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Sprachentwicklung - sprich-mit-mir.at

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estimmten Zeitfensters, und zwar eben während dieser so genannten kritischen<br />

Phase zur Verfügung. Für den Erwerb des lautlichen Systems einer Sprache dürfte<br />

das Zeitfenster bereits früher - <strong>mit</strong> sechs, sieben Jahren - geschlossen sein. Für den<br />

Gramm<strong>at</strong>ikerwerb ist es eventuell noch bis etwa 10 Jahre geöffnet. Kommt während<br />

dieser Zeit kein oder ungenügendes Sprachangebot aus der Umgebung, so<br />

verkümmern diese Fähigkeiten. 35 „Die Antennen werden abgebaut“, so umschreiben<br />

es BUTZKAMM & BUTZKAMM (1999, 289), und Gramm<strong>at</strong>ikerwerb ist nachher<br />

endgültig nicht mehr möglich.<br />

N<strong>at</strong>ürlich können wir auch später noch die Gramm<strong>at</strong>iken weiterer Sprachen erlernen.<br />

Aber dies ist nur möglich, wenn unser Gramm<strong>at</strong>ikprogramm in der sensiblen<br />

Zeitspanne beim Erwerb unserer Erstsprache/n aktiviert wurde und wir da bereits<br />

eine Gramm<strong>at</strong>ik erworben haben. Vergleichbare Zeitfenster gibt es übrigens auch für<br />

viele nicht-sprachliche Leistungen solche sind auch aus der Tierwelt bekannt. So<br />

können beispielsweise Zebrafinken ihren Artgesang nur zwischen dem 25. und dem<br />

50. Lebenstag lernen. Weder vorher noch nachher sind sie für ihn empfänglich.<br />

Da<strong>mit</strong> solche einmaligen Zeitfenster für den Erwerb des lautlichen Systems oder der<br />

Gramm<strong>at</strong>ik einer Sprache nicht einfach ungenutzt verstreichen, ist es wichtig,<br />

eventuelle <strong>Sprachentwicklung</strong>sauffälligkeiten so früh wie möglich zu diagnostizieren<br />

und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Beispielsweise sollte eine Hörstörung<br />

möglichst früh von einem auf Kleinkinder spezialisierten HNO-Arzt oder einer HNO-<br />

Ärztin abgeklärt werden. Dabei soll festgestellt werden, wie groß der Hörverlust ist<br />

und welche Hörhilfen (Hörgerät, Cochlea Implant<strong>at</strong>) dem Kind eine<br />

Sprachwahrnehmung eventuell ermöglichen könnten. Solange dies nicht klar ist,<br />

sollten Gesten und Gebärden als Basiskommunik<strong>at</strong>ion eingesetzt werden. Wenn<br />

eine ausreichende Sprachwahrnehmung auch <strong>mit</strong> technischen Mitteln nicht möglich<br />

ist, soll der Erwerb einer Gebärdensprache 36 als Erstsprache so früh wie möglich<br />

gesichert werden. Dafür ist n<strong>at</strong>ürlich für den notwendigen Input in der<br />

Gebärdensprache zu sorgen. Das Kind muss also <strong>mit</strong> Menschen zusammen sein,<br />

die Gebärdensprache „sprechen“. Dass diese dann auch von den<br />

Familienangehörigen erlernt werden muss, versteht sich.<br />

Auch vorübergehende Hörstörungen, wie sie etwa infolge akuter<br />

Mittelohrentzündungen entstehen können, können bei Kindern unter vier Jahren<br />

neg<strong>at</strong>ive Einflüsse auf ihre <strong>Sprachentwicklung</strong> haben. Speziell wenn sie unerkannt<br />

und unbehandelt bleiben, können sie die <strong>Sprachentwicklung</strong> erheblich verzögern.<br />

35 Hier soll nochmals auf die so genannten „wilden“ Kinder, Wolfskinder oder Käfigkinder, die<br />

außerhalb der Gesellschaft ohne Sprache aufwachsen, hingewiesen werden. Einen umfassenden<br />

Überblick über solche Fälle gibt BLUMENTHAL (2003) in seinem Buch „Kaspar Hausers<br />

Geschwister“. Hier sei speziell der moderne Fall eines Mädchens namens Genie erwähnt, das um<br />

1970 <strong>mit</strong> zwölf Jahren aus dem „Käfig“, in dem die Eltern es die ganze Zeit eingesperrt h<strong>at</strong>ten,<br />

befreit wurde. Trotz intensiven Bemühungen eines Teams von Spezialistinnen und Spezialisten h<strong>at</strong><br />

Genie Sprache nicht mehr richtig erworben. Speziell der Gramm<strong>at</strong>ikerwerb war in dem Alter<br />

unmöglich geworden. Siehe dazu für Details CURTISS (1977).<br />

36 Eine Gebärdensprache ist eine vollwertige Sprache, die wie jede gesprochene Sprache eine<br />

eigene Gramm<strong>at</strong>ik besitzt. Sie unterscheidet sich nur insofern von einer gesprochenen Sprache,<br />

dass anstelle von artikulierten Lauten präzise Handzeichen und Gebärden eingesetzt werden.<br />

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