DEPESCHE - Die Linke. Hannover
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Mai/Juni 2010 | Seite 3<br />
Im Plenum am 11.06. 2010 erklärte<br />
der Verteidigungsminister Karl-Theodor<br />
Freiherr zu Guttenberg, dass<br />
er am Wehrrechtsänderungsgesetz<br />
2010 solange festhalten werde, bis<br />
über die Abschaffung oder Aussetzung<br />
der Wehrpflicht entschieden<br />
sei. Damit geht Freiherr zu Guttenberg<br />
nicht etwa zu den <strong>Linke</strong>n über<br />
und will die Wehrpflicht abschaffen,<br />
abrüsten und Auslandseinsätze beenden.<br />
Ganz im Gegenteil:<br />
Im Wehrrechtsänderungsgesetz<br />
2010 geht es nur scheinbar um die Verkürzung<br />
der Wehr- und Zivildienstdauer von 9 auf 6 Monate.<br />
Tatsächlich geht es bei diesem Gesetzgebungsvorhaben<br />
aber um etwas ganz Anderes<br />
wie die öffentliche Anhörung vom 14.06.2010<br />
bewies:<br />
Soziale <strong>Die</strong>nstleistungen in Deutschland sollen<br />
zukünftig nicht mehr ausschließlich über freie<br />
Arbeitsverhältnisse erbracht werden, sondern<br />
auch über öffentlich- rechtliche Beschäftigungsverhältnisse<br />
mit Pflichtdienststrukturen, in denen<br />
weit unterhalb von tariflich vereinbarten<br />
Löhnen oder Mindestlöhnen gearbeitet werden<br />
muss.<br />
Kernstück des Wehrrechtsänderungsgesetzes<br />
2010 ist nicht eine Vorschrift im Wehrpflicht-<br />
Landtags- und Bundestagsfraktion<br />
Missbrauch von Zivildienstleistenden und Weichenstellung für eine<br />
Allgemeine <strong>Die</strong>nstpflicht<br />
Seitdem DIE LINKE im Januar 2008 in den Niedersächsischen<br />
Landtag eingezogen ist, zieht sich<br />
eine wiederkehrende Position durch die Politik unserer<br />
Fraktion. Wir haben alle bisherigen Diätenerhöhungen<br />
für Landtagsabgeordnete abgelehnt.<br />
Bereits nach der von uns abgelehnten ca. zweiprozentigen<br />
Diätenerhöhung 2008 gründeten wir<br />
Landtagsabgeordnete der LINKEN den eingetragenen<br />
Verein „Minna Faßhauer“, an den wir die<br />
ungewollte Erhöhung unserer Bezüge abführen.<br />
Minna Faßhauer war in der nach der Novemberrevolution<br />
1918 kurzfristig bestehenden „Sozialistischen<br />
Republik Braunschweig“ als Volkskommissarin<br />
für Volksbildung die erste Frau in einem<br />
Ministeramt. Sie engagierte sich für die Gleichberechtigung<br />
von Frauen und gegen die damaligen<br />
Interessen der Kirche für eine weltliche Einheitsschule,<br />
sowie setzte sich für Volkskindergärten<br />
und Volksschulen ein.<br />
Minna Faßhauer ist daher eine gute Namenspatronin<br />
für unseren Verein, in dem wir dann gemeinsam<br />
entscheiden, für welche sozialen und kultu-<br />
Heidrun Dittrich, MdB<br />
gesetz, sondern der geplante<br />
Paragraf 41a Zivildienstgesetz,<br />
der so genannte „freiwillige zusätzliche<br />
Zivildienst“, der billige<br />
Arbeitsplätze im sozialen<br />
Bereich weiterhin bereitstellen<br />
soll mit <strong>Die</strong>nstverpflichtungen.<br />
Es wurde von dem Sachverständigen<br />
des BDKJ (Bund<br />
Deutsche Katholische Jugend)<br />
Herrn Slüter, von Herrn Niemann<br />
des DPW (Deutscher<br />
Paritätischer Wohlfahrtsverband),<br />
dem Vertreter der Friedens- und Konfliktforschung<br />
sowie dem Staatsrechtler Prof.<br />
Ipsen der Universität Osnabrück begründet,<br />
dass auch nach Abschaffung der Zwangsdienste<br />
(Grundwehr- und Zivildienst als Ersatzdienst)<br />
das Problem der fehlenden Ehrenamtlichen in<br />
der sozialen Arbeit nicht gelöst sei. Demzufolge<br />
plädierten sie für eine „freiwillige Allgemeine<br />
<strong>Die</strong>nstpflicht“! für Frauen und Männer in einem<br />
öffentlich-rechtlichen <strong>Die</strong>nstverhältnis, das<br />
nicht tariflich bezahlt wird und im Niedriglohn<br />
verbleibt oder ganz umsonst erbracht werden<br />
muss im Gegenzug zu Sozialleistungen.<br />
In der Anhörung wurde deutlich, dass zusätzlich<br />
800 000 junge Menschen pro Jahr bei einer Allgemeinen<br />
<strong>Die</strong>nstpflicht auf dem Arbeitsmarkt<br />
als Freiwillige den Niedriglohnsektor befördern<br />
rellen Zwecke wir dieses Geld spenden.<br />
Zukünftig wird diese Vereinskasse<br />
– wiederum<br />
gegen unseren Willen<br />
– noch praller gefüllt<br />
sein, da die Regierungsfraktionen<br />
CDU und FDP<br />
mit Unterstützung der<br />
SPD im Juni-Plenum des<br />
Landtages eine kräftige<br />
insgesamt 7,24-prozentige<br />
Erhöhung der Abge-<br />
Christa Reichwaldt, MdL<br />
ordnetenbezüge in zwei<br />
Stufen auf dann 6.000<br />
Euro im Monat beschlossen haben.<br />
In Zeiten, in denen die Lasten der Finanz- und<br />
Wirtschaftskrise erneut insbesondere den sozial<br />
Schwachen aufgebürdet werden sollen ist es für<br />
uns umso dreister sich die eigenen Bezüge aus<br />
öffentlichen Mitteln in einem Maße zu steigern,<br />
mit dem keine sonstige Tariferhöhung der letzen<br />
Jahre mithalten kann. Bei einer solchen Politik des<br />
und reguläre Arbeitsplätze verdrängen werden!<br />
<strong>Die</strong> Allgemeine <strong>Die</strong>nstplicht ließe sich durch<br />
eine Grundgesetzänderung zu Art. 12 oder 12a<br />
einführen, so die Ansichten des Staatsrechtlers<br />
Prof. Ipsen von der Uni Osnabrück in der Anhörung.<br />
Ich meine, dies wäre ein gesellschaftspolitischer<br />
Skandal und damit würden sich die Befürchtungen<br />
der Erwerbsloseninitiativen, die vor<br />
Pflichtdiensten warnen, bewahrheiten.<br />
<strong>Die</strong> Vorbereitungen sind weit vorangeschritten.<br />
Im Unterausschuss für Bürgerschaftliches Engagement<br />
werden bereits Infrastrukturen für wenig<br />
Hauptamtliche mit einer großen Anzahl von<br />
Ehrenamtlichen in sozialen Arbeitsbereichen<br />
dargestellt. Von Herrn Slüter des BDKJS (Bund<br />
Deutsche Katholischen Jugend) wurde bereits<br />
das generationenübergreifende Engagement<br />
von Ehrenamtlichen bis 70 Jahre begründet.<br />
DIE LINKE hat die Pflicht zur Aufklärung über<br />
dieses Ausnutzen des gesellschaftlichen Engagements<br />
als unbezahlte Arbeit im sozialen Bereich.<br />
Hier soll die öffentliche Daseinsvorsorge<br />
möglichst kostenlos erbracht werden. <strong>Die</strong> Ausbildungsgänge<br />
im sozialen und erzieherischen<br />
Bereich werden damit entwertet, wenn Angelernte<br />
dieselbe Leistung erbringen sollen.<br />
Von Heidrun Dittrich, MdB und Mitglied im Ausschuss<br />
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Deutschen<br />
Fraktion DIE LINKE kritisiert Selbstbedienungsmentalität der breiten Mehrheit der<br />
Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages bei der Erhöhung der eigenen Diäten<br />
Bundestag<br />
„Wasser Predigens und Wein Trinkens“ müssen wir<br />
uns auch über eine weiter steigende Politikverdrossenheit<br />
nicht wundern.<br />
Insofern verstehen wir uns konsequente Position<br />
nicht nur als Kritik an der Selbstbedienungsmentalität<br />
der meisten Abgeordneten,<br />
sondern auch schlichtweg als demokratische<br />
Selbstverständlichkeit.<br />
Soziale Organisationen und Gruppen können<br />
sich übrigens mit Anträgen auf Projektförderung<br />
an den Verein wenden, damit die Diätenerhöhungen<br />
wenigstens an dieser Stelle<br />
dann sinnvoller ausgegeben werden können,<br />
als einfach nur Landtagsabgeordneten ihr Leben<br />
zu verschönern.<br />
Der Verein „Minna Faßhauer e.V.“ ist über unsere<br />
Fraktion unter www.linksfraktion-niedersachsen.<br />
de erreichbar.<br />
Christa Reichwaldt<br />
Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion DIE<br />
LINKE im Niedersächsischen Landtag