser zukünftig tun<br />

wird. „Wir sind auf Behinderte eingestellt!“<br />

hieß es als Antwort auf die betreffenden<br />

Fragen nach den notwendigen Facilitäten.<br />

Tatsächlich waren Parkplatz und ebenerdiger<br />

Eingang wie beschrieben und nach<br />

einer freundlichen Begrüßung wurden am<br />

Tisch sogleich die Speisekarten überreicht.<br />

nehmen. Dieser wurde mit dem Bezahlen<br />

der Rechnung eingeleitet und führte<br />

prompt zum nächsten Eklat, als der Kellner<br />

die Rechnung meiner Begleiterin vorlegte.<br />

Weil ich ihm ja offensichtlich als Phantom<br />

erschien – im Rollstuhl, also unsichtbar!<br />

„Moment, ich zahle!“<br />

Anmerkung der Redaktion:<br />

Wir haben gefragt, wann man Rollifahrern<br />

denn nun Hilfe anbieten darf. Basierend auf<br />

irritierenden Erfahrungen, dass man einmal<br />

über die Bordsteinkante oder ins Auto oder<br />

durch die Tür helfen darf, von anderen aber<br />

abgewiesen wird. Ganz einfach: Wenn ein<br />

Rollstuhl Schiebegriffe hinten dran hat, dann<br />

kann man gerne fragen. Hat er die nicht, ist<br />

der Rollifahrer nicht unbedingt auf Hilfe angewiesen,<br />

er möchte selbstständig klarkommen.

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